Langsam näherte sie sich dem Tor. Es war ein regnerischer Tag und außer den beiden Wachen war niemand zu sehen. Fünf Jahre war es nun schon her, dass sie durch dieses Tor getreten war um ihr Leben für immer zu verändern. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie sich daran zurückerinnerte. Auch an diesem Tag hatte es geregnet.
Leise klopfte sie an die Tür und trat ein.
Ihr Vater saß wie gewohnt hinter seinem Schreibtisch und arbeitete. Als sie die Tür hinter sich schloss blickte er kurz auf.
„Vater?“
„Was ist denn Hinata?“
Deutlich konnte sie die Missbilligung in der Stimme ihres Vaters hören.
„Ich mache mich jetzt auf den Weg.“
„Jetzt? Du sagtest doch, dass du erst nächste Woche aufbrechen würdest.“
Er runzelte die Stirn und Hinata seufzte leise auf.
„Richtig. Letzte Woche war es ja auch noch nächste Woche.“
Wütend funkelten die Augen ihres Vaters sie an.
„Sei nicht so frech zu deinem Vater!“
„Verzeih…“, einen kurzen Moment sahen sie sich einfach nur schweigend an, ehe Hinata abermals seufzte und sich wieder zur Tür umwandte, „Auf Wiedersehen, Vater.“
Zügig verlies sie sein Büro und das Anwesen der Hyuga. Sie wollte niemanden sehen. Ihr Vater und Tsunade waren die Einzigen, von denen sie sich verabschiedet hatte. Von ihren Freunden wusste niemand wann bzw. dass sie Konoha verlassen wollte. Hinata wusste, sie hätten versucht es ihr auszureden oder sie begleiten wollen. Aber das hier war etwas, das sie alleine schaffen musste.
Sie warf einen Blick gen Himmel und zog sich die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht. Dank des schlechten Wetters waren außer Kotetsu und Izumo, die wie immer das Haupttor von Konoha bewachten, niemand auf der Straße, doch genau deswegen hatte sie auch diesen Tag für ihre Abreise ausgewählt.
Als sie sich dem Tor näherte blickten ihr die beiden Chunin schweigend entgegen. Bei ihnen Angekommen nickte sie ihnen kurz zu, bevor sie noch einmal tief durchatmete und durch das Tor trat, um ihre Reise endlich zu beginnen.
„Was soll das heißen sie ist weg?!“
Fassungslos starrten Naruto und Kiba Tsunade an.
„Hör auf hier so rumzubrüllen Naruto!“
Verärgert verschränkte die Hokage die Arme vor ihrer Brust. Ihr war klar gewesen, dass Hinatas Freunde nicht begeistert davon sein würden, wenn sie erfuhren, dass sie gegangen war. Selbst Shino und Sasuke machten einen erstaunten Eindruck.
Seufzend fuhr sie sich mit einer Hand durch die Haare..
„Ich habe es euch doch gerade erklärt. Hinata ist gestern aufgebrochen um für unbestimmte Zeit in Kuma no Kuni zu trainieren. Mehr kann ich dir auch nicht darüber sagen. Ich weiß nicht, wo genau sie trainieren wird, ich weiß nicht wann sie wiederkommt und ich weiß auch nicht, warum sie euch nichts davon erzählt hat!“
Inzwischen war sie am Tor angekommen und blieb vor den beiden Wachen stehen. Misstrauisch musterte Kotetsu sie.
„Darf ich fragen wer du bist und was du hier zu suchen hast?“
Sie lächelte ihn an, machte aber keinerlei Anstalten ihre Kapuze abzunehmen.
„Ich möchte mit Tsunade sprechen.“
Izumo runzelte die Stirn.
„Uns ist für heute kein Besucher angekündigt. Wenn du mit Tsunade sprechen möchtest, brauchst du entweder eine persönliche Einladung von ihr oder einen Besucherpass.“
„Nein brauche ich nicht.“, lächelnd reichte sie ihm ihren Ausweis und schlug gleichzeitig ihre Kapuze zurück, „Lange nicht gesehen ihr beiden.“
Fassungslos starrten die beiden Hinata an. Auch sie erinnerten sich noch gut an den Tag ihrer Abreise und versuchten nun das schüchterne Mädchen von damals in der selbstbewussten jungen Frau vor ihnen wieder zu erkennen. Einzig ihre Augen hatten sich nicht verändert und waren der untrügliche Beweis ihrer Abstammung.
„Hinata Hyuga?“
„Jop, genau die!“, grinsend hob sie eine Augenbraue, „Also was ist? Kann ich jetzt rein und mit Tsunade sprechen?“
Eilig nickte Izumo.
„Klar doch! Komm mit, ich kündige dich bei ihr an. Sie wird sich riesig freuen dich zu sehen. Wir haben uns alle echt Sorgen um dich gemacht, weil du nie was von dir hast hören lassen! Wir dachten schon dir wäre sonst was passiert!“
Lächelnd setzte sie sich ihre Kapuze wieder auf.
„Danke.“
„Was soll das denn?“
„Ich weiß ja nicht wie du das siehst, aber ich denke bevor ich nicht mit Tsunade gesprochen habe, sollten so wenig Leute wie möglich wissen, dass ich wieder da bin.“
„Das leuchtet ein.“
Sie winkte Kotetsu noch kurz zu, ehe sie Izumo folgte. Vor dem Büro der Kage angekommen blieben sie stehen. Laute Stimmen waren zu hören. Mehr als einmal konnte sie ihren Namen hören und zog eine Augenbraue nach oben.
„Das sind Naruto und Kiba. So ein Theater veranstalten sie andauernd seid du weg bist. Am besten wartest du noch kurz hier draußen.“
Mit diesen Worten klopfte er kurz an und trat dann ein.
„Hokage-sama?“
Krachend landete seine Hand auf ihrem Schreibtisch.
„Fünf Jahre! Fünf Jahre ohne irgendeine Nachricht von ihr! Verdammt Tsunade! Wir können doch nicht einfach nur hier rumsitzen und Däumchen drehen! Lass uns endlich nach ihr suchen!“
Seufzend verschränkte Tsunade die Arme vor der Brust. Wie oft hatten sie dieses Szenario in den letzten Jahren schon durchgespielt? Je mehr Zeit verging, desto unruhiger waren Naruto und die anderen geworden.
Zugegeben, auch sie machte sich inzwischen große Sorgen und würde wahrscheinlich selbst bald ein Anbuteam dazu abkommandieren nach der jungen Hyuga zu suchen. Natürlich ohne das Wissen von Hinatas Freunden. Angestrengt runzelte sie die Stirn und überlegte, wer wohl am besten dafür geeignet wäre. Kuma no Kuni war für die Konoha-nin großteils unerforschtes Gebiet. Was wohl auch der ausschlaggebende Grund für Hinata war genau dieses Land als ihr Reiseziel auszuwählen. Aber gerade das machte es so schwierig sie dort zu finden. Hmm, vielleicht Yamato…
„TSUNADE!“
Kiba und Naruto starrten sie wütend an.
„Hör uns gefälligst zu!“
„Ich brauche euch nicht zuzuhören, ich weiß was ihr mir sagen wollt! Aber versteht doch endlich, ich kann euch nicht gehen lassen. Es war Hinatas Entscheidung allein zu gehen und ihr werdet das gefälligst respektieren klar?!“
„Ja aber…“
Als es plötzlich klopfte verstummte Kiba. Keine Sekunde später stand Izumo auch schon im Raum.
„Izumo? Was machst du hier? Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Naja…“, er war einen zweifelnden Blick zu Kiba und Naruto, die an der Wand neben ihm lehnten, „Da wäre jemand, der sie sprechen möchte…“
„So? Wer ist es denn?“
Ein weiterer Blick. Tsunade verstand.
„Also gut ihr zwei, raus mit euch! Das hier geht euch nichts an! Wir reden später weiter.“
Murrend verließen die beiden das Büro, musterten die vermummte Gestalt vor der Tür kurz, schenkten ihr aber keine weitere Beachtung.
Hinata atmete erleichtert auf.
Sie freute sich zwar die beiden wieder zu sehen, aber bevor sie sich von ihren Freunden Löcher in den Bauch fragen lassen würde, musste sie die Hokage über alle Ereignisse in Kenntnis setzen.
„Komm rein.“
Nachdem sie eingetreten war, schloss Izumo hinter ihr die Tür.
Abwartend sah Tsunade der eintretenden Person entgegen. Sie war gespannt, wer da so dringend mit ihr sprechen wollte.
„Also.“, sagte sie nach einer Weile des Schweigens, „Wer bist du und was kann ich für dich tun?“
Wortlos öffnete die Gestalt ihren Umhang und lies ihn sich von den Schultern gleiten.
Tsunade erstarrte.
Mit großen Augen blickte sie die junge Frau vor sich an. Lange schwarze Haaren fielen ihr über die Schultern bis zu den Hüften. Sie trug eine dunkelviolette Weste, die ihre tatsächliche Figur nur erahnen lies, eine lockere schwarze Stoffhose und ein paar schwarze Turnschuhe.
Sie war hübsch. Ihre leicht fliederfarbenen, schon fast weißen Augen wurden von dichten, dunklen Wimpern umrahmt. Und wären ihre Augen nicht gewesen, hätte die Kage sie wahrscheinlich niemals erkannt.
„Hinata!“
Überrascht schnappte die Hyuga nach Luft als Tsunade plötzlich dicht vor ihr stand und sie in eine feste Umarmung zog. Geduldig wartete sie bis die blonde Frau ihre Umarmung wieder gelöst hatte, ehe sie sie anlächelte.
„Ich freue mich auch dich wieder zu sehen.“
„Wo warst du so lange? Wir haben uns alle schreckliche Sorgen um dich gemacht!“
„Das ist eine längere Geschichte…“
Izumo räusperte sich.
„Mit Verlaub, ich entferne mich dann mal wieder. Mich interessiert zwar auch brennend, was du da alles so erlebt hast, aber ich denke, es wird das Beste sein, wenn du mir und Kotetsu das ein anderes Mal erzählst. Man sieht sich! Tsunade-sama, Hinata…“, mit diesen Worten verbeugte er sich kurz und verließ dann das Büro.
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, deutete Tsunade auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch.
„Setzt dich und erzähl, was hast du die letzten fünf Jahre so getrieben?“
Knappe drei Stunden später sah die Kage sie fasziniert an.
„Ich sehe schon, du hast eine ganze Menge erlebt und dich sehr verändert! Aber hast du denn schon eine Ahnung, wie du jetzt weiter machen willst? Was hast du vor?“
Seufzend fuhr sie sich durch die langen Haare.
„Ehrlich gesagt, habe ich darüber noch gar nicht so richtig nachgedacht. Am besten werde ich vorerst ein paar Wochen mit den Missionen pausieren, bis ich mich hier wieder richtig eingelebt habe…“
„Ich verstehe. Nimm dir ruhig Zeit zu entscheiden was du tun willst. Jetzt sind wir jedenfalls alle glücklich, dass du wieder da bist!“
Tsunade lächelte sie an.
„Wenn du irgendetwas braucht, dann sag es einfach.“
„Eine kleine Bitte hätte ich allerdings.“
„So? Und welche?“
„Wäre es möglich, mir vorübergehend eine der Wohnungen für die Gast-Shinobi zu überlassen?“
Verdutzt blinzelte die Kage und runzelte dann die Stirn.
„Natürlich, aber wozu?“
„Ich denke ganz einfach, dass es keine gute Idee wäre, wieder ins Hyuga-Anwesen zu ziehen. Die letzten fünf Jahre war ich frei zu tun und zu lassen was ich wollte. Ich will einfach nicht wieder die brave, folgsame Tochter sein müssen. Das würde ich wahrscheinlich sowieso nicht mehr lange durchhalten ohne Wahnsinnig zu werden. Ich brauche die Wohnung nur für eine Weile, bis ich eine eigene gefunden habe.“
Ihr Gegenüber nickte, kramte kurz in einer Schublade ihres Schreibtisches und reichte ihr dann einen Schlüssel.
„Hier bitteschön. Bring ihn mir einfach wieder wenn du ihn nicht mehr brauchst.“
Hinata griff nach dem Schlüssel und blickte ihn kurz an. Wohnung Nummer 19 also.
„Vielen Dank.“
Sie grinste.
„Ich würde mich ja gerne noch länger mit dir unterhalten, aber ich fürchte, ich habe hier noch einen ganzen Stapel Papierkram der heute noch erledigt werden muss.“, Tsunade seufzte schwer, „Deshalb würde ich dich jetzt auch bitten zu gehen.“
Die junge Frau nickte, stand auf und verbeugte sich kurz.
„Eins noch Hinata! Du solltest auch den anderen sagen, dass du wieder da bist. Sie haben dich sehr vermisst und sich große Sorgen um dich gemacht. Du hast ja sicher mitbekommen, was hier vorhin noch los war. Ich habe das unangenehme Gefühl, dass sie in nächster Zeit etwas wirklich dummes anstellen werden, wenn du dich nicht bei ihnen meldest.“
„Ich weiß. Ich werde so schnell wie möglich mit ihnen reden. Auch ich habe meine Freunde vermisst.“, antwortete sie lächelnd.
„Gut, um diese Uhrzeit müsstest du sie eigentlich im Dango-Restaurant finden. Bei schlechtem Wetter sind sie oft dort. Ansonsten würde ich dir raten im Park nach ihnen zu suchen. Du wirst sehen, nicht nur du hast dich verändert.“
Hinata nickte und verließ das Büro. Vor dem Gebäude warf sie noch einen Blick gen Himmel, ehe sie ihren Umhang wieder etwas enger um sich zog und ihre Kapuze überstreifte. Dann machte sie sich auf den Weg in Richtung Dango-Restaurant.
Texte: (c) by missbloodyluna
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2012
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