1. Kapitel
You’re my sun
You protect me for the night
»Wie heißt das Mädchen mit den schwarzen Haaren? Nun sag schon!«, er schrie den Jungen an. Seine Stimme hallte unheimlich laut durch die schmale Straße, in der in weiter ferne, einsam eine Wächterlaterne die Nacht erhellte. In reicheren Viertel wurden von den Nachtwächtern mehrere Petroleumlampen entzündet, denn dort wurden sie reicher dafür entlohnt, als in solch armseligen Gegenden.
»Wie oft noch sie heißt Katze! K A T Z E!« Langsam war der braunhaarige Junge wirklich genervt.
»Ihr richtiger Name! Sie muss doch noch einen anderen Namen haben?«
»Wir nennen sie alle Katze. Was sind richtige Namen den schon? Sie sagen nichts über jemanden aus. Wenn sie mehr über sie wissen wollen, müssen Sie sie am besten selbst fragen. Ich und auch keiner der anderen kann Ihnen, da weiterhelfen. Jetzt lassen sie mich in Ruhe!« Der Junge achtete nich weiter auf den Mann, der ganz in schwarz gekleidet war. Er ließ den Mann zurück und tauche tiefer in die dunkle Gasse ein, weg von dem trüben Licht der Straßenlaterne und wurde eins mit der Dunkelheit.
Seine nackten Füße verursachten keinerlei Geräusch auf der Straße. Er kannte sein Ziel, machte sich auf dem Weg zu ihr, zu Katze. Wollte ihr von dem Vorfall berichten.
Der Junge hatte Glück das keine Wache unterwegs war, denn heute war er nicht sonderlich achtsam. Der Mann beschäftigte ihn zu sehr. Ihren richtigen Namen! Was wollte er damit?
Wann hatte dieser Mann Katze gesehen, sie war nie bei den Überfällen dabei. Zumindest nicht in letzter Zeit. Was hatte er mit ihr zu tun?
***
Der Junge klopfte laut gegen die Tür, doch er hörte nichts aus dem inneren. Zögerlich drückte er die Türklinge hinunter und öffnete die Tür.
»Katze?«, flüsterte er, bevor er in den Raum eintrat. Kerzen standen überall verteilt und brachten schummriges Licht in das ansonsten dunkle Zimmer. Nichts regte sich.
Noch immer war der Junge verunsichert, doch da sah er sie plötzlich. Ein Mädchen lag im Bett, versteckt unter Decken und Kissen. Er schloss die Tür hinter sich und schlich sich zum Bett. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante und zog seinen Mantel aus. Dann legte er sich neben Katze, deckte sich auch etwas zu. Doch er hatte nicht vor zu schlafen, stattdessen betrachtete er Katze im schlaf.
Im Schlaf fand er sie am schönsten, dann sah sie vollkommen glücklich aus. Nicht das sie nicht glücklich war, doch manchmal hatte er das Gefühl ihr fehle etwas. Als vermisse sie etwas, das sie vor langer Zeit verloren hatte. Wenn sie träumte war das anders, ihr Gesicht war entspannt, ihre vollen Lippen leicht geöffnet. Ihr kurzes schwarzes Haar, das im schlechten Licht fast braun wirkte stand verwuschelt ab, einige Strähnen vielen auch ins Gesicht.
Der Rauch der Kerzen brannte nach einiger Zeit in den Augen des Jungen, sodass er aufstand und ein Fenster öffnete. Von hier aus konnte man einen großen Teil der Stadt überblicken, doch in der Nacht waren es nur dunkle Umrisse, die aus dem Boden wuchsen. Noch immer dachte der Braunhaarige darüber nach, was der Mann von Katze wollte? Und was nütze es ihm ihren Namen zu kennen?
»Schatten? Bist du es?«, wisperte da plötzlich eine helle Stimme.
»Ja.« Auch der Junge sprach nicht laut, als hätten sie beide Angst jemanden zu wecken, doch außer ihnen war sonst niemand in dem Raum. »Ich muss dir etwas wichtiges erzählen.«
»Hat das nicht Zeit bis morgen?« Noch immer sprach Katze leise.
»Ich glaube es ist wichtig.«
»Na dann. Fang am besten gleich mal an.« Das Mädchen hatte sich aufgerichtet, einige Kissen aufgestapelt, an die sie sich nun anlehnte.
»Jemand möchte deinen richtigen Namen wissen, Katze. Ein Mann.«
»Schatten, was redest du da? Niemand möchte meinen Namen wissen. Mich hat in den letzen paar Monaten niemand außer der Bande zu sehen bekommen. Woher sollte er mich also kennen?«
»Ich weiß es nicht, aber er hat mich heute aufgehalten. Redete von dem Mädchen mit dem schwarzen Haar und wollte ihren Namen wissen. Er konnte nur dich meinen, keins der anderen Mädchen hat schwarze Haare. Glaub mir, er meinte dich. Was will er von dir?«
Katze zitterte und auch ihre Stimme schwankte. »Wie sah er aus?«
»Ich weiß nicht genau.« Schatten geriet ins stottern, auf so etwas hatte er nicht geachtet. »Also er war ganz in schwarz gekleidet. Und…«
»Ich will nicht seine Kleidung wissen. Schatten du weißt was ich meine. Wie groß? Welche Haarfarbe? Augenfarbe?« Die Worte waren nicht flüssig, holperten über ihre Lippen. Als hätte sie Angst. Angst vor dem Mann, denn sie gar nicht kannte.
»Er war ein bisschen größer als ich… er war nicht dick, aber auch nicht schlank, durchschnittlich. Äh, … auf das andere habe ich nicht geachtet. Es tut mir leid.«
»Nicht einmal die Haarfarbe. Bitte denk nach.« Sie war aufgestanden und starrte verzweifelt in Schattens Gesicht.
»Ich glaube, es war dunkel. Aber es war schon Nacht meine Augen hätten mich trügen können.«
Katze fasste den Jungen, der gut einen Kopf größer war als sie, an den Schultern. Sie starrte mit ihren grünen Augen in die braunen Augen von Schatten und suchte darin nach einer Antwort, doch die würde sie dort nicht finden.
»Katze. Was ist an deinem Namen so wertvoll, das ihn jemand wissen möchte? Was kann er mit diesem Wissen machen? Wie heißt du wirklich?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich benutze diesen Namen schon seit Jahren nicht mehr und es hat mich auch seitdem nie jemand danach gefragt. Ich heiße Anouk.«
»Anouk«, Schatten ließ jeden Buchstaben auf seiner Zunge zergehen. »Ein schöner Name, doch Katze sagt so viel mehr über dich aus. Katze, dieser Name hat Macht denn so kennen dich die meisten. Aber Anouk besitzt keine Macht über dich, er ist bedeutungslos, denn er gehört zu deiner Vergangenheit.«
»Ja er ist meine Vergangenheit.« Noch immer zitterte das Mädchen ganz leicht, vielleicht lag es jetzt an der Kälte die durch das Fenster kam, denn sie trug nur ein dünnes Kleid. Falls es noch immer die Angst war, so gab Schatten ihr Sicherheit. »Wie ist dein richtiger Name, Schatten?«
»Ich habe ihn bereits vergessen, wie meine Vergangenheit auch. Schatten ist mein Name und er wird es auch immer bleiben.« Er umarmte Katze, drückte sie fest an sich und zog ihren einzigartigen Geruch ein. Das Mädchen erwiderte die Umarmung, sie schmiegte sich eng an den Jungen.
»Du solltest noch etwas schlafen, bevor die Sonne wieder aufgeht.«
»Was ist mit dir? Du brauchst auch Ruhe. Du kannst nicht den ganzen Tag wach bleiben, normalerweise streichst du mit den anderen in der Nacht durch die Straßen und ihr überfällt Leute oder brecht in die Herrenhäuser ein und am Tag bist du irgendwo anders und hin und wieder bei mir. Wann schläfst du Schatten? Wann erholst du dich?«
»Ich brauche nicht viel Schlaf ein paar Stunden genügen mir.«
»Komm leg dich zu mir. Beschütze mich vor der gefährlichen Nacht, du kennst ihre Gefahren und weißt sie zu vernichten. Ich kann besser schlafen, wenn ich weiß das du neben mir liegst.« Sie zog an seinem Arm, als wäre sie ein kleines Kind.
»Schon gut, ich bleibe ja noch.«
Nachdem Katze es sich wieder in ihrem Bett bequem gemacht hatte, legte sich auch Schatten in das große Bett neben sie.
Eine Hand taste sich aus der Decke hinaus und suchte eine Hand des Jungen. Doch Schatten war schneller, er umfasste ihre Hand mit der seinen. Ihre Hand war so klein, das sie Problemlos in der seinen verschwand.
Sie lächelte den Jungen an und schloss dann langsam ihre Augen.
»Träum süß, Katze. Ich wache über dich.«
***
Ein klirrendes Geräusch riss Schatten aus seinem leichten Dämmerschlaf. Einige Sekunden später das gleiche Geräusch. Metall prallte auf Metall.
Sofort war der Junge hellwach, stand aufrecht neben dem Bett und lauschte. Seine Finger tasteten nach dem Messer, das an seinem Gürtel hing und umschlossen fest den Schaft. Leise schlich er sich ans Fenster und starrte hinaus, doch noch immer lag die Stadt in Dunkelheit gehüllt.
Wieder prallte Metall auf Metall, diesmal war es lauter. Es war direkt unter ihm. Schatten sah zwei menschliche Umrisse unten auf der Straße kämpfen. Genaueres konnte er nicht erkennen, aber er glaubte den einen zu kennen. Die Bewegungen erinnerten ihn an jemanden, sicher war er es sich jedoch nicht.
So schnell der Kampf begonnen hatte, so schnell endete er auch. Denn der eine kapitulierte, gab sich geschlagen, denn er zog sich zurück. Rannte weg, rechts die Straße hinunter. Der andere stütze sich auf die Knie und holte erst einmal tief Luft. Dann blickte er hinauf und Schatten hätte schwören können, das ihn der Gewinner gesehen hatte. Schnell trat er vom Fenster weg, doch vermutlich nicht schnell genug.
Etwas entspannter, als noch vor einigen Augenblicken setzte er sich wieder aufs Bett, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Er hatte Katze geschworen sie zu beschützen und das würde er nun tun. Denn er hatte das ungute Gefühl, dass das nicht das letzte Ereignis für diese Nacht gewesen war.
Um sich zu beschäftigen und nicht wieder einzunicken. Holte er aus seiner Hosentasche einen Beutel, der leise klimperte. Den Inhalt schüttete er auf ein großes Kissen, dann begann er die Münzen zu ordnen und zu zählen.
Als er gerade eine besonders glänzende Münze betrachtete, ließ ihn ein leises Klopfen aufhorchen. Schatten fiel die Münze aus der Hand, diese landete mit einem hellen Klirren auf dem bereits gezählten Haufen, sofort hatte er das Messer wieder in der Hand, das noch immer neben ihn gelegen war.
Es klopfte jemand gegen die Tür. Ein sich wiederholender Rhythmus. Zweimal kurz, viermal lang und dann dreimal ganz schnell. Ein Code.
Der Badencode, schoss es Schatten wie ein Blitz durch den Kopf. Hier? Was hatte das zu bedeuten?
Trotz der Verwirrung, klopfte er von seiner Seite der Tür zurück. Der Rhythmus auf der anderen Seite veränderte sich, wurde sanfter als würde über die Tür gestrichen und nicht geklopft. Es war Anian.
Schatten öffnete die Tür, erst einen Spaltbreit und als er erkannte das Anian allein war, ganz.
»Was willst du hier?«
»Schlechte Neuigkeiten, Schatten.«
»Was für schlechte Neuigkeiten.«, es schien ihn zu stören das hier jemand von der Bande auftauchte.
»Nachrichten, die nicht für jedermanns Ohr bestimmt sind. Kann ich nicht hereinkommen?«
»Schon, aber … sei leise. Katze schläft.«
Leise wie ein Windhauch glitt Anian durch die Tür, in Katzes Raum hinein. Unschlüssig blieb er zwischen Kerzen und Bücherstapeln stehen, die überall verteilt im Zimmer herum lagen.
Schatten holte zwei Kissen vom Bett, damit sie nicht auf dem kalten Holzboden sitzen mussten. Zusammen schafften sie eine Lücke, indem sie Bücher und Kerzen zur Seite schoben, in der sie sich beide problemlos setzen konnten ohne irgendwas im Weg zu haben.
»Also leg los, Wind.« Schatten nannte Anian so gut wie immer Wind, er mochte einfache Namen die viel aussagten. Obwohl Anian in einer fremden Sprache auch Wind bedeutete, doch so etwas wollte Schatten nicht hören, andere Sprachen interessierten ihn so wenig wie Buchstaben.
»Katze wird beobachten und das schon seit einigen Tagen.« Es klang wie ein leises Säuseln von Wind, so leise sprach der andere Junge.
»Weißt du von wem?«
»Nein, ich vermute ein Mann. Oder was würdest du sagen, du sahst uns gerade unten kämpfen?«
»Das war ein Mann, da bin ich mir ganz sicher. Seit wann sagtest du wird sie beobachtet?«
»Seit ein paar Tagen, so vier oder fünf vielleicht.«
»Warum hast du nicht gleich etwas gesagt?«
»Ich war mir anfangs nicht sicher, doch nachdem ich den dieselbe dunkle Gestalt nun schon des Öfteren hier abends gesehen habe, war mir klar, dass er Katze beobachtet. Er steht immer in der Straße und schaut hinauf zu dem Fenster.« Wind deutete auf das noch immer offene Fenster.
Schatten dachte über das eben gesagte nach, doch er verstand nicht was da passierte.
»Woher glaubst du weiß er von Katze?«, unterbrach Anian ihn in seinen Gedanken.
»Ich habe keine Ahnung. Doch er ist nicht der einzige der etwas von Katze will.«
»Wie meinst du das, nicht der einzige?«
»Mich hielt heute ein Mann auf und wollte ihren Namen wissen. Ihren richtigen Namen.«
»Warum?« Die Augenbrauen des Jungen hoben sich fragend, während ihm blonde längere Strähnen ins Gesicht fielen.
»Ich weiß es nicht und auch Katze hat keinen blassen Schimmer. Doch irgendwas muss sie besitzen oder können, das andere haben wollen. Was auch immer es sein mag.«
»Was sollen wir jetzt tun?«
Schatten zögerte kurz bevor er antwortete. »Ruf alle zusammen. Wir können das nicht allein entscheiden. In zwei Tagen bei herein brechender Dunkelheit in den Verwilderten Kellern, sag ihnen es ist wichtig, es sollen alle kommen.«
»Klar. Niemand kann es schneller verbreiten als der Wind.« Um Anians schmale Lippen tanzte ein Grinsen.
»Ich verlasse mich auf dich.«
»Wie immer?« Schatten wusste nicht ob es eine Frage oder eine Feststellung war, doch Wind war mittlerweile aufgestanden und hatte die Tür geöffnet. Er hob seine Hand zum Gruß und verschwand aus Schattens Blickfeld, kurz danach schloss sich die Tür mit einem leisen Knacken.
Stille blieb zurück. Die Schatten lähmte, wie erstarrt saß er da und starrte in eine der Kerzenflammen. Gelbliches Licht. Zu hell.
Nach einiger Zeit wandte er sich ab, die Augen schmerzten ihm etwas. Doch es war ihm egal. Er machte sich Sorgen um Katze.
Was war an ihr so besonders? Das ein Mann oder mehrere sie beobachteten, ihr nachspionierten. Und woher wussten sie, dass sich Katze hier aufhielt? Aus der Bande wussten es alle, aber sonst, keiner.
Und aus der Bande würde auch keiner fremden etwas darüber erzählen. Sie hatten akzeptiert das Katze nicht mehr mit auf die Überfalle wollte, doch sie war noch immer ein Bandenmitglied, schließlich hätte es die --- ohne Katze gar nicht gegeben. Das Mädchen hatte sie doch alle zusammen gerauft, ihnen klar gemacht wie wichtig Freundschaft ist und das man ohne nicht überleben konnte. Oder irrte er sich und es gab welche die Katzes Entscheidung nicht akzeptiert hatten? Oder weilte sogar ein Verräter unter ihnen?
Schatten kam zu keinem Entschluss, weder was so besonders an ihr war, noch woher sie von Katzes Aufenthalt wussten.
Denn für ihn war Katze schon immer etwas Besonderes gewesen, von Anfang an. Aber auf eine andere Weise, als das Fremde Leute daraus etwas gewinnen konnten. Er liebte Katze.
In dieser Nacht, blieben nur die Fragen und Sorgen in seinem Kopf zurück.
Es war die Nacht die alles veränderte oder hatte es schon viel früher begonnen und sie merkten es erst jetzt?
***
Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster. Die Kerzen waren aus. Schatten hatte sie vor einiger Zeit ausgeblasen, er brauchte sie nicht. Er verließ sich in der Nacht lieber auf seine Ohren, als auf seine Augen.
Blinzelnd öffnete Katze die Augen und blickte sich verschlafen in ihrem Zimmer um. Schatten stand vor dem Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Seine braunen/schwarzen Haare verdeckten sein Gesicht, sodass sie es nicht genau sehen konnte.
»Guten Morgen, Katze. Hast du schön geträumt?«
»Morgen. Ja, von dir und der Sonne.« Sie lächelte ihn an, weiße Zähne blitzten dabei auf.
Schatten drehte sich zu ihr, musterte sie nachdenklich und lächelte dann zurück. »Von mir und der Sonne, das kann nicht sein. Ich bin ein Schatten, ein dunkler Fleck an den keine Sonne gelangt.«
»Von wegen, du strahlst doch gerade zu, da muss du doch von der Sonne beschienen werden.«
»Wieso heiße ich dann Schatten?«
»Na ganz einfach, weil du im Schatten gerne Schutz suchst. Aber wenn du nicht magst, dass die Sonne dich bescheint, dann bist du eben eine eigene kleine Sonne, die hell strahlt.« Katze lachte, hell und fein als wäre es nicht von dieser Welt.
»Wenn du das sagst.« Auch Schatten musste lachen, denn wenn Katze lachte stecke sie alle damit an. Mit einer Hand fuhr er ihr, durch das kurze Haar und verstrubbelte es. Danach stand es in alle möglichen Richtungen ab, doch das Mädchen schien das nicht zu stören.
Als sie sich beide wieder gefasst hatten, fragte Schatten, »Hast du Hunger?«
»Schon etwas.«
»Na dann… lass es dir schmecken.« Der Junge hob einen Teller von einen der Bücherstapel. Trauben, Käse und Brot stapelten sich darauf.
»Wo…woher?«, erstaunt blickte sie in die warmen braunen Augen.
»Iss.«
»Und du?«
»Was soll mit mir sein?«, fragend schaute er sie an mit großen Augen an.
»Du weißt was ich meine, du hast doch sicherlich auch Hunger.«
»Nein, ich hab schon gegessen.«
»Na wenn das so ist.« Mit ihren schlanken Fingern griff sie sich eine Traube und schob sie sich genüsslich in den Mund. Man würde meinen, eine Traube habe man in wenigen Sekunden hinuntergeschluckt, doch nicht Katze. Sie ließ die Traube auf ihrer Zunge zergehen, aß die Frucht, als wäre sie höchst selten und eine Exklusivität.
Schatten beobachtete sie dabei amüsiert und musste ein Grinsen unterdrücken.
»Was gibt’s da zu grinsen?« Katze war es durchaus aufgefallen, es war schwer etwas unbemerkt in ihrer Nähe zu tun, außer sie schlief.
»Nichts!« Und noch immer hatte Schatten damit zu kämpfen nicht in Gelächter aus zu brechen.
Sie nahm sich ein Stücken Käse und aß es genauso langsam und genüsslich wie die Traube.
»Man könnte meinen du bist eine Prinzessin!« Schatten musste doch los prusten. Katze ließ sich jedoch nicht stören und aß Stück für Stück als hätte sie alle Zeit der Welt dazu.
Als der Junge sich wieder gefasst hatte, wirkte er plötzlich ernst. Zu ernst.
»Was bedrückt dich, Schatten?«
»Wir treffen uns übermorgen in den Verwilderten Kellern, wenn die Dämmerung beginnt.« Wie Worte wirkten mechanisch, als hätte er sie einstudiert.
»Warum?« Katze blickte ihn fragend fast schon ängstlich an.
»Wind war da. Es beobachtet dich jemand schon seit mehreren Tagen, Wind hat ihn heute Nacht vertrieben. Wir machen uns Sorgen um dich, wir müssen etwas unternehmen.«
Fassungslos starrte sie ihn an. Sie konnte die Angst in seinen Augen sehen und seine wilde Entschlossenheit sie zu beschützen. Sie kannte diese Gefühle, sie erinnerte sich an etwas längst Vergangenes.
Der Schein einer Kerze flackert. Plötzlich fegt ein kalter, eisiger Wind durch den Spalt eines Fensters, drückt es auf und löschte die Flamme. Ein Mädchen schaut sich ängstlich in der Dunkelheit um, ihr kleines Herz schlägt schnell gegen ihre Rippen. Sie kann noch immer gut sehen. Ihre Augen sind denen einer Katze ähnlich, woher auch immer sie es hat. Sie mag es nicht, sie braucht es nicht. Hat sie doch Angst vor der Dunkelheit und dem Gewitter das draußen tobt.
Auf einmal ein vertrauter Geruch, Rosmarin/Thymian, der ihr in die Nase steigt. Langsam beruhigt sich ihr Herzschlag. Schwere Schritte auf dem Holzboden. Dann steht ein Mann vor ihr.
»Anouk, du musst keine Angst haben. Ich bin ja bei dir.« Eine tiefe Stimme flüstert ihr beruhigend ins Ohr.
Draußen donnert es, das Mädchen schreckt zusammen. Blitze zucken in der dunklen Nacht und erhellen für kurze Augenblicke den Himmel. Schwarze Wolken ballen sich dort oben zusammen. Regen trommelt auf das Dach des Hauses, wie ein lauter, wütender Rhythmus, der Anouk Angst macht.
»Keine Angst, meine Kleine, morgen wird die Sonne wieder am Himmel strahlen und die Wälder in frischem Grün leuchten.«
Der zarte Mädchenkörper schmiegt sich eng an den des Mannes. Sie zittert, doch nach einer Weile vergeht es. Der Mann schenkt ihr nicht zur Geborgenheit sondern auch Wärme.
So schläft sie schließlich ein, in den Armen des geliebten Vaters.
»Katze, was ist los? Was ist mir dir?« Schatten schüttelte sie an den Schultern und riss sie zurück in die Wirklichkeit.
Verwundert schaute sie ihn an. Ihre Erinnerung war so lebhaft, als wäre der Mann wirklich bei ihr gewesen, als wäre er noch immer hier. Sie brauchte einige Sekunden bis sie sich erinnerte worüber sie mit Schatten gerade gesprochen hatte.
»Mir geht es gut«, stotterte sie noch immer etwas mitgenommen von der Erinnerung. »Was wollt ihr unternehmen.«
Misstrauisch schaute der Junge Katze an, plötzlich war sie anders. Ein Schatten hatte sich über ihr Gesicht gelegt, das fröhliche Lächeln verschwunden. Und er war sich nicht sicher, ob das wirklich nur etwas damit zu tun hatte das sie beobachtet wurde. »Wissen wir noch nicht genau, deshalb habe ich ja Wind beauftragt, er soll alle zusammen rufen. Wir wollten und konnten das nicht alleine entscheiden, das geht alle etwas an.«
»Bist du dir sicher, dass das wirkliche alle so wollen.«
»Natürlich«, er zögerte nur für einen Wimpernschlag, doch Katze bemerkte es trotzdem. Sie erwiderte nichts, doch sie wusste nun, dass er nicht sicher war, ob wirklich alle damit einverstanden waren, ihr zu helfen.
»Ich werde mitkommen.«
Schatten nickte.
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich möchte hier all meinen Freundinnen danken, die diese Geschichte immer fleißig lesen und verbessern!