Heute werde ich es ihm sagen! Heute werde ich ihm sagen, was ich fühle!
Mit viel zu laut hämmernden Herzen stand ich auf der Rolltreppe und fuhr der Ungewissheit entgegen, was, zugegebener Massen, ziemlich theatralisch Klang, aber dennoch der Wahrheit entsprach. Schließlich hatte ich auch nichts Geringeres vor, als einem sehr guten Kumpel von mir meine Liebe zu gestehen. Ich finde, bei so einem Wagnis darf man ruhig mal in wulstigere Gefilde schwappen.
Die Shoppingmall war für einen Donnerstagnachmittag recht voll und so zuckelte die völlig überbeladene, quietschende und eindeutig in die Jahre gekommene Metalltreppe nur sehr langsam nach oben. Ich war mit Nils, (Mein, ebenfalls wie die Rolltreppe, völlig überlastetes Herz winselte und schlug sogar noch einen Tucken schneller, nur als ich den Namen dachte! Argh…), vor dem Frozen Yoghurt Laden verabredet. Er wollte sich ein Surfbrett kaufen für den Sommerurlaub in Mexiko. Ich musste ehrlich sagen, das Bild von Nils sehr wohlgeformten Körper nur in Badehose über und über mit glitzernden Wassertropfen (Memo an mich: Es war eindeutige ein Fehler gestern Abend Twillight zu schauen, aber es war echt nur Scheiß im TV!) bedeckt, ließ ein anderes Körperteil eher weiter mittig meines Körpers winseln…
Ich räusperte mich verhalten und versuchte weiterhin sehr lässig und cool zu wirken. Ich war mir ziemlich sicher, dass das nicht funktionierte, denn ich wirkte auch unter normalen Bedingungen alles andere als lässig oder gar cool, geschweige denn beides. Unwirsch fuhr ich mir durch die schulterlangen Haare und versuchte mich an den Gedanken zu klammern, dass er sich gerne mit mir traf, dass er meine Meinung schätzte. Schließlich hatte er mich gefragt, ob ich ihn nicht beraten könnte bei seinem Kauf.
Natürlich hatte ich sofort zugesagt, ich war nämlich so was Ähnliches wie ein durchgeknallter Junkie (Auf positive Art und Weise aber!) von jeglichen Sportarten, die auf einem einzelnen Board durchgeführt wurden. Dass ich aber bis jetzt jedoch nur zweimal auf ‘nem Surfbrett gestanden hatte, hatte ich dezent verschwiegen …
Ich atmete noch einmal kurz tief durch, als die Rolltreppe mich endlich an mein Ziel brachte, und hielt Ausschau nach seinem schwarzen Wuschelkopf. Frustriert nahm ich zur Kenntnis, dass weit und breit noch keiner zu sehen war und ich knibbelte nervös an meinem Lederarmband, bevor ich kurz auf mein Handydisplay schaute.
Es war eigentlich richtig peinlich, dass ich tatsächlich 15 Minuten vor der verabredeten Zeit am Treffpunkt erschien. Ein weiteres Indiz für mein imaginäres Armutszeugnis und meiner eindeutigen Verschossenheit in meine Diskobekanntschaft.
Ungefähr vor zwei Monaten hatte ich auf einer dieser Partys, die von den Abschlussklassen unserer Schule organisiert wurden, um ihre Kasse aufzustocken, Nils zufällig kennengelernt. Was als banale Feststellung von Gemeinsamkeiten und ähnlichen Interessen anfing, wurde eine lockere Freundschaft und für mich schließlich sogar zu einer peinlichen Verknalltheit, die immer wieder in schon fast epischen Peinlichkeiten meinerseits bei Treffen ausartete.
Und … nun ja … Ich hoffte, obwohl der Schwarzhaarige nie eine Andeutung in die Richtung gemacht hatte, dass er irgendwie aufs gleiche Geschlecht stehen würde oder könnte, dass ich ihn trotzdem nicht kalt ließ. Manchmal, jetzt echt ohne Mist, wenn wir uns ansahen oder wir uns zufällig berührten … Naja, irgendwie war da schon irgendwas … Irgendwie … Doch … Ja …Ich war mir fast … Also eigentlich … Sicher … So halb!
Verzag räusperte ich mich und kratzte mir über den Handrücken, bevor ich meinen Blick wieder durch die Menge schweifen ließ.
So kam es schließlich auch, dass ich mich nach sehr langem und hitzigem Überlegen mit meinen besten Freunden dazu entschlossen hatte, es ihm zu sagen. Naja … Entschlossen war das falsche Wort, so im Nachhinein, war das hier alles gar nicht meine Idee … Nur, wenn ich mit den Beiden zusammenhocke, erschien mir ihr blödes Gelabber immer so logisch … Verdammter Mist, verfluchter …
Ich weiß gar nicht, wie oft die beiden mir schon eine Meinung in den Mund gelegt hatten, die absolut nicht meiner persönlichen Überzeugung entsprach.
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“, hörte ich förmlich das gut gelaunte Geflöhte meines besten Freundes Felix und es juckte mir in den Fingern um ihn zu erdrosseln, vielleicht konnte ich das nach dem Treffen mit Nils machen, außer ich war an Peinlicherberührtheit gestorben. Die Hoffnung, dass meine beste Freundin Liz mich darauf hin bei ihm rächen würde, war leider gering und so verfluchte ich sie schließlich besser beide stumm …
Denn diese ganze Ich- gestehe- meine- Liebe- Kiste war natürlich sehr viel leichter gesagt als getan, denn im Moment, war ich mir nicht sicher, ob nicht das Einzige was ich offenbaren würde mein Mageninhalt sein würde… und nicht mein Scheiß Herz!
Wie lächerlich, dass alles war! Ich stürzte mich eine 10 Meter hohe Halfpipe ohne ein Wimperzucken hinab und nun drehte sich mir der Magen um nur bei dem Gedanken an mein Geständnis, das ich gleich ablegen würde. War ja jetzt nicht so, dass ich wen umgebracht hätte, vielleicht wirklich hier nach Felix … Aber das würde sich erst zeigen müssen!
Mir war aber echt absolut schleierhaft, wie ich das bewerkstelligen sollte, vielleicht stürze ich mich doch einfach die Rolltreppe hinab und machte dem Drama ein Ende?
„Hey Lui!“, kam es gut gelaunt hinter mir und ich zuckte etwas zu sehr zusammen. „Hey... Hey!“, räusperte ich mich nochmals um noch irgendwie so etwas wie Würde oder so behalten zu können, natürlich schoss mir mein blödes Blut in die Wangen. Scheißdreck Verdammter …
Nils fuhr sich achtlos durch die schwarzen halblangen Haare und sah mich heiter aus seinen schokobraunen Augen an, die in einem verflucht markanten und schönen Gesicht saßen.
Ich krieg das doch nie im Leben über die Bühne, oder zumindest überlebend …
„Danke, dass du mir hilfst! Alleine würde ich das wohl nie gebacken kriegen.“, lachte er und wir setzten uns gleichzeitig in Bewegung. „Kein Ding! Am besten schauen wir zuerst zu Sportcheck und dann vielleicht zu Outdoors - Falls wir nichts Passendes finden …“, überlegte ich laut und erntete ein zustimmendes Nicken von dem Größeren neben mir, wieder versuchte ich irgendwie lässig oder so zu wirken, so wie er.
Nils schien so was wie Unsicherheit oder Tollpatschigkeit nicht zu kennen. Dabei war ich doch schon so klein und kompakt, wie Liz mich immer so liebevoll beschrieb, dass ich eigentlich sehr reibungslos durch den Alltag schlüpfen müsste im Gegensatz zu Nils dem Riesen. Er überragte mich mindestens Anderthalbköpfe. Im Allgemeinen war sein Körper sehr viel beeindruckender als meiner, mit den schon fast unverschämt breiten Schultern und langen starken Beinen wirkte ich mit ihm zusammen wahrscheinlich wie ein 12 Jähriger und nicht wie 17.
Wir schlängelten uns durch den Menschenstrom und Nils fragte mich in meine komplexgeprägten Gedanken hinein, was es bei mir so Neues gab. Ich zuckte nur mit den Schultern, ich war gerade einfach viel zu nervös für Small Talk, wahrscheinlich brächte ich eh nur ein Fiepen zustande.
„Ich bin einfach nur froh, wenn das Schuljahr endlich zu Ende ist …“, seufzte Nils. „Wie laufen die Prüfungen?“, fragte ich nun doch neugierig und versuchte das unsichere Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. „Ganz gut- Deutsch war so La la …“, anscheinend nicht ganz von seiner Leistung überzeugt neigte der Abiturient den Kopf.
Nils ging aufs Siemensgymnasium, ein Gym für Leute mit einer besonderen Begabung in Mathematik und den anderen Künsten der dunklen Magie, wie Felix sie immer abwertend nannte.
Ich muss ehrlich sagen, Mathe war auch nicht mein Lieblingsfach. Eigentlich hatte ich so was wie ein Lieblingsfach nicht, höchstens vielleicht Sport, aber das kam auch darauf an, was wir gerade machten. In den meisten Teamsportarten war ich nämlich nur minder begabt, ich war halt einfach ein Einzelplayer.
Umso beeindruckender fand ich es, dass Nils in diesem Fach so begnadet war, soweit ich wusste, wollte er auch Wirtschaftsmathematik studieren. Ich träumte davon einmal Tony Hawk zu begegnen, so hatte jeder seine Träume.
„Du hast das schon gepackt …“, versuchte ich überzeugend zu klingen und kämpfte mit der Atemnot als Nils mich angrinste. Wie konnte man nur so scheiße Gut aussehen?
Endlich kam der orange Schriftzug in Sicht und wir gingen in das Fachgeschäft für Sportzubehör. Sofort fühlte ich mich Wohler, das war hier für mich bekanntes Terrain.
Unschlüssig sah mich Nils an und folgte mir dann einfach, als ich ohne Umschweife eine mit Surfbrettern gesäumte Wand ansteuerte.
„Ist ja ‘ne kleine Auswahl …“, scherzte er trocken und ich lächelte milde. „Hey Lui!“, kam es laut und freudig hinter uns und ein sportlicher Blondschopf namens Sven, den ich von meinen häufigen Shoppingtouren hier kannte, kam auf uns zu im orangefarbenen Mitarbeiterdress. Ich hob die Hand zum Gruß.
„Suchst du heute mal ein Brett ohne Rollen?“, fragte der Verkäufer witzelnd und ich zeigte auf Nils, der den Fremden gutmütig anlächelte. „Wir brauchen ein Anfängerbrett für den Hobbyfreischwimmer hier. Am besten wäre ein Minimalibu oder ein Funshape…“, ich kramte das bisschen Wissen, was ich über Surfbretter hatte zusammen, „Und komm bloß nicht mit Rotz an“, fügte ich mahnend hin zu und fixierte Sven gespielt scharf, welcher lachend die Hände hob. „Rotz verkaufen wir nicht!“, tat er schockiert und Nils lachte leise.
Als ich vor sechs Jahren anfing zu skaten war eigentlich jeder zweite meiner Käufe ein Fehlkauf. Ich hatte mich in kindlicher Naivität jedes Mal zu Blödsinn überreden lassen. Als ich dann später mit den anderen etwas erfahreneren Skatern an meiner Lieblingsbahn engeren Kontakt hatte, konnte ich mich gegen die gespielte gute Beratung zur Wehr setzten. Noch immer dachte ich triumphierend an diese Tage …
„Hm, du bist ganz schön groß …“, überlegte nun Sven und musterte Nils, der ihn ebenfalls ein Stück überragte, kurz aber genau, „Mal sehen, ob wir da was haben …“ Der wirklich fachkundige Mitarbeiter sah auf die breite Auswahl vor uns und rieb sich das Kinn.
Sven gehörte zu einem meiner Lieblingsverkäufer, den er hatte tatsächlich Ahnung von dem was er da tat, und wenn er mal keine hatte, war er ehrlich genug es zu zugeben. „Ich muss ja sagen, ich mag die Minimalibus für Neustarter lieber als die Funshapes. Sie sind lang und gerade … Mit ner breiten Spitze … Vereinfacht das Aufsteigen …“, er lief zur rechten Seite und holte drei lange Bretter in weiß, blau und mintgrün hervor. „Durch die breite und dicke liegen sie gut und helfen beim Wellen ausbalancieren und geben noch ein bisschen mehr Stabilität, was am Anfang echt hilft …“, erklärte Sven und hielt Nils die Bretter hin, welcher sie kritisch besah und dann schließlich mich Hilfesuchend und schulterzuckend ansah. Svens Mundwinkel zuckten leicht.
Ich zog die Brauen zusammen und nahm die Bretter in die Hand. „Sind die aus Epoxy?“, fragte ich schließlich und Sven sah mich überlegend an. „Puh! Gute Frage, da muss ich selber Fragen gehen! Kurzen Augenblick Jungs…“, hob Sven den Zeigefinger und flitzte los. „Du hast richtig Ahnung oder?“, fragte Nils beeindruckend, „Was ist dieses Epoxy?“ „Das ist ein etwas belastbarer Werkstoff, einfach robust das Zeug. Du willst dir doch nicht nach dem Urlaub gleich ein Neues holen, oder?“, antwortete ich und mochte es ziemlich, wenn er mich so ansah. Also so, als wäre ich jemand Cooles, jemand Besonderes.
Ich wurde nicht oft so angesehen. Ich war durchschnittlich von hinten bis vorne. Selbst beim Skaten war ich zwar gut, aber noch lange nicht begnadet, wie viele von den Jungs, mit denen ich abhing.
„Ohne dich wäre ich wirklich jämmerlich aufgeschmissen …“, lachte Nils und ich kämpfte mit ‘ner Gänsehaut, die meinen Körper beschleichen wollte.
Wir sahen uns in die Augen und wieder war es da, dieses Gefühl … Da war einfach mehr als nur dieses Freundschaftsding.
Anders konnte es nicht sein! Never! So sieht man nicht einfach ‘nen Freund an, nie im Leben nicht! „Du … also ich …“, fing ich unsicher an und wischte mir eine Strähne dunkelblondes Haar aus den Augen.
„Igitt, Altah…“, tönte es plötzlich laut hinter uns. Zwei Halbstarke Vollidioten mit Hosen in den Kniekehlen standen bei dem Fußballzubehör und sahen angewidert zum Ausgang des Geschäfts, vor dem zwei andere Typen standen, die sich eindeutig knutschten.
„Scheiß Schwuchteln!“, wurde nun geschimpft und ich verzog unwillkürlich das Gesicht, diese Spasten…
Homophobe Arschlöcher, warum musste man als männlicher Teenager unbedingt Schwulenhasser sein? Jetzt mal ehrlich?
„Müssen DIE das hier machen?“, durchschnitt Nils Stimme meinen inneren Groll und ich sah verdutz in sein leicht in Unmut verzogenes Gesicht, „Ich hab‘ ja an sich nichts dagegen, aber sehen muss ich so was nicht! Ich weiß nicht, aber ich find’s einfach …“, er schien kurz zu überlegen, „Ich find’s einfach abnormal!“
Hatte ich doch die ganze Zeit darüber gesprochen, dass mein Herz zu schnell schlug …
Nun, ich war mir gerade absolut nicht sicher überhaupt noch ein Herz zu haben.
„Echt jetzt, ich glaub, wenn mir jemals ein Kerl seine Liebe gestehen würde … Ich wüsste nicht, was ich machen würde …“, schüttelte Nils tatsächlich angeekelt bei der Vorstellung den Kopf und sah zu Sven, der mit strahlender Miene auf uns zu kam. „Sie sind aus Epoxy! Jetzt musst du dir nur noch eins vom Style aussuchen …“
Vollkommen ungläubig starrte ich den Größeren an, welcher sich nun über die Farben der Bretter ausließ an. Ich hatte das Gefühl, er hätte mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ich konnte es wirklich nicht fassen, was er da gesagt hatte.
Sollte es wirklich sein ernst sein? War alles bloße Einbildung gewesen?
Stotternd begann mein Herz wieder zu schlagen.
Seufzend stand ich an der gerade rot blinkenden Ampel und versuchte krampfhaft nicht so uncool zu wirken, wie ich mich gerade fühlte.
Mir war schlichtweg zum Heulen zumute und das Gefühl, der größte Trottel auf dieser tollen Welt zu sein half hervorragend meine zuvor aufgeregte, fast flatternde Nervosität in eine waschechte Depression zu verwandeln.
Es war ja klar gewesen, wie der ganze Mist ausgehen würde. Das kommt davon, wenn ich mir einmal Hoffnungen machte. Das kommt davon, wenn man einmal glaubt, man wäre halt mal irgendwie mehr für jemanden, der mehr für einen selbst ist …
Blödes verliebt sein!
Was brachte der Mist den, außer verheulte Augen und vielleicht noch ein paar morbide Todessehnsüchte?
Nach dem Nils mir eindeutig verklickert hatte, dass er nichts von Schwulen hielt hatte ich nach dem er sein Surfbrett ausgesucht hatte fluchtartig das Weite gesucht, sein verwirrter, fast enttäuschter Blick als er ich von dannen gezogen war hatte ich nur sehr schwer ertragen …
Warum sieht er mich überhaupt so an, wenn er den Gedanken von zwei Penissen nicht erträgt?
Die Ampel sprang auf grün und ich überquerte auf meinem Skatboard die Straße. Das rhythmische Rattern der Räder hatte etwas Beruhigendes und ich beschleunigte etwas mein Tempo als ich mich durch die Fußgänger, welche mir böse hinter hersahen, schlängelte in Richtung Altstadt.
10 Minuten später hatte ich mein Ziel am Rande des Nordparks erreicht und tapste betreten die kurze Auffahrt hoch zu der schweren alten Eichenholztür, die trotz des weißen Anstrichs und der Milchglasfenster etwas unüberbrückbares Massives hatte.
Mit dem Skateboard unter den Arm geklemmt drückte ich die Klingel über dem in filigraner Schrift Seifert stand, welche ein nasales Surren ertönen ließ und lehnte meine Stirn gegen die Oberfläche der Tür.
Es dauerte kaum drei Atemzüge lang, als die Tür aufgemacht wurde und ich einem dunkelblauen Augenpaar entgegensah, das einem ziemlich hübschen Mädchen gehörte.
Ich sah meine beste Freundin Lisa Seifert, die ich noch nie so, sondern immer nur Liz genannt hatte, an und sie zog eine ihrer schmalen, schwarzen Brauen hoch und musterte mich kurz, bevor ihren gepiercten Lippen ein „Oh weh …“, hervor brachten und sie schlicht einen Schritt zur Seite machte, damit ich rein kommen konnte.
Ihre kurzen glatten schwarzen Haare mit den orangeroten Strähnen vorne standen stilvoll ab und gaben den Blick auf ihre getunnelten Ohren frei. Sie trug noch das schwarze T-Shirt und die schwarze schlichte Hose, die sie auch in der Schule angehabt hatte, und richtete sich, als ich mir die schon ziemlich zerlatschten Turnschuh auszog, ihr drei Monate altes Septum. „Ich mach nur schnell was zu essen … Ich komm gleich nach“, meinte sie mit ihrer ruhigen Stimme und ich nickte schlicht und schlürfte den gewohnten Weg am Wohnzimmer vorbei in einen großen modernen und weißen Raum, ich machte mir nicht die Mühe zu klopfen, sondern lief einfach am riesigen weißen Kleiderschrank vorbei aufs Bett zu und ließ mich darauf fallen, das Gesicht tief in dem bunten Kissenhaufen vergraben, auf dem schon jemand saß.
„Und, wie ist es gelaufen?“, kam es gut gelaunt neben mir und ich war zu deprimiert zum Kopf heben und quetschte daher nur einen erstickten Laut hervor. „Und das bedeutet jetzt was?“, die Nachfrage hatte noch immer den gleichen fröhlichen Klang und ich nuschelte seufzend an dem Berg Kissen vorbei: „Er hasst Schwule!“
„Na das klingt doch schon mal ganz positiv!“, erwiderte der Andere schwungvoll und ich sah nun doch pikiert auf um meinen besten Freund anzusehen.
„Was ist den bitte daran positiv, wenn er Schwule hasst?!“, keifte ich Felix an und stellte empört fest, dass er mich noch nicht einmal ansah. Der Blick seiner dunkelblauen Augen war konzentriert auf den alten, großen und grauen Gameboy vor ihm gerichtet, in dem hinten von Pokémon die rote Edition steckte. Seine kinnlangen, verwegen durchgestuften Haare in einem tiefen Lila waren leicht zerzaust und betonten seine blasse, reine Haut. „Ach, er hat gesagt er hasst sie?“, er lachte belustigt über seinen Fehler und kratzte sich mit einem schwarz lackierten Finger an seiner schönen, ziemlich perfekten Nase in seinem eh vollkommen perfekten Gesicht, „Ich hab‘ verstanden er hat nichts gegen Schwule …“
Sein Gesicht hielt die perfekte Waage zwischen etwas weichem und markanten und wie so oft stellte ich einfach fest, obwohl ich gerade mal wieder das Verlangen niederkämpfen musste ihn zu erwürgen, dass er wahrscheinlich das schönste Gesicht auf der Welt hatte. Nur sollte ich bei diesem Gedanken nicht so lang verweilen, den Felix witterte es sofort, wenn man gefallen an ihm fand. Außerdem war er wahrscheinlich der Letzte, in den man sich verlieben wollte, außer man stand drauf wie ein Spielzeug und Sklave unter seiner Fuchtel zu stehen, nur um nach zwei Wochen abgeschossen zu werden aus purer Langeweile.
Nicht zu vergessen, dass Felix das Wort Monogamie oder Treue noch nicht mal kannte, also geschweige denn anwandte.
„… Du musst zu geben, das hätte schon mal positiv geklungen!“, freute sich das Aas vor mir und wackelte mit seinen bloßen Füßen, auch seine Zehennägel waren schwarz lackiert. „Warum bin ich noch mal mit dir befreundet?“, ich setzte mich auf die Knie und rieb mir seufzend die Schläfe. „Weil ich hinreißend bin!“, flötete Felix und grinste mich frech an.
Er trug ein schlapprig weites weißes Shirt auf dem in schwarz „Bitch Please!“ stand zu einer schwarzen kurzen Hose bis zum Knie, die seine schlanken langen Beine betonte. „Dir ist schon klar, dass ich gerade abgeblitzt bin, ja?“, verschränkte ich die Arme vor der Brust und fasste meinen völlig unbeeindruckten besten Freund ins Auge, „Und eigentlich ist das alles deine Schuld!“ „Tatsächlich?“, leicht zog Felix eine Braue hoch und war schon wieder ganz in seinem Pokémonspiel vertieft. „Ja, du Flachzange!“, fauchte ich und nahm eins der Kissen neben mir und haute es ihm um die Ohren. „Ey …“, kam es grinsend von ihm und er drehte sich zur Seite, um ungestört weiter zu spielen. „Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich es ihm niemals sagen wollen!“, fauchte ich noch immer und schnappte mir den Gameboy. Felix ries empört den Mund auf doch ich stopfte das graue Old School Gerät, nach dem ich es ausgemacht hatte, unter eins der vielen Kissen, und setzte mich kurzerhand drauf.
„Wenn ich wegen dir nicht Pokémonmeister werden schwör ich Blutrache, Mäuschen!“, war es nun Felix, der mich böse fixierte. „Ich sag dir gerade, dass der Typ, in den ich mich verschossen hab Schwule hasst und du kannst nichts anderes tun als Ashs Traum zu leben?“, sah ich mein gegenüber entnervt an. „Ash ist der Peter Pan, unter den Anime Figuren, der arme Bengel ist, auf ewig zwölf …“, seufzte Felix wehmütig und schüttelte theatralisch den Kopf, „Ich bin mir nicht sicher ob Pikachu oder Rocco Tinkerbell ist …“ Ich schnipste vor dem Gesicht meines durchgeknallten Freundes rum und zeigte energisch auf mich, sodass Felix endlich seine durchlauchte Aufmerksamkeit auf mich richtete.
„Okay, okay …“, fuhr sich mein gegenüber durch die gefärbten Haare, „Du hast Nilsi Baby also deine absolute Liebe gestanden und der Gorilla hat nur gemeint Schwule sind igitt?“, fragte Felix und hob leicht die Schultern und Hände. „Nein …“, ich verzog leicht das Gesicht und Felix zog die Brauen hoch. „Dann hast du ihm gesagt, dass du schwul bist … und dann kam sein: Schwule sind Pfui?“, überlegte Felix weiter und ich warf pikiert ein: „Ich bin nicht schwul, ich steh auch auf Weiber …“ „Schon klar Prinzessin!“, nickte Felix sarkastisch und ich wollte ihn mal wieder erwürgen, „Also hast du Nilsi gesagt, dass du auf Ärsche stehst und sie nicht immer zu ‘nem Mädchen gehören müssen und er … “„Nein!“, ich biss mir auf die Unterlippe, „Er hat es nicht direkt gesagt, aber es war mehr als klar … “„Wie nein?“, gestikulierte Felix wild, „Wie zum Henker seit ihr dann drauf gekommen, das er Schwule hasst? Hat er dich mit „Heil Hitler“ begrüßt? Trägt er jetzt Bomberjacke, schwarze Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln und hat seine ach so tollen Wuschelhaare abrasiert, oder wie bist du dahinter gestiegen?“ „Nein! Laber keinen Scheiß!“, meinte ich und wischte mir ein paar Haare aus der Stirn, „Also, es war eher, wie er was gesagt hat …“ „Ah ja?“, meinte Felix und lehnte sich leicht zurück und streckte sich kurz, bevor er sich in den Schneidersitz setzte und die Arme auf die Knie legte und mich musterte, „Und wie hat er jetzt was gesagt?“
Ich seufzte und pulte an einem Loch an meiner Jeans rum. „Also … wir haben uns getroffen und ich war echt aufgeregt … und naja … aber es war echt alles ganz naja … also echt so … weißt du … und er hat mich wieder so angesehen … So …“, ich stockte und sah Felix an, dessen einer Mundwinkel zuckte. „Du meinst er hat dich mit seinen Blicken ausgezogen!“, nickte Felix weise. „Nein … eher so … So …“, versuchte ich mit den Händen rudernd die Intensität zu erklären.
„So geil! Schon klar, Schatz!“, nickte Felix immer noch und lehnte sich jetzt dreckig grienend zurück, „Ich kenne mich mit solchen Blicken aus ... Ernte die selbst sehr oft!“, arrogant strich mein bester Freund eine Strähne aus seinem Gesicht, „Und der Bengel hat dich in Gedanken mindestens schon drei Mal gevögelt!“ „Sehr witzig!“, lächelte ich gespielt und fuhr fort zu erzählen, „Anscheinend steht er doch nicht so auf mich, wie du behauptet hast, nämlich … also …“, versuchte ich den Faden wieder zu finden, „War alles ganz cool und also … Er hat mich halt wieder so angesehen … Und naja …Dann, also ich wollte es ihm gerade sagen, als … Als zwei solche Vollpfosten hinter uns mit Hosen in den Kniekehlen und 50 Cent auf dem T-Shirt anfingen rum zu pöbeln, weil sich da zwei Kerle vorm Sportcheck rum geknutscht haben …“, Felix legte leicht den Kopf schief, „Naja, auf jeden Fall haben die dann rumgeblubbert, wie eklig doch Schwule sind und das die sich verpissen sollen und so …“„Und Loverboy hat eingestimmt in den Schwachsinn?“, meinte Felix und machte seine Lippen schmal. „Nein … also nicht direkt … Er meinte dann halt, dass er findet, die sollten das nicht öffentlich machen … Und er fände das abnormal!“, ich macht Gänsefüßchen in der Luft, „Und wenn ihm jemals ein Kerl seine Liebe gestehen würde, wüsste er nicht, was er machen würde!“, endete ich und sah meinen besten Freund direkt an, welcher zurücksah, „Und?“, fragte ich schließlich und sah ihn auffordernd an.
„Hmmm…“, machte dieser schließlich und legte einen schlanken Finger auf seine vollen Lippen. „Hmm?“, wiederholte ich grummelnd, „Ist das, das Einzige was dir dazu einfällt?“ „Was willst du den hören?“, fragte Felix zurück und schien sich keiner Schuld bewusst.
„Keine Ahnung? Wie wäre es mit etwas Mitleid!? Schließlich wurde ich gerade abserviert!“, ich verschränkte schmollend die Arme. „Naja, du wurdest nicht wirklich abserviert …“, war Felix wie so oft päpstlicher als der Papst, „Aber bitte, wenn du Mitleid willst!“, seufzte Felix ergeben, und bevor ich noch ein Wort sagen konnte, hatte er mich schon in seine Arme gezogen.
„Mein armer Puh Bär! War der blöde, blöde Nils böse zu dir?“, ganz fest drückte Felix mich an sich und ich lehnte meine Stirn gegen seinen Hals. „Ha, ha …“, witzelte ich, hielt mich aber an seinem T-Shirt fest und schmiegte mich leicht an meinen besten Freund, „Wie wundervoll ernst du mich nimmst!“ „Selbstverständlich Schatz, lass dich ruhig fallen in meine starken Armen!“, kicherte Felix und tat gespielt pathetisch. „Dir ist schon klar, dass das eigentlich alles deine Schuld ist, ja?“, grummelte ich gegen sein Shirt. „Ich hab‘ keine Ahnung, was du meinst …“, kam es unschuldig von dem Größeren, „Ich habe nie gesagt, dass Loverboy dich auch liebt, ich habe nur gemeint, dass er eindeutig spitz auf dich ist und du erst weißt, woran du bist, wenn du mit ihm geredet hast.“ „Schon klar, Prinzessin …“, zitierte ich ihn und er lachte gehässig. „Ich meinte eigentlich, dass du schuld an diesem ganzen Dilemma bist, das ich auch auf Kerle stehe!“, grummelte ich weiter und ich musste nicht sein Gesicht sehen, um zu wissen, dass er breit und dreckig grinste. „Schuldig im Sinne der Anklage!“, kicherte er nun und räusperte sich danach gespielt entschuldigend, „Das war echt nicht meine Absicht“
Tatsächlich verdankte ich diesen ganzen Gefühlsrotz mit Kerlen meinem ach so tollen besten Freund, welchen ich, damals noch mit schwarzen Haaren, vor drei Jahren auf einer Party kennengelernt hatte. Ich wusste nicht, wieso, doch wir wurden, uns verflucht schnell sympathisch und umso betrunkener wir wurden, desto mehr hingen wir aufeinander und schließlich landeten wir wild knutschend in einer Ecke und ich war mir am nächsten Morgen absolut nichts mehr sicher …
Da Felix aber schon damals nichts von so etwas wie einer Beziehung hielt und ich mir im Allgemeinen nicht klar war, ob ich überhaupt auf Kerle stand wurde aus unserer Knutscherei keine Romanze, Gott sei Dank, sondern schlicht eine verdammt enge und gute Freundschaft, die ich, wenn ich ehrlich bin, auch nicht mehr missen möchte, auch wenn er manchmal nicht gerade einfach ist …
Außerdem ließ Felix eh nie die Finger von mir und begrabbelte mich so oft, wie er mich zwischen eben jene bekam, wie zum Beispiel jetzt, wo seine schlanken, flinken Finger mal wieder unter mein Shirt wanderten und er seine vollen Lippen auf meinen Hals setzte.
Es störte mich nicht sonderlich, wenn er mich umarmte und mich an sich zog, es war ja eh nicht so gemeint, wie man vielleicht denken konnte. Ich war für Felix so etwas Ähnliches wie ein großer Teddybär, mit dem er kuscheln konnte, wie er wollte und ich sah in Felix in dieser Hinsicht einen Hund, der mit Vorliebe anderen das Gesicht ableckte.
„Vielleicht sollte ich auch mal mit Nilsi ein Trinken gehen. Vielleicht krieg ich ihn auch dazu sich seine Vorliebe für Schwänze einzugestehen …“, lachte Felix dreckig und biss mir leicht in den Hals. „Lass deine Tentakeln von ihm, du Aas!“, schimpfte ich mit Sodom und Gomorra, bevor ich ihm in die Seite boxte, was ihn wieder zum Lachen brachte und ich schob seinen Kopf energisch von meinem Hals, „Und ich hab dir schon tausendmal gesagt: Keine Knutschflecken!“
Mein bester Freund und ich sahen uns beide schmollend an und schließlich legte Felix seine Hände auf meine Wangen seine Nase berührte fast meine. „Ich denke, du solltest dir diesen Schwachkopf aus dem Kopf schlagen, Kleiner“, meinte Felix plötzlich ernst, „Du brauchst niemanden, der sich nicht sicher ist, was er eigentlich will. Du bist schon unsicher genug für zwei!“ „Ha, ha“, war mein Kommentar dazu, doch Felix hatte nicht unrecht.
Hatte es noch Sinn sich um Nils zu bemühen?
„Ich weiß nicht …“, seufzte ich und Felix zog mich noch ein Stück näher an sich, als es von der Tür gut gelaunt kam: „Die Pizza ist fertig!“ Ohne viel Federlesen schob mich Felix von sich, sodass ich mit dem Gesicht in den Kissen landete, und hockte sich an die Kante des Bettes und hechelte förmlich dem Essen entgegen.
„Endlich!“, schnurrte er und streckte gierig die Hände nach dem Pizzateller aus, „Ich verhungere schon!“
Liz lächelte und stellte das Tablett mit der Pizza und drei großen Gläsern mit bernsteinfarbener Flüssigkeit auf den niedrigen Tisch vor dem Bett. „Ich hab‘ auch noch selber Pfirsicheistee gemacht“, lächelte Liz und Felix machte sich vor Freude fast nass. „Du bist die beste Schwester der Welt!“, seufzte Felix schmachtend und schnappte sich ein Stück der anscheinend mit Salami belegten Pizza und ein Glas vom Tablett und begann glücklich zu schmatzen. Ich sah deprimiert hoch zu Felix Zwillingsschwester und meiner besten Freundin.
„So schlimm?“, fragte sie mit ruhiger Stimme als sie sich zu mir auf den Rand des Bettes setzte ich drehte mich auf den Rücken und winkelte die Beine an. „Der murkelt sich da wieder in was rein!“, mampfte Felix und nahm ‘nen großen Schluck Eistee. „Ich murkel mich in nichts rein und gerade ist es noch schlimmer, weil ich wegen einer Salamipizza abgeschoben wurde …“, sah ich das Übel mit lila Haaren an. „Das ist ‘ne Salamipizza Diabolo!“, fuchtelte der Angesprochene wild mit seinem Stück Pizza durch die Luft, „Da könnte mir Johnny Depp einen blasen wohlen, Mäuschen!“
„Also war dein Geständnis nicht erfolgreich …“, fragte Liz und bot mir den Pizzateller an und ein Glas voll mit grandiosen selbst gemachten Eistee während sie ihren Bruder gekonnt ignorierte.
Ich hab‘ keine Ahnung, wie sie den Tee hinbekommt, aber Nestea kann sich da mal getrost in den Hintern ficken, Felix, nicht meine Worte übrigens.
„Er hats ihm noch nicht mal gesagt, da war der Spaß schon vorbei!“, warf nur Felix wieder ein, „Loverboy ist nämlich zu Junge um Schwule toll zu finden!“ „Er bestätig jedes Klischee, oder?“, seufzte Liz und biss nun selber von ihrem Stück Pizza ab.
Felix leerte sein Glas Eistee als hätte er ein halbes Jahr nicht zu trinken bekommen und stopfte sich den Rest seines Pizzastücks in den Mund, bevor er sich dem nächsten zuwandte.
„Tja, dann weißt du ja, was du von ihm zu halten hast. Obwohl er schon so wirkt, als würde er auf dich stehen …“, meinte Liz wie auch zu vor schon ihr Bruder. „Ich sag, er soll ihn abschießen! So was bringt nur ärger!“, meinte Felix und legte seinen Kopf in meinen Schoß, während er sein zweites Stück Pizza nun doch etwas genüsslicher aß. „Hm, vielleicht, aber wenn man erst mal jemanden mag …“, gab Liz zu bedenken und sah mich aus ihren tiefen Augen stirnrunzelnd an.
Ich seufzte und kaute lustlos auf meiner Pizza rum.
Liz hatte recht, Felix sagte immer so leicht, dass man jemanden abschießen soll, aber er baute ja auch nie Gefühle zu einem seiner Liebessklaven, wie Liz und ich sie nannten, auf, höchsten so etwas Ähnliches wie Wohlwollen …
Es war wirklich ulkig wie unterschiedlich und wie ähnlich die Zwillinge sich waren.
Die äußerliche Ähnlichkeit war natürlich nicht zu bestreiten, sie nannten beide androgyne, schöne Gesichtszüge ihr Eigen, mit sehr heller reiner Haut, dunkelblauen Augen und schwarzen Haaren. Aber charakterlich …
Felix war immer laut und liebte es, wenn sich alles um ihn drehte, er hatte nie Geduld mit niemand, meistens noch nicht mal mit sich selbst und vor allen Dingen redete er gern und viel. Liz hingegen war die Ruhe in Person und hasste es regelrecht, wenn sie im Mittelpunkt stand, sie sprach vor Fremden so selten, das man glauben könnte sie wäre stumm.
Viele sagten sie wären halt das totale Gegenteil ich fand eher sie ergänzten sich. Die Eigenschaft, die dem anderen nicht zu eigen war, hatte der andere im Übermaß. Außerdem waren sie sich in ihrer Einstellung und ihrem Geschmack, sei es Kleidung, Musik oder gar Politik sowieso absolut einig … Auch vom versauten, leicht perversen Humor und Gehabe waren sie identisch, auch wenn es bei Felix eher auffiel, weil er einfach mehr sagte als Liz.
„Ich denke trotzdem, dass Nilsi ein Arschtritt gebührt …“, kaute Felix vor sich her und machte sie es noch etwas bequemer mit seinem Kopf auf meinem Schoss, „Ich mein nur, Lui kann sich noch nicht mal entscheiden was er zum Frühstück essen will, da sollte er nicht auch noch so ‘nen Wendearsch an der Backe haben!“ „Ich glaube, es heißt Wendehals.“, überlegte Liz und nahm ‘nen Schluck Eistee. „Ich finde Arsch passt aber besser!“, entschieden wackelte Felix mit den schwarz lackierten Zehen. „Wenn es nach dir ginge, passt Arsch immer besser…“, maulte ich und Liz grinste. „Aber auch, so! Loverboy hat ja keinen schlechten Arsch- Nur halt keinen in der Hose!“, lachte Felix. „Ihm fehlte etwas Feuer unterm Arsch“, brachte sich Liz nun ein und ich ahnte, dass die beiden erst warm liefen, als Felix konterte: „Vielleicht sollte man ihm auch mal gehörig in den Arsch…“ „Wie wäre es, wenn wir über was anderes reden?“, schlug ich also laut und eindeutig vor und übertönte meinen besten Freund.
Es blieb kurz still, wo meine beiden besten Freunde sich grinsend ansahen und ich sie verfluchte und ein großes Stück von meiner Pizza abbiss, bevor sie vollkommen kalt wurde. „Ich hätte ein neues Thema.“, meinte plötzlich Liz und ihre Miene wurde wieder undurchsichtig. „Tatsächlich?“, fragte ich leicht milde überrascht und hoffte nicht noch einen Arsch-Witz zu hören. „Ja, ich denke …“, begann Liz und nahm einen kleinen Schluck Eistee, „Ich denke, ich habe mich verliebt!“
„Du hast dich verliebt?“, wiederholte ich vollkommen geflasht und richtete mich so schnell kerzengrade auf, dass Felix mit hochgedrückt wurde und sich sein zweites Stück Pizza auf die Brust klatschte.
„Ey!“, fluchte er, doch ich ignorierte ihn und fixierte Liz, welche mit gleichgültiger Miene einen weiteren Schluck Eistee nahm.
„Ich fasse es nicht…“, ungläubig legte ich mein Stück Pizza zurück auf den Teller, ich war immer davon ausgegangen, da Felix eindeutig zu viel sexuelles, ähm, nennen wir es einfach mal Bestreben, hatte würde Liz schlicht einfach keins haben. „Du…Ich fass es nicht…”, ungläubig schüttelte ich den Kopf.
„Ich auch nicht!“, murrte neben mir Felix, „Das war eins meiner Lieblingsshirts!“ „Was?“, verwirrt sah ich zur Seite. Ein riesiger roter Fleck war da, wo zu vor noch keiner gewesen war. „Du musst den Fleck einweichen…”, meinte Liz schlicht, ihr Bruder zog sich also sein Shirt über den Kopf und zeigte seinen tätowierten und unverschämt gut gebauten Oberkörper.
Als ich Felix kennenlernte, hatte er schlicht ein kleines Eisenschloss auf dem Handgelenk tätowiert, wozu Liz den passenden Schlüssel an derselben Stelle tätowiert hatte.
In den drei Jahren unsere Freundschaft waren jedoch noch einiges an Tinte auf seinen Körper gekleckert wurden. Auf seinem Schlüsselbein entlang stand nun in schwarzen Lettern: „kiss kiss bang bang“ und ein kleines Stück darunter, wo das Herz saß, hatte sich Felix in einer dünnen schwarzen Strichellinie ein Herz, wie aus einer Bastelanleitung stechen lassen, unter welchem eine kleine Schere zu sehen war.
„Reicht es, wenn ich einfach nur Wasser drauf kipp?“, fragte er beim Aufstehen, betrachtete kritisch das Massaker auf dem davor blütenweißen Stoff und offenbarte ein weiteres Tattoo. In leicht krakligen Buchstaben stand schräg unter seinem Bauchnabel: „Are You Ready?“ Mit einem dezent eindeutigen Pfeil Richtung unten…
„Mach noch etwas Waschmittel drauf!”, Liz nahm sich nun auch ein zweites Stück der Pizza und ich sah Felix in Gedanken nach, seit einem Monat hatte er nun auch auf seinem Rücken ein Tattoo, was seinen Anker auf dem linken und sein Steuerrad auf dem rechten Oberarm reich verziert verband. Halb im Nacken war ein detaillierter Kompass zu sehen unter dem eine Schiffszenerie, die zu Moby Dick passen würde, abgebildet war, zusammen mit dem Spruch: „We cannot direct the wind, but we can adjust the sails“ Ich musste ehrlich sagen, ich würde mir nie ‘ne Nadel mit Farbe auf den Körper hauen… Aber das hatte schon irgendwie Stil!
Genauso wie die beiden Wörter „Fuck“ und „You“ auf seinen Fersen.
Liz schmunzelte, als sie ein schepperndes Geräusch aus dem Bad gepaart mit den verschiedensten Flüchen vernahm, wahrscheinlich hatte Felix die ganze Waschmittelpackung aufs T-Shirt gehauen.
„Du bist wirklich…“, setzte ich an und ihre dunklen Augen sahen mich kurz an, bevor sie erneut einen Schluck Eistee nahm. „Ja, ich bin mir ziemlich sicher.“, meinte sie schlicht. „Und in…“, setzte ich an. „Marry Jane“, sagte sie doch sofort und einer ihrer Mundwinkel zuckt leicht. „Oh, co… Marry Jane?“, mir klappte der Mund runter.
Ich musste mich gerade verhört haben. Liz konnte nicht Marry Jane meinen, vielleicht kannte sie noch jemanden der diesen Namen hatte! Sie konnte nicht die Sambakönigin unsere Schule Marry Jane Lorenzo meinen! Das war einfach unmöglich, das war einfach…
„Ernsthaft?!“, sagte ich und sie lächelte nun wirklich. „Bist du so überrascht?“, fragte sie und brach ihren Pizzakanten in zwei Teile und begann an dem einen zu knabbern. „Marry Jane ist…“, setzte ich an, wusste aber nicht wirklich wie ich Ausdrücken sollte das, naja… Marry Jane und Liz waren wie… wie Feuer und Wasser! Nein, wie Feuer und Eis! In irgendwie allem, was ich mir vorstellen konnte… „Marry Jane ist…“, erneut setzte ich erneut an doch Liz beendete den Satz: „Ein Mädchen!“
Ich sah sie verdutz an, daran hatte ich noch gar nicht gedacht.
„Stimmt!“, sagte ich völlig überrumpelt von dieser Aussage und Liz lachte. „Dir ist ernsthaft gerade erst aufgefallen das MJ ne Muschi hat…“, kam es glucksend von der Tür. Ich warf Felix einen ungnädigen Blick zu und bereute es, er trug nur noch lilafarbene Shorts. „Wo hast du den deine Hose gelassen!“, kam es etwas piepsiger als beabsichtigt von mir, warum war ich nur so pubertär bei nackter Haut?
Felix witterte natürlich seine Chance und warf sich mit einem Lachen, was gut zu einem Schnurrbart zwirbelnden Ganoven gepasst hätte auf mich. „Felix!“, keuchte ich, „Geh runter von mir du bist nass und kalt…“ „Und nackig!“, schnurrte er, ich packte beide Hände auf sein Gesicht, um ihn wegzudrücken. „Lass mich raten du hast das Bad und dich mit Waschmittel und Wasser zugerichtet …“, meinte Liz und Felix grinste nur unschuldig zwischen meinen Fingern hindurch.
„Hör jetzt auf…“, versuchte ich mich zu befreien, doch Felix packte schlicht meine Handgelenke und pinnte sie links und rechts neben meinen Kopf.
Ohne mit der Wimper zu zucken quetschte er sich zwischen meine Beine und drückte sich lasziv an mich. „Hast du Stau oder was ist los, lass den Blödsinn?!“, maulte ich und wurde rot während Felix nur grinste. „Felix geh runter! Die Pizza wird kalt…“, versuchte ich ihn loszuwerden doch er schnurrte nur: „Du bist heißer Mäuschen!“
„Liiiiiiiizzzzzzzzz“, flehte ich meine beste Freundin an als Felix mir über den Hals legte. „Veditʹ sebe prystoy̆no!“, sagte sie in einer harten Sprache, die ich nicht verstand, „Abo skazhitʹ y̆omu, zreshtoyu!“ Felix sah sie schmollend an und ließ mich schließlich los, ich boxte ihm gegen die Schulter. „Harazd, harazd …“, antwortete er seiner Schwester und gähnte übertrieben, „Ya tilʹky pozhartuvav!“ „Natürlich!“, lächelte Liz und leerte ihren Eistee. „Gut das wir das geklärt haben…“, meinte ich pustete mir ein paar Haare aus dem wahrscheinlich feuerrotem Gesicht, „Ich hasse es, wenn ihr das macht…“ Felix und Liz stammten eigentlich aus der Ukraine, kurz vor ihrem achten Geburtstag kamen sie nach Deutschland als Herr und Frau Seifert die beiden adoptierten. Deswegen waren sie, obwohl sie schon 18 waren noch in meiner Klasse. Frau Seifert konnte nach einem schweren Unfall keine Kinder mehr bekommen.
Die beiden sprachen nie von ihrer Kindheit in der Ukraine, oder ihre leiblichen Eltern und irgendwie war ich mir ziemlich sicher, dass sie auch nicht wollten, dass man sie danach fragte…
„Also…“, setzte Felix an, tat als wäre er gerade nicht über mich hergefallen und lief zu seinem Kleiderschrank, unwirsch zog er Klamotten hervor, „Marry Jane Lorenzo!“
Liz seufzte leise, „Ja“ „Ich wusste immer das du auf Muschis stehst!“, lachte Felix und zog sich ein dunkelgraues Muskelshirt an auf dem sehr verwaschen ein Schlagring zu sehen war, dazu schlüpfte er in eine helle Jeans die bis obenhin kunstvoll vollkommen zerrissen war. „Wieso?“, fragte ich verwirrt. „Weil ich es nicht tu!“, verdrehte Felix in meine Richtung die Augen. Ich nickte überzeugt. Okay, das war logisch…
„Wie kam‘s dazu?“, fragte ich schließlich, ich konnte mir keinen Ort vorstellen wo MJ, unsere Klassensprecherin und ungekrönte Königin der Tanzgruppe mit Liz was zusammen machen könnte, und Liz war definitiv nicht der Typ, der jemanden aus oberflächlichen Gründen anziehend fand, wie zum Beispiel ihr Bruder, der mich gerade Augenbrauen wackelnd vom Fenster her an griente, während ich ihn mit einem bösen Blick strafte.
„In Sport ist sie meine Tanzpartnerin!“, erklärte die Schwarzhaarige, „Ich bin ja nun nicht wirklich gut in rhythmischen Bewegungen, und sie hat sich meiner erbarmt, sie hat…“ Während Liz erzählte warum MJ plötzlich so wichtig für sie geworden war, sah ich zu Felix, sein Gesicht hatte einen sanften Zug angenommen während er seiner Schwester lauschte und sich eine Zigarette drehte. Es war mehr als klar wie sehr er seine Schwester liebte, wahrscheinlich würde er jeden schlachten, der nur drüber nachdachte ihr weh zu tun.
„Ich weiß halt nur nicht, ob sie auch… Naja, was für mich übrig hat…“, schloss Liz und ich verzog grüblerisch den Mund. „Sie hatte definitiv noch nie einen Freund.“, sagte Felix und öffnete das Doppelfenster. „Keinen von dem wir wissen!“, konkretisierte ich. Liz trat zu ihrem Bruder, der sich auf die Fensterbank gesetzt hatte und nun an der Kippe zog, ich erhob mich nun auch vom Bett. „Wenn MJ wenn gehabt hätte, hätte dass die Runde gemacht! Definitiv!“, meinte Felix nun und reichte Liz die Kippe, die sich an der anderen Ecke des Fensters niedergelassen hatte. Ich setzte mich zwischen die Zwillinge und nahm von Liz den Glimmstängel entgegen, während sie meinte: „Das muss nichts heißen…“ „Kann es aber!“, tat Felix altklug und zog wieder an der Kippe.
Eine Weile saßen wir so und überlegten, wie wir rausbekommen könnten ob das mit MJ was werden könnte als ein silbernes Auto in der Einfahrt parkte. „Mom ist da!“, sagte Liz und wir erhoben uns, gut gelaunt hüpfte Felix seiner Mutter entgegen.
„Es gibt gleich was zu essen!“, freute er sich durchschaubar. Doch als wir in die Küche kamen war Frau Seifert noch nicht zu sehen, nur ein alter Mann mit grauem Haar, brauner Cordhose und einem blau karierten Hemd.
„Na, Kalle…“, flötetet Felix und der etwas missmutig aussehende Angesprochene grunzte leicht, „Wie lang gibt dir Onkel Doktor noch? Müssen wir auf deinen Grabstein sparen?“ „Denkst du ich tu dir den gefallen abzukratzen?“, nuschelte der Alte und ich grinste. „Nein!“, seufzte Felix und kramte ein Schokomilchtrinkpäckchen hervor, das er Kalle reichte, „Du warst schon immer egoistisch!“
Kalle, der ungefähr zweihundert Jahre alt war und eine merkwürdige Leidenschaft für Schokomilch hatte, war ein alter Bekannter, oder zumindest so was in der Art, von Frau Seiferts Eltern, die vor ein paar Jahren verstarben. Zehn Jahre nach dem zweiten Weltkrieg war Kalle, von dem niemand so wirklich den echten Namen wusste, bei Felix und Liz Oma und Opa aufgekreuzt und hatte bei ihnen gewohnt, und ordentlich Miete dafür abgedrückt, die er jetzt Seiferts gab.
Keiner wusste genau woher er das Geld hatte, was er nun mal hatte, doch nach den ganzen Jahren hatte er schon längst den Rang eines kautzigen Onkels erreicht und niemand wollte ihn mehr missen. Sein manchmal schon fast bösartiges Gemurmel gepaart mit einem sehr trockenen Humor wuchs einem aber auch wirklich sehr schnell ans Herz.
Der alte Mann saß also am Küchentisch und schlürfte sein Trinkpack als eine blonde Frau mit einer Einkauftüte hereinkam und geschäftige wuselnd uns allen dreien die Wange tätschelte. „Na Frau Mutter?“, meinte Felix, „Sie sehen mal wieder unglaublich aus!“ „Es gibt erst Essen, wenn dein Herr Vater da ist!“, sagte Frau Seifert schlicht und Felix zog einen Fluntsch.
„Pech gehabt!“, sagte Kalle und ich grinste. Ich setzte mich an den Küchentisch mit Liz während Felix die Einkäufe wegräumte und seiner Mutter weiter Komplimente machte um vielleicht ein früheres Abendessen raus zu schlagen.
„Danke fürs Abwaschen Lisa, mein Schatz…“, sagte Frau Seifert und setzte sich nun auch an den alten Holztisch. „Woher weißt du, dass ich es nicht war?“, murrte Felix mit einer Packung Aufbackbrötchen in der Hand. Wir alle vier sahen ihn an. „Ja, ist ja schon gut…“, meinte Felix schnell und stopfte die Packung in den Tiefkühler. „Und Lui, wie geht’s dir?“, fragte Frau Seifert. „Lass dich nicht aushorchen…“, murrte Kalle leise und schlürfte die letzten Tropfen Schokomilch lautstark. Frau Seifert warf ihm einen unbestimmten Blick zu als Laut aus Felix Hosentasche „They taken the Hobbits to Isengard!“, erklang. Feixend ging der Tätowierte ans Telefon und schnurrte: „Hallo?“
„Sein neuer Stecher?“, mutmaßte Kalle laut was alle dachten. „Ich schätze mal es wird Jerome sein…“, meinte Liz. „Jerome?“, wiederholte ich und sah zu Felix der gutgelaunt im Flur telefonierte, „Das geht doch mindestens schon ‘nen Monat mit den beiden!“ Ein vollkommen Felix untypisches Verhalten. „Anscheinend ist es mal was Ernsteres.“, sagte Liz und sah mich unergründlich an, ich verzog leicht das Gesicht.
Ich hatte Jerome bis jetzt einmal gesehen und hatte ihn durch und durch unangenehm gefunden, aber ich konnte mit den meisten von Felix anderen Freunden nichts anfangen. Sie waren alle irgendwie so… So weit in ihrem Leben!
Ich hatte keine Ahnung was ich jemals mit meinem Anfangen wollte…
„Wäre doch mal eine nette Abwechslung…“, seufzte Frau Seifert, sie hatte kein Problem das Felix auf Kerle stand, nur der fliegende Wechsel schien ihr etwas Unbehagen zu bereiten. „Hat der ‘nen magischen Schwanz?“, fragte Kalle, Liz lachte und ich konnte mir nur schwer ein grinsen verkneifen. „Also wirklich Kalle!“, entrüstete sich die Mutter von Zwillingen und buffte den alten Mann gegen die Schulter. „Bei dem Jungen weiß man nie…“, verteidigte sich Kalle. Und wir kicherten wieder.
Die Haustür klappte und Felix kam gutgelaunt herein. „Der Herr im Haus ist da!“, Felix Augen sagten eindeutig Lasagne. „Ich mach ja schon Essen…“, seufzte die blonde Frau und wand sich dann an mich, „Lui, du bleibst doch zum Essen?“ „Natürlich!“, sagte Felix bestimmt bevor ich etwas einwenden konnte. „Ah, die Familie ist schon versammelt!“, eine tiefe, aber angenehme Stimme ertönte und Herr Seifert kam gut gelaunt in den Raum. Er tätschelte seiner Tochter den Kopf, boxte seinem Sohn männlich gegen die Schulter, was Felix noch männlicher erwiderte und klopfte mit aufmunternd auf die Schulter.
Manchmal hatte ich das Gefühl Frau und Herr Seifert hatten vergessen, dass sie mich nicht adoptiert hatten. Was aber nicht hieß, dass ich mir nicht manchmal wünschen würde zur Familie Seifert zugehören…
Die Luft der hellen Küche Familie Seiferts war mit den schmackhaften Gerüchen von Tomaten, Oregano und Rosmarin gefüllt.
Seit guten Zwanzig Minuten blubberte eine monströse Lasagne im Ofen, vor dem Felix gierig Stellung bezogen hatte.
Manchmal war es fast lächerlich, wie sehr er auf Essen fixiert war.
Herr Seifert schilderte gerade sehr kunstvoll, wie er beinahe einer seiner nervigen Kunden durchs Telefon gezogen hätte um ihm mal ordentlichen den Kopf zu waschen und Liz lachte amüsiert vor sich her. „Manche Leute…“, schloss er seine Geschichte und nahm einen tiefen Schluck von seinem Feierabendbier, „Man könnte meinen Erziehung wäre ein Fremdwort!“ „Tja, kann halt nicht jeder so wohlerzogen sein wie wir!“, nickte Felix weise. Sein Vater sah ihn nicht überzeugt an.
„Jungs vom Blaulicht und Mädchen vom Rotlicht fernhalten, dann ist alles gut…“, sagte plötzlich Kalle und schlürfte sein drittes Trinkpäckchen leer. „Das ist also dein Grundsatz bei der Kindererziehung?“, Frau Seifert verdrehte milde die Augen. „So wird was aus den Blagen obwohl, bei euch wäre das wohl genau anders rum…“, meinte Kalle schließlich, Felix griente ihn frech an.
„Staryy̆ Mishok!“, flötete Felix und bekam von Kalle nur ein „Shakhray̆!“, zurück. „Kein Ukrainisch!“, warf Frau Seifert schnell ein und sah wie weit die Lasagne war, „Ich will verstehen was ihr beide ausheckt…“
„Hören und verstehen ist ein Unterschied…“, nuschelte Kalle und ich grinste unterdrückt, als ihm die blonde Frau einen pikierten Blick zu warf.
„Sag mal Kalle hast du morgen Nachmittag Zeit? Ich will ein paar neue Bilder für meinen Blog machen. Wie wäre es, wenn du mich mit ‘nem Gehstock durch den Garten jagst…“, warf plötzlich Felix ein, nach dem ihm seine Mutter vom Ofen verscheucht hatte. „Wenn ich wirklich zu hauen darf…“, sagte Kalle schlicht. „Klar, wenn du mich kriegst!“, Felix kramte Besteck aus einer Schublade und Liz holte die Teller aus dem Schrank über der Spüle.
„Also Lui…“, unterbrach Herr Seifert die eigenwilligen Schilderungen von Felix Hobbys und lächelte mich leicht an, „Wie geht’s zu Hause?“
Ich zuckte unbestimmt mit den Schultern. „Meine Schwestern arbeiten- Immer noch! Und meine Mutter noch immer nicht!“, sagte ich und strich über die vier Zinken meiner Gabel. „Dafür hat sie jetzt die Kabala für sich entdeckt, ihr neuer Freund nimmt sie mit zum Meditieren…“, ich konnte nicht anders als resigniert klingen. „Das klingt…“, versuchte der Vater meiner besten Freunde einen neutralen Ausdruck für die neusten Eskapaden meiner Mutter zu finden, als Kalle und Felix gelichzeitig einwarfen: „Nach Schwachsinn!“
Ich nickte stumpf.
„Aber schön, dass es bei deinen Schwestern mit der Arbeit läuft!“, warf Frau Seifert schnell ein. „Ja, auf die Gorgonenschwestern ist Verlass!“, hüstelte Felix und ich grinste leicht.
Da meine Mutter wahrscheinlich der unzuverlässigste Mensch der ganzen Welt war, hatten meine beiden sechs Jahre älteren Zwillings Schwestern, (Eigentlich gruselig wie viele Zwillinge mein Leben bestimmten?!), schnell die Verantwortung notgedrungen übernommen. Ich war ihnen auch dankbar dafür, denn, wenn die beiden nicht dafür sorgen würden, dass etwas Ordnung bei uns zu Hause herrschte würden wir wahrscheinlich längst alle auf der Straße sitzen.
Das Problem war nur das die beiden ihre Rolle als Ersatz- Eltern bei mir etwas zu genau nahmen und mich nicht wie 17, sondern wie sieben behandelten. Wenn sie könnten würden sie jeden Teil meines Lebens kontrollieren, überwachen und planen.
Außerdem konnte sie Felix und Liz absolut nicht leiden und erlaubten nie, dass die beiden mich besuchten. Obwohl ich eigentlich glaubte, dass Liz an sich das kleinere Problem darstellte, obwohl sie sie noch nicht mit ihrem neuen Septum gesehen hatten.
Felix und meine Schwestern verband ein tiefer und abgründiger Hass.
Richtig witzig war an der ganzen Sache, dass es eigentlich keinen großen Zwischenfall gab, der ihre Feindschaft erklären könnte, nein… Sina und Lina, (meine Mutter ist fürchterlich grausam bei der Namensgebung, deswegen hat sich mich ja auch mit Ludwig gestraft) hatten Felix einmal gesehen und entschieden ich dürfe mit so jemanden nichts zu tun haben! Auch Felix hatte noch nicht ein Wort mit meinen Schwestern gewechselt, als ihm klar gewesen war, dass er sie nicht leiden könnte…
Wer nicht an Liebe auf den ersten Blick glaubte, der sollte sich mal mit Hass auf den ersten Blick beschäftigen, ist sogar noch unterhaltsamer!
Gott sei Dank ließ der Job meiner Schwestern, sie arbeiteten beide als Altenpflegerinnen, ihren Kontrollwahn nicht so zu, wie sie es gerne hätten. Und so musste ich nur einmal alle Woche die LuSi (Lui- Sicherheit, auf die Idee ist Felix liebevoll gekommen) ertragen.
„Du solltest nicht so über Luis Schwestern reden!“, tadelte Frau Seifert Felix und hievte die Lasagne auf den Küchentisch. „Schon okay, Frau Seifert, Sie wissen ja nicht wie meine Schwestern über Felix reden!“, streckte ich Felix die Zunge raus und er tat schockiert. „Nette Mädchen…“, murte Kalle und schob seinen Teller vor.
Das Essen verging ohne weitere Erwähnung meiner Familie und ich genoss es zu tiefst mal wieder mit Menschen zusammen zu sitzen, die nicht mit mir Blutsverwandt waren.
Schließlich waren die Teller leer und vom Tisch geräumt, Herr Seifert hatte sich vor den Fernseher verzogen und Frau Seifert entschied, dass sie sich wohl nicht länger vorm Bügeln drücken konnte.
Ich erhob mich schließlich auch seufzend. „Ich werde dann mal…“, sagte ich und Felix und Liz erhoben sich ebenfalls sofort. „Wir bringen dich!“, sagte Felix und hüpfte zum Schlüsselbrett, noch bevor er den Autoschlüssel berührt hatte meinte Herr Seifert: „DU wirst nicht fahren!“
„Ich kann Auto fahren!“, empörte sich der Lilahaarige. „Du hast keinen Führerschein!“, entschieden streng taxierte Herr Seifert seinen Sohn. „Und du wirst auch nie einen kriegen!“, murrte Kalle und angelte sich eine neue Schokomilch.
Felix war nun schon zum stolzen dritten Mal durch die praktische Führerscheinprüfung gefallen. Nach Liz Aussage zu schließen konnte Felix tatsächlich einfach kein Autofahren, ich vermutete er spielte zu oft Mario Card, dort war er berüchtigt und gefürchtet. „Liz fährt…“, sagte Herr Seifert doch ich hob schnell die Hände: „Ich muss nicht gefahren werden! Ich bin mit Skateboard hier!“ „Bist du sicher? Es macht…“, meinte Herr Seifert und blickte mit väterliche Sorge von der Couch rüber. „Ja, ja! Schon okay!“ „Ich bring dich trotzdem!“, sagte Felix, doch seine wütende Mutter kam ihm in den Weg.
„Felix Seifert! Was zum Kuckuck hast du da im Bad veranstaltet?!“, kam seine Mutter fauchend auf ihn zu. „Hab ich dir schon gesagt, wie hübsch du heute aussiehst?“, versuchte Felix sich raus zu reden, ohne Erfolg. „Du machst die Schweinerei sofort weg“, wütete seine Mutter und ich wank Felix milde zum Abschied. „Wir sehen uns morgen in der Schule!“, lächelte mit Liz entgegen und ich stieg in meine Turnschuhe und schnappte mir mein Board.
Frau Seifert begleitete mich raus und baute sich mit verschränkten Armen in der Auffahrt auf. Wir sahen beide die Auffahrt hoch als das Badezimmerfenster aufging und Felix raus stieg, ich grinste. Felix staubte sich kurz die Hose ab und sah dann überlegend grinsend auf. Verdutz blieb er stehen als er seine Mutter sah. Grummelnd das Gesicht verziehend stieg er zurück durchs Fenster. „Damit hat er nicht gerechnet…“, lachte ich und Frau Seifert verabschiedete sich von mir in dem sie mir durch die Haare wuschelte.
Die harten Rollen ratterten rhythmisch unter mir und ich düste durch die nun leer gewordene Innenstadt. Wenn ich Glück hatte war niemand zu Hause, wenn ich kam. Da ich heute aber bis jetzt noch kein Glück gehabt hatte war ich etwas weniger optimistisch eingestellt.
Ich bog in meine Straße ein und war nach zwei Metern definitiv überzeugt, dass das heute nicht mein Tag war. Auf dem Gehweg lag Glas, gerade noch so konnte ich ausweichen, strauchelte jedoch. Wild mit den Armen rudernt versuchte ich das Gleichgewicht zu halten und ratschte mir die Hand an der verklinkerten Hausfassade des Mehrfamilienhauses auf in dem ich wohnte.
Leise fluchend lief ich mit dem Skateboard unterm Arm den Hausflur entlang. Kaum hatte ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde die Wohnungstür aufgerissen und ich wurde wütend in die Wohnung gezerrt.
„Wo warst du gewesen? Weißt du, wie spät es ist?!“, meine Schwester Lina stauchte mich zusammen. „Es ist halb neun oder so…“, brachte ich hervor bevor ich auch schon vom Flur ins Wohnzimmer geschubst wurde. Lina warf ihre blonden Kinnlangen Haare zurück und taxierte mich mit ihren blauen Augen vorwurfsvoll. „Wir haben uns fürchterliche Sorgen gemacht! Wir haben schon gedacht du wurdest entführt!“, kam nun Sina an, die sich nur vom besorgten und nicht wütenden Blick von ihrer Schwester unterschied. „Es ist halb neun…“, wiederholte ich und verdrehte die Augen, das konnte hier doch einfach nicht wahr sein. „Du hast morgen Schule!“, unnachgiebig verschränkte Lina die Arme vor der Brust. „Ich bin 17!“, entschieden und unerbittlich versuchte ich denn beiden Geisteskranken vor mir die Stirn zu bieten, doch sie bekamen meine Hand zu fassen. Und ein panisches Wimmern verließ Sina. „Du hast dich verletzt!“
Man sollte meinen eine gelernte Altenpflegern sollte bei dem Anblick eines Kratzes nicht halb in Ohnmacht fallen. „Das ist nur ein Kratzer…“, setzte ich an, doch Lina hatte schon fast die Nummer vom Notarzt und der Polizei gewählt. „Hat dich jemand angefahren? Wurdest du ausgeraubt?“ „Oh mein Gott kommt endlich runter!“, das konnte doch hier gerade alles nicht ihr ernst sein.
„Das ist nur ein Kratzer, nichts weiter! Also kriegt euch wieder ein!“ „Oh armes, armes Luilein!“, weinte Sina am Rande des Nervenzusammenbruches. „Es ist Nichts!“, wiederholte ich, „Ich bin nur mit dem Skateboard gestolpert…“, doch das hätte ich nicht sagen sollen.
Wie die Geier stürzten sie sich auch mein Board und ich konnte mich, sowie das Board gerade noch so in Sicherheit bringen. „Gib uns sofort das Skateboard!“, fauchten die beiden Synchron. „Ganz bestimmt nicht!“, und damit schlüpfte ich schnell aus dem Wohnzimmer in mein Zimmer, ein kurzer Blick reichte und ich wusste die beiden hatten hier mal wieder aufgeräumt, es sah schon fast klinisch rein aus.
„Lui!“, kam es aus dem Flur, doch ich schlug schnell die Tür zu und meinte: „Ich geh jetzt schlafen, ich hab morgen Schule!“ So schnell wie ich konnte zerrte ich mir Shirt wie Hose vom Körper. Bevor Lina oder Sina die Tür auf machen konnte sagte ich schnell: „Ich zieh mich um!“
Der einzige Weg um die Beiden los zu werden, war es mit nackter Haut zu kommen. Irgendwie konnte sie nicht damit umgehen. Gott sei Dank!
Nur in Shorts warf ich mich seufzend aufs Bett. Irgendwann erschlug ich die beiden noch. Eine nasse Nase stupste mich sachte an und ich sah zu einem weiß schwarzen Fellball. Kleopatra schnurrte mir gut gelaunt entgegen und ich kraulte ihren gefleckten flauschigen Schädel.
„Es hat wohl keinen Sinn mehr drauf zu warten, dass du die Shorts auch noch ausziehst, oder?“, kam es vom Fenster und ich zuckte fürchterlich zusammen. Kleo fauchte und legte die Ohren an.
Felix grinste mich von meinem offenen Fenster heran. „Bist du doch noch entwischt?“, murmelte ich und massierte mir die Brust, in der mein Herz wie verrückt bollerte. „Gerade so…“, scherzte mein bester Freund und stieg durchs Fenster ein.
„Das nächste Mal könntest du dich vielleicht ankündigen?“, meinte ich und machte auf dem Bett Platz, das sich Felix niederlassen konnte, er kraulte kurz Kleos Ohren, die ihn ungnädige ansah und majestätisch vom Bett stakste. „Kittler schon wieder dicker geworden?“, gehässig grinsend sah Felix meiner Katze nach und ließ ihren flauschigen Schwanz durch seine Hand gleiten.
„Das bildet du dir ein und nenn sie nicht immer so!“, ließ ich mich wieder nach hinten fallen und sah meine langsam ergrauende Zimmerdecke an. Felix nannte Kleopatra auf Grund ihres weißen Kopfes und den eindeutigen schwarzen Tupfen unter ihrer Nase Kitler, eine Zusammensetzung aus Katze und Hitler. Kleo hasste ihn!
„Ich kann ja nichts dafür, dass sie so aussieht…“, verteidigte sich Felix und ließ sich ebenfalls nach hinten fallen. „Wo ist Liz?“, fragte ich schließlich.
Da Felix und Liz mich nicht offiziell sehen durften stiegen sie sehr oft zu späten Stunden durch mein Erdgeschosszimmerfenster. „Sie ist dran mit Mathehausaufgaben machen…“, erklärte der andere, die Beiden wechselten sich mit dem Hausaufgaben machen ab, und ich nickte unbestimmt.
Felix wurde nie angepöbelt wenn er spät nach Hause kam, seit dem er 18 war gab es für ihn
keine Ausgangssperre mehr, so lange er morgens aus dem Bett kam und in der Schule die Noten stimmten konnten er und Liz machen was sie wollten, die Glücklichen!
„Was war los?“, drehte sich der Ältere schließlich zur Seite und sah mich an. „Es ist halb Neun! Viel zu spät für dich! Du hättest tot sein können! Bla bla bla…“
Felix schnaubte abfällig. „Und ich bin mit dem Skateboard fast auf die Schnauze geplumpst…“, ich zeigte ihm meinen Kratzer und er pustete übertrieben drüber. „Armes Mäuschen!“ „Jaaaa…“ „Und jetzt wollen sie dich einmauern?“, überlegte Felix etwas, was nicht sehr abwegig Klang. „Sie wollten mir das Board wegnehmen. Es ist ein Wunder, dass ich es eigentlich überhaupt habe…“ „Hexen!“, sagte mein bester Freund schlicht und ich nickte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du heute hier noch aufkreuzt?“, sagte ich nun und schielte rüber zu dem Größeren.
„Ich treffe mich nach her eh noch mit Jerome, da kann ich davor noch bei dir rumspacken…“, wackelte Felix eindeutig mit den Augenbrauen. „Du und Jerome, ist das was Ernstes?“, ich setzte mich auf und sah auf meine nackten Füße. „Was Ernstes…“, wiederholte Felix spöttisch. „Du hast sonst nie mit wem was so Lange…“, warf ich nun ein. „Bist du in ihn verknallt?“, fragte ich und Felix lachte spöttisch auf.
„Ich bitte dich Mäuschen, was soll das den jetzt?!“ „Naja… Vielleicht magst du ihn?“ „Kennen wir uns? Ich muss doch niemanden mögen um mit ihm zu ficken!“, Augen verdrehend richtete sich Felix auf.
Es klopfte an meiner Zimmertür und wir beide sahen auf, schnell drückte ich Felix Kopf nach unten und er versteckte sich hinter/ unter dem Tisch der vor meinem Bett stand. „Wa… Was ist denn?“, fragte ich mich räuspernd.
Die Tür ging halb auf und Lina warf einen Blick rein. „Ich und Sina haben am Samstag beide Spätschicht, das heißt du bist bis späten Morgen alleine…“, das schien meiner Schwester gar nicht zu gefallen. In Gedanken umarmte ich die Welt für diese Information, Felix während dessen grinste zweideutig zu mir hoch und biss leicht in meinen Knöchel. Ich trat mit rotem Kopf nach ihm.
„Okay…“, gab ich schlicht als Antwort und Lina verzog unbestimmt das Gesicht. „Ich werde Mom noch mal sagen, dass sie hier sein soll…“, wir wusste beide, dass das Nichts bringen würde. „Okay!“, sagte ich wieder und versuchte nicht zu fiepen als Felix Hand mein Bein lang hochwanderte. „Gute Nach dann…“, sie musterte mein rotes Gesicht misstrauisch und schloss die Tür hinter sich. „Du Idiot!“, fauchte ich nach unten und zog schnell die Beine hoch. Glucksend krabbelte Felix auch wieder nach oben. „Was den, mein Süßer? Wird’s eng in der Shorts?“
Ich nahm mein Kissen und haute es ihm um die Ohren.
„Sodom und Gomorra!“, schimpfte ich. „Danke, dass du es bemerkt hast!“, sagte der Lilahaarige milde. „Also willst du nicht mit Jerome zusammenkommen?“, fragte ich schließlich. „Oh Gott, nein! Obwohl… Wenn du zusammen kommen meinst… “, sagte Felix und verzog leicht das Gesicht und grinste zugleich lasziv. „Warum nicht?“, fragte ich weiter, konnte aber nichts gegen das beruhigte Gefühl in meiner Brust tun.
Ich konnte Jerome nicht leiden und der Gedanke, egal mit wem, dass Felix eine Beziehung haben konnte gefiel mir eigentlich gar nicht. Es war dämlich so zudenken, das wusste ich, aber…
Ich wollte meinen besten Freund irgendwie nicht teilen!
„Willst du mich etwa mit ihm verkuppeln?“, fuhr Felix sich durch die gefärbten Haare. „Jerome ist heiß und fickt gut, das ist alles. Außerdem ist er nicht so ein Troll wie viele die denken bei einem Mal Körperflüssigkeit tausch ist man gleich ein Pärchen. Das ist schlicht angenehm… Mehr aber nicht!“, entschieden musterte mich Felix.
„Ich hab‘ nur gedacht weil Liz sich ja jetzt verliebt hat…Willst du niemanden dem du…“, ich rang nach den passenden Worten, „Nah sein kannst?“ „Ich bin ihm nah, Mäuschen, näher als du glaubst!“, verdrehte Felix mit einer abfallenden Handbewegung die Augen.
„Ich meinte ja auch Emotional!“, sagte ich und Felix sah mich einen Augenblick starr an bis er wie ein Hund mit Wasser in den Ohren den Kopf schüttelte und meinte: „Emotional war noch nie so meins…“, bei dem Wort Emotional machte er übertrieben Gänsefüßchen in der Luft, „Außerdem habe ich doch jemanden dem ich mich… Nah…“, man konnte merken wie wenig ihm dieses Wort gefiel, „fühle!“ „Liz zählt nicht!“, sagte ich und er plötzlich sah er mich Todernst an: „Ich meinte ja auch dich!“
„Ah…“, ich machte den Mund auf und wieder zu. „Mehr brauche ich da wirklich nicht…“, zuckte der Tätowierte mit den Schultern und sah auf sein Handy, „Ich muss gleich los…“ „Viel Spaß!“, sagte ich und konnte den abwertenden Ton nicht ganz aus der Stimme verbahnen. „Willst du etwa, dass ich hierbleibe? Aber dann…“, er machte eine eindeutige Geste mit der Zunge und ich drehte ihm schlicht den Rücken zu und sagt. „Bis morgen in der Schule!“
Er lachte leise und ich dachte er wäre schon davon als er plötzlich die Arme um meinen entblößten Oberkörper schlang und seine Lippen auf meinen Hals setzte. „Felix…“, keuchte ich und versuchte mich zu befreien. „Meni podobayetʹsya, yak vy smak.“, sagte er leise. „Ich versteh kein Ukrainisch…“, mauzte ich und drückte mich von ihm los.
„Vielleicht auch besser so.“, lachte er und hüpfte nun tatsächlich aus dem Fenster, „Bis morgen!“ Und er war weg.
Seufzend ließ ich mich wieder auf meinem Bett nieder.
Ich strich leicht über meinen Hals, es war als könnte ich Felix Lippen immer noch spüren.
Energisch schüttelte ich den Kopf.
„Komm zur Vernunft, Lui!“, schalte ich mich selbst. Meine Schwärmereien für Felix hatte ich schon vor langer Zeit aufgegeben. Es hatte keinen Sinn! Es war so wie Felix gesagt hatte, er brauchte keine Gefühle für Sex.
Und so gab es nur das eine oder das andere.
Gähnend rauschte ich die Straße lang runter.
Das monotone Rattern meines Boards war nicht gerade hilfreich um munter zu werden. Doch ich musste nicht gerade sehr viel Aufmerksamkeit in den Straßenverkehr stecken auf dem Weg zur Schule, da es noch etwas zu früh für den Pendlerverkehr war.
Gerade als ich in die Straße meiner Schule einbog erschien eine mir vertraute Gestalt neben mir ebenfalls auf einem Skateboard. „Morgen!“, grinste mir Eric entgegen.
Ich zog eine Grimasse als Antwort und er grinste noch ein bisschen breiter.
Eric war einer der Jungs mit denen ich am Skater Park abhing. Wir gingen in den gleichen Jahrgang, und ab und an hatten wir schon Nachmittag etwas zusammen gerissen. Meist war dann auch noch sein bester Freund Torben dabei, der wahrscheinlich begnadetste Skater den ich je gesehen hatte!
„Was macht die Kunst?“, fragte er gut gelaunt als wir gleichzeitig von Boards stiegen als wir den sandigen Schulhof erreichten. „Definiere Kunst…“, murrte ich in morgenmuffliger Manier. „Nicht ausgeschlafen, Mäuschen?“, kam es frisch und munter hinter uns und Felix mit Liz im Schlepptau kam so beschwingt wie eh und je auf uns zu.
„Nein“, sagte ich schlicht und wurde in eine eindeutig übertriebene Umarmung gezerrt. „Kommste am Samstag zur Pipe? Torben will ein paar neue Sachen ausprobieren.“, fragte Eric unbeeindruckt von Felix versuchen mich zu erwürgen.
Oft kamen Liz und Felix zur Pipe und sahen uns beim skaten zu oder im Felix fall, fielen mich an um mir dann das Gesicht abzulecken.
„Ja, klar…“, würgte ich also raus als Felix endlich seinen Griff lockerte. „Eigentlich ist der Samstag schon verplant!“, meinte nun Felix und ich sah ihn verwirrt an, was hatte dieses böse Gehirn wieder ausgeheckt?
„Du hast Sturmfrei?“, erinnerte mich mein beste Freund in einem Ton, der implizierte das er mich für doof hielt, zumindest Streckenweise.
„Das ist eigentlich der Code für Betrinken…“, zuckte ich mit den Schultern. „Ich habe jetzt aber entschieden das das der Code für fett krass Party ist!“, rümpfte der Lilahaarige die Nase. „Fett krass Party…“, wiederholte ich lahm, „Fehlt nur noch das du Yolo sagst!“ „Das Swagt…“, grinste Liz nun spöttisch und Felix machte megahype Bewegungen mit den Händen, wobei er auch noch übertrieben nickte und sich auf die Unterlippe biss.
„Du gibst ne Party?“, fragte nun schlicht Eric, doch bevor ich belustigt nein sagen konnte sagte Felix: „Und was für eine, und du bist eingeladen!“ „Cool!“ „Ähm…“, warf ich ein, doch Eric zückte schon sein Handy. „Ich frag Torben ob er kommt, okay?“ „Klaro!“, winkte Felix gönnerisch ab und ich sah etwas sprachlos zu Felix und dann zu Liz.
Was zum Henker war mit Felix los?
Sonst waren ihm meine Skater Freunde doch auch zu doof und erst recht dieses komische Hipster Getue? Vielleicht war das nicht Felix oder Kalle hatte ihn doch mit seinem Gehstock erwischt und er hatte nun ein Blutgerinnsel, das auf den Teil seines Gehirns drückte der ihn Sarkastisch sein ließ.
„Cool…“, wiederholte Eric und tippte fleißig eine Nachricht. „Also dann so gegen acht, okay?“, präzisierte Felix nun noch seinen Plan und zog mich dann mit Liz Richtung Ausgang, „Ich will noch eine rauchen, bevor wir zu Frau Tiefgründig in den Unterricht müssen…“
„Kannst du mir mal erklären, was du da gerade tust?“, fragte ich meinen besten und eindeutig Gehirngewaschenen Freund. „Ich? Gar nichts…“ „Im Grunde hat er Recht, du gibst hier ‘ne Party…“, warf nun Liz ein und drehte eine Kippe in ihren schlanken Fingern. „Ich gebe keine Party!“, fauchte ich und sah nun wieder böse zu Felix, „Was soll der Mist, ich will am Samstag in den Park und dann lass uns am Abend besaufen wie immer…“
„Du kannst nicht in den Park! Du musst deine Party vorbereiten!“ „Ich bereite gar nichts vor!“, gnatschig verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Na das ist jetzt nicht gerade die förderlichste Einstellung, so kann das ganz schnell Floppen!“ „Felix! Ich erschlag dich gleich!“ „Nun bleib mal ganz gechillt…“ „Sag nicht Yolo!“ „Was hast du den mal die Gelegenheit ‘ne Party zu schmeißen? Sag allen sie sollen den Suff selber mitbringen und wie drei kaufen das Knabberzeugs…“ „Was heißt bei dir allen?“ „Na wenn du willst! Ne kleine Runde! Deine so nicen Freunde ausm Jahrgang! Das wird witzig…“, beschwingt streckte er die Daumen nach oben.
„Hast du ‘nen Schlag bekommen? Oder bist du eigentlich ein außerirdischer Parasit? Was zum Henker soll das? Du kannst niemanden aus dem Jahrgang leiden, du arrogantes Stück findest sie dumm und hässlich! Und ich zitiere dich gerade!“ Felix tat empört: „Als ob ich so etwas sagen würde!“ „Natürlich!“, sagten Liz und ich gleichzeitig, „Und was soll der Mist mit Eric und Torben, du hast das letzte Mal gemeint, wenn Torben sich nicht bald mal die Haare wäscht kann er seine Haare zum schmieren seines Boards nehmen…“ „Vielleicht solltest du beim Einladen sagen bringt Suff mit und geht duschen!“ „Gute Idee!“, rieb Felix begeistert die Hände, „So solltest du das machen!“
„Ich mache gar nichts!“, knurrte ich, doch Felix ließ sich nicht beirren. „Mäuschen…“ „Nichts da Mäuschen! Ich hab keinen Bock jeden Schwanz bei mir in die Bude zu lassen! Meine Schwestern killen mich!“ „Die kriegen das gar nicht mit! Wir helfen dir beim Aufräumen, wenn die beiden von der Arbeit kommen liegst du längst im Bettchen und warst ein braver Junge…“ „Das ist nicht witzig!“ „Es wird ja auch nicht jeder kommen! Wir sondieren beim Einladen!“ „Was?“ „Selektieren… Oder wie zum Henker das heißt!“ „Ich ahne, was du vor hast…“, meinte plötzlich Liz und Felix spitzte die Lippen. „Wir werden auf jeden Fall nicht jeden einladen! Deswegen haben wir ja auch Eric eingeladen!“
„So schlimm mieft er ja nun auch nicht…“, verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Es geht um Torben!“, wedelte Felix entnervt mit der Hand, „Er ist der Edward Cullen unsere Schule!“ „Edward Cullen…? Hast du auch letzten Twilight im Fernsehen geguckt?“ „Es gab die ersten drei Kapitel vom Hörbuch neulich kostenlos bei Amazon…“, warf nun Liz ein und reichte mir die Kippe, doch ich war zu aufgewühlt um dran zu ziehen, so wedelte ich nur grummelt damit durch die Luft. „Seit wann interessiert dich Torbens Beliebtheitsstatus?“
„Mich interessiert das einen Scheiß, aber die ganzen kleinen Hohlköpfe nicht! Wenn Torben irgendwo hin geht wollen die da gleich auch alle hin, also…“ „Also?“, zuckte ich immer noch vollkommen unwissend mit den Schultern, „Ich hab vor Ewigkeiten aufgehört versucht cool zu sein…“ „Ich weiß…“, lachte Felix und meine Miene verfinsterte sich noch mehr. „Es geht nicht um Torben, sondern darum, wenn er kennt…“, warf nun Liz ein und ihrer Miene sah Fast belustigt und trotzdem irgendwie gequält aus. „Kennt?“ „Ich versuche nur ein guter großer Bruder zu sein!“, hob Felix grinsend die Hände und endlich fiel auch bei mir der Groschen.
„Du willst MJ auf die Party holen!?“ „Irgendwie müssen wir das ja ins rollen bringen…“ Ich sah zu Liz die seufzend mir die Kippe wieder abnahm. „Willst du das MJ am Samstag kommt?“ „Natürlich!“, antwortete Felix überschwänglich. „Ich hab aber nichts mit MJ am Hut… So richtig…“, sagte ich und biss mir unschlüssig auf der Lippe herum, so ein Party war tatsächlich der perfekte Moment um für Liz eine Möglichkeit zu zaubern.
„Nein, aber du kennst Katha!“, wackelte der Ältere mit den Augenbrauen. „Du kannst Katha nicht leiden!“, lachte ich witzlos auf. „Sie ist ein natürliches Brechreizmittel!“, schaudert der Größere und seine Schwester fügte Weise hinzu: „Jeder hat seine Aufgabe!“ „Ha, ha…“
„Aber auf verquere Weise steht sie auf dich und sie kennt MJ!“, triumphierte Felix und ich seufzte Tonnenschwer und ergeben. Tatsächlich war es so, dass ich und Katha so was Ähnliches wie ein rumgeflirte gehabt hatten. Liz und Felix waren felsenfest überzeugt, dass sie auf mich stand, ich sah das irgendwie nicht so und bevor ich richtig wusste, ob ich es rausfinden wollte, war ich Nils über den Weg gelaufen.
Mein Magen drehte sich leicht als ich an den Älteren dachte, vielleicht hätte ich doch bei Katha bleiben sollen. „Ich frag sie, ob sie kommen will…“ „Solltest du auch, ist schließlich deine Party!“ Giftig fixierte ich Felix. „Aber erst nach der zweiten Stunde! Wir müssen Torben Zeit geben…“ „Wofür?“, fragte ich nicht ganz überzeugt doch Felix tippte sich nur zwinkert gegen die Nase.
Schließlich erklang ein schrilles Surren und wir machten uns auf den Weg zu ersten Stunde. Philosophie bei Frau Tiefgründig, wie Felix sie, in der FSK 12 Version nannte.
Wir liefen den grauen Schulflur entlang und quetschten uns dann in den schon recht vollen Philosophieraum im zweiten Stock. Wie immer steuerten wir auf die Plätze ganz hinten zu und ich ließ mich in der Mitte von Felix und Liz nieder.
Gähnend kramte ich mein Zeug vor und ließ meinen Kopf auf meinen verschränkten Armen nieder. Felix warme Hand schlich sich in meinen Nacken und er begann meinen Hals zu kraulen. „Hab ich dich so uschig gemacht, als ich gegangen bin, dass du die ganze Nacht nicht schlafen konntest?“, ich konnte förmlich das dreckige Grinsen von dem anderen sehen. „Fick dich…“, nuschelte ich und er lachte rau und nuschelte zurück: „Ya khotiv by do pishov na khuy̆!!“ „Wah?“, hob ich verwirrt den Kopf und er grinste nur und stupste mit seiner Zunge von innen gegen seine rechte Wange.
Augen verdrehend ließ ich denn Kopf wieder sinken, der Bengel war nicht zu gebrauchen. „Guten Morgen meine Freunde!“, kam es nun beschwingt von der Tür und unsere wundertolle Lehrerin kam herein.
Ich rappelte mich missmutig auf. Felix grinste in begeisterte Vorfreude rüber zu Liz und lehnte sich dann zurück. Er sah aus als würde er Affen im Zoo begutachten. Frau Tiefgründig hatte ihren Namen vor allem NICHT wegen ihrem Unterricht, eigentlich eher weil sie immer widerliche tiefausgeschnittene Klamotten trug und damit immer wieder ihren Brüste die Chance gab einen ganzen Kurs zu traumatisieren.
„Ich möchte heute mit euch etwas Neues beginnen: Die Frage nach der Moral! Die Frage, nach dem Gewissen!“, begann die Frau wie üblich herum zu schwafeln und Felix grinste entzückte, wahrscheinlich fand er das noch witziger als wir alle, weil er kein Gewissen hatte.
Frau Tiefgründig lehnte sich abstützend auf ihrem Tisch nach vorne und zeigte wieder einmal, was sie alles hatte. Felix Hand legte sich über meine Augen und flüsterte: „Sieh nicht hin Lui! Tut dir das nicht an!“ Ich musste grinsen.
„Ihre Nippel sind wie Gartenmöbel…“, flüsterte schließlich Liz auf der anderen Seite. „Vollkommen abgenutzt, weil sie das ganze Jahr draußen sind!“, stimmt Felix seufzend zu. „Doch wir müssen uns konkreter mit diesen Fragen beschäftigen! Wie zeigt sich ein Gewissen? Was würdet ihr fühlen, wenn ihr einen Menschen erschießen würdet?“ „Den Rückstoß…“, mutmaßte Felix halblaut und Tobias und Kevin vor uns fingen unterdrückt an zu lachen. „Der war schlecht…“, grinste ich schief zu dem Tätowierten und er streckte mir lässig die Zunge raus.
Die restliche Zeit der Doppelstunde Philosophie zog sich so zäh wie ihr Anfang. Felix und Liz ließen es sich nicht nehmen zu allem einen blöden Kommentar abzugeben.
Es waren noch knapp 15 Minuten Unterricht als mein Handy vibrierte. Eric schrieb mir das Torben mit dabei wäre. „Sehr gut!“, flüsterte Felix, der mitgelesen hatte. Ich wollte Eric eine Antwort schicken, doch ich hatte mal wieder wie so oft kein Netz. „Kaum zu fassen ich bin mitten in Deutschland und kein Netz… Aber irgendwelche verlausten Taliban sonst wo in der Pampa können Videos bei YouTube on stellen!“ „Ziegen sollen unglaublich gute Übertragungen sichern.“, meinet Liz und Felix nahm mir schlicht das Handy aus der Hand. „Ich hab Empfang.“ „Danke…“
Schließlich war das Drama endlich aus und wir konnten in die nächste Langeweile latschen. „Da ist Katha! Und perfekt! Sie redet mir MJ! Los! Los! Los!“, sagte plötzlich Felix und schob mich vor sich her, „Und werf das mit Torben ein!“ „Ist ja gut!“, knurrte ich und entwand mich dem Griff des Größeren. „Hey…“, sagte ich schließlich und trat zu der durchgestylten Blondine mit den großen Augen und noch größeren Brüsten.
„Lui!“, sagte sie grinsend und strich ein paar Strähne hinters Ohr. MJ hob lächelnd die Hand. Ich verstand was Liz so anziehend an ihr fand. Die dunkle Haut und die vollen Haare und Lippen… Sie war wirklich mehr als Schön und wirkte dabei wie der ausgeglichenste Mensch auf der Welt.
„Na, wie hat dir die Frage nach dem Gewissen gefallen?“, versuchte ich zwanglosen Smalltalk, ich hörte Felix irgendwo hinter mir leise würgen als Katha eine Antwort gab. „Ich finde das Thema echt interessant! Es gibt so viele verschiedene Dinge die uns Beeinflussen bewusst oder unbewusst…“ „Ja… Krass ey…“, erwiderte ich unglaublich tiefgründig. „Ähm…“, setzte ich schließlich an, doch wusste ich einfach nicht wie ich das machen sollte als plötzlich Torben erschien.
Seine gut gebaute Gestalt sprang plötzlich an meine Seite und zog mich eine kumpelhafte Umarmung. „Danke für die Partyeinladung! Das wird so mega…“ „Ähm… Klar!“, sagte ich und versuchte lässig auszusehen.
Torben strich sich die hellen Locken aus den Augen und klatschte dann motiviert in die Hände. „Party?“, fragte Katha sofort. „Ja…“, setzte ich an, doch Torben, das Energiebündel, übernahm für mich. „Ihr habt wohl noch nicht auf eure Handys geguckt? Eric und ich haben die Nachricht weitergeleitet, der ganze Jahrgang wird komm ey… Das wird so derbe geil!“ „Was?“, entsetzt sah ich den Größeren an. „Du schmeißt ne Jahrgangsfete? Wie grandios!“, meinte Katha und sah auf ihr Handy, „Ich komme definitiv!“ „Echt cool!“, meinte nun auch MJ.
„Das wird so mega! Ey! Du bist der Beste!“, buffte mir Torben noch einmal gegen die Schulter und plärrte dann weiter energisch, wie cool das alles wird den Flur entlang. Mit flammendem Blick drehte ich mich zu Felix um, welcher mir durchtrieben lächelnd Piece zeigte: „Yolo…“
„Ich könnte dich gerade einfach nur erschlagen!“, fauchte ich wutentbrannt und fixierte Felix immer noch grinsendes Gesicht. „Eine Jahrgangsfete? Hast du dir zu oft dir Haare gefärbt? Ist das Ammoniak in deine restlichen Gehirnzellen getropft?!“ „Mäuschen… Ich steh drauf, wenn du böse wirst!“, leckte sich das lilahaarige Mistaas über die Lippen und wackelte allen Ernstes mit den Augenbrauen.
Wirklich, wie gerne würde ich ihn mit einem Spaten erschlagen!
„Das ist nicht witzig!“, knurrte ich und presste die Lippen hart aufeinander, „Wenn meine Schwestern das raus kriegen werde ich für den Rest meines Lebens weggesperrt!“ „Da ist was dran…“, nuschelte Liz und zog an ihrer Kippe.
Die Schule war aus und wir liefen zu dritt nach Hause, oder eher verfolgte ich schimpfend und meckernd Felix und damit auch Liz.
Natürlich war diese blöde Partynachricht binnen von einer weiteren Schulstunde in jeden Hohlkopf an unserer Schule gesickert. Ich war so was von am Arsch. „Felix! Du musst das wieder rückgängig machen!!! Das funktioniert einfach nicht!!!“
Verzweifelte ich nun in panischer Weise, doch auch hier blieb Felix vollkommen ungerührt und zog nur seine infernalischen Brauen hoch. „Wie uncool kommt den das bitte, wenn du das wieder zurücknimmst?“, verschränkte er die Arme vor der Brust und pustete sich eine lila Strähne aus den Augen.
„Uncool?“, wiederholte ich wie vom Laster angefahren und hätte ihm am liebsten mein Skateboard in den Hals gerammt. „UNCOOL?“ „Ja, Mäuschen… Du musst dich nicht noch mehr abwerten als sonst!“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Felix!“ „Außerdem…“, grinste dieses Elend frech, „Ich kann da gar nichts machen, ist ja deine Party!“
„FELIX!“ Ich raufte mir die Haare. „Du kannst mir das nicht antun!“
Unschuldige machte er die Augen groß. „Keine Sorge! Ich und Liz helfen dir doch!“ Fürsorglich klopfte er zwei Mal mit der flachen Hand sanft auf meinen Kopf. Barsch schlug ich seine Hand beiseite und wand mich an den Teil der Zwillinge, der so was wie Verstand besaß. „Liiiiizzzzz…“
Doch Liz sah, wie die schon die komplette letzte Schulstunde auf ihr Handy und schien uns gar nicht zuzuhören. „Liz?“, fragte ich jede Hoffnung aufgebend und sie schüttelte leicht den Kopf als sie aufsah. „Ja?“ „Hilf mir!“, sagte ich schlicht und verzweifelt.
Sie legte ihrem Bruder viel zu ähnlich den Kopf schief und sah mich mit überhaupt keiner Ahnung, was ich von ihr wollte, an. „Die Party! Die DEIN Bruder bei mir feiern will!“ „Oh…“, sagte Liz und sah zu Felix, der die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte und die Zunge rausstreckte. „Hm…“ „Das ist alles?“, ließ ich verzagt die Arme hängen. Liz sah wieder auf ihr Handy.
„Ich bin verloren…“, die Erkenntnis meiner ewigen Verdammnis traf mich wie ein Blitz und trocken schluchzend vergrub ich das Gesicht in den Händen.
Meine kümmerliche Existenz fand mit 17 Jahren ein jähes Ende. Auf tragisch banale Art und Weise. Und das nur, wegen Felix!
„Ich hasse dich…“, klagte ich entnervt. Felix lachte und zog mir die Hände vom Gesicht. „Oh, Armes Tuff Tuff…“ „Hör auf damit!“, fauchte ich und wollte meine Hände von ihm losreißen. „Ich sterbe elendig, und das ist deine Schuld! Du Elend!“ „Nta…“, seufzte Felix, „Wer wird den gleich theatralisch? Und so schlimm wäre das ja nun bei dir auch nicht, schließlich hast du noch Garantie!“ Verwirrt sah ich Felix an, ahnte jedoch nichts Gutes. „Garantie?“ „Naja… Wenn Wahre ungeöffnet zurückgeht, bekommt man doch sein Geld wieder!“ Sein Grinsen wurde süffisant hoch zehn und mir schoss den Hals das Blut lang hoch in die Wange.
„Witzig…“, zischte ich und riss mich los und wollte auf mein Skateboard springen als er seine Todestentakel von hinten um mich schlang. „Das was nur ein Scherz! Sorry, sorry…“, er presste mich an sich und ich versuchte mich vergebens zu befreien. Ich bekam ungefähr dafür ein Gefühl, wie es wohl in den Fängen des Krackens sein müsste. Jede Hoffnung auf Rettung war umsonst.
„Lass mich…“, würgte ich hervor als Felix mich zu ihm umdrehte und seine Nasenspitze nur noch ein kleines Stück von meiner entfernt war. Mit so viel Kraft, wie ich in dieser eingequetschten Position aufbringen konnte stemmte ich mich gegen ihn, doch er hielt mich unerbittlich fest. Manchmal fragte ich mich wirklich woher er diese Kraft nahm.
„Nicht bocken Prinzessin…“, schnurrte er und fügte dann rauer hinzu, „Wenn du willst können wir deinen ungeöffneten Status ganz schnell ändern! Wann immer du willst!“ „Fick dich ins Knie…“, knurrte ich und versuchte mich immer noch zu befreien. „Liz…“, versuchte ich erneut Hilfe zu bekommen, doch Liz starrte erneut auf ihr Handy.
„Sag mal…“, warf nun Felix ein und sah eindeutig etwas verwirrt zu seinem weiblichen Gegenstück, „Mit wem schreibst du denn da die ganze Zeit?“ „Vanessa…“, sagte Liz schlicht und sah noch nicht einmal auf. „Wer?“, fragte ich, doch Felix machte nur angewidert „Bah…“ „Sie will mich besuchen kommen.“, sagte Liz wie immer ungerührt angesichts der nicht vorhandenen Manieren ihres Bruders.
„Was?“, empört hob Felix ziemlich plötzlich die Arme und ließ mich damit frei. Da ich aber immer noch gegen seinen Klammergriff gekämpft hatte strauchelte ich von der unerwarteten Freiheit nach hinten und landete selbst für meine Verhältnisse mehr als plump auf meinem Hintern. „Au!“ Doch Felix tusterte weiter seine Schwester voll.
„Ich will die hier nicht haben!“ Liz seufzte und tippte wieder auf ihrem Handy rum. „Schreib ihr, sie soll bleiben, wo der Pfeffer wächst! Diese blöde Kuh!“ „Wer ist Vanessa?“, fragte ich noch einmal und Felix sah verwundert zu mir am Boden und zog mich dann auf die Beine. Murrend rieb ich mir den Hintern.
„Die größte Plage auf diesem Gott verdammten Planeten!“, mauzte er. „Aha…“ „Sie ist eine alte Freundin von uns…“, erklärte nun Liz weiter. „Von dir! Ich hab dieses Miststück nur immer ertragen!“, Felix sah so miesepetrig aus als hätte man ihm erklärt mit einem guten Lappen und genügend Spucke könnte man ihm die Tattoos von der Haut rubbeln. „Aha…“, sagte ich noch einmal und wusste nicht so Recht mit Felix merkwürdigen Verhalten umzugehen.
Wieder sah Liz auf ihr Handy. „Und, hast du ihr gesagt, dass sie hier nicht antanzen brauch!“, schmollte Felix und Liz seufzte erneut. „Das wird wohl nicht möglich sein…“ Wir bogen in die Straße ein in der Liz und Felix wohnten. „Und warum nicht? Ich schreib ihr das auch!!!“, meckerte Felix. Es war wirklich verwirrend Felix, der meiner Meinung nach mehr zerstörerisches Potenzial als Plage als die Pest persönlich besaß, jemand anderes Plage nennen zu hören.
„Weil…“, setzte Liz an, doch eine hohe freche Stimme kam meiner besten Freundin zu vor. „Weil ich schon da bin, du Blindgänger!“ Und bei diesem letzten Wort sprang jemand mir vollkommen Unbekanntes von hinten auf Felix Rücken und drückte seinen Kopf nach vorne.
„Es ist so schön dich endlich mal kennenzulernen!“, grinste mich Vanessa an und ihre braunen Augen musterten mich ungeniert direkt. „Ähm, ebenfalls?“, fragte ich und sie lachte. „Ha! Wie du beschrieben hast!“
Vanessa war groß, und verflucht dürr und hatte lange schwarze Haare und sehr, sehr weiße Haut. Sie grinste breit und frech und schien an sich irgendwie fast ein bisschen wie Felix zu sein, nur halt ganz anders.
Und sie machte mich ehrlich gesagt verflucht nervös! Besonders da sie anscheinend ganz genau wusste, wer ich war, was ich tat und ich zum verflucht aller ersten Mal was von ihr gehört hatte.
„Sag mal, musst du nicht Arbeiten oder sowas?“, grollte Felix sie nun an. Kurz sah ich zu ihm rüber. Er war so weit entfernt von ihr wie möglich. Sie schien ihn sogar noch nervöser zu machen als mich, was ging hier gerade ab?
„Urlaub…“, flötete sie jedoch dreist und frei.
Wir saßen zu viert in Liz Zimmer und Vanessa hatte sich wie selbstverständlich aufs Bett geworfen und nach Kalle und der Familie gefragt, Liz neue Lampe bestaunt und gesagt das der neue Haarschnitt so wie das Septum ihr perfekt standen!
„Ich habe immer gewusst, dass du was brauchst, was die Symmetrie unterstützt!“, Vanessa drehte einer ihrer langen Haarsträhnen um die schlanken Finger. „Das einzige was Unterstützung braucht, bist du!“, knurrte Felix. Ich grinste schief. „Wer von uns beiden hat den noch mit elf Stützräder gebraucht!“, erwiderte Vanessa eiskalt und zum ersten Mal sah ich Felix erröten.
„Stütz…“, setzte ich an. „Halt die Fresse!“, schnauzte Felix Vanessa an. Ich blinzelte leicht amüsiert. „Ich weiß noch, als wir die Klassenfahrt nach Arendsee hatten und wir die Fahrradtour machen wollten…“, Vanessa redete ungnädig weiter, „Und irgendwer musste hinten beim Lehrer auf den Gepäckträger, weil er selber nicht Fahrrad fahren konnte!“ „Und wer ist die Böschung runter in die Brennnessel gerast?“, giftete Felix zurück. „Wenigstens kann ich Fahrrad fahren!“ „In der Ukraine hatte ich kein Fahrrad und hier brauche ich keins!“ „Du solltest wenigstens Fahrrad fahren endlich lernen… So viel ich gehört hab kannst du ja auch kein Auto fahren!“ „Ich kann Auto fahren!“, diesmal erntete Liz den bösen Blick.
„Wie damals! Ich kann mit dem Brenner umgehen! Und zum Schluss hat das Chemielabor gebrannt!“ „Ich hab‘ ‘ne Woche nach faulen Eiern gestunken!“, seufzte Liz. „Vanessa ist den Geruch anscheinend nie wieder losgeworden!“, warf Felix ein. „Ich will gar nicht wissen, was an dir alles klebt, Dorfmatratze!“, Vanessa pustete sich ihren Pony aus den Augen, „Außerdem hast du ‘ne Zeitlang gefunden, dass ich ganz gut rieche!“ „‘Ne Zeitlang hielt man auch den Kommunismus für ‘ne gute Idee!“
„Kommunismus!“, sah Vanessa nun doch etwas ernster aus, „Ist eure Grandma in Sicherheit?“ Verwirrt sah ich sie an, die Mutter von Frau Seifert war schon vor fünf oder sechs Jahren oder so verstorben. „Die war doch auch auf der Krim… Bei dem was da gerade abgeht!“ „Tot!“, sagte Felix eiskalt. „Alter!“ „Nein, sie ist wirklich tot!“, warf nun Liz ein, sie saß neben Vanessa auf dem Bett, sie schien gar nicht nah genug bei ihr sein zu können.
„Wir haben einen Brief gekriegt. Herzinfarkt. Letztes Jahr im Sommer…“ „Mies!“, Vanessa tätschelte liebevoll Liz Schulter. Ich verstand hier kein Wort mehr.
„Sie war mies!“, sagte Felix, es lag ein Ton seiner Stimme den ich nicht kannte. „Sie hat kein Gedanken an uns verschwendet als wir im Waisenhaus verschimmelt sind, aber als dann ‘ne reiche deutsche Familie hinter uns stand… Oh, meine armen Enkelchen!“ Fast grob fuhr Felix sich durch die Haare, sehr untypisch für ihn. „Fotze!“
„Felix!“, sagte Liz, doch auch sie klang seltsam. „Früher hast du so noch nicht geredet!“, warf nun wieder Vanessa ein. „Früher habe ich viele Dinger sehr falsch gesehen!“, sagte Felix und fixierte sie kurz, „Wie dich!“ „Ich finde eindeutig dein Bruder sollte netter zu deiner besten Freundin sein!“, leckte sich Vanessa über die Lippen, „Die schließlich auch seine Ex- Freundin ist!“ „Ex…“, vollkommen überrumpelt sah ich zu Felix. Wütend sah er kurz zu mir und dann zu der Schwarzhaarigen.
„Ich würde mir wünschen, du würdest für immer verschwinden…“ „Ich finde es immer entzückend, wenn du so tust, als hättest du mich nicht vermisst!“ Vanessa war Felix Ex- Freundin… Sie waren…
Immer weiter stritten die Beiden hin und her. Mein Magen sank mir zwischen die Kniekehlen. Ich hatte von all dem nichts gewusst, von gar nichts!
Ich wusste noch nicht einmal, dass Vanessa oder eine Großmutter auf der Krim existierten… Ich…
Seufzend stand ich auf, umständlich klatschte mein Rucksack zu Boden. „Ich… ich werde dann mal los…“, sagte ich schnell und raffte meine Sachen zusammen. „Was? Wo willst du denn schon hin?“, fragte Felix, „Ich dachte wir planen für die Party…“ „Wir planen gar nichts, außerdem habt ihr Besuch!“ Ich flüchtete aus Liz Zimmer.
„Ganz schön dramatisch, der Kleine…“, hörte ich Vanessa noch sagen. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. „Lui! Was…“, Felix kam mir nach, „Nimm einfach nicht ernst was Vanessa sagt, sie…“ „Das Problem ist wohl eher, dass du mich nicht ernst nimmst!“, pöbelte ich ihn an. Verwirrt blieb er stehen. „Was…“ „Ich will keine Party! Krieg das endlich in deinen Kopf rein!“ „Ach, Lui…“, setzte er an und wollte mir durch die Haare zauseln. „Ich habe NEIN gesagt!“, ich schlug seine Hand weg, „Hör endlich auf mich wie ein Kind zu behandeln!“
Ich packte mein Skateboard im Flur und riss die Haustür auf. „Man muss nicht die Beine für jeden breit machen um erwachsen zu sein!“ Und damit feuerte ich die Tür vor der Nase meines besten Freundes zu.
Krampfhaft versuchte ich nicht zu heulen. Ich wusste selbst nicht was hier gerade los war, ich wusste nur das ich Felix am liebsten gegen die nächste Wand werfen würde! Dieser Vollidiot, ich…
„Pass doch auf!“ Meine Schulter traf jemand anderen, unsanft. Blinzelnd sah ich auf. Wenn es ging fühlte ich mich noch schlechter. Das war, wie Kalle ihn genannt hatte, Felix Stecher- Jerome!
Er war fast anderthalb Köpfe größer als ich, tätowiert, gutaussehend, erwachsen…
„Man, gehen mir diese Blagen auf den Sack!“, murrte er und ging nun dorthin wo ich hergekommen war, zu Felix…
Ohne mich nochmal umzudrehen stieg ich auf mein Board und ratterte die Straße langrunter.
Ich raste durch die Innenstadt, ich achtete kaum auf die Leute um mich herum. Fast hoffte ich sogar gegen irgendwas gegen zu crashen um den Elend meines Selbst zu entkommen.
Es tat so Scheiße weh…
Wenn ich mich sah, und wenn ich Vanessa und Jerome ansah war es fast unvorstellbar, dass Felix überhaupt mit mir redete, geschweige denn, dass ich sein bester Freund wäre.
Vanessa wusste tausendmal mehr über ihn als ich und Jerome kam sogar zu Felix nach Hause. Er holte sonst nie seine Opfer nach Hause. Nie… Aber ihn schon! Fuck!
Warum hatte ich damals auch nur mit ihm rumknutschen müssen? Warum hatte er sich neben mich gestellt? Warum…
Manchmal hatte ich das Gefühl, das die ganze Schuld für den Hickhack in meinem Leben Felix hatte! Wenn ich nicht mit ihm geknutscht hätte, würde ich immer noch auf Mädchen stehen. Wäre vielleicht mit Katha zusammen und würde jetzt mit Torben und Eric an der Bahn sein um ein paar neue Tricks zu lernen. Nils wäre ein guter Kumpel… Und… Und… Ich hätte Felix nicht!
Die Ampel vor mir sprang auf Rot, gerade noch so riss ich mein Board hoch und kam schlitternd vorm Bordstein zu stehen.
„Ganz schön knapp…“, lachte plötzlich jemand neben mir. Verdutz sah ich zur Seite. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein?! Nils!
„Hey…“, sagte ich lahm und wäre am liebsten auf die Straße gesprungen. Wie immer sah er einfach nur fürchterlich gut aus und lächelte unverschämt erfreut mich zusehen. Er war auch so ein Mistkerl!
„Willst du in die Stadt?“, fragte er und klang fast erfreut, dass wir zusammen irgendwo hin gehen könnten. Mein Nervenkostüm war aber auch schon ohne einen Homophoben Sunnyboy auf den ich stand beansprucht genug, also sagte ich dumpf: „Nee…“ „Oh…“, warum magst du mich so, wenn dich Penisse nicht begeistern?
„Ich will nach Hause…“, ich würde mich in meinem Zimmer vergraben und dann dafür sorgen müssen, dass diese beschissene Party nicht stattfand. „Dann musst du in die Richtung?“, fragte Nils anscheinen verwirrt. „Nein, ich wollte nur noch ‘ne Runde mit dem Board drehen, bevor ich dann nach Hause gehe. Ich wohne, Neustadt…“, fügte ich kleinlaut hinzu, das Assi- Viertel unserer Stadt.
„Ah, okay… Hab mich schon gewundert! Ich seh‘ dich ja sonst immer in die Richtung abhauen und da dachte ich mir schon, irgendwo da musst du wohnen. Aber ich war mir nicht sicher, war ja noch nie bei dir…“, er quasselte herum, ich runzelte leicht die Stirn, „Nicht das das jetzt ‘nen Vorwurf ist oder so! Ich mein, ich weiß das du anscheinend es nicht so magst besuch zu haben! Also…“
Er hob entschuldigend die Hände und ließ sie verzagt angesichts meines Blickes sinken. „Sorry! Ich wollte dir nicht zu nahetreten, oder so…“ Er wischte sich die schwarzen Haare aus der Stirn. „Ich mag‘s wirklich nicht so, wenn ich besuch hab…“, sagte ich.
Er hatte es also bemerkt. „Meine Familie ist ziemlich kauzig…“ Die Ampel sprang auf Grün, wir setzten uns fast mechanisch in Bewegung.
„Welche Familie ist das nicht?“, lachte Nils, meine Mundwinkel zuckten. „Naja, meine ist das auf nicht vorteilhafte Art und Weise…“ Er runzelte die Stirn. „Meine Mum hat jede Woche ‘nen neuen Kerl und die, die sie abgeschossen hat, kommen mitten in der Nacht und randalieren vor der Tür und meine großen Schwestern haben irgendwelche Beschützerkomplexe, weil ich ja noch so kindisch und naiv bin und möchten mich gern ein Mauern, damit ich mir nicht selbst weh tu und ich ja keine Ahnung hab… Und… ja…“
Nils blinzelte mich an. „Das ist…“, er holte konzentriert Luft, „… richtig mies!“ Ich lachte witzlos. „Und totaler Schwachsinn, du bist der erwachsenste Mensch, den ich kenne!“ Wie festgefroren sah ich ihn an. Drei Schritte später raffte auch er das. „Wah?“, fragte ich. „Ich meine für unser Alter… Wer ist denn schon mit 18 erwachsen? Das ist lächerlich, wenn man das behauptet, aber ich meine du bist ein… Du bist so realistisch! Und hast Ahnung, und hast auch kein Problem damit zuzugeben keine zu haben und naja… Ich finde dich auf jeden Fall nicht kindisch!“
Er grinste. Ich schluckte schwer. „Und…, wenn deine Familie mal wieder zu kauzig wird…“, bildete ich mir das nur ein oder wurde er rot, „Du kannst gerne mal bei meiner kauzigen vorbei schauen…“
„Willst du morgen zu meiner Party vorbeikommen?“ „Party?“ „Ähh…“, was tat ich hier gerade, „Also… weißt du… Mein, meine Familie ist morgen Abend nicht da und deshalb kommen ein paar Leute aus meiner Klasse zu mir, und naja… Vielleicht willst du ja auch vorbeikommen?“ Was tute ich hier gerade, ich wollte die Party doch absagen.
„Mega! Klar bin ich dabei!“, er strahlte. „Super!“, strahlte ich zurück und erschoss mich in Gedanken. „Also du willst nach Hause jetzt…“, sagte er. „Naja… Was willst du den jetzt machen?“ Warum sollten nur Felix und Liz jemanden haben der ihnen auf einmal wichtiger als unserer Freundschaft war?
Der Nachmittag schlich dahin. Nils schliff mich zu MediaMarkt und zu so gut wie jedem Laden in dem es sowas ähnliches wie Technik gab. Zum Schluss stopften wir uns mit Fast Food bei McDonalds voll und lachten uns darüber kaputt, dass Leute zu dumm waren an der Eingangstür bei Mcs das „Ziehen“ zu lesen und wie die Irren gegendrückten.
Obwohl ich so viel Spaß hatte pochte es hinten in meinem Kopf die ganze Zeit. Ich konnte nicht aufhören daran zu denken, was wohl gerade Felix und Liz und Jerome und Vanessa machen würden. Bestimmt saßen sie zusammen, und tranken Bier und rauchten und teilten Sachen, die nur sie verstanden.
Es war schon nach neun als ich nach Hause kam, natürlich machten Sina und Lina urst das Fass auf und wiedermal konnte ich nichts anderes machen als panisch in mein Zimmer zu flüchten. Seufzend lehnte ich mich gegen die Tür.
Reinstes Irrenhaus, und ich war selber auch nicht besser!
Gerade als ich darüber nachdachte vielleicht noch duschen zu gehen sah ich auf. Erschrocken stolperte ich zurück und knallte mit dem Ellbogen gegen meinen Schreibtisch. „Was zum…“
„Ist alles in Ordnung?“, plärrte es natürlich sofort durch meine Zimmertür. „J… ja… War nur mein Skateboard!“, sagte ich schnell.
Dort auf meinem Bett, mit meinem Handy in der Hand und einer Miene wie sieben Tage Regenwetter saß Felix.
„Warum bist du hier?“, fragte ich und hasste mich dafür, dass mein Herz schneller hüpfte. „Wo warst du?“, fragte er zurück. „Unterwegs…“, sagte ich. „Sechs Stunden?“, er hob seine diabolisch geschwungenen Brauen. „Ja, ich… Was geht’s dich an? Und woher…“ „Ich hab‘ hier auf dich gewartet!“, sagte er. „Du… Was?“, ich sah in meinen Gedanken zu mir nach Hause rennen, nach dem ich von ihm wütend verschwunden war, durch mein Fenster steigen und hier warten das ich komme.
Ich schluckte, langsam ging ich zu ihm rüber. „Als ich dir hinter her bin warst du schon nicht mehr zu sehen. Ich dachte, du bist nach Hause gerast, aber nein… Und als ich dich anrufen wollte ist Liz ran gegangen…“. Er legte mein Handy auf den kleinen Tisch vor meinem Bett.
„War’s schön mit Nils? Er fands definitiv toll!“ Felix verzog das Gesicht. „Er hätte…“, seine Stimme wurde merkwürdig, „Wiederholungswürdig!“ „Woher…“, ich sah auf mein Handy, „Hast du meine Nachrichten gelesen?“ „Ich dachte, das bist vielleicht du, der sein Handy sucht!“, er war so ruhig, so ernst so- So nicht Felix!
„Ich… ich hab‘ gar nicht gemerkt, dass es nicht da ist.“ Er nickte. „Was meint er mit dem kauzig?“ „Ist so ‘ne Sache zwischen ihm und mir!“, ich verschränkte meine Arme vor der Brust, meine Hände zitterten leicht. Felix nickte erneut.
„Was… Was willst du eigentlich hier?“, ich wollte wütend auf ihn sein, „Ist nicht deine tolle Ex- Freundin und dein Stecher da?“ „Mein…“, verwirrt blinzelte er mich an. „Tu nicht so! Bevor ich los bin, bin ich in Jerome rein gerannt! Also…“ „Ich hab‘ ihm gesagt er soll sich verpissen! Du weißt doch, dass ich keines meiner Opfer mit nach Hause nehme.“ „Ich… Dann ist Vanessa da!“ „Ich kann Vanessa nicht leiden!“
„Aber natürlich!“, ich schnaubte verächtlich. „Ich war mal mit ihr zusammen, aber wie du weißt kann ich mit Mädchen nicht viel Anfangen, also…“ „Ist mir egal ob ihr miteinander geschlafen habt!“, Blut schoss mir in den Kopf und ich wurde laut.
Felix hob mahnend die Hände und sah zu meiner Zimmertür. „Ist mir egal ob die beiden reinkommen! Ist mir egal, was du tust, oder mit wem und wie oft du es TUST! IST MIR EGAL! ICH…“ Fest schlossen sich seine Arme um mich!
„Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun! Tut mir leid, wenn ich was gemacht hab was dir wehgetan hat! Tut mir leid…“
Ich krallte meine zittrigen Finger an ihm Fest und schniefte in sein T- Shirt. „Warum vertraust du mir nicht…“ Er erstarrte. „Wie kommst du den auf sowas?“ Ich trat zwei Schritte zurück. „Ich kam mir so dumm vor, als wir da mit Vanessa saßen…. Ich, ich hatte das Gefühl gar nichts über dich zu wissen…“ Seine dunklen blauen Augen sahen mich unschlüssig an.
Er nahm meine Hand und zog mich zum Bett, wir setzten uns drauf. Seine Hand war etwas größer als meine, und ganz warm. „Ich war mit Vanessa als ich 13 war zusammen. Ich hatte mit dir schon doppelt so viel Körperkontakt gehabt wie mit ihr damals, also…“ „Du musst mir das nicht erzählen!“, ich schüttelte energisch den Kopf.
Gott ich bin so peinlich!
„Du musst dich nicht genötigt fühlen mir Sachen zu sagen, wenn du es nicht willst! Also…“ „Ich war mit Vanessa zusammen, weil ich dachte ich müsste…“ „Hä?“ Er seufzte. „Ich rede nicht gerne über früher, weil ich mich früher nicht mochte…“, er fuhr sich durch die immer perfekt liegenden Haare, „Ich hab‘ lange gebraucht um mich an Deutschland zu gewöhnen, viel länger als Liz…“ „Hat’s dir hier nicht gefallen?“ „Ich hatte Angst, dass ich wieder zurück muss!“ „Oh…“
„Manche Leute haben Glück, wir hatten keins im Waisenhaus…“, Felix dunkle Augen sah in die Ferne, in die Vergangenheit, „Unsere Eltern sind bei ‘nem Autounfall gestorben… irgendwann vor unserem sechsten Geburtstag. Ich weiß es gar nicht mehr genau. unserer Großmutter, die auf der Krim, wollte uns nicht… Ihre kleine Rente würde nicht reichen um zwei Kinder groß zu kriegen. Also kamen wir ins Heim…“ Unwillkürlich umfasste ich Felix Hand fester.
„Du kennst doch diese billigen Serien, wo Kinder in Heimen verprügelt werden und so was…“ Er seufzte. „So unrealistisch ist das manchmal gar nicht…“ „Sie haben…“, ich schloss kurz die Augen.
Die Vorstellung, dass Felix ein ängstlicher kleiner Junge gewesen sein soll, der... den man…
Wut und Mitleid stiegen in mir auf. Felix sah mich an.
„Weißt du, am Anfang wollten Mum und Paps eigentlich nur ein Mädchen adoptieren…“ „Wirklich?“ „Sie wussten gar nicht, dass Liz noch ‘nen Bruder hat. Ehrlich gesagt war Liz schon drei Monate hier, bis sie mich nachgeholt haben. Den einen Tag sollte Liz mit der Erzieherin mitgehen und kam einfach nicht wieder…“ Ich konnte mir noch nicht einmal vorstellen was Felix damals gefühlt haben musste.
„Als ich damals nachkam, war Liz… Sie war hier schon zu Hause und für mich war das alles… alles so komisch… Und sie war mit Vanessa befreundet!“ Er seufzte erneut.
„Liz liebt Vanessa. Sie war für sie da, als ich es nicht war… Und weil Liz ihr so nah war, dachte ich, ich müsste es auch sein!“ Er schloss die Augen. „Bescheuert!“
Ich ließ seine Hand los, er sah leicht zu mir, doch ich schlang einfach die Arme um seinen Hals. „Du bist bescheuert! Aber ich mag dich so!“ Er lachte und legte die Arme nun ebenfalls um mich.
„Tut mir leid, was ich vorhin zu dir gesagt hab, ich…“ Ich seufzte. „Schon okay!“, sagte er und zuckte mit den Achseln. „Nein… Ich…“ Er legte den Kopf schief.
„Ich mag Jerome nicht wirklich…“ „Musst du auch nicht!“, sagte Felix schlicht, „Habe ihn jetzt eh abgeschossen, langsam wird er anhänglich…“, gähnend und streckend ließ sich mein bester Freund nach hinten fallen. „Wirklich?“, ich ließ mich neben ihn plumpsen. Ich konnte eine leichte Selbstgefälligkeit nicht verbergen. „Jep!“ „Hm“ „Also…“, Felix drehte sich auf die Seite und sah mich an, „Nilsi Baby?“
„Gnaaa…“, ich verschränkte die Arme vor dem Gesicht. „Hast du dieses ausdrucksstarke Argument von ihm?“ „Ha ha“ „Nun?“ „Wir sind uns zufällig in der Stadt begegnet, eigentlich wollte ich nach Hause… Aber dann! Warum muss der aber auch immer so nett sein?!“
„Ja, ekelhaft!“, der Ältere pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Man könnte meinen, du magst ihn nicht!“ „Nun hör aber auf…“, verdrehte Felix die Augen und ich schlug mit meinem Kissen nach ihm. Er zog es mir aus der Hand und schlug selbst damit nach mir. Ein paar Minuten kämpften wir erbittert um das Kissen und endeten irgendwie so, wie wir immer endeten, wenn wir beide rumkabelten: Felix lag auf mir und ich hatte keine Chance zur Flucht!
„Vy znayete, yak vy harnenʹka?”, seufzte er und grinste dann schon fast etwas verzagt. „Du mich auch!“, sagte ich nur dumpf, „Wie oft denn noch: Ich nix Ukrainisch!“ „Ich kann‘s dir beibringen, wenn du willst?“, wackelte er lasziv mit den Brauen, „Aber dafür müssen wir unsere Zungen erst mal lockern…“ Gerade noch so bekam ich meine Hand frei und klatschte ihm das Kissen ins Gesicht. „Spielverderber!“
Gähnend und schmatzend vergrub ich mein Gesicht tiefer im Kissen.
Mir war warm, so angenehm warm, und irgendwas roch verdammt gut. Ich streckte mich und plötzlich war da was, verwirrt drehte ich mich um und zuckte erschrocken zurück.
Kaum eine handbreite von mir lag Felix. Seine Augen waren noch geschlossen und sein Mund leicht geöffnet… Warum zum… Stimmt, ja!
Langsam kroch die Erinnerung zurück: gestern Abend war Felix nicht mehr gegangen! Sein zu Hause wäre infiziert mit Vanessaitis, und ich als guter Freund können ihm bei dieser schweren Heimsuchung nicht einfach vor die Tür setzten. Im Mittelalter wurden Menschen die das taten verbrannt, dabei hatte er sich altklug auf die Wange getippt.
Der Bengel hatte aber auch ‘ne Meise!
Seufzend betrachtete ich meinen besten Freund. Seine lila Haare standen herrlich wuschelig von seinem Kopf ab und es lag etwas Ruhiges in ihm, das wohl sonst kaum bei ihm zu sehen war. Einen kurzen Augenblick überlegte ich ob ich überhaupt schon mal so ‘nen Ausdruck bei ihm gesehen hatte… Eigentlich hatte ich Felix noch nie schlafen gesehen. Jedes Mal, wenn ich bei ihm und Liz übernachtete oder aber die Twins hier, war Felix immer schon wach gewesen.
Neugierig biss ich mir in die Unterlippe. Ein Felix lag vor mir, der sich nicht wehren konnte, egal was ich mit ihm machte…
Ich kaute weiter auf meiner Lippe rum. An sich war ich schon immer der Meinung gewesen Felix würde gut mir Schnurrbart aussehen. Vielleicht sollte er heute mal einen tragen. Ich drehte mich vorsichtig um und angelte mit langen Arm auf dem kleinen Tisch vor meinem Bett einen Filzer ran. Ich zog die Kappe ab und klemmte sie mir zwischen die Lippen. Vorsichtig lehnte ich mich über Felix, die Spitze des Filzstiftes schwebte über seiner Oberlippe. Unglaublich was für volle Lippen er hatte. Kurz flackerte die Erinnerung in mir auf, wie weich sie waren, und wie gut es sich angefühlt hatte sie zu küssen. Ich schluckte.
Die Gedanken brachten nichts!
Unwirsch schüttelte ich den Kopf, dabei sackte meine Hand ein Stück ab und die Spitze des Filzstifts traf auf Felix Haut, unwillkürlich rückte er bei der Berührung mit dem Kopf und dicke fette Streifen zogen sich unter seiner Nase. Erschrocken und belustigt zugleich wollte ich mir die freie Hand vor den Mund schlagen um ein Lachen zu unterdrücken, doch stattdessen rahmte ich mir die Kappe des Stifts ins Zahnfleisch. „AU!“, ich fluchte. Schmatzend wurde Felix wach. „Was…“, nuschelte er und wollte sich dabei aufrichten und klatschte gegen meine immer noch mit Filzstift bewaffnete Hand. „AU!“, fluchte er noch etwas gekonnter als ich.
„Was sollte das den werden?“, schimpfte er und ich rieb mir mit tränenden Augen die Oberlippe. Schmeckte ich da Blut?
„Ich bin kein großer Fan von Oberlippenpiercings…“ „Sorry…“, nuschelte ich und fuhr nun vorsichtig über mein Zahnfleisch, „Ich glaub, ich blute…“ „Wie?“, seine Hände legten sich unter mein Kinn, „Zeig her!“ Felix hob mein Gesicht an und nun sah ich zum ersten Mal seins nach der Stiftattacke.
„Phahahahahahahahahahaha…“
Ich pustete los. „Wah…“, vollkommen überfordert und verschlafen sah Felix mich an, doch mich konnte nichts mehr haltend. Dicke schwarze Linien waren unter seiner Nase und gaben ihm eine sehr eindeutige Ähnlichkeit mit meiner Katze, die er selber ja Kittler nannte!
Vor Lachen weinend und schüttelnd fiel ich zur Seite und rollte mich auf meinem Bett zusammen, das alles war so lächerlich! „Lachst du mich gerade aus?“, fragte er verschlafen und wirkte gerade zu empört. „Du…“, setzte ich an, doch ich kam nicht weiter und lachte einfach weiter. „LUI!“, empörte er sich, doch ich schüttelte nur den Kopf.
Grummelnd sah Felix sich um und griff dann in einem letzten Akt die Sache zu klären nach seinem Handy. „Hast du mir ‘nen Schnauzer gemalt?“, Felix Entrüstung gepaart mit seiner neuen Gesichtsbehaarung brachte mich gleich in den nächsten Lachanfall. „Du Mistaas!“
Ich drehte mich auf den Bauch und schlug stumm vor Lachen auf meine Matratze ein. „Er steht … dir…“, gluckste ich hervor. „Wo ist dieser behinderte Stift! Das kriegst du wieder, du Penner!“ „Nicht…“, lachte ich weiter, doch Felix holte schon zum Gegenschlag aus, er dreht mich zu ihm um und zielte auf meine Augenbrauen. „Ich war schon immer der Meinung ‘ne Monobraue würde dir stehen…“ „Dir steht auf jeden Fall dein Schnurrbart!“, versuchte ich mich unter Lachen zu wehren und wir kabelten uns um den Stift!
„Du bist sowas von fällig!“, knurrte er, musste nun doch auch schon selber lachen. „Das ist eine Interessante Art des Vorspiels…“, kam es plötzlich vom Fenster. Wir zuckten erschrocken zusammen.
Vanessa in einem kurzen schwarzen Kleid, gefolgt von Liz, stiege durch mein Fenster. „Ich wusste, hier riecht irgendwas nach Fisch…“, strafte sie Felix mit einem geringschätzigen Blick. „Uhh, wie frech! Adolf!“, verdrehte sie die Augen. „Wir wollen euch abholen. Mum macht ‘n mega Frühstück für uns alle…“ „Nice!“, sagte Felix und hüpfte aus dem Bett. Immer noch glucksend stieg ich hinter her.
Felix schlüpfte in seine Turnschuhe und wischte sich dann etwas unnütz über die Oberlippe, ich konnte nicht aufhören zu grinsen. „Das gibt noch Rache!“, er fixierte mich böse, „Mach dich gefasst!“
Schließlich krackzelten wir alle aus meinem Fenster, meine Gorgonenschwestern hätte mich sonst nicht gehen lassen.
Vanessa und Felix kabelten sich natürlich sofort wieder und Liz schmunzelte. Das würde ein interessanter Tag werden!
Ulkiger Weise war es danach eigentlich sehr unspektakulär. Wir frühstückten alle zusammen, Felix und Vanessa zankten sich noch etwas mehr, Kalle überlegte laut das an Felix irgendwas anders wäre als sonst, (Tatsächlich meinte er, er würde ihm an irgendjemand von früher erinnern, aber es stünde ihm…) und schließlich schlich ich mich durchs Fenster zurück in mein Zimmer. Die Twins und Vanessa würden später, wenn meine Wachhunde weg waren wiederkommen und dann würden wir alles für die Party vorbereiten, meine Party!
Mir wurde immer noch ganz mulmig, wenn ich nur daran dachte. Hoffentlich brannte mir nicht die Bude ab. Oder schlimmer, hoffentlich verbrannte ein pöbelnder Mob nicht Felix, wenn sie alle seine subtilen und bösartigen Witze verstanden. Das Gezanke mit Vanessa ließ ihn richtig auf Höchstleistungen laufen!
„Aus ‘ner Krähe macht man keine Taube…“, spottete Felix als Vanessa vor meinem Spiegle die Haare richtete, es war kurz vor sieben. Bald würden die ersten Gäste eintrudeln. „Deswegen lässt du dich so gehen?“, fragte Vanessa zurück und ich seufzte nervös und zupfte an meinem roten Shirt. Felix hatte gesagt, es stand mir.
Verwaschen waren darauf Linien der United Kingdom Flagge zusehen, dazu trug ich meine beste zerrissene schwarze Jeans.
Verdammt, irgendwie war mir schlecht!
Und besser wurde das alles nicht da Felix, Liz und Vanessa aussahen wie Models aus ‘nem Katalog für alternative Klamotten. Liz hatte ihre Haare wie immer gestylt und betonte ihre schlanke Gestalt mir engen schwarzen Hosen und ‘nem aus nichts anderem als Reisverschlüssen bestehenden Top. Vanessa trug schwarze Shorts, Netz Kniestrümpfe und ein Tank Top das geschnitten war wie ein Korsage. Und Felix… Felix!
Felix sah einfach verboten gut aus, obwohl er für seine Verhältnisse mal fast unauffällig gekleidet war. Eine dunkelgraue Jeans und ein grau weiß gestreiftes Shirt, dessen Ausschnitt so zerrissen war, dass man seine Schultern nicht nur erahnen konnte, sowie feine Linien seines Tattoos hervorblitzten. Die Lila Haare waren halbversteckt unter einem schwarzen Capi auf dem in weiß DOPE prangte.
Warum zum Henker mussten meine Freunde so gut aussehen… Ist doch Rotz!
„Und das sind jetzt alles Spaten von eurer Schule?“, fragte Vanessa in meine Minderwertigkeitskomplexe. „Jep!“, bestätigte Liz. „Hm…“, ihre dunklen Augen wanderten zu Felix, der entnervt auf sein Handy sah, bestimmt heute schon zum hundertsten mal, „Nervt dein Stecher?“ „Ex Stecher!“, korrigierte sie Felix, „Und etwas…“ „Will er nicht akzeptieren das ihr…“, ich wedelte mit der Hand unbestimmt durch die Luft, „… getrennt seid…“ „Man könnte von Trennung reden, wenn wir jemals zusammen gewesen wären!“, der Ältere steckte sein Handy zurück in die Tasche, „Die Sache ist einfach ausgelutscht…“ „Jetzt dein oder sein Schwanz?“, lächelte Vanessa zuckrig. „Kommt aufs selber hinaus…“, nuschelte Liz. Sie wirkte fast auch ein bisschen nervös, ob sie sich wohl mit MJ heute näherkommen würde?
Es klingelte an der Tür. Wie angeschossen sprang ich auf und Eric und Torben und eine ganze Meute anderer Leute fielen mir gutgelaunt entgegen. Die Party konnte beginnen…
Es dauerte kaum eine halbe Stunde und ein typischer Lautstärkepegel für solche Veranstaltungen ließ die Wohnung erzittern und es roch nach Suff. Ich klammerte mich an mein drittes Bier und lachte über alles und jeden der mir vor die Flinte fiel. „Es läuft alles super!“, sagte Felix, der mich keinen Schritt alleine machen ließ. Ehrlich gesagt war ich ihm dafür verdammt dankbar.
Ich hatte zum ersten Mal so viele Leuten in meiner Wohnung, gab zum ersten Mal ‘ne Party und war im Allgemeinen, ziemlich panisch, dass was schief lief…
„Wie läufts mit Liz und MJ?“, fragte ich ihn nuschelnd als mir irgendwer ‘nen Shot in die Hand drückte. „Mittelprächtig…“, sagte Felix und wie beide schielten zu unserer Klassensprecherin, die zwar mit Liz redete, aber zwischen ihnen saßen noch Katha und Vanessa. Bildete ich mir das ein oder sah Vanessa irgendwie… wütend aus?
Gerade als ich Felix danach fragen wollte klingelte es an der Tür. „Wer ist das denn noch?“, schaute Felix durch die Mengen und folgte mir zur Tür. „Keine Ah…“, wollte ich gerade sagen als ich die Tür aufmachte und niemand geringeren als einem grinsenden Nils entgegensah.
„Sorry, dass ich zu spät bin!“, zerwuschelte er sich die dunklen Haare ganz außer Atem. Ich grinste matt und nahm ihm die Flasche Tequila ab, die er mitgebracht hatte.
Tatsächlich hatte ich fast vergessen, dass er überhaupt kommen wollte. „Aber wie ich sehe, habt ihr anscheinend schon ohne mich angefangen…“ Bevor ich eine Antwort geben konnte meinte mein bester Freund in einem fast beleidigenden Tonfall. „Und wir hätten auch sehr gut ohne dich weiter gemacht!“
Nils und er sahen sich an. Das konnte ja noch heiter werden...
Nils kam rein und ich versuchte irgendwie cool und nicht vollkommen lächerlich zu wirken. Mit drei Bier und ein paar Kurzen intus hätte ich irgendwie gesacht… äh… gedacht würde das leichter werden, aber seit wann wurde auch bei mir was leichter? Sunnyboy Nils kam dann in meine Wohnung, in meinen Flur… Oh oh!
„Schuh… Schuhe kannste anlassen …“, ich räusperte mich verhalten. „Oh, okay.“, sagte er grinsend und richtete sich wieder auf aus der halben Hocke, seine Tasche rutschte von seinen so breiten Schultern und purzelte zu Boden. „Ups“, seufzte er. „Du… Du kannst die an die Garderobe hängen, wenn du willst…“, genau, rede über deine Garderobe Lui, sehr gut. „Eigentlich kannst du sie aber auch liegen lassen!“, kam es nun von Felix mit Felix untypischer Stimme.
Ich schielte nichts Gutes ahnend zu ihm rüber. „Hier?“, fragte Nils, tatsächlich etwas dumpf. „Ja!“, Felix grinste schon fast zuckrig, „Und am besten packst du dich gleich daneben- Der Boden ist Dreck gewohnt!“
Und mit diesen Worten und einem ziemlich empört schauenden Nils schnappte sich Felix die Tequilaflasche aus meiner Hand und stolzierte ins Wohnzimmer. „Ähm…“, sagte ich geistreich und Nils sah mich an als hätte ich den Antichristen geboren. „Ha!“, stolperte plötzlich Vanessa lachend zu mir ran, „Der hat gesessen, was?! Und wo ist das Klo?“ Ich zeigte nach rechts und sie lachte noch einmal Nils aus, bevor sie verschwand. „Ähm…“, sagte ich noch einmal, „Wohnzimmer?“ Nils nickte schlicht.
Grandios! Das musste ja jetzt sein, Felix!
Und anscheinend musste es tatsächlich. Felix Laune schien durch den Keller zum Erdkern und in Neuguinea wieder rausgekommen sein. Wenn das so weiter ging, würden die anderen ihn noch wirklich mit Fackeln und Mistgabeln aus dem Haus jagen. Seufzend kippte ich mein Bier und nahm mir das Nächstbeste, was ich kriegen konnte.
Währenddessen hatte sich Nils halbwegs eingegliedert, tatsächlich saß er nun bei MJ, Katha, Liz und Vanessa. „Und du willst Mathe studieren?“, fragte Katha gerade sehr beeindruckt den schwarz Haarigen, der amüsiert nickt. „Mathe ist ein Arschloch…“, warf Vanessa ein. Noch immer war ihr Blick… Naja, sie guckte MJ an wie… Felix Nils anguckte… Irgendwie… Ich kam hier echt einfach nicht mehr mit!
Einen Augenblick verharrte ich bei dem Gedanken, dann seufzte ich und trank mehr. Eindeutig brauchte ich Alkohol, sehr viel mehr Alkohol!
„Das ist wirklich eine einseitige Betrachtung…“, verdreht Katha die Augen. „Ich wünschte, man müsste dich von keiner Seite betrachten…“, kam es schlecht gelaunt hinter allen und ich verschluckte mich prompt, an was ich auch da immer trank.
Mit verschränkten Armen baute sich Felix hinter seiner Schwester auf. Vanessa grinste ihn leicht erwartungsvoll an. Als hätte ein Wolf Blut geleckt! Das konnte nichts Gutes heißen! Nein, definitiv nicht...
„Wie immer charmant.“, lächelte MJ schwach. Felix ignorierte sie gekonnt, anscheinend war das seine Art es wenigstens nicht seiner Schwester zu versauen. „Also ich muss auch ehrlich sagen…“, redete Katha nun weiter, „Mathe liegt mir gar nicht! Letztens bei der Klausur wäre ich fast gestorben!“ Sie strich sich die blonden Haare zurück und klimperte mit den Wimpern. Auf Torbens Party vor ‘nem halben Jahr hatte sie mich so angesehen.
Ich leerte mein Glas und griff nach ‘nem Neuen. „Du siehst noch ganz lebendig aus. Und wie sagt man immer so schön, was einen nicht umbringt…“ „Sollte man beim nächsten Mal höher dosieren!“ „Ha!“, Vanessa lachte erneut dreckig auf. Liz seufzte.
„Willst du noch ein Bier?“, fragte sie nun MJ. „Oh, Danke…“, lächelte unserer Klassensprecherin und schien nicht recht zu wissen, was sie von Felix und seiner eindeutig viel netteren Schwester halten sollte.
Katha ignorierte Felix wieder, anscheinend hielt sie es für erhaben. Felix sah das zweifelsfrei anders, eher als eine Art Einladung. Ich wollte etwas sagen, aber Felix war schneller… und trinken fiel mir gerade leichter!
„Man muss einfach auf seine Stärken setzten, dann wird das was!“, versuchte nun Nils wieder das Gespräch in Gange zu bringen. „Wenn man den stärken hat…“, grinste Felix. „Jeder hat Stärken!“, sagte nun MJ. „Ich finde nur, dass starker Körpergeruch nichts ist, was man auch noch ausbauen sollte…“, gespielt überlegend legte Vanessa den Kopf schief.
„Was willst du damit sagen?“, fragte Katha und ihre hellen Augen blitzen. „Sie meint, dass du deine Beine ruhig wieder ein Stück zusammenklappen kannst, der Fischmief lockt schon fremde Katzen an!“, führte dass Felix näher und sehr zuckrig aus.
Vor Schreck verschluckte ich mich nun wirklich an meinem Drink. Führsorglich klopfte mir Torben auf den Rücken.
„Ich muss mir so was nicht anhören!“, knurrte Katha. „Dann wie gesagt, würde ich die Beine mal zusammen klatschten!“ „Was ist dein Scheiß Problem?“, fuhr sie hoch. „Empfindliche Geruchsknospen?“, mutmaßte nun Vanessa und genehmigte sich ‘nen Schluck aus ihrem Glas. „Der Scheiß muss doch nicht sein!“, stellte sich Nils auf Kathas Seite, seine dunklen Augen flackerten zu mir rüber. „Das Einzige was nicht sein müsste ist dein Gesicht!“ „Wenn’s dir hier nicht passt, dass ich hier bin, dann verpiss dich doch! Das ist LUIS Party!“, sagte Nils laut und dabei sahen alle zu mir rüber. Geistesgegenwärtig nahm ich noch einen Schluck zutrinken.
Angriffslustig schob Felix seinen Unterkiefer vor, doch bevor er noch ein weiteres Wort sagen konnte, kam ein scharfes: „Dosytʹ!“
Liz war zurückgekommen mit zwei Bier in der Hand. Felix sah zu seiner Schwester mit einem undefinierten Blick. „Yakshcho vy sami ne otrymayete mordu, ty ne mayesh prava hovoryty z nym!”, sie reichte MJ das eine Bier und setzte sich wieder auf die Couch. „Krim toho, vashi ochky u dveri ! Mabutʹ obydva ne zakinchyly z vamy Jerome rich!“ „Shcho?“, entgeistert sah Felix nun auf sein Handy und seufzte dann beinah theatralisch ohne jemanden mit noch einem Blick zu würdigen ging er aus dem Wohnzimmer. „Was ist mit Jerome?“, fragte Vanessa, die anscheinend teilweise verstanden hatte, was Liz da gebrabbelt hatte.
Liz sah kurz zu mir und schüttelte dann den Kopf. Doch bevor ich fragen konnte, was los war, meinte Katha: „Ich kann ihn einfach nicht leiden!“ Sie rümpfte die Nase und schlug die Beine übereinander, „Für wenn hält er sich eigentlich!“ „Du kennst ihn nicht!“, sagten Liz und ich wie aus einem Mund. „Also ist es für dich okay, wenn er alle deine Freunde beleidigt und jeden anpöbelt?“, fragte Nils nun. „Er ist sonst nicht so!“, sagte ich, meine Zunge hatte langsam ein paar Probleme vernünftig die Buchstaben zu formen.
„Er ist immer so! IMMER!“, sagte nun Katha, „Er hat noch nie normal mit mir gesprochen! Oder mit sonst wem in diesem Raum!“ „Jeder, wie er es verdient!“, zuckte Vanessa ungerührt mit den Schultern. „Was soll denn das jetzt heißen?“, die Blonde verschränkte Arme, „Ich habe ihm nie was getan! Nie!“ „Du bist halt nicht seine Schwester… oder Lui…“, sagte nun MJ und sah kurz zu Liz. „Sorry, aber dein Bruder kann niemand leiden außer euch beiden…“ „Das stimmt doch gar nicht!“, lallte ich los.
Innerlich kribbelte jedoch alles, ich stand mit Liz auf einer Stufe!
„Irgendwie ist da schon was dran…“, kam es plötzlich hinter uns. Eric und Torben gesellten sich dazu. „Felix ist schon ein ziemlicher Arsch, meistens…“, Eric zuckte mit den Schultern. „Wenn er Lui den wenigstens so wie Liz behandeln würde! Er gängelt ihn doch nur!“ „Was?!“
„Ich bitte dich!“, sagte Nils und schien nun wirklich wütend zu werden, „Er behandelt dich wie einen, seinen, Hund, es gibt nur seine Meinung! Du darfst nur das machen, was er will! Du darfst nur Leute mögen, die er auch mag!“ „Wenn ich nur Leute mögen dürfte, die er mag, würde ich nicht mit dir reden!“, ich gestikulierte wild mit meinem leeren Glas und ging dann davon.
Wütend stampfte ich aus dem Wohnzimmer. „Lui!“, Nils kam mir hinter her. „Was!?“, pflaumte ich ihn an, der Alkohol brachte meinen Körper zum Wummern. Nils hatte kein Recht so über Felix zu reden, Nils hatte kein Recht irgendwas über Felix zusagen, er kannte ihn nicht er…
„Ich wollte dich nicht wütend machen!“, er hob beschwichtigend die Hände doch ich schnaufte nur. Auf einmal ging mir sein gutaussehendes Gesicht ziemlich auf den Senkel. Warum konnte er sich nicht auskeksen ob er jetzt Hete war oder nicht!? Warum musste er ein Fass wegen Felix aufmachen, wenn er dann doch mit Katha flirtete?!
„Aber du kannst nicht leugnen, dass es so ist! Du kannst nicht leugnen, dass Felix dir alles und jeden versucht madig zu machen!“ „Das ist Blödsinn!“, sagte ich und schüttelte den Kopf. Lachend gingen Leute aus meiner Klasse vorbei, ein paar Mädchen musterten Nils. Das war mir echt einfach alles zu dumm. Ich machte auf dem Absatzkehrt schnappte mir meinen Hausschlüssel und ging in den Hausflur, Nils folgte mir.
Die Tür schnappte hinter uns zu, der Lärm klang hohl durchs Holz. „Lui!“, Nils legte seine Hand auf meine Schulter, ich schüttelte sie ab. „Du kennst Felix nicht! Er ist mein bester Freund!“ „Und deswegen darf er deine anderen Freunde beschimpfen, wie es im passt?“, ernst sahen mich dunkle Augen an. Ich wollte etwas sagen, doch dann schüttelte ich einfach nur den Kopf, sah zu Boden.
„Du standst da und hast nichts gesagt…“, wieder legte sich Nils Hand auf meine Schulter, meine Augen blieben auf ihr hängen, „Man hatte das Gefühl, man würde dir nichts bedeuten im Vergleich zu Felix…“ Ich schluckte. „Ich hatte das Gefühl, dir nichts im Vergleich zu Felix zu bedeuten…“
„Mich würde viel mehr Interessieren…“, sagte ich, und ich wusste nicht, woher ich den Mut nahm, „Ob ich dir was bedeute?“ „Merkt man das nicht?“, fragte Nils leise, seine Hand wanderte von meiner Schulter zu meinem Hals, sanft und heiß. „Ich…“ Die Eingangstür des Treppenhauses klappte. „Ich hab‘ dir gesagt, es ist aus! Und damit hat es sich!“
Felix?
Wie in Trance verharrten Nils und ich in unserer Position. „Warum klammerst du dich so an etwas, was du nicht kriegen kannst?“ Eine andere Stimme, eine Stimme, die mir wage bekannt vorkam: Jerome!
„Das könnte ich dich fragen?“ „Weil ich weiß, dass ich dir nicht egal bin!“, wieder Jerome. Langsam sah man Felix, er drehte sich zu dem anderen um, sah mich und Nils nicht. „Jerome, dass …“ „Sag, dass ich dir egal bin!“, er kam auf Felix zu hielt ihn an den Schultern fest. „Sag es, und mein es auch so!“ Doch Felix blieb stumm.
Warum… Er… Er hatte doch gesagt, er… Felix?
„Du hast gesagt, du willst nur deinen Spaß! Du kommst mir jetzt aber eher gequält vor!“ Wieder sagte Felix nichts und noch immer hatten die beiden uns nicht bemerkt.
„Felix… Ich liebe dich!“ Und Jerome lehnte sich vor und küsste ihn. Küsste Felix, der den Kuss erwiderte.
„Oh…“, verließ es unbestimmt Nils. Ich starrte weiter auf Felix in Jeromes Armen. Felix öffnete die Augen. Sah mich, sah Nils. Nils, der aussah als hätte man vor ihm ‘ne Katze geschlachtet, ich schüttelte wieder seine Hand ab und ging rein.
Die Haustür fiel hinter mir ins Schloss. Immer wieder sah ich Felix!
Felix in Jeromes Armen. Felix, der nichts dazu gesagt hatte. Nils, der mir sagte, dass er mich mochte. Nils, der angewidert zwei Jungs beim Küssen sah. Felix, der …
Hinter mir klopfte es an die Haustür. Ich rannte ins Wohnzimmer. „Lui, wo…“, kam es mir entgegen, doch ich ignorierte alles. Ich stürmte durchs Wohnzimmer in mein Zimmer, schnappte mir mein Skateboard, der Alkohol machte alles schlimmer und besser.
Mein Kopf, mein Magen- Alles drehte sich!
Ohne auf irgendwen zu achten, stieg ich durchs Fenster hinaus in die Nacht. Rannte die Auffahrt hoch, meinen Namen im Nacken und sprang auf mein Skateboard. Die Rollen ratterten und die nun etwas kühlere Luft fraß sich in meine bloßen Arme.
Er liebte Felix, er…
Liebte Felix ihn auch?
Und warum störte es mich so… Warum?
Ich sah Felix freches Grinsen, seine warmen Hände, sein…
Nein! Nein! Nein! Es gab nur eins! Freundschaft oder Sex! Es gab nicht beides! Wieder hörte ich Jeromes Worte: „Felix… Ich liebe dich!“
Er konnte ich nicht lieben, Felix würde ihn nicht…
Aber warum hatte er ihn nicht weggeschickt? Warum hatte er nicht… Warum…
Und dann Nils! Nils, der wollte, dass er mir wichtig ist! Dem ich wichtig war- Angeblich! Nils, der es abstoßend fand, dass sich zwei Jungs vor ihm küssten! Nils… Ich…
„Fuck!“
Immer schneller fuhr ich durchs Dunkle. Die Straßen waren so gut wie leer. Ich wollte einfach nur noch weg! Weg von all dem! Weg von Nils, Felix, Jerome und meinem eigenen nervenden Gedanken!
Was wollte ich eigentlich, wen wollte ich eigentlich?
Zum Schluss war ich einfach nicht besser als meine Mum, die sich jede Woche ‘nen neuen Kerl suchte, ne neue Lebenseinstellung … Die…
Wieder sah ich Felix! Wie hatte er sich von Jerome küssen lassen können? Warum wollte Nils, dass ich ihm wichtig war, warum…
Ein Ruck ging durchs Board! Ich strauchelte, verlor die Kontrolle…
„Was…“, doch bevor ich mehr als einen erstaunten Ausruf machen konnte, bremste ich schon mit meinem Gesicht auf dem Asphalt.
Stockend holte ich Luft.
Zuerst spürte ich nichts außer meinem rasenden Herzen und den Alkohol, der immer noch wie verrückt durch meine Venen schoss. Zittrig hob ich den Kopf, versuchte auf zu stehen. Und: „Ah!“ Ein stechender Schmerz.
Ich drückte mich erneut ab und spürte, wie sich etwas tief in meine Handgelenke bohrt. Glasscherben! Ich war genau in Scherben rein gerast.
Mit so viel Kraft, wie ich noch hatte, wollte ich mich auf den Rücken drehen, doch mein rechtes Bein lehnte den Vorschlag so radikal ab das mir die Tränen kamen. Ich konnte es kaum bewegen. Ich… Fuck! Sowas konnte doch auch nur mir passieren!
Weiter liefen die Tränen mir das Gesicht lang runter. Was mache ich den jetzt nur? Was?
Alles tat weh, die Scherben schnitten immer weiter in meine Hände.
Ich bin so lächerlich, zu nichts zu gebrauchen… Ich…
„LUI!“ Das war doch… „Verdammt Lui!“, sanfte Hände schoben sich unter mich und ich würde auf den Rücken gedreht. Mit Tränen verschleierten Blick sah ich in dunkelblaue Augen.
Umständlich setzte ich mich auf. „Kannst du mir mal erklären, was in dich gefahren ist?“, schon fast tadelnd sah Felix mich an. Ich hob meine Hände und besah mir meine blutenden Handballen. „Scheiße…“, fluchte er weiter und zog sie näher zu sich. Sanft pustete er darüber.
„Natürlich musstest du genau in Glas fallen! Wo auch sonst rein!“, er schimpfte. „Ich hab‘ das nicht gesehen im Dunkeln…“, sagte ich leise.
Er sah mich wütend und besorgt zu gleich. Er atmete schwer, und ein paar seiner lila Strähnen klebten ihm nass im Gesicht. „Du bist mir nachgerannt?“, fragte ich leise. „Natürlich bin ich dir nachgerannt!“, sagte Felix aufgebracht, „Du kannst doch nicht einfach stockbesoffen nachts mit dem Skateboard durch die Stadt gurken! Du kannst froh sein das, das hier kein Auto war…“
„Aber warum bist du mir nachgelaufen?“ „Wir müssen dich hier wegkriegen, kannst du aufstehen … Ich… Verfluchter Mist!“ „Was?“, ich folgte Felix Blick zu meinen Beinen. Das Knie meines rechten Beines war ein großer blutiger Kloß. „Oh…“ „Oh?“, Felix sah mich entsetzt an. „Hast du dir auch den Kopf gestoßen?“
Ernsthaft besorgt strich er mir die Haare aus der Stirn. „Kannst du dein Bein noch bewegen?“ Ich versuchte es zu bewegen. Es wollte, wenn auch nur unter großen Protest. „Au…“ „Aber es geht?!“ Ich nickte. „Dann ist es wenigstens nicht gebrochen.
Felix stand auf und streckte mir die Hände hin, ich sah zu ihm hoch. Dieser Moment war das perfekte Beispiel für unsere Freundschaft…
Ich klein und kaputt am Boden und Felix über mir. Felix, ohne den ich nicht aufstehen könnte.
Selbst wenn es bei Felix Sex und Gefühle bei einer Person zusammengeben würde, würde ich niemals diese Person sein. Niemals...
„Bitte Lui!“, er seufzte, „Bitte, nimm meine Hand…“
„Lui!“, Felix stimme wurde lauter. Ich streckte ihm die Hände entgegen, vorsichtig zog er mich auf die Beine, sofort taumelte ich nach vorne. Er legte die Arme um mich. „Ich hab‘ dich!“, sagte er leise. „Keine Angst, ich hab‘ dich!“
Ich zitterte, ich wusste nicht, ob es vom Schock kam, oder von der Gewissheit, dass Felix vor ein paar Minuten noch bei jemand ganz anderem in den Armen gelegen hatte. „Das Bein muss sich ein Arzt ansehen …“, seufzte der Größere. Entsetzt sah ich ihn an. „Nein … Ich …“ „Ich bring dich ins Krankenhaus! Ohne wiederrede!“, sein Ton war unerbittlich, „Außerdem kommst du ohne mich eh nicht weg!“
Wütend sah ich ihn an. Er strich mir die Tränen von den Wangen. „Bitte!“ „Ich kann da nicht hinlaufen …“, sagte ich schließlich. „Ja, deswegen trage ich dich auch!“ „Tra… NEIN!“, ich schüttelte den Kopf.
„Mit dem Bein kannst du nicht laufen, also trage ich dich!“ Felix sah mich an als müsste er mir das Einmaleins erklären. „Ich bin viel zu schwer …“, er musterte meine kümmerliche Gestalt, „Und … und ich blute dich voll …“ „Wenn du dich weiter so anstellst, werfe ich dich einfach über die Schulter!“
Unsicher presste ich meine Lippen zusammen. Er drehte sich um und ging vor mir auf die Hocke. „Rauf mit dir!“ Seufzend legte ich die Arme um seinen Hals, er stand auf als würde ich nichts wiegen und hackte die Arme vorsichtig unter meine Beine und klemmte dann noch mein Board dazwischen. „Wenn ich dir wehtue, es zu viel wird oder du nicht mehr kannst sag Bescheid, ja? Dann machen wir eine Pause.“ Ich nickte schwach, bevor mir klar wurde, dass er mich nicht sah und meinte: „Okay … Aber du sagst auch Bescheid!“ „Von dir habe ich niemals genug!“
Seufzend lehnte ich meine Stirn gegen seinen Hinterkopf, als er loslief. Ich hätte ihn so gerne tausend Dinge gefragt. Warum er hier war? Woher wusste er, dass ich abgehauen war und wie hatte er mich gefunden?
Was war mit Jerome? Was war mit Nils? Was war mit mir? Was war nur los…
Doch stattdessen vergrub ich mein Gesicht in seinem Nacken, zog seinen Geruch ein und versuchte nicht daran zu denken, was der Arzt gleich sagen würde, wenn wir im Krankenhaus ankamen.
Es dauerte nicht lang und meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich im sterilen Behandlungszimmer des Notfallarztes. Ich sollte eine Spritze kriegen, gegen Tetanus …
Eine Betäubungsspritze würde ich nicht kriegen, zu viel Restalkohol im Blut aber die wollten sie mir trotzdem verpassen.
Sanft hielt mich Felix fest, während der Arzt mir das Ding rein jagte, er hatte darauf bestanden mit ins Behandlungszimmer zu kommen, er wäre mein Cousin …
Meine Schnitte an den Handballen waren nicht tief und es reichte sie zu säubern, auch hatte ich mir wirklich nicht das Bein gebrochen, Gott sei Dank!
Nur eine Mörder Schürfwunde. (Naja, und meine Hose war ruiniert!) Auch diese Wunde wurde sauber gemacht und dann verbunden. Ich sollte in drei Tagen wieder vorbeischauen und das war‘s.
Ich hinkte ziemlich fertig aus dem Krankenhaus, Felix schien erleichtert.
„Das hätte wirklich böse ausgehen können…“, sagte der Ältere nun. Ich nickte schlapp. Er sah zu mir rüber, legte einen Arm um mich. Irgendwie wollte ich ihn nicht ansehen… Ich…
Schließlich seufzte Felix, sowie Felix nicht seufzte und er zog mich plötzlich in seine Arme. Doch es war anders, es war besitzergreifender.
„Ich hab‘ gedacht mein Herz bleibt stehen, als ich dich da am Boden hab liegen sehen!“ Seine Hände strichen sanft über meinen Rücken. Ich schluckte schwer, lehnte mich gegen ihn. „Bitte!“, sein Ton bekam etwas sehr unfelixhaftes und er nahm plötzlich mein Gesicht in seine Hände. Kaum ein Atemzug trennte uns voneinander. Ich hielt die Luft an, was tat ich, er, -WIR!- hier eigentlich?
„Bitte hör auf vor mir wegzulaufen!“, seine blauen Augen sahen fest in meine, „Ich werde dir immer hinterherlaufen …“, er seufzte leicht, „Aber ich hab‘ Angst irgendwann nicht mehr schnell genug zu sein!“
„Tut… tut mir leid! Ich… Ich wollte nicht das du wegen mir alles Stehen und Liegen lässt…“, ich sah auf seine Schulter, dieser Blick machte mich fürchterlich irre, „Ich wollte dich nicht von Jerome weg …“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich Jerome …“ „So sah, das aber nicht aus!“, sagte ich stur. „Er hat gesagt er liebt dich! Und ihr habt euch geküsst! Nicht er dich, ihr euch!“ „Das …“ „Sag nicht, dass es nichts war, er hat gesagt, er bedeutet dir was! Du sahst nicht aus als würde er dich nerven … Du …“
„Es war ein Abschiedskuss! Mehr nicht!“, unterbrach mich Felix. Noch immer hielt er mich fest. „Selbst mir fällt es schwer gemein zu jemand zu sein der sagt, dass er mich liebt…“ „Du bist gar nicht so gemein…“, sagte ich nur schlicht. Abschiedskuss… Abschiedskuss! Abschiedskuss?
Was bedeutete das? Was bedeutete es für mich?
Für Felix gab es nur das eine oder das andere, für Felix gab es nur…
„Zu dir bin ich ja auch nicht gemein!“ „Manchmal schon!“, murrte ich. Er lachte frech wie immer und ließ mein Gesicht los. „Das ist meine Art meine Zuneigung zu demonstrieren!“ „Dann liebst du mehr Menschen, als gut für sie ist!“, murre ich weiter und will mich umdrehen. „Ich liebe nur eine Person …“, nuschelte er leise. „Was?“ „Lass uns nach Hause, ja?“
Ich nickte ergeben und natürlich ließ er es sich nicht nehmen mich wieder zu tragen. Wir sprachen nicht auf dem Weg zu mir. Felix Körper war unglaublich warm und er roch verdammt gut. Fast wäre ich auf ihm eingeschlafen. Mir fiel tatsächlich erst auf das wir bei mir in der Wohnung waren, als er mich auf mein Bett fallen ließ. Fürsorglich zog er mir die Schuhe aus und die kaputte Hose, als ich ihn müde anblinzelte. „Wie sind wir hier rein gekommen …“
„Als du zum Röntgen warst, haben Vanessa und Liz den Hausschlüssel ins Krankenhaus gebracht …“ Ich fiel gähnend in mein Kissen. „Warum musste Vanessa ins Krankenhaus?“, nuschelte ich. Seufzend deckte mich Felix zu. „Schlaf du kleiner Idiot!“ „Wer ist ein Idiot?“, meine Augen fielen zu. „Ich…“, sagte Felix leise, ich lächelte leicht.
Ich spürte seine warmen Finger durch meine Haare streichen. „Ya lyublyu tebe!“ „Ich sprech kein Ukrainisch …“ schaffte ich es auch ihn fast eingeschlafen anzumaulen. „Schlaf schön…“, sagte er nun, ich konnte sein Lachen hören. „Du auch…“, und ich war weg.
„Ludwig? LUDWIG?!“
Es bollerte gegen meine Tür. Verwirrt blinzelnd sah ich auf. Mein Schädel wummerte mehr als die Tür und im Allgemeinen tat mir alles Weh. Was…
„LUDWIG!“, kam es nun noch einmal von der Tür und ich saß in absoluter Panik im Bett! Ich hatte gestern ‘ne Hausparty geschmissen und war ohne auch nur einen Handschlag zu machen ins Bett gegangen!
Ich war des Todes!
„J… ja…“, sagte ich in der Gewissheit, dass es meine letzten Worte waren. „Guten Morgen, Kleiner! Du schläfst ja wie ein Stein!“, gut gelaunt und müde steckte Sina den Kopf ins Zimmer. Lina direkt hinter ihr. „Ähm…“, sagte ich geistreich wie immer.
Wollten sie mich erst in Sicherheit wiegen um mich dann von hinten eiskalt zu erdolchen?
„Wir wollten nur schnell sagen, dass wir wieder da sind und legen uns jetzt hin!“ Ich nickte. „Belegte Brötchen zum Frühstück haben wir dir auf den Tisch gepackt, ja Kleiner?“ Vielleicht wollten sie mich auch vergiften… „Und…“, Sina lächelte noch einmal in den Raum, „Du hättest die Küche nicht durchwischen müssen. Das ist wirklich lieb von dir!“ Und damit waren sie weg.
So leer, wie ich gestern Nacht voll war, sah ich ihnen nach. Was zur Hölle!?
Einen kurzen Augenblick glaubte ich, dass ich alles nur geträumt hatte. Es hatte nie eine Party gegeben. Doch dann sah ich meine aufgeschürften Handballen und zog die Decke zur Seite, wo mein verbundenes Knie sichtbar wurde.
Warum zum Henker war die Bude aber aufgeräumt?
„Sind sie weg?“, kam es plötzlich aus meinem Schrank und ich zuckte gefüllte drei Meter in die Luft. Grinsend sah mein bester Freund zu mir rüber.
„Wo, wo… wo kommst du den her?“
Gut gelaunt kletterte Felix aus meinem Schrank und tapste nur in Boxershorts bekleidet zu mir rüber. Gähnend ließ er sich nach hinten fallen. Ich verswuchte nicht seinem tätowierten Pfeil zu folgen als mein Blick viel zu lange auf seinem nackten Bauch hängen blieb.
„Warum warst du im Schrank?“ „Weil deine Schwestern mich verbrannt hätten, wenn sie mich gefunden hätten…“ Ich nickte zustimmend und versuchte angestrengt in die andere Richtung zu schauen, dann… „Du hast aufgeräumt?“ Er zuckte gähnend mit den Schultern. „Ich bin nicht so häuslich unbegabt wie immer alle behaupten!“ Ich grinste.
„Aber auch nicht so begabt wie du immer tust…“ Jetzt grinste er breit die Decke an. Es war merkwürdig und vertraut zugleich so mit ihm hier zu sitzen. Im Moment war einfach alles komisch zwischen uns… Und es wurde auch nicht besser, da Felix halbnackt war!
„Wie geht’s deinem Bein?“, fragte er nun doch mit etwas ernsterem Ton. „Tut weh…“, sagte ich ehrlich, „Wie mein Kopf!“ „Den Kater hast du verdient!“ Ich zog ihm eine Grimasse, tadelnd und liebevoll zu gleich zerwühlte er mich dir Haare. Sein nackter Arm streifte meine Schulter. Verflucht!
„Na gut, ich hole uns dann mal Frühstück…“ Er hüpfte los. „Ähm!“, setzte ich an als ich seinem nackten Rücken nachsah, „Willst du dir nichts anziehen?“ Mein Blick blieb an seinem Hintern hängen, „Vielleicht?“
„Wenn deine Schwestern mich erwischen, will ich zumindest ihnen was bieten!“, er wackelte lasziv mit Augenbrauen und Hüften. „Idiot!“, ließ ich mich zurück ins Kissen fallen. „Du bist nur neidisch!“, ich warf mein Kissen nach ihm und er verschwand Richtung Küche.
Werde jetzt bloß nicht peinlich Körper! Das letzte was ich brauche ist ‘ne Morgenlatte!
Fünf Minuten später war Felix mit zwei belegten Brötchen und zwei Gläsern Orangensaft wieder da. „Danke…“, sagte ich schließlich und begutachtete, während ich kaute, die blauen Flecke an meinen Unterarmen, „Du hättest nicht aufräumen müssen… und naja, wegen gestern Nacht und so…“ „Kein Ding!“, sagte er schlicht. „Ich meine, es tut mir auch leid, dass ich dir das mir Jerome…“ Ein Seufzen von ihm.
„Ich wollte dir nichts versauen!“, entschuldigend sah ich ihn an, doch Felix Blick war nun eine Mischung aus genervt und liebevoll. „Es gibt nichts zu versauen! Das habe ich deinem volltrunkenen Schädel gestern schon erklärt!“, dabei schnipste er mir gegen die Stirn. Grummelnd rieb ich mir die Stelle. „Er hat gesagt, er liebt…“ „Hörst du endlich auf!“, er legte mir einen Finger auf die Lippen. „Aber…“, nuschelte ich an seinem Finger vorbei, seine Haut war fürchterlich weich und warm. Einen verrückten Augenblick wollte ich über sein tätowiertes Schlüsselbein streichen.
„Es gibt kein aber und nichts!“, er verdrehte die Augen und kniff mir dann doch allen Ernstes in die Nase. „Mach dich nicht wegen Dingen verrückt, die nichts bedeuten!“ „Du siehst nicht aus als würde es nicht bedeuten, also…“ „Was also?“, verschränkte der Ältere nun die Arme vor der Brust. „Vielleicht ist Jerome an sich nicht so ein Lappen wie meine anderen Opfer davor, aber das ändert nichts daran, dass ich nicht mit ihm zusammen sein will!“, ich wusste das er mich wahrscheinlich böse ansah, doch ich kriegte die Augen einfach nicht von seinem Schlüsselbein!
Verdammt Lui, reiß dich am Schlüpfer!
„Und jetzt Mäuschen, lass uns endlich über etwas andere reden! Bevor mir hier noch gänzlich der Appetit vergeht!“ „Es gibt nichts was dir den Appetit verdirbt!“, nuschelte ich und pulte an meinem belegten Brötchen rum. Zwei Finger legten sich unter mein Kinn, zwangen mich auf zu sehen.
„Hör auf über Jerome nachzudenken…“, seine dunklen Augen brannten sich fast in meine, „Das ist nichts weiter als Zeitverschwendung…“ Ich sagte nichts dazu, legte einfach nur mein Brötchen auf seinen Teller und nahm einen großen Schluck Orangensaft.
Anscheinend etwas zu groß, etwas Saft lief mir das Kinn runter. „Kacke…“ „Manchmal bist du aber auch unfähig!“, lachte er und wischte mir mit dem Daumen übers Kinn. Seine Haut streifte meine Lippen. Ich schluckte.
Plötzlich wurde alles ganz komisch. Also noch komischer als es sowieso schon war.
Die Luft hatte etwas Puddingartiges an sich, so schwer fiel es mir zu atmen.
Felix Daumen lag noch immer an meinem Mundwinkel. Tausend kleine Blitze zuckten von dort durch meinen Körper, meine Härchen auf den Armen prügelten sich um einen Stehplatz und Felix sah mich einfach nur an.
So aber, wie nur Felix einen ansehen konnte und einen damit vollkommen Matsch in der Birne werden ließ, während das Blut deines Körpers in die andere Richtung schoss.
Ich wollte irgendwas sagen, aber meine Lippen schien reden für nicht mehr wichtig zu erachten. Tatsächlich stellte ich mir gerade tausend andere Sachen vor, die meine Lippen machen konnten- Vorzugsweise mit denen von Felix!- als das ich auch nur ein vernünftiges Wort herausbringen würde.
Felix Daumen wanderte erneut über meine Lippen. Fast unwillkürlich erschauderte ich. Fest umfasste er mein Kinn, legte meinen Kopf leicht schräg. Zittrig hob ich meine Hand, aus dem Augenwinkel folgte er ihr. Ich zögerte, doch dann strich ich sanft über die Erhebung, die sein Schlüsselbein war. Seine Haut war ganz heiß, bildete ich mir das ein oder bekam er Gänsehaut. Er lächelte, er lächelte viel zu… viel zu Hormon fördernd!
Unsere Lippen trennten kaum noch fünf Zentimeter. Uns trennte fast nichts mehr, so wie noch alles zwischen uns stand. Was machte ich nur, was…
Ich spürte seinen warmen Atem auf der Haut, sein vertrauter Geruch lullte mich ein. „Lui…“, flüstere er und ich war verloren! Verloren in…
Klirr!
Synchron zuckten wir beiden zusammen. „KLEOPATRA!“, schimpfte nun Sina, „Du kleines Mistvieh!“ „Wie oft habe ich dir gesagt du sollst nicht in die Spülmaschine springen.“ „Komm her du Aas!“ „Warum zum Henker sind die den schon wieder wach?“, empörte sich Felix. Zittriger als zuvor drehte ich mich von ihm weg. Das war…
„Vie… vielleicht sollten wir raus…“, stotterte ich. Einen unentschlossenen Moment sah mich der Ältere an, bis er schließlich nickte. „Kommst du weit mit deinem Bein…“ „Bewegung tut gut!“, versuchte ich wacker zu klingen, was jedoch, nach dem Blick, den ich erntete, nicht sonderlich geklappt hatte.
Nichtsdestotrotz stand Felix auf und schlüpfte in seine Jeans. Mit wackligen Knien, ich wusste nicht ob es von dem Sturz war oder dem beinah was auch immer mit Felix.
Mein Knie ließ keine Jeans zu also entschied Felix, dass ich ‘ne graue Jogginghose plus weißen Shirt mit seinem Kappi tragen sollte. Wenn er könnte würde er mir jeden Tag die Klamotten raus legen. Da ich, wie gestern Abend prophezeit sein T-Shirt vollgeblutet hatte zog Felix eins von mir an. Es war schlicht und schwarz und mir zu groß, aber ihm passte es.
Als wir durchs Fenster türmten sah der Größere so aus, als hätte er sich mich am liebsten um den Bauch gebunden oder mir spontan ‘nen Fahrstuhl gebaut, aber mit hängen und mit Felix würgen entkamen wir doch noch.
Langsam hinkte ich mit Felix neben mir dahin. „Also zu mir…“, mutmaßte Felix, „Liz und die Stinkmorchel wollten schwimmen gehen, das fällt bei dir ja flach…“ Ich grinste über das Wort Stinkmorchel. „Also hättest du bei mir deine Ruhe. Mum und Dad sind auch nicht da…“
Oh oh!
Ich merkte wie mein Magen flatterte, wenn ich nur dran dachte, irgendwo in einem geschlossenen Raum ohne Störung mit Felix zu sein.
Wir liefen weiter. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, ich wollte zu Felix aber irgendwie… Ich wusste nicht, was das gerade war, ich wusste nicht was… Was…
Der Nord- Park kam in Sicht. Felix lästerte über die Klamotten der Leute, an denen wir vorbeigingen munter und ich versuchte nicht so auszusehen als ob ich irgendwas hoffen oder befürchten oder was auch immer würde, wenn ich mit Felix gleich… Ich schluckte, schwer…
„Alles okay?“, fragte Felix mich plötzlich. „Was?“, krächzte ich. „Ob alles okay ist?“, mit gerunzelter Stirn musterte er mein Tomatengesicht. „J… ja…“, ich stotterte mal wieder.
Hallo Hirn! Kannst du dich bitte wieder nützlich machen?!
„Ha… Hab vorhin nur zu wenig getrunken!“ „Dann warte…“, er schielte nach vorne wo ein Automat stand, „Ich hol dir was…“ Und damit platzierte er mich auf einer Parkbank und huschte weg.
Erbärmlich, das Wort neben dem im Lexikon mein Bild klebte! Was zum Henker glaubte ich eigentlich, was ich hier tat? Ich hatte doch meine Schwärmerei für Felix überwunden! Wir waren doch nur noch Freunde! Beste Freunde!
„Lui!“, kam es plötzlich gut gelaunt neben mir. „Hey…“, grinste ich schräg als ich Torben und Eric auf ihren Boards sah. „Geile Party gestern! Müssen wir wiederholen!“, freute sich Torben und ich nickte schlicht. Nochmal überlebe ich nicht.
„Schade nur, dass du dann weg warst… Aber naja… Manche Sachen muss man klären, was…“ Ich nickte wieder, runzelte dann aber doch die Stirn „Äh, was?“
„Naja, das mit dir und Felix… Aber gut das ihr das jetzt geklärt habt!“, sagte Eric. „Und nun zusammen seit!“, buffte mich Torben kumpelhaft an. „WAS?!“ „Weiß gar nicht was Nils sich da so hatte…“ „Ja, wenn man euch beide sieht, Mann… Da weiß man einfach das es richtig ist!“
Ich wollte wiedersprechen, wollte sie berichtigen. Ich… Ich sah zu Felix, der am Getränkeautomaten stand und mir ‘ne Cola holte und mich angrinste bevor er gegenüber Eric und Torben eine Grimasse zog.
Warum fühlte sich das wirklich alles so richtig an?
„Tatsächlich keiner da!“, grinste Felix als ich ihm in die Küche folgte. Klirrend riss er die Türen vom Kühlschrank auf und schnappte zwei Bier. Sah mich dann kurz an, stellte das eine Bier zurück und nahm ‘nen Orangensaft. „Ich würde sagen, Konterbier ist nicht so deins…“
Ich nickte schlicht.
Schätzungsweise tausendmal war ich bei Felix alleine mit, natürlich, Felix gewesen und nun stand ich hier und wusste nicht wohin mit mir.
Was zur Hölle war nur los mit mir? Vielleicht hatte ich mir gestern doch den Schädel angeschlagen!?
„Erde an Lui!“ ich blinzelte erschrocken, Felix wischte mit einer Hand vor meinem Gesicht herum. „Wollen wir dann in mein Zimmer?“ „Oh… Oh, ja…“
Nervös hinkte ich ihm hinter her. Der Größere war die Ruhe selbst, frisch und fröhlich wie immer ließ er sich auf sein Bett fallen und machte die Glotze und die PS3 an. Ich ließ mich daneben, reichlich unelegant, fallen. „Und Liz und Vanessa sind schwimmen?“, fragte ich und versuchte so entspannt wie immer zu wirken. Felix nippte an seinem Bier und erschlug irgendwelche Viecher auf der Matschscheibe. „Jup…“ „Nur die beiden?“, meine Neugierde wuchs. „Zwischen MJ und Liz ist jetzt irgendwie nicht so viel passiert…“, Felix seufzte in sein Bier. „An wem lag das jetzt?“ Er sah mich von der Seite an. „Du hast es auch gemerkt…“, ein halbes Grinsen. „Also ist Vanessa in…“ „100 Punkte, Mäuschen!“
Ich seufzte. „Weiß Liz…“ „Nein.“, er grinste nun tatsächlich, „Oder eher sie will es nicht wissen!“ „Hast du es ihr nicht gesagt?“, die Flasche Orangensaft war kalt in meinen Händen. „Nein!“, Felix stellte sein Bier zur Seite, „Ich bin zwar ein Arsch, aber das geht mich nichts an…“ „Hm“ „Du widersprichst gar nicht?“, gespielt schockiert sah er mich an.
„Wenn du schon mal was Wahres sagst!“ Bevor ich mich ducken konnte hatte ich ein Kissen im Gesicht. „Mein Saft…“, klagte ich als die Flasche auf den Boden knallte und davon rollte.
„Ich geb‘ dir gleich Saft!“, wackelte Felix mit den Augenbrauen und bekam sein Kissen zurück ins Gesicht. Es endete wie es immer endet. Wir kabelten uns, irgendwie…
Kissen, Hände, mein Knie in seinem Magen und schließlich wieder Kissen.
„Aua!“, verkeilt lagen wir in einander, „Mein blödes Knie…“ „Warte!“, sagte Felix und bevor ich mehr als zweimal Blinzeln konnte befand ich mich auf die Matratze gepinnt wieder. Felix wackelte, mal wieder, mit den Augenbrauen. Wahrscheinlich hatte er da schon richtig Muskeln, so oft wie er die Dinger wippen lies.
„Besser?“, schnurrte er und seine Hände schlangen sich fest um meine Handgelenke. „Haha“ Versuchte ich nicht rot zu werden, aber genauso gut hätte ich aufhören können zu existieren- Hoffnungslos!
„Also…“, er sah zu seinem Nachtschrank, „Habe ich hier irgendwo ‘nen Stift? Ich schulde dir ja noch ‘nen Schnurrbart…“ „Mir steht der eh nicht so gut wie dir!“, versuchte ich mich zu befreien, doch sein Griff war mal wieder unerbittlich.
„Oder willst du anders wieder Gutmachung leisten…“, lasziv leckte er sich die Lippen und grinste dann so zweideutig, wie immer, wenn er mich zur Verzweiflung bringen wollte und trotzdem schoss mein Puls ins frenetische.
Zum ersten Mal wollte ich gar nicht, dass er mich losließ. Er lehnte sich zu mir runter, eine Handbreite trennte uns. Ich zuckte nicht weg.
Was würde jetzt passieren?
Ich sah in diese mir so vertrauten blauen Augen und versuchte einfach weiter zu atmen. Er hielt inne. „Wenn du dich nicht bald wehrst…“, sein Atem streifte meine Lippen, „Dann kann ich mich nicht mehr zurückhalten…“
Meine Antwort war deutlicher als ich jemals dachte, dass ich mich ausdrücken könnte. Ich drückte meine Lippen gegen seine. Vertraute Wärme und ein Kribbeln als hätte ich tausend Ameisen verschluckt breitete sich in meinem Inneren aus.
Zwei Herzschläge später trennten wir uns wieder voneinander. Er lehnte sich zurück. Was bedeutete dieser Blick? Was bedeutet die Furche zwischen seinen Augenbrauen?
Ich wollte etwas sagen, tun… Ich…
Doch da versigelten seine Lippen schon wieder meine, die Hände, die meine Handgelenke fixierten wanderten nach oben. Unserer Finger verschränkten sich und flatterten fielen mir die Augen zu.
Wie habe ich es eigentlich die ganze Zeit ausgehalten ihn nicht zu küssen?
Seine Lippen waren warm, weich und passten herrlich genau auf meine.
Meine Hände krallten sich an seinem Shirt fest, mein Kopf lag auf seinem Arm, seine freie
Hand war in meinem Nacken vergraben- So lagen wir neben einander, aneinander, ineinander…
Ich wusste nicht wie lange wir hier so lagen, ich wusste nur es war nicht lange genug. Sanft strich seine Zunge über meine Lippen, ich seufzte in den Kuss. Hielt mich noch zittriger an ihm fest. Schauer über Schauer, ein Kribbeln, ein…
Es war so merkwürdig. Es war fürchterlich unschuldig und zeitgleich fürchterlich intensiv, aber vor allem war es fürchterlich schön!
Mein Handy vibrierte los und begann dann nervig zu läuten. Blinzelnd tastete ich nach dem Störenfried, Felix Lippen lösten sich keinen Millimeter von meinen.
„Ignorier es!“, nuschelte er und saugte an meiner Oberlippe. „Das sind meine Schwestern…“, nuschelte ich zurück und rappelte mich so halb auf. Krallte mich jedoch mit der linken Hand nur umso fester an Felix als ich ans Telefon ging.
„Ja?“, meine Stimme war rau und belegt. Und ich würde mich nicht besser anhören, da Felix der Meinung war, da nun meine Lippen anderweitig beschäftigt waren, mein Hals auch keine schlechte Option wäre.
„Wo bist DU?“, fauchte es aus dem Hörer. „Bei… bei nem Kumpel…“, konnte ich gerade noch so ein Keuchen unterdrücken als dieser Lilahaarige Teufel in mein Ohrläppchen biss. „Du kommst SOFORT nach Hause, wir…“ „Ich… ich versteh dich kaum… Habe ‘ne schreckliche Verbindung…“, stotterte ich in den Hörer und biss mir auf die wundgeküssten Lippen. Ich spürte wie sich Felix Lippen auf meiner Haut zu einem Lächeln verzogen. „LUDWIG!“ „Ich… ich leg dann auf! Komm dann heute Abend Heim!“ Felix schlanke Finger schlangen sich ums Telefon und bevor ich noch protestieren konnte flog es quer durch den Raum und seine Lippen lagen wieder fest auf meinen.
„Sonst redest du dich nicht so frech raus…“, sagte er zwischen zwei langen Küssen. „Hm“, war meine schlagfertige Antwort. Es war ein Wunder, das ich überhaupt was halbwegs Sinnvolles rausbekam.
Irgendwie war mir denken schon mal leichter gefallen…
Er nahm mein Gesicht in beide Hände. Seine Zunge umarmte meine. Ich hätte niemals gedacht das T-Shirt Stoff mich so nerven könnte, wie jetzt wo ich mich an ihm festklammerte. Ich wollte seine Haut auf meiner, ich wollte…
Ich schlang meine Arme um ihn, er zog mich an sich. Ich keuchte. Leicht löste er sich von mir und schielte dann nach unten. Ich folgte seinem Blick und dem dreckigen Grinsen.
Jogginghosen verdeckten aber auch wirklich gar nichts!
„Ich…“, stotterte ich mal wieder.
Warum ich überhaupt den Mund auf machte?
Mit wenig Blut im Sprachzentrum kam da eh nur Gülle raus!
„Ich…“ Doch anstatt mich ausreden zu lassen, was zugegebenermaßen auch keinen Sinn gemacht hätte, legte Felix eine Hand auf meine Hüfte und zog mich auf seinen Schoß. Blitze schossen durch meinen Körper, alle vibrierte.
Seine Lippen setzten sich auf meine Kehle. „Entspann dich!“ und plötzlich war da seine Hand und ich vergaß zu atmen. Ich vergrub mein Gesicht an seinem Hals und versuchte nicht so schrecklich peinlich zu sein und mich vollkommen zu vergessen.
Doch Felix Finger wussten nur allzu gut was sie machen mussten und seine Lippen auf meinem Hals, an meinem Ohrläppchen, sein alles…
Mein Herz wollte sich überschlagen und meine Lungenflügel flatterten kläglich.
Ich presste die Lippen zusammen, doch ich hielt es nicht aus… ich… er…
Felix, Felix, Felix, „Felix…“
Keuchend lag ich in seinen Armen, mein Kopf war leer und alles war… war… Ich brauchte mehr Wörter, ich brauchte mehr… Ich brauchte mehr Felix!
Felix nahm mein Gesicht in seine Hände, meine Augenlider zitterten kläglich. Sein Blick war Feuer, sein Blick war Hunger und bevor ich mehr als blinzeln konnte, spürte ich nur noch seine Lippen auf meinen!
Unerbittlich presste er mich auf sein Bett. Ich hatte davor gedacht, das war intensiv. Jetzt schien es als würde Felix Zunge das Wort in meinem Mund buchstabieren, ein ätzen… Das Wort konnte gar nicht lang genug sein!
Meine Arme schlangen sich erneut um seinen Hals, ich seufzte in die Küsse. Felix wäre aber nicht Felix, hätte er nicht andere Pläne.
Seine Hände schlangen sich um meine Handgelenke und er pinnte sie über meinen Kopf.
„Die bleiben, wo sie sind…“, schnurrte er. Einen Augenblick war ich zurückversetzt, als wir uns noch Spaßes halber gekabelt hatten, doch dann verbrannte alles Logische in meinem Kopf unter Felix flammenden Blick. Er nahm den Saum meins Shirts und zog es mir über den Kopf. „Arme bleiben, wo sie sind…“, sagte er noch einmal und strich über meinen nun nackten Oberkörper. Ich biss mir auf die Lippen, sie schmeckten nach Felix, und krallte mich am Lacken fest.
Seine Finger wanderten auf meiner nackten Haut, zogen heiße Schlieren. Stockend fiel mein Atem über meine Lippen. Seine Finger fanden ihr Ziel am Saum meiner Hose, genüsslich schoben sie sich hinein. Lippen auf nackter Hand und seine Finger. Heiß, nass…
Ich verlor viel zu schnell noch einmal den Verstand. Schließlich befreite er mich mit einem Ruck auch von meiner Jogginghose und meiner Shorts. Am liebsten hätte ich die Beine zusammengepresst, doch Felix war unerbittlich- Unersättlich!
Was seine Finger zuvor erforscht hatten erschlossen nun seine Lippen, seine Zunge… „Felix…“, flehte ich fast, wenn nicht bald etwas geschah explodierte ich.
„Vy smak bisa dobre!“, flüstere Felix gegen meine erhitze Haut. Fragend vergrub ich die Finger in seinen Haaren, diese Worte kamen mir bekannt vor...
„Du schmeckst verdammt gut!“, lächelte er nun und seine Lippen legten sich auf meine. Ich zerrte an seinem Shirt, er verstand sofort. Schwer atmend strich ich über seine nun entblößte Brust die tätowierte Haut und leckte über sein Schlüsselbein. Er biss in meinen Hals, immer und immer wieder…
„Du schmeckst auch gut!“, seufzte ich.
Er grinste, warme Haut auf meiner, Lippen auf meinen. Ich wollte alles, ich wollte ganz, ich…
„Entspann dich!“, raunte er, „Am Anfang ist es, merkwürdig…“ Seine Finger bannten sich einen Weg, ich presste mein Rückgrat durch.
„Lui…“, flüsterte er. Ich wand mich, versuchte mich drauf ein zu lassen. „Ahhh… Ngnh…“
„Atme tief ein…“
Seine Finger wurden, fester, tiefer, härter, schneller…
Ich… „Ahhh…“
„Wenn es zu viel ist, dann…“, setzte Felix an. „Hör nicht auf!“, keuchte ich und krallet mich an ihm fest, „Ich… Ah… Ich will…“ Mein Satz ging in einem Stöhnen unter. „Ich will…“ setzte ich erneut an, doch die Luft ging mir aus. „Alles…“
„Ich will dich!“, raunte Felix, „Unbedingt!“
Seine Finger wurden drängender und ich schlang meine Arme um seinen Hals. „Alles…“, wiederholte ich. „Alles was ich will, bist du!“
Ich schloss die Augen, und Felix nahm sich was er wollte…
Ich gähnte, das Gesicht im Kissen vergraben.
Felix warme Finger strichen meinen nackten Rücken entlang.
Ich schauderte, drehte mich auf den Rücken und versuchte mein geschundenes Knie nicht zu belasten und musste dann ein sehr breites und anscheinend auch sehr zufriedenes Grinsen auf Felix Gesicht ertragen. Idiot.
Nackt und die Lässigkeit in Person lag er neben mir, auf die Seite gedreht und den Kopf auf den angewinkelten Arm gestützt.
„Alles okay mit dem Knie?“, eindeutig nicht mein Knie anguckend sah er an mir entlang und Blut schoss erneut dorthin, wo es verflucht unvorteilhaft war, besonders da ich selber noch immer Splitterfasernackt war.
„Klar…“, ich räusperte mich und klang nach allem aber nicht nach mir. „Hmm…“, Felix freie Hand strich erneut über meine erhitze Haut, über meine bloße Brust und hoch über meinen Hals und über meine Wangen durch meine wirren Haare.
Ganz sanft waren seine Finger, als müsste er prüfen das alles auch wirklich so war, wie er es mit seinen Lippen gespürt hatte. Sie wanderten wieder hinab strichen über mein Kinn.
Was sollte ich jetzt machen? Was sollte ich sagen? Müsste er nichts sagen? Warum sah er so zufrieden aus?
Was… Was war passiert… Und was würde jetzt passieren? Was…
Erneut bimmelte mein Handy aus den Untiefen von Felix Zimmer.
„Du meine Güte sind die heute hartnäckig!“, entnervt verdrehte Felix sehr felixhaft die Augen. „Vielleicht haben sie das mit dem Krankenhaus raus gekriegt…“, nuschelte ich und versuchte mich unauffällig zu räuspern, macht das was ihr sollt ihr verkackten Stimmbänder!
„Ei jeh…“, zog der andere eine Grimasse, das Klingen erstarb um dann jedoch gleich wieder ein zusetzten. „Am besten ich geh ran…“, seufzte ich und wollte mich hochwuchten. „Oder du machst es aus!“, erklärte Felix entschieden, drückte mich zurück aufs Bett und stand auf.
Er streckte sich, kratzte sich das völlig zerzauste Haupt und präsentierte mir seine verflucht heiße und nackte Rückansicht als er das Handy holen ging. „…“, ich versuchte nicht hinzugucken und mein Blut dort zu lassen, wo es sinnvoll war.
„Gefällt dir was du siehst, Mäuschen?“, schnurrte er und ließ sich schwungvoll und Augenbrauen wackelnd wieder neben mich fallen. Ich presste die Beine zusammen: „Halt die Klappe, du Spinner!“
Schnell griff ich nach dem Handy, selbst wenn er nicht nackt gewesen wäre, hätte ich ihn nicht angucken können. Wahrscheinlich würde jeden Moment mein Herz kollabieren, ich wusste nicht was ich machen sollte…
Was tat man nur nach Sex mit dem besten Freund?
18 Anrufe in Abwesenheit und eine Nachricht…
„Man kann es auch übertreiben…“, ich murrte und sah mir die Nachricht an, „Was…“ Es dauerte mit so wenig Blut im Gehirn etwas, bis ich verstand was da stand, doch dann rutschte mir das flaue Gefühl in der Brust in den Magen. „Alles okay?“
Felix rutschte etwas näher an mich ran. Irritiert sah ich in seinen blauen Augen, deren Brauen sich mal wieder hoben und hielt ihm das Handy vor die Nase. „Komm sofort nach Hause, gibt ein ernstes Problem mit Mutter! Sie will nicht reden, bevor du da bist!“, las er halb laut.
„Hä…“, er schüttelte genauso verwirrt wie ich den Kopf und lass die Nachricht noch einmal, „Seit wann interessiert es den bitte deine Mutter, ob du da bist oder nicht?“ So wie er das Wort Mutter betonte wusste ich, dass es eigentlich für etwas sehr viel Unnetteres stand. „Werde ich erfahren, wenn ich da bin!“
„Oh ja! Du solltest wirklich sofort losrennen, weil sie mit dir reden will, besonders da sie ja immer da ist, wenn du mit ihr reden wolltest!“, knurrte Felix, stand jedoch auf und warf mir meine Klamotten zu. „Sie ist meine Mum!“, verschränkte ich die Arme vor der Brust, obwohl ich wusste das er Recht hatte. „Deine Mum sind Lina und Sina! Diese Frau, war alles aber nicht deine Mutter!“ „Ich werde da hingehen“, zog ich mir meine Shirt über den Kopf, „Seit wann schiebst du denn so ‘nen Hass auf meine Erzeugerin bitte?“
Felix sagte nichts darauf, sondern zog sich ebenfalls einfach an.
Bildete ich mir das ein, oder war es komisch? War ich komisch? Waren wir komisch?
Wie sollte es aber auch normal sein, nach dem… Nach dem wir… Ich versuchte nicht daran zu denken, versuchte meine Hose anzuziehen ohne meinen Verband zu verschieben und danach meine Socken zu entwirren.
Als endlich alle Kleidung da war, wo sie hingehörte, obwohl man das vom Blut meines Körpers nicht behaupten konnte, wollte ich mich erheben als das Handy erneut bimmelte. Seufzend ging ich ran. „Ich bin auf dem Weg! Keine Sorge!“, sagte ich sofort bevor Lina oder Sina auch nur ein Wort sagen konnten. Felix stemmte die Hände in die Hüfte und sah nicht sehr überzeugt aus.
Ich legte auf und hinkte dann aus dem Raum. „Ich kann dich fahren!“, meinte Felix grummelnd. „Nein kannst du nicht!“, sagte ich sofort, recht panisch. „Ich kann fahren!“, pikiert stakste der Ältere an mir vorbei und ich ahnte nichts, absolut gar nichts Gutes. „Felix, ich glaub nicht, dass das ‘ne gute Idee ist!“ Doch Felix lief unbeirrbar in die Küche zum Schlüsselbrett. „Felix!“, bekam ich leichte Panik, „Wenn uns wer erwisch bist du tot!“
„Du kannst so nicht nach Hause hinken!“, entschieden schnappte er sich en Schlüssel des Familien- Audis und ließ den Schlüsselbund munter in seiner Hand klimpern. „Ich bin doch auch her gehinkt…“ „Das war bevor ich dich deiner letzten Kräfte beraubt hatte.“, wackelte er anzüglich mit den Brauen und ich wurde zu Rot um zu widersprechen. „…“ „Und jetzt beweg deinen süßen Hintern ins Auto!“
„Ich wusste gar nicht, dass du deinen Führerschein jetzt plötzlich hast…“, eine nuschelige Stimme kam gelangweilt von der Seite und ertappt drehten wir uns beide um. Kalle schlürfte unbeeindruckt sein Trinkpäckchen.
„Lui muss nach Hause, also fahr ich ihn!“, aufmüpfig verschränkte Felix die Arme vor der Brust. Einen Augenblick lang sahen Kalle und er sich an. „Das ‘ne sau dumme Idee…“, „Du bist ‘ne Sau dumme Idee!“, konterte Felix schlicht und wenn ich nicht immer noch beschämt und verwirrt und halb panisch gewesen wäre hätte ich bestimmt gelacht.
„Ich könnte euch fahren…“, schlürfte Kalle den Rest seines Trinkpacks. „Alter Mann werde nicht lächerlich!“ „Ick hab nen Führerschein…“
Ich wollte nicht, dass Felix fährt, aber ich wollte noch weniger, dass Kalle uns fährt, er bekam sein Trinkpack noch nicht mal ohne Hilfe auf!
„Ich kann auch einfach…“, setzte ich an, wurde aber natürlich ignoriert. „Ein Zehner das du nach fünf Minuten ‘nen Fußgänger mitgenommen hast!“ „Mit Leichtigkeit!“, schmatzte der alte Mann und nahm den Schlüssel in seine knorrigen Hände. Beschwingt zog mich Felix hinter sich her. „Ich finde das ist ‘ne genauso dumme Idee!“ „Ach Quark, so alt wie Kalle ist, ist der schon das erste Auto überhaupt gefahren!“, munter schubste mich Felix auf den Rücksitz und nahm neben mir Platz, während Kalle mit dem Anschnallgurt kämpfte. „Das ist nicht…“, wollte ich gerade ansetzten als Kalle den Motor startete und mit quietschenden Reifen aus der Ausfahrt schoss. Wir nahmen sofort einem Auto die Vorfahrt und mit verärgertem Hupen im Nacken rasten wir die Spielstraße entlang.
„Ich will nicht sterben!“, jammerte ich und hielt mich panisch am, nun ja, Panikgriff fest. Felix lachte. „Wir müssen in die Mühlenstraße!“
Kalle nickte und hupte einen Radfahrer, den er fast überfahren hatte an. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott… Felix! Ich hasse dich!“ „Vor hin klang das noch ganz anders… Obwohl doch etwas ähnlich!“, er streckte mir die Zunge raus und ich überlegte kurz meinen panischen Griff um seinen Hals zu legen, Penner!
„Kalle das ist eine Einbahnstra…“, doch Kalle fuhr einfach über die Kreuzung ignorierte jede rote Ampel und kam schließlich den Bordstein rumpelnd mitnehmend, sowie die volle Mülltonne umfahrend, zum Stehen.
Am liebsten hätte ich mich übergeben.
Mit zittrigen Fingern und wackligen Knien fiel ich fast aus dem Audi. „So hätte ich uns auch her gekriegt…“, gluckste Felix und ich versuchte meinen Mageninhalt nicht mit dem Bordstein Bekanntschaft machen zu lassen. „Ich werde niemals bei dir mitfahren!“
„Schreib mir was jetzt abgeht!“, meinte der Größere doch dann plötzlich. Ich nickte schwach. „Bis nachher!“ Ich wollte erneut Nicken, doch plötzlich nahm Felix mein Gesicht in seine Hände und legte seine Lippen auf meine. Sanft stupste seine Zunge gegen meine.
„Bis nachher…“, hauchte ich überrumpelt zurück und mit dem wohl breitesten und dreckigsten grinsen, dass ich je bei Felix gesehen hatte, und das sollte schon was heißen, stieg er zurück ins Auto auf den Beifahrersitz.
„Ich wette mit dir, wir schaffen es nicht in fünf Minuten zurück nach Hause…“, und Kalle gab Gas.
Mit völlig leerem Kopf sah ich dem grauen Audi nach und tapste dann wie auf Wolken den Kiesweg zur Haustür entlang. Kaum war mein Schlüssel einmal rum wurde die Tür aufgerissen und ich hineingezerrt. „Wo warst du?“ „Du kannst nicht einfach gehen!“ „Warum gingst du nicht gleich richtig ans Telefon?“ „Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“ „Hat dir jemand was getan!“
„Haltet mal die Luft an!“, versuchte ich mich aus den Fängen der Gorgonen zu befreien. „Ich war nur bei ‘nem Freund und…“ „Da bist du ja, mein Ludwighase!“, eine Frau mit blauen, großen Augen und seit neustem feuerrotem Haaren lächelte mich verträumt an. „Hey Mum…“, hob ich schlicht die Hand und ging mit Lina und Sina im Schlepptau ins Wohnzimmer.
Meine Mutter war Anfang vierzig, sah aber sehr viel jünger aus, nicht nur durch ihren Kleidungsstil und der neuen Bobfrisur. Sie trug eine dieser Haremshosen, die tief in den Kniekehlen saßen in schwarz, sowie ein schwarzes Wickeloberteil, passend zu dem Mann neben ihr, der kaum älter als Ende zwanzig sein konnte und eine spiegelglatte Glatze und einen rauschigen Vollbart hatte. Mums neuer Stecher…
„Das, mein Schatz, ist Vincent!“, verliebt himmelte meine Mutter zur Seite und Vincent lächelte mich breit an. „Was geht, Kumpel?“
Hatte der mich gerade Kumpel genannt?
„Also was ist los?“, meinte nun schließlich Sina und ich versuchte nicht allzu krüppelig auszusehen, als ich mich aufs Sofa setzte. „Ich…“, unsere Mutter kicherte mädchenhaft, „Wir…“, wieder ein verliebter Blick zur Seite, „Haben großartige Neuigkeiten!“
Ich wusste nicht warum, aber ich ahnte fürchterliches.
Vincent legte liebevoll einen Arm um meine Mutter und streichelte ihr über den flachen Bauch.
Oh Gott… das konnte nicht… das…
„Wir werden Eltern!“
Mein Kinn fiel auf meine Knie und Sina und Lina sahen aus wie von Kalle überfahren.
„Das kann nicht…“, setzte Sina und Lina ließ sich schockiert neben mir aufs Sofa fallen. „Und es kommt noch besser!“, seufzte Mum und ich wusste nicht ob ich noch ‘nen Schock überlebte. „Vincent hat eine Stelle als Meditationslehrer in einem Fitnessstudio in Berlin gekriegt! Deswegen werden wir alle nach Berlin ziehen!“
„Was?“ „Wer?“, die Zwillinge bekamen gerade wahrscheinlich Hirnschläge, „Wie?“
„Na wir!“, glücklich hob die Erzeugerin die Arme als würde sie die ganze Wohnung, ach, die ganze Welt, umarmen.
„Was?“, wiederholte ich noch einmal leer. „Die Familie muss zusammenbleiben! Das ist unglaublich wichtig für das Baby!“, sagte nun Vincent, „Ein starkes Gefüge aus Menschen, die sich lieben und schätzen und für einander einstehen und…“ „Das kann nicht dein verfluchter Ernst sein!“, kochte Sina hoch, „Wir sollen hier alles stehen und liegen lassen, weil dein neuster Fehltritt dich angebufft hat?! Denkst du jetzt überhaupt nicht mehr nach?!“
Mum zog sofort ‘nen Fluntsch und ihre großen Augen fühlten sich mit Tränen. „So redet man aber nicht mit seiner Mutter!“, verschränkte Vincent in sehr geziemter und väterlicher Manier die Arme vor der Brust.
„Du hast mir nicht zu sagen wie ich mit ihr rede!“ „Du redest mit meiner Seelenverwandten und Mutter meines Kindes!“ „Um Gottes Willen!“, warf Sina die Arme in die Luft. „Mom, das kann doch nicht dein ernst sein?“, Flüsterte Lina schockiert vom Sofa. „Doch!“, trotzig verschränkte Mum die Arme vor der Brust, „Warum wollt ihr nicht, dass ich glücklich bin?“ „Glücklich bist? Mum! Wie stellst du dir das den vor?“, Lina schüttelte irritiert den Kopf. „Sina und ich arbeiten!“, sprach Lina weiter. „Im Gegensatz zu dir!“, warf Sina zornig ein. „Wir haben Chancen auf die Schichtleiterstellen bei uns im Team! Wir können hier nicht einfach aus einer Laune heraus weg!“ „In Berlin findet man schnell Arbeit… Vincent kann euch doch was in dem Fitnessstudio besorgen!“, sie blinzelte unschuldig zu ihrem Lover der natürlich sofort ganz aufopfernd nickte. „Ich mach doch nicht irgendwo irgendeine Aushilfe, wenn ich hier eine Festanstellung habe!“ „Und Lui ist kurz vor dem Abschluss! Er macht nächstes Jahr sein Abi!“, fügte Lina hinzu und sah zu meiner noch immer ganz starren Gestalt. Ich versuchte zu verdauen bald ein großer Bruder zu sein.
„In Berlin kann man sehr wohl sein Abitur machen!“, fast neunmalklug nickte Mum mit dem Kopf. „Er kann doch nicht im letzten Jahr wechseln! Alle seine Freunde sind hier!“, „In Berlin findest du an jeder Ecke neue Freunde, und auch hübsche Mädels, Kumpel!“, Vincent sah jetzt aufmunternd zwinkern zu mir. Ich schüttelte mich angewidert.
„Ich will aber, dass wir nach Berlin ziehen!“, sagte die Frau, in deren Uterus ich mal gehaust hatte und klang nur noch trotziger. „Dann geh!“, sagte Sina am Ende ihrer Geduld, „Geh! Geh mit ihm nach Berlin! Aber wir bleiben hier!“ „Was?“, vor entsetzten verloren Mums rote Haare gleich ihr Volumen. „Geh nach Berlin, wenn du willst! Aber ohne uns! Wir werden nicht mit deinem neuesten Stecher nach sonst wo ziehen nur um dann drei Monate später auf der Straße zu sitzen! Spielt Mutter, Vater, Kind! Aber komm nicht angekrochen, wenn du überfordert bist!“, Sina war so wütend das ihre Stimme bebte. „Vincent und ich sind für einander bestimmt!“, auch Mum war nicht minder wütend. „Wir haben unsere Chakren ausgependelt und…“ „Oh verflucht!“, schimpfte Sina, „Werde endlich erwachsen! Ohne mich und Lina hättest du noch nicht mal deinen Hartz4 Antrag alleine ausfüllen können!“
„Ich fasse es einfach nicht, dass du mir das antust!“, Mum begann zu weinen. Im Weinen war sie großartig.
„Schau lieber mal der Realität ins Auge!“, unerbittlich verschränkte Sina die Arme vor der Brust. „Ludwig“, schniefte sie nun, „Du kommst doch mit, oder? Du willst ein guter großer Bruder sein, du lässt deine Mama nicht einfach im Stich!“ Entsetzt sah ich von Lina neben mir zu Sina zu meiner Mutter…
Ich konnte von hier nicht weg, ich… Ich konnte nicht weg von Liz und Felix… Felix… ich…
„Ich…“, begann ich zu stammeln. „Am besten du schläfst ‘ne Nach drüber Kumpel!“, sagte nun plötzlich Vincent, „Schatz, du musst ihn das auch mal alles sacken lassen!“, beruhigend tätschelte die Glatze seiner Seelenverwandten die Hüfte. „Ich spüre Ludwig positive Schwingungen. Doch sein Gefühlschakra ist noch nicht im Einklang mit seinem Kopfchakra. Lass ihm Zeit sich zu ordnen…“
„Lui wird nicht gehen!“, schnauzte Sina sofort und der Streit begann von vorn, während mein Gefühl- was auch immer, genau das gleiche, was auch mein Kopf wollte! Von hier weg! Weit weg! Zu Felix…
Mit der Ausrede aufs Klo zu müssen stahl ich mich davon. Meine Herzallerliebste Familie stritt sich so laut weiter, das niemand bemerkte, wie ich durch die Haustür schlüpfte. Hastig hinkte ich den Flur entlang und dann die Auffahrt hinauf.
Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, doch der Akku- Der elendigste Verräter der Welt! - war natürlich leer. Hoffentlich hatten Kalle und Felix ihre Autofahrt überlebt oder zumindest hatten sie keinen Umgebracht und waren jetzt auf der Flucht!
Der Schock über die neuste Eskapade meiner Mutter saß tief. Ich konnte nicht nach Berlin! Ich konnte hier nicht weg! Ich…
Aber… Aber wir könnten sie doch nicht alleine lassen! Wir konnten sie nicht alleine mit dem Baby lassen! Mit diesem merkwürdigen Typen! Ohne Sina und Lina wäre ich nie größer als ein Meter geworden… Außerdem war sie unsere Mum…
Aber… Felix und Liz zurücklassen? Mein Abi einfach irgendwo anders machen… Einfach… Nein! Mein Magen drehte sich um.
Zügig hinkte ich weiter! Sina hatte Recht! Mum war vollkommen unrealistisch! Chakra hin oder her! Der Typ war genauso ‘ne Backpflaume wie alle zuvor! Wahrscheinlich sogar noch ‘ne größere! Ich bog links ab um die Abkürzung durch den Park zunehmen.
Vielleicht würde es etwas länger halten als bei den anderen, bei meinem Erzeuger,- Wer auch immer er war!-, hatte es wohl fast ein Jahr gehalten. Doch Schluss endlich würde sie wieder bei uns vor der Tür stehen… Das tat sie immer! Sie…
„Da kannst mal sehen!“, kam es laut und vertraut von der Pipe. „Felix!“
Er lebte also noch. Gott sei Dank…
Ich versuchte so schnell mein Knie mich ließ zur Pipe zu kommen und sah dann auch schon seinen Lilaschopf, doch sah ich auch wer da neben ihm stand: Jerome!
Er hatte einen Arm um Felix gelegt und grinste breit, Felix grinste so breit das ihm fast die Ohren abfielen. „Schon gut… Schon gut! Ich freu mich! Wirklich!“, sagte Jerome. „Und ich mich erst!“, schnurrte Felix. In mir war alles taub, keiner der beiden sah mich. Wie damals im Treppenhaus, wo sie sich geküsst hatten.
„Ach komm her!“, sagte Jerome und umarmte meinen besten Freund schließlich, der ihm einen Kuss auf die Wange drückte. „Du glaubst gar nicht, wie glücklich ich bin…“
Realistisch bleiben hatte Sina gesagt. Vielleicht sollte ich das genau so dringend, wie meine Mutter! Felix und ich… Wir zusammen, das war das unrealistischste auf der Welt!
Als ich aus dem Park wiederkam hatten sich meine Schwestern und meine Mutter immer noch in den Haaren. Ich hinkte schlicht an ihnen vorbei ins Bett, mit der Decke über den Kopf versuchte ich die Welt zu vergessen, was natürlich nicht funktionierte.
Meine Gedanken, mein Herz liefen Amok und schließlich rollte ich mich nur von der einen auf die andere Seite.
Warum hatte er mich geküsst, warum hatte ich ihn geküsst? Warum hatten wir Sex gehabt… Warum musste ich so doof sein, und in Felix verschossen sein? Warum, verdammt nochmal, konnte er es nicht auch in mich…
Obwohl, ich wusste warum… Ich war ich, und er… Tja, er war Felix. Er wunderschön und clever und engstirnig und ein Idiot und fürsorglich und einfach… Felix…
Ich presste das Gesicht ins Kissen, ignorierte das Gezeter vor meiner Zimmertür und weinte mich so kläglich, wie ich nun einmal war in den Schlaf.
Mein Handy war mal wieder aus und Felix war, Gott sei Dank, auch nicht plötzlich an meinem Fenster erschienen. Wahrscheinlich hatte er zu viel mit oder wahrscheinlich auf Jerome zu tun gehabt.
Mit immer noch leicht roten Augen hinkte ich ziemlich müde und noch schlechter gelaunter als zuvor zur Schule und machte, das Handy wieder an. Natürlich waren da Nachrichten von Felix.
„Kalle hätte gerade fast ‘ne Katze überfahren!“
„Sie sah Kitler noch nicht mal ähnlich, also keine Panik!“
„Und?“
„Was will die Erzeugerin?“
„Haben die Gorgonen dich eingemauert wegen dem Bein?“
„Vasa und Liz wollen noch ins Kino, die Eltern Fraktion kommt mit. Sollen wir dich abholen?“
„Hast du schon wieder nicht geschnitten, dass dein Akku alle ist?“
„Der Film war ziemlich Öde. Ich hol dich morgen früh ab, okay?“
In der letzten Nachricht stand: „Wir sind da, wo bist du?“
Ich seufzte schwer und war mehr als froh heute Morgen nicht getrödelt zu haben. Ich klickte weiter die Nachrichten durch und stellte dann jedoch verwundert fest, dass mir Nils geschrieben hatte. „Hey, hast du morgen nach der Schule Zeit? Wollen wir was zusammen starten?“
Warum schrieb er mir? Ich dachte nach meiner Party… Ich…
Ich schlug mir das Handy leicht gegen die Schläfe, am liebsten hätte ich es wieder ausgemacht!
„Ja, klar. Ich hab‘ um Zwei Schluss.“ Ich wusste selber nicht, warum ich das schrieb. Warum kam er immer wieder an? Warum ging ich immer wieder drauf ein? Und wie zum Henker sollte ich Felix, und auch Liz, aus dem weggehen?
„Klasse“, kam es viel zu schnell von Nils zurück, „Ich hol dich dann ab, bis nachher!“
„Oh man…“
„Müde Prinzessin?“, viel zu gut gelaunt erschien Felix plötzlich neben mir, „Oh, du hast also doch noch sowas wie ein Telefon?“ „Ich… Ich hab‘ nicht gemerkt, dass mein…“ „…dass dein Akku leer ist! Dachte ich mir schon!“, seufzte er fast mütterlich und schnipste mir dann gegen die Schläfe.
„Ey…“, murrte ich und strich empört über die Stelle, ich konnte ihn nicht ansehen und sah stattdessen auf Liz‘ Schuhe. „Wach sieht anders aus!“, begrüßte mich diese nun mit einem schwachen Grinsen. „Selber!“, nuschelte ich. „Schlagfertigkeit in Person!“, lachte Vanessa.
„Was machst du denn hier?“, fragte ich schon fast unhöflich, doch die drei waren das Letzte, was ich gerade um mich haben wollte. „Das frage ich mich auch schon eine Weile?!“, stimmte Felix mir jedoch nur zu und Vanessa warf arrogant ihr langes Haar zurück. „Ich wollte euren Idiotenverein von Schule mal wahre Klasse zeigen, das alles…“ „Das tust du nur, wenn du dich von ‘nem Klassewagen überfahren lässt-“, begannen Felix und seine Ex sich natürlich sofort gehörig zu kabeln.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte mich plötzlich leise Liz und ignorierte ihren Bruder. „Alles super!“, sagte ich steif und sie runzelte die Stirn. „Was wollte jetzt eigentlich deine Mutter gestern Abend?“, fragte Felix laut und drehte sich halb zu mir um, während er an Vanessas Haaren zog, die ihn dafür in die Rippen boxte.
„Nichts…“, log ich und sah an ihm vorbei, „Hat uns ihren neuen Stecher gezeigt…“ Felix verdrehte die Augen und zog dann noch doller an Vanessas Haaren.
Ich drehte mein Handy nervös zwischen den Fingern, versuchte Liz unschlüssige Miene und die beiden Streithähne zu ignorieren als wir auf den Schulhof kamen. Sofort starrten alle zu uns. Ich hoffte inständig sie starrten Vanessa an, und nicht mich… Aber nach der Party.
Wir liefen wie üblich zur Raucherecke. Und ich überlegte panisch mit welcher Ausrede ich mich verziehen könnte, wenn ich aufs Klo gehen würde, würde Felix hundertpro mitgeschissen kommen.
Wir stellten uns unter eine riesige Linde und Liz drehte eine Kippe, die sie Vanessa kommentarlos reichte, die aufgehört hatte Felix auf die Füße zu treten.
Eigentlich gab es keine Raucherecke, und noch eigentlicher musste man zum Rauchen das Schulgelände verlassen, aber das war Felix und Liz egal und meistens mir auch.
Doch heute sah ich mich nervös um.
„Ist wirklich alles gut?“, Felix Hand lag plötzlich auf meiner Schulter, was alles schrecklicher machte. Warum fühlte sich seine doofe Hand auch nur so gut und warm an? Warum musste er aufmerksam sein und konnte mich nicht einfach in Ruhe lassen, warum musste er Jerome ficken wenn wir…
Ich verlagerte unbeholfen mein Gewicht und verzog schmerzverzerrt das Gesicht, ich hatte mein lädiertes Knie ganz vergessen. „Vielleicht hättest du dich krankschreiben lassen sollen…“, sah Felix runter zu meinem Knie, als wäre ich wegen den Schmerzen so komisch.
Naja, an sich war das nicht fasch, es war nur eher mein Herz was weh tat, und das war peinlich… und das würde ich ihm niemals sagen… Dieser Penner!
„Und den Zorn der Titanen auf mich ziehen?“, ich schnaubte und schüttelte seine Hand ab.
Unschlüssig sah Felix mich an. „Es tut einfach weh, okay… Das alles…“ „Vanessa, du bist doch so ein Weichei, hast du ne Schmerztablette bei?“, wand sich Felix um. „Wie bitte?“, empörte sich die Schwarzhaarige sofort, „Ich habe chronische Rückenschmerzen, du Wichser!“ Doch tatsächlich kramte sie eine Packung Ibus raus. „Ich weiß, eine Besen zu reiten geht sehr auf den Rücken…“
Ich nahm eine der Tabletten mit ‘nem gehören Schluck Cola und versuchte nicht völlig paranoid umher zu schauen, Liz zog an ihrer Kippe und reichte sie mir, doch ich lehnte ab. „Felix meinte dein Knie ist ein großer Haufen Mett?“, fragte Liz und beobachtete mich viel zu interessiert. Ich nickte. „So was kommt von sowas…“, dabei sah ich zu ihrem Bruder und sie schien, den Satz leider genauso zu verstehen, wie ich ihn meinte. Felix zog jetzt zwei Mal an der Kippe, als es vorklingelte. Und ich schweigend mit den dreien zur ersten Stunde ging.
„Ich weiß, dass ich gut aussehe… Aber die übertreiben das hier alles mit dem glotzen… oder?“, meinte Vanessa als wir vor dem Englischraum warteten und aber auch wirklich jeder mit großen, neugierigen Augen an uns vorbeilief und gaffte. „Ich denke, es weniger dein aussehen als dein Geruch…“, meinte Felix und tat gespielt ernst, doch mein Puls stieg an. Natürlich starten alle, so peinlich wie ich mich auf der Party benommen hatte. Oder war es mehr… Ich dachte daran, wie Torben und Eric davon ausgingen, dass Felix und ich… Naja, nicht nur Felix und ich waren, sondern mehr… Es war unwirklich, wie gut dieser Gedanke gestern war und wie bitter heute.
Aber nur weil die beiden das dachten, deswegen musste das ja sonst niemand denken. Also…
„Kuck ma‘, die da sind schwul…“, kam es halblaut aus einer Traube von Neuntklässlern, die an uns vorbei wuselten, unsere ganze Klasse verstummte und sah erst mich und dann Felix an, bevor sie sich tuschelnd zügig alle unterhielten. Mir gefror das Blut in den Adern, und ich kramte hektisch in meiner Tasche um nicht zu hyperventilieren.
Das konnte doch nicht wahr sein?! Verdammt…
Felix indes gluckste erheitert. „Ganz schön frech einfach davon auszugehen, dass wir schwul sind…“, gespielt empört besah er sich seine Fingernägel an, „Ich bin doch so eindeutige maskuliner und heteromäßiger Junge…“ Ein paar hinter uns fingen an zu lachen. „Ich erinnere mich daran, dass heute Morgen jemanden seinen Concealer gesucht hat…“, spottete Vanessa. „Ich erinnere mich daran, wenn ich dein Gesicht sehe, dass du ihn sehr viel nötiger gehabt hättest…“, er trat plötzlich hinter mich und legte die Arme um mich, verwirrt sah ich ihn an und versteifte, „Ich kann tatsächlich ein bisschen verstehen, dass man mich für schwul hält, aber Lui… Dieses breitschultrige männliche Männchen…“ er schmiegt sich an mich, Liz verdrehte milde Lächelnd die Augen, doch mein sowieso schon völlig überstrapazierte Nervenkostüm riss. „Kannst du deine Scheiß Pfoten von mir lassen!“, fuhr ich ihn an und trat zwei Schritte nach vorn. Verwirrt sah er mich an, seine eine Braue hob sich wie immer, bevor er beide runzelte.
Frau Neugebauer, unsere Englischlehrerin, kam endlich und schloss den Raum auf. Ohne Felix oder sonst wenn, -Aber vor allem Felix!-, zu beachten ging ich nach hinten zu meinem Platz und knallte meine Tasche auf den Tisch. Das Tuscheln der anderen wurde intensiver und kochend ließ ich mich auf meinem Stuhl fallen. Hatten sie nichts anderes über das sie sich das Maul zerreißen konnten?!
„Streit im Paradies…“, witzelte Vanessa, und am liebsten würde ich ihr ihre blöde Klappe stopfen, unschlüssig ließ Felix sich neben mir nieder. „Kannst du vielleicht erklären was los ist?“, er lehnte sich nach vorn, um mir ins Gesicht zu sehen, ich verschränkte die Arme jedoch auf dem Tisch und vergrub das Gesicht darin. „Es gab doch schon immer Gerüchte über uns beide…“, setzte Felix jetzt an, „Lass die doch labern, mir macht das nichts im Geringsten…“ Er fuhr mir durch die Haare und wollte beginnen meinen Nacken zu kraulen, doch ich schlug seine Hand weg. „Ich hab gesagt, du sollt mich nicht anfassen!“, fauchte ich, wenn meine Wut doch gleich wieder abflaute als ich in Felix große blaue Augen sah. Warum musste er jetzt so verletzt aussehen? Warum sah er besorgt aus, warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen…
„Du…“, setzte ich an, „… Also ich…“ Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe, „Meine Mutter ist wieder schwanger… von ihrem neuen Stecher…“ Felix Gesicht verwandelte sich in Ungläubigkeit. „Was?!“
Ich wusste nicht, warum ich das erzählte, aber… Was hätte ich sonst sagen sollen? Ich hab gesehen, wie du an dem Tag an dem wir miteinander geschlafen haben, wie du mit Jerome rumgeturtelt hast?
„Sie ist… Schwanger… Fuck…“, völlig überrumpelt schüttelte er den Kopf. „Diese Frau…“, setzte jetzt auch Liz an. „Sie will mit ihrem Macker zusammen nach Berlin ziehen, und uns mitnehmen…“ „Wen…?“, Felix sah regelrecht überfahren aus. „Mich und die Gorgonen…“ „Was? Wann… Hat sie… Ist das dein Ernst?!“ „Denkst du, ich denke mir das aus? Sie willl das wir eine große glückliche Familie sind…“ „Am Arsch…“, sprach Felix aus, was ich mir auch gedacht hatte. „Sie kann nicht verlangen, dass du einfach gehst! Du machst nächstes Jahr Abi und…“, meinte Liz leise aber entschieden „Außerdem sind wir hier!“, fügte Felix hinzu und bekam von der Lehrerin vorne einen bösen Blick.
„Können wir aufhören darüber zu reden…“ nuschelte ich und zog meinen Hefter hervor um die Aufgabe abzuschreiben, „Lina und Sina haben die Nacht schon mit ihr lautstark diskutiert… Ich hab dafür jetzt keinen Nerv…“
Liz seufzte sah jedoch nach vorne zur Lehrerin. Felix sah jedoch weiter zu mir. „Ich bin deswegen einfach durch, und mein Bein tut weh… und dann…“, ich schluckte schwer, „Die Gerüchte über uns… dass…“, ich seufzte und schloss kurz die Augen, ich schaffte es noch nicht mal einen klaren Satz zu formulieren.
Unter dem Tisch faste Felix nach meiner Hand, es war fürchterlich und tröstlich zu gleich. „Gerüchte sind Gerüchte, mehr nicht…“, sein Daumen streichelte über meinen Handrücken, doch meine Hand war ganz taub, „In ‘ner Woche zerreißen die sich über was anderes das Maul. Wir beide wissen, was wir sind und was war… Und wegen dem Rest…“
Doch ich hörte nicht, was er noch sagte… Ja, ich wusste was wir waren, egal was war…
Wir waren, allen Gerüchten zum Trotz, nicht zusammen… Noch nicht mal im Entferntesten und … er konnte machen was oder eher mit wem er es wollte…
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Ahoi, meine kleinen Freunde! :3
Wie versprochen und angekündigt hier ist das neue Kapitel.
Nochmal, es tut mir wirklich Scheiße leid, dass so lange hier und überhaupt nichts im Allgemeinen von mir kam. Ich hoffe sehr, dass ich das jetzt ändern kann. Was los war bei mir, und warum es so lange bei mir gehapert hat, ist ne längere Geschichte, die ich euch mal in ner ruhigen Minute erzähle, aber jetzt... Erstmal gehts weiter, das nächste Kapitel kommt dann am Montag nächste Woche und dann immer so weiter. Ich denke es werden noch ungefähr 6- 7 Kapiel.
Ich hoffe es gefällt euch und ihr habt die Jungs vermisst!
Allerliebste Grüße und ich freu mich, wieder zu schreiben, euer Hase! :3
Texte: Alle Rechte bei mir! ^^
Bildmaterialien: Ich besitze keinerlei Rechte am Cover!
Lektorat: Bis jetzt lediglich Dudenprogramm!
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für dich, weil du es verdienst!