2. Kapitel
You’re my light
if it’s dark
Der Horizont färbte sich in einem hellen Flieder Ton, als sich die Sonne zu senken begann und nur noch ihre letzten Strahlen die Erde erreichten.
Katze schlich mit Schatten durch verlassene Gassen, die kaum benutzt wurden. Sie schnell und leise voraus, er kaum sichtbar in den Schatten der Wände. Dann verließen sie die Stadt, liefen auf einem Feldweg.
Der Junge wie immer barfuss und in seinen braunen Mantel gekleidet. Das Mädchen trug dünne Lederschuhe und ein grünes Kleid das ihr bis zu den Knien reichte. Das Kleid war oben eng geschnürt und betonte ihre Tailje, während es unten weit und bauschig wurde, man hätte meinen können es gehöre einer feinen Dame. Vermutlich war das auch mal so gewesen, Schatten hatte es ihr nach einem der nächtlichen Einbrüche einmal mitgebracht. Doch es passte Katze, als wäre es höchst persönlich für sie geschneidert worden.
Es dauerte nicht lange als sie vom Weg abwichen und ein Grundstück betraten. Es war verwildert, die Pflanzen wuchsen wie es ihnen gefiel, es kam kein Gärtner mehr der sie zu recht stutze. Aber es gab auch kein Haus, es war vor einigen Jahren abgerissen worden, da der Besitzer es nicht mehr haben wollte. Es hatte geheißen es würde ein neues gebaut werden, doch das war nie der Fall gewesen und es waren auch keine Leute mehr gekommen.
Nur der Keller stand noch, alt und bröcklig, aber das war egal. Eine Treppe verborgen von Dornenrangen und anderem Gestrüpp führte hinunter.
Als Katze den Fuß auf die erste Stufe setze, erinnerte sie sich daran, wie sie ihn mit einigen anderen entdeckt hatte. Nach und nach war ihr Lager dann hier entstanden, sie hatten es sich selbst eingerichtet. Es war wirklich gemütlich hier.
Eine sanfte Melodie wehte von unten herauf und wurde von einer Mädchenstimme begleitet.
the summer gleam in his colours
the nights are warm and mild
but soon the cool wind will be come
and autumn is on its way
the leaves are dancing with the wind
they love this season (in the year)
they whirl cheerfully and colourful in the air
the summer gleam in his colours
the nights are warm and mild
but soon the cool wind will be come
and autumn is on its way
the people are fleeing from this weather
they hate it so much
the cold wind, the dark clouds, and the rain
the summer gleam in his colours
the nights are warm and mild
but soon the cool wind will be come
and autumn is on its way
the animals in the forest are building there nests
as protection for the winter
and they searching the food f
the summer gleam in his colours
the nights are warm and mild
but soon the cool wind will be come
then the summer will die
the summer will die
and autumn is on its way
»Von was singt sie?«, fragend blickte er Katze an.
»Vom Sommer der vom Herbst vertrieben wird, wie die Natur, die Menschen und die Tiere sich anpassen, an die Jahreszeiten.« Inzwischen war das Lied verklungen und die letzten Töne fanden ihren Nachhall in den Tiefen des Kellers.
»Ah!«, Schatten nickte. Er hätte das singende Mädchen gerne richtig verstanden, aber sie sang meist in einer anderen Sprache, sie kam nicht von hier. Sie kam von weit her, mit einem Schiff war sie in dieses Land gekommen und hatte dabei ihren Bruder und die Mutter verloren, die auf See krank geworden waren. Woher Katze diese Sprache verstand wusste er nicht, er hatte sich noch nie getraut sie zu fragen. Aber sie verstand sie sehr gut.
Mittlerweile standen die beiden am Ende der Treppe. Fackeln und Petroleumlampen an den Wänden erhellten einen großen Raum, an den sich mehrere Zimmer anschlossen, die aber dunkel waren.
Fünf oder sechs Jungen und Mädchen saßen bereits auf Stühlen um einen großen Tisch versammelt. Auf dem Tisch standen Platten mit Essen bereit, die nur darauf warteten von den hungrigen Kindern verschlungen zu werden.
Das Mädchen das gesungen hatte saß vor einer Harfe, die alt und wertvoll aussah. Lange blonde Locken fielen dem molligen Mädchen weich über die Schultern. Sie trug ein braunes schlichtes Kleid.
»Harda, sing uns doch noch etwas bis alle da sein«, schrie ein Junge mit roten Harren.
»Ja bitte Harda«, stimmte ein weiters Mädchen mit ein, die etwas abseits saß und eine graue Katze auf ihrem Schoß streichelte.
Harda brachte die ersten Saiten zum schwingen, zupfte sachte daran. Eine leise geheimnisvolle Melodie erfüllte den Raum. Alle waren verstummt und horchten gespannt. Dann setzte das mollige Mädchen an zu singen. Leise, passend zur Musik. Klare helle Töne glitten über ihre Lippen und mischten sich zur Melodie des Instruments, das sie fortwährend spielte.
the city is lost in darkness
the night is quiet
but the shadows are moving
normal humans wouldn’t see that
but all thieves had seen it
it was a sign for them, a signal
now it’s the time for themselves
human shadows are dancing in the dark night
they creep into opened windows
the thieves hear whispering jewellery
in posh houses
Nun wurde die Musik wilder und lauter. Katze fing an zu tanzen. Während sie sich drehte flog ihr Rock und entblößte ihre Oberschenkel, doch keiner der andere achtete drauf. Denn auch sie waren zu sehr von der Musik von Harda gefesselt.
they broke in houses
which rich people live
nobody can hear them
cause they are the children of the night
they were protected from her
cause the mother wouldn’t lose one of them
she loves her children
human shadows are dancing in the dark night
they creep into opened windows
the thieves hear whispering jewellery
in posh houses
if the sun come
all thieves are disappear
they hide themselves in old houses
where nobody search them
the day is there enemy
in this hours is no protection
so they don’t go out
human shadows are dancing in the dark night
they creep into opened windows
the thieves hear whispering jewellery
in posh houses
Schatten starrte Harda an. Er hatte kein einziges Wort verstanden, doch dieses Lied hatte unbekannte Gefühle in ihm ausgelöst. Als wäre es darin um sie gegangen, die Bande, die Kinder der Nacht.
Inzwischen waren es mehr geworden, in etwa zehn saßen jetzt schon um den Tisch. Ein Junge mit dunkelbrauner Haut und kurzen schwarzen Haaren kam auf Schatten zu. »Schatten, was ist mit Katze? Wind hat nur so komische Andeutungen gemacht. Du musst mir das doch sagen können du hast uns schließlich hier herbestellt außerdem bist du ständig bei ihr.« Aus der Stimme sprach Sorge.
»Genau weiß ich es nicht, Agu. Aber sie wird seit fast einer Woche beobachtet in ihrem Versteck, das außer uns keiner kennt und vor zwei Tagen hat mich ein Mann aufgehalten und wollte ihren richtigen Namen wissen. Ich mache mir Sorgen, das ist nicht normal, dieses Interesse das irgendjemand plötzlich für sie zeigt. Ich frage mich nur woher sie von Katze erfahren haben. Die letzten Woche, Monate war sie nie bei den Überfällen oder so dabei, woher also wurden sie auf sie aufmerksam?«
»Oh, das ist nicht gut. Ich mache mir auch Sorgen. Aber was wollen wir tun?«
»Später, wenn alle da sind, ich denke wir sollten das alle entscheiden.« Schattens braune Augen suchten Katze in der Menge. Schnell fiel ihm ihr schwarzes Haar auf, denn von den Mädchen hatte sonst keine andere schwarze Haare, von den Jungs schon ein paar aber ein Mädchen von einem Jungen zu unterscheiden war durchaus leicht.
»Pass auf sie auf, etwas liegt in der Luft«, flüsterte Agu ihm zu, als dieser seinen Blick bemerkte und er sich zu den anderen gesellte.
»Das werde ich«, doch das bekam der schwarze Junge schon gar nicht mehr mit, seine Worte gingen in der Menge unter.
»Können wir jetzt anfangen? Sind alle da?«, erhob Schatten seine Stimme, damit ihn alle hörten.
»Nein, meine Schwester fehlt noch.«, rief der rothaarige Junge aus.
»Wo ist sie, Feuertanz? Sonst macht ihr doch immer alles zusammen«, fragte Schatten.
»Sie wollte etwas zum Essen besorgen, wir wussten ja nicht das schon andere dafür gesorgt haben«, Feuertanz musste grinsen.
»Warten wir noch, Ava fehlt auch noch«, warf Katze dazwischen.
»Nun gut, warten wir noch«, entschied Schatten darauf hin.
»Feuertanz führst du ein bisschen was vor, ich habe dich schon so lang nicht mehr gesehen«, bat Katze den rothaarigen Jungen.
»Sicher«, er schenkte Katze ein warmes Lächeln. Danach holte er aus einer Tasche die um seine Schultern hang, mehrere Fackeln. Diese entzündete er an einer der Petroleumlampen, die in der Mitte des Tisches standen.
Und dann fing er an. Er jonglierte die vier Fackeln, die Flammen tanzten um ihn herum, aber berührten ihn nie. Das Feuer zeichnete witzige Figuren in die Luft, so schnell wurden sie herum gewirbelt.
Gebannt blickte Katze ihn an, sie mochte diese Spektakel, da man sie nicht oft zusehen bekam. Auch Feuertanz mache das nicht oft für die Bande, er zog in der Dämmerung des Öfteren durch die Straßen und führte etwas auf, in der Hoffnung ein paar Groschen zu bekommen.
Auf einmal hielt er inne, zwei Fackeln in jeder Hand. Schaute sich um, betrachtete jedes Gesicht der Anwesenden und verweilte dann bei Katze und Schatten, der direkt hinter dem Mädchen saß.
Die plötzliche Stille wurde von lautem Hundegebell unterbrochen, das von oben herunter drang.
»Meine Schwester«, erklärte Feuertanz, der noch immer mit seinen Fackeln dastand.
»Sie hat einen Hund?«, fragte Harda begeistert.
»Ja seit ein paar Wochen, er ist noch ziemlich jung«, redete er recht abfällig über den Hund, den er nicht zu mögen schien.
»Das ist super, ich liebe Hunde«, Harda freute sich richtig und schien dabei fast zu vergessen warum sie eigentlich alle hier waren.
Dann hörte man Schritte, aber sie waren nicht nur von einer Person. Ein Junge erschien hinter dem rothaarigen Mädchen. Ein schokoladenbrauner Hund stand Schwanz wedelnd neben ihr.
Etwa zehn Augenpaare richteten sich auf die beiden.
»Kommt setzt euch, wir haben schon auf euch gewartet«, ergriff Katze als erstes das Wort und deutete auf die Plätze neben sich, die noch frei waren.
»Na dann könnt ihr ja jetzt anfangen«, meinte der Junge, der eben gekommen war und setzte sich neben Katze. Sein Haar hing ihm in nassen Strähnen in die Stirn, Wasser tropfte herab.
Feuertanz’ Schwester setze sich auch und dann fing Schatten erneut an. »Ihr wisst warum wir uns heute hier alle treffen?«
Manche nickten, andere brummten etwas unverständliches, doch der sprechende Junge ließ sich davon nicht irritieren.
»Katze wird beobachtet, seit einer Woche steht abends immer jemand vor ihrem Versteck und starrt zum Fenster herauf. Wir müssen etwas unternehmen, herausfinden was er von Katze will und ihn oder sie am besten vertreiben.«
»Wie sollen wir das anstellen Schatten?«, rief ein Junge aus, seine Stimme schwankte vom Hohen ins Tiefe.
»Hast du etwa noch nie spioniert?« Ungläubig musterte er den Jungen.
»Natürlich, aber…aber wir können doch keinen Spion ausspionieren.« Der Junge im Stimmbruch wusste nicht genau was er sagen sollte, fühlte sich unwohl in seiner Haut, konnte Schatten doch manchmal schon etwas herrsch sein.
»Na siehst du, du hast es schon einmal getan. Was ist dann an diesem Mann so schwer? Wenn er wieder vor Katzes Fenster steht müssen ihm nur welche Folgen«, Schatten glaubte er hatte ihn überzeugt, doch dem war nicht so, denn auch andere zweifelten.
»Du stellst dir das ein bisschen zu einfach vor. Wir können ihm folgen und dann? Was sollen wir dann machen? Ihm ständig folgen, ihm auf jeden Schritt und Tritt verfolgen. Wann schlafen wir dann und wer gibt dann Katze oder den anderen bescheid was jetzt los ist?« Auch ein Mädchen mit brünetten Haaren, die zu zwei Zöpfen geflochten waren und dann zu Schnecken über dem Ohr gerollt waren, hatte Einwände.
»Sie hat Recht!«, schrie ein recht kleiner Junge, der neben ihr saß mit voller Lautstärke. Harda, die direkt daneben war, hielt sich erschrocken die Ohren zu.
»Milva, hast du deine Brieftauben noch?«, Schatten war soeben eine Idee gekommen.
»Sicher, sie sind hier in einem der hinteren Zimmer, damit sie niemanden stören, in einem Käfig. Wieso?«
»So können drei oder mehr den Mann verfolgen und wenn er weiten Weg zurück legt können wir über die Brieftauben in Kontakt bleiben.«, erläuterte Schatten triumphierend.
»Die Tauben finden aber nur hier her, nicht wieder zu mir zurück. Das ist dir klar?«, Milva war von dieser Idee auch noch nicht so ganz überzeugt.
»Das weiß ich doch, aber schau, drei verfolgen den Mann, abends wenn er dann irgendwo eingehrt, schickt ihr die Taube los und schreibt auf einen Zettel, wo ihr euch gerade befindet. Dann werden drei andere dort hinkommen und euch ablösen, ihr kehrt hierher zurück und berichten uns dann was ihr in Erfahrung gebracht hat.« Langsam wurde der Junge ungeduldig, er konnte die anderen nicht verstehen, warum sie noch zögerten.
»Wer soll das schreiben? Können den alle schreiben?«, fragte da plötzlich Milva.
»Ich kann nicht lesen und schreiben«, rief der kleine Junge neben Harda.
»Ich auch nicht«, das Mädchen mit der grauen Katze.
»Ich kann es auch nicht«, stimmte Schatten zu.
»Stopp!«, schrie Katze, »wir müssen das anders machen. Wer kann den nun lesen und schreiben? Meldet euch am besten, dann kommen wir schneller zu einem Ergebnis.«
Hardas rechte Hand schnellte nach oben, Feuertanz sowie seine Schwester streckten nur zögerlich die Finger nach oben, Ava streckte seine Hand auch aus. Dann kamen auch noch Winds und Milvas Hände nach oben geschnellt.
»Sechs Leute mit mir sieben, können lesen und schreiben, das müsste langen. Wenn wir uns immer in dreier Gruppen einteilen, müsste das funktioniere schließlich muss immer nur einer Schreiben können«, Katze sprach ruhig und nicht sonderlich laut, trotzdem verstanden sie alle, denn plötzlich war es ruhig geworden. Keiner redete mehr dazwischen. Denn alle hatten sie einen bestimmten Respekt vor dem Mädchen mit den kurzen schwarzen Haaren, keiner wusste genau warum, aber es war so. Vielleicht weil sie es gewesen war, die sie alle vereint hatte, die sie zusammen gehalten hatte, mit ihnen dieses Reich in den Verwilderten Kellern errichtet hatte. Was auch immer es war, dieses Gefühl würde vermutlich nie aufhören zu existieren.
***
»Ich glaube wir schlafen heute lieber hier«, flüsterte Schatten in Katzes Ohr.
»Wenn hier genügend Platz ist«, Katzes helle Stimme klang zweifelnd. Die anderen Jungen und Mädchen waren in Zimmer weiter hinten im Keller gegangen, dort standen Betten, Hängematten und Matratzen für die ganze Bande.
»Klar! Hast du dein Zimmer, vergessen?«, rief er lachend aus.
»Äh… gibt es das noch?«
»Aber sicher«, glücklich strahlte er das Mädchen an. Nachdem nun beschlossen worden war, das sich alle in dreier Gruppen aufteilen würde und dann ab morgen Abend an ihrem Versteck wache halten würden war er ungezwungener. Konnte wieder fröhlich lachen, als wäre ihm eine große Last von den Schultern genommen worden.
»Ich habe doch gesagt, das sie es umbauen können, anders nutzen können, nachdem ich ja nun eigentlich immer in der Villa schlafe«, verwundert blickte sie ihn an. Ihr Versteck wurde Villa genannt, weil es vor einigen Jahrzehnten, mal ein schönes Herrenhaus gewesen war, doch es stand schon seit vielen Jahren leer. Der Hausherr war verstorben und hatte keine Nachfahren gehabt. Die ganze Gegend dort war irgendwann einmal ein herrlicher Stadtteil gewesen, jedoch war das inzwischen nicht mehr so. Die Häuser waren verkommen und zum Teil leer stehend oder von armen Leuten bewohnt. So viel es auch nicht auf, das dort ein fremdes Mädchen seit wenigen Monaten ein und ausging. Früher hatte die Bande diese Räume zwar auch schon genutzt, aber eben nicht so, wie sie jetzt.
»Das wollten sie nicht. Du kennst sie doch. Sie sind davon überzeugt, dass du irgendwann wieder mit auf die Streifzüge kommst und da möchten sie dir dein Zimmer nicht wegnehmen. Sie halten es sogar sauber, neulich habe ich eins der Mädchen gesehen, die ein wenig geputzt hat«, erklärte Schatten ausführlich.
»Aha. Warum tun sie das eigentlich was ist an mir so anders, als an den anderen Mitgliedern?«, fragte sie ihn, leise fügte sie noch hinzu. »Glaubst du das auch?«
»Du hast uns zusammengeführt, uns gezeigt was Freundschaft ist, das rechnen sie dir hoch an. Was soll ich auch glauben?«
»Das hätte jeder von euch auch machen können. Jeder verstehst du, an mir gibt es nichts besonderes.«
Weiter kam sie nicht. »Natürlich bist du besonders. Keiner von uns hätte das gekonnt. Fast keiner hier wusste vorher was Freundschaft und Rücksicht ist, wir kannten das nicht. Du hast es uns gelehrt. Du warst und bist der Zusammenhalt der Kinder der Nacht. Ohne dich würde es uns niemals geben.«
»Übertreib doch nicht so«, verlegen wandte Katze ihr Gesicht zur Seite, denn sie wusste, dass ihre Wangen von einem leichten Hauch von Rot überzogen wurden.
Schatten nahm sie an der Hand und zog sie in ein angrenzendes Zimmer, das wiederum weiter in ihren alten Raum führte. Mit der freien Hand schnappte er sich eine Petroleumlampe, denn diese Räume lagen im Dunklen. »Ich übertreibe nicht, ich sage lediglich die Wahrheit.«
Sie schüttelte den Kopf, doch sie fühlte sich schon etwas geschmeichelt und konnte das Lächeln das sich auf ihre Lippen stahl nicht verhindern.
Ihr Zimmer hatte sich nicht verändert. Katze drehte sich erstaunt einmal im Kreis. Alles stand noch auf seinem alten Platz, nichts war weggestellt oder verändert worden. Das Bett, die Kissen, die Regale, die Bücher, der kleine Schrank und noch immer waren unzählige Kerzen hier drin. Sie brannten natürlich nicht. Das einzige was ein bisschen Licht spendete war die Petroleumlampe, die Schatten mitgebracht hatte.
Schatten hatte es sich auf einem Kissen bequem gemacht und lehnte mit dem Rücken am Bettgestell und lächelte das schwarzhaarige Mädchen an. Sie lächelte zurück. Schritt langsam auf ihn zu. Dicht vor ihm blieb sie stehen und ging in die Knie. Schaute ihm in die braunen Augen, die sie so liebte. Dann ganz plötzlich beugte sich Katze vor und drückte ihm einen Kuss auf den Mund.
Ein kurzer Kuss, der aber dennoch von Zärtlichkeit und Liebe sprach. Erstaunt riss Schatten die Augen auf und starrte Katze an. »Womit habe ich das verdient?«
»Für das was du im Moment machst«, sie lächelte noch immer doch klang sie sehr ernst.
»Hä? Was tue ich denn?«, Schatten verstand nicht wirklich von was Katze gerade redete.
»Na das du dich so für mich einsetzt«, die Worte waren nicht mehr als ein Wispern.
»Das würde ich doch immer tun, das weißt du doch«, dann stockte er auf einmal, als würde es da noch mehr geben, was er sagen wollte, aber es kam nichts mehr über seine Lippen.
»Ich weiß, aber warum?« Katze schaute ihn nachdenklich an, versuchte in seinen Augen und Gesicht zu lesen, doch sie fand darin keine Antwort. Seine Gefühle verbarg Schatten meist.
»Weil ich dich liebe«, ein leises flüstern.
»Ich liebe dich auch«, hauchte Katze in sein Ohr, danach setzte sie sich in Schattens Schoß und lehnte sich an seine Brust. Sie atmete tief ein, fast erwartete sie einen alten vertrauten Geruch zu riechen, doch es war nur Schatten den sie roch. Sie spürte die Wärme seines Körpers und in ihrem Kopf drehte sich alles vor Glück. Für einen Augenblick vergaß das Mädchen, das ihr nach spioniert wurde, das sie vielleicht in Gefahr war.
***
Es war spät. In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen.
Katze drehte sich ruhelos in ihrem Bett hin und her, neben ihr Schatten, der schlief. Er trug noch immer seine Klamotten, sie trug nur ihr Unterkleid, denn das Überkleid lag sehr eng an und man konnte darin nicht sonderlich gut schlafen. Doch sie fand nicht in den Schlaf, der heutige Abend hatte sie viel zum nachdenken gebracht. So einen Aufwand hatte Schatten betreiben, nur weil er sich Sorgen um sie machte, weil er und all die anderen glaubten sie würde beschatten werden. Was würde man den schon von ihr wollen? Sie war niemand besonderes!
Die letzen Tage hatten Erinnerungen wach gerufen, die sie längst verloren geglaubt hatte. Das alles rüttelte an den Erlebnissen ihrer Kindheit.
»Wer von euch beiden war es? Nun redet schon«, die Stimme klingt bedrohlich, obwohl, das kleine Mädchen sie nur gedämpft durch die Holztür hört.
»Wir… wir wa…waren das niiii… niiicht!«, derjenige der Antwortet stottert und auch seine Stimme droht jeden Moment zu versagen.
»Natürlich ward ihr es, ich habe euch doch gesehen, wie ihr meiner Tochter schon wieder hinterher gejagt seid. Aber lassen wir es gut sein! Doch sollte das noch mal vorkommen, ihr Lausbuben, dann lasst euch gesagt sein, das ihr das nächste Mal nicht so gut davon kommt, wenn ihr sie noch einmal anrührt«, die Stimme ihres Vaters hat an Bedrohlichkeit verloren und klingt nun eine Spur freundlicher, aber nicht so sanftmütig wie sie es gewohnt ist. Die beiden Jungen laufen, so schnell ihre Beine sie tragen, davon, durch die Hintertür hinaus.
Schnell weicht sie von der Tür weg, in den Garten, wo sie sich auf eine selbst gezimmerte Bank setzt. Ihr Vater soll nicht wissen, dass sie gelauscht hat.
»Anouk?«, endlich klingt er wieder normal, so wie immer. Ihr Herz macht einen freudigen Hüpfer.
»Ja?«, antwortete sie. .
»Wo bist du den?«
»Im Garten.«
Ihr Vater kommt auf sie zu. Sein schwarzes Haar hängt im in die Stirn und steht in alle möglichen Richtungen ab.
Als er vor ihr steht, richt sie den vertrauten Thymian Geruch, sie atmet tief ein. Sie möchte diesen Duft für immer behalten. Der Mann hebt sie hoch und wirbelt sie einmal durch die Luft. Dann setzt er sie wieder ab, schiebt die Ärmel ihrer Kleider hoch. Starrt ihre Arme an. Dieser wütende Ausdruck in seinen grünen Augen gilt nicht ihr, das weiß sie.
»Wir werden eine Paste hinauf schmieren, diese blauen Flecken sehen schrecklich aus. Du musst lernen dich zu währen Anouk. Du bist stark, du musst nur daran glauben.«
»Aber sie sind doch älter als ich«, jammert das kleine Mädchen.
»Das mag sein, aber Stärke hat nicht nur mit Kraft zu tun. Du kannst ihnen auch davon laufen, dich verstecken oder ihnen gleich aus dem Weg gehen, oder sie anders überzeugen, das du es nicht wert bist gejagt und geschlagen zu werden«, redete ihr Vater gut auf sie ein, das konnte er gut, ihr Mut machen.
»Ich weiß nicht!«, sie kling nachdenklich.
»Zweifle nicht an dir, meine Kleine. Du kannst alles, wenn du nur daran glaubst.« Er klingt so entschlossen.
Katze riss die Augen auf, blinzelte die Erinnerungen weg. Sie durfte sich nicht in der Vergangenheit verlieren, sie musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Diese war wichtig. Ihr Leben spielte sich jetzt ab und nicht irgendwann vor ein paar Jahren.
Vergangenheit ist Vergangenheit, sie beeinflusst dein Leben nicht mehr, damit musst du zu Recht kommen. Mit diesem Gedanken schlief sie dann doch noch ein.
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2008
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