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Kapitel 1

Kapitel 1

 

Der Mann schaute vorsichtig in alle Richtungen. Er fühlte sich sichtlich unwohl. Spürte er, in welcher Gefahr er schwebte? Ich witterte seinen Schweiß; sie verpestete die Luft um mich herum. Angst! Er stank geradezu danach. Sein Herz hämmerte zu schnell. Wie viel Blut es wohl gerade durch seine Adern pumpte? 
Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Meine Zähne fuhren unwiderstehlich aus, mein Körper schrie nach Nahrung. Warmes pulsierendes Blut. Ah, ich musste mich zusammenreißen durfte meiner Natur keinesfalls nachgeben.
Geirrod? Wo war er? Er beobachtete mich, ja ich spürte seine Anwesenheit und musste lächeln. Mein Lehrmeister, der mir noch immer nicht ganz vertraute. In welchem Busch oder Baum versteckte er sich? 
Aber noch jemand verfolgte uns. Den Mann unter mir nicht aus den Augen lassend horchte ich in die Ferne. Ein Mann, nein ein Vampir schnell und leise. Er wollte nicht entdeckt werden.
Wahrscheinlich mein Bruder, wollte er meine Prüfung sabotieren? Durchaus denkbar ich werde abwarten, mal sehen was er vorhat. 
Der Mann zu meinen Füßen duckte sich, er war aufs Höchste angespannt. Warum? Mich konnte er keinesfalls entdeckt haben. Er wusste nicht, dass ich in dem Baum stand, unter dem er Schutz suchte. Weshalb also war er so aufgeregt? Warten! Auch darauf.
Ich besaß Geduld, mehr Geduld, als sie annahmen. Weder Geirrod noch mein Vater ahnten, zu welcher Beharrlichkeit ich fähig war. Sie sahen in mir nur das ungebändigte Raubtier. Einen Fehler, den sie wiederholt begingen.
Doch ich ließ sie in dem Glauben, noch war die Zeit nicht reif. Noch musste ich ausharren, so ausharren, wie der Hass der in meiner Seele brannte. Der Hass, der mich innerlich verzehrte. Auf das Gesicht ohne Namen, das ich nie vergaß. Dieses Gesicht suchte ich, und wenn ich es fand, würde niemand mich aufhalten. 
Ich werde ihn töten. Nur wusste ich noch nicht wie und wann. Ich musste warten, die Situation war das Entscheidende. In meinen Träumen tötete ich ihn langsam, qualvoll. Ja das würde ich auch tun. Warten! 
Geräusche! Menschen! Zu laut. Zu unvorsichtig. Der Mann unten duckte sich noch weiter ins Gebüsch. Er war geduldig - selten für einen Menschen sowie seine Vorsicht. Drei Männer - sie gingen nebeneinander. Wie dumm! Einer stolperte. Es waren bestimmt Stadtmenschen.
Was wollten sie in der Nacht hier im Wald? Wussten Sie denn nicht wie gefährlich es war? Oder waren es Jäger? Jäger, die uns jagten? Gehörte der Mann da unten dazu? 
Jetzt war ich neugierig. Sollten es abtrünnige Jäger sein? Das wäre ein ungeahnter Glücksfall. Sie schlachteten uns ab, überfielen friedliche Gemeinschaften. Nichts war ihnen heilig, sogar vor Kindern machten sie keinen Halt.
Das erinnerte mich wieder an die kleine Nachtigall. Eine Mädchenstimme voller Freude voller Leben holte mich aus meinem Schmerz. Einen Schmerz, der tief in mir wurzelte in der weißen blendenden Unendlichkeit. Noch heute hörte ich Sie. 

Frère Jacques, Frère Jacques
Dormez-vous, dormez-vous?

Summte ich traurig vor mich hin. Ich lauschte nur ihrer Stimme die reine klare Kinderstimme. Eingesperrt in einem feuchten dunklen Gewölbe hallte der fröhliche Gesang in meinen Kerker. Der erste bewusste Gedanke nach dem Schmerz.
Auch sie wurde ohne Gnade abgeschlachtet. Die Erinnerung holte mich wieder ein. Vor wie vielen Monden war es? Ich wusste es nicht, mein Zeitgefühl ließ mich oftmals im Stich.
Damals war ich eingesperrt in dem Gewölbe. Allein mit nichts als der Dunkelheit, die mich umgab und ihn mir wohnte. Wie aus dem nichts kam der Gesang, hallte in den hohen Decken wieder. So schön so ruhig so voller Leben. Ich horchte horchte der Melodie auch als sie schon lange verstummte hockte ich in der dunkelsten Ecke und hörte sie.
Der Gesang meine erste bewusste Wahrnehmung. Man bemerkte die Veränderung an mir. Ich kann nicht sagen wer doch wurde ich zu anderen Jungvampiren gebracht. Nachdem sie mich mit Gewalt aus meinem Kerker holten.
Seitdem ich die Nachtigall singen hörte, konnte ich mich erinnern. Oh ja jedes Wort, jeder Hieb, jede Gemeinheit saß fest in meiner Erinnerung. Ich nahm alles um mich herum wahr versuchte zu verstehen. Die wilden Jungvampire in unseren Gefängnissen, die oft gewechselt wurden. Die langen Fahrten mit den verschiedenen und neuen Gerüchen. Bis ich verstand, dass auch ich ein Jungvampir war.
Wir waren Wilde – es gab nur ein Gesetz das des Stärkeren. Das lernte ich auf schmerzhafte Weise immer wieder aufs Neue.
Ja bis eines Tages die Nachtigall erneut sang.
Ein Menschenkind! Man stelle sich vor ein Kind vor Jungvampiren! Wir rochen ihr Blut, die Nahrung, die sie für uns bedeutete. Unbeeindruckt betrachtete sie uns und trällerte los. Ich erkannte die Stimme sofort, so klar wie Quellwasser berauschte sie meine Sinne. 
Es gab einiges Gerangel, bis ich meine Mitgefangenen zur Räson brachte. Doch schließlich herrschte Ruhe, ich konnte ihr ungestört lauschen. 
Geirrod sperrte mich daraufhin in eine extra Zelle. Die Hiebe, die er mir verabreichte, spüre ich noch heute. Es war mir egal sogar lieber. Was hatte ich schon mit den anderen Jungvampiren gemeinsam. Nichts! Nur eines wurde mir bewusst – ich war stark! Stärker als sie. Aus meiner Zelle beobachtete ich sie wie sie vor Schmerz heulten. Sah ihre Verletzungen die langsam verheilten. Mitleid konnte ich für sie nicht empfinden wie oft quälten sie mich. Nein ich schaute zu, roch ihre Angst tat mich gütlich daran. 
Sie eiferten danach Geirrod zu gefallen, sie bemühten sich, seine Anforderungen zu erfüllen. Worüber ich nur verächtlich lächelte. 
Nur die kleine Nachtigall wollte ich hören, mehr verlangte ich nicht und sie kam sang mir vor. Sie sprach mit mir, sie verzog lustig ihr Gesicht oder sah mich ernsthaft prüfend an. 
Wieder half sie mir. Ich wurde mir bewusst, wie schmutzig ich war. Die langen verfilzten Haare, die mir ins Gesicht fielen. Dreckverkrustet am ganzen Körper. Das wilde Tier in mir verlor langsam an Macht, mein Verstand übernahm die Kontrolle. 
Es war nicht so, dass ich mir damals dessen bewusst wurde. Nein es kam schleichend. 
Besonders nach ihrem tot. Am frühen Abend kam ein alter Vampir. Ich spürte seine überragende Macht, sie umfloss ihn, verbreitete sich im ganzen Lager. Ehrfurchtsvoll beugten wir uns dieser Autorität. 
Nur die kleine Nachtigall sang ihr Liedchen unberührt von der Kraft des alten Vampirs. Sie tanzte und hüpfte wie am Abend zuvor und sang ihre Melodie. Es war ungewöhnlich ruhig in dieser Stunde zu ruhig. Der Gesang des Kindes geriet in den Hintergrund, es lauerte eine Gefahr tief im Wald. 
Eine Frau kam hinaus, die Mutter wahrscheinlich und nahm das Mädchen an die Hand. Da brach die Hölle los. Die Frau stürzte sich schützend auf das Kind. Sie wurde im gleichen Augenblick von einem gut gezielten Schuss in den Kopf getroffen. Das Kind unter sich begrabend.
Wie ich aus dem Kerker entkam, konnte ich nicht sagen. Ich hatte nur Augen für das kleine Geschöpf das weinend unter dem Körper der Toten lag. Um mich herum wurde geschossen, geschrien gemordet und gestorben.
Ein wildes Durcheinander von Körpern, die sich bekämpften. Das kleine Ding in meinen Armen suchte ich uns einen sicheren Ort.
Sie war so leicht, ihr Lebensfluss strömte aus ihr heraus. Fest presste ich meine Hand auf die Wunde. Das Blut der Kleinen floss ungehemmt durch meine Finger, benebelte meine Sinne. Aber ich war stark Widerstand der Verführung ihres warmen Lebenssaftes. Sie wimmerte und wollte zu ihrem Papa. 
Da sah ich ihn! Den alten Vampir er kämpfte an Geirrods Seite. Geschmeidig, kühl, fast gelassen hieb und stach er auf seine Gegner ein. Ja er besaß Geduld, die Ruhe die in einem Kampf nötig war. Berechnend mähte er einen Gegner nach dem anderen nieder. Die Jäger hatten mit einer solchen Gegenwehr nicht gerechnet, so zogen sie feige zurück.„Damit haben die Lumpen nicht gerechnet, Corvin.“ Wandte er sich an den Alten.
Doch sie verrichteten ihr Werk indem sie die kleine Nachtigall verstummen ließen. „Papa, ich will zu meinem Papa“, wimmerte die Kleine. Aus der Deckung hervortretend rannte ich auf Geirrod zu. Er musste wissen, zu wem die Kleine gehörte. 
Weit kam ich nicht, der Alte stand mit einem Male vor mir. Den verzweifelten Blick auf mein Bündel gerichtet. Vor seiner Macht sank ich auf die Knie. Hielt ihm das Kind entgegen das er behutsam in seine Arme nahm. Niemals würde ich sie vergessen die kleine Nachtigall. Auch nicht den Schmerz, den der Vampir ausströmte, als er seine kleine Tochter in den Armen hielt. Versteinert hockte ich auf den Boden, litt mit dem Alten.
Geirrod aus vielen Wunden blutend, nahm mich am Arm und führte mich erschüttert weg. „Dass ausgerechnet du sie ihm bringst! Mein Gott!“ fuhr er sich durch das Gesicht. Tränen liefen ihm die Wangen herab, deren er sich keineswegs schämte. Dann war sie etwas Besonderes! Die kleine Nachtigall anderes konnte es gar nicht sein. 
Seit jener Nacht wurde ich nicht mehr eingesperrt. Geirrod begann mit meiner Ausbildung, eine harte schmerzhafte Disziplin, die ich zu gern auf mich nahm, denn jetzt galt es zwei Feinde zu vernichten, die Jäger sollten büßen. Meine Rache war ihnen gewiss.

Ich vernahm Stimmen! Sie holten mich aus meinen trübseligen Gedanken. Sie waren jetzt so nah, dass ich ihre Worte verstand. Sie sprachen französisch. Eine der Sprachen, die ich fließend beherrschte. Es gehörte mit zur Ausbildung. Nicht nur Kampftechniken nein auch gebildet sollte ich sein, grinste ich zynisch. Darauf beharrte mein Vater. Jetzt kam mir dieser Teil meiner Ausbildung gelegen. 
„Bist du dir sicher? Der Treffpunkt liegt wirklich so tief im Wald?“ 
„Ja! Und wenn du mich noch einmal fragst, bekommst du eins aufs Maul.“ Schweigend gingen sie weiter. Der Mann unter mir musste sie ebenso gehört haben, zumindest die Stimmen. Er duckte sich jetzt noch tiefer, sein Herzschlag erhöhte sich weiter. Er verhielt sich ruhig.
Warum gab er sich nicht zu erkennen? Er hätte schon längst ihre Aufmerksamkeit auf sich richten können. Nein, er wartete ab. 
Die drei Männer gingen an sein Versteck vorbei, er rührte sich nicht. Erst nachdem einige Meter zwischen uns lagen, folgte er ihnen jede Deckung nutzend. 
Ah, welch ein Spiel! Der Gejagte war Jäger zugleich. Nun ich wollte wissen, mit wem sich die Franzosen treffen wollten. Der Mann würde mir nicht entkommen.
Hoffentlich bekam Geirrod von dieser neuen Begebenheit etwas mit. Doch ich machte mir umsonst Gedanken. Er verfolgte das gleiche Ziel und überholte den Mann, die drei Männer nicht aus den Augen lassend. 
Die Jagd begann! Frohlockte ich, vielleicht war es ja wirklich ein Treffen der Mörder. Das konnte uns einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Sie waren gut organisiert bisher konnten wir den Kopf der Bande nicht ausmachen. Die Hierarchie innerhalb dieser Mörderbande war gut geplant. 
Kein Jäger kannte all seine Mitverschwörer allenfalls ein oder zwei persönlich. Das waren in meinen Augen nur Laufburschen. Meuchelmörder denen fehlte der Verstand, solche groß angelegten Überfälle zu planen. 
Sollte es eine Versammlung sein, konnten wir einen der Drahtzieher ausmachen. Wer weiß, wohin der uns führte. Doch immer eins nach dem anderen. 
Der Mann schlich noch immer Deckung suchend hinter den Dreien her. Geirrod befand sich zwischen ihnen. Und hinter mir stahl sich Livio mein Bruder heran. 
Er konnte die ganze Sache vermasseln, in seinem Wahn mir zu schaden. Seufzend ließ ich mich zurückfallen. Den Mann würde ich schnell einholen. 
Livio kam näher, er war sich seiner Sache sicher, zu sicher. In einer anderen Situation würde ich ihn überlisten, doch das hier war zu wichtig. Also lenkte ich seine Aufmerksamkeit auf mich.
Er stockte, wartete ab, dazu hatte ich keine Zeit. Flink näherte ich mich ihm. „Was willst du?“ duckte er sich in Angriffsposition. 
„Hör zu! Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen. Wir verfolgen drei Franzosen sie wollen zu einem Treffen. Der Mann, den ich beschatte, beobachtet sie ebenfalls. Alarmiere Vater! Vielleicht ist, dass die Gelegenheit auf die er wartet!“ Wandte ich mich schon wieder ab.
„Von dir nehme ich keine Befehle entgegen!“, knurrte Livio barsch. 
„Dann lass es sein! Aber ich werde Vater später Bericht erstatten. Falls sich meine Vermutung bestätigt, will ich nicht in deiner Haut stecken.“ Meinte ich gleichgültig. 
Er würde es nicht wagen unseren Vater unwissend zu lassen. Indessen holte ich den Mann ein, er war ein gutes Stück vorangekommen. Auch die drei Männer schritten nun schneller aus, sie mussten in der Nähe ihres Versammlungsortes sein. 
Ja, dort waren eindeutig mehr Menschen, gut fünfzig nach meiner Einschätzung. Auf einer Lichtung nahe eines Flusses trafen sie sich. 
Keine Autos! Sie mussten aus verschiedenen Richtungen zu Fuß gekommen sein. Wie ich heraushörte, warteten verschiedene schon seit Stunden. 
Also liefen die Treffen ebenso geplant ab wie ihre Angriffe. Dass es sich um die Mörderbande handelte, daran zweifelte ich keine Sekunde mehr. Schwer bewaffnet gingen einige die Lichtung ab. 
Der Mann war gut versteckt, im Stillen musste ich ihm Respekt erweisen er verhielt sich klug. 
Geirrod kam, flüsternd lobte er mich, eine seltene Gabe seinerseits. „Ich habe Livio zurückgeschickt, er soll Vater benachrichtigen.“ Informierte ich ihn. 
„Sehr gut“, lobte er mich nochmals, „So können wir sie später verfolgen.“ Nickte er mir anerkennend zu. 
„Der Mann, den ich verfolgte, sitzt dort …“ 
Geirrod unterbrach mich ungeduldig. „Um den mach dir mal keine Sorgen. Er ist einer von uns.“ So, so in welche Falle sollte ich denn tappen? War das eine von Geirrods besonderen Einfällen?

 

 

Kapitel 2

 

„Geh ein Stück zurück und unterrichte Vlad. Sie werden nicht lange auf sich warten lassen.“

Zögernd begab ich mich auf den Rückweg. Es passte mir nicht, nun als Bote zu fungieren, doch ich musste auf meinem Lehrmeister hören.

Lieber wollte ich die Gesichter der Mörder studieren, es waren viele Männer anwesend. Aber auch Frauen! Was taten sie darunter? Griffen sie auch die Ortschaften an? Töteten sie mit der gleichen Abgebrühtheit Kinder?

Wenn ja so war keine dieser Frauen mehr sicher vor mir. Ich wusste, mein Vater instruierte die Krieger, die Frauen zu verschonen. Er empfand es als würdelos. Das schwache Geschlecht, pah! Sie waren hier, und wenn sie ebenso schuldig waren, verdienten sie den Tod.

Sie kamen, leise mit einer Geschwindigkeit, die mir noch fehlte. Nur gestandene Krieger konnten sich mit einer so lautlosen Schnelligkeit vorwärts bewegen.

Mein Vater stand wie aus der Erde gewachsen vor mir. „Du gehst ins Lager, es sind zu wenige Krieger dort. Livio hat das Kommando, Du wirst Dich ihm unterordnen.“ Befahl er mir.

„Vater das ist ungerecht. Schließlich habe ich sie entdeckt!“ wandte ich ein. Er warf mir einen strengen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete.

Wie ein geprügelter Hund schlich ich mich ins Lager zurück. Meinen Bruder unterstellt! Da konnte ich mich auf einiges gefasst machen. Er hasste mich aus welchen Gründen auch immer.

Livio war es, der mich in meinen Gefängnissen mit Gemeinheiten überschüttete. Immer schön heimlich dieser Feigling weder die Aufseher noch Geirrod oder unser Vater bemerkten etwas. Ich schwieg und wartete. Schon heute konnte ich besser mit mit den Messern umgehen als er. Oft genug sah ich ihm beim Training zu, ich kannte seine Schwachstellen, dafür studierte ich ihn. Damit ich ihm eines Tages alles heimzahlen konnte.

Wie erwartet bekam ich die niedrigsten Aufgaben. Er genoss seine Machtstellung und ließ es mich spüren. Ich durfte helfen das Lager abzubauen.

Aus reiner Vorsicht wollte mein Vater es verlegen. Auf meine Frage wohin gab Livio mir keine Antwort. Ich hätte es mir denken können, es war unter Livio`s Würde mir eine Auskunft zu erteilen. Schließlich war ich nur ein Jungvampir. Das Lager war verpackt verteilt auf mehrere Autos. Ich half die Latrinen zuzuschaufeln.

Als ich Vaters näherkommen bemerkte - er war nicht allein, ein Mensch war bei ihm. Nach dem Geruch war es der Mann, den ich verfolgte. Grinsend bemerkte ich voller Schadenfreude, das Livio von der Heimkehr Vaters nichts mitbekam.

Still und heimlich machte ich mich auf, um ihm entgegenzugehen. „Na! Mein Schatz wie weit seid Ihr?“ fragte Vater mich liebevoll musternd.

„Soweit fertig! Wir warten nur auf Euch. Wo sind die Krieger?“, den Menschen beachtete ich nicht, obwohl er mich anstarrte. Das tat man nicht, es war unhöflich, wurde mir eingebläut. Es juckte mich in den Fingern ihn zurechtzuweisen, aber Vater duldete seine Unverschämtheit, deshalb schwieg ich.

„Sie verfolgen die Jäger.“ Er gab mir Antwort, anders als mein eingebildeter Bruder. „Das ist Hendrik, Du wirst Dich kaum an ihn erinnern …“

„Vater zum letzten Male.“ Unterbrach ich ihn rüde, „Es interessiert mich nicht, ob ich ihn kannte. Jetzt bin ich Vulpe! Wenn er mich weiter so blöde angrinst, wird er mich kennenlernen. Sag ihm das!“

Vater lachte, „So ist sie, Hendrik! Aber wenn man sie näher kennenlernt, lernt man sie zu mögen.“

„Darauf lege ich keinen Wert, Vater. Ich will respektiert werden!“, inzwischen erreichten wir das Lager.

„Respekt muss man sich verdienen, Vulpe.“ Maßregelte er mich.

„Ich arbeite daran Vater!“ grinste ich ihn frech an. Er schlug mir leicht auf den Hinterkopf. „Dann kümmere Dich um Hendrik. Er wird im ersten Wagen fahren und uns den Weg weisen. Wir haben eine lange Fahrt vor uns.“

„Wohin geht es?“, fragte ich Vater.

„Rumänien, ab ins Heimatland!“ gab er mir Antwort.

„Ist es das?“ ich zweifelte daran, seitdem ich denken konnte waren wir niemals in diesem Land. Für mich gab es keine Heimat, dort wo ich mein Zelt aufschlug, war ich daheim.

„So, Vulpe heißt Du also. Ein seltsamer Name.“ Richtete der Mensch das Wort an mich. Menschen dachte ich verächtlich, sie waren schwach, sie töteten uns. Angewidert zog ich meine Oberlippe hoch.

„Vulpe Du wirst Dich benehmen!“, warnte mich Vater, „Du wirst mit Hendrik fahren, freunde Dich mit ihm an.“ Verlangte Vlad, das konnte ja heiter werden. Ich sollte mich mit einem Menschen anfreunden? Niemals!

„Du tust, was ich sage, ansonsten stecke ich Dich in einen Käfig.“ Vor mich hin knurrend gab ich nach. In den Käfig wollte ich auf keinen Fall und Vater machte keinen Spaß.

„Vulpe wird Dir eine angenehme Reisegefährtin sein, Hendrik.“ Der sah nicht so aus, als ob er meinen Vater glauben würde.

Zur Warnung zeigte ich ihm meine besonders schönen Eckzähne. „Komm mir zu nah und ich schlage sie Dir in die Kehle.“ Raunte ich dem Menschen leise zu. Nicht leise genug für meinen Vater, der sofort wieder bei mir stand. „Noch ein Ton Vulpe und Du bekommst die Peitsche zu spüren.“ Bleckte er seine Lefzen. Selten tat er das, umso bedrohlicher wirkte er nun. „Du bedrohst den Sohn eines Freundes. Hendrik ist Henrys Sohn, ihn mochtest Du doch leiden.“

Henry! Ja der war mir in guter Erinnerung. Zwar ein notorisch Besessener, der jede Nacht in ein anderes Zelt wanderte, um der Weiblichkeit zu frönen. Er war ein heiß begehrtes Geschöpf, das die Damen nur zu gern weiterreichten. Sie schwärmten von ihm und seinen Liebeskünsten. Zu meiner Verwunderung gab es keine Streitereien unter den weiblichen Vampiren. Eine klärte mich lächelnd auf, „Selten genug wissen wir, was für ein Liebhaber uns in dieser Nacht erwartet. Sobald wir uns einig sind, gibt es kein zurück mehr. Weder für ihn noch für sie. Leidenschaft und Lust werden gegeben und genommen. Bei Henry wissen wir, was uns serviert wird. Er ist ein fantastischer Liebhaber.“ Diese Art der Zweisamkeit stieß mich ab, da verzichtete ich lieber darauf. Zum Glück verschonte er mich mit seiner Aufdringlichkeit. Nein er sprach mit mir, als wäre ich ein vollwertiger Vampir. Zuerst misstraute ich ihm, konnte ja seine Masche sein. Nichts dergleichen, was ihn auch schlecht bekommen wäre. Nein Henry verhielt sich mir gegenüber anders.

„Das ist Henrys Sohn?“ Auch von seinem Sohn sprach Henry damals. „Warum sagst Du mir das nicht sofort?“, verlangte ich eine Antwort von meinem Vater.

„Weil Du lernen musst, die Menschen zu respektieren, Kind. Jeden Menschen! Nicht jeder ist grausam, Deine eigene Mutter war ein Mensch. Die ich sehr liebte!“, sagte er leise. Jetzt das wieder! Schweigend überließ ich mich seinen Wortschwall.

Hendrik, den ich aus den Augenwinkeln beobachtete hörte aufmerksam zu. Typisch Mensch, neugierig bis dort hinaus. Wem interessierte es noch? Meine Mutter? Sie lag vermodert in einem Grab, nur Vater kramte diese alten Geschichten wieder heraus. Heute Abend würde er sich wieder zurückziehen. Gut gemacht Vulpe! Verfluchte ich mich selbst. Denn das war eine Sache, die ich nicht ertragen konnte. Vlad Sardovan rührselig weinend in seiner Trauer. „Dad ich habe es doch nicht so gemeint. Es war doch nur ein Spaß. Hendrik hat es genauso aufgefasst. Nicht wahr?“ wandte ich mich an den Menschen.

Lächelnd bestätigte er meine Ausrede. Was mich verblüffte. Vater sah uns skeptisch an. Sollte ruhig der Zweifel an ihm nagen, es war mir nur recht! Hauptsache er vergaß darüber seinen Schmerz. „Siehst Du Dad, wir verstehen uns. Der Hendrik und ich.“ Meinte ich hölzern.

„Ich trau Euch nicht. Schon damals hat der eine den anderen gedeckt. Für meinen …“

„Dad bitte! Keine alten Geschichten. Sieh doch mal ich erinnere mich nicht und Du sagtest doch selbst, das sei gut so, oder?“ kuschelte ich mich an seine Brust.

Dies tat ich nur äußerst selten. Ich zeigte ungern Gefühle, das respektierte er. Umso williger verzieh er mir, wenn ich wie jetzt, seine Nähe suchte.

„Also gut, mein Schatz ich will Dir glauben.“ Küsste er sanft mein Haar und hielt mich fest in seinen starken Armen. Er ließ mich nicht mehr los! Geduldig harrte ich aus, irgendwann musste er mich ja freigeben. Doch er blieb wie angewurzelt stehen, schrie über meinen Kopf hinweg den Vampiren Anweisungen zu.

Sie saßen schon alle abfahrbereit in den Fahrzeugen und warteten. Nur Vater und ich standen noch eng umschlungen da. „Das nächste Mal Vulpe werde ich Dich mit roten Schleifen im Haar wie ein Baby tragen.“

Schnaufend versuchte ich mich zu befreien. Vergeblich er war zu stark. Lächelnd sah er mich an. „Du bist ein niederträchtiges kleines Miststück. Deinen Vater so zu manipulieren zu wollen. Versuchst Du es noch mal, weißt Du, was Dir blüht.“ Drohte er mir, was ich keineswegs auf die leichte Schulter nahm.

„Ja Dad, verzeih!“, diesmal meinte ich es ernst und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Mach mir keine Schande, Vulpe.“

„Keine Sorge ich werde dem Men…, ich meine Hendrik, kein Haar krümmen. Solange er mir von der Pelle bleibt.“ Schränkte ich ein, mein Kinn kämpferisch vorstreckend.

„Mehr kann ich nicht erhoffen.“ Ließ er mich nun gehen.

Im Wagen saß Hendrik hinter dem Steuer. In meinen Wagen! Ich schluckte meine Äußerung hinunter, wohl bewusst wer mich beobachtete und stieg auf der Beifahrerseite ein.

Schmollend sah ich die Landschaft an mir vorüberziehen. Dem Menschen machte es anscheinend nichts aus neben einen Vampir zu sitzen. Nun musterte ich Hendrik genauer. Er sah gut aus ganz wie sein Vater. Zudem besaß Hendrik sein leichtsinniges Lächeln.

„Vulpe!“

„Ja?“

„Ach nur so“, schüttelte er leicht den Kopf, „wie ich schon sagte ein seltsamer Name. In meiner Sprache bedeutet er Fuchs oder Füchsin.“

„Ich weiß, denn ich spreche mehrere Sprachen.“ Antwortete ich ihm hochnäsig. Was wenn er sich bei Vater beschwerte? Ich musste vorsichtig sein. Deshalb fuhr ich freundlicher fort, „Vater hat besonders auf Rumänisch gedrungen. Weil dort ja unsere Heimat liegt.“ Setzte ich Heimat in Anführungszeichen.

„Schließlich sind wir Sardovan! Darauf solltest Du stolz sein. Warte, bis Du erst die Festung siehst, dann kommt das Gefühl von ganz allein.“ Versicherte er mir überzeugend.

„Wie Du meinst.“ Gähnte ich gelangweilt. Meine Meinung über Heimat für mich behaltend.

„Soll ich Dir etwas über die Festung und deren Erbauer erzählen?“, fragte er liebenswürdig nach.

„Nee, lass mal! Auf Small Talk kann ich gut verzichten. Sag mir lieber, wie viel Krieger Ihr zur Verfügung habt? Wie groß ist der Trainingsbereich? Wie gut lässt sich die Festung verteidigen?“ Das waren die Dinge, die mich interessierten.

„Du hast ein völlig verkehrtes Bild von der Festung, Vulpe.“ Zog er meinen Namen fragend nach. „Sie beherbergt Gäste, ein Teil ist ein Hotel.“

Entsetzt sah ich auf, „Du meinst, dort sind Menschen?“

Hendrik nickte, „Gäste und Angestellte ein sicherer Ort. Die Jäger werden sich hüten Menschen einer solchen Gefahr auszusetzen. Sie würden ihre Glaubwürdigkeit verlieren.“

„Sich hinter Menschen zu verstecken ist feige. Wir sollten gegen die Mörder mit aller Härte vorgehen.“

„Du teilst die Meinung deines Vaters nicht?“

„Nein! Ich habe miterlebt, wie sie Kinder abschlachten. Uns nennen sie Ungeheuer dabei sind sie die Bestien.“ Schlug ich mit voller Wut auf das Armaturenbrett ein. So, dass es splitterte.

Hendrik schwieg eine Weile, traurig meinte er. „Auch ich wollte Rache, als …“ erschrocken hielt er inne. „Lassen wir das, es weckt nur traurige Erinnerungen.“

„Du solltest sie dir ständig vor Augen halten. Dann weißt du, wofür du kämpfst.“ Ich verstand ihn nicht. Den Schmerz die Trauer zu verdrängen hieße doch zu vergessen. Nein das kam für mich nicht in Betracht. „Nun erzähle schon!“, forderte ich ihn auf.

Hendrik seufzte kurz auf, „Wie du willst. Meine Freundin, sie war wie eine kleine Schwester für mich. Kurz gesagt sie wurde von einem Jäger regelrecht aufgeschlitzt. Sie war weg, einfach nicht mehr da von jetzt auf gleich.“ Atmete er tief ein und aus. Mir viel auf das er gesunde Lungen besaß. Schon komisch das, das schwer Erlernte so einfloss.

„Damals wollte ich Rache, ich war wie von Sinnen. Doch mein Vater und … ein Freund!“, unterbrach er stockend, „sie brachten mich zur Vernunft. Sie fragten mich, wem es half, wenn ich blindlings meiner Rache nachging? Eines Tages würden ihre Mörder Fehler begehen darauf sollte ich warten. Mich in Geduld üben! Selbst er … das tut jetzt nichts zur Sache. Jedenfalls warte ich seitdem.“ Er sah mich an, „Sag mir Vulpe wie denkst du darüber?“

„Geduld ist das Werkzeug eines guten Kriegers. Dein Vater ist klug genug um dies zu wissen.“

„Das hilft aber nicht gegen den Verlust! Den Schmerz zwei Freunde zu verlieren. Endris er …“ seine Stimme brach schweigend starrte er auf die Straße.

Dies Gefühl konnte ich nicht nachempfinden, dagegen schrie meine Seele qualvoll auf. Deshalb hielt ich mich vor jeglicher Freundschaft fern. Es war nicht so, als ob ich nicht wollte, nein ich konnte einfach nicht. Da war diese weiße Wand, hinter der ein Schmerz saß, an dem ich ungern zurückdachte.

Nur dieses kleine Mädchen fand durch ihren Gesang einen Weg. Einen Weg, der mich daraus befreite. Dahin wollte ich nicht zurück. Nur die Rache brannte in mir, war mir ein treuer Freund. Meine eigenen Gedanken zur Seite schiebend riet ich Hendrik an seine Rache festzuhalten.      

„Tust du das?“, fragte er mich leise, beinahe resignierend.

„Ja! Jeden Tag aufs Neue. Unerbittlich werde ich sie jagen, die Gesichter werde ich nie vergessen.“ Lange Zeit schwiegen wir, Hendrik brütete still vor sich hin.

„Heute hast du mich verfolgt.“ Räusperte er sich vernehmlich, „so sagte Geirrod. Da kann ich mich ja glücklich schätzen, dass ich noch lebe.“ Meinte er frech. Er wollte also das Thema abschließen.

Für mich machte das keinen Unterschied, ich sollte mich benehmen das tat ich. Die Androhung Vaters nicht vergessend. So antwortete ich dem Menschen. „Es gehörte nicht zu meiner Aufgabe einen Menschen abzumurksen. Du warst keineswegs in Lebensgefahr.“ Grinste ich ihn schief an. Er konnte ruhig ein wenig Angst vertragen. Verschreckt würde er mich in Ruhe lassen.

Leider ging er darauf nicht ein. „Welche Prüfung solltest du denn bestehen?“, wollte er wissen.

„Manipulieren! Ich sollte einen Mann dazu bringen zu pinkeln.“ Beantwortete ich seine Frage kurz angebunden.

„Keine allzu schwere Aufgabe, denke ich.“ Konnte oder wollte er nicht verstehen, fragte ich mich ernsthaft.

Nun vertiefte ich mein Grinsen, ließ dabei meine Zähne funkeln. „Dabei solltest du Tanzen wie eine Ballerina. Geirrod steht auf den sterbenden Schwan.“

Hendrik reagierte darauf total anders, als ich dachte. Er lachte! Lauthals brüllte er vor Lachen. Verwundert beobachtete ich ihn. Noch nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der so lachte. Wir lachen selten, höchstens mal ein Lächeln meistens ein kurzes Grinsen das war es schon.

Er weinte dabei! Komisch diese Menschen. Lachten und weinten zugleich. Damit ich seine Gefühle nicht verletzte, sah ich stur geradeaus. Peinlich, es war wirklich nur peinlich.

Kapitel 3

 

Tränen bedeuteten Schwäche! Wie konnte ein Mann deswegen weinen? Verachtend streifte mein Blick ihn. Ungeniert rieb er sich die Tränen fort. Wie anders wir doch waren, niemals habe ich einen Vampir weinen sehen.

Stimmt nicht! Erinnerte ich mich - doch damals war es keine Schande. Wir trauerten um die kleine Nachtigall. Selbst Geirrod war zutiefst erschüttert. Danach waren sie alle einige Tage anders, sogar zu mir. Geirrod schloss mich nicht mehr ein. Livio ließ mich in Ruhe.

Dann kam Vlad, kannte er das Kind? Wortlos nahm er mich tröstend in die Arme. Mich! Erst da begriff ich, wer er war - mein Vater. Er begleitete den Alten und seine leblose Tochter. Erst nachdem sie abgereist waren, normalisierte sich das Leben im Lager.

Bevor sie aufbrachen, schlich ich mich zu ihr. Sie lag so friedlich da, als schliefe sie. Lange sah ich in ihr Gesicht und steckte ihr als letzten Gruß eine Feder zwischen den Händen. Die Feder einer Nachtigall.

„Vulpe du siehst traurig aus. An was denkst du?“ wischte sich Hendrik die Nässe aus dem Gesicht. Er hörte mit dem Geplärr auf. Das war gut, so konnte ich ihn wenigstens ohne Abscheu ansehen.

„Du musst dich irren! Ich bin nicht traurig.“ Meinte ich gereizt.

„Wie du willst.“ Zuckte er die Schultern hoch. „Wir werden an der nächsten Raststätte halten. Es ist nicht mehr weit bis zur Grenze. Außerdem sollten wir eine Wache zurücklassen. Wer weiß, ob man uns verfolgt. Der Übergang ist bisher unentdeckt geblieben.“

Ich nickte. Dieser Übergang war mir unbekannt. Wir besaßen zu jedem Land innerhalb Europas solche Passagen. So umgingen wir die Grenzenposten, manchmal konnten wir mit den Autos hindurch, andere mussten zu Fuß überquert werden. Ich fragte Hendrik, welche Art er war.

„Wir können mit den Wagen hindurch. Nur sollten wir jegliche Spuren beseitigen, deshalb würde ich gern mit Vlad reden.“

Auf dem Rastplatz erzählte Hendrik von den neuesten Vorsichtsmaßnahmen. Handys sollten ausgeschaltet werden. Da die Jäger einige überwachten, welche alle betroffen waren, konnte er nicht sagen.

Des Weiteren teilte Vater Hendrik und mich zur Nachhut ein. Wir sollten die Straße überwachen, falls wir beobachtet wurden, mussten wir die Jäger auf eine falsche Fährte locken. Die Wagen fuhren los während Hendrik und ich langsam folgten.

„Sieh dir die Wagen die uns überholen genau an.“ Das musste er mir nicht sagen doch ich hielt meinen Mund und konzentrierte mich auf die vorüberfahrende Blechlawine. Wir verließen die Autobahn und fuhren durch bewaldete Gebiete. Mir fiel ein Wagen auf, der bog jedoch nach einer Weile ab.

„Keine Gefahr für uns, dorthin geht es zu einer Ortschaft.“ Meinte Hendrik gelassen. „Gleich halten wir an, etwa fünfhundert Meter weiter ist unser Tross rechts abgebogen. Willst du die Gegend überprüfen?“

„Ja, wer weiß, wer noch in den Büschen lauert. Dort ist doch ein guter Platz um den Wagen zu verstecken.“ Wies ich ihn auf eine schwer einsehbare Lichtung hin.

„Weiter vorn gibt es eine bessere Möglichkeit.“ Meinte er und fuhr weiter.

Mein Gespür warnte mich. „Dreh um!“, verlangte ich, Hendrik fragte nicht sondern drehte bei erster Gelegenheit. Erstaunt sah ich ihn fragend an. „Du diskutierst nicht erst?“

„Eines weiß ich Vulpe!“, betonte er meinen Namen wieder sonderbar. „Wenn du sagst, dreh um dann brauche ich nicht zu fragen.“

Noch immer sah ich ihn skeptisch an. „Verdammt!“ hieb er auf das Lenkrad ein, „Also gut! Ob es dir passt oder nicht. Ich kannte dich, als du noch ein Mensch warst, da vertraute ich dir. So sehr hast du dich nicht geändert, ergo vertraue ich dir weiterhin. Jetzt kannst du mich zur Schnecke machen, wenn du willst.“ Grinste er mich an.

„Merke dir nur eines!“, warnte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen. „Ich bin Vulpe! Kein Mensch mehr. Sprich mich nie auf die Vergangenheit an, verstanden.“

Er willigte betrübt ein, meinte dann aber lächelnd, „Sympathie und Antipathie scheinen keinen Einfluss auf die Wandlung zu haben. Ich weiß - du magst mich!“ schmunzelte er dreist.

Kopfschüttelnd stieg ich aus den Wagen, der war wirklich nervig.

„Ich habe doch Recht, Vulpe! Du kannst es ruhig zugeben, ich mag dich auch.“ Rief er hinter mir her. Das musste ich sofort beenden.

Schnell lief ich auf ihn zu, sah in sein erschrecktes Gesicht, als ich mit einem Male vor ihm stand. „Ich habe meinen Vater versprochen, mich zu benehmen. Wenn es nach mir ginge, würde ich allein in meinem Auto sitzen. Bilde dir nichts ein, nur weil ich mit dir geredet habe. Mensch!“ zischte ich ihm leise ins Ohr. Das sollte genügen, in Zukunft würde er mich meiden. Ohne ein weiteres Wort lief ich in den Wald, die Bäume als Deckung nutzend.

Kurz darauf sah ich einen Wagen, ich wusste mit Sicherheit, dass er uns nicht überholte. Wie kam er also her? Oder waren es nur Reisende, die eine Rast einlegten? Den heißen Motor konnte ich spüren also stand er noch nicht lange hier.

Es saßen zwei Männer darin. Die Nacht war wolkenverhangen, kein Mond kein Stern zu sehen. Jedes Geräusch vermeidend schlich ich mich an die Beifahrerseite. Horchend kauerte ich neben dem Auto, sie sprachen kein Wort. Vorsichtig wagte ich einen kurzen Blick durch das Seitenfenster. Es sah aus, als beobachteten sie etwas im Wageninneren. Nur was fragte ich mich. Nochmals schnellte ich hoch, um in das Innere zu sehen.

Keiner der Männer sah auf, sie waren voll auf das blinkende Teil in ihrer Mitte konzentriert. Bei dem nächsten Versuch schaute ich länger und sah.

Ein Peilsender sie verfolgten unsere Kolonne mit einem Sender. Im ersten Effekt wollte ich sie vernichten, schon griff ich nach der Tür. Geduld ist des Kriegers Werkzeug! Und Vorsicht! Wer weiß, wie viele Jäger solch einen Peilsender bei sich führten und die Kolonne beobachteten?

Sofort machte ich mich auf den Rückweg. Hendrik wartete geduldig am Wagen gelehnt. Schnell erklärte ich ihm die Gefahr. „Was machen wir?“, fragte er abgebrüht, keine Spur von Panik.

„Als Erstes werde ich Vater warnen. Ich kann den direkten Weg durch den Wald nehmen. Danach werde ich zurückkommen und mir die Kerle vornehmen.“ Sagte ich gereizt, die gehörten ganz allein mir.

„Warte Vulpe ich habe eine Idee. Warne deinen Vater! Doch sie sollen weiterfahren und einen Rastplatz suchen. Inzwischen rufe ich Henry an, und zwar auf eine Nummer, von der wir wissen, dass sie abgehört wird. Ich werde ihm mitteilen, wo wir sind und ihm sagen, dass wir wie geplant in drei Tagen die Passage erreichen. Henry wird wissen, dass etwas faul ist. So gewinnen wir einige Tage für unser weiteres Vorgehen.“

„Für einen Menschen gar nicht so dumm.“ Spurtete ich los und lief so schnell, wie es der Wald zuließ. Nur ein Gedanke zählte sie einzuholen, bevor sie den Übergang nutzten. Sie fuhren langsam, so hatte ich eine gute Chance es rechtzeitig zu schaffen.

Bald darauf atmete ich erleichtert auf, dort waren sie. Vater fuhr im ersten Wagen, wie ich wusste. Den holte ich zügig ein und sprang auf das Dach. Durch das Seitenfenster stieg ich ein. Jetzt wurde mir bewusst, wie routiniert Vater war. Sobald ich auf den Wagen sprang, wusste er von einer Gefahr, ohne auch nur kurz vom Gas zu gehen, fuhr er unbeirrt weiter.

„Nun was gibt es?“ wurde ich begrüßt.

Er war mit Hendriks Plan einverstanden. „Gar nicht so dumm der Junge.“ Lobte er ihn. „In etwa fünf Kilometern gibt es einen perfekten Ort für eine Rast. Gut zu überwachen und weit genug vom Übergang entfernt. Sobald wir halten, überprüfst du alle Autos, jedes Gepäckstück und wenn du alles auseinandernehmen musst. Ich will die Sender! Nimm dir jede Hilfe, die du benötigst.“

„Sollte ich Hendrik nicht herführen er wird sich bestimmt sorgen.“ Wandte ich ein aber Vater verneinte, er durchschaute mich. „Sie zu töten bringt uns nicht weiter Vulpe. Sie werden uns folgen und Hendrik wird uns schon finden. Die Sender sind wichtiger, du darfst keinen übersehen.“ Sagte er eindringlich. Sobald wir hielten, fing ich mit meiner Suche an. Allein! Ich vertraute keinem genug. Sie waren an drei Autos befestigt.

Diese Wagen waren zuvor in der Werkstatt. Bisher konnten wir dem Mechaniker vertrauen. Vater hielt zu dem Mechaniker, aus seiner Sicht musste sich ein Jäger in der Werkstatt befinden.

Unsere beiden Verfolger wurden überwacht, sie warteten in sicherem Abstand von uns. Hendriks Plan funktionierte.

Am Tage hörte sich Vater die verschiedenen Vorschläge der Vampire an. Die einen wollten die Jäger weglocken. Andere meinten, sie angreifen um Informationen von ihnen zu erhalten. Wozu ich gehörte.    

Wieder war es Hendrik, der die zündende Idee hatte. Ich musste widerwillig eingestehen seine war die beste Möglichkeit. Die Sender sollten wieder an den Autos befestigt werden. Gemeinsam würden wir am Abend losfahren. Dann aber sollte ein Wagen nach dem anderen aus dem Tross ausscheren und hierher zurückkehren. Die drei verwanzten Wagen sollten weiterfahren und die Jäger in die Irre führen.

Wie geplant fuhren wir los. Die Nacht nutzend blieb ein Wagen nach dem anderen zurück. Hendrik und ich waren die Letzten, die ausscherten. Als die Jäger an uns vorbeifuhren, schlugen wir den Weg zurück ein.

Schon als wir in das Waldgebiet hineinfuhren spürte ich sie. Viele Vampire, die die Straße beobachteten. Hendriks Vater musste sofort Verstärkung losgeschickt haben. „Wie lange fahren wir bis zur Festung?“

„Einige Stunden circa sieben, schätze ich. Wieso fragst du?“ fuhr er langsam weiter.

„Oh ich frage mich, wie die Krieger so schnell herkamen?“

„Ein Anruf genügt. Wir Sardovan´s leben weit zerstreut in Rumänien und nicht nur in diesem Land. Sondern überall in Europa. Ich dachte, das weißt du?“

Bog er nun von der Straße ab auf ein dichtes mannshohes Gebüsch zu, in das er in Schrittgeschwindigkeit hineinfuhr. Rechts und links standen Krieger, die das Gebüsch vorsichtig beiseite drückten. „Da ist Till! Sie sind von der Festung hergekommen.“ Winkte Hendrik dem Vampir zu der mich mit offenem Mund anstarrte. Was für ein hirnloser Idiot so zu starren.

Der Übergang erwies sich als Tunnel quer durch einen Berg. Sofort spürte ich die mächtige Präsenz mehrerer alter Vampire. „Wir sind nicht allein!“, informierte ich Hendrik.

„Ja das sieht ihm ähnlich, er lässt bestimmt die gesamte Umgebung überwachen.“ Kurbelte er das Fenster herunter. „Hörst du?“ lachte er mich an. Oh ja ich hörte eine laute krächzende Stimme, die in meinen Ohren schrill widerhallte, verzog ich die Miene.

„Rosmerta! Nimm dich vor ihren Stock in acht. Sie schlägt gnadenlos damit zu.“ Das wollte ich doch mal sehen. So einfach war es nicht mehr mich zu schlagen. Selbst Geirrod verfehlte mich mittlerweile des Öfteren. Mein Vorteil da ich kleiner und wendiger war als er.

Inzwischen hielt Hendrik den Wagen an. Ein Krieger kam auf uns zu.

Ich erkannte ihn sofort wieder, als er zu uns trat. „Hallo Corvin!“ begrüßte Hendrik den Alten, „Wir sind die Letzten! Ist hier alles glatt verlaufen?“

„Ja!“, antwortete Corvin kühl, „Fahr weiter und reihe dich ein.“ Befahl er. Hendrik gab ohne weiteren Gruß Gas. „So ist unser Boss, charmant wie immer.“

„Ich kenne ihn.“ Sagte ich, mich nach dem Vampir umdrehend, doch er stand nicht mehr dort. Hendrik sah mich überrascht an. „Du erinnerst dich?“, fragte er atemlos was ich schon merkwürdig fand.

„Ja sicher, zu der Zeit war meine Wandlung fortgeschritten. Er war mal in unser Lager, da habe ich ihn gesehen.“ Warum ich den Überfall unerwähnt ließ, wusste ich nicht. Oder doch, ich wollte keine alten Wunden aufreißen. Der Vampir würde mich nicht wiedererkennen. Zu sehr war er in seinem Schmerz verstrickt und Hendrik ging es nichts an.

Geordnet standen die Wagen unseres Trosses hintereinander. Hier herrschte kriegerische Disziplin. Ein jeder saß wartend da. Nur die Vampire der Sardovan patrouillierten den Tunnel.

Zu meiner Überraschung sah ich einen Vampir, der mit mir als Jungvampir in einem Käfig saß. Grimmig sah er mich an, lächelnd bleckte ich die Zähne. Zu gut erinnerte ich mich an ihn, er war einer derjenigen, die sich mit mir anlegten. Nachdem Geirrod beschloss mich wieder einmal zu den Jungvampiren zu stecken.

Jeden Abend die gleiche Zeremonie, nach dem Training bekamen wir unsere Nahrung. Danach fielen die Jungvampire übereinander her. Es war eine abartige Orgie der Leiber, bis hin zur Besessenheit kopulierten sie miteinander.

Der Rausch des Blutes weckte diese primitiven Neigungen. Ich hielt mich davon fern, sparte meine Kräfte für den nächsten Tag auf.

Das Training als Beste absolvieren, stur verfolgte ich den Plan. Ein Krieger wollte ich werden und nicht irgendeiner. Nein wie gesagt der beste Krieger wollte ich sein. Es war in mir - die Kraft, die Ausdauer, die Fähigkeit. Auch Geirrod sah es und trieb mich täglich zu Höchstleistungen an.

Nun jedenfalls sprang mich dieser Vampir an, in der Absicht mich unter sich zu begraben. Sein Pech dachte ich noch heute mit Genugtuung. Er ein starker angehender Krieger - lernte seine Lektion. Aus dem darauffolgenden Kampf ging ich als Sieger hervor. Von diesem Tage wurde ich endgültig allein in einem Käfig gesteckt.

Doch zuvor durfte ich Geirrods Peitsche genießen, er wollte mich brechen. Angekettet an einem Pfahl versagte er mir Nahrung, nur Hiebe bekam ich. Geirrod verlangte von mir Bedauern, was ich in keiner Weise empfand. Nein ich war Stolz, auf meine Kraft und auf meine Stärke.

An diesem Pfahl sprach ich das erste Mal. „Er hat es verdient! Mich rührt keiner an.“ Giftete ich meinen Henker an.

Geirrod verblüfft - sah mich mit seltsamem Ausdruck an. „Du kannst ja sprechen, Jungvampir. Sag mir doch eines, kannst du auch denken? Oder folgst du nur deinen Instinkten?“

Hämisch lachte ich ihn an, wusste ich doch, worauf er anspielte. Zusätzlich bekamen wir Unterricht. Wir sollten gebildet sein, lachhaft Vampire waren wir, zum Kampf geboren. An dem Unterricht beteiligte ich mich nicht, der war Zeitverschwendung!

„Du willst kämpfen?“ umrundete Geirrod mich mit gefletschten Zähnen. „Ja Vampir das sehe ich dir an.“ Forderte er mich heraus und ließ die Peitsche auf meinen Rücken tanzen.

Als ich keine Reaktion zeigte, meinte er dann, „Also gut! Du wirst von mir unterrichtet. Im Kampf!“

Er legte eine Pause ein und betrachtete mich sorgsam. Aufmerksam lauschte ich seinen Worten. „Du verstehst mich?“ ich nickte ihm zu. „Ah, das dachte ich mir. Doch nicht so stumpfsinnig, wie du immer tust. Lerne!“ verlangte er, „Mein Vorschlag, du beteiligst dich im Unterricht. Bemühst dich wie auf dem Platz, dann gebe ich dir zusätzliche Trainingseinheiten. Verstehst du mich?“

„Bin ja nicht blöd!“ fauchte ich ihn an.

Er lachte und rieb sich die Hände. „Wir werden sehen, Vampir. Wir werden sehen, wie blöd du bist.“ Er löste die Ketten und steckte mich allein in einem Käfig. „Noch was, Vampir. Ab morgen erscheinst du gewaschen. Du stinkst schlimmer als die Latrine.“

„Ist das ein Befehl?“ hockte ich mich in die Ecke des Käfigs. Er drehte sich langsam zu mir um. „Dein Hochmut kommt dir noch teuer zu stehen, Vampir. Du hast noch nicht mal einen Namen, doch arrogant bist du.“ Flüsterte er voller Zorn. „Das werde ich dir austreiben!“, versprach er mir.

„Vulpe!“, sagte ich einfach. Ja das war mein Name, ich wusste es in dem Moment, als ich ihn aussprach.

„Das ist kein Name, du Dummkopf!“, fuhr er mich an. „Vulpe“, sagte ich nochmals, diesmal kräftiger, überzeugender.

Geirrod schüttelte den Kopf. „Ja der passt zu dir, bist ja doch mehr Tier als Vampir.“ Ging er lachend davon. Von da an lernte ich jeden Blödsinn, den sie uns vorlegten und Geirrod hielt Wort. Ich bekam zusätzlichen Unterricht.

Kapitel 4

„He Vulpe, wach auf es geht weiter.“ Riss mich Hendrik aus meinen Gedanken. Aus den Wagen sehend sah ich die Betriebsamkeit vor mir. Vater kam auf uns zu, ich öffnete die Tür. „Vulpe hier hast Du Nahrung und zieh Dir das an. Keine Kampfmontur hast Du verstanden.“ Wies er mich streng an. „Hendrik es tut mir leid, für Dich gibt es keine Nahrung.“

„Macht nichts, ich hole mir nachher etwas.“ Winkte er ab, Vater nickte bestätigend. „Eure Route“, reichte er mir eine Karte. Hendrik beugte sich zu mir und las ebenfalls. „Ein schöner Umweg!“, bemerkte er.

„Ja Ihr kommt in den frühen Morgenstunden an. Corvin hat den Plan ausgearbeitet. Er will uns in Abstand von einer Stunde ins Hotel einquartieren. Noch etwas Vulpe Du wirst diesen Hut aufsetzen, bevor Du die Festung betrittst, und zieh Dir den Schleier vor das Gesicht.“

„Warum denn das?“, fragte ich entsetzt nach.

„Tu es einfach! Außerdem darfst Du Dich ohne Hut nicht aus deinem Zimmer begeben.“

„Vater das ist doch lächerlich! Ich werde nichts dergleichen tun.“ Widersprach ich vehement.

„Der Hut oder eine Zelle im Keller!“ ließ er mir keine Wahl.

Aufschnaufend nahm ich das Ungetüm entgegen. Was sollte denn das nun wieder, fragte ich mich sauer. „Hendrik achte darauf, dass sie ihn trägt.“ Ich grinste ihn gefährlich an, sollte er es auch nur wagen …

„Vulpe“, warnte Vater drohend.

Seufzend verdrehte ich ergeben die Augen. „Sonst noch was? Vielleicht sollte ich mich verschleiern? Wie wäre es mit einer Burka?“ fragte ich ironisch nach.

Die Augen meines Vaters blitzten erfreulich auf. „Sehr gut, Vulpe! Ich werde eine besorgen!“ stöhnend ließ ich mich in den Sitz fallen. „Das war doch nur ein Scherz Vater.“

„Nein, nein! Das löst einige Probleme. Ich werde Henry gleich benachrichtigen.“ Schlug er die Tür zu.

„Was ist eine Burka?“, fragte Hendrik nach.

Wollte er mich verkohlen? Nein er sah mich forschend an. „Ein Ganzkörperschleier!“ klärte ich ihn auf. Er verkniff sich sein Grinsen und hüstelte dezent. „Ich verstehe.“ Murmelte er angestrengt. Mit bösem Blick taxierte ich den frechen Kerl. Nun lachte er doch!

„Hör zu Vulpe. Das ist zwar ärgerlich für dich. Aber ich stelle mir gerade vor. Du mit deinem weitausholenden Schritten.“ Grinste er mich an, „und dann der ganze Stoff um deine Beine! Ich sehe es schon vor mir. Wie du damit kämpfst!“ nun lachte er wieder lauthals. Diesmal auf meine Kosten! Wütend drosch ich mit dem Hut auf ihn ein. Dabei achtete ich darauf, ihn keineswegs ernsthaft zu verletzen.

„Was ist hier denn los?“ wurde die Tür bei Hendrik aufgerissen. Der alte Vampir, Corvin! Schnell versteckte ich mich unter dem malträtierten Hut. „Du solltest losfahren Hendrik und nicht herumalbern.“, mit so einem Alten legte man sich besser nicht an.

Prüfend sah er in den Wagen. „Ein weiblicher Vampir?“, fragte er genervt nach, „Wie konnte Vlad dich zu einem Weib stecken? Ist er verrückt geworden?“ donnerte Corvin.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen Boss. Sie tickt nicht ganz richtig, deshalb kümmere ich mich um sie.“ Schnaufend knallte er die Tür zu.

„So ich ticke also nicht richtig, ja?“ fauchte ich Hendrik an.

„Naja das war das Erste, was mir einfiel. Oder willst du den ganzen Trupp aufhalten, nur weil Corvin alles umschmeißt?“ schaute er mich fragend an.

„Warum sollte er das?“ Hendrik grinste mich nun mit voller Breitseite an. „Ich bin ein beliebter Bursche!“ zog er spielerisch die Brauen hoch und zwinkerte mir zu.

„Auch das noch! Ein Weiberheld! Wie sein Vater. Sei´s drum.“ Zuckte ich die Achseln, „Hauptsache du lässt mich in Ruhe.“ Warnte ich in vorsichtshalber.

„Keine Sorge Vulpe, ich habe kein Interesse an dir.“

„Dann ist es ja gut!“ lehnte ich mich beruhigt zurück. Hendrik sah mich während der nächsten Zeit immer wieder von der Seite her an.

„Was ist?“, fragte ich gereizt nach.

Er schüttelte den Kopf, „Nichts!“ nach einer Weile seufzte er, „Oder doch! Vampire sind doch eigentlich recht leidenschaftlich, sie lassen keine Gelegenheit aus. Für sie ist Sex wichtig, doch du …“

Genervt verdrehte ich die Augen und sagte kein Wort. Hendrik warf mir einen Seitenblick zu, grinsend meinte er „Einiges ändert sich wohl nie.“ dabei grinste er mich blöde an.

Was immer er damit auch meinte, Hauptsache er ließ mich in Ruhe.

Unterwegs hielten wir einmal an, damit Hendrik Nahrung zu sich nehmen konnte. Angewidert lehnte ich sein Angebot ab.

„Aber sie alle Essen! Auch du musst es lernen.“

„Muss ich nicht!“, antwortete ich schnippisch. Warum sollte ich feste Nahrung zu mir nehmen? Eine Zeitverschwendung und dabei auch noch völlig nutzlos. Ich wusste Vater und Geirrod aßen zuweilen nur um des Vergnügens willen, damit konnte ich nichts anfangen.

Hendrik biss vergnügt in das labbrige Ding mit vollem Mund meinte er, „Auf der Festung wirst du essen müssen. Corvin hält jeden Abend ein gemeinschaftliches Diner, daran wirst du sicherlich teilnehmen.“

„Ich? Wohl kaum!“ schüttelte ich den Kopf, anscheinend kannte der Mensch die Hierarchie nicht so gut. Er kaute ungestört weiter, „Sicher wirst du, schließlich bist du …“

„… Vlad´s Tochter?“, unterbrach ich ihn dabei mochte ich ihn kaum anschauen es ekelte mich, wie er kaute – die Wangen dick, die Zähne verklebt, der Atem nach Zwiebeln und undefinierbares Zeug stinkend. „Das bringt mir keinerlei Vorteil ein. Weder bin ich ein Krieger noch alt, sondern nur ein Jungvampir, dem die letzte Prüfung fehlt. Wer weiß, wann ich sie nachholen kann.“ Überlegte ich bedauernd eigentlich sollte Hendrik von meinen Sorgen und Nöten nichts erfahren deshalb erschrak ich, als er mir antwortete. „Du siehst das zu verkniffen.“ Schluckte er den letzten Rest hinunter. „Sieh mal Diederich hat seine Isabel auch überall mit hingenommen, obwohl sie noch in der Ausbildung stand.“

Er redete von Vampiren, die mir unbekannt waren. Zwar hatte ich schon von Diederich dem legendären Krieger gehört – ein Vampir, der bei Vater und auch bei Geirrod hoch in der Gunst stand – persönlich kannte ich ihn aber nicht. Sowenig wie Isabel was ich ihm sagte.

„Ach verzeih, ich vergesse einfach, dass du keinerlei Erinnerungen besitzt. Wirklich schade, denn es gibt einige alte Freunde, die sich freuen werden, dich zu sehen. Vielleicht sollte ich dir doch erklären, wer …“

Knurrend unterbrach ich ihn, „Wenn dir deine Gesundheit am Herzen liegt unterlässt du das lieber.“ Meinte ich warnend. Inzwischen fuhren wir weiter, Hendrik sah stur auf die Straße seine Stirn in Falten gelegt.

„Na sag schon, was dir nicht passt!“, forderte ich ihn gereizt auf.

„Was mir nicht passt?“, fuhr er mich an und raste ohne einen Blinker zu setzen auf den Seitenstreifen bremste wie ein Irrer das Hubkonzert hinter und neben uns ignorierend. „Was mir nicht passt?“ wiederholte er dröhnend dabei schlug er mit der Faust gegen das Lenkrad. „Das will ich dir sagen Fräulein hochwohlgeboren! Du bist eingebildet, selbstsüchtig und völlig von dir eingenommen! Ich will nichts von meiner Vergangenheit wissen!“ schrie er mich an, „Ja was weißt du schon? Ist dir das Andenken eines Freundes der sein Leben für dich gab es nicht wert? Freunde die dich kannten, als du einer jener Menschen warst, die du heute so sehr verabscheust. Schau nicht so verblüfft unter deinen Freunden gab es Vampire, ja sie sind nicht so hochnäsig und verbohrt wie du, weißt du was, ich bereue? Dich vor Rosmerta gewarnt zu haben - soll sie dich mit ihrem Stock windelweich prügeln vielleicht kommst du ja so zur Vernunft.“ Japste er außer Atem mich wütend musternd, „So jetzt kannst du ja deine Beißerchen in meinen Hals schlagen … Jungvampir.“ Zog er angewidert seine Oberlippe hoch.

Nun war ich es, die stur aus dem Fenster stierte. Seine Worte trafen mich mehr als ich ihm und mir eingestand. Wer war er schon? Ein Mensch der sich mehr herausnahm, als gut für ihn war dachte ich, voller Abneigung. Und doch! Seine Worte trafen mich – ich wollte nicht dass er so von mir dachte. Ich war nicht eingebildet, noch hochnäsig ich wollte nur nicht zurück in den Schmerz, in der Einsamkeit jenes hellen Ortes, indem ich wie ein Schatten vor mich vegetierte. Was war ich damals schon ein reißendes ungezähmtes Tier – nein kein Tier führte sich so auf. Ich hab sie gesehen die Jungvampire gerade gewandelt – ein Haufen blutrünstiger Monster und dahin wollte ich auf keinen Fall zurück. Ich wusste nur zu gut, wie dünn der Grat war einen Moment der Unachtsamkeit einen Augenblick der Schwäche und aus war es mit der erlernten Disziplin bleiben würde nur das Monster.

Konnte ich Hendrik vertrauen? Konnte ich ihm erklären, welche Angst ich jeden Tag aufs Neue austrug? Wollte ich das überhaupt? Würde er ein Mensch den inneren Kampf verstehen? Bisher schwieg ich, teilte niemanden meine Ängste mit, weder Vater noch Geirrod, war es nicht Schwäche? Anscheinend kannten die anderen Vampire keine Angst, wie ich sie ausstand. Deshalb schwieg ich auch, wer weiß, wie sie mit mir verfahren würden. Auch davor hatte ich Angst, aus diesem Grund blieb ich für mich und nun sollte ich auf die Festung und dort lebten Menschen, schlimmer ging es kaum noch.

Hendrik beruhigte sich, ich spürte es an seinem Herzschlag das Blut in seinen Adern und Venen rauschte langsamer. Ich wagte einen kurzen Seitenblick in seine Richtung. Er saß wie zuvor mir zugewandt mich nicht aus den Augen lassend. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel dieses leichtsinnige Lächeln, das mich an seinen Vater erinnerte. „Weißt Du, ich bin bei Vampiren groß geworden. Natürlich kannte ich Menschen, doch nie zuvor war mir ein Mensch so vertraut wie Du und nun da Du gewandelt wurdest, ein Vampir bist, stelle ich fest wie sehr du dem Menschen gleichst, der du einmal warst. Unter all deinen Schutzhüllen bist du die Sarah, die ich kannte und wie eine Schwester liebte. Also für mich hat sich nichts verändert ich bin noch immer dein großer Bruder, dem du vertrauen kannst. Es liegt an dir, ob du das möchtest, ich werde dich nicht bedrängen, doch verschone mich mit deiner arroganten Art, denn dann werde ich dich zurechtstutzen.“ Er erwartete keine Antwort, startete den Wagen und setzte den Weg fort.

Eine lange Zeit schwiegen wir während ich mir die Lippen blutig kaute. „Wer war der Vampir, der sein Leben für mich opferte?“, fragte ich in die Stille hinein noch konnte ich Hendrik nicht ansehen.

„Endris“, sagte er leise, „Endris war ein Krieger, er wurde von Vlad beauftragt dich zu schützen mit dem Hintergedanken du könntest Gefallen an ihm finden. Aber ihr – wir wurden Freunde, er nahm alles sehr ernst, er war liebenswert einfach ein guter Freund und Kumpel. Er starb, als er dich beschützte ein verräterischer Vampir der es auf dich abgesehen hatte brachte ihn auf bestialische Weise um.“

„Wer? Und warum?“ horchte ich auf war es das Gesicht, das ich vor mir sah?

„Wer? Wahrscheinlich Dana sie verfolgte dich mit ihrem Hass. All das zu erklären ist nicht meine Aufgabe, frage Vlad. Nur eines will ich dir sagen jeder deiner Freunde würde für dich sterben so wie du es für sie tun würdest.“

Das klang nun doch sehr pathetisch, sodass ich grinsen musste. Hendrik hingegen warf mir einen tadelnden Blick zu, „Ziehe das nicht ins Lächerliche Sarah so ist es nun einmal.“ Ich sagte dazu kein Wort und verbesserte ihn auch nicht weil er mich mit Sarah anredete was ich bisher strikt ablehnte – ich bin Vulpe! Nichts blieb mir von jenem Menschen der ich einmal war egal was Hendrik auch meinte oder in mir sah.

Hendrik schnaufte und erzählte von Vampiren, die angeblich meine Freunde waren. Für mich waren sie Namen ohne Gesichter. „Till hast du ja gesehen, er stand am Eingang zur Höhle, der der dich anstarrte. Er ist unser Clown, ständig hat er einen Witz auf den Lippen oder heckt etwas aus, ein Schelm, dem die gute Laune niemals ausgeht. Fast nie jedenfalls.“ Schränkte Hendrik ein. „Bald werden wir die Festung erreichen“ wechselte er das Thema, „du wirst die Festung lieben es ist unser Heim.“

Heim! Dachte ich abschätzend, ich besaß kein Heim, brauchte kein Heim und keine Freunde. Was mich allerdings interessierte waren die Krieger, die dort lebten. Es mussten ausnahmslos gut ausgebildete Kämpfer sein besonders da es der Hauptstammsitz der Sardovan`s war. Hendrik lachte als er meine Annahme hörte, „Da irrst du dich aber gewaltig, Sarah. Diederich und Rosmerta sind die einzigen erfahrenen Krieger, die ständig auf der Festung leben. Rosmerta lebt seid einigen Jahren auf der Festung genau wie Diederich. Ansonsten noch Alia sie kümmert sich um das Hotel und Henry aber was genau die Aufgaben meines Vaters sind weiß ich nicht. Er ist wie Vlad mehr unterwegs als auf der Festung. Natürlich kommen oft Vampire zu Besuch oder erstatten unseren Boss Bericht. Aber Leben tun eigentlich nur eine Handvoll dort.“

„Aber wie kamen dann so schnell so viele Vampire zur Höhle?“, rätselte ich laut.

„Wie gesagt viele leben in Rumänien außerdem gibt es am Fuße des Festungsberges ein Dorf, dort leben Familien darunter Krieger. Alia muss nur einen Anruf tätigen und schon kommen die Krieger aus allen Teilen Europas zusammen.“

„Aber warum will Vater dann gerade auf eine unbewachte Burg, die mangelhaft bewacht wird? Das verstehe ich nicht?“

Abermals lachte der Mensch, „Ich habe nicht gesagt das die Festung nicht gut bewacht oder unsicher ist. Alia ist ein Technikfreak wir besitzen ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem, ich glaube, kein Nieser entgeht Alia´s wachsamen Augen, aber schau dort ist Vlad, komisch das er uns schon hier abfängt.“ Lenkte er den Wagen an den Straßenrand.

Vlad kam geschwind auf uns zu und riss die Tür auf bevor ich sie öffnen konnte. „Hallo“ grinste er, „Bei euch alles in Ordnung?“ er tat überaus fröhlich, doch seine Augen blickten mich sorgenvoll an.

Hendrik nickte ihm beruhigend zu, „Keine weiteren Vorkommnisse was ist mit den Jägern?“

„Welchen? Die aus dem Wald? Sie haben uns zu einem Anführer gebracht das denken wir zumindest und die uns beobachteten kratzen sich verwundert die hohlen Köpfe.“ Rieb er sich die Hände, „Nun zu dir Vulpe hier ist die Burka, zieh sie an und lege sie nicht ab außer du bist in deinem Zimmer. Morgen wird Geirrod deine letzte Prüfung vornehmen. Danach werden wir sehen, wo wir dich einsetzen, du wirst also nicht lange auf der Festung bleiben und die Burka tragen müssen.“ Reichte er mir ein verschnürtes Paket an Hendrik gewandt meinte er, „Du kannst direkt in den Hof fahren, Ross wird sich Vulpe annehmen du sagst kein Wort über sie. Vulpe du tust was Ross dir sagt und versuche ihn nicht zu übertölpeln er ist für dich verantwortlich.“

Bevor ich widersprechen konnte schlug Vater mir die Tür vor der Nase zu und verschwand im Gebüsch. „Was soll denn das?“, fragte ich genervt Hendrik zog ebenso ratlos die Schultern hoch, „Wer weiß!“ meinte er lahm, „Ich habe mir das auch anders vorgestellt und dachte ich könnte dir wenigstens die Festung zeigen. Vielleicht auch einige deiner alten Freunde, wie es aussieht fällt das wohl ins Wasser.“

„Ich lass mich doch nicht wie ein kleines Kind einsperren!“ hieb ich entrüstet auf das sowieso schon lädierte Armaturenbrett.

„Besser du hörst auf das, was Vlad sagt, mit Ross, ist nicht gut Kirschen essen. Rosmerta hat ihn mitgebracht als sie aus Fenils kam. Mir ist er nicht ganz geheuer, er schleicht überall herum und taucht wie aus dem nichts auf. Sagt kaum was und wenn dann bekommt er die Zähne kaum auseinander aber Rosmerta vertraut ihm und das genügt Corvin vollkommen.“ Riet Hendrik mit erhobenem Zeigefinger.

Ross! Ein weiterer Vampir und Aufpasser der mir das Leben zur Hölle machte so wie mein lieber Bruder? Oder ein Lehrer wie Geirrod? Ich sollte abwarten, wieder einmal warten!

Ganz die gehorsame Tochter zog ich den Ganzkörperschleier an. Hendrik besaß soviel Selbstbeherrschung und prustete nicht sofort los, sondern erst nach einigen Minuten. Was auch besser für ihn war will ich meinen denn meine Laune erlangte einen absoluten Tiefpunkt. Zum Glück brach bereits die Nacht herein als wir in den Innenhof der Festung fuhren.

Viel konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen nicht das ich nichts sah – die Gebäude, den eintönigen Hof, die hohe Mauer die ringsum um die Gebäude lief, all das sah ich, doch gab es keinerlei Hingucker, trist war schon sehr schmeichelhaft ausgedrückt, fand ich.

Wie erwartet stand dieser Ross vor einem hell erleuchteten Gebäude, wie Hendrik mir mitteilte das Hotel. Der mir fremde Vampir blieb dort stehen er sah uns regungslos zu, wie wir ausstiegen.

Ich konnte nicht spüren wie alt er war, es war, als wäre er überhaupt nicht da, obwohl ich ihn mit meinen Augen sehen konnte. Das war sehr ungewöhnlich, dieser Vampir konnte jünger als ich sein oder uralt das verunsicherte mich. Dann dachte ich, er kann nicht älter als das Oberhaupt der Familie sein ansonsten würde er sich einen Platz in der unmittelbaren Umgebung Corvin´s aufhalten und nicht als Lakai und Diener Gäste und Vampire bewirten wie Hendrik mir mitteilte.

„Ross!“, sprach mein Begleiter den Vampir freundlich an. „Das ist Sarah oder wie sie gern genannt wird Vulpe.“

Ross musterte mich von oben bis unten obwohl er mich nicht durch die Burka sehen konnte, bekam ich das unangenehme Gefühl er blicke in den tiefsten Gedanken meiner Seele. „Da ich vermute das unter dem Schleier kein Tier steckt, werde ich dich Sarah nennen.“ Das klang eher nach einem Befehl statt einer logischen Schlussfolgerung. „Du kannst mir folgen ich weise dir einen Raum zu. Halte dich nicht weiter auf und schreite zügig hinter mir her. Dein Vater wünscht keinerlei Aufsehens. Hendrik du kannst dich in deine Gemächer zurückziehen kein Wort über unseren Gast!“ damit wandte er sich dem Eingang zu.

Wenn er dachte ich käme ohne Weiteres seiner Aufforderung nach, so irrte er gewaltig. Ich würde mich von Hendrik verabschieden wer weiß  wann ich ihn wiedersehe und ich gab es ehrlich zu – ich mochte den Menschen auch wenn er überaus nerven konnte. „Hendrik“, sagte ich ihm die Hand entgegenstreckend wie es Menschen tun, „Es hat mich gefreut dich kennen zulernen.“

Hendrik reagierte ganz anders als ich dachte, er kam mit einem breiten Grinsen auf mich zu und umarmte mich herzlich. Völlig aus der Fassung gebracht stotterte ich einige Dankesworte die Hendrik mit einem Kopfschütteln unterbrach, „Sarah wir werden uns sicher noch sehen, Besuch darf sie doch erhalten?“ fragte er Ross.

„Sicher!“, antwortete Ross einsilbig.

„Na siehst du, ich komme später vorbei.“ Versprach er zuversichtlich.

 

Kapitel 5

 

„Sicher!“, antwortete Ross einsilbig.

„Na siehst du, ich komme später vorbei.“ Versprach er zuversichtlich.

Irgendwie glaubte ich nicht daran. Vater wirkte ungewohnt streng und Ross sah so aus, als würde er Vater aufsuchen nur um zu fragen, ob ich Besuch empfangen durfte. Ich sah überhaupt alles schwarz, wahrscheinlich ließ ich mich von der Düsternis der Festung beeinflussen.

Denn selbst die Halle wirkte auf mich bedrückt, die Gänge durch die mich Ross führte, das Zimmer, indem er mich unterbrachte, alles drückte mir aufs Gemüt. Ja Traurigkeit lag in jedem Stein, in jeder Ritze der Festung durchwaberte sie regelrecht. „Ist es immer so düster hier?“, fragte ich Ross, während ich mich im Zimmer umsah.

„Ob es immer so war kann ich nicht beantworten, bin erst einige Jahre auf der Festung. Das Bad ist gleich nebenan.“ Wies er auf eine Tür, „Ist das alles an Gepäck?“ schaute er auf meinen Rucksack.

„Ja“, ließ ich meine Habe auf den Boden fallen.

„Ich bringe Dir gleich Nahrung, ach noch etwas Alia hat in jedem Raum eine Kamera installiert falls Du deine Intimsphäre wahren möchtest hänge einfach etwas davor.“ Sofort schaute ich mich um und entdeckte sogleich den kleinen Spion.

„Warum denn das und warum warnst du mich?“

„Die Kameras sollen uns vor unliebsamen Überraschungen schützen. Ich glaube kaum das du ein Feind bist, zudem wirkst du abwesend, da dachte ich ein kleiner Hinweis wäre ratsam.“

„Danke Ross“, nickte ich ihm zu und trat an das Fenster. Anscheinend war er gar kein so übler Kerl, „Warum kann ich dich nicht spüren?“ fragte ich geradeheraus.

„Weil ich es nicht will. Einige Vampire haben gelernt ihr Alter zu verschleiern und ich kann mich verbergen. Deshalb hat Corvin mir diesen Job angeboten.“

„Ja“, meinte ich aufseufzend, „Das wird so manchen Vampir gewiss nicht gefallen.“, Vater sagte mal das auf der Festung viele Vampire verkehrten auch aus anderen Familien, da die Sardovan´s sich darum bemühte Einheit und Frieden zwischen allen Stämmen herzustellen. Ross als Unsichtbarer erfuhr bestimmt so einiges, zumindest waren die Vampire gewarnt und überlegten sich sicherlich zweimal ob sie etwas gegen die Familie Sardovan ausheckten.

„Du kannst das lächerliche Ding ruhig ausziehen.“ Sagte Ross, dabei sah er mich gespannt an.

„Dann willst du also wissen wie ich aussehe?“ weder bestritt er, noch bestätigte er meine Frage. Was mich wurmte, sollte er doch rätseln dachte ich rebellisch. Ross lächelte dünn, ich war sicher, er kannte jeden meiner Gedanken.

„Zum Teil“, gab er zu, „sicher wenn ich es darauf anlegen würde, es liegt ganz in deiner Hand.“ Stand dahinter eine Drohung?

Noch während ich überlegte, gab ich mich geschlagen. Warum sollte ich Ross gegen mich aufbringen? Bisher verhielt er sich tadellos, so zog ich die Burka aus. Er musterte mich eingehend wie zuvor vor dem Hotel und da ich nun über ein uneingeschränktes Sichtfeld verfügte begutachtete ich ihn.

Ross war nicht gerade groß noch sehr stämmig oder muskulös doch das bedeutete Nichts wie ich aus Erfahrung wusste. Vater sah aus wie ein Halbwüchsiger und doch sollte man seine Kraft und Stärke keinesfalls unterschätzen. Ross dagegen war älter, gesetzter dazu streng, um seinen Mund lief eine harte Linie, die keinen Widerspruch duldete. Seine Augen hingegen sahen mich milde geradezu nachgiebig an. Ich konnte den Vampir keineswegs einschätzen, er konnte Feind oder Freund sein. Sehr rätselhaft, dieser Ross.

„Zufrieden?“, fragte ich ihn als mir langsam unter seinem Blick unwohl wurde.

„Wie?“ er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein, „Ja, ja du siehst deinem Vater bei Weitem nicht so ähnlich wie man allgemein sagt.“

„Nein? Ich finde schon!“ das hatte noch nie jemand gesagt. Es klang in meinen Ohren schon nach einer Beleidigung, alle Kinder kamen nach ihrem vampirischen Elternteil! Bezweifelte Ross etwa wer mein Vater ist?

„Wie dem auch sei, ich besorge dir Nahrung. Es kann eine Weile dauern, da ich zuerst die Spanier und Franzosen verköstige.“

Welch ein seltsamer Gesell dachte ich noch als er schon eine Weile fort war. In dieser Nacht wunderte ich mich noch über manches.

Bevor Ross mit Nahrung zurückkam wurde meine Zimmertür aufgestoßen, eine dunkelhaarige Schönheit mit fiebrigen Augen stürmte herein.

„Sarah!“ flog sie regelrecht auf mich zu, „Endlich! Lass dich anschauen. Wie sehr ich mich freue. Was habe ich dich vermisst! Jetzt lasse ich dich nicht mehr weg. Diesmal nicht! Ich glaub es kaum …“ ging es in einem fort.

Die Schöne redete ohne Unterlass, zupfte an mir herum, umarmte mich und küsste mich immerzu auf die Wangen. Ich war ihr hilflos ausgeliefert bis eine eine dröhnende laute Stimme mit riesigen Händen die Schöne von mir wegzerrte.

Nicht das ich endlich Luft zum Atmen bekam, nein ich wurde von den Pranken gepackt und an die dazugehörende Brust gedrückt. „Kindchen! Du bestehst ja noch immer nur aus Haut und Knochen viel zu schmächtig für einen Krieger. Wie willst du denn im Kampf überleben? Verrückte sind das dich als Krieger auszubilden.“

„Lass das Kind doch mal los.“ Forderte eine weitere diesmal krächzende Stimme, der Brustkorb stöhnte schmerzerfüllt auf.

„Du Klappergerüst eines Tages ordne ich deine Knochen neu.“ Ein gackerndes Lachen folgte, aber die Pranken ließen von mir ab.

„Hört auf zu streiten und seid leise, Vlad kann euch im gesamten Hotel hören.“ Das war die Schöne der Stimme nach zu urteilen.

Der Dröhnende und die Krächzende lachten abfällig, „Soll er ruhig kommen! Nun lass mich mal ran an das Füllen, du Grobian.“

„Gute Nachrichten verbreiten sich schnell nicht wahr ihr Verräter!“ erklang eine weitere Stimme.

Vor meinen Augen stand eine dürre Frau, ihr gehörte die schmerzhafte Stimme, Rosmerta wusste ich noch. Sie umarmte und herzte mich zum Glück nicht, dafür traktierte sie mich mit ihrem Stock, und zwar so schnell das ich ihm nicht ausweichen konnte. „Hast dich ja nicht allzu sehr geändert Kleine. Gott sei Dank nicht!“ bekam ich ein weiteres Mal ihren Stock zu spüren.

„Lass Sarah heil und mich mal vor, schließlich habe ich sie gesehen, während ihr blind durch den Tunnel gelaufen seid.“ Trat ein Vampir in mein Blickfeld, ich erkannte ihn sofort als den Starrenden an dem Eingang der Höhle. Wie hieß er noch mal?

Weiter kam ich nicht mit meiner Überlegung, denn eine wohlvertraute leise aber zornige Stimme unterbrach meine Gedanken. „So! Wer konnte denn seine Klappe nicht halten? Ich vermute mal dein Sohn. Was habt ihr hier verloren? Wollt ihr meine Tochter mit euren Liebesdiensten massakrieren oder was?“

Nie war ich so erleichtert meinen Vater zu hören. Sehen konnte ich ihn nicht da der Riese mir die Sicht versperrte. So schlängelte ich mich durch den überfüllten Raum zu ihm, dort Schutz suchend. Neben Vater stand Henry, der mich gleich an sich drückte. „Wie schön dich auf der Festung willkommen zu heißen.“ Lächelte er mir zu. Kein Zweifel sein Sohn war ihm aus dem Gesicht geschnitten.

Indessen stellte Vater die Horde zu Rede. „Wie also habt ihr erfahren, dass sie hier ist?“

Der starrende Vampir trat vor und nun fiel mir sein Name wieder ein, Till. „Das ist mein Verdienst. Ich habe Sarah gesehen als sie mit Hendrik in den Tunnel fuhr. Da ich mir nicht sicher war befragte ich Rosmerta und Diederich. Sie aber verneinten, deshalb habe ich Alia aufgesucht und hab sie gebeten mich in den Überwachungsraum zu lassen. Dort wartete ich, bis Hendrik ankam.“ Verlegen kratzte er sich an den Hinterkopf, „Nun ja, da stieg nur die verschleierte Frau aus, die Ross in dieses Zimmer geleitete. Schließlich legte sie das Ding ab und hervor kam Sarah.“

„Ja“ bestätigte Alia, „Ich habe Sarah auch gesehen und bin sofort los.“

„Nachdem sie mich einsperrte!“, fügte Till vorwerfend hinzu. Alia verzog keine Miene.

„Nun dann bin ich wohl an der Reihe.“ Grinste Diederich, „Till begegnete mir vor der Halle, aufgeregt meinte er Sarah sei in Zimmer fünfzehn. So machte ich mich hierher auf.“

„Er hat mich niedergeschlagen!“, klagte Till den Krieger an.

„Was soll´s Till.“ Schlug Diederich auf den arg gebeutelten Rücken Tills ein.

„Tja“, krächzte Rosmerta, „Ich fand den Jungen desorientiert in der Halle er klagte mir sein Leid, so erfuhr ich von Sarah.“

„Sie hat mir das Knie zertrümmert, zum Glück kam Ross gerade mit Blut vorbei, so konnte ich die miesen Verräter endlich verfolgen.“ Meinte Till bemitleidenswert.

„Wie es aussieht ist mein Sohn diesmal völlig unschuldig.“ Lachte Henry erleichtert auf. „Vulpe/Sarah da das Geheimnis gelüftet ist und deine Freunde dich heimsuchten, wie wäre es mit einem guten Schluck Wein, das schreit doch gerade nach einer Willkommensparty.“

„Nichts da!“, rief Vlad empört, „Vulpe wird morgen geprüft und danach bekommt sie ihre neue Tätigkeit mitgeteilt. Ihr macht euch davon!“ scheuchte er die Meute hinaus.

Sie gingen einzeln wie bei einer Parade an mir vorbei jeder Einzelne einen Willkommensgruß auf den Lippen. Dass Vater verärgert schnaufte, störte sie nicht weiter. Als der Letzte schließlich mein Zimmer verließ blaffte Vater Henry an. „Du auch!“

„Empfindlich wie eh und je. Sarah ich empfehle mich, schön dich wieder auf der Festung zu haben.“

Vater sah aus, als würde ihn jeden Moment der Schlag treffen. „Gewöhn dich lieber nicht daran." Knurrte er leise.

„Wir werden sehen!“ behielt Henry das letzte Wort.

Endlich fand ich meine Sprache wieder, „Wer waren all die Vampire?“ fragte ich als wir allein waren.

„Deine Freunde als du ein Mensch warst. Ich wusste, sie würden über dich herfallen deshalb die Burka.“

„So viele Vampire? Ich verstehe das nicht ganz.“

„Ach Kind und das sind noch lange nicht alle. Ich sagte dir doch wir Vampire leben mit Menschen, ergo besitzen wir menschliche Bekannte und Freunde. Du hast es geschafft mit einer Menge Vampire befreundet zu sein. Zum Glück sind die Anderen unterwegs. Sie aufzuhalten ist schier unmöglich. Ich weiß noch, … aber das ist egal.“ Winkte er ab, „Morgen früh wird Geirrod deine letzte Prüfung vornehmen, danach wirst du dich als Leibwächter beweisen. Doch davon nach der Prüfung.“

Es klopfte dezent ganz etwas Neues, Ross kam mit Nahrung und Vater bat ihn vor meiner Tür zu wachen. „Das ist völlig unnötig.“ Protestierte ich vergebens. Vater drohte ansonsten sein Quartier hier aufzuschlagen, also gab ich nach. „Tut mir Leid Ross.“ Wisperte ich ihm zu, da Vater noch in Hörweite stand.

„Kein Problem Sarah“ zwinkerte er mir zu. Was Hendrik gegen Ross einzuwenden hatte konnte ich ehrlich nicht sagen.

Früh am Morgen bereitete ich mich auf die Prüfung vor. In Kampfmontur wartete ich auf Geirrod, der auch bald mit rot geäderten Augen erschien. „Morgen“, sagte er blinzelnd.

„Was ist denn mir dir?“ so habe ich Geirrod noch nie gesehen. Es war lächerlich, doch er sah sehr krank aus. Besorgt schlug ich vor die Prüfung zu verschieben.

„Warum denn das?“ kam Diederich polternd herein. Besaß denn überhaupt keiner ein wenig Anstand? Ein jeder kam ohne Aufforderung herein. Geirrod zog mit schmerzverzerrten Gesicht den Kopf zwischen den Schultern. „Siehst du denn nicht, Geirrod ist krank!“

Der Hüne lachte schallend, „Einen Kater hat er, mehr nicht! Wir haben deine Rückkehr gebührend gefeiert.“

Fasziniert beobachtete ich Diederich, er war der erste Vampir, den ich laut lachen hörte. Überhaupt tat er alles laut, selbst wenn er ging hörte man ihn. „So Mädchen du willst also zu den Kriegern gehören? Das Beste wird sein, wir gehen auf die Wehrmauer, dort kannst du dir ein Opfer aussuchen und dem Jungen wird die frische Luft gut tun. Sieht recht grün aus, der Gute. Willst du ein Bier?“ Der Leidende lehnte ächzend ab.

Geirrod und betrunken? Gefeiert? All das passte nicht zu ihm!

„Wird Vater auch anwesend sein?“, wollte ich wissen.

„Nee dem geht´s noch schlechter als dem grünlichen Wicht da. Komm helfe mir mal Mädchen, der kann keine drei Schritte allein gehen. Ja, ja man sollte nicht so tief in den Krug schauen, merk dir das Mädel.“

„Weder Vater noch Geirrod haben sich je sinnlos betrunken!“ fühlte ich mich gedrungen die Beiden zu verteidigen.

Wieder lachte Diederich, „Öfter als du denkst!“ hievte er den stöhnenden Geirrod empor.

„Sei doch vorsichtig!“, fuhr ich Diederich an.

„Kann ich helfen?“ kam Ross hinzu.

„Nur nicht so förmlich, die Kleine ist eine rechte Zimperliese.“ Schnaufte Diederich unter Geirrods Gewicht. „Der ist schwerer als ein nasser Sack voll Sand.“

Gemeinsam schleiften sie Geirrod durch das Hotel, die Gäste schauten zuweilen pikiert meistens jedoch amüsiert hinter uns her, das störte die Beiden keineswegs. Soviel dazu sich unter den Menschen unauffällig zu verhalten! Meine Welt wurde auf den Kopf gestellt.

„Was ist? Haben sie dich streng und voller Drill erzogen ohne ein bisschen Spaß?“ bekam Diederich mein Entsetzen über ihr Verhalten mit. Sie legten Geirrod einfach an der Mauer ab, er sank in sich zusammen.

„Spaß? Das Training gefiel mir.“ Meinte ich.

„Hörst du das Ross? Einen kleinen steifen Krieger haben sie aus ihr gemacht.“ Trat er Geirrod voller Zorn gegen die Beine, „Was habt ihr dem Kind nur angetan? Sie ist ja ein echter Blaustrumpf!“

„He lass das! Vlad wollte diese Erziehung.“ Rieb Geirrod seinen Oberschenkel.

„Ach Vlad wollte das! Ja das ist ja ganz was Neues. Du weißt doch wie er überreagiert wenn´s um Sarah geht.“ Hieb er diesmal auf Geirrods Kopf ein.

Der absolut nicht in der Lage war den Schlägen auszuweichen. „Du weißt ja nicht wie sie war. Eine Bestie, die sich Benehmen aneignete. Jederzeit bereit zu zuschlagen.“ Dass sie über mich sprachen, als wäre ich Luft, reizte mich schon, aber nun auch noch zu hören, was sie über mich dachten, brachte das Fass zum Überlaufen. Dann schlug Diederich den wehrlosen Geirrod und er war mein einziger Freund, soweit man das von Lehrer und Schüler behaupten kann.

„Dreh dich um du alter Sack und sieh sie dir an. Ich wette, Vulpe ist sprungbereit bevor du auch nur zu einem weiteren Schlag ausholen kannst, wird sie dich angreifen.“ Lachte Geirrod auf die Seite fallend. „Die Prüfung Diederich! Danach könnt ihr mich in Ruhe sterben lassen, die Sonne ist tödlich.“ Stöhnte er mit blinzelnden Augen.

Diederich schwang zu mir herum und auch Ross bewegte sich mit allergrößter Vorsicht. „Sieh an ein Raubtier!“, grunzte Diederich zufrieden, „Dann hol dir mal eine Lektion ab, Mädchen.“ Rieb er vergnügt seine Hände. Ich wartete auf ein Zeichen seines Angriffs.

„Die Prüfung!“, ermahnte Ross den Kämpen beruhigend die Hand auf die Schulter legend.

„Ja das geht wohl vor.“ Entspannte sich der alte Krieger, „Na los Geirrod, die Leiter hoch, das wirst du ja wohl schaffen, sterben kannst du später. Und du Mädchen kommst wieder runter, da oben kannst du dir ein Menschlein aussuchen, das geschwind in die Büsche verschwindet.“

Geirrod erklomm unter Ächzen und fluchen die wackelige Leiter. Ross der schon auf der Wehrmauer stand half ihm das letzte Stück indem der den Vampir hochzog. Dahinter Diederich der Geirrod mit kleinen Knuffen anspornte. Zuletzt ich, ich wunderte mich noch immer, diese Vampire verhielten sich wie kleine alberne Kinder.

Mit einem letzten Blick auf Geirrod, der auf dem nackten Boden lag wandte ich mich dem Hof zu. Dort gingen tatsächlich einige Paare zu ihren Autos oder saßen auf Bänken die Sonne genießend. „Soll derjenige etwas besonders tun?“

„Außer zu schiffen?“

„Ja, Geirrod wollte eine Balletteinlage.“

„Doch nicht ganz untadelig!“ grinste Diederich, verschmilzt. „Mir reicht´s, dass einer in die Ecke pisst.“

„Wie du willst.“ Nickte ich und suchte mir ein passendes Opfer. In diesem Augenblick sah ich Hendrik, er blieb stehen und hörte jemanden zu, den ich nicht. Ich musste daran denken wie er lachte als ich meine Aufgabe beschrieb. Mein Entschluss stand fest. Wie ich es von Geirrod erlernte wagte ich mich vor, Hendrik nicht aus den Augen lassend. Es war schwieriger als ich dachte, Hendrik rezitierte Gedichte, die mir die Aufgabe erschwerte. Das nächste Gedicht kannte ich, in Gedanken sprach ich mit im Gleichklang. Ganz allmählich wurde ich langsamer, das war der entscheidende Punkt, folgte mir Hendrik? Er passte sich meiner Geschwindigkeit an ich hatte einen Weg gefunden! Der Rest war einfacher, nun musste ich nur das dringende Bedürfnis auslösen und meine Prüfung wäre geschafft, aber da brannte unter meinen Nägel ein wenig Rache. Also tat ich es.

Augenblicklich setzte die Reaktion ein, zuerst versteifte sich Hendrik und sah sich gehetzt um. „Hendrik also!“ schmunzelte Diederich, der sofort die Reaktion bemerkte. „Alle Achtung Sarah, er ist keineswegs unerfahren und weiß sich zuschützen. Ja was macht er denn da?“ fragte er verblüfft.

Hendrik, der seinen Pullover über sein Gesicht zog, das war die kleine Rache für sein Lachen als ich die Burka trug, hüpfte wie ein Flummi die Stufen hinab. Eher ein kaputter Flummi würde ich sagen. Zeitweise sprang er hoch um dann mit ausgestreckten Armen auf die Knie zu fallen. Ein sterbender Schwan würde vor Scham rot anlaufen. Damit nicht genug, sprang, fiel und hüpfte er die Treppe wieder hinauf. Sein Vater und die Schöne kamen ins Blickfeld, sie flüchteten hinunter in den Hof. Hendrik hinter ihnen her, dabei rief er lauthals an seiner Hose nestelnd, „Ich muss, ich muss …“

Die Menschen im Hof gingen ungestört ihren Aktivitäten nach. „Ah ein Meisterstück!“, lobte Diederich, „du scheinst Mitleid mit dem armen Jungen zu haben.“

„Eigentlich nicht. Ich dachte es wäre schwierig zu erklären, weshalb ein Angestellter des Hotels sich im Hof erleichtert, nachdem er sich als Ballerina versuchte.“ Diederich wieherte wie ein alter Gaul.

Schließlich gab Hendrik die Verfolgung auf und sprang mit langen Schritten und wedelnden Armen auf ein stilles Eckchen zu. Henry hob drohend die Faust in unserer Richtung, dabei beobachtete er seinen Sohn äußerst misstrauisch. Alia benutze Henry als Schutzschild und gab ihre Position noch nicht auf.

„Prüfung mit Bravour bestanden.“ Wischte Diederich seine Augen, „Oder was meinst du Ross?“

Der hielt sich an der Mauer fest, „Einen recht eigentümlichen Humor besitzt du Sarah. Herzlichen Glückwunsch und willkommen in der Riege der Krieger.“ Reichte er mir ganz menschlich die Hand.

Inzwischen kam Hendrik, als sei nichts geschehen zurück. Sein Vater und Alia klärten ihn kurzerhand auf. Mit hochrotem Kopf wandte er sich abrupt zu uns. Er sah nicht gerade so aus als ob ihm zu Lachen sei, eher das Gegenteil war der Fall. „Das gibt Rache!“, versprach er mit zugekniffenen Augen.

„Ist er sehr sauer auf mich? Ich meine so richtig?“ fragte ich erschrocken. Obwohl er ein Mensch war, so mochte ich ihn und wollte die Freundschaft mit ihm vertiefen. Hatte ich mit meinem Tun alles verdorben?

„Ach was!“ wiegelte Diederich ab, „Doch an deiner Stelle würde ich mich vor ihm in acht nehmen.“ Grunzte er heiter, „Das wird Henry ihm nicht vergessen lassen, soviel steht fest.“ Lachte Diederich.

„Und du auch nicht.“ Folgerte Ross höchst amüsiert.

„Auf keinen Fall!“ nickte der Kämpe, „So nun zu dir Krieger!“ wandte er sich mir zu, „Die Spanier reisen heute ab, du wirst sie als Leibwächter begleiten. Wende dich an Mario, er ist für dich zuständig.“

Mein erster Auftrag! Vergessen war das schlechte Gewissen. Beflissen und voller Tatendrang nickte ich schon, bald würde ich zu den besten Kriegern gehören das war mein Ziel.

Kapitel 6

Schon bald! Acht Jahre! Acht Jahre der Mühsal, der Arbeit, des Trainings aber ich erreichte mein Ziel. Heute konnte ich mich stolz zur Elite zählen. Rund um den Erdball reiste ich, nahm jeden Auftrag an, kämpfte gegen abtrünnige Jäger, gegen Stämme, die sich einen Vorteil verschaffen wollten. Immer die Richtung einhaltend die die Familie Sardovan vehement vertrat. Einheit unter allen Stämmen gegen die Jäger gemeinsam vorgehend.

Nach acht Jahren kam ich endlich heim. Heim in ein Land das mir fremd war so wie der Stammsitz der Familie, die Festung. Vom Flughafen in Bukarest nahm ich mir einen Leihwagen, ich wollte mir Zeit lassen. Ich wurde erst in einer Woche auf der Festung erwartet. In dieser kurzen Spanne wollte ich meine Freundschaft mit Alia und Hendrik weiter aufbauen. Wir trafen uns gelegentlich in irgendeinem Land, leider waren diese Treffen meistens kurz, da sie auf der Festung unabkömmlich waren.

In jedem Teil des Erdballs wurde ich geschickt, nur nach Rumänien kam ich nie. Europa kannte ich mittlerweile in und auswendig die dort ansässigen Familien ebenso. Dort lernte ich Pierre, das Oberhaupt des französischen Stammes kennen. Er kannte mich bereits als Mensch, es entwickelte sich eine, sagen wir, lose Liebelei. Die er gern festigen wollte, aber mein Ehrgeiz stand der Beziehung im Wege. Für mich galt vorrangig zu den Besten zu gehören. Pierre zwar nicht begeistert fügte sich und wartete. Vater war von meiner Wahl zwar nicht begeistert respektierte zumindest meine Entscheidung.

Gerade mit Vater stand ich meine Kämpfe aus. Im ersten Jahr kam ich dahinter, das er im Hintergrund die Fäden zog. Ich bekam nur Aufträge, die er absegnete. Nun an den Streit und der darauffolgenden Funkstille dachte ich ungern zurück. Es musste sein, ansonsten konnte ich mein Ziel vergessen. Schlussendlich versprach Vater sich nicht mehr einzumischen, woran er sich schweren Herzens hielt.

Ich freute mich schon, was er für Augen machen würde, wenn ich so unverhofft auf der Festung erschien. Nur Alia und Mario wussten, wo ich meinen Urlaub verleben wollte.

Besonders war ich gespannt auf Hendrik. Seine Wandlung war seit zwei Jahren abgeschlossen. Ich musste grinsen, als ich daran dachte und wie er sich darauf vorbereitete. Jeden den er kannte, zwang er in die Kamera zu sprechen, stellte lächerliche Fragen und verfasste ein dozier zu den Personen. „Ich will da weitermachen, wo ich vor der Wandlung aufgehört habe. Mir kann man nichts verschweigen ich werde all das wissen, was ich vorher wusste.“ Das war seine Devise und wie sich herausstellte nicht die schlechteste, wenn ich an mein eigenes unzureichendes Wissen dachte. Hendrik machte als Vampir dort weiter, wo er als Mensch aufhörte, und übernahm einen großen Teil der Führung des Hotels und der Festung.

Henry und unser Boss würden sich bald daraus zurückziehen. Das hatte politische Gründe, denn der Boss sollte noch in diesem Jahr dem Rat der Alten beitreten. Genaugenommen in den nächsten Monaten. Überhaupt wurde der Rat von Grund auf neu gestaltet dies war Corvin Sardovan´s Aufgabe und Sieg zugleich nach all den Jahren der Auseinandersetzungen mit dem Rat. Das beharrliche Zusammenschweißen der Stämme, die unermüdliche Aufgabe die abtrünnigen Jäger aufzuspüren und so vieles, was er für das Vampirvolk tat. Dies tat er nicht allein, sondern mit Henry und Vlad meinen Vater denn sie waren seine rechte und linke Hand.

Was genau auf den bestehenden Rat zukam, konnte wahrscheinlich nur das Trio wie Corvin, Henry und Vlad genannt wurden, sagen. Es wurde viel gemunkelt und vermutet, nur eines stand fest der Standort Venedig hatte ausgedient. Wo der Rat in Zukunft zusammentraf, darüber spekulierte man in fast jedem Gespräch. Mit dem Trio zogen fünf auserwählte Krieger, zu ihnen gehörte ich. Wer außerdem mit von der Partie war, blieb ein Geheimnis wie alles, was das Trio hinter verschlossenen Türen beschloss.

Selbst Mario schwieg dazu, allgemein war er nicht gerade bekannt für seine Verschwiegenheit, „Das ist eine Vorsichtsmaßnahme wir wollen doch nicht das die Leibwächter Leibwächter brauchen. Einige des Rates sind gelinde gesagt sehr aufgebracht, dass ein Jüngling wie Corvin den Rat aufmischt. Sei einfach zum verabredeten Datum auf der Festung dann lernst Du Deine zukünftigen Kollegen schon kennen. Rufst Du mich an, wenn Du weißt, wer es ist?“ fragte er wissbegierig. Das machte mich stutzig, „Du weißt gar nicht, wer noch alles ausgewählt wurde?“ sprach ich meine Vermutung laut aus.

Er lachte, „Natürlich weiß ich das aber es kann sich noch vieles ändern. Melde Dich einfach.“ Wer ihn das glauben sollte, wusste ich nicht, ich auf keinen Fall. Mario hatte keine Ahnung, wer als Leibwächter das Trio begleitete.

Dieses Datum war in einer Woche, bis dahin hatte ich Urlaub. „Wenn Du Deinen Dienst antrittst, kannst Du Urlaub und freie Tage vergessen.“ Mutmaßte Mario. Wann so fragte ich mich, habe ich in den letzten acht Jahren je Urlaub genommen. Dies holte ich jetzt nach und deshalb bat ich Alia mir inkognito ein Zimmer zu reservieren.

Plötzlich hatte ich es eilig auf die Festung zu kommen. Ich wollte das alte Gemäuer erkunden, wollte herausfinden, warum alle Sardovan die Festung als Heimat betrachteten. Wenn ich mich beeilte, konnte ich zur Mittagsstunde eintreffen und doch zögerte ich, Zweifel kamen auf, Unsicherheit nagte an mir.

Die acht Jahre waren ein hartes Pflaster so auch die Wahrheit über mein menschliches Dasein. Mit den Jahren erfuhr ich, welch Leben ich als Mensch führte und fuhr nach Dortmund, sah mir die Schule an in der ich ging, die Umgebung der Wohnung in der ich mit meinem angeblichen Onkel lebte. Meine Arbeitsstelle, die Stadt überhaupt alles, all das machte mir nichts aus, dazu konnte ich keine Beziehung herstellen. Aber zu erfahren, was mir mein lieber Vater in kleinen Stücken servierte, mit wem ich liiert war, daran musste ich mich erst gewöhnen. Corvin Sardovan und ich! Ein Paar? Allein die Vorstellung schreckte mich aus verschiedenen Gründen. Zu einem, ein alter Vampir mit einer jungen Frau! Was sah er in mir und ich in ihn? Corvin ist als Frauenheld verschrien, obwohl er eine Beziehung zu Alischa einem Ratsmitglied hat. Zudem vergnügt er sich mit menschlichen Frauen, woraus er kein Geheimnis machte. Das hieß nichts, denn auch Alischa stand ihm in nichts nach und es war ihre Beziehung.

Aber so habe ich erfahren soll eine innige Bindung zwischen uns bestanden haben. Nun meine Zweifel, meine Vorsicht sagten mir, das da etwas nicht stimmte, wie konnte eine normale Frau einen Corvin Sardovan an sich binden? Einen Vampir dessen Macht einen durchdrang, daran konnte ich mich nur zu gut erinnern, dachte ich traurig an die kleine Nachtigall. Inzwischen kannte ich einige alte Vampire, aber keiner dieser Vampire besaß die Aura, die Corvin Sardovan umfloss.

Dann machte mir noch etwas Angst. Aus Erfahrung wusste ich, Neigung und Geschmack sich nach der Wandlung nicht unbedingt veränderten. Konnte es sein das ich anfällig reagierte? Rückfällig wie Alia sich ausdrückte. Und was war mit Corvin? Hing er noch alten Gefühlen nach? Oder war die Frau Sarah nur eine vage Erinnerung?

Es war Pierre der mich hemmungslos aufklärte, von Vater erhielt ich vage Bruchstücke, er meinte, es wäre nicht gut zu tief in der Vergangenheit zu graben. „Verdammt Pierre! Warum musstest Du mir das alles erzählen!“ schimpfte ich laut.

Einerseits wusste ich warum. Er war unsicher was meine Gefühle für ihn betrafen. Meine Ablehnung eine Bindung mit ihm einzugehen kratzte an seinem Ego. Dabei wussten wir beide wie gering diese Aussicht war. Seine Mutter stand dem in Wege. Eine kalte herrschsüchtige Person, die gegen alle Sardovan´s wetterte, besonders gegen Vlad. Allein Pierres politisches Vorgehen – mit den Sardovan´s ein Bündnis einzugehen, ließ die alte Hexe Gift und Galle speien. Dann wagte er sich auch noch mit dem Feind ins Bett zu legen keine leichte Angelegenheit für Pierre da seine Mutter innerhalb des Stammes viel Einfluss genoss und diesen auch zur Geltung brachte.

Und nun kam das Schlimmste, die Geliebte des Oberhauptes der Franzosen sollte das Oberhaupt des Erzfeindes beschützen und nicht nur das Nein denn dieser Leibwächter war ja schließlich auch die Exgeliebte, sie streute Salz in Pierres offene Wunden.

Kein Wunder das Pierre unsicher wurde und ständig das Thema `Corvin` ansprach. „Er soll ja ziemlich eigensinnig sein.“ Wusste ich zu sagen um Pierre zu beruhigen. Was sollte ich auch sagen ich kannte den Boss nicht persönlich.

„Ja und intelligent, gut aussehend mit scharfem Verstand.“ Merkte Pierre mit säuerlichem Gesicht an, dabei schob er die Bettdecke zurück.

„Gut aussehend?“ betrachtete ich ihn, „Bist Du auch, dazu intelligent mit scharfem Verstand! Ich werde mich also vollständig heimisch in seinen Armen fühlen.“ Versuchte ich die Situation ins Lächerliche zu ziehen. Was völlig daneben ging.

„Hör zu Sarah, ich habe schon einmal um deine Gunst gebuhlt. Damals sah ich in deinen Augen wie du für ihn empfindest. Bisher habe ich das nicht für mich dort gefunden. Corvin hat dich eiskalt abserviert für Alischa und seinen politischen Ambitionen denk daran wenn du in seinen Armen liegst.“ Fauchte er mich wütend an, dabei kleidete er sich notdürftig an und verließ ohne Gruß das Hotelzimmer. Er kam nicht zurück. Das war letzte Nacht und bisher hatte er sich nicht gemeldet. Nun das würde er, denn ich tat es gewiss nicht!

Die Festung kam in Sicht ich hielt am Straßenrand um sie mir aus der Ferne anzuschauen. Abweisend ragte der Turm in den Himmel, die hohe Wehrmauer vertiefte den Eindruck noch. Wag es nicht mir nahezukommen, schien sie zu sagen. Was sahen sie nur in dieser Burg? Dagegen wirkte die einfachste rattenverseuchte Behausung auf jeden Fall einladender. Nun ich würde es herausfinden dafür opferte ich meinen Urlaub, den ich wie es aussah, ohne Pierre verbringen musste.

Der Hof sah wie damals aus als ich meine letzte Prüfung ablegte. Hier und dort kämpften ein paar Büsche um ihr Leben. Den Wagen parkte ich in die hinterste Ecke mit meinem Koffer bewaffnet macht ich mich auf.

Die Halle wirkte einladend. Einige Gäste, darunter Vampire wie ich schnell ausmachte und verdammt noch mal dabei derjenige den ich auf keinen Fall zu sehen wünschte. Corvin Sardovan! Ich erkannte ihn nicht an seinem Gesicht, sondern an seine Aura die jeden Stein der Festung durchdrang.

Er drehte sich ruckartig um, kaum das ich die Halle betrat und stierte mich unversehens an. Der Vampir, der neben ihn stand, erwartete eine Antwort. Bis er den Blick des Bosses folgte, erkennen lag in seiner Mimik, wortlos trat der Hüne den Rückzug an.

Der Boss blieb regungslos stehen, dabei ließ er mich nicht aus den Augen. Unsicher trat ich weiter in die Halle, was sollte ich tun? Corvin Sardovan stand ein Gruß zu, schließlich war er das Familienoberhaupt. Als diesen musste ich ihn begrüßen zögernd trat ich auf ihn zu, „Sarah Sardovan“ stellte ich mich vor ihn offen ansehend.

„In der Tat! Was willst du hier?“ fragte er schroff, mich aus dunkelbraunen Augen musternd. Man übertrieb nicht, er sah wirklich gut aus, zu gut selbst für einen Vampir.

„Urlaub! Den möchte ich auf der Festung verbringen.“ Sagte ich schnell. Er wird mich in hohen Bogen rauswerfen da war ich mir sicher. Eine gefährliche Falte bildete sich zwischen seinen Brauen als er die Worte vernahm. Nun ich reiste nicht hierher um mich hochkant rauswerfen zu lassen. Meinen Urlaub konnte ich dort verbringen, wo ich wollte, dagegen konnte selbst der Boss Corvin Sardovan nichts gegen einwenden straffte ich meine Schultern. Von ihm ließ ich mich gewiss nicht einschüchtern.

„Dann einen angenehmen Urlaub.“ Ließ er mich stehen. Verwirrt wandte ich mich den Empfang zu. Was war denn das für eine Begrüßung? Ich kannte einige eingebildete Vampire, die dachten, sie seien etwas Besseres, nur weil sie ein paar Jahre mehr auf den Buckel hatten. Corvin Sardovan schien dieser Sorte anzugehören. Naja mir konnte es gleich sein.

Bevor ich überhaupt der Dame an der Rezeption ein Wort gönnen konnte wurde ich gleich von zwei Personen angesprochen. Alia die aus der Tür hinter der Rezeption kam und Hendrik der eilig auf mich zuhielt.

Beide redeten sie auf mich ein, dass einzig Vernünftige was ich begriff, sie freuten sich. Anders als der hochwohlgeborene Corvin Sardovan. Na da würde mich bei meinem Job ja noch einiges erwarten. Achselzuckend ließ ich Corvin Corvin sein, schließlich war er nicht der Dreh und Angelpunkt in diesem alten Gemäuer.

Alia und Hendrik zogen mich in eine Sitzecke der Halle. Sie wollten wissen, wo ich war, wie lange ich blieb und was ich vorhatte. Wie üblich mokierte Alia sich über mein Äußeres und entschied kurzerhand ich brauchte erst einmal eine rundum Erneuerung. „Das erledigen wir gleich.“ Damit war es beschlossen dagegen zu protestieren hieße einen Berg in Bewegung zu setzen also unmöglich.

Hendrik hielt sich bedeckt und befragte mich welchen Auftrag ich nach meinem Urlaub habe. Meine Antwort fiel entsprechend nichtssagend aus, was er wohl bemerkte, ohne weiteren Kommentar nahm er es hin. Nur an seinem Lächeln sah ich in welche Richtung seine Gedanken gingen.

Nachdem ich bald eine Stunde ihre Fragen beantwortete erinnerten sich die beiden an ihre Pflichten. „Ross wird dich auf dein Zimmer führen.“ Winkte Alia Ross heran.

„Sarah Sardovan“ verbeugte er sich formvollendet.

„Das steht mir nicht zu, Ross das solltest du wissen.“ Lächelte ich ihn an. „Du bist aus einem alten Geschlecht, natürlich steht es dir zu.“ Meinte er unbelehrbar. „Ist das dein Gepäck?“ ich nickte, „mehr nicht?“ sah er mich erstaunt an.

„Da drin ist alles was ich benötige.“ Alia schnaufte entsetzt auf und murmelte vor sich hin so in der Art „Das werde ich schnellstens ändern.“ Mir schwante Übles, Alia einmal losgelassen fand keinen Einhalt. „Alia mehr brauche ich nicht, du darfst nicht vergessen, dass ich nur eine Woche hier bin.“ Versuchte ich sie aufzuhalten. Zu spät erkannte ich an ihren sturen Ausdruck.

Ross nahm meinen Koffer und bat mich ihm zu folgen. „Den kann ich doch auch nehmen.“

„Aber, aber das gehört zum Service Sarah.“ Erwiderte er.

Die Dame vom Empfang räusperte sich, nicht ohne Grund fiel mir ein, „Ich muss mich doch erst anmelden.“

„Das erledige ich.“ Meinte Hendrik und gab Ross einen Schlüssel der mich dann in meinen Raum führte. Alia ließ nicht lange auf sich warten und drängte mich hinaus bevor ich überhaupt meine Tasche auspacken konnte, „Schnell bevor die alte Krähe dich erwischt.“ Eilte sie aus dem Hotel.

Unterwegs erzählte Alia von Rosmerta die seid einigen Monaten auf der Festung wohnte. „Ein unglaubliches Frauenzimmer überall mischt sie sich ein.“ Schimpfte meine Freundin. Des Weiteren erfuhr ich das Vlad und Henry morgen zurückerwartet wurden. Der Hüne sei Diederich, an dem ich mich erinnerte, denn er war ein ausgezeichneter Krieger von seiner Frau Isabel und all die Kleinigkeiten die Alia leicht über die Lippen gingen und für mich unverständlich blieben.

„Warte es ab in ein paar Tagen wirst du mich verstehen. Wir sind das kleinste Dorf das man sich vorstellen kann. Ein Dorf indem es zugeht wie auf einem Bahnhof. Ständig kommen Vampire die mit Corvin reden wollen. Natürlich erhoffen sie Auskünfte wo der Rat in Zukunft tagen wird. Wer in die engere Auswahl kommt und so weiter aber die Drei lassen sich nicht in die Karten schauen.“ Lachte sie amüsiert, „Deshalb haben wir auch viel zu tun und ich kann mich nicht so um dich kümmern wie ich gerne möchte.“

„Das macht doch nichts, ich will die Festung und die Umgebung erkunden. Alia ich verstehe nicht, warum ihr die Burg so liebt, jeder Sardovan der hier war, empfindet so und genau das möchte ich herausfinden.“

„Das wirst du!“, meinte sie zuversichtlich.

Zurück auf der Burg war ich mir selbst überlassen und lief Diederich und Rosmerta in die Arme. Rosmerta kannte ich bereits, wir begegneten uns einige Male und da führte sie sich wie ein Glucke auf die ihr Küken beschützen musste, aber ihren Stock fürchtete ich bereits, nicht ohne Grund nun kam sie ihn schwingend auf mich zu. „Wann wolltest du uns denn von deiner Anwesenheit mitteilen?“, fuhr sie mich mit funkelnden Augen an.

„Ehrlich gesagt wusste ich nicht dass ihr Wert darauf legt.“ Meinte ich unschuldig wie ich war. Ein Fehler wie ich sofort schmerzhaft feststellte.

„So wusste nicht das wir Wert darauf legen!“, krächzte sie ihren Stock reichlich gebrauchend, „Hörst du das Diederich? Die Kleine wusste es nicht!“

„Nun lass doch mal ab von ihr.“ Meinte Diederich, „Vielleicht kann die Kleine uns ja einen Grund nennen.“

Rosmerta hielt kurz inne, „Meinst du?“

Die Atempause nutzte ich um aus Rosmerta`s Reichweite zu flüchten. „Wirklich“, beteuerte ich dabei. Rosmerta hielt inne, Diederich krauste die Nase, „Sollen wir ihr das abnehmen? Wie lange ist die Kleine nun schon gewandelt? Bisher hielt sie es nicht einmal für nötig uns aufzusuchen, sollen wir ihr das so ohne Weiteres vergeben?“ fragte Diederich seine kräftigen Unterarme vor die noch mächtigere Brust verschränkend.

„Es tut mir wirklich Leid wenn ich euch durch mein Fehlverhalten beleidigt habe.“ Versuchte ich zu retten was zu retten war. Die beiden Vampire waren ziemlich alt und damit verscherzte man es nicht. „Vater hat nie ein Wort über euch gesagt.“

„So hat er nicht, das Bürschchen.“ Sagte Rosmerta, sie nannte Vater ein Bürschchen das hieß schon einiges. Allgemein wurde Vlad geachtet und nicht als Bürschchen betitelt. „Den werde ich mir vornehmen. Wenn das so ist dann komm in meine Arme.“ Sollte das ein Trick sein beäugte ich skeptisch ihren Stock. Diederich lachte laut auf, „sie traut dir nicht über den Weg kluges Kind!“ was ihn einen Hieb einbrachte den er nicht ausweichen konnte, wie schnell sie war bewunderte ich ihr Können.

„Nun lass dich von der alten Rosmerta umarmen, Kind. Viel zu lange haben wir nichts von dir gesehen. Gehört schon hast dir ja einen Namen gemacht.“ Zog sie mich stolz an ihre dürre Brust.

„Ja und was für einen Eisprinzessin ha willst wohl kein Vampirchen an dich ranlassen, was?“, grunzte Diederich zufrieden.

„Halt dein Maul, du Fettwanst. Natürlich ist Sarah wählerisch, schließlich ist sie die Tochter Valds Sardovans, da kommt so ein dahergelaufener Vagabund nicht infrage. Hast richtig gehandelt Kleine nun kann dir Rosmerta einen tüchtigen Vampir suchen.“

Diederich schlug sich vor Vergnügen auf die Knie, „Wenn du dich mal an deine Ratschläge halten würdest, dann wäre so mancher um dein Klappergestell herumgekommen.“

Obwohl Rosmerta mich fest an sich gedrückt hielt vollbrachte sie das Kunstwerk Diederich ihren Stock spüren zu lassen. Bis zum Abend vereinnahmten mich die beiden, erst als Ross sie darauf hinwies, dass es bald Abend sei, entließen sie mich. „Wir sehen uns dann bei Tisch.“ Verabschiedete sich Rosmerta.

„Sarah Sardovan wurde nicht geladen.“ Antwortete Ross spitz was Rosmerta mit einem Stirnrunzeln vernahm.

„So! Nicht geladen na das werden wir ja sehen. Bring sie auf ihr Zimmer, Ross und du Fräulein, ziehst dir was Hübsches an. Von wegen, die Tochter von Vlad Sardovan wird nicht zu Tisch geladen.“ Stampfte sie wütend davon.

„Wollen wir?“, forderte Ross mich auf. Während Diederich sinnend vor sich hin grinste. „Aber …“ Diederich unterbrach mich, „Hör nur auf die alte Krähe ist besser so.“ meinte wohlmeinend.

Ross wartete und ich setzte mich in Bewegung, „Ein bisschen schneller Sarah Sardovan in fünf Minuten wird gespeist.“

„Für solch einen Auftritt habe ich keine passende Kleidung.“ Die abendlichen Mahlzeiten die Corvin Sardovan hielt waren allgemein bekannt. Auf solch einer hatte ich nichts verloren denn die Hierarchie innerhalb der Familie wurde strengstens befolgt. Selbst ich als Tochter eines Clanführers sowie enger Freund des Oberhauptes besaß keinerlei Anrecht auf eine Einladung auch wenn Rosmerta dies anders sah.

 

Kapitel 7

 

Nun ich konnte mich zumindest umziehen, was mich vor einem Problem stellte. Nun gut dachte ich die schwarze Hose und Bluse musste genügen. Darin sah ich keineswegs elegant aus zumindest passabel, drehte ich mich vor dem Spiegel. Sollte das den Boss verärgern, konnte ich immer noch behaupten, dass ich auf keine abendlichen Gesellschaften vorbereitet war.

Es klopfte, Ross öffnete ungeniert die Tür, „Sarah du wirst im Speisesaal erwartet.“ Teilte er mir hochtrabend mit. Als er mein Outfit betrachtete, zog er eine skeptische Miene. „Ist das das Beste?“

Nun reichte es mir! Noch nie musste ich mich wegen meiner Klamotten entschuldigen. Sie sollten mal nicht vergessen, dass ich ein einfacher Krieger war. Die besaßen keine Schrankkoffer voller Kleidung, das Einzige was man hochwertig nennen konnte, war nun einmal die Kampfmontur. Das sagte ich ihm auch.

„Dann zieh sie an!“, forderte er umumwunden.

„Nein denn ich bin im Urlaub und ziehe an, was mir gefällt.“ Erwiderte ich gereizt, Ross verneigte sich ohne ein weiteres Wort und führte mich bis zum Speisesaal.

„Geh nur hinein, sie sind bereits versammelt.“ Tief durchatmend drückte ich die Klinke, ich konnte mir vorstellen das Corvin Sardovan nicht besonders angetan von seinem neuesten Gast sein würde. So gewappnet trat ich ein. Am Tisch saßen eine Menge Vampire, ich fragte mich, woher sie alle kamen, denn die meisten Gesichter waren mir unbekannt.

Gehörten sie zur Familie oder zu anderen Clans sah ich über die Tafel und entdeckte zu meiner Überraschung Pierre, der neben Eric saß. Eric grinste unverhohlen, während Pierre mich geflissentlich übersah, also noch immer dicke Luft.

Rosmerta rief mich zu sich und klopfte neben sich auf den leeren Stuhl. Ich musste ganz um die Tafel herum und überlegte kurz, welchen Weg ich einschlagen sollte. Vor Kopf an den Boss vorbei war der kürzere, zu Rosmerta ich schlug den längeren Weg ein, was zu meinem Unwillen Genauestes beobachtet wurde.

„Warum legst du denn einen Umweg ein?“, krächzte Rosmerta überlaut in meinen Ohren, vor Verlegenheit lief ich rot an. „Nur nicht so schamhaft wir sind unter Freunden.“ Lachte Rosmerta ungeniert in die Runde schauend.

„Können wir nun anfangen? Oder erwartest du noch weitere Gäste?“ fragte der Tischherr ungehalten.

„Von mir aus kann es losgehen.“ Sagte Rosmerta völlig unbeeindruckt. Wie von Zauberhand öffnete sich die Tür und Ross kam mit einem Servierwagen herein. Er verteilte Teller, Platten und Schüsseln in Windeseile. Als er damit fertig war, setzte er sich an den Tisch und Corvin Sardovan eröffnete die Tafel.

Belustigt stellte ich fest wie einige Vampire verhalten den Speisen zusagten. Man sah sofort, wer zur Familie gehörte und wer ein seltener Gast im alten Gemäuer war. Wovon ich mich keineswegs ausschloss. Über Pierre wunderte ich mich, da er allen Speisen ausgesprochen herzhaft zusprach, auf meinen fragenden Blick wendete er sich ab.

Nun gut er wollte sich also nicht versöhnen. Warum kam er überhaupt her, fragte ich mich. Wollte er mich kontrollieren, wie ich auf Corvin Sardovan reagierte, der ganz Herr des Hauses selbstherrlich am Kopfende saß und kaum mit jemandem sprach, sondern seine dunklen Augen mürrisch über den Tisch schweifen ließ.

Überhaupt gab sich die versammelte Gesellschaft unnatürlich, ein jeder beobachtete den anderen aufmerksam, ja belauerte jeden und wurde selbst belauert. „Willkommen im Narrenhaus!“, flüsterte Rosmerta ungewöhnlich leise.

„Ist es immer so?“, fragte ich. Sie lachte auf, „Nein die Stimmung sinkt und hebt sich nach der Laune des Herrn und die ist heute besonders unterkühlt.“ Prostete sie Corvin Sardovan zu, der sie mit einem bösen Blick bedachte. „Siehst du, am liebsten würde er mir den Kopf abreißen.“

„Das ganze Theater nur meinetwegen?“

„Aber nein!“ schüttelte Rosmerta den Kopf, „Unser Herr“ lachte sie auf den Boss deutend, „musste sich heute Mittag notgedrungen von einigen Gästen verabschieden.“

„Gäste, die ich sehr vermissen werde, Rosmerta“, sagte Corvin ungehalten. Rosmerta winkte ab, „Du wirst sie bald genug wiedersehen, bis dahin solltest du eine Entscheidung treffen.“ Fügte sie anzüglich hinzu.

„Das reicht Rosmerta!“, warnte Corvin düster.

Aha nicht nur selbstherrlich, sondern auch diktatorisch. Anscheinend durfte man in seiner Gegenwart seine Meinung nicht äußern. Wie kam Vater nur mit ihm klar? Unser Clanoberhaupt wurde mir regelrecht unsympathisch. Was empfand die menschliche Sarah nur für ihn? Sah sie nur die Macht, die er innehatte? Oder lag es an seinem Besitztum? Durchaus denkbar, einige Menschen sahen eher das Bankkonto als den Charakter. Gehörte sie dazu? Nein das konnte ich mir nicht vorstellen. Pierre sagte doch wie verliebt sie in dem Vampir war. Etwas was Pierre bei mir suchte und bisher nicht fand und nicht finden würde, was ich nur zu gut wusste. Ich mochte Pierre, sehr sogar aber Liebe nein daran glaubte ich nicht. Liebe war etwas für Träumer und das war ich nicht.

Sinnend betrachtete ich Pierre, er sah wirklich gut aus. Er besaß die richtige Portion Humor, konnte zuhören und war sich seiner bewusst. Sein Amt als Clanoberhaupt betrieb er ernsthaft, obwohl seine herrische Mutter ihn so manches Mal Steine in den Weg legte. Seine Allianz mit den Sardovans passte ihr gar nicht. Pierre besaß jedoch genug Rückgrat um seine Interessen durchzusetzen gegen alle Widerstände zum Trotz. Er nahm ebenso wie Sardovan die Bedrohung der Jäger sehr ernst. Wahrscheinlich, wie alle die hier am Tisch saßen.

Rosmerta stupste mich an und riss mich aus meinen Gedanken. Etwas verwirrt sah ich sie an und bemerkte die angespannte Stille im Raum. Sie sahen mich alle an mit vorsichtigen Seitenblicken auf den Boss.

Der mich mit sturmumwölkter Stirn anstarrte, „Nun?“ fragte er leise. War ich gemeint? „Es tut mir leid, ich habe nicht zugehört, fragtest du mich etwas?“

„Das tat ich!“, sagte er sich aufsetzend, „Ich wollte wissen, wohin dich dein nächster Auftrag bringt.“

Sollte ich lügen? „Das kann ich nicht sagen ich muss mich bei meinem Boss melden, bevor mein Urlaub endet.“ War ich zufrieden mit meiner Aussage.

„So! Ich verstehe nicht ganz, du musst dich bei mir melden? Woher soll ich wissen, wohin dein Auftrag dich führt?“ Er verstand mich mit Absicht falsch. Ganz ruhig Sarah er provoziert dich, lächelnd erwiderte ich, „Mein Boss ist Mario, vielleicht hätte ich es erwähnen sollen. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du den Titel für dich allein beanspruchst.“ Ahnen nicht aber annehmen so arrogant und selbstherrlich er sich gab.

Er grinste, ein gefährliches Grinsen, selbst Rosmerta hielt die Luft an, „Ahnen! Ein Krieger, der seinen Ahnungen folgt, ist mir noch nicht begegnet. Sag mir Vulpe Sardovan, so ist doch dein selbst gewählter Name, wohin mag dich dein Weg führen, rein aus deiner Ahnung.“

„Woher soll ich das wissen. Hellsehen kann ich nicht.“ Was sollte sein Spielchen, was bezweckte er damit? Wollte er mich der Lächerlichkeit preisgeben, es sah ganz so aus.

„Ahnen ja, Hellsehen nicht!“ trat er auf der Stelle, „Pierre hilf mir mal, du kennst Vulpe doch am Besten, wie soll ich das verstehen.“

Pierre zuckte zusammen, als Corvin ihn ansprach. Er warf mir schnell einen Blick zu und meinte, „Selbst wir Franzosen können den Gedanken einer Frau nicht immer folgen. Ich bin ratlos wie du.“

„So bist du. Seltsam man könnte doch meinen du verstehst deine Geliebte, zumindest ansatzweise. Die Frage war doch nun nicht sehr schwierig, also Vulpe erkläre uns, wie du denkst und erahnst.“

„Das werde ich, sobald du erlernst, eine Frau zu verstehen. Pierre ist klug genug um das Unabänderliche zu akzeptieren, wenn du also soweit bist, stehe ich dir gern zur Verfügung und erkläre dir die Gedankengänge einer Frau. Falls du es noch für nötig erachtest.“ Damit konnte er anfangen was er wollte, meine Geduld ging langsam zur Neige.

Was Rosmerta und Alia bemerkten, die kichernd das Wort ergriffen. Worauf eine hitzige Diskussion entstand, die den Unterschied von Mann und Frau beinhaltete. Wohlweißlich hielt ich mich zurück ebenso Corvin Sardovan, der schweigend dem Streitgespräch folgte und mich so manches Mal mit einem Blick streifte, der nichts Gutes verhieß.

Sobald die Tafel beendet wurde, brachte mich Rosmerta hinaus, „Musstest du darauf eingehen? Sarah ich dachte du wüsstest wie du dich Corvin gegenüber verhalten sollst. Reize ihn nicht, gib keinen Widerspruch und halte verdammt noch mal deine Klappe. Hat dein Vater dir das denn nicht eingebläut?“

„Vater?“ hielt ich an.

„Ja wer denn sonst? Er hat dir doch erlaubt herzukommen … sag es nicht. Oh mein Gott er weiß nicht das du hier bist. Himmel steh uns bei, das gibt Ärger, … geh auf dein Zimmer verhalte dich ruhig und lass niemanden hinein. Morgen, ich hoffe noch in der Nacht, kommt Vlad, soll er sich mit euch auseinandersetzen. Nun was stehst du noch hier herum, geh schon.“ Drohte sie mir mit dem Stock, ich schwieg lieber, sie schien durcheinander. Als ob ich mir die Erlaubnis von Vater einholen würde, na das fehlte mir auch noch.

Oh ja ich ging in mein Zimmer, aber nur um meine Kleidung zu wechseln. Hier lag einiges im Argen, wenn sie dachte, sie könnten mich wie ein unmündiges Kind einsperren, so irrte sie gewaltig.

Von wegen ich benötige Vaters Erlaubnis, das war ja wohl die Höhe und was sollte das? Ich durfte meine Meinung nicht äußern! Kein Widerwort geben! Ha, von niemandem ließ ich mir den Mund verbieten, von niemandem!

Hendrik! Er wusste bestimmt was Rosmerta´s Aussage bedeutete. Fragte sich nur wo er sich befand. Wohnte er auf der Festung? Sicherlich und die Wohnräume lagen im Turm also zurück zum Speisesaal und nur die Treppe hoch da sollte ich Hendrik finden. Nur vor Rosmerta musste ich mich hüten.

Bis zur Halle gelang ich unentdeckt, das sollte so bleiben und richtete meine Sinne auf die Personen dort. Perfekt nur ein Mann, der sich langweilte, dann schlaf ein bisschen, manipulierte ich ihn.

Die Halle hinter mir lassend lag die ausladende Treppe vor mir. Nun wurde es schwierig, meines Wissens bewohnten mehrere Vampire den Turm.

Der Boss besaß im obersten Geschoss sein Reich also die erste Etage. Ob Alia und Rosmerta sowie Diederich und Isabel dort wohnten, konnte ich nicht sagen.

Meine Sinne vorauszuschicken wagte ich nicht, zu leicht konnten sie mich erspüren. Gerade Diederich und Rosmerta traute ich unentwegte Wachsamkeit zu, sie waren Krieger, es gehörte zu ihrem täglichen Metier, das wusste ich nur zu gut.

Gerade wollte ich den Fuß auf die erste Stufe setzen da ging über mir eine Tür auf. Verdammt aber auch, die Schritte näherten sich der Treppe. Wohin? Sah ich mich um, der Speisesaal leise eilte ich hinein, mein Glück, das die Tür aufstand.

Keine Sekunde zu früh, es musste ein Vampir sein da er schnell das Erdgeschoss erreichte. Eng an die Wand geschmiegt horchte ich, auf die Schritte er ging hinaus in die Halle und wenn es Hendrik war? Ich musste mich vergewissern.

„Das war Ross!“ ein kalter Schauer jagte meinen Rücken hinunter. Was suchte er hier? Die Tür schloss sich mit einem leisen Klack. Ein leises Lachen durchdrang den Saal, „Seltsam Sarah, bei unserer ersten Begegnung klebtest du ebenso an der Wand. Wirklich seltsam, damals konnte ich deine Gedanken einfangen. Pure Neugier ließ dich spionieren was ist der heutige Grund?“ sah Corvin Sardovan mich interessiert an.

Kapitel 8

 

Er saß noch immer am Kopfende, ein Bein lag auf den Tisch, danebenstanden mehrere Flaschen nach dem Geruch zu urteilen Wein, betrank er sich? Langsam mit Bedacht füllte er sein Glas auf, „Hinter mir im Schrank stehen Gläser, bring gleich eine neue Flasche mit.“

„Danke nein ich möchte nicht.“ Lehnte ich ab, dabei überlegend ihn einfach den Rücken zu kehren.

Er seufzte: „Der Raum ist verschlossen.“ Gemächlich setzte er sich auf und ging selbst zum Schrank, „Setz dich doch“, sagte er höflich. Ich blieb, wo ich war und fragte mich, was das Szenario bedeutete.

Ohne mich weiter zu beachten entkorkte er den Wein und goss das Glas voll, anschließend schob er es über den Tisch auf mich zu, „Ein guter Tropfen, du wirst ihn mögen, nicht allzu trocken. Nun setz dich!“ klang er nun fordernder.

„Wirklich nicht. Ich möchte nicht stören.“

„Stören? Wahrlich, ich warte schon eine Weile auf dich.“ Wieder das leise Lachen, „Weshalb schleichst du dich herum?“

Eine Antwort schuldete ich ihm wohl, „Ich suche Hendrik.“

„Hendrik!“ er lächelte mich verstehend an, „Ich hätte es mir denken können. Nur warum im Turm?“

„Na, ich denke, er wohnt hier.“

„Das würde er sich niemals antun, nein Hendrik besitzt eine Wohnung in der Stadt.“

„Oh! Das wusste ich nicht. Ja, dann kann ich ja gehen.“ Wandte ich mich der verschlossenen Tür zu.

„Das glaube ich kaum, wie gesagt ich wartete auf dich. Die andere Bande hat vor meiner schlechten Laune die Flucht ergriffen. Was ist mir dir? Verspürst du den dringenden Drang, wie ein Angsthase davonzupreschen?“

„Nein!“, das fehlte mir auch noch, nur weil jemand schlechte Laune hatte.

„Ja das dachte ich mir, schließlich habe ich dich ja während des Essens genug gereizt. Sag mir Sarah warum bist du hergekommen?“

„Ich sagte bereits, ich suche Hendrik. Aus deinen Benehmen entnehme ich, du provoziertest mich. Warum?“

„Verstehst du mich mit Absicht falsch?“, fragte er barsch, „Ich meine zur Festung! Und ja ich reizte dich, da ich weiß, dass du niemals etwas auf sich beruhen lässt, deshalb wartete ich hier auf dich. Zufrieden? Bekomme ich nun eine Antwort?“

„Das ist einfach zu beantworten, ich wollte wissen, warum jeder Sardovan, egal wo er lebt, die Festung als seine Heimstatt ansieht.“

„Ah du nicht?“ schaute er mich verwundert an, ich schüttelte den Kopf, „Warum sollte ich? Nur einmal war ich hier und da nur kurz.“

„Du warst hier? Wann?“ hob er erstaunt eine Braue.

„Es ist ziemlich genau acht Jahre her. Jäger verfolgten uns, wir kamen durch den Tunnel …“

„Ich erinnere mich. Du warst also dabei. Ich bemerkte dich nicht.“ Rieb er sich die Stirn. Ich musste grinsen, als ich an die kurze Begegnung dachte. „Eigentlich schon“ klärte ich ihn auf, „Du fragtest Hendrik, warum Vlad ein Weib zu ihm …“

„Ja! Ich weiß, dieser enorme Hut. Ich bemerkte, dass Hendrik damit geschlagen wurde. Das warst du, soso da hat dich Vlad versteckt. Wann, reistet du ab?“

„Am nächsten Tag, nach meiner letzten Prüfung.“

Er nickte „So wusste es praktisch jeder. Ich nehme an deine Prüfung galt Hendrik, lange Zeit musste er den Spott über sich ergehen lassen. Ja nun verstehe ich.“ Lächelte er mir zu, was ich erwiderte als ich an Hendrik und die damalige Prüfung dachte. „Vlad!“ schüttelte er den Kopf, „und all seine Vorsorge, völlig umsonst. Wobei wir beim Thema wären, das ich anstrebe.“ Schwand sein Lächeln, er musterte mich eingehend. „Sarah! Vulpe! Kriegerin! Geliebte des Franzosen! Was bist du noch?“, nahm er sein Glas in die Hand und lehnte sich zurück, grübelnd schwenkte er das Weinglas.

Was sollte ich sagen? Nichts! Vielleicht einfach gehen? Es schien, als habe er meine Anwesenheit vergessen, sollte ich die seltsame Unterhaltung beenden?

„Ich spüre deine Not, Sarah.“ Blickte er in diesem Augenblick auf, er sah unendlich alt aus. In den Tiefen seiner dunklen Augen stand sein Leid. Unendlicher Schmerz lag darin, dass ich schnell wegsah. Es stand mir nicht zu, ihn in dieser Verfassung zu sehen. Wer war ich schon, ein bedeutungsloser Krieger seines Clans, ein winziges Rädchen seines Imperiums.

Räuspernd stellte er das Glas ab, „Bleib, ich habe dir einiges mitzuteilen. Es wäre besser, du setzt dich.“ Schob er mit dem Fuß den Stuhl zu seiner Rechten vor, „Bitte!“

Was blieb mir übrig? Gehen? Das Oberhaupt der Familie vor den Kopf stoßen? Falls ich überhaupt hinauskam, denn ich vermutete die Tür, sowie die Fenster hielt er geschlossen, also setzte ich mich.

„Na also“ nickte er zufrieden, „Der Wein ist wirklich gut.“ Deutete er auf das Glas, das nun vor mir stand.

„Ich behalte lieber einen klaren Kopf.“ Entgegnete ich bestimmt, was ein amüsiertes Lächeln in seinem sonst so ernsten Gesicht zauberte. „Ein Schluck Wein wird dich nicht gleich umhauen oder sollte ich mich irren?“ zog er fragend eine Braue hoch.

Wie wandelbar er doch ist, in einem Augenblick wirkte er erschöpft, dann voller Seelenqual, nun spöttisch. Ich wusste, er konnte kämpfen, die Bilder heraufbeschwörend, als uns die Jäger angriffen, als ich die kleine Nachtigall in Armen hielt. Wie kühl und effizient er seine Kraft einsetzte, die Gegner niedermähte. Nun saß mir ein völlig anderer gegenüber. „Was möchtest du mit mir bereden?“ versuchte ich kühl zu bleiben, anstatt auf seine spitze Bemerkung einzugehen.

„Ja was … es ist schwierig.“ Lehnte er sich vor und studierte angespannt mein Gesicht, „Was weißt du über uns?“

„Du meinst den Clan oder die kurze Liaison?“, hoffte ich auf eine unpersönliche Unterredung. Er lachte grimmig, „Es war weit mehr als eine kurze Liaison, Sarah. Weit mehr, wir liebten uns …“

Darauf lief es also hinaus, dachte ich, wie befürchtet. Wut stieg in mir auf, über sein damaliges Verhalten. Egal welche Gründe ihn auch dazu trieben, so verhielt sich kein anständiger Mann oder Vampir unterbrach ich ihn brüsk, „Ja das hörte ich, was dich keineswegs abhielt, ein Verhältnis mit Alischa einzugehen.“

„Ich höre, du bist bestens informiert. Sag mir, wer klärte dich auf? Pierre?“, zog er die Brauen zusammen, die Falte dazwischen stach scharf hervor. „Einerlei“ beantwortete er seine Frage selbst. „Eines solltest du wissen, ich liebte dich.“

„Du meinst Sarah Wagner!“, verbesserte ich ihn.     

„Sarah Sardovan, wir waren ein Paar ganz den alten Brauch folgend, bis hin zur Nahrungsaufnahme.“ Er sah den Zweifel in meiner Miene. Nach altem Brauch. Unmöglich! Kein Vampir band sich heutzutage auf diese Weise an einem Menschen. Dafür kamen wir viel zu leicht an Blut. „Woher kommt die Narbe in deiner Armbeuge?“ fragte er mich.

Die Narbe! Zweifel keimte in mir auf, stimmte es? Laut Vater eine Verletzung die das Leben Sarahs Sardovans beendete. Eine Lüge? Gab es einen Bund zwischen ihnen? Das war weit mehr als ein Gelübde, er kannte demnach jeden ihrer Gedanken, jede Erfahrung, jede Begebenheit ihres menschlichen Daseins. Fühlte, lebte und liebte mit ihr.

„Du zweifelst und doch ist es so, Sarah. Wir waren und sind durch Blut aneinander gebunden. Wer wandelte dich?“ das wollte ich nicht hören, ein unbeschreiblicher Verdacht keimte in mir auf, sollte es so sein, so verspürte er noch heute flüchtige Gedanken und Gefühle, die ich in mir trug und erlebte.

Bisher hörte ich fassungslos zu, konnte ihn nur ansehen, meine Gedanken rasten. Automatisch nahm ich das Glas Wein entgegen und trank. Der Wein schmeckte köstlich und rann meine ausgedörrte Kehle belebend hinunter. „Das kann nicht sein“, setze ich das Glas ab, „ich glaube das nicht. Warum sollte ein alter Vampir wie du eine junge Frau in diese Weise an sich binden. Nein das glaub ich nicht.“

Unerbittlich fuhr er fort. „Und doch ist es so. Du zogst mich in deinen Bann, schon bevor ich dich persönlich kennenlernte. Alia schicktest du Bilder, die sie mir zeigte. Ich riet Alia den Kontakt abzubrechen, während ich im selben Atemzug anordnete, alles über Sarah Wagner in Erfahrung zu bringen. Natürlich alles unter dem Deckmantel des Schutzes für Familie und meines Freundes.“

„Genug!“, sagte ich aufgebracht, „Das ist Vergangenheit und längst vergessen“, wollte ich aufspringen, Corvin Sardovan hielt mich auf, „Geduld Sarah, ich wühle aus bestimmten Gründen in der Vergangenheit, kaum zum Spaß, noch um dich oder mich zu quälen. Denn für mich ist es ebenso schwierig.“

Nun war ich überrascht, „Ja“ nickte er bestätigend, „Sogar in mehrerer Hinsicht, allein deine unmittelbare Nähe …“

„Dann solltest du die Tür öffnen.“ Meinte ich spitz ihm ins Wort fallend. Was er ignorierte, „… das Wissen dich auf der Festung zu haben. Sag mir warum kamst du her?“

„Das sagte ich bereits!“ setzte ich mich auf, bezichtigte er mich der Lüge?

„Kein Grund sauer zu werden, ich möchte mich nur vergewissern, du wirst es im Nachhinein verstehen. Wie ich sagte Fasziniertes du mich, schließlich wurden wir ein Paar. Wie es dazu kam interessiert nicht, dazu reicht die Zeit nicht. Obwohl ich dich liebte.“ Auf meine abwehrende Miene verbesserte er sich, „Sarah liebte, beendete ich den Bund, einmal aus den dir bekannten Gründen. Die Allianz mit Alischa musste ich eingehen wollte ich im Rat etwas bewirken. Ja und dann der für mich triftigere Grund, man wollte mich über dich ausschalten. Du warst meine Achillesferse, ich befürchtete, irgendwann würde es einem Attentäter gelingen. deshalb ließ ich dich auf die niedrigste Art und Weise fallen. Jeder sollte sehen, dass ich für dich nichts mehr empfand. nach meiner Vorgeschichte mit Frauen stellte, dass kein Problem dar, besonders da ich mich in die neu erlangte Freiheit stürzte. So warst du in Sicherheit, aber ich irrte mich. Weder warst du in Sicherheit, noch bliebst du fern. Ein Fehler, der einen guten Vampir das Leben kostete. Nun Vlad brachte dich ins Dorf am Fuße der Festung, dort so dachten wir, wärest du vor jeden Feind sicher.“ Er schüttele den Kopf, füllte sein und mein Glas auf.

„Gott, wie unwissend wir waren. Der Feind lauerte in den eigenen Reihen und schlug unbarmherzig zu.“

„Dana!“ nickte ich verstehend.

„Ja, Dana und dieser Jäger Jens Stegmann verrichteten ihr unheiliges Werk. Du gabst Geirrod zuvor das Versprechen ein Krieger zu werden. Sie waren vor Ort, nachdem der Angriff auf dich geschah, da ich mich bereits von dir genährt hatte, vollzog ich die Wandlung. Uns blieb keine Zeit um die nötigen Vorbereitungen zu treffen … du lagst im Sterben … Dana und der Jäger flüchtend … Rosmerta, die mich drängte, … fassungsloses Chaos brach aus, während du dort auf den Waldboden um dein Leben kämpftest. Wir wagten es nicht, dich fortzubewegen, zu schlimm war die Verletzung, … wussten nicht zu sagen, ob die Wandlung gelang, drei Wochen verharrten wir dort im Wald, … du schwebtest zwischen tot und Wandlung … untätig warteten wir, mit den Schlimmsten rechnend. Als deine Wunden begannen zu heilen, atmeten wir erleichtert auf, um dann festzustellen, welch ein blutrünstiges Monster wir schufen. Es begann mit der Heilung, dein Konsum an Blut war schier unersättlich, deine Kraft unbegrenzt wir mussten dich in Ketten legen, die du sprengtest. Die stärksten Krieger mussten dich niederhalten, damit wir dich narkotisieren konnten. Selbst da noch versuchtest du uns zu zerfleischen.“ Trank er einen Schluck, „Trink, sonst wird er warm.“ Nahm er mich in Augenschein, „Ich fasse es kaum, dir gegenüberzusitzen. Du im Vollbesitz deines Verstandes. Sechs Jahre stecktest du in der Wandlung. Sechs lange Jahre, in denen du jeden an die Gurgel wolltest, der sich in deine Zelle wagte. Eine Bestie ohne Verstand, nur auf ihren Instinkt hörend.“ Schüttelte er kaum merklich den Kopf, der harte Zug um seinen Mund nahm zu.

„Ich bin Realist und als solcher sah ich keine Zukunft für die Bestie, die dort im Keller wütete. Erlösung für die kranke Seele wollte ich, denn das war weder die Frau die ich liebte, noch ein Vampir. Als ich Vlad meine Meinung äußerte, kam es zu einem Disput. Ich beharrte auf dein Ende und Vlad mein Freund und ewiger Optimist wollte davon nichts wissen. Als Oberhaupt und Ehemann bestand ich auf meine Entscheidung.“ Grimmig presste er die Lippen zusammen, „Vlad hingegen wies mich auf einige Tatsachen hin, die ich keineswegs leugnen konnte. Den Bund hob ich auf, dein Versprechen galt ein Krieger zu werden. Wie du weißt ist Vlad der Clanführer eurer Kaste, als solcher oblag es ihm, wie mit dir umgegangen wurde. So reiste er ab, mit dir in einem Käfig. Zuvor ließ er mich schwören niemals mit dir in Kontakt zu treten, egal was auch geschieht. Ich gab ihm mein Wort, wusste ich doch die Bestie würde nie zu Verstand kommen.“ Er grinste, „Ich dachte, Vlad würde seinen Fehler irgendwann einsehen, zumal wollte ich keinen Streit. Er ist mein Freund und ich gestehe, ohne seine Hilfe bekäme ich die unterschiedlichen Familien nicht zusammen an einen Tisch. Dazu kam … aber davon später. Nun sitzt du hier, dein Vater ist bestimmt unterwegs um dich aus meiner Gegenwart zu befreien, ich überlege, ob ich mein Wort brach. Hätte ich dich fortschicken sollen? Ich weiß es nicht und überlasse das Urteil meinen weisen Freund.“ Strich er sich mit beiden Händen über das Gesicht.

Wieder schwieg er, Vater kam also. Was gedachte er zu tun? Wollte er mich mit Gewalt aus der Festung entfernen? Zuzutrauen war es ihm, dachte ich grimmig. Es wäre nicht unser erster Disput, stellte ich mich auf eine harte Diskussion ein. Sein Wort sich nicht mehr in mein Leben einzumischen, so wusste ich nur zu gut, war nichts anderes als eine lange Laufleine, die er mir zugestand. Aber das vor diesem alten Vampir einzugestehen kam für mich absolut nicht infrage. Deshalb meinte ich gleichgültig, „Warum sollte er? Schon lange bin ich kein Mensch mehr.“

Er lehnte sich vor, „Ah und das bedeutet?“ musterte er mich. Seine Augen blickten mich amüsiert an. Lachfältchen um seinen Mund ließ die harte Linie darum weicher erscheinen. Er durchschaute mich, nicht schwer, da er Vlad seid undenklichen Zeiten kannte.

„Aus einem einfachen Grund, ich bin nicht jene Frau …“

„Da stimme ich dir zu und auch wieder nicht. Sarah ähnelte ihren Vater ungemein, du bist ihr Abbild in einer gewissen Weise. Sieh dir Hendrik an, als Mensch schon das Ebenbild des Vaters, als Vampir kann man sie kaum unterscheiden, sein Charakter hat sich kaum verändert.“ Ich nickte, denn es traf zu, „Siehst du, so ist es auch bei dir. Kannst du mir sagen ob du nicht wieder die gleichen Gefühle für mich empfinden wirst?“

Das sollte ja wohl ein Scherz sein? Was bildete sich der Vampir eigentlich ein? Ich rolle mit meinen samtenen braunen Augen und jedes Vögelchen ist mir verfallen? Ich sprang auf und beugte mich über die Tischplatte, beide Hände darauf aufgestützt, so nah wie möglich an seine Nasespitze heran. „Was du denkst, erhoffst oder Sonstiges, ist mir einerlei. Eines versichere ich dir, du bist absolut nicht mein Typ! Erinnere dich lieber an dein Versprechen, welches du meinen Vater gabst.“

„Aber das tue ich ja! Nicht ich habe dich aufgesucht, sondern du mich. Du kamst aus freien Stücken. Selbst Vlad kann mir nicht das Geringste vorwerfen.“

„Um die Tatsachen klarzustellen. Ich kam nicht zu dir!“ verbesserte ich ihn schroff.

Er grinste, „Selbstverständlich!“ nickte er zustimmend, „Du kamst zur Festung! Ist schon klar! Das glaubt dir dein Vater ungesehen.“  ER traf genau den Punkt! Vater würde nicht ein Wort glauben schon gar nicht wenn dieser arrogante Typ sich so verhielt.

Aber er war noch nicht fertig und fuhr fort, „Was sollte er schon einzuwenden haben schließlich reden wir nur miteinander, also was soll´s.“ zuckte er gleichgültig die Schultern, „Es ist mir wichtig, dass du die Wahrheit kennst. Das soll keine Entschuldigung werden auch erwarte ich kein Pardon, ich weiß selbst, welche Fehler ich beging. Aber das ist nebensächlich.“ Winkte er ab, „Nun zu meinen Anliegen“, nippte er am Wein.

Aufseufzend fuhr er fort, „Damals konnte ich Vlads Besorgnis nicht nachvollziehen. Woher auch ich besaß kein Kind, keine Tochter die meinen Schutz bedurfte. Damals!“ seufzte er erneut.

Nun wurde ich neugierig, „Du hast eine Tochter?“ mir fiel die Beziehung zu Alischa ein. Es war kein Geheimnis, das Alischa Nachkommen wollte, außer ihrem missratenen Sohn Vlad, wie sie ihn betitelte und ein Enkel dessen sie sich nicht vollkommen sicher war. Auch das war kein Geheimnis, Livio so dachte ich, besaß ebenso viel Ehrgeiz wie Alischa. Alischa aber wollte keinen machtbesessenen Vampir neben sich, sie benötigte Lakaien die ihr hörig folgten. Aus diesem Grunde hielt Vlad mich von Alischa fern. „Sie ist eine Blenderin, dabei saugt sie einen bis auf den letzten Tropfen aus. Ich will dich nicht in ihren Umfeld sehen.“ Sagte Vater und in diesem Punkt waren wir einer Meinung. Also hatten Corvin und Alischa eine gemeinsame Tochter. Kein Wunder das er sich Sorgen machte.

„Ja! Eine ausgesprochen sture, halsstarrige, dickköpfige Tochter. Verstehe mich nicht falsch sie ist mein ein und alles, aber so manches Mal …“ er verdrehte die Augen und pustete die Wangen auf. „Sie weigert sich meine Anordnungen zu befolgen.“ Was ich mir nur zu gut vorstellen konnte. Eine Tochter mit seinen und Alischas Genen musste ein willensstarkes Geschöpf sein.

„Da kommst du ins Spiel. Ich möchte, dass du mit ihr redest.“

„Ich?“, sagte ich überrascht, was sollte ich mit ihr bereden? „Aber mit Kindern habe ich keinerlei Erfahrung.“ Corvin lachte schallend auf, um darauf die Stirn in sorgenvolle Falten zu legen. „Kind! Ja das dachte ich auch bis vor einigen Wochen. Prya ist neunzehn Jahre alt. Bisher war sie vernünftig, eine gute Schülerin, überhaupt ein Kind das keine Schwierigkeiten bereitete. Obwohl sie unter besonders schwierigen Umständen aufwuchs. Wie ich schon sagte bin ich selbst kaum angreifbar, aber meine Feinde versuchen die die ich liebe zu schaden. Nachdem ein Attentat auf Prya fast glückte, wuchs das Kind an geheimen Orten von Leibwächtern bewacht auf.“

Das musste ich erst einmal verdauen, er besaß eine Tochter die eigentlich schon zu den Erwachsenen zählte. Warum redete Alischa nicht mit dem Kind? So wie es sich anhörte wuchs Prya in Corvins Umfeld auf, das passte wiederum nicht zu den Gerüchten um Alischa.

Corvin fuhr fort, „Natürlich versuchten wir, Prya ein normales Umfeld zu bieten. Darauf achtete meine Mutter, die seitdem Prya geboren wurde, bei ihr ist.“

Das passte alles nicht. „Deine Mutter … warum redet sie dann nicht mit Prya?“

Er winkte zornig ab, „Meine Mutter ist befangen, sie hält zu Prya.“

„Was ist mit Alischa? Sie ist, so nehme ich an, die Mutter.“ Corvin schwieg, er wich meinen Blick aus. Ich dachte schon, ich bekäme keine Antwort. „Pryas Mutter starb bei der Geburt.“

„Oh das tut mir Leid, es muss schwierig …“

„Verdammt Sarah“, unterbrach er mich rüde, „Ich will dein Mitleid nicht", sprang er auf, „Ja verstehst du denn nicht? Prya ist neunzehn, wann wurdest du gewandelt?“

Was hatte das mit meiner Wandlung zu tun? Die lag übrigens circa vierzehn Jahre zurück, acht Jahre auf Reisen sechs Jahre Wandlung und Ausbildung. Worauf wollte er hinaus? Er stierte mich mit undefinierbarem Blick an, als warte er auf meine Reaktion.

Kapitel 9

 

„Du weißt es nicht!“ nickte er bedeutungsvoll, „Wie soll ich das sagen? Also Prya ist unsere Tochter.“

Zuerst dachte ich, mich verhört zu haben, dann begriff ich schnell. Er suchte eine Frau, die er als Mutter präsentieren konnte, damit sein Töchterchen wieder unter seiner Knute stand. Ich lachte ihn aus. „Netter Versuch Boss aber such dir eine andere Blöde, die diesen Job übernimmt.“ Hielt ich mir den Bauch, ich war noch nicht einmal sauer, er musste schon sehr verzweifelt sein, um zu solchen Mitteln zu greifen. Hoch aufgerichtet stand er vor mir, in seiner Miene stand keinerlei Humor noch Schuldbewusstsein.

„Es ist unser Kind, Sarah!“, behauptete er tatsächlich.

„So? Dann habe ich also … warte lass mich ausrechnen“ überlegte ich kurz, „also als ungefähr Zwanzigjährige ein Kind ausgetragen. Ist schon komisch, wenn ich bedenke, dass ich erst Mitte zwanzig von euch erfuhr.“ Blickte ich ihn auftrumpfend an, jetzt musste er sein kleines Komplott aufdecken.

Anstatt reumütig um Verzeihung zu bitten, fuhr er sich zweifelnd durch das Haar. „Mein Gott was für ein Rechengenie!“ grinste er, „Um Klartext zu reden deine Wandlung dauerte sechs Jahre, die Ausbildung fünf das sind meiner Rechnung nach schon elf Jahre, dazu die acht Jahre … nun das sind dann wohl neunzehn.“ Setzte er sich gelassen hin. „Prya ist deine Tochter, sobald du sie siehst, wirst du es erkennen. Naja vielleicht dein Vater benötigte auch seine Zeit um die Zweifel zu besiegen.“

„Das ist doch Humbug, nie bleibt ein Vampir so lange in der Wandlung.“

„Du schon! Es war fast schon zu spät. Hochschwanger warst du als Dana und dieser Jens Stegmann angriffen. Ein Messerstich im Bauch er hat dich regelrecht aufgeschlitzt. Prya überlebte unbeschadet, aber du lagst im Sterben. Geirrod und Rosmerta die mir folgten bestanden auf deine Wandlung. Wir handelten sofort, … es war ein Risiko, du warst mehr Tod als lebend, doch wir taten es. In den nächsten drei Jahren vegetiertest du im Keller …“

„Nein nein“ schüttelte ich den Kopf, dass alles passte nicht zusammen. Ein Kind? Die Wandlung! Nein das alles hörte sich falsch an. „Eins nach dem anderen.“ Versuchte ich Ordnung in das Chaos zu bringen. „Da liegt ein Irrtum vor.“ Weigerte ich mich seinen Worten glauben zu schenken.

Corvin setzte zum Sprechen an, „Warte!“ nahm ich einen kräftigen Schluck, „Du behauptest ernsthaft, ich … wir haben ein Kind?“

„Allgemein glaubt man mir.“ Fiel er in seine arrogante Rolle, die kurzweilig gänzlich verschwand. Ich fragte mich, welcher der wahre Corvin Sardovan war. Trotzdem behauptete er Ungeheures, „Schiebst du denen auch Kinder unter?“ das musste sein, er hat Probleme mit seinem verzogenen Nachwuchs und wie es sich anhörte mit seiner Mutter. Dann flugs zauberte er die Kindesmutter her. Wie er damit durchkommen wollte, sah ich nicht.

Anstatt aufzubegehren, belustigte ihn mein Verdacht. „Es ist unser Kind.“ Bestätigte er nochmals ruhig. Zu ruhig das machte mir Angst und forderte meine Geduld auf eine harte Probe. „Tatsache ist, ich habe noch nie gehört eine Tochter geboren zu haben. Vater hätte …“

Er schüttelte den Kopf, „Wir kamen überein Prya in den Glauben zu lassen ihre Mutter sei verstorben.“

„Mit wir ..., meinst du, Vlad und dich?“

„Ja! Du warst eine Bestie, die bewacht im Gewölbe dahinvegetierte. Sollten wir sagen da schau Kind das ist deine Mutter? Nein wir verschwiegen ihr und später dir die Tatsachen.“ Konnte ich ihm glauben? Eine solche Lüge würde schnell aufgedeckt sein. Wenn es stimmte, nein das war unmöglich, weigerte ich mich weiterhin ihm zu glauben.

„Sarah!“, unterbrach mich Corvin, „Es ist wahr!“ Wahr? Was? Das Vater mir verschwieg ein Kind zu haben? „Hendrik, Alia … meine Freunde? Wussten sie es?“

„Ja auf meinen Wunsch schwiegen sie. Bis jetzt, du hörtest ja Rosmerta, als sie mich drängte.“

Sie wussten es! Ein Kind! Eine neunzehnjährige Tochter! Entsetzen, Angst, Wut, hielten mich im Griff. Ohne bewusst zu überlegen rechnete ich zurück, acht Jahre verdingte ich mein Brot als Krieger, da war sie elf. Durchaus ein Alter um gewisse Wahrheiten zu erfahren. Fünf Jahre Ausbildung, Prya sechs Jahre fragte sie je nach ihrer Mutter. Was sagten sie ihr?

Leere breitete sich in mir aus, die Mauer des Schmerzes begann mich einzuholen. Nein! Dorthin wollte ich nicht zurück, nicht zu dem seelenlosen Biest, das ich einst war. Vehement schüttelte ich den Schmerz die Enttäuschung ab. Denke Sarah denke. „Demnach wurde ich sechs Jahre im Keller eingesperrt?“, fragte ich laut, zu laut für meine Ohren.

„Nicht ganz, nach ungefähr vier Jahren nahm Vlad dich mit. Wie gesagt ich zweifelte und Vlad glaubte an ein Wunder.“

„Also sagtet ihr dem Kind, die Mutter sei Tod?“

„Ja“

„Aber als ich meine Ausbildung begann, meinen Job antrat, warum sagtet ihr nichts?“

„Weil ich dir und deiner angeblichen Wandlung nicht traute.“ Das war wenigstens die Wahrheit, davon war ich überzeugt.

„Ach und jetzt glaubst du daran? Darum brichst du dein Schweigen?“

„Ja ich denke, du bist stabil genug. Du bist hier, der Moment ist günstig, geplant habe ich das nicht.“ Gab er offen zu.

„Zusammengefasst würde ich meinen Urlaub woanders verleben hätte ich nie die Wahrheit erfahren?“

„Wahrscheinlich“ nickte er, „Es ist kompliziert, dein Vater, deine Freunde und schließlich unser damaliges Verhältnis. Du wolltest unser Kind von mir fernhalten.“ Er lachte leise in sich hinein, „Ich sollte sogar ein schriftliches Dokument unterzeichnen das besagte, ich halte mich von deinem Kind fern.“

„Wirklich? Als Mensch war ich gar nicht mal so dumm, wieso wollte ich das?“

„Vlad brachte dich nach einem Angriff hierher. Du warst schwanger und teiltest mir in einem kurzen Schreiben mit wer der Vater ist. Ich glaubte dir nicht, dachte du wolltest dich für mein Verhalten rächen. Zumal deutete alles darauf hin, dass du mehrere Liebhaber hattest. Ich selbst wusste von einen, so dachte ich jedenfalls, was ein Irrtum war. Als dies aufgeklärt wurde, wollte ich mich mit dir aussöhnen. In der Stunde geschah so viel, Eric so dachte ich, sei einer deiner Liebhaber. Ein verheirateter Vampir, den du schamlos verführtest. Es viel mir sehr leicht dies zu glauben, ich wollte es sogar glauben, aus Gründen, die heute unwichtig sind. Der russische Clan war auf der Festung, die Verhandlungen liefen sehr schlecht. Eric fehlte, denn auf seine Einladung, wegen seiner Überzeugung kamen sie her. Ich wollte und konnte Eric nicht verzeihen, ebenso nicht dir. Wie ich schon sagte die Russen drohten abzureisen, Rosmerta bat sie um einige Stunden und mich bedrängte sie dich anzuhören. Was ich strikt ablehnte, schlussendlich überwältigten sie und Diederich mich und schleppten mich gefesselt zu dir.“ Im Unterbewusstsein rieb er sich die Rippen. Wahrscheinlich gingen sie nicht gerade zimperlich mit ihm um.

„Du klärtest mich auf, Eric und seine Frau Sarah bestätigten deine Geschichte. Der Mantel der Eifersucht, der mich über Monate gepackt hielt, zerstob. Nun endlich erkannte ich die Wahrheit. Ich erkannte deine ungebrochene Liebe, hoffte auf eine Versöhnung doch zuerst die Familie, die Russen warteten ungeduldig. Während du mit Dana hinausgingst, bereiteten Rosmerta, Diederich und Geirrod einen Schlachtplan vor, um die Russen mit Erics Hilfe auf unsere Seite zu bringen. Da vernahm ich deinen Ruf, spürte deine Angst … ich rannte los und fand dich, unser Kind haltend dem Tode nahe. Geirrod verlangte dich zu wandeln, Rosmerta entriss mir das Kind und ich … ich tat es wider besseres Wissen …“ er brach ab, schaute mich mit blinden Augen an, ganz in die Vergangenheit verstrickt.

So war das also! Dana! Die Verräterin sie führte den tödlichen Schlag aus. Ich dachte immer, er sei das Gesicht des Mannes, das ich nie vergaß, mich nie zur Ruhe kommen ließ. Vater meinte auf meine Frage, wie ich gewandelt wurde, nur es sei ein hinterhältiger Angriff von Jägern gewesen. Ich musste nachfragen, brauchte die Bestätigung, „Dann hat Dana mich angegriffen?“ verwundert sah ich Corvins stumme Verneinung, „Das tat ein Jäger namens Jens Stegmann.“

„Blondes Haar, blaue Augen ein schmales Gesicht.“ Beschrieb ich das Gesicht, das tief in mir eingebrannt war. Corvin nickte bestätigend, „Jens Stegmann“ wiederholte ich leise, endlich erfuhr ich den Namen.

„Er überlebte den feigen Anschlag nicht lange. Henry und Ross stellten ihn.“

Ross! Ja das konnte ich mir vorstellen in dem ansonsten ruhigen Vampir lauerte etwas Gefährliches. Ross nahm mir die Möglichkeit der Rache, „Warum brachte Ross ihn um? Der Jäger besaß sicherlich Informationen.“ Konnte ich nicht umhin ihn zu kritisieren, ein Krieger verlor niemals seine Kaltblütigkeit.

Wieder schüttelte Corvin den Kopf, „Henry! Ross kam Sekunden zu spät.“ Henry! Kaum zu glauben. „Er mochte dich mehr als mir damals bewusst war.“

„Du warst dir über vieles nicht bewusst.“ Wir schreckten auf, „Warum sind die Türen verschlossen?“ trat Vater mit grimmigem Blick näher.

„Vlad! Ich habe dich nicht bemerkt.“ Sah Corvin auf. Also erging es mir nicht allein so. Corvin lächelte nickend, „Zuweilen vergesse ich all deine Fähigkeiten.“

„Dein Fehler, aber ich vergesse die deinen nie.“ Darin klang eine unverhohlene Drohung, „Anscheinend seid ihr sehr miteinander beschäftigt.“ Folgerte Vater, seine Blicke huschten über uns hinweg, verweilten an den geleerten Flaschen. „So ist das also!“ höhnte er drohend. Corvin sah ihm ruhig sogar lässig entgegen.

„Ja so ist das, Vlad! Wir haben uns unterhalten.“ Reizte Corvin Vater zusätzlich.

„Sarah geh auf dein Zimmer.“ Befahl Vater barsch. Seinen Freund keine Sekunde aus den Augen lassend. „Nein!“, sagte ich bestimmt.

„Wie?“ drehte er sich erstaunt zu mir um. „nein!“ wiederholte ich, „Zuerst höre ich mir die Probleme Corvins an, die er mit seiner Tochter hat.“ Vater wurde aschfahl, „Oder sollte ich unsere Tochter sagen?“ es war ein Schuss mitten ins Herz, an seine Reaktion erkannte ich die Wahrheit.

Sein Zorn verrauchte, kurz sah er Corvin anklagend an, um dann auf die Knie sinkend um Verständnis heischend meine Hand ergriff. „Ich schwieg zu deinem Schutz. Das musst du verstehen.“

„Dad du kannst nicht immer alles vor mir verbergen.“ Wie jung und verletzlich er aussah. Ich strich ihm liebevoll über die Wange, er schloss die Augen. „Ist es nicht meine Aufgabe dich vor allem Unbill zu schützen?“

„Das tatest du, Dad. Aber nun musst du mir die Wahrheit sagen, irgendwann wirst du mir den Freiraum geben müssen um eigene Erfahrungen sammeln zu können, seien es Gute oder Schlechte.“

„Hab erst mal eigene Kinder.“ Öffnete er die Augen, sein Antlitz geriet in den Hintergrund, sein Alter und die damit verbundene Macht trat zutage. „Das habe ich! Eine neunzehnjährige Tochter, die keine Ahnung von mir hat.“ Warf ich ihm und auch Corvin leise vor. Verwundert wurde mir bewusst, wie leicht ich Prya als mein eigen Fleisch und Blut akzeptierte. Noch erstaunter waren die Reaktionen Corvins und Vlads, die unbehaglich meinen Blick auswichen. Zum ersten Male erkannte ich, was ein milder Tadel bewirkte. Mehr als eine lautstarke Auseinandersetzung. „Wie stellt ihr euch oder du Corvin das eigentlich vor? Etwa ach Prya ich wollte dir noch sagen deine Mutter lebt?“

Beide schüttelten vehement die Köpfe, sahen sich ratlos an. Vater ließ meine Hand los und stand auf, „Die Frage, Sarah, lautet doch wohl, willst du Prya überhaupt kennenlernen?“ er gebot mir zu schweigen, als ich etwas erwidern wollte. „Auch wenn du meinst, ich mische mich wieder ein, Fakt ist doch, du gehst wieder fort, wohin dich dein nächster Auftrag bringt, weißt du nicht.“ Das wurmte Vlad, wie ich nur zu gut wusste, sagte jedoch nichts dazu. „Willst du Prya kurz Hallo sagen, ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellen um dann wieder deinen ehrgeizigen Plänen nachgehen? Nicht zu vergessen deine Unabhängigkeit, die du als hohes Gut ansiehst, deine Unfähigkeit geliebten Menschen auf Dauer in deiner Nähe zu lassen.“ Er zählte all die Attribute auf, für die ich seid Jahren kämpfte, nun setzte er sie gegen mich ein. „Willst du Prya dann allein dastehen lassen? Ist es das, was du willst?“

„Du stellst Fragen, die ich im Augenblick nicht beantworten kann.“ Wich ich seinen Argumenten aus.

„Deshalb vertraue auf meine Erfahrung, Sarah. Prya wird von allen geliebt, sie besitzt die besten Paten, Marsé Corvins Mutter ist ihre Vertraute, so hart wie es klingt, aber du Sarah bist in ihrem Leben schon lange Tod.“ War es so? Durfte ich einfach in ihr Leben eindringen?

Corvin schlug hart mit der Hand auf den Tisch, die leeren Weinflaschen klirrten. „Genug Vlad! Wir haben geschwiegen, damit sollte Schluss sein. Sprich lieber aus warum du deine Tochter schnellstens von hier fortschaffen möchtest.“

„Ja das möchte ich auch gern erfahren.“ Kam Henry abgehetzt in den Speisesaal. „Sarah mein Schatz! Ich hätte es mir denken können.“ Drückte er mir einen Kuss auf die Stirn. „Deshalb wurde ich also herzitiert? Was ist geschehen? Ist die alte Leidenschaft ausgebrochen? Ich sagte euch schon, daraus halte ich mich heraus, die beiden sind alt genug.“ Griff er mein Weinglas und schenkte sich nach.

„Nichts dergleichen“ wiegelte Corvin ab, „Ich habe Sarah von Prya erzählt.“ Henry, der gerade Trank, prustete den Wein vor Schreck quer über den Tisch. „Du hast was?“ wischte er sich das Kinn ab.

„Du hast schon richtig gehört.“ Lächelte Corvin seinen Freund an, der den letzten Schluck hinunterstürzte. Die Spritzer auf dem Tisch blieben unbeachtet, als Henry sich schweigend das Glas nochmals randvoll füllte. „Dein bester Tropfen Corvin, wolltest du unsere Kleine abfüllen?“ grinste er ohne jeglichen Humor, „Woher der plötzliche Sinneswandel, mein Freund?“

Corvin verdrehte stirnrunzelnd die Augen als er Vlads argwöhnische Blicke bemerkte, „Zufällig kenne ich Sarahs Geschmack.“ Betonte er an meinen Vater gerichtet.“ Der noch immer den Boss misstrauisch belauerte.

„Anscheinend nicht so ganz! Ich glaube, inzwischen zieht sie französische Weine vor. Ach da fällt mir ein, als ich die Halle durchquerte, lungerte ein gewisser Vampir“, er nickte in meine Richtung, „dort herum. Er schien recht aufgebracht und Diederich versperrte ihm den Weg.“

„Pierre?“, fragte ich nach schon halb stehend.

„Derselbe“ bestätigte Henry.

„Er kann warten!“ entschied Corvin kurz angebunden. Wogegen ich protestierte, „Sarah das ist eine private Unterhaltung, die bespreche ich nicht vor Fremden.

Henrys Lächeln vertiefte sich, „So fremd ist er auch wieder nicht und Prya mag ihn, schließlich ist er so etwas wie der Stiefvater.“ So! Setzte ich mich betroffen, Pierre kannte Prya, wusste wer sie war, tat das eigentlich jeder und nur ich nicht? Entgingen mir in all den Jahren Andeutungen?

„Sarah?“ riss Vater mich aus meinen Gedanken, „Hörst du überhaupt zu?“

„Ich? Nein tut mir leid, was meintet ihr?“

Aufschnaubend klärte Vater mich auf, „Soll Pierre nun hereinkommen oder nicht? Corvin überlässt dir die Entscheidung.“ Ich war wütend genug um zu verneinen. Sollte er doch mal abwechslungsweise Mal im Ungewissen bleiben.

„Gut!“, sagte Corvin, „Henry halt bitte die Tür geschlossen, die unser Freund so derb aufbrach.“

„Ah er war das!“ amüsierte sich Henry über Vlad, „Ja, ja man sollte den jungen Mann keineswegs unterschätzen. Obwohl er keine Rasur benötigt …“

Henry bitte!“ unterbrach Corvin ihn, keineswegs zu Scherzen aufgelegt.

„Ist ja gut! Warum also diese Geheimniskrämerei?“ sah Henry den Boss auffordernd an.

Corvin setzte sich auf, sah seine Freunde voller Sorge an. „Prya ist verliebt … in einen Vampir.“ Dafür veranstaltete er solch ein Theater? Mein Gott das Mädel ist neunzehn! Henry, der inzwischen neben mir saß, lehnte sich zurück, während Vater die Neuigkeit gefasst aufnahm. „Wer?“, erkundigte er sich ruhig.

„Keine Ahnung. Weder Mutter noch Prya äußern sich dazu. Ich weiß nur das er älter ist und der wundervollste, liebste, best aussehendste Vampir überhaupt ist, laut Aussage meiner Tochter.“

„Marsé ist mit ihm einverstanden?“, wollte Vater wissen.

„Was hat Corvins Mutter dazu zu sagen? Was ihr? Es ist ganz normal das sich eine junge Frau in dem Alter verliebt.“ Wagte ich meine Meinung kundzutun.

Corvin winkte ab, „Das wissen wir auch. Es passt mir nur nicht, dass sie es verschweigt. Noch nicht einmal Alia und Hendrik wussten davon, sonst erzählt sie den beiden doch alles. Bei Rosmerta bin ich mir nicht sicher, die alte Krähe lachte mich aus und meinte ich solle meine Nase woanders hineinstecken.“ Brummte er ungehalten das ich mir ein Grinsen verkneifen musste. Es gab anscheinend nicht viele Vampire, die dem Boss so etwas unter die Nase rieben.

„Wer könnte es sein? Es dürfte ja nicht besonders schwer sein es herauszufinden.

„Das habe ich bereits versucht ohne Erfolg. Mutter meint, er ist durchaus akzeptabel trotz seines Rufs als Frauenheld. Für sie ist das Wichtigste, das er Prya liebt.“

Vater blies aufgebracht die Wangen auf. „Ein Weiberheld! Das fällt in deine Kategorie, Henry.“

„Nicht nur meine.“ Deutete Henry in Corvins Richtung, „Er, besitzt im Gegensatz zu mir eine gewisse Erfahrung oder wie war das damals mit Sarah? Dieser Vampir muss doch in einer ähnlichen Situation sein, wie du als Sarah auftauchte.“

„Stimmt auch wieder.“ Meinte Vater trocken.

„Diese Schuldzuweisungen bringen doch nichts. Außerdem lag die Sachlage ganz anders, ich liebte Sarah.“

„Was dich nicht abhielt ein oder mehrere Verhältnisse anzufangen.“ Konnte ich nicht umhin zu bemerken, was mir einen bösen Blick seitens des Bosses einbrachte.

„Wir müssen herausfinden, wer der Kerl ist.“ Überging er kommentarlos meinen Einwurf, „Deshalb denke ich, Sarah wird Erfolg haben, wenn sie mit Prya von Frau zu Frau redet.“

„Da bin ich kaum die Richtige.“ Wehrte ich ab.

„Warum denn nicht, du warst doch praktisch in der gleichen Situation. Verliebt in einen Weiberhelden, ein Vater, der damit nicht einverstanden war.“ Meinte Henry, was war denn mit ihm heute los, suchte er unbedingt Streit. „Nur zu deiner Information ich kann mich daran nicht erinnern.“

„Deine aktuelle Liebschaft sieht doch kaum anders aus. Pierre ist auch nicht der Treuste.“ Hielt er mir vor.

„Mit dem Unterschied ich weiß davon und es macht mir nichts aus.“ Blaffte ich Henry an. Der mich grinsend musterte, „Wie keine Liebe? Oh Gott Sarah ein reines Bettverhältnis! Dein armer Vater!“

„Wenn Sarah ihren Ehrgeiz zurückschrauben würde und bei Pierre blieb …“

„Vater!“ Was war denn hier los? Gerade sprachen wir meines Wissens über Prya! „Das ist meine Angelegenheit, außerdem geht es hier nicht um mich.“ Erinnerte ich sie.

„Nein?“, fuhr Vater mich an, „Für mich schon. Warum kamst du hierher? Was hattet ihr hinter verschlossenen Türen zu besprechen? Das sollten wir als erstes Aufklären.“ Blitzte seine Miene wütend auf.

„Ein für alle Mal, Vlad ich habe kein Interesse an Corvin Sardovan! Er ist mir viel zu eingebildet, despotisch und von sich eingenommen. Genügt dir das?“ fauchte ich ihn über den Tisch hinweg an.

„Autsch das tat weh.“ Vergnügte sich Henry.

„Du empfindest nichts für ihn?“ überhörte Vlad die Spöttelei. Ich schüttelte den Kopf, „Nicht das Geringste.“ Bestätigte ich nochmals.

„Was sagt man dazu? Kalt abserviert wie fühlt sich das an Corvin?“ heuchelte Henry Mitgefühl.

„Das war vorherzusehen.“ Zuckte Corvin gleichgültig die Schultern, „damit kann ich Leben. Da dies Thema nun endgültig vom Tisch ist sollten wir uns Prya zuwenden. Sarah ich weiß, du kannst nicht bei ihr Aufkreuzen und sagen, hallo da bin ich. Das müssen wir langsam angehen. Aber du kannst ihr Vertrauen gewinnen …“

„Indem ich ihr verheimliche wer ich bin?“ hinterfragte ich, „Meint ihr wirklich, das ist gut?“

„Wie sonst? In einer Woche brechen wir auf und wie lange wir fortbleiben ist nicht abzusehen. Was kann alles Geschehen, nein uns bleibt keine Zeit, außer du bleibst bei ihr.“

„Und spiel den Aufpasser? Nein dazu habt ihr mir jegliches Recht genommen. Außerdem habe ich einen Job …“

Henry der Kampfhahn kicherte was mich zum Schweigen brachte, „Einen Job! Warum sagst du denn nicht, wer dein Auftrag ist. Oder soll ich das erledigen?“

„Du weißt es?“, fragte ich überrascht nach.

„Da ich für die Sicherheit zuständig bin, ja.“

„Was soll das bedeuten?“, fragten Vater und Corvin zugleich.

„Sarah“, informierte Henry, „gehört zur Leibgarde. Ihr wolltet die Besten, sie gehört zu den Besten.“

„Kommt nicht infrage!“ wieder sprachen sie gleichzeitig. Henry meinte, „Dazu ist es zu spät. Ich habe das beste Team zusammengestellt, das wir je besaßen.“ Versicherte er zufrieden.

„Wie meinst du das?“ gab Corvin offensichtlich nach. Vater dagegen protestierte lautstark bis der Boss einschritt und Vlad das Wort abschnitt. „Prya! Das andere werden wir sehen.“ sagte er laut seinen Freund warnend anschauend worauf Vater den Mund hielt. So ist das, dachte ich, gut genug um seine Tochter auszuspionieren aber keineswegs als Leibwächter. „Uns bleibt nur diese Woche.“ Sagte Corvin gerade, „Vlad du reist mit Sarah zu ihr.“ Bestimmte er.

„Wie soll ich das bewerkstelligen? Nein Corvin schicke Henry.“

„Ich bin genauso ausgebucht was ist mit Hendrik oder Alia?“

„Nein sie sind unabkömmlich.“ Rieb Corvin sich die Stirn, „Also gut, Sarah wollte die Festung erkunden und wer ist besser geeignet als Prya? Sie kennt jeden Winkel, dabei habe ich sie unter Kontrolle, wenn der Vampir auftaucht habe ich ihn.“ nickte er zufrieden mit einem seltsamen Glitzern in den Augen.

„Du könntest ja auch in ihren Geist eindringen.“ Schlug Henry vor.

„Kommt nicht infrage.“ Lehnte der Boss kategorisch ab. Was mich aufs Höchste erstaunte. Für einen Vampir seines Alters wäre es eine leichte Übung. Fragend schaute ich Vater und Henry an die aber kein Wort sagten dafür Corvin, „Einmal habe ich Prya erwischt als sie mich belog und tat es. Damals habe ich ihr eine Überraschung für mich verdorben und versprach es nie wieder zu tun. Daran halte ich fest.“

„Hm das ist aber nur die halbe Wahrheit.“ Sagte Henry leise, laut genug damit wir es alle hörten. Corvin setze eine sture Miene auf und traktierte Henry mit giftigen Blicken.

„Warum so Wortkarg mein Freund? Es ist allgemein bekannt wem du dieses Versprechen gabst. Rosmerta hat es sehr anschaulich beschrieben.“ Sagte Vater genüsslich.

Nun lachte Henry lauthals, „Stimmt er änderte so manches an sich. Doch nicht genug um unsere Kleine zu imponieren. Du hast ihn so manches mal in die Knie gezwungen Sarah.“ Wischte Henry die Lachtränen von der Wange. Nun war ich es, dessen Züge erstarrten, was ging es mich an?

„Das sind alte Geschichten“, winkte Corvin ab, das erste Mal das ich seiner Meinung war. „Dann bestelle ich Mutter und Prya her, wir werden sie Morgen gegen Abend erwarten können. Dir bleiben fünf Tage Sarah.“ Mit diesem Ultimatum entließ er mich und wandte sich Vater und Henry zu ich war entlassen.

Kapitel 10

Leise schloss ich die Tür zum Speiseraum, zumindest so gut es ging, denn das Schloss war geradezu gesprengt. Vater schüttelte ich den Kopf, wann hörte er auf mich beschützen zu wollen? Welch ein Abgrund tat sich vor mir auf, all die Ungereimtheiten die ausweichenden Antworten bekamen nun einen Sinn. Sechs Jahre! Wiederholten sich die Worte, sechs Jahre weder Mensch noch Vampir. Grenzte es an ein Wunder, das die Bestie an Kraft verlor?

Nein denn ich wusste, wie es in mir aussah, sie lauerte auf ihre Gelegenheit. Ein Fehler eine Unachtsamkeit und sie würde unbarmherzig zutage treten.

Corvin Sardovan vertraute mir nicht, er sagte es nie direkt, doch seine Gestik die Worte die unausgesprochen blieben sprachen Bände. Zurecht denn ich traute mir ja selbst nicht, beständig musste ich auf der Hut sein, nur ja keine Gefühle zulassen. Schmerz, Enttäuschung, Wut ja sogar Liebe ließen die Bestie aufhorchen und erstarken.

Eine Tochter! Schaute ich über den scheinbar endlosen Wald, dessen grünes Blattwerk fast an die Wehrmauer reichte. Unbewusst schlug ich diesen Weg ein die Einsamkeit suchend. Sie versprach nichts und hielt nichts außer eben Einsamkeit, die mich tröstlich empfing.

Eine Tochter! Und sie wussten es! Selbst Livio verschwieg es in seinen Hasstriaden. Wie sollte ich einer Neunzehnjährigen entgegentreten? Kein Kind und doch nicht ganz Erwachsen. In Gedanken suchte ich nach Gleichaltrigen, die ich kannte, ohne Erfolg.

Kein Wunder von Menschen hielt ich mich fern, nur eine Handvoll kannte ich, Partner von Vampiren alle weitaus älter. Besaßen sie Nachwuchs? Ich konnte mich nicht erinnern und nun sollte ausgerechnet ich herausfinden, wer Prya den Kopf verdrehte. Ausgerechnet ich, musste ich Lachen über diesen obskuren Auftrag.

Wie sollte ich ihr entgegentreten? Mein Kind? In mir schwoll keine Mutterliebe, kein beschützender Instinkt nur Angst und Ungewissheit. Die Lüge weiterführen? Ein verführerischer Gedanke. Doch wollte ich belogen werden? Nein! Die harte Wahrheit war besser als die süße Lüge.

Es kam darauf an, wie Prya reagierte, das sollte meine Vorgehensweise entscheiden in dieser vertrakten Situation. Sie besaß das gleiche Recht wie ich. Corvin und Vater beschlossen aus nachvollziehbaren Gründen dem Kind die Wahrheit vorzuenthalten. Sie versäumten den Zeitpunkt dies nachzuholen und genau das warf ich ihnen vor. Als ich vor acht Jahren meinen Dienst antrat, hätten sie es sagen müssen da war sie elf ja durchaus eine Chance eine Beziehung aufzubauen. Morgen stand ich einer erwachsenen Frau gegenüber, die einen Vampir liebte und wahrscheinlich mehr Erfahrung in diesen Dingen besaß als ich, musste ich ehrlich zugeben, was mich wiederum verunsicherte. Wie sollte ich ihr gegenübertreten?

„Sarah?“ das war Henry, „Hier oben versteckst du dich also.“ Kam er die Leiter herauf. „Ich soll nachschauen, wie es dir geht.“

„Sag Vater, ich muss nachdenken.“

„Corvin schickt mich, weißt du er ist besorgt, wie du mit all den Neuigkeiten fertig wirst. Vor Vlad wollte er nicht …“ ich verdrehte die Augen, „Sag ihm das Gleiche.“

„Wie du meinst. Du solltest noch wissen Pierre ist bei Vlad und Corvin sie bieten ihm einen Sitz im Rat an.“

„Ach so plötzlich?“

„Keineswegs genau aus diesem Grunde luden wir ihn ein.“

„Wirklich?“ Das versetzte mir einen erneuten Stich. Kein Wort sagte er, das nennt man Vertrauen.

„Freust du dich denn gar nicht? Das bedeutet doch das ihr in Granada gemeinsam Zeit verbringen könnt.“

Granada! Dorthin ging es also. „Wohl kaum als Ratsmitglied wird sich Pierre eine Frau nehmen, die mit ihm repräsentiert. Er ist in dieser Beziehung recht komisch, in der Art hinter einem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau oder so. Ich hab das nie Ernst genommen.“

„Das hört sich ganz schön abgeklärt an. Doch wie fühlst du dich dabei?“

„Wie schon? Ein abgelegter Handschuh ist was er ist, da gibt es keine schönen Umschreibungen. Ich komm damit klar, mit der bevorstehenden Aufgabe ist es viel schwieriger. Da ist einmal Corvin, der sich ganz wie Vater verhält, viel zu übertrieben in seinem Bedürfnis Prya zu schützen. Junge Menschen verlieben sich nun einmal da kann der Boss wüten wie er will.“ Henry setzte sich auf die Mauer, „Prya ist sehr erwachsen, das war sie schon als Kind. Ich weiß nicht, manchmal dachte ich, sie liest unsere Gedanken was natürlich unsinnig ist. Nie war sie ein ausgelassenes Kind, sie tat alles mit Bedacht, hinterfragte alles und jeden. Du willst ihr sagen wer du bist?“ worauf ich nickte, „Das ist gut Sarah, sie mag ebenso wie du, keine Lügen.“

„Dann kann sie ja den Namen ihres Geliebten offenbaren.“

„Das würdest du tun Sarah aber Prya ist auch Corvins Kind, der die Sachlage von allen Seiten analysiert und entsprechend handelt. Corvin hat selten eigentlich nur einmal ohne Überlegung gehandelt oder sagen wir wenn es um dich ging. Du hast damals sein Leben total auf den Kopf gestellt, all seine Prinzipien all seine Vorsätze setzten einfach aus. Es war keine leichte Zeit für ihn.“

„Das ist lange her, erzähl mir von Prya.“ Wollte ich nichts von der Vergangenheit hören.

„Prya ja sie ist willensstark bis hin zur Sturheit. Liebevoll, gebildet, herzlich, offen manchmal sogar verträumt. Ach sie wird dir gefallen manchmal erinnert sie mich an dich. Sie hat übrigens deine Augen, nur sind ihre jetzt schon von diesem intensiven Grün, wie du sie jetzt hast. Es ist merkwürdig, Alischa, Vlad und Livio haben eine auffällige grüne Augenfarbe. Du nanntest sie bereits als Mensch dein Eigen und bei Prya sind sie so intensiv, dass sie im Dunkeln glitzern. Dazu hat sie das dunkle volle Haar Corvins aber nicht den dunklen Teint eher ein Zwischending von euch genau wie ihre Züge. Da ist noch etwas anderes, aber das will ich dir nicht sagen, du wirst es bemerken, sobald du sie siehst. Auf jeden Fall ist Prya ein liebreizendes Geschöpf.“

„Wenn sie mir so ähnelt, was haben sie sich dabei gedacht mich als Bekannte vorzustellen?“ schüttelte ich bekümmert den Kopf.

„Farbige Kontaktlinsen!“ lachte Henry, „Corvin denkt an alles vergiss das niemals. Er wägt alle für und wieder ab und Prya ist ihm da gleich.

„Anscheinend überlässt er nichts dem Zufall.“ Je mehr ich über ihn in Erfahrung bringen konnte, desto besser konnte ich meinen Job erledigen.

„Er versucht es! Aber manchmal geschehen Dinge, die selbst ein Corvin Sardovan aus der Fassung bringen. So war es bei dir, all seine Vorkehrungen, seine Planungen nutzten ihm nicht das Geringste und das meine liebe Sarah machte ihm Angst.“

„Wirklich? Kaum vorstellbar.“ Vor allem nicht da es sich damals um einen Menschen handelte. Wahrscheinlich übertrieb Henry.

„Ja irgendwann stehen wir Ereignisse gegenüber die uns aus der Bahn werfen.“ Sagte er mehr zu sich selbst.

„Solch ernste Worte aus deinem Munde, Henry.“ Spöttelte ich amüsiert, er wich meinen Blick aus und sah hinunter in den Hof. „Pierre und seinem suchenden Blick zufolge sucht er dich, ah und unser Boss folgt ihm auf dem Fuße. Was meinst du, nimmt er das Amt an?“

„Das hat er, du musst wissen, Pierre ist ehrgeizig, zudem steht er den Wandel, den Corvin anstrebt positiv gegenüber, der nur Vorteile bringt für jede Familie auch für seine.“

„Wie viele andere auch“, winkte Henry den beiden Vampiren zu, „nur das sie nicht gleich ihren Partner verlassen.“ setze er mit einem abfälligen Blick auf Pierre zu. „Soll ich bleiben?“ wandte er den Blick von meinen noch Geliebten ab.

„Wie du willst, es wird ein kurzes Gespräch.“ So geschah es auch. Pierre teilte voller Stolz Corvins Anliegen vor, um darauf kurzzeitig seine Miene in düstere Falten zu legen, auf die Bedauern folgte. Indessen erklärte er welch heroische Aufgaben ihn erwarteten und das er dafür eine Frau an seiner Seite benötigte, die ihn unterstützte. Ich machte es ihm leicht und beharrte auf meine eigene Karriere.

Er sah sich verlegen um, bedachte Henry und Corvin mit einem genervten Blick dann nahm er meinen Arm und zog mich ein Stück weiter. „Sarah besteht irgendwann in den nächsten Jahren die Möglichkeit, das du es satthast den Krieger zu spielen? Weißt du mir liegt viel an dir, ich … ich würde auf dich warten, wenn du mir …“ er suchte, nach Worten während ich verneinte.

Henry funkelte Pierre wütend an, sie bekamen trotz des nicht unerheblichen Abstandes jedes Wort mit, als Pierre unsere Beziehung beendete und seine Eile auf eine schnelle Abreise legte. Zuletzt fragte er noch, „Freunde?“

„Freunde!“ bestätigte ich was Henry zu einem empörten Schnaufer veranlasste. Mehr gab es nicht zu sagen, er verabschiedete sich erst von mir, dann von Henry und Corvin. Als Pierre den Hof überquerte, meinte Henry, „Na ich weiß nicht ob er der Richtige für Sarah war. So behandelt man die geliebte Frau nicht und das behauptete er vorhin.“

„Pierre ist politisch ambitioniert, in Granada kann er ohne seine allzu herrschsüchtige Mutter beweisen, was in ihm steckt. Er wird sich eine passende Frau suchen.“ Erwiderte Corvin leichthin.

„Genau das sagte Sarah schon.“

„So?“ musterte er mich keineswegs überrascht, „Dann hat Henry dir bereits mitgeteilt wohin es geht. Warum wundert mich das nicht? Wirst du mitkommen oder unter den gegebenen Umständen einen neuen Auftrag verlangen?“

„Noch nie habe ich einen Auftrag abgelehnt und damit fange ich auch jetzt nicht mit an.“

„Damit ist meine Pflicht getan.“ Begnügte er sich mit meiner Aussage um sich dann Henry zuzuwenden. „Verrate mir wer noch als Leibwächter dabei ist.“

Der grinste über das ganze Gesicht, „Ein Team, das sich sehen lassen kann. Peer übernimmt die Führung.“ Betonte er besonders Stolz, Corvin zeigte sich überrascht. Peer! Ein Name, den ich kannte, aber nie kennenlernte. Es hieß, er lebe zurückgezogen aus Gründen, die mir unbekannt waren. Auch Corvin zweifelte, „Wir reden von Peer? Unseren Peer?“ fragte er nach was Henry bestätigte. „Wie konntest du ihn ködern?“

„Ganz einfach ich habe ihm sein Team genannt.“

„Und das wäre?“ wurde Corvin ungeduldig.

„Überleg doch selbst! Wer kommt noch infrage?“ ließ Henry den Boss und auch mich zappeln. Corvin riss die Augen auf, „Mir schwant Übles! Himmel noch mal Henry ich habe dir freie Hand gegeben und du …“

„Moment großer Sahib!“ schnitt Henry dem Boss das Wort ab, dabei glitzerten seine blaue Augen schalkhaft auf. „Es sind Krieger, sie gehören zu den Besten. Bedenke eines, welches Team arbeitet besonders gut zusammen? Freunde!“ war er von sich und seiner Entscheidung überzeugt.

Ich musste mich zusammenreißen um Henry nicht vor Freude an den Hals zuspringen es konnte nur eines bedeuten Freunde, meine Freunde und zugleich Krieger Matt, Eric, Till. Das ich die Namen flüsterte bemerkte ich gar nicht, erst als Henry „Richtig“ sagte, wurde es mir bewusst. „Bessere findest du nirgends mit Peer und Sarah ein Dreamteam.“

    „Dass niemals zuvor zusammenarbeitete“, unkte Corvin voller Unmut, er musste aber auch an allem etwas aussetzen. „Wir müssen Stärke und Macht symbolisieren und keine Clowns, die sich gegenseitig Streiche spielen.“

Henry schnappte schnippisch nach Luft, ich kam ihm zuvor, „Mit jedem außer Peer habe ich zusammengearbeitet. Jeder Einzelne ist ein ausgezeichneter Krieger, willst du uns beleidigen? Uns und unsere Clans Corvin Sardovan?“ baute ich mich vor ihm auf. „Henry hat eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Kein Clan wird bevorzugt, die Krieger sind erfahren. Was willst du noch mehr?“

„Das verstehst du nicht.“ Wollte er mich abspeisen.

„Nein? In den letzten neun Jahren bin ich quer über den Erdball gereist, habe Familien und ihre Krieger kennengelernt. Zurecht werden wir Sardovans als die besten Krieger bezeichnet. Dazu gehören Matt, Till und Eric, was frage ich dich Corvin Sardovan, verstehe ich da nicht? Was willst du denn noch mehr?“

„Was ich will? Das sage ich dir, ich will dich nicht in diesem Wespennest. Weder dich noch einen deiner wertvollen Freunde. Ein falsches Wort eine unachtsame Geste und ein Krieg, den wir alle verhindern wollen, bricht aus. Einige Mitglieder des Rates warten nur auf solch eine Gelegenheit meinst du du kannst mich davor beschützen?“ fuhr er mich barsch an.

„Das gehört zu meiner Aufgabe Sardovan und nicht nur meine.“ Entgegnete ich spitz.

„Ah jetzt habe ich deine Ehre angekratzt. Lass dir eines gesagt sein das ist nur die Spitze eines Eisberges der dich dort erwartet. Die Alten können dich und jeden von uns bloß durch einen Gedanken töten einfach so aus einer Laune heraus.“

„Besser mich als dich!“ der Boss erbleichte, fluchend marschierte er zur Leiter um dann Straks zurückzukehren, „Du wirst auf der Festung bleiben.“ Fauchte er mich an.

„Nein! Denn du hast mir nichts zu befehlen. Ich werde für deinen Schutz zuständig sein und wenn ich sage spring, dann springst du ohne Fragen zu stellen. So sieht es aus Sardovan und du solltest dich besser daran gewöhnen.“ Tippte ich ihm den Finger auf die Brust.

„Noch ist es nicht soweit, noch nicht!“, brüllte er nun, „Warte es ab, ich habe meine Möglichkeiten.“

„Versuch es ruhig Sardovan, das haben schon andere versucht und sind gänzlich gescheitert.“

„Starrsinniges Weib!“, beschimpfte er mich die Leiter hinunterkletternd. „Despot!“, sagte ich leise voller Wut.

„Das habe ich gehört!“

„Hoffentlich merkst du es dir auch.“ Rief ich hinter ihm her als er den Hof überquerte. „So ein Tyrann! Traut er mir so wenig zu? Oder hat er Angst, ich verliere die Beherrschung und greife seinen kostbaren Rat an?“

„Keines von beiden, denke ich. Er ist um dich besorgt mehr als einmal wurden Attentate auf dich verübt …“

„Ja, ja das weiß ich, aber damals galten sie ihm. Heute bin ich lediglich seine Leibwache.“

„Ist das so? Na, wenn ich euch so beobachte, befallen mich Déjá-vu´s. Ist das eine Art Vorspiel ohne die ihr nicht könnt?“

„Red keinen Quatsch, das ist eine ernste Angelegenheit.“ Raunzte ich nun ihn an. „Du siehst doch was für ein … ein …“ mit fehlten die passenden Beinamen.

„Ja so was!“ lachte Henry, „Sarah mag unseren Boss nicht was für eine Neuigkeit! Aber sie liebte ihn.“

„Du bist unmöglich!“ boxte ich ihn damit er endlich den Mund hielt. Mir saßen andere Sorgen im Genick, wenn ich an Prya dachte, wurde mir wirklich mulmig und stellte mir vor eine fremde Frau behauptete meine tote Mutter zu sein. Ich würde ausrasten soviel stand fest. Das versuchte ich Henry begreiflich zu machen und wollte wissen wie Prya reagieren würde.

„Ich weiß es nicht.“ Wurde der Herr sich den Ernst der Lage bewusst.

„Du, Vater und der Boss solltet dabei sein.“ Er schüttelte verneinend den Kopf, „Wir haben einiges zu erledigen, außerdem ist Marsé ja da.“ Vertröstete mich der Feigling, in meinen Augen suchten sie nur das Weite.

Kaum eine Stunde später bestiegen Vater und Henry ihre Wagen. Vater drängte mich bis zuletzt sofort aufzubrechen und einen anderen Auftrag anzunehmen was ich vehement ablehnte. Mit sorgenvoller Miene zögerte er die Abreise hinaus, bis ihm Alia versicherte, sie würde darauf achten, dass ich nicht vom rechten Weg abkäme, was sie ihm mit einem hinreißenden Lächeln kundtat, dies bekümmerte ihn noch mehr. Langsam kam ich mir wie ein Kleinkind vor das vor dem großen bösen Wolf beschützt werden musste und schob Vater in sein Auto dabei versicherte ich ihm die nächsten fünf Tage nur vier Liebhaber zu nehmen. Schließlich fuhr er los, wir sahen ihnen noch nach bis sie die Einfahrt passierten. Alia verzog sich in ihr Büro, Corvin eilte ihr nach.

Unversehens stand ich allein da. Ich wusste, sie waren mit den Reisevorbereitungen beschäftigt, da ich viel zu aufgewühlt war um in mein Zimmer zugehen erkundete ich das Hotel den Turm meidend.

Sobald die Sonne aufging, machte ich mich auf in den Keller um mein tägliches Training zu absolvieren. Zu meiner Überraschung erwartete mich Rosmerta, die mich mit funkelnden Augen begrüßte. „Wie keine verheulten Augen? Richtig so mein Kind, kein Kerl ist es Wert, ihm eine Träne nachzuweinen. So dann will ich mal dein Können testen.“ Lachte sie vergnügt den Stock schwingend den ich gerade noch ausweichen konnte. Der nächste Hieb traf mich in der Seite. „Glückwunsch“ lachte sie, „Ein Punkt für dich und vier, fünf für mich.“ Prasselte der Stock auf Arm, Leib und Bein von vorn von hinten, Rosmerta schien überall zu sein.

Nach unendlichen Schlägen und Hieben sank ich mich ergebend auf die Knie, „Du bist ein Teufel.“ Japste ich. Rosmerta noch nicht einmal ansatzweise außer Atem, mit ruhigem Herzschlag reichte mir die Hand. „Aber sicher, ich dachte, du wüsstest es.“ Grinste sie zufrieden.

„Warum begleitest du das Trio nicht?“ keuchte ich mir die Seite haltend.

„Ich?“ lachte sie das mir eine Gänsehaut über den Rücken lief, „Wie lange benötige ich wohl um einen Krieg zu entfesseln? Nein wenn ich bestimmte Visagen sehe, verliere ich meine Beherrschung.“ Wir wandten uns den Ausgang zu, während Rosmerta mir einige Tipps gab um meine Deckung zu verbessern, bis uns Corvin entgegenkam, „Nun?“ fragte er nach.

„Sarah hat sich sehr gut geschlagen, ich sehe keinen Grund sie auszuwechseln. Im Gegenteil sie gehört zu dem besten Nachwuchs, den ich seid sehr langer Zeit gesehen habe.“

Ich wurde getestet! Sicher auf seine Anweisung hin so enttäuscht wie er aussah. Seine Drohung war also keine leere Phrase, er suchte eine Möglichkeit um mich loszuwerden. Das Anzweifeln über das Können eines Kriegers war eine Methode, demnach stand mir eine weitere Prüfung bevor.

„Ist das dein Urteil?“ sah er Rosmerta stechend an, die nur nickte, „Dann wird Diederich Sarah testen und diesmal werde ich mich selbst vergewissern.“ Als ob er bezweifelte, Rosmerta könne ein angemessenes Urteil fällen. Rosmerta sah das wie ich nach ihren nächsten Worten zu schließen, „Noch kann ich selbst mein Urteil bilden dafür benötige ich keinen voreingenommenen Jungspund.“

„Ho ho was ist denn hier los?“, bellte Diederichs dröhnend, seine Stimmgewalt übertönte sogar Rosmerta´s durchdringendes Krächzen.

„Unser Kleiner ist ungerecht. Zumindest versucht er es und was willst du hier?“

„Wieso ich soll doch Sarah beurteilen.“ Zweifelnd sah er uns abwechselnd an.

„Du solltest dich was schämen Corvin, wirklich schämen. Wie kannst du nur. Diederich ich habe sie gerade ausführlich in der Mangel gehabt.“

„Was soll´s im Kampf kann sich auch niemand ausruhen der Gegner fragt nicht ob du nun wieder Kraft gesammelt hast.“ Verteidigte sich Corvin geschickt.

„Naja recht hat er ja, wie siehst du es Sarah?“, wollte Diederich von mir wissen.

„Das ist gegen jede Regel.“ Schimpfte Rosmerta. Diederich rührte sich nicht, er wartete auf meine Entscheidung, erkannte ich.

Was kam noch auf mich zu? Von Urlaub konnte keine Rede sein eher ein ausgemachtes Fiasko das Leben, das ich mir in den letzten Jahren aufbaute, platzte wie eine Seifenblase. Was blieb eigentlich noch eigentlich nur mein Ruf als Krieger und den würde ich verteidigen komme was wolle.

Kapitel 11

„Na gut!“ stimmte ich zu, Corvin Sardovan wollte sehen, was ich konnte, er sollte seinen Willen bekommen. Falls nötig sogar gegen ihn persönlich, eine Vorstellung die mir sehr gefiel, wenn ich daran dachte, ihm einige Beulen in seine wohlgeschnittene arrogante Visage zu verpassen. Ein paar mächtig dicke Beulen!

Diederich klopfte mir auf die Schulter, „So kenn ich meine Kleine“, schritt er voran.

Ich maß ihn, er besaß Kraft und sicherlich auch Erfahrung. Bestimmt fehlte es ihm auch nicht an Schnelligkeit und Geschick. Wie sollte ich gegen ihn angehen? „Es geht nicht darum, ihn zu besiegen.“ Raunte mir Rosmerta leise zu, „Verteidige dich, so gut, wie du kannst und alles wird gut. Natürlich wäre es nicht schlecht, wenn du einige Treffer landest. Diederichs Schwachpunkt liegt …“

„Rosmerta!“, sagte Ross tadelnd, erschrocken wandten wir uns um, „Vertrau Sarah“, lächelte er mir aufmunternd zu. Sein Wort in Gottes Ohr! Ich war mir keineswegs so sicher. Corvin Sardovan suchte einen Grund um mich loszuwerden, er würde den kleinsten Fehler, den ich beging, für sich nutzen.

Diederich wählte die Fäuste also keine Waffen. Anfangs ließ er es ruhig angehen. Er ließ mich Kraft sammeln, was für seine Fairness sprach. Dem Boss hingegen keineswegs, nach seinen missbilligenden Seufzern.

Mein Gegner ignorierte es, er umrundete mich taxierend, schnellte einige Male vor. Reine Scheinangriffe. Er lächelte mir zu, „Bereit?“ worauf ich nickte.

Waren Rosmerta´s Schläge und Hiebe hart, die des Kriegers hauten mich um. Ich schluckte mehr Sand als je in meinen Leben. Wie konnte ich nur annehmen eine der Besten zu sein? Welch eine Fehleinschätzung, ein grüner Jüngling ohne jegliche Erfahrung das war ich. Nur mit Mühe gelang es mir, einigen wuchtigen Schlägen auszuweichen. Nach einer besonders schweren Attacke, in der mich Diederich in eine Ecke zwängte, zog er sich in die Mitte des Platzes zurück.

Er überließ es mir, ob ich weiterkämpfen wollte. Aufgabe stand für mich nicht zur Debatte, diesen Sieg wollte ich Corvin Sardovan nicht gönnen, sah ich hinauf und stellte entsetzt fest, dass meine Freunde dort oben standen, die entsetzt auf mich hinunterstarrten. Also stapfte mit schweren Beinen auf Diederich zu. Er warf mir ein Tuch zu, „Wisch dir das Blut aus dem Gesicht.“ Sagte er nicht unfreundlich, „Kannst du mich noch sehen?“

„Ja“ hörte ich mich wie Rosmerta an.

„Du kannst aufgeben Sarah, es wäre keine Schande. Wir trinken ein Fläschchen Blut, deine Wunden verheilen und morgen kannst du deiner Wege gehen. Du hast dich tapfer geschlagen.

Sollte ich? Weder gegen Rosmerta noch gegen Diederich konnte ich bestehen. Sie zeigten mir mein Unvermögen. Wie sollte ich gegen die Alten bestehen? Konnte ich den Boss überhaupt schützen? Der Zweifel nagte an mir. Aufgeben? Bitter schmeckte das Wort in meinen Munde. Ich spuckte Blut vermischt mit Sand vor Diederichs Füße, „Niemals!“ warf ich ihm das rot verfärbte Tuch zu.

Er lächelte zufrieden und sah hinauf zur Tribüne, „Wir haben Zuschauer, deine Freunde leiden mit dir, willst du …“ seine Stimme geriet in den Hintergrund, eine mächtige Präsenz drang gegen meinen Willen in mein Bewusstsein. Ein weiterer Test? Du bist ein wahrer Nachkomme Ambrosius, nun setzte deine volle Fähigkeit ein. Befreie deine wahre Natur, die du Bestie nennst. Werde eins mit ihr. Dann war es vorbei. Diederich sah mich fragend an. Was sagte er? Was sagte die Stimme?

Niemals würde ich die Bestie herauslassen. Aus Wut tat ich es einmal und sie hätte beinahe Geirrod vernichtet. Niemals schüttelte ich den Kopf. „Du willst deine Freunde nicht begrüßen? Gut so Sarah das behindert nur die Konzentration. Bereit?“ missverstand er meine Geste.

Ich hörte nur `Bereit`, atmete nochmals kurz durch und nickte, „Tapferes Mädel!“ kam Diederich auf mich zu, seine Faust traf mich mit unerbitterlicher Wucht. Die Nase explodierte geradezu, schwarze Punkte überall, ich taumelte rückwärts nach Halt suchend. Diederich setzte zu erneuten Schlägen an, ich war nicht in der Lage sie abzuwehren.

Im Sand auf den Rücken liegend wirkte Diederich übermächtig, er holte erneut zum Schlag aus, tu es jetzt Sarah! Drang die bittende Stimme durch all meine schmerzvernebelten Sinne. Es geschah ganz von selbst, die Bestie die lauernd nach Vergeltung für all den Schmerz, der Erniedrigung schrie, übernahm die Kontrolle.

Augenblicklich ließ der Schmerz nach, mit einer Schärfe, die mir bisher fehlte, erkannte ich Diederichs nächsten Schlag auf mich/uns zukommen den ich/wir mit dem Bein abwehrten. Wir sahen die Überraschung in Diederichs Gesicht, griffen nach seinem Bein, er lachte erneut dröhnend, als wir mit leeren Händen dalagen, „Ich dachte, du bist am Ende Mädchen, aber nun beginnt der Spaß ja erst.“

Fletschte ich oder die Bestie die Zähne, es war egal, wir wollten seine Knochen brechen hören, ihn niederschmettern zu einem klumpigen Teig, ihn bearbeiten, sein Blut bis auf den letzten Tropfen aussaugen. Ja die Zähne in sein Fleisch treiben ihn zerfetzen, töten, töten.

Nein! Rief ich laut, gegen Diederich und der Bestie ankämpfend. Nein! Das war ich nicht, ich bin kein seelenloses Monster, das nur Vernichtung kannte.

Diederich verlor an Boden, sowie ich blutete er aus der Nase, während die Bestie seinen Schlägen auswich und unentwegt Angriff. Werde eins mit ihr. Das ist dein Erbe nehm es an Sarah oder du verlierst den Kampf um deinen Verstand. Ich schüttelte den Kopf, wollte die Stimme ignorieren. Die Bestie annehmen als ein Teil von mir? Nein das ist Wahnsinn! Oder?

Konnte es sein? War es das? Sollte der ewige Kampf in meinen Innern um die Vorherrschaft beendet sein? Ein süßer Gedanke, verführerisch, so einfach. In mir kämpften zwei Wesen, ich musste sie zurückdrängen, sie einsperren, niederkämpfen und niemals ein Teil von ihr werden. Schon einmal schaffte ich es die niederzuringen, damals als sie Geirrod fast tötete. Verstärke ich den Druck. Bezwinge sie, sagte ich mir, aber die Bestie wehrte sich heftig. Der Kampf nahm kein Ende, sowie der Kampf mit Diederich den die Bestie unerbittlich attackierte, was ich mit Entsetzen verfolgte, ohne Einfluss auf sie nehmen zu können. Ich musste schnellstens etwas unternehmen, sonst starb der Freund von meiner Hand.

Werde eins mit ihr, sagte die Stimme. Werde eins. Aber wie? Gab ich nahe der Erschöpfung den Druck nach, worauf die Bestie das Gleiche tat. Zusehends entspannte ich mich, was das blutrünstige Monster zu meiner Verwunderung nicht ausnutzte.

In diesem Moment erkannte ich, dass ich es war, die ihr die Kraft verlieh. Sie war mein vampirisches Erbe, das ich bisher unbewusst ablehnte. Atmete ich ruhig und bekam die Kontrolle über meinen Körper zurück, sofort nahm ich die Arme herunter, beendete den Angriff. Erleichtert stellte ich fest, wie einfach es ging, dann wurde es schwarz um mich.

Ich lag im Sand, Rosmerta über mich, mit besorgtem Gesichtsausdruck. „Beweg dich nicht.“ Strich sie mir liebevoll über die Stirn. „Blut ihr Faulpelze!“, rief sie die Hand ausstreckend, „Hier trink das“ hielt sie mir gleich darauf einen Becher an die Lippen, „Ganz langsam.“

Mein Körper schrie förmlich nach dem köstlichen Nass, das Heilung versprach, dennoch trank ich keinen Schluck, sondern fragte Rosmerta, was geschehen sei. „Diederich dieser Tölpel hat dich ausgeknockt, gerade in dem Moment, als du von ihm abließest. Hat wohl Angst bekommen noch mehr einzustecken“, kicherte sie vergnügt, „du hast es ihm tüchtig gegeben.“

„Geht es ihm gut?“ stützte ich mich auf, um nach ihm zu sehen, doch Rosmerta drückte mich mit sanfter Gewalt zurück in den Sand, „Ihm geht´s bestens, er ist mit Corvin raus. So jetzt trink, damit deine Wunden heilen.“

Ein zweites Gesicht erschien, Till, der mir einen Spiegel vor die Nase hielt, „Soll ich dich fotografieren?“ grinste er schelmisch, das Rosmerta ihm einen Klaps gegen die Beine gab. „Na was denn? Sarah verrate mir doch mal, warum du dich sonst verprügeln lässt? Nur um deinen Gegner in Sicherheit zu wiegen? Mein Gott du bist wie ein Berserker auf Diederich los. Ist das deine ganz persönliche Taktik oder wolltest du einfach nur Dampf ablassen, nachdem Pierre dich gestern abservierte?“

„Verschwinde!“ zischte Rosmerta böse, „Ein Taktgefühl wie eine Kakerlake.“

„Ach lass ihn doch.“ Versuchte ich ein Grinsen, was mir sofort leidtat. „Man was ist denn mit dir los?“ starrte Till mich verdutzt an.

„Halt den Mund, du Idiot.“ Gebiet Rosmerta den Freund. Zu spät denn Eric, Matt und Alia schoben nachfragend Till zur Seite.

„Mann, oh Mann so was, hab ich noch nicht erlebt. Trägst du neuerdings Kontaktlinsen?“ fragte Eric dabei begutachteten sie mich eingehend. Matt schaute mich still musternd an, während Alia einen undefinierbaren Blick mit Rosmerta wechselte. „Sarah hatte schon immer außergewöhnliche grüne Augen.“ Meinte Alia lahm …“

„Ja sicher“ entgegnete Eric, „aber nie so dunkel und keinesfalls mit dieser Intensität, sie funkeln direkt.“

„Wie lange bist du denn von deiner Frau getrennt, Eric?“ schmunzelte Alia. „Bist du blind?“ überhörte er die Stichelei.

„Es liegt bestimmt an der ordentlichen Portion Blut die Rosmerta ihr verabreicht.“ Beendete Matt den Disput, mit warnender Stimme.

„Genau und Sarah sollte sich jetzt Ruhe gönnen. Alia hilf mir sie auf ihr Zimmer zu bringen.“ Beugte sich Rosmerta weiter vor, so verhinderte sie so einen weiteren Blickkontakt zu meinen Freunden. Bis mich Matt resolut aufhob, „Ich trage Sarah!“ auf meinen Protest meinte er, ich sollte meinen Atem sparen, da ich einiges zu erklären habe und nicht nur ihm, sondern auch dem Oberhaupt.

„Ich? Wieso?“ bäumte ich mich an seiner Brust auf, als mir die Stimme einfiel. Die Bestie! Die keine war, sondern meine … ja was? Verschmelzung? Oder einfach die Akzeptanz ein Vampir zu sein mit all seinen Vorzügen und blutigen Tatsachen. Dabei dachte ich, ich hätte keine Schwierigkeiten damit. Irgendwer sagte mir mal, wir seien Bestien mit anerzogenen Benehmen, doch im Grunde nichts weiter als Räuber, Jäger, die ihre Fähigkeiten einsetzten, um an ihre Nahrung zu gelangen. Doch wer, ich wusste es nicht mehr. Meine Meinung über uns ging darüber hinaus, wir waren weit mehr als nur blutrünstige Jäger.

Matt legte mich sacht auf das Bett. Rosmerta, die schimpfend auf Till, Alia und Eric einredete, versuchte, ohne Erfolg sie auszusperren. Die Drei ließen sich selbst von ihrem schwingenden Stock nicht zurückdrängen.

„Nun erkläre uns deinen unerklärlichen Angriff.“ Forderte Matt mit verschränkten Armen.

Ja was sollte ich sagen? Etwa hört mal Leute, ich hab eine Stimme gehört, die mir empfahl die mordlustige Bestie zu befreien? Nein, wohl kaum, deshalb ging ich über zum Angriff, „Was denn? Ihr seht so aus als ob ich mich, wie ein Sandsack verhalten sollte. Immer schön auf die Zwölfe und ja nicht wehren.“

„Ungefähr so sollte es sein, das war Diederichs Aufgabe. Auszutesten, wie viel du einstecken kannst, bevor du aufgibst.“ Konnte Matt sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich gebe nicht auf!“, knurrte ich sauer.

„Ja, das haben wir gesehen. Woher kam die Kraft, vor allem die Schnelligkeit, das Geschick? Wieso konntest du seine Angriffe abwehren und auch noch angreifen? In deinem Alter völlig unmöglich. Das wirst du auch Corvin erklären müssen.“

„Lass doch erst einmal die Heilung einsetzten, dann kann Sarah es …“ Matt schnitt der besorgten Alia das Wort ab, „Nein keine Zeit, gleich wird Corvin Antworten verlangen. Wie können wir ihr helfen, wenn wir nicht wissen, was geschehen ist. So Madam sprich!“ sah er mich streng an.

Ich gab meinen Widerstand auf, erzählte von der Stimme, den inneren Kampf mit der Bestie, die anschließende Verschmelzung die ich mir selbst nicht erklären konnte. Meine Freunde sahen einander ratlos an, außer Rosmerta, die verstehend nickte. Ich sah sie an, da ich ihren Mut, die Kraft benötigte, um meinen Freunden in die Augen zu sehen. „So schlimm ist es ja nicht.“ Versuchte ich die Sache ins Lächerliche zu ziehen.

„Abgesehen von einer Stimme, die zu dir spricht? Einer Bestie, die in dir schlummerte? Das darfst du Corvin nicht erzählen, er wird dich jetzt, da du von Prya weißt, in das tiefste Verlies stecken.“

„Das kann er nicht!“ noch bevor ich es aussprach, wusste ich er konnte und würde es tun.

„Wie kann man dann ihren abrupten Angriff erklären? Wie war es Sarah möglich Diederich überhaupt zu treffen, geschweige seinen Schlägen auszuweichen? Wir müssen ein stichhaltigen Beweis liefern, sonst glaubt ihr Corvin kein Wort.“ Fragte Eric stirnrunzelnd in die Runde.

„In alten Tagen so habe ich gelesen, kam so etwas des Öfteren vor.“ Löste Ross sich von der Wand. Wann war er hineingekommen? „Rosmerta du musst es doch wissen?“

„Ja ich weiß, mir macht die Stimme, die Sarah hörte Probleme. Ich frage mich, welcher Vampir hat die Macht ohne unser Bemerken mit Sarah Kontakt aufzunehmen.“

„Was denn nun? Was meint Ross?“ fragten sie alle durcheinander. Rosmerta erklärte, „Es lag an ihrer Wandlung, sie vollzog sich für den Verstand zu schnell. Das gab es, manche hatten keinerlei Schwierigkeiten, andere wurden irre, wieder andere blutrünstig, einige nahmen irgendwann ihr Schicksal an. Ich denke, das ist bei Sarah der Fall, aber die Stimme, die behauptet sie wäre, das Erbe Ambrosius, was immer das auch bedeutet, ja das erscheint mir …“ sie zuckte ratlos die Schultern hoch.

„Es war doch nur eine Stimme.“ Meinte ich in der Absicht die Aufmerksamkeit darauf zu reduzieren. Das Gegenteil geschah, Matt und Eric blafften mich regelrecht an, „Es ist niemals gut eine imaginäre Stimme zu vernehmen. Hörst du sie noch? Flüstert sie dir gerade etwas zu?“

„Das ist doch lächerlich.“ Wischte ich die Behauptung Matts mit einem Handstreich weg. „Die Stimme riet mir meine wahre Natur anzunehmen, das war es schon.“

„So? Und warum tatest du es, nachdem du die Bestie wie du sie nennst, über Jahre gefangen hieltest? Vielleicht weil die Stimme es dir befahl?“

„Nun hör schon auf, Matt!“ trat Alia entschieden vor, „Sarah verschweigt ganz einfach die Stimme.“

„Nein, nein“, sagte Matt, „Ihr kennt Corvin, er wird die Lüge durchschauen und Sarah von Prya fernhalten.“

„Ja sicher, aber es ist Sarah, das sollten wir nicht vergessen.“ Wandte Alia ein.

„Närrin!“, schimpfte Till, „Romantik, Liebe und Wunschdenken helfen uns nicht weiter.“ Es war ungewöhnlich für Till ihn in einen ernsten Tonfall zu hören. „Egal was wir auch planen, er wird die Wahrheit erfahren. Sarah ein guter Ratschlag von mir verschweige nichts.“

Matt brauste empört auf, „Willst du sie in irgendeinen Keller sehen? Denn das wird geschehen. Warten wir ab, was Hendrik in Erfahrung bringt und wie Corvin auf Diederichs Schilderung reagiert.“

„Es ist doch egal, er wird so oder so alles herausbekommen, du weißt es Matt.“ Matt schwieg, aber Rosmerta horchte auf, „Was meinst du Till?“

„Es ist ein Verdacht.“ Meinte er, „Ich … wir denken unser Boss kann unsere Gedanken lesen.“

Rosmerta kicherte, es hörte sich schrecklich an, „Dann vergrab den Verdacht tief, hörst du! Ihr alle!“ warnte sie eindringlich, in diesem Moment ging die Tür auf. Corvin gefolgt von Hendrik betraten den Raum.

Es wurde eng in dem Zimmer, „Ich will mit Sarah reden. Allein!“ forderte der Herr des Hauses. Hendrik rebellierte offen gegen Corvin, „Sarah du kannst das ablehnen, allein dein Vater hat das Recht dich zubefragen.“

Was sollte ich tun? Eines wusste ich über Corvin Sardovan, er war hart zu sich und zu jeden Mann oder Frau, der in seinen Diensten stand. Nie hörte ich von einer Ungerechtigkeit, die er beging. „Lasst es gut sein, ich rede mit ihm.“

Hendrik ließ betroffen die Hände fallen, er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich meinen Entschluss nicht änderte. „Also gut! Ihr habt es gehört, alle raus.“ Er warf mir einen letzten warnenden Blick zu, bevor er die Tür hinter sich schloss. Die folgende Stille lastete schwer im Raum. Corvin brach schließlich das Schweigen, „Deine Verletzungen heilen?“

„Ja in einer Stunde sollte ich so gut wie neu sein. Wie geht es Diederich?“

„Soweit gut, sein angekratztes Ego hingegen erholt sich deutlich langsamer. Ich soll Grüße ausrichten, er wartet auf den nächsten Kampf.“

„Soll schnell geh ich nicht wieder mit ihm in den Ring. Er ist ein furchtbarer Gegner. Ihn solltest du zum Schutz mitnehmen ihn und Rosmerta.“

„Sie bewachen viel kostbarere Schätze.“ Winkte er ab.

„Prya!“, vermutete ich, er nickte, „Genau, ich muss erfahren, was vorhin geschah. Du wolltest Diederich töten.“

Da war es! Die Anklage! Meine Freunde wagten es nicht sie laut auszusprechen. Er schon. „Ich nicht, aber die Bestie in mir schon.“ Gab ich ehrlich Antwort. Sein Blick fixierte mich, „Du willst meine Gedanken nicht wahr? Bitte!“ erwiderte ich seinen Blick.

„Du gibst mir die Erlaubnis?“ damit rechnete er nicht.

„Sicher, ich habe nicht zu verbergen.“ Sagte ich zuversichtlicher als ich mich fühlte.

„Du kennst sicher eine deiner verborgenen Eigenschaften?“ Nein kannte ich nicht, verneinte ich. „Deine Gedanken, Gefühle bleiben uns normalen Vampiren verborgen. Es ist euer Erbe Alischa, Vlad, Livio und nun du, es zieht sich durch eure Blutlinie.“

„Seltsam das du das sagst, es ist heute das zweite Mal, das jemand von meinen Erbe sprach.“ Biss ich auf meine geschwollene Lippe, auch ein Erbe nur diesmal von meinem Vater. Ich wünschte, er wäre hier und gäbe mir Halt. Zu viel Neues stürzte auf mich ein, ich fühlte mich verloren in einen Treibsand, der mich in die tiefsten Abgründe zog.

 

Kapitel 12

 

Hier noch eine Info Bunica-Oma, Großmutter

Tata- Papa, Vater

Viel Spaß hoffe ich wenigstens ;))

 

 

Ich sah auf, Corvin wirkte ungeduldig, hatte er etwas gesagt? „Wie meinst du das?“ wiederholte er anscheinend die Frage.

„Du wirst es gleich verstehen. Nun was muss ich tun, damit du meine Gedanken erfährst?“

„Entspann dich“, setzte er sich zu mir auf das Bett. „Denke an den Kampf und wehre dich nicht, von Vlad weiß ich das er mich spürt, also erschrecke dich nicht. Konzentriere dich auf den Kampf mit Diederich.“ Sagte er leise und rutschte näher. Ich schloss die Augen, ging nochmals jedes Detail durch, jeden Schlag, die Schmerzen, die Hoffnungslosigkeit, die Stimme, die immense Anstrengung die Bestie zurückzuhalten die Diederich töten wollte, bis wir eins wurden.

Schließlich öffnete ich die Augen und bemerkte, wie nah er mir war. Ich konnte die kleinen Sprenkel in seinen braunen Augen sehen, er sah mich unverwandt an. „Die Stimme manipulierte sie dich?“

Meine Kehle war ausgedörrt, ich konnte kaum atmen geschweige denn sprechen, deshalb schüttelte ich den Kopf. Er war viel zu nah! „Wie war sie?“ bohrte er weiter. Ich musste antworten: „Bittend und später Fordernder aber kein Befehl.“ Schluckte ich hart den Klumpen in meinen Magen ignorierend.

„Und die Bestie, wie du sie nennst, war immer zugegen in all den Jahren?“

„Ja, sie war der Teil, der mich während der Wandlung im Griff hielt. Da war nur Gewalt, Schmerz und Hoffnungslosigkeit, sie lauerte stets im Hintergrund, als ob eine zweite Person in mir wohnte. Dass sie ein Teil von mir ist, wusste ich nicht.“

„Wo ist sie jetzt?“ wenn er sprach, spürte ich seinen Atem, der warm über mein Gesicht wehte. Ich zuckte die Schulter, „sie ist weg.“

„Ja das dachte ich mir. Rosmerta hat dich bestimmt informiert, früher gab es solche Fälle. Seitdem wir die Wandlung in Schritten vornehmen, wurden sie seltener, bis sie gänzlich aufhörten. Das bereitet mir keine Sorge aber die Stimme und was sie sagte schon. Ambrosius! Warum wurde er genannt? Dein Erbe! Verfügst du über Fähigkeiten, die uns unbekannt sind?“ ich schüttelte den Kopf.

„Wir werden sehen.“ Er wirkte nicht gerade überzeugt, „sobald du wieder kämpfen kannst, werden wir dich testen. Ambrosius!“ schnaufte er, sein Atem kühlte meine geschwollenen Lippen. Ich dachte plötzlich, wie es wohl war von ihm geküsst zu werden und zuckte erschreckt zusammen solche Gedanken sollte ich gleich im Keim ersticken.

„Was ist?“ sah er mich alarmiert an. „Nichts! Es sind nur die Schmerzen.“

„Die Schmerzen … mmh?“ Er glaubte mir nicht, ließ es aber dabei bewenden. „Ambrosius!“ rückte er nun endlich von mir ab und lehnte sich an das Bettende, die Beine neben mir lang ausgestreckt. Ich rückte ein Stück zur Seite, „Ambrosius! Was weißt du über ihn?“ sah er mich fragend an.

Nun da er ein ganzes Stück weit weg war, konnte ich wieder normal denken und atmen. „Nichts Genaueres was man so über ihn erzählt. Herrschsüchtig, brutal, ein Despot und wahrscheinlich Alischas Vater.“

„Nicht nur wahrscheinlich.“ Legte er sich auf die Seite, nun setzte ich mich auf, zwar stöhnten meine Rippen protestierend, Diederich musste mehrere gebrochen haben. Doch das hinderte mich nicht, ich wollte einfach jeglichen Körperkontakt vermeiden, auch wenn er nur meine Füße berührte. Er beanspruchte mein Bett mit einer Selbstverständigkeit, als wäre es das normalste auf der Welt. Ich musste mich auf seine Worte konzentrieren, „Es heißt, er sei der Erste unserer Spezies. Glaubhaft kann das niemand beweisen zu viele Geschichten ranken sich um ihn.“ er lachte verstohlen, „Vielmehr schweigen die, die es wissen oder verbreiten Lügen. Man steht vor einer Wand, die die Wahrheit aussperrt.“

„Warum fragst du nicht Alischa? Sie sollte es doch wissen.“

Er lächelte grimmig, „Alischa erzählt, was ihr gerade recht ist, genauer gesagt ihr einen Vorteil verschafft. Nein sie ist die falsche Adresse, mir fällt nur ein Vampir ein, der uns weiterhelfen könnte, Intha!“ Der kindliche Vampir unendlich alt, eine Legende unter den jüngeren Vampiren. Sie lebt zurückgezogen irgendwo in Europa. Wo wusste niemand und Corvin wollte sie fragen! Das bedeutete, er konnte zumindest Kontakt zu ihr aufnehmen. „Du kennst sie?“ beugte ich mich gespannt vor, den Schmerz unterdrückend.

„Ja!“ lautete seine knappe Antwort, „Ja ich denke, wir sollten ihr einen Besuch auf den Weg nach Granada abstatten. Es ist seltsam, sie rief mich vor einigen Tagen an und verlangte genau das. Ich frage mich, wie viel sie weiß. Wem hast du mitgeteilt, dass du die Festung aufsuchst?“

„Pierre, Alia und Mario sonst niemanden. Es sei denn, jemand bekam es zufällig mit, ich machte kein Geheimnis daraus.“

Er rieb sich die Stirn, „Ich frage mich, ob das alles zusammenhängt und sie ihr Spielchen mit uns treibt. Die Stimme, die du hörtest muss, einem sehr alten Vampir gehören denn nur sie besitzen die Fähigkeit.“

„Du dann doch auch!“ er lachte verneinend, „So alt bin ich nicht. Es gibt einige, die weitaus älter sind und Intha gehört dazu.“

„Sowie die Ratsmitglieder!“, fügte ich hinzu.

„Einige aber die kannst du an einer Hand abzählen. Was auch kommen mag, in Granada werden die Würfel fallen.“ Er stierte vor sich hin, ich wagte mich kaum zu rühren, so tief war er in seinen Gedanken versunken.

Die Minuten zogen langsam dahin und Corvin rührte sich nicht. Langsam atmete ich ein und aus, aus Angst ihn in seinen Überlegungen zu stören. Wieder ein neues Gesicht, das er zeigte, bisher kannte ich den überheblichen, den Herrschsüchtigen, den Ungeduldigen, den Despoten und nun den stillen in sich Gekehrten. Eine Vielzahl an Facetten, zu viel Selbst für einen Vampir. Welcher so fragte ich mich, war der wirkliche Corvin Sardovan? Es war gut hierher zukommen so konnte ich wenigstens einen Teil dieses schwierigen Charakters kennenlernen. Ihn zu beschützen durfte schwer werden, er hielt sich an keine Pläne, sondern tat das, was ihm gerade einfiel.

Der beste Schutz für diesen Vampir wäre wahrscheinlich ein direkter Personenschutz, zwei oder sogar vier Leibwächter, die ihn keinen Augenblick aus den Augen ließen. Aber das musste Peer entscheiden hoffentlich kannte er den Boss gut genug, um zu wissen, wie er uns einsetzen musste. Es kamen schwierige Wochen vielleicht sogar Monate auf uns zu, sehr schwierige es war gut, das wir Leibwächter uns kannten. Das hieß, es würden keine Machtkämpfe innerhalb der Gruppe geben, keine Hackordnung, wie es so oft der Fall war, unter Kriegern die ein und dieselbe Person schützte. Alles unter der Voraussetzung, das er mich als Leibwächter akzeptierte und mitnahm. Dazu sagte er bisher kein Wort.

„Woran denkst du gerade?“ beobachtete er mich wie ich ihn zuvor. „Ob ich nun als Leibwächter zu deinem Schutz eingesetzt werde?“

„Solch ein Ehrgeiz! Willst du unbedingt abgeschlachtet werden?“ beantwortete er meine Frage mit einer Gegenfrage. Was er konnte, konnte ich schon lange. „Du gehst also davon aus, dass ich versage, warum?“

Die Andeutung eines Lächelns huschte über seine Lippen, „So tue ich das? Nein eigentlich nicht, ich bin nur besorgt. Vlad ist mein Freund, solltest du in Gefahr geraten wird er sich dazwischenwerfen. So ist er und das darf nicht geschehen, denn ich brauche Vlad dringender als einen Leibwächter.“

Das war es also! Ich war nicht beleidigt oder gar gekränkt, Krieger besonders Leibwächter kannten das Risiko, es hieß töten oder getötet werden, so einfach. „Aber“, unterbrach er meine Gedanken, „ich habe Peer die Entscheidung überlassen, da meine liebe Familie mich der Befangenheit beschuldigt.“

Ich saß wie auf heiße Kohlen, Peer der Typ, dem ich noch niemals begegnete! Wie sollte er ein unbefangenes Urteil fällen, das sagte ich ihm auch. Corvin lachte auf, „Oh er hat dich gesehen, während des Kampfes und mir gleich deutlich zu verstehen gegeben das ich ein Trottel bin einen solchen Krieger zu Hause lassen zu wollen. Egal wer der Vater ist. Der Punkt geht an dich.“

„Der Punkt? Darum ging es mir nicht, ich will nur meinen Job erledigen.“ Wie kam er nur darauf, dass es um eine persönliche Fehde ging? Das war ja absurd!

„Darin irrst du dich, es ging immer darum. Du zweifelst mein Urteil an, ergo fühle ich mich angegriffen.“

Meine Kinnlade klappte herunter, wie konnte ein Einzelner solch ein riesengroßes Ego besitzen? Ich bin nicht deiner Meinung, folglich bin ich dein Feind! Was zur Hölle trieb Vater an, ihn einen Freund zu nennen? „Demnach müssen alle deine Meinung teilen?“ musste ich nachfragen, ich benötigte unbedingt Gewissheit, vielleicht sollte ich ihn selbst umbringen, eine Schande wäre es nicht, eher ein Gefallen an das gesamte Vampirvolk.

Wieder lachte er, „Willst du mich gleich oder später um die Ecke bringen?“ wie konnte er so leicht meine Gedanken erraten? Misstrauisch dachte ich an Tills Worte. „Ich habe mich verkehrt ausgedrückt, es geht hierbei nur um uns, sozusagen unser eigener kleiner Privatkrieg.“

Ach nun kramte er wieder in der Vergangenheit! Darauf wollte ich mich keinesfalls einlassen, „Unser Privatkrieg!“ betonte ich mit gestrecktem Zeigefinger, „endete mit meiner Wandlung. Was mich betrifft, habe ich dich gestern erst kennengelernt.“ Das sollte er nun verstehen.

„Ja das dachte ich auch, aber mit deinem Auftauchen kamen die alten Probleme zutage. Es ist selten, das sich meine Familie gegen mich stellt. Du musst zugeben, das ist schwer zu schlucken, selbst für mich oder gerade für mich, da ich mich immer auf die Rückendeckung der Familie verlassen kann, nur in einem speziellen Fall nicht.“ Sah er mich sinnend an, „Woran liegt es nur, dass du die Gemüter derart auf deine Seite ziehst?“

„Das kann ich dir nicht beantworten oder doch. Du solltest einmal überlegen, ob dein Verhalten mir gegenüber voreingenommen ist.“ Ich dachte an seine Freundschaft mit Vlad bestimmt lag es daran. Er schnellte hoch und im gleichen Augenblick waren unsere Nasenspitzen nur Zentimeter voneinander entfernt, „Merke dir eines Vulpe Sardovan oder auch Sarah, wie du dich jetzt nennst. Die Frau, die ich liebte, ist in meinen Armen gestorben, du bist nur ein billiger Abklatsch. Versuch nie mehr dich mit ihr zu messen!“

Erschrocken schnappte ich nach Luft, wie sollte ich den Auftritt denn verstehen?

„Tatà, Überraschung wir …“ der Rest erstarb auf den Lippen der jungen Frau, die augenblicklich erbleichte und Entschuldigungen murmelnd den Rückzug antrat. Jedenfalls versuchte sie es, Hendrik behinderte ihren Abgang.

„Oh Mann, o Mann!“ brachte er heraus, als er uns sah. Sofort schob ich den anscheinend versteinerten Boss von mir. „Ihr könnt ruhig bleiben der Boss wollte sowieso gehen!“ dieser rührte sich endlich, leicht konfus stieg er über mich aus dem Bett, dabei stützte er sich auf meine Rippen, auf dass mir ein schmerzhaftes Stöhnen entfuhr.

„Wir warten lieber in der Halle.“ Die Tür schloss sich mit einem lauten Knall, „Was sollte denn das?“ richtete ich mich auf die Rippen reibend.

„Na was wohl?“ schüttelte Corvin grinsend den Kopf, „Netter Anfang, um die Tochter kennenzulernen. Erwischt bei einem intimen Tête-à-tête.“ Vertiefte sich sein Grinsen noch.

„Das ist doch Blödsinn, sie konnten sehen das …“

„Ja was?“, unterbrach er mich, „nur das wir als Doppelwhopper aufeinanderlagen.“ Meinte er anzüglich.

„Du interpretierst nach deinen Maßstäben.“ Schlug ich sauer die Decke zurück.

„Nach meinen? Das solltest du Hendrik sagen oder was bedeutete der Ausruf?“

„Ist ja auch egal, wir werden die Sachlage aufklären! Noch etwas Sardovan, niemals habe ich versucht meiner menschlichen Vorgängerin nachzueifern! Noch möchte ich mit ihr verglichen werden. Dein Ausbruch war mehr als unpassend! Solltest du nochmals auf die Idee kommen mich in dieser Art anzufauchen werde ich dir genüsslich in den Hintern treten.“

„Du drohst mir?“ baute er sich wie ein Gockel mit hocherhobenem Hahnenkamm auf.

„Nein!“ lächelte ich völlig unschuldig, „Das ist ein Versprechen.“ Mit so einer Sorte Vampir konnte man nur in einer Sprache reden. Von sich eingenommen kapierten sie nur harte Fakten. Er schien zu begreifen. „So und nun werden wir das Missverständnis aus dem Weg schaffen.“ Humpelte ich resolut zum Ausgang.

„Wie du meinst.“ Kam der Boss lustlos hinter mir her.

„Was ist? Hast du Angst vor deiner Tochter?“ da war ich ja schneller mit meinem hinkenden Gang.

„Aus Erfahrung weiß ich Prya erst später aufzusuchen. Sie wird vor Wut kochen.“

„Warum denn das?“

„Naja es ist nicht das erste Mal, das sie mich in einer … ähm provokanten Lage erwischte. Sie denkt wahrscheinlich, ich breche mein Versprechen und halte mir eine Geliebte im Hotel.“

„Himmel noch mal! Ja läufst du denn hinter jeden Frauenrock her?“ was ich mir sehr gut vorstellen konnte.

„Nicht jeden. So schlimm wie Henry und Sohn bin ich nicht.“

„Sie geben sich mit ihrer Spezies ab. Da weiß jeder, was er zu erwarten hat. Du hingegen bevorzugst ja menschliche Frauen.“ Es klang abwertender als ich beabsichtigte. Was soll´s! Sollte er ruhig beleidigt sein, was ging es mich an. Und richtig, schmollend kam er hinter mir her geschlichen.

Diederich, der ganz geheilt schien, lief uns über den Weg. „Sarah! Corvin!“ grölte er, dabei zeigte er grinsend all seine Beißerchen.

„Wir suchen Hendrik und seine Tochter.“ Sagte ich sein idiotisches Grinsen ignorierend.

„Oh die sind irgendwo im Hotel.“ Na was für eine Auskunft ärgerte ich mich.

„Corvin Sardovan! Du elender Lump!“ zischte etwas, das wie ein Stock aussah an mir vorbei und traf den Boss direkt auf die Rübe. „Nutzt gleich die Situation aus!“ fuhr der Stab nochmals auf ihn nieder, „Das Kindchen noch halb tot und du springst sie an, du notgeiler Bock! Dich werd ich lehren …“

So amüsant ich es auch fand das der Boss Prügel bezog schritt ich dennoch ein. Den Stock festhaltend sagte ich, „Nichts dergleichen ist geschehen, Rosmerta! Ein Missverständnis nichts weiter.“

„Willst du etwa leugnen, dass er auf dir lag?“ zum Glück hielt ich die Waffe fest in der Hand.

„Das ist nicht ganz richtig und schon gar nicht auf diese Weise wie ihr denkt.“ Ich fühlte mich verpflichtet ihr die Wahrheit zu sagen. „Der Boss meinte mich zurechtzustutzen, deshalb kam er mir nahe. Wahrscheinlich um besonders bedrohlich zu wirken das nehm ich mal an.“ Konnte ich ein feixendes Lächeln nicht unterbinden, als ob mir das Angsteinjagen würde! Da musste er wirklich schon stärkere Geschütze auffahren.

„So? So? Weiter war nichts?“ zweifelte Rosmerta an meinen Worten.

Was dachte sie denn nur? Ich werfe mich den erstbesten Vampir in die Arme? Dazu gehören ja wohl noch immer zwei! „Bisher konnte ich mir unerwünschte Liebesdienste vom Halse halten und der Boss gehört zur Kategorie niemals mit drei roten Kreuzen!“, betonte ich, um ihnen endlich klarzumachen das sie die gesamte Situation missverstanden.

„Ist das so?“ hinterfragte Corvin nun sein Schweigen brechend anscheinend passte ihm nun meine Aussage nicht. Aber das ging mich nichts an. Indessen wiederholte Rosmerta glucksend ´unerwünschte´, dabei grinste sie in Corvins Richtung, dessen Gesicht immer düsterer wurde.

„Ja sicher! Nicht nur das du mich persönlich überhaupt nicht anspricht, dein Charakter lässt zu wünschen übrig, dein Getue ist nervtötend und zu guter Letzt gebe ich mich mit Schutzbefohlenen nicht ab.“ Das sollte ja wohl reichen das endlich Ruhe herrschte.

„Sehr gut Sarah!“ stimmte Rosmerta mir zu, „Wir werden schon einen passablen Kavalier für dich finden.“ Warf sie Corvin einen undefinierbaren Blick zu, „So und nun wirst du dich ausruhen, heute Abend musst du doch bei Kräften sein.“

„Aber Hendrik, Prya sie …“

„Ja, ja wir werden ihnen den Irrtum mitteilen.“ Schob sie mich in Richtung meines Zimmers, dabei bedachte sie Diederich und Corvin mit einigen unschönen Kraftausdrücken. Sie bemutterte mich, bis ich im Bett lag, „Schlaf ruhig ich bleibe hier“, gab sie mir nochmals Blut. Kurz darauf fielen mir die Lider zu, ich dachte noch, was hat sie mir untergemischt, das war´s.

Als ich aufwachte, saß Rosmerta wie versprochen da. „Geht es dir besser?“, fragte sie besorgt nach. Desorientiert schaute ich mich um, bis mir alles einfiel. „Du hast mir was untergejubelt!“ überhörte ich ihre Frage.

Ohne das Anzeichen eines schlechten Gewissens meinte sie, „Nur ein wenig Schlafpulver für einen Tag hattest du genug Aufregung und er ist noch nicht zu Ende.“ Weissagte sie, „Hast du Schmerzen?“ vorsichtig streckte ich meine Glieder und atmete tief durch. „Nein alles Okay.“

„Gut dann kannst du dich frisch machen und danach Alia aufsuchen sie erwartet dich.“

„Alia? Was hat sie denn?“

„Ich weiß auch nicht sie klang irgendwie angespannt.“

„Warum hast du mich nicht geweckt?“ sprang ich aus dem Bett.

„Wie man´s macht, man macht´s verkehrt!“, meinte sie verschnupft. Während ich meine Kampfmontur suchte, „Du solltest duschen gehen!“ riet sie mir schon wieder versöhnlich gestimmt.

„Später erst sehe ich nach Alia. Wo ist meine Montur?“

„In der Wäsche! Da war überall Blut genau wie in deinem Haar. Du solltest wirklich mehr auf dein Äußeres achten, Sarah. Kein Wunder, das dich kein anständiger Vampir als weibliches Wesen wahrnimmt. Sondern immer nur den Krieger …“ in dieser Litanei fuhr sie fort, während ich duschte. Schnell zog ich mich an, um ihr und ihrer Kanonade zu entkommen.

Auf den Weg zu Alia fing mich der Boss ab. Was wollte er nun wieder? „Komm mit!“, befahl er knapp und steuerte auf einen Raum gegenüber des Speisezimmers zu.

Dort saß eine dunkelhaarige Frau nein ein weiblicher Vampir, wie ich unschwer bemerkte. Sie sah sofort auf, als ich eintrat. „Sarah!“, rief sie erfreut, „Wie schön dich zu sehen. Ich habe gehört, dass du deinen Urlaub hier verbringst.“ Wie immer wenn mich jemand kannte, der mir vollkommen fremd war, grüßte ich distanziert.

„Mutter!“, sagte Corvin mit leichtem Vorwurf in der Stimme, „Sarah das ist Marsé.“ Seine Mutter also! Eigentlich sollte ich nicht überrascht sein, Prya war hier, also auch seine Mutter, die die Mutterstelle statt meiner annahm. Unwillkürlich fragte ich mich, ob ihre Freundlichkeit gespielt war? Sah sie mich als Bedrohung, die ihr das Kind wegnahm? Das Enkelkind revidierte ich meine Gedanken. Dabei fiel mir die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn auf. Die gleichen dunklen Haare, die fast schwarzen Augen die feinen aristokratischen Gesichtszüge. Selbst die Stirnfalte zwischen den Brauen, die gerade entstand, als Marsé ihren Sohn mit einem strengen Blick bedachte.

„Sei nicht immer so ehrwürdig! Sarah ist für mich wie eine Tochter, Corvin! Nun Sarah setz dich doch, damit wir uns besser kennenlernen, lang genug hat es ja gedauert.“ Beendete sie spitz ihren Satz, das leise unwirsche Knurren ihres Sohnes ignorierend. „Hör auf zu knatschen und such lieber Prya schließlich sollen die Beiden sich kennenlernen!“

„Prya wird gleich hier sein.“ Antwortete der Boss mit düsterer Miene, „Mutter halte dich zurück und überfall sie nicht gleich.“ Diese winkte ab und wandte sich mir zu, „Wie gefällt es dir in dieser zugigen Ruine?“

Ich machte große Augen, jemand der die Festung als zugige Ruine bezeichnete und das in Gegenwart vom Boss dem zollte ich Hochachtung. Bevor ich antworten konnte, platzte die junge Frau namens Prya herein meine Tochter so hieß es.

„Bunica rate mal …, oh Tata was machst du denn hier? Ich dachte, du bist im Büro.“ Kam sie keineswegs verlegen, weiter in den Raum.

Corvin überhörte den leisen Vorwurf, „Ich möchte dir jemanden vorstellen und was soll deine Großmutter erraten?“

„Nicht so wichtig!“ winkte sie ab und nahm mich in Augenschein, mit hochgezogener Braue musterte sie mich, „Ah das angebliche Missverständnis!“ lächelte sie auf eine Art, die uns verständlich machte, wie sie darüber dachte. „Normalerweise lerne ich die Favoritin meines Vaters nicht kennen.“ Kam sie auf mich zu und hielt mir die Hand entgegen die ich automatisch ergriff, „Prya!“ stellte sie sich vor, und bevor ich antworten konnte, „Mein Gott das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich weiß, wer du bist.“

Kapitel 13

Wovon redete sie, sah ich Hilfe suchend an ihr vorbei aber Corvin stand starr vor Schreck da. „Du erinnerst Dich nicht mehr?“ redete Prya ungehindert weiter, dabei seufzte sie bedauernd, erklärend fuhr sie fort, „Ich besuchte für einige Tage Bunicu“, sie sah sich unwohl nach Corvin und Marsé um, „es hilft ja nichts!“ meinte sie achselzuckend, „Nun dort sah ich Dich, wie Du einsam und allein zwischen all den Jungvampiren hocktest.“

Das ließ die Starre des Bosses zusammenfallen streng fragte er nach. „Ach habt Euch nicht so! Als Kind bekommt man die Order auf keinen Fall zu den Jungvampiren zu gehen, aber gerade dieses Verbot reizt.“ Tat sie die Vorhaltungen mit einem Achselzucken ab.

„Darf ich jetzt weiter erzählen?“, fragte sie nicht ohne eine gewisse Arroganz in der Stimme, die ich vom Boss her kannte. „Jedenfalls hocktest Du in der Ecke, die anderen Jungvampire beachteten Dich nicht. Du wirktest traurig, da sang ich Dir vor.“

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, „Die kleine Nachtigall!“ sagte ich leise die Erinnerung heraufbeschwörend. Dass die Jungvampire das kleine Mädchen als Beute ansahen und sich wie wild gebärdeten, verschwieg sie wohlweislich. Auch mein Dazutun, das sie endlich schwiegen, überging sie.

„Genau! Du erinnerst Dich!“ freute sie sich, „Am nächsten Abend konnte ich meiner Aufpasserin erneut entwischen. Du tatest mir so Leid, ich habe gesehen, wie Geirrod Dich bestrafte und Dich allein in einen Käfig steckte. Also schlich ich mich wieder zu Dir.“

„Ja in dieser Nacht griffen die Jäger an, eine Frau holte Dich, da geschah es.“

„Der Angriff“ nickte Prya, „Sie fiel auf mich, der Schmerz ich konnte nicht weg. Auf einmal warst Du da und brachtest mich fort. Ich weiß noch, wie ich nach Tata rief und Du mich tröstend in den Armen hieltest.“

„Mein Gott!“, unterbrach Corvin unser Zwiegespräch er ließ sich auf das Sofa fallen. „Prya weißt Du eigentlich, wie nah Du dem Tod warst? Du blutend und ein Jungvampir ohne Aufsicht.“ Stöhnte er sich das Haar raufend.

„Du irrst Dich!“ entgegnete sie selbstsicher, „Ich wusste, dass meine Mutter mich beschützen würde.“ Luftleerer Raum unheilvolle Stille folgten Prya´s Worten, „Ja glaubtet Ihr denn, ich sei taub und blind? Meintet Ihr, ich wusste nicht, wen Ihr da im Keller vor mir versteckt hieltet? Der plötzliche Aufbruch von Bunicu, das nächtliche Treiben? Mir blieb nichts verborgen. Nichts! Was Du tun wolltest und ich war unendlich erleichtert als Bunicu seine Tochter nicht aufgab. Deshalb wollte ich ihn ja unbedingt besuchen. Ich wusste, er würde meine Mutter nie lange allein lassen, wenn ich in sein Lager kam, dann fand ich sie.“

Corvin war sichtlich erschüttert von dem Geständnis seiner Tochter, „All das wusstest Du, warum Kind sagtest, Du nie ein Wort?“

„Ach Tata, es ist ja nicht so das ich mit fünf, sechs Jahren alles verstand. Erst als ich älter wurde, mehr über die Wandlung erfuhr, die Geschehnisse jener Nacht, meiner Geburt erst da fügten sich die Zusammenhänge zusammen, und als ich verstand, wagte ich nicht mit Dir oder irgendeinem zu sprechen außer mit … aber das tut jetzt nichts zur Sache.“ Sofort sah Corvin alarmiert auf, „Mit wem? Etwa mit Deinem geheimnisumwitterten Freund?“

„Denk, was Du willst, dazu sage ich kein Wort!“ reckte sie stur das Kinn, dabei presste sie fest die Lippen aufeinander.

„Tja das sind überraschende Neuigkeiten.“ Sagte Marsé ihre Enkelin betrachtend. „Du schaffst es immer wieder, mich in Erstaunen zu versetzen.“ Da konnte ich mich nur anschließen, die kleine Nachtigall, um die ich trauerte, saß quicklebendig neben ihren Vater. All, das passte nicht zusammen. Sie war doch an ihren Verletzungen gestorben. Ich weiß es noch wie heute als es Geirrod mir mitteilte.

Bevor ich mir dessen bewusst wurde, fragte ich schon. Corvin nickte zustimmend, „Wir verbreiteten das Gerücht, da wir befürchteten dieser Überfall galt Prya. Es war Zufall, dass ich mit einigen Kriegern an dem Tag ins Lager kam. Wären wir wie geplant erst am nächsten Tag angekommen, hätten wir wahrscheinlich nur die Toten beerdigen können.“ Seufzte er verhalten. „Prya war verletzt zwar nicht lebensgefährlich aber wir nutzten die Situation und brachten einen leeren Sarg zur Festung. Prya selbst kam zu meiner Mutter, die an einem geheimen Ort auf sie wartete. Nur wenige Eingeweihte denen ich vollkommen vertraute kannten die Wahrheit. Offiziell ist meine Tochter bei einem Überfall umgekommen.“ Erklärte er mir ausführlich.

Nun ergaben seine Worte Sinn, als er behauptete, die Jäger versuchten ihn über seine Familie zu schaden. Sowie das Misstrauen, das er dem Vampir entgegenbrachte, den Prya liebte. Eines störte mich an Pryas Geschichte, ein Kind sei es auch aufgeweckt wie selten eines, konnte allein all dies nicht herausfinden. Jemand aus Corvins und Pryas Umfeld musste sie entsprechend informiert haben. Denn kein Kind würde Verdacht schöpfen, wenn Vampire, ich schränkte, ein, diese Familie aus Vampiren ein Geheimnis hüteten. Zwar weilte ich, erst seid gestern auf der Festung, aber die gut geölte Maschinerie fiel mir trotzdem auf. Sie waren alle aufeinander eingeschworen, blieben erstaunlicherweise unsichtbar, falls von Nöten oder tauchten wie aus dem Nichts auf. Solch eine Gemeinschaft konnte kein Kind durchschauen. Wer also so fragte ich mich, steckte dahinter? Sollte ich Corvin meinen Verdacht mitteilen?

Aber nein, es arbeitete in seinem Kopf genau wie Marsé, die in Gedanken versunken schien. Prya dagegen so selbstbewusst sie sich auch gab, wirkte achtsam, auch sie kannte die Ungereimtheiten in ihrer Geschichte. Die Frage lautete, handelte es sich bei Pryas Informant um Freund oder Feind?

Das herauszufinden sollte Corvins Aufgabe sein, mein Problem lag bei Prya selbst, wie sollte ich mit der selbstbewussten jungen Frau umgehen? Anscheinend wusste sie von mir mehr, als sie jetzt gerade preisgab. Nur ich blieb ahnungslos.

„Das ist bestimmt ein Schock für Dich?“ sah sie mich mitfühlend an, aus Augen, die den meinen ähnelten. Nun wusste ich, was Henry meinte, ja sie ähnelte mir, aber da war noch etwas anderes.

„Ja“, sagte ich knapp, weil ich nicht wusste, wie ich mit Ihr umgehen sollte.

„Wir werden es langsam angehen lassen.“ Entschied das Kind, ich fühlte mich eher wie ein Neugeborenes. „Alia sagte schon, Du bist scheu wie ein Reh. Aber das macht nichts, in bin da eher wie Tata, den Stier bei den Hörnern fassen und die Probleme angehen.“

Das konnte ja heiter werden, ich nickte höflich und wünschte mich weit fort. Wenn sie doch ein wenig kindlicher wäre, ein wenig unsicherer, aber nichts dergleichen. Sie strahlte die gleiche Autorität aus wie ihr Vater. Was mich an ihm am meisten störte und kampfeslustig machte, bei Ihr bewirkte es das Gegenteil und hinterließ mich Schutzlos.

Ich tat das einzig Vernünftige, was mir in dem Augenblick einfiel, ich stand auf, „Alia erwartet mich.“ Sagte ich völlig steif, so kam es mir jedenfalls vor. Corvin und Marsé nickten, während Prya gleich aufsprang, „dann gehe ich mit, ich möchte so viel Zeit mit Dir verbringen, wie es nur geht.“ Oh nein, alles nur das nicht!

„Du bleibst! Ich habe da einige Fragen.“ Kam mir der Boss ungewollt zur Hilfe, ich dankte ihm im Stillen. So schnell ich konnte floh ich.

Alia erwartete mich bereits ungeduldig. „Nun wie wars?“

„Schrecklich! Verblüffend! Niederschmetternd! Reicht Dir das?“ ließ ich mich erschöpft auf ihr Bett fallen. „Ich geh nie wieder hier raus. Alia ich schwör Dir, diese junge Frau macht mir Angst.“

„Diese junge Frau ist Deine Tochter, das solltest Du, akzeptieren, anstatt herumzulamentieren.“ Sagte sie ungewöhnlich streng. „So und nun erzähle, ich will alles Wissen, auch warum unser lieber Boss fast eine Stunde bei Dir im Zimmer suchte.“ Darin lag ein unterschwelliger Vorwurf, anscheinend glaubten sie den Versicherungen des Bosses nicht.

„Wo soll ich anfangen?“ sie setzte sich im Schneidersitz zu mir und ich gab Ihr eine detaillierte Schilderung der Geschehnisse. Dass Hendrik, kurz nachdem ich begann, sich zu uns gesellte, störte mich nicht, eher im Gegenteil denn dadurch musste ich die gesamte Geschichte nicht noch einmal wiederholen.

Sie schwiegen bis ich zum Schluss kam. „Dann wusste das kleine Aas also wer du bist.“ Lächelte Alia stolz, „Ja das sieht Ihr ähnlich.“

„Hat sie irgendetwas über ihren Lover gesagt?“, wollte Hendrik wissen. Ich schüttelte den Kopf und beschrieb ihnen meine Gedanken zu dem Informanten. „Das werden wir schon herausbekommen, es gibt nicht viele, die zu Prya regelmäßigen Kontakt hatten. Aber was sagst Du denn nun zu Ihr?“

„Ich? Gott ich weiß ja nicht wie neunzehnjährige sich verhalten, aber sie wirkt, als wäre sie hundert Jahre älter. Da ist keine Unsicherheit, sie ist überlegt, sicher …, ich weiß nicht, ich bin …, ich habe mit so etwas nicht gerechnet.“ Gab ich ehrlich zu.

„Verständlich, für Dich ist das alles neu.“ Nickte Hendrik, mich an sich ziehend. Alia stimmte ihm zu, „Ja wie ich Prya kenne, hat sie Eure erste Begegnung bestimmt Hundertmal in Gedanken durchgespielt.“

„Was wisst Ihr über ihren Freund?“, fragte ich und Alia antwortete, „Ach eigentlich nur das Übliche, wie toll und liebevoll er ist. So einmalig und so weiter.“ flatterten ihre Augenlider hingebungsvoll, Prya nachahmend. „Wie man so schwärmt, bei der ersten großen Liebe.“ Setzte sie seufzend hinzu.

„Also bei dem Thema verzieh ich mich.“ Stand Hendrik flugs auf, Alia lachte, „Warte eines Tages wirst Du genauso mit flatternden Magen und rosaroter Brille herumlaufen.“

„Beileibe das halte ich für unmöglich, ich komme viel zu sehr nach meinem Vater.“ Wehrte er flüchtend ab.

Wir schmunzelten über seinen Abgang, „Alia ist es etwas Ernstes oder eine Schwärmerei?“ sie überlegte bevor sie antwortete, „Ich kenne Prya und denke das es sehr ernst ist. Sie ist nicht der Typ der sich schnell verliebt und dann zur nächsten Schwärmerei übergeht, genau wie Du.“

„So! Meinst Du?“

„Aber ja!“, meinte sie, „Sei ehrlich das mit Pierre war keine Liebe, sondern Bequemlichkeit. Ich streite ja nicht ab, dass Du ihn mochtest, aber das war es auch schon.“ Diesmal wehrte ich die Behauptung ab. Alia ließ nicht locker, „Warte es ab, auch Du bleibst nicht verschont. Dann wirst Du für den Einen sogar dein Schwert an den Nagel hängen.“ Es hörte sich an, als spräche sie aus Erfahrung, „Ach ja und für wen schlägt dein Herz?“ Die Frage war nicht ernst gemeint, doch Alia hauchte seufzend, „Peer“.

Das haute mich vom Hocker, nahmen die Überraschungen denn kein Ende? Nichts war so wie ich es mir vorstellte. Meine liebe flatterhafte Alia verliebt. Was kam noch? Etwa Rosmerta? Oder gar Henry? Matt? Till? Den Gedanken an Vater schob ich ganz weit fort, wurde mir bewusst. „Peer“ zerkaute ich den Namen auf der Zunge, „Er lebte zurückgezogen, wie habt ihr euch …“

„Oh nein Sarah, du verstehst das Falsch. Es gab nur eine unglaublich schöne Nacht. Diese Stunden Sarah“ schwärmte sie wie ein junges Mädchen, „wie soll ich es erklären? Diese gemeinsam verbrachten Stunden erfüllten mich mit Liebe, Geborgenheit, ich war ganz. Verstehst du?“ meine Mimik verriet ihr genug. Sie seufzte enttäuscht, „Ich versuche es dir zu erklären. Es gab kein Zaudern …, ah nein.“ Schüttelte sie den Kopf, „Die Nacht war etwas Besonderes, es ging nicht um den Akt selbst. Nein wir sprachen miteinander, lachten und alberten wie kleine Kinder. Vertrauten uns Geheimnisse an und liebten uns auf eine Art, die nicht mit unserer sonstigen Gier nach Sex zu tun hatte.“ träumte sie vor sich hin.

Das kannte ich mit Pierre, aber diese kurzen Stunden behielten nie den Nachhall, den Alia empfand. „Warum dann nur die eine Nacht?“, wollte ich wissen.

„Mein Fehler, ich verschwieg Peer meinen Mann. Daraufhin behandelte er mich mit herablassender Zurückhaltung.“ Von ihrem Ehemann wusste ich nur wenig, er verstarb vor einigen Jahren. „Peer ist hier, du bist ungebunden, was hält dich auf?“

Ein trauriger Zug legte sich um ihren schönen Mund. „Peer will nichts von mir wissen. Nach seiner Ansicht habe ich ihn und meinen Mann hintergangen.“ Das konnte sogar ich verstehen, mir erging es nicht anders, als ich von Pierres Ausflügen in fremden Betten erfuhr. Mit den Jahren arrangierte ich mich damit. Ich glaube, da fing ich an, mich innerlich von ihm zu distanzieren. Unsere Beziehung stellte sich als einfach heraus. Für mich jedenfalls, wenn allzu liebestolle Vampire aufkreuzten, verwies ich auf Pierre, was allgemein respektiert wurde. Denn es gibt viele Partnerschaften wie die von Eric und Sarah, die in Treue lebten, egal wie lange Eric unterwegs war.

„Genug Trübsal geblasen!“ stand Alia entschlossen auf, „Du wirst mit Prya zurechtkommen und ich werde heute Abend umwerfend sexy aussehen. Sollen ihm die Augen aus den Höhlen fallen, dann sieht der Herr Moralapostel was ihm entgeht.“ Schlug sie verführerisch ihr langes Haar zurück.

Ich musste lachen, „Wann sahst du jemals anders als sexy aus?“

„Sieh mich doch an!“ sah sie an sich herab.

„Benötigst du unbedingt Komplimente?“ selbst in einer abgetragenen Jeans und einfachen Shirt blieb sie eine Augenweide. Schon als Mensch musste sie eine Schönheit gewesen sein, dachte ich als ich sie betrachtete. „Ja ich stimme dir vollkommen zu, du siehst schrecklich aus. Richtiggehend hässlich!“ schüttelte ich mich angewidert.

„Na siehst du, es geht doch!“ streckte sie mir die Zunge heraus. „Und nun hilf mir, meine Abendgarderobe auszusuchen.“ Ging sie in den Nebenraum.

„Auch das noch! Das ist schlimmer als Zahnschmerzen, dafür eigne ich mich definitiv nicht. Das weißt du genau Alia.“ Rief ich hinter ihr her.

„Du bist genau das, was ich brauche. Ich will sexy aussehen ohne besonders freizügig zu sein. Haut ist heute Abend tabu.“ Lächelte sie mich mit Dackelblick an, dem ich nicht gewachsen war, und gab ihr nach.

Bevor wir anfangen konnten, klopfte es und Pryas Kopf erschien in den sich öffnenden Spalt. „Alia? Tata will ein Galadiner kannst du mir ein Kleid ausleihen?“

„Ein Galadiner! Wie seltsam …, komm nur herein Prya, wir wollten sowieso gerade …“

„Mach schon Platz du junger Hüpfer, zuerst bin ich dran, Schönheit vor Alter.“ Schob Rosmerta Prya zur Seite, dabei ließ sie ihr Schmerz erfüllendes Lachen hören. „Setzt ein Galadiner an, der Herr. Als ob ich nicht schon genug zu tun habe, als mich auszustaffieren und für wen? Noch nicht mal ein knackiger Po ist für mich dabei nur die Familie!“ schimpfte sie in Alias Ankleidezimmer stampfend um sogleich rückwärts herauszukommen. „Da ist ja nichts für mich!“ stemmte sie die Hände in die Hüften, zum Glück für uns hatte sie ihren Stock nicht dabei.

„Wir gehen rüber, dort finden wir für uns alle etwas Passendes. Außerdem Rosmerta halte deinen Sprachgebrauch zurück!“ warnte Alia mit Blick auf Prya. „Ich bin kein Kleinkind mehr!“ protestierte diese.

„Aber noch Jungfrau nehm ich mal an.“ War es nun Alia, die die Hände in die Hüfte stemmte.

Prya reckte stur das Kinn vor, „Wenn du es genau wissen willst, nein. Ich hab … meinen Liebsten verführt! So und jetzt kannst du zu meinem Vater rennen und petzen.“ Hob sie ihre kleine arrogante Nase.

„Dacht ich´s mir doch! Du schuldest mir was Alia!“ gackerte Rosmerta. „Die Kleine hat was, was nur erfahrene Frauen haben. Du nicht, Sarah mein Unschuldslamm, dir fehlt die Erfahrung noch. Aber wer weiß, vielleicht springt dich ein Bock an, der es dir mal ordentlich besorgt, nicht so ein Lümmel wie dein Verflossener. Nee der Junge ist für sein Alter noch recht grün hinter den Ohren.“

Oje Rosmerta war in Fahrt, da hieß es Augen zu und durch. „Sei doch mal still!“ blaffte Alia sie an, „Was denn? Prya ist ganz der Vater, lässt nichts anbrennen was soll´s!“

Alia knurrte gefährlich, „Raus mit der Sprache Prya, habt ihr verhütet? Hat er wenigstens auf dich Rücksicht genommen?“

„Das geht dich nichts an!“ erwiderte Prya schroff.

„Stur wie ein Maulesel, kommt dir bekannt vor nicht wahr Sarah?“ amüsierte sich Rosmerta köstlich.

„Also ein Debakel!“, schlussfolgerte Alia.

„Wie kommst du darauf?“ wurde Prya lauter, „Es war himmlisch, er ist himmlisch.“

„Das hat sie von euch Beiden! Immer diese Lautstärke.“ Kommentierte Rosmerta ungefragt.

„Hat er dich gebissen?“ funkelten Alias Augen wild.

„Nein hat er nicht obwohl ich es wollte.“, schluchzte sie mit einem Male los.

„Woher sie das hat, weiß ich nicht. Ne Heulsuse warst du nie.“

„Ach sei still!“ kam es aus drei Mündern gleichzeitig. Alia nahm Prya in die Arme. „Er hat gut daran getan. Ansonsten wüsste dein Vater, wer er ist.“

„Mir auch egal! Immer verlangt er von mir zu warten. Warten! Und nochmals Warten! Worauf? Die Zeiten ändern sich nie! Es wird immer eine Gefahr geben, Jäger, die hinter mir her sind. Egal ob ich Corvin Sardovans Tochter oder seine Frau bin.“

„Und nun auch noch die Tochter von Sarah Sardovan!“, sagte Rosmerta ohne jeglichen Spott in der Stimme. „Die sich einige üble Feinde gemacht hat.“

Prya sah auf, „Daran habe ich gar nicht gedacht. Wer denn?“ sah sie mich fragend an.

„Keine Besonderen, die nach meinen oder dein Leben trachten werden.“ Warf ich Rosmerta einen bösen Blick zu.

„Von wegen!“ baute sie sich auf, „Allein deine bloße Anwesenheit hier auf der Festung lässt eine gewisse Dame bestimmt nicht schlafen. Wenn auch noch bekannt wird, dass eure gemeinsame Tochter lebt, wird sie vor der Zeit ergrauen. Alischa!“ setzte sie bedeutsam hinzu. „Sie wird alle Hebel in Bewegung setzen, um euch aus dem Weg zu räumen. Viel zu lange wartet sie darauf die Frau unseres verehrten Bosses zu werden. Sie denkt, sie ist am Ziel all ihrer Bestrebungen.“

„Von mir aus kann sie ihn haben!“, meinte ich, „Damit sollte sie zufrieden sein und Prya in Ruhe lassen.“ Aber Rosmerta schüttelte den Kopf, „Du kennst sie nicht Sarah. Du bist eine Bedrohung in ihren Augen. Einmal konnte sie Corvin erpressen, das war damals als er den Rat um Hilfe bat. Aber die Zeiten haben sich geändert er besitzt heute mehr Macht. Einige im Rat unterstützen ihn offen. Ja er selbst wird ein Mitglied dieses Rates sein. Alischa verliert an Boden nicht nur bei Corvin, auch Livio distanziert sich von ihr. Zwar bisher unmerklich aber der Junge fängt an nachzudenken. Von ihrem Sohn Vlad erwartet sie nichts und du meine Kleine ließest sie eiskalt abblitzen lassen. Auch das hat sie keineswegs vergessen. Zudem bist du die Rivalin …, was ist wenn eure Liebe neu entflammt? Ja schau mich nicht so an möglich wäre es.“

„Das ist doch absurd, nie würde ich was mit ihm anfangen. Er ist mein Schützling, du kennst die Leitlinie, daran halte ich fest.“ Sie sahen mich an, als besäße ich Auswüchse auf der Stirn. „Ja was denkt ihr denn? Glaubt ihr etwa ich krieche gleich in sein Bett?“ sah ich sie nacheinander an. Ihre Miene sprachen Bände, „Dann ist es für euch nur eine Frage der Zeit?“ langsam wurde ich wütend, „Darauf könnt ihr lange warten! Bis zum Sankt Nimmerleinstag, das schwör ich euch!“ Sie hatten die Frechheit einfach abzuwinken. Alia meinte nur, „Wir sollten uns jetzt wirklich sputen sonst kommen wir zu spät.“

Grummelnd folgte ich den Dreien, was für Hirngespinste in ihren Köpfen spukten! „Sarah wie wäre es damit?“, fragte Alia, ich warf kaum einen Blick darauf, „Wird schon gehen!“ schnappte ich mir das Kleid, „Hier die passenden Schuhe, Prya kann dir das Haar hochstecken. Nun zu dir Rosmerta …“

Ich hörte nicht weiter zu. Fluchte und schimpfte über meine angeblichen Freundinnen, die mich eigentlich kennen sollten. Über Rosmerta, die sonst an jedem männlichen Vampir herumknitterte, besonders wenn ich mich für ihn interessierte und dann noch Prya, sie kannte mich noch nicht einmal. Wahrscheinlich wollte sie ihren Vater für sich allein, so wie ich den meinen für mich, musste ich mir ehrlich eingestehen. Eine Frau an seiner Seite konnte und wollte ich mir auf keinen Fall vorstellen. „Alia das Kleid ist zu eng, du musst mir ein anderes geben!“, rief ich genervt.

„Zeig mal her …, atme einmal tief ein …, na siehst du, es passt.“

„Wie soll ich atmen?“ Das Kleid schnürte mir sämtliche Luft ab.

„Dann lass es! Wer schön sein will, muss leiden und die paar Stunden, wirst du es ja aushalten. Wirklich du lässt dich verprügeln und die Knochen brechen, aber ist ein Kleidungsstück mal etwas enger, da schreist du wie ein Baby.“ Hielt sie mir vor, „Prya nimm Sarah mit, wir kommen sofort nach.“ Ließ sie mich stehen, Prya zupfte vorsichtig an meinen Ärmel, „Kommst du?“ ich nahm die Schuhe und folgte ihr noch immer sauer.

„Sei Alia nicht böse, sie sieht es als ihre Aufgabe uns in der richtigen Aufmachung auf die Welt loszulassen. Ich habe schon vor Jahren aufgehört, dagegen zu protestieren es hat ja sowieso keinen Zweck. Selbst Tata nimmt es als gegeben hin und sagt nichts mehr dazu.“

„Alia kleidet deinen Vater ein?“ musste ich mir ein Kichern unterdrücken. „Ja aber sie darf nicht allzu gewagt werden, ansonsten fliegen die Sachen im hohen Bogen hinaus.“ Lächelte sie, was sie um einige Jahre jünger machte. „Du hältst nicht viel von Mode?“

„Wie kommst du darauf?“

„Einmal weil Alia und Rosmerta manchmal mit mir schimpfen und dann fallen Sätze wie genauso wie die Mutter. Aber du hast dich noch nicht einmal im Spiegel angesehen. Das Kleid steht dir wunderbar es betont deine Figur und deine Haut wirkt wie Milch. Besonders deine Augen kommen zur Geltung, ich habe noch nie …“ sie hielt im Satz inne, legte den Kopf schief und fuhr erschrocken zusammen.

„Was ist?“, fragte ich mich umsehend.

„Ach nichts von Bedeutung mir ist gerade etwas eingefallen, das muss ich vor dem Essen unbedingt erledigen.“ Sie verrichtete noch zwei schnelle Handgriffe und verschwand wortlos. Verwundert schaute ich ihr nach, da kam Alia herein. „Was ist denn mit Prya los?“, fragte sie ebenso erstaunt wie ich. „Keine Ahnung wir unterhielten uns und auf einmal fiel ihr ein noch etwas zu erledigen.“

„Na hoffentlich kommt sie nicht zu spät, Corvin wird unausstehlich, wenn wir nicht pünktlich eintrudeln. Am besten gehst du schon einmal voraus, das wird ihn beruhigen.“ So zog ich die Schuhe an und ging auf wackligen Beinen in den Flur. Mein Gott wie konnte Alia mir solche hohen Hacken verpassen. Ich ging ja praktisch auf den Zehen und eine Ballerina war ich weiß Gott nicht.

Die Treppe kam mir wie ein unüberwindliches Hindernis vor. Sollte ich die Dinger an den Füßen ausziehen? Ich hatte das Gefühl, sie wollten mir die Beine oder Schlimmeres brechen. Langsam nahm ich die erste Stufe in Angriff, verdammt wie konnte man damit ungeschoren laufen? Die Dinger waren nur für eines gut, die ellenlangen Absätze als Waffe zu gebrauchen. Das Geländer bot mir den einzigen Halt, mich daran festklammernd kam die nächste Stufe.

Hoffentlich kam niemand um meinen unwürdigen Abstieg zu beobachten. Die Hälfte war fast geschafft, atmete ich erleichtert auf. Da hörte ich von oben Schritte. Zum Teufel auch, nicht er! Leise schnelle Schritte, die ich neidisch verfolgte, geh in irgendein Zimmer, bitte geh irgendwohin nur nicht die Treppe hinunter.

Ich horchte, nichts kein Laut, ich sah hinauf kein Vampir, der sich über mich mokierte, befreit atmete ich auf. Nun beeil dich Sarah damit du ungesehen hinunterkommst, dann hängst du dich an Hendrik oder Till war ja auch egal, Hauptsache einer hielt mich fest, flogen meine Gedanken voraus. Später kannst du die Schuhe ausziehen und auf leichten Sohlen verschwinden.

Noch vier Stufen dann war es geschafft. Innerlich jubilierte ich schon als eine nur zu bekannte Stimme amüsiert meinte, „Darf ich dir meine Hilfe anbieten?“ und sodass ich für nichts in der Welt diese Hilfe annehmen würde. „Danke aber nein! Ich schaffe das auch allein!“ fuhr ich ihn an.

„Wie du meinst!“ ging er leichtfüßig an mir vorbei, „Du solltest dich daran gewöhnen, im Rat werden ständig Festivitäten veranstaltet.“

„Da bin ich dein Leibwächter und muss diesen Tand nicht tragen.“ Kommentierte ich mehr als unfreundlich.

„Da irrst du dich! Jeder Leibwächter ist an die Kleiderordnung gebunden. Oh ich sehe, das war dir unbekannt. Naja vielleicht solltest du dir überlegen überhaupt mitzukommen. Du könntest dich bis auf die Knochen blamieren mit dieser plumpen Art die Treppe hinunterzuklettern. Ich könnte ja auch deine Großmutter bitten dir einige Tipps zu geben. Sie schwebt regelrecht über den Boden und dabei trägt sie mit einer Anmut, die seinesgleichen sucht High Heels, falls dir das ein Begriff ist.“ Sagte er zuvorkommend, was er meinte verstand ich nur zu gut, er verlachte mich und das in einer Weise, die man hämisch nennen könnte. Zum Glück erreichte ich gerade die letzte Stufe, ich fühlte mich wesentlich sicherer. Die erhobene Stellung mitsamt den hohen Hacken nutzend blickte ich ihm auf gleicher Höhe in die Augen. „Du kleiner widerlicher Windhund, beiß ruhig um dich wie ein tollwütiger Terrier, aber eines lass dir gesagt sein, egal was du auch versuchst, ich werde meinen Auftrag ausführen und dein Leben schützen.“ Ich grinste ihn an, „Du darfst mir dann danken und mich daran erinnern, denn sobald mein Auftrag beendet ist, das verspreche ich dir, besorg ich dir einige Blessuren, an die du noch in Hundert Jahren denken wirst.“ Sagte ich in den liebeswürdigsten Ton, den ich zustande brachte.

„Die Verabredung steht, ich werde dich erinnern!“ nahm er den Fehdehandschuh mit einer Lässigkeit auf, die ich nur bewundern konnte.

„Sarah! Corvin! Seid ihr etwa die Ersten?“ kam Marsé die Stufen herab als sei es das leichteste der Welt. Sie musterte uns aufmerksam. Wie konnte sie nur gleich reden, uns betrachten und gleichzeitig die Stufen hinuntergleiten? Dabei waren ihre Schuhe noch einige Zentimeter höher. „Was hattet ihr denn zu tuscheln?“

„Du übertreibst Marsé, ich habe Sarah lediglich erklärt wie extrem nobel der Rat und seine Anhängerschaft gekleidet ist.“

„Ah ja ist das ein Problem für dich Sarah? Hast du genug Kleidung für die verschiedenen Anlässe? Ich glaube mich erinnern zu können, dass sie sich mindestens dreimal täglich umziehen. Die reine Schufterei das sag ich dir.“

Ich sah mein weniges Erspartes für nutzlosen Tand dahinschmelzen. „Dann natürlich der Schmuck. Corvin du musst Sarah diesbezüglich unbedingt beraten! Es gibt keinen Besseren, der sich mit erlesenem Schmuck auskennt, Sarah. Am besten fahrt ihr gleich morgen zu einem Juwelier. Da fällt mir ein, ich habe für Prya ein Armband bestellt, das könntet ihr auf diesem Weg abholen.“

Ich schüttelte schon die ganze Zeit mit dem Kopf. Was Marsé da vorschlug, überschritt bei Weitem mein Budget. Leibwächter war ich, nicht mehr und nicht weniger. Gerade als Marsé Luft zum Atmen holte, wollte ich widersprechen doch Corvin kam mir zuvor. „Sicher werden wir etwas in unserem Sammelsurium für Sarah finden. Du darfst nicht vergessen ein einfacher Krieger verdient nicht die Welt, zudem ist er für seine Waffen und Monturen selbstverantwortlich.“

„Ach ich kenne den Schmuck, den du aufbewahrst, er ist einfach hässlich.“

„Er wird mir bestimmt genügen.“ Wenn ich an die Unkosten für die Kleidung dachte, wurde mir schon ganz Übel. „Oder du gibst deinen Plan auf.“ Raunte mir der Boss zu, bevor er zu Matt und Eric eilte. „Niemals!“, sagte ich leise auf das mich Marsé seltsam ansah, „Wie bitte?“ fragte sie bedachtsam nach.

Schnell nahm ich mir an Prya ein Beispiel, „Ach nichts Besonderes mir ist gerade etwas eingefallen.“ Wollte ich wie sie die Flucht ergreifen, leider behinderte ich mich selbst mit meinen Hochstöckigen.

 

Kapitel 14

„Oh, da ist Peer! Ich freue mich, dass er seine Einöde verlassen hat. Wie es aussieht, gilt sein Augenmerk ganz allein Dir. Ich verziehe mich mal. Peer ist übrigens ungebunden Sarah und von guter Herkunft.“ Lächelte sie mir schelmisch zu, auf das ich rot anlief ein Überbleibsel meines Menschseins.

„Sarah Sardovan!“ verbeugte sich der eindrucksvolle Krieger vor mir. In seinen Augen stand keinerlei Gefühl, er schätzte mich regungslos ab. „Diese Ehrerbietung steht mir nicht zu.“ Klärte ich ihn auf, er also besitzt Alias Herz. Was fand sie an dem eiskalten Vampir?

Er schmunzelte leicht, was seine Miene aufhellte. „Die Macht der Gewohnheit … Sarah?“, betonte er meinen Namen fragend, als ob er austesten wolle, ob er über seine Lippen kam.

„Das kann ich mir kaum vorstellen.“ Erwiderte ich sein nun offenes Lächeln und revidierte mein Urteil in einer Hundertachtziggrad-Kehrtwende.

„Du magst zwar nicht daran erinnert werden aber als Du Corvins Gefährtin warst stand Dir die Ehrenbezeichnung zu. Ich für meinen Teil fand das er Dir so oder so zustand. Es gibt wenige Menschen, die mich beeindrucken, Du gehörtest dazu Sarah …“ verbeugte er sich leicht, dabei sprach er Sardovan stumm aus. Sein Blick glitt hinter mir, hinauf auf die Treppe sofort verdunkelte sich sein Gesicht.

Ich wusste auch ohne mich umzusehen, wer den Wandel hervorbrachte, „Entschuldige mich, auf jeden Fall freue ich mich Dich in meinen Team zu haben.“ Drehte er sich abrupt um. Na da lag aber etwas im Raum.

„Was wollte er?“, fragte Alia sogleich.

„Er hat mich begrüßt und gesagt das er sich freut, das ich mit dabei bin.“ Gab ich Alia Auskunft, „Kein Wunder!“ schnaufte sie ungehalten, „Du bist eine der Besten!“

„Kaum! Wenn ich an Diederich oder Rosmerta denke. Ich habe noch sehr viel zu lernen.“

„Stell Dein Licht nicht unter dem Scheffel, Sarah. Das sagen sie alle also hat er mich mit keinem Wort erwähnt?“ fragte sie hoffnungsvoll nach, ich schüttelte den Kopf. „War ja zu erwarten. Solch ein sturer Hohlkopf!“ schimpfte sie leise mit einem betörenden Lächeln auf den Lippen.

Dabei bemerkte ich Matts und Tills hungrige Blicke, die Alia nicht aus den Augen ließen, „Wenn Du Trost benötigst, da stehen zwei Anwärter.“ Wies ich Alia auf die beiden hin. Sie winkte lässig mit einer Hand ab, „Um mir wieder Vorhaltungen anzuhören? Nein Sarah ich werde ganz lieb und brav allein in mein Bett marschieren in der Hoffnung Peer besinnt sich anders. Er weiß, wo er mich findet.“

Ich glaubte, mich verhört zu haben. „Alia“, sagte ich bestimmt, „Wenn er wirklich an Deiner Tür kratzt, wirst Du ihm die kalte Schulter zeigen. Hast Du verstanden?“

„Warum sollte ich?“ zischte sie ungehalten zurück.

„Ganz einfach, er stillt sein Verlangen und danach meidet er Dich wieder. Du aber meine Liebe wirst ihn nett aber höflich abweisen.“

„Und was ist mit meinem Verlangen?“ richtete sie sich empört auf, „Ich bin nicht wie Du Eisprinzessin, ich habe durchaus …“

„Du denkst nur bis zur nächsten Nummer“ fuhr ich dazwischen. „Willst Du eine Beziehung mit ihm, dann lass ihn zappeln und mach ihm begreiflich das Du nicht so leicht zu haben bist. Man für Dein Alter bist Du ziemlich begriffsstutzig.“ Sie lachte laut auf, „Oh Sarah manchmal könnte ich Dich umbringen! Aber ich werde Deinen Vorschlag durchführen, und wenn es nicht klappt, dann schwöre ich Dir, werde ich mit dem nächsten Kerl oder Vampir, der Dir gefällt, ins Bett gehen.“

„Das Risiko gehe ich ein!“ lächelte ich Ihr die Hand hinhaltend, Alia schlug ein, „Auch wenn Du ihn liebst!“ sagte sie mit eisigem Blick. „Wenn das der Fall ist, hoffe ich derjenige weiß, wie er sich aus Deinen Fängen befreit, ansonsten ist er es nicht wert.“ Erwiderte ich leichthin.

In diesem Moment stürzte Prya aus der Halle der Festung, schwungvoll flogen die Flügeltüren auf. „Bin ich zu spät?“ japste sie nach Luft ringend. Ihr Vater drehte sich langsam zu ihr um einen fragenden Blick in den Augen. „Wo kommst Du denn her? Deine Räume liegen oben.“ Prya blieb in der Bewegung stehen, „Ich musste noch etwas erledigen!“ ihr Blick ging unstet nach Hilfe suchend umher, bis er auf mich traf.

„Hilf Ihr!“, raunte Alia mir zu und versetzte mir einen Stoß, auf dass ich das Gleichgewicht verlor und nach Halt suchend mit den Armen rudernd vorwärtsstürzte. Was die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich lenkte.

Matt war es, der mich auffing, „Hoppla!“ rief er, „So stürmisch mein Fräulein?“ Prya nutzte die Ablenkung und brachte sich hinter Marsé in Sicherheit. Corvin schnaufte ungehalten, „Da wir vollzählig sind“, schaute er in die Runde, „können wir ja endlich essen.“ Er tat so, als ob er einen Riesenappetit hatte. Was für eine Kommödie, dachte ich dabei reichten uns ein paar Schlucke Blut. Aber nein die Nahrung wurde mit Wein verdünnt und wir mussten das menschliche Essen hinunterwürgen, ich sah darin keinen Sinn.

Ebenso amüsierte mich, die Hierarchie in der Aufstellung genommen wurde. Corvin mit Marsé und Prya an der Spitze, dahinter Hendrik mit Alia, gefolgt von Rosmerta und Diederich, der seine Frau Isabel den Arm reichte. Was folgte, war das Fußvolk, das durcheinander den Speisesaal betrat. Ich hielt mich an Matt fest, der mich verwundert ansah. „Die Hacken an meinen Füßen bringen mich um!“, flüsterte ich ihm zu und zeigte ihm meine Not, indem ich das Kleid raffte.

„Solch zierliche Füße, Sarah? Ein Augenschmaus für meine Seele.“ Lächelte er betörend. „Komm ja nicht auf krumme Gedanken!“, warnte ich ihn vorsichtshalber, während wir den Weg zu unseren Plätzen hinter uns legten.

Galant zog er einen Stuhl heran, auf dem ich Platz nehmen konnte. Bevor er sich selbst setzte, beugte er sich zu mir hinunter, „Diese krummen Gedanken sind gar nicht mal so abwegig Sarah, Du siehst heute Abend bezaubernd aus. Direkt verführerisch!“ hauchte er mir einen Kuss in den Nacken. „Matt Du Schlawiner lass uns auch eine Chance.“ Meldete Till sich zu Wort.

„Ich möchte in Ruhe und mit geziemenden Anstand zu Abendessen, wenn Ihr dazu nicht in der Lage seid, steht es Euch frei zu gehen.“ Kam es grollend über den Tisch gefegt.

„Wenn das so ist!“ stand ich auf. „Wünsche ich Euch einen Guten Appetit!“ bückte mich und zog die Folterwerkzeuge aus, um dann zielstrebig hinauszugehen. Bevor ich jedoch die Tür öffnen konnte, wurde sie von außen aufgestoßen. Im ersten Augenblick dachte ich, es sei Corvin, der mich schleunigst loswerden wollte. Aber in der Öffnung stand ein Mädchen, das kichernd eintrat. „Wie ich sehe, ist die Familie versammelt“, sie schaute in die Runde, „zumindest fast!“

Intha! Der Name war augenblicklich in aller Munde. „Sarah!“ musterte sie mich eingehend. „Wirklich beinah das Abbild Thais – jaja und doch steckt mehr Deines Urgroßvaters in Dir.“ Umrundete sie mich mit kleinen tippelnden Schritten. „Was sagst Du Corvin, sie sieht Alischa doch wirklich nicht ähnlich, nicht wahr. Weder äußerlich, noch und dafür danke ich Gott, falls es ihn gibt, charakterlich.“ Drehte sie sich in einer Pirouette in Corvins Richtung, der im Gegensatz zu den anderen relaxt auf seinem Platz saß. „Was verschafft uns die Ehre deines Besuches?“, fragte er sehr höflich.

Intha ging in kleinen trippelnden Schritten, dass die Korkenzieherlöckchen fröhlich wippten auf den Boss zu. „Verschiedene Gründe, mein Lieber! Marsé, Rosmerta lange nicht gesehen, versucht Ihr noch immer dem Jungen Benehmen beizubringen?“ gickelte sie in hohen Tönen. „Eines darf ich aber verraten“, blieb sie vor Corvin stehen und wandte sich abrupt Prya zu, „Zu deinen Diensten Prya Sardovan“, verbeugte sie sich tief.

Prya sah vollkommen entgeistert zu ihrem Vater, „Was soll das heißen?“ fragte er nun ungehalten. „Ganz einfach ich wurde beauftragt, Prya Sardovan zu schützen.“ Stellte sie sich hinter Pryas Stuhl. Das war ja interessant, ich setzte mich wieder zu Matt, das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Das Geraune der Beteiligten nahm nach Intha´s Verkündung an Stärke zu. Der Boss hob leicht die Hand, sofort verstummten sie. „So und wer ist bemächtigt, Dir einen Auftrag zu erteilen?“ Intha lächelte, „Die Frage kann ich Dir zum gegebenen Zeitpunkt leider nicht beantworten.“

Corvin schüttelte den Kopf, „Das kann ich Dir auf keinen Fall gewähren. Meine Tochter hat die besten Leibwächter und ihnen vertraue ich Intha!“

„Pah!“ lachte sie laut auf, „Mit ihnen werde ich gleichzeitig fertig. Willst Du deine Tochter mit guten Gewissen zurücklassen? Dann nimmst Du mein Angebot an.“ Dabei sah sie zu Marsé, als ob sie Hilfe von Ihr erwartete.

Corvin wollte gerade etwas erwidern als Marsé eine Hand auf seinen Arm legte. „Warte, bevor Du sie fortschickst.“ Bat sie, „Intha du gibst dein Wort, das Du meine Enkelin mit deinem Leben beschützt?“

„Ja!“ nickte sie eifrig, dabei ließ sie Marsé nicht aus den Augen, an Corvin gewandt sagte sie, „Und ich gebe noch ein Versprechen. Ich werde mich an die Regeln dieser Familie halten. So schwer es mir auch fällt, mich vom kalten Ersatzblut zu ernähren.“ Zog sie eine bemitleidenswerte Schnute.

„Du gibst dein Wort?“, fragte Rosmerta skeptisch, „Wie viel ist es Wert?“ Intha ließ sich keineswegs aus der Ruhe bringen. „Noch nie habe ich mein Wort gebrochen, das solltest du wissen, du altes zänkisches Weib.“ Rosmerta lachte und Intha mit ihr, dieses Gemisch aus Kleinkinderlachen und dem Krächzen krempelten einem schmerzhaft die Zehennägel um.

Erst als Corvin Intha mehrmals aufforderte sich an den Tisch zu setzen, gab sie nach. Ross der inzwischen servierte, wurde von Intha herablassend angefahren, was weder Corvin noch Ross schweigend hinnahmen. Nach der beiderseitigen Zurechtweisung verfiel Intha in ein mürrisches Schweigen, nur ihre Augen huschten flink hin und her.

Der gesamte Abend zog sich schleppend dahin, es kam kein vernünftiges Gespräch auf. Die ansonsten lockeren Umgangsformen fehlten gänzlich. Ich war froh, als Corvin endlich die Tafel aufhob, und versuchte mich heimlich davonzustehlen.

Was Prya verhinderte, „Sarah darf ich dich begleiten?“ innerlich zuckte ich unter die Frage zusammen. Was sollte ich antworten? Etwa tut mir leid, aber das ist alles zu viel für mich. Oder lass mich das erst einmal die nächsten zehn Jahre verdauen? Nein! Wohl kaum also nickte ich ergeben, ohne zu wissen, was ich mit ihr anfangen sollte. Was erwartete sie von mir? Zu meinen Leidwesen kamen Intha, Corvin und Marsé gleich mit. Als Prya das bemerkte hielt sie auf den Raum zu, in dem wir heute Mittag saßen.

Kaum das die Tür hinter uns ins Schloss fiel, ergriff Corvin das Wort, „Also Intha heraus mit der Sprache. Erst rufst du mich an, ich solle dich dringend besuchen und dann stehst du in meinen Heim. Was gibt es so Dringendes das du verreist?“ diesmal wirkte er weder angriffslustig noch drohend, eher besorgt.

Intha kletterte auf das Sofa, sie sah aus wie eine lebensgroße Puppe, die hergerichtet auf ein kleines Mädchen wartete. Sie legte die Falten ihres altmodischen Seidenkleides in ordentlichen Bahnen. Darunter kam edle Spitze zum Vorschein. Sie ließ sich ausnehmend viel Zeit für die Antwort. „Wie ich schon sagte, wurde ich beauftragt als Leibwächter zu fungieren, Corvin. Alles andere wirst du erfahren, wenn dein Freund, ihr Vater zurück ist.“

„Du willst uns also keine Erklärung geben?“ bohrte der Boss weiter.

Intha seufzte, „Es ist eine interne Familienangelegenheit, Corvin. Eigentlich geht es dich nicht im geringsten an, was ich Vlad und Sarah mitzuteilen, habe. Aber ich kenne Vlad gut genug, um zu wissen, dass er dich und Henry an dem Gespräch teilhaben lässt.“

„Eine Familienangelegenheit? Soso und du schließt Prya aus? Als ihr Vater habe ich das Anrecht zu wissen warum und wer dich beauftragt hat.“ Grollte er nun ungehalten. Marsé warf ihrem Sohn beruhigende Blicke zu, ich erkannte, dass sie Intha vertraute. Kannten sie sich? Das musste wohl so sein, wieso sollte sie sonst einen fremden Vampir vertrauen. Oder ausgerechnet Intha die bekanntermaßen keinen Hehl daraus machte frisches menschliches Blut zu sich zu nehmen. Prya ein Mensch musste doch eine immerwährende Versuchung darstellen. Anders als Intha waren wir daran gewöhnt mit Menschen umzugehen, Corvin misstraute ihr und das konnte ich nachvollziehen, deshalb ergriff ich das Wort, ohne lange zu überlegen: „Welche Gefahr droht Prya, das man einen zusätzlichen Leibwächter ausschickt?“

„Ah!“ streckte Intha ihren kleinen Zeigefinger in die Höhe, „Lerne von deiner Exgeliebten sie stellt die richtigen Fragen. Also Vulpe, du hast doch nichts dagegen, dass ich dich Vulpe nenne?“ sie wartete meine Antwort erst gar nicht ab, „Vulpe passt zu dir!“ kicherte sie, „Es ist gar nicht so schwierig deine Gegner Corvin werden weiterhin versuchen deine Angehörigen zu schaden, da Prya praktisch aller Welt verkündet hat, wer sie ist, wird der Run auf sie beginnen.“

„Was hast du getan?“, fragte Corvin seine Tochter, die das Kinn kampfeslustig vorstreckte. Während Marsé die Stirn in sorgenvolle Falten legte.

„Was ich getan habe?“ blaffte Prya, „Ich habe der Welt endlich mitgeteilt, dass ich lebe! Ich habe es satt, ständig in geheimen von einer Familie zur anderen verfrachtet zu werden. Das habe ich getan … ah ja und ich werde im Hotel wohnen die Räume im Turm kannst du anderweitig verwenden.“

„Du willst was?“ brauste Corvin Sardovan nun völlig unbeherrscht auf. Intha gickelte vergnügt, Prya zog sich ängstlich zurück, selbst Marsé verschränkte mit niedergeschlagenen Augen die Hände ineinander. Tja und ich, ich verstand Prya nur zu gut. Musste ich mich nicht seid Jahren mit meinem übermächtigen Vater auseinandersetzen? Kannte ich nicht die Hilflosigkeit, die Ungerechtigkeit, die Kämpfe für ein bisschen Freiraum? Ja nur zu gut!

Corvin Sardovan schlich langsam, gefährlich langsam auf seine Tochter zu. Und in diesem Augenblick war es nicht nur seine Tochter, nein auch meine. Ich wollte sie schützen vor all den Dingen, denen ich selbst noch heute ständig ausgesetzt war.

Mit einem Male stand ich zwischen ihnen. Corvin kurz überrascht fauchte mich gefährlich an, „Geh mir aus dem Weg!“ forderte er kalt, „das geht dich nichts an!“ seine Augen versprühten schwarze Blitze, seine ausgefahrenen Fänge drohten mir.

„So meinst du?“ stand ich ihm in nichts nach. „Prya ist meine Tochter genau wie deine und du wirst ihre Entscheidungen rückhaltlos respektieren. Sie ist kein kleines Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau.“ Stellte ich mich in Abwehrposition, denn es sah aus, als wolle er mich angreifen. Das brachte ihn noch mehr auf, „Du verdammtes Weib, ich sage es nicht noch einmal, geh mir aus dem Weg!“ verlangte er.

„Nein!“, sagte ich. Intha´s höhnisches Kichern zerrte an meinen Nerven, doch ich erwiderte fest seinen Blick, tauchte in ihn ein, verlor mich in ihm. Eine seltsame Vertrautheit überflutete mich, ein Drängen, das unterschwellig brodelte, nur was?

Wie lange wir einander gegenüberstanden, ich weiß es nicht, es konnten Sekunden sein, Minuten oder gar Stunden. Erst als Marsé zwischen uns trat, ihre Hände beruhigend auf unsere Schultern legte, nahm ich meine Umgebung bewusst wahr.

„Streit hilft uns nicht wir müssen zusammenhalten ansonsten hat unser Feind gewonnen.“ Sprach Marsé beschwörend. Ich schüttelte mich wie ein nasser Hund noch ganz gefangen von … ja was? Ich wusste es nicht, weder konnte ich es begreifen noch erklären.

Corvin fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, „Sicher du hast recht, Mutter. Er warf mir einen undeutbaren Blick zu, den ich auswich. Zu tief wühlte das gerade Erlebte in mir, dabei wusste ich noch nicht einmal, was mich dermaßen aus der Bahn warf. Verunsichert wandte ich mich ab, setze mich auf den am weitesten entfernten Stuhl und hörte Prya zu. Die beichtete im Internet auf einschlägige Seiten der Vampire, sowie im Hotel ihre wahre Herkunft bekannt gegeben hatte.

Corvin musste an sich halten, um nicht erneut aus der Haut zu fahren. Seine Mutter beschwichtigte den Boss, „Corvin wir müssen die Tatsachen akzeptieren und entsprechend reagieren.“ Ermahnte sie ihn, „Vorwürfe helfen uns nicht weiter.“

„Es ist doch alles geregelt!“ klatschte Intha in die Hände, „Während ihre Eltern den Rat aufmischen, harren wir hier aus. Danach wird niemand mehr versuchen, sich an einen Sardovan zu vergreifen. Glaubt mir, mein Auftraggeber wird dafür sorgen.“ Lächelte sie zuversichtlich in die Runde.

„Dein Auftraggeber! Gerade der bereitet mir Sorgen, Intha. Warum versteckt er sich und kommt nicht einfach her? Was versucht er zu verheimlichen?“ seine Blicke gingen zwischen Intha und Prya hin und her, „Mein Gott es ist dein Freund!“ sagte Corvin erschüttert, „Deshalb die Heimlichkeiten! Wer ist er?“ Prya erschrak, Intha zuckte mit keiner Wimper, doch Corvin war überzeugt, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Stirnrunzelnd schnappte er nach Luft, „Wer Intha bekommt dich aus deinen eigenen vier Wänden?“ er stellte die Frage nicht direkt Intha mehr sich selbst. Während er laut überlegte, wanderte er im Raum umher. Dabei fiel mir auf, dass er mein Umfeld mied. Was ich erleichtert aufnahm, ich hatte wie er keineswegs das Bedürfnis mich nochmals in solch einer Lage zu versetzen.

Der Boss versuchte Prya unter Druck zu setzen, Intha zu schmeicheln kurz gesagt er setzte all seine Überredungskünste ein und scheiterte am Schweigen der beiden. Mittlerweile ging es auf Mitternacht zu, Prya gähnte hinter vorgehaltener Hand, was den Boss bewog, die nutzlose Befragung zu beenden.

Erleichtert endlich allein zu sein, ging ich hinaus in den Hof, die kühle Nachtluft tief einatmend, streckte ich vom langen Sitzen die steifen Glieder.

Hinter mir in der Halle vernahm ich Stimmen, ich wollte allein sein, deshalb verzog ich mich in den Schatten des Hotels. Wie anders doch mein sonstiges Leben verlief, ich verrichtete meine Arbeit und in den Freistunden suchte ich die mir vertraute Einsamkeit.

Hier in dieser Festung wurde ich vom ersten Augenblick in einen Strudel gezogen, ohne die geringste Aussicht mich daraus befreien zu können. Im Gegenteil ich wurde immer tiefer gezogen geradezu aufgesogen. Ich benötigte unbedingt Zeit für mich, um wenigstens einige klare Gedanken fassen zu können.

Richtig Alia und Hendrik sie suchten mich, aber so gern ich sie auch hatte, mir reichte es für heute, die restliche Nacht gehörte mir.

„Wer weiß, wohin sie verschwunden ist.“ Sagte Hendrik, „Ja“ antwortete Alia, „Für Sarah ist es schwierig. Sie gehört zu jenen Wesen, die sich selbst genügen.“

„Dann sollte sie die letzten Tage auskosten in Granada wird es von Vampiren nur so wimmeln.“ Sie gingen hinein, ohne schlechtes Gewissen überquerte ich den Hof auf das Tor zu. Ein Wächter sprach mich an, wohin ich wollte. „Einfach nur raus in den Wald.“ Er grinste verständnisvoll und öffnete eine kleine Pforte. „Ab sieben Uhr ist das Tor geöffnet, ansonsten klopfe.“ Sagte er.

Sofort bog ich links ab in den Wald und fluchte innerlich über meine Dummheit. Ich trug noch das Kleid. Wo waren die Schuhe? Sie standen vergessen unter dem Stuhl. Was soll´s raffte ich das Kleid hoch. Ich wollte sowieso nur einige Schritte gehen, es gab in der Nähe eine Lichtung, dort lag mein Ziel.

Die Lichtung entpuppte sich als kleines Oval mit einem Durchmesser von gerade mal drei Metern. Sie lag versteckt von der Festung und der Straße völlig abgeschieden. Langsam schlenderte ich zur Mitte und schaute wie durch einen Trichter in den Sternenhimmel. Wie friedvoll und ruhig es hier war.

Nicht so ganz!

Wandte ich mich um, von dort kamen eindeutig Schritte. Ich wusste, wer da kam. Wusste, warum er kam. Wusste, warum ich kam.

 

Kapitel 15

 

Ohne ein Wort trat er vor, blieb am Waldrand, ging langsam das Oval entlang als hätte er alle Zeit der Welt. Ich blieb stehen sah ihm nicht nach, spürte die Blicke, die meinen Körper abtasteten.

„Wir sollten das nicht tun.“ Sagte er noch immer am Rand entlanggehend. „Ja“, hauchte ich leise.

„Das ist verrückt!“

„Ich weiß!“ spürte ich seine Wärme in meinen Rücken. „Nur dieses eine Mal.“ Löste er mein Haar, „Nur dieses eine Mal!“ wiederholte ich fest und schmiegte mich an ihn und genoss die Wärme, seinen Duft, der mich berauschte, die kundigen Hände die meinen Leib streichelten. Es gab kein zurück nicht in dieser Nacht, denn es musste sein, ein Erkennen unserer Körper die reine Lust versprachen, die Befriedigung unserer Gier die uns antrieb.

Er lag atemlos neben mir, der Zauber war vorbei. Befriedigt und ohne jegliches schlechte Gewissen richtete ich mich auf, mein Kleid nehmend. „Was tust Du?“, fragte er träge.

Das einzig Richtige in dieser Situation mein rationeller Verstand setzte wieder ein. „Anziehen was sonst!“, meinte ich schroff, es hörte sich schroffer an, als ich beabsichtigte. Er lachte leise, „Diese Nacht Sarah und sie ist lange noch nicht vorbei.“ Zog er mich trotz meiner halbherzigen Proteste auf seine Brust. Die Lust gerade noch befriedigt keimte in meinen Lenden auf. Warum konnte ich ihm nicht widerstehen?

„Was ist an Dir das ich nur an eines denke, wenn du in meiner Nähe bist? Sag es mir Vulpe.“, seine Frage war eine Spieglung meiner Gedanken.

„Nenn mich Sarah!“, forderte ich eisig ich wollte keine vertrauliche Intimität. Unser Zusammensein war der ungestüme leidenschaftliche Teil unseres Vampirseins. „Ich weiß, dass Du an Sie denkst und mein Körper reagiert nur auf längst vergangene Reize. Das ist schon alles!“ versuchte ich erneut mich ihm zu entziehen.

Bedächtig band er eine Strähne meines Haares um seine Hand, „Ist das so? Vielleicht! Ob Sarah oder Vulpe heute Nacht vergessen wir wer wir sind.“ Schlang er seine Beine um meine.

Am Morgen gingen wir grußlos wie Fremde auseinander. Was gab es auch zu sagen? Ich wagte es noch nicht einmal, in seine Richtung zu blicken. In dieser Nacht spielte ich eine Rolle und wurde zu jener Frau, die ich einst war, von allen losgelöst nur ihn fühlend, nur ihm gehörend.

Ein Abschluss dachte ich, ja ein vernünftiges Ende einer Beziehung, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Von Heute an konnte ich die Vergangenheit wirklich hinter mir lassen, schritt ich beschwingt geradezu befreit durch das Tor.

„Na so was!“ erschreckt fuhr ich herum, Hendrik! „Wie war die Nacht? Einsam oder fröntest Du der Zweisamkeit?“

„Was geht es Dich an?“ giftete ich ihn an. „Es kommt darauf an. Was Ihr treibt, ist Eure Sache aber ich habe eine Verpflichtung meinem Patenkind gegenüber.“

„Prya ist erwachsen!“ winkte ich ab. „Das ist sie und auch wieder nicht. Sie ist ein Kind, wie jedes andere, das davon träumt ihre Eltern in Liebe vereint zu sehen.“

„Das wird niemals geschehen.“ Antwortete ich prompt. Er zog eine Braue hoch, „Und was bedeutete die letzte Nacht?“

„Hendrik ich habe nicht die leiseste Absicht Dir irgendwelche Erklärungen zu geben. Es gibt keine gemeinsame Zukunft, das muss Dir reichen.“ Wandte ich mich dem Hotel zu. Musste ich denn Rechenschaft abliefern? Ging ich etwa zu ihm, wenn er jede Nacht eine andere hatte? Nein! Aber er durfte sich ja amüsieren nur ich, ich sollte schön brav sein.

„Prya ist ein wenig Durcheinander.“ Änderte er seinen Ton. Ich lachte bitter auf, „Wer nicht!“

„Sie fand dein Benehmen schockierend.“

„Mein Benehmen? Sag nicht, Du hast Ihr von uns erzählt.“ Packte ich ihn am Kragen und zog ihn zu mir herunter. Sollte er seine Klappe aufgerissen haben, dann konnte er etwas erleben. „Ja!“ nickte er eifrig, völlig unbeeindruckt, und fuhr spöttisch fort, „Du wagtest dich dem Boss entgegenzustellen und ihn sogar zu bedrohen.“

Ach er meinte die gestrige Auseinandersetzung, ich ließ ihn los, „Wenn der Boss sich aufführt, wie ein aufgebrachter Eber ist das in Ordnung?“ er schmunzelte, „Naja es ist vielleicht unser Fehler, wir haben Prya über Eure grenzenlose Liebe füreinander erzählt. Gewissermaßen haben wir einige unschöne Details Eurer komplizierten Beziehung verschwiegen. Prya denkt wohl, es gab nie ein böses Wort zwischen Euch, das ihr Hand in Hand den Himmel auf Erden erlebtet.“

„So ein Schwachsinn, so etwas gibt es nur in Liebesromanen, die Realität ist erheblich unangenehmer. Hat sie sich nie die Frage gestellt, warum er die Frau, die er angeblich liebte, für Alischa abservierte? Oder passt das nicht in die Träumereien deines Patenkindes?“

Hendrik zuckte die Achseln, „Auf jeden Fall will sie euren Streit schlichten, mach dich auf einiges gefasst.“

„Was meinst Du?“ sträubten sich meine Nackenhaare, ein sicheres Anzeichen, das etwas Bedrohliches auf mich zukam. Hendrik lachte nur, „Ich habe schon zu viel gesagt. Ich wünsche Dir oder Euch viel Vergnügen.“ Ließ er mich stehen und lief ins Hotel als wäre eine Meute tollwütiger Wölfe hinter ihm her.

Kaum das ich unter der Dusche hervorkam, klopfte es. Wieder ein Tag, an dem es zuging wie auf einem Jahrmarkt. Alia kam herein, ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten. „Da bist Du ja! Wir haben Dich gestern Abend gesucht aber Du wolltest wohl allein sein.“ Was wusste sie? Beäugte ich sie argwöhnisch, sie winkte ab, „Von mir aus kannst Du im Wald übernachten, wann und mit wem auch immer das ist, deine Angelegenheit. Aber ich wollte dir von Peer erzählen.“ Sprühten ihre Augen funken, „Rate mal, wer die Nacht vor meiner Tür stand.“

„Ist nicht wahr?“ staunte ich während Alia aufgeregt nickte, dabei ließ sie sich kichernd auf mein unbenutztes Bett fallen. „Ich habe ihn abblitzen lassen.“ Strampelte sie stolz mit den Beinen, „Und heute Morgen stell dir vor, hat er mich gebeten mit ihm den Abend zu verbringen, natürlich rein kameradschaftlich beteuerte er.“ äußerte sie verschmilzt.

Ich freute mich für sie, „Und wohin geht es?“

„Soll ich denn?“, fragte sie verunsichert, was mich ehrlich gesagt überraschte. „Ja warum denn nicht? Eine Verabredung ist nichts Verwerfliches, sie sollte nur nicht in der Horizontalen enden.“ Kam ich mir so richtig schäbig vor. Wie konnte ich mich erdreisten den Moralapostel zu spielen, wollte ich ihr gerade die letzte Nacht beichten, falls sie es noch nicht wusste, was ich ehrlich bezweifelte. Genau in dem Moment klopfte es erneut. Wahrlich ein Taubenschlag! Alia rief schon, „Herein in die gute Stube.“

Prya gefolgt von Intha trat ein. „Hallo, stören wir?“

„Aber nein ich wollte sowieso gerade los.“ Schwang Alia ihre langen Beine aus dem Bett. Prya wartete, bis Alia die Tür hinter sich schloss, dann erklärte sie mir umständlich, dass sie gern den heutigen Tag mit mir verbringen wollte. Kurz dachte ich an Hendriks nebulöse Warnung und tat sie als Hirngespinst ab und willigte ein.

„Prima!“ klatschte Prya begeistert in die Hände. „Ich habe mir gedacht wir gehen als erstes Laufen. Danach möchte ich hinunter ins Dorf, es gibt dort ein Haus, indem ich manchmal mit Marsé wohne und dann …“

„Was dir gefällt, ich stehe dir zur Verfügung.“ Amüsierte ich mich über ihre Begeisterung. Intha verzog weder eine Miene noch sagte sie ein Wort, ganz routinierter Leibwächter sogar eine Kampfmontur dazu eine Ausgezeichnete trug sie, wie mir auffiel. Bestimmt eine Sonderanfertigung dachte ich nebenbei. „Bis heute Abend?“, fragte Prya, „denn ich möchte etwas kochen.“

„Aber ja! Ich freue mich.“

„Herrlich ich ziehe mich schnell um, wir treffen uns in der Lobby.“ Eilte sie hinaus, „fünf Minuten!“ sagte sie noch.

Dass sie ins Dorf wollte, kam mir gelegen, bestimmt konnte ich sie dazu bewegen mir Endris letzte Ruhestätte zu zeigen zog ich mich zum Laufen an. In der Halle ließ Prya sich Zeit, Hendrik lehnte mit mutwilligem Lächeln an der Rezeption, „Du gehst laufen?“ fragte er scheinheilig.

„Mit Prya ja!“ er versuchte sein Grinsen unter Kontrolle zu halten, „Aha!“ deutete er hinüber zum Turmeingang. Mir verschlug es die Sprache, als ich sah, wer Prya begleitete, „Sarah! Da bist du ja!“ lächelte sie nervös, „Ich habe Tata überreden können uns zu begleiten.“

„Ein kleines intrigantes Biest unsere Prya, nicht wahr Sarah.“ Raunte Hendrik neben mir. Ich schloss den Mund, Maulsperre stand mir wirklich nicht. Corvin sagte nichts, genau wie ich, völlig überrumpelt. Er kennt sie von klein auf, wieso sah er ihr Vorhaben nicht voraus? „Sollen wir?“ bewegte sich die kleine Intrigantin zum Ausgang.

„Warte Prya wenn du schon eine Begleitung …“

„Oh nein Vater du hast mir dein Wort gegeben! Wie Sarah vorhin! Heute habe ich meine Eltern ganz für mich allein. Bitte Tata, nimm mir nicht den einzigen Tag mit euch. Bald reist ihr ab und wer weiß, wann ich euch wiedersehe, ob überhaupt.“ Schloss sie ihn an die Hand nehmend. Er war Wachs in ihren Händen.

„Aus der Nummer kommst du nicht wieder raus, Boss.“ Gluckste Hendrik vergnügt. „Hoffentlich übersteht ihr unbeschadet den Tag, verausgabt euch nicht zu sehr.“ Grinste er feixend über das ganze Gesicht. Der Boss sah Hendrik überlegend an, sagte aber kein Wort mit einem schnellen Blick auf Prya.

Ich ließ Hendrik stehen das sollte er mir büßen. Mit Sicherheit hatte er dabei seine Finger im Spiel. Prya war nicht so ausgebufft um solch ein Ränkespiel einzufädeln. Was erhoffte sie sich mit dieser Aktion die heile kleine Welt?

Es schien so, denn Prya arbeitete ein gut durchdachtes Programm ab. Zuerst laufen, danach ins Dorf der Menschen, wo sie ein kräftiges Frühstück verputzte, während ich mich mit einer Tasse Kaffee begnügte und Corvin nichts nahm.

Es folgte ein Spaziergang um den Berg der uns zum Dorf der Vampire führte wie Prya mir erklärte. Im Augenblick lebten dort einige Krieger ohne ihre Familien, sie waren in sicheren Verstecken untergebracht. Sie dachte sogar an Endris Grabstätte dort verweilten wir. „Wie war er?“ wollte Prya wissen gespannt hörte ich ihm zu. Corvin seufzte, „Ein junger Krieger voll Enthusiasmus und dem Ehrgeiz etwas aus sich zu machen. Ein loyaler Freund aber das können dir die anderen Drei im Bunde besser erzählen.“ Wurde ich enttäuscht, ich hatte gehofft, mehr über Endris zu erfahren.

„Vlad erwähnte Mal, Endris mochte Sarah besonders gern.“ Bohrte Prya weiter.

„Er mochte sie, von mehr weiß ich nicht.“ Schloss er mit dunkel umwölbter Stirn.

„Vater erzählte mir, er meldete sich freiwillig zu ihrem Schutz, er muss sie sehr gemocht haben.“ Fügte ich an Prya gewandt hinzu.

So lief es, Prya war unser Gesprächspartner weder der Boss noch ich richteten das Wort aneinander. „Ja er muss dich sehr gemocht haben.“ Sagte Prya traurig.

„Sarah!“ verbesserte ich sie. „Und es ist schade, dass er sich völlig umsonst opferte, schließlich wurde Sarah doch getötet.“

Corvin sprang auf und Prya machte ein unglückliches Gesicht. „Dann wäre ich nie geboren worden.“ Das war mir neu. „Sie war noch schwanger bei jenem Angriff? Aber ich dachte, sie lebte in diesem Dorf?“ Die Zeitfolge geriet völlig durcheinander.

„Erst danach, Vlad holte sie aus Deutschland her. Er bestand darauf, dass du hier lebtest und Ross wohnte im Anbau das weiß ich von ihm. Auch das Tata ihn beauftragte, dich zu schützen.“ Erklärte Prya ganz unbedarft, was dem Boss nicht sonderlich gefiel.

„Wirklich?“ nun war ich durcheinander. Weder die Zeiten noch die Abfolge stimmte meines Wissens. Wieso wohnte ich trotz der Schwangerschaft in Dortmund? Wieso beauftragte der Boss einen Leibwächter? All das stimmte vorne und hinten nicht. Hatte es denn nie ein Ende? Erst heute Morgen dachte ich, das Kapitel Sarah sei endgültig abgeschlossen. Ich wollte mein menschliches Dasein hinter mir lassen, aber der Schatten jener Frau verfolgte mich.

„Das Training beginnt gleich wollen wir zusehen?“, unterbrach Corvin meine Gedanken. „Nein“ entschied Prya resolut, „Ich möchte ins Haus und mich mit euch unterhalten.“

„Was versprichst du dir davon?“ Endlich die Frage, sie lag mir seid Stunden auf der Zunge, lenkte sie mich von meinen Überlegungen ab.

„Eigentlich nichts Tata. Ich möchte nur einen Tag mit meinen Eltern verbringen. Ist das so schwer zu verstehen? Ich träume davon seid meiner Kindheit, und ihr … ihr schafft es noch nicht einmal miteinander zu reden geschweige denn euch anzusehen. Ihr habt mich gezeugt, habt ihr nicht eine gewisse Verantwortung eurem einzigen Kind gegenüber? Könnt ihr nicht für ein paar Stunden zivilisiert miteinander umgehen? Ach vergesst es! Geht!“ lief sie aufgeregt davon und wir blieben betreten zurück.

„Ich wusste nicht das sie so denkt.“ Sagte Corvin in die unangenehme Stille.

„Hendrik deutete so etwas an.“ Mehr wusste ich nicht zu sagen, Corvin nickte wissend. Aus Pryas Sicht musste es schwer gewesen sein. Ein Vater, der die Bestie von Mutter umbringen wollte, die Mutter sogar verschwieg, ja aus seinem und Pryas Leben verbannte.

„Was machen wir jetzt?“ fuhr sich der Boss ratlos durch das Haar, ich wusste, wie es sich anfühlte kräftig und stark ohne borstig zu sein, schaute ich ihm verloren zu. „Erfüllen wir Ihr ihren Wunsch.“ Ignorierte ich den Wunsch es ihm nachzumachen, verbannte den Gedanken seines glatten, seidigen Haares. „Ein Tag was soll´s.“ zuckte ich unentschlossen mit den Schultern. Corvin lachte bitter auf, „Erst eine Nacht nun einen Tag, Du forderst einiges heraus, Vulpe.“

„Ach ich?“ wurde ich zornig, „Du wolltest die letzte Nacht genauso wie ich, oder der Rest von Sarah der in mir ist. Ich habe nie die Absicht gehegt! Das merke Dir! Du hast eine Tochter, also verhalte Dich auch so und nicht wie das letzte Arschloch.“

„Und Du als Mutter!“ fauchte er mich an.

„Mutter!“ spuckte ich das Wort verächtlich aus. „Die Chance hast Du mir genommen.“ Ließ ich ihn stehen, um Prya zu suchen, und überließ es ihm mir zu folgen oder zu gehen.

„Du vergisst, dass ich zum Wohl meines Kindes handelte.“ Kam er hinter mir her. Er lispelte, wie schnell er aus der Haut fuhr. Selbstbeherrschung gehörte wohl weniger zu seinen Attributen.

„Ja sehr einfach für Dich nicht wahr. Mit dieser Begründung konntest Du dein Kind für dich behalten und die unschönen Details deiner und Sarahs Beziehung vergessen. Sag mir Corvin Sardovan“, drehte ich mich abrupt zu ihm, „Sag mir“ sah ich ihn an und vergaß, warum ich ihn wütend anfuhr, er stand zu nah. Ich blinzelte blickte sprachlos in seine schwarze Augen. Der Schmerz darin traf mich mit voller Wucht.

Er wandte sich ab, schüttelte den Kopf einem wilden Stier gleich. „Ja sehr einfach.“ Meinte er tonlos, „Ich … das wollte ich nicht.“ Legte ich ihm die Hand auf die Schulter. Während ich noch überlegte, was ihn dermaßen aus der Bahn warf, packte er meine Hand mit solch einer Kraft, dass ich nach Luft schnappte. „Merke dir eines, auf dein Mitleid kann ich verzichten und solltest du es wagen mich jemals wieder auf diese Art anzurühren werde ich dich …“ der Satz blieb unvollendet, er stürmte fluchend davon.

Ich blieb fassungslos zurück, woher kam dieser Schmerz? Es gab nur eine Möglichkeit, Prya! Wie Vater versuchte er sein Kind vor Unbill zu schützen. Auch vor der gefährlichen Mutter. Vater musste sich gegen meine Mutter nie behaupten, genau wie Henry. Corvin wollte mich loswerden, weil er Angst hatte, seine Tochter an mich zu verlieren. Ja so musste es sein, ich kannte den Besitzanspruch eines Vaters aus erster Hand. Sogar meine Freunde passten ihn nicht, als ich Pierre kennenlernte versuchte Vlad mit allen Mitteln eine Beziehung zwischen uns zu verhindern. Woran er letztendlich scheiterte. Genauso handelte der Boss, zu seinem Leidwesen musste er im Augenblick gleich gegen zwei Gegner ankämpfen, den Liebhaber und der Mutter. Sollte ich einfach das Feld räumen?

Nein! Entschied ich mich gegen Corvin gegen meine Vernunft, die mir riet, dass ich niemals den Platz einer Mutter einnehmen könnte. Aber eine Freundin konnte ich ihr sein, ja eine Freundin die Prya half die übermächtige Präsenz des Vaters zu schmälern. Wenigstens ein bisschen.

Mein Entschluss stand fest, entschlossen suchte ich Prya und sah Vater und Tochter in ein Gespräch vertieft. Aus der Ferne beobachtete ich sie. Sie besaßen die gleiche Körperhaltung, die Gestik und wahrscheinlich auch das gleiche Temperament. Corvin sah mich, er nickte mir kurz zu und ich ging langsam auf Vater und Tochter zu.

„Nun?“ sah der Boss mir entgegen wartete auf meine Entscheidung. Ich wandte mich an Prya, „Eines solltest du wissen ich werde nie die Mutter sein, die du dir wünschtest, denn sie ist nicht mehr. Was ich für dich sein kann, ist eine Freundin, die dir zur Seite steht. Wenn dir das genügt, sollten wir anfangen uns kennenzulernen ohne zu versuchen krampfhaft eine nie existierende Familie heraufzubeschwören.“

Prya nickte erleichtert, „Das ist mehr als ich jemals erwarten konnte. Trotzdem möchte ich den Tag mit euch verbringen. Schon allein, weil ich weiß, dass ihr in einigen Tagen aufbrecht.“ Sah sie uns abwechselnd an. „Also gut!“ stimmte der Boss zu, also willigte ich ebenso ein. Prya freute sich und folgte ihrem Programm, wie ich bald darauf feststellte.

Karten spielen, Musik hören, sogar einen Fernseher wollte sie einschalten, worauf wir uns heftig wehrten. Das brachte sie ein wenig aus dem Konzept leider nicht zu lange. Denn sie kam auf die Idee gemeinsam zu kochen, was für mich ein Gräuel bedeutete. Im Endeffekt wurden wir das heißt Corvin und ich als Handlanger degradiert. Aber auch darin fielen wir in Pryas Augen durch, sie scheuchte uns aus der Küche und beauftragte uns den Tisch einzudecken. Was wir auch zweckmäßig taten, drei Teller und Besteck. Als Prya dies sah, schnaufte sie eine Dampflok gleich entrüstet, ich musste lachen, weil mich das an den Boss erinnerte, was ich auch sagte. Dies war der einzige Augenblick eines langen anstrengenden Tages, den wir ungehemmt miteinander teilten.

Nach dem gemeinsamen Essen am Abend, den Abwasch und das Aufräumen das Corvin und ich in der beengten Küche übernahmen, kam Marsé ins Haus. Sie erinnerte Prya, das sie uns lange genug von unseren Pflichten ferngehalten hätte. Zwar hatte ich keine, aber ich schwieg und wollte eigentlich nur fort, die Spannung zwischen Corvin und mir wuchs stündlich und ich ertappte mich mehrmals, wie ich seine Hände anstarrte, die so wunderbare Gefühle erwecken konnten, sein Mund, der fordernd küsste oder zart über meine Haut strich. Tatsächlich ich sollte so schnell wie möglich das Weite suchen. Denn Corvin reagierte auf mich mit gegenteiligen Gefühlen, wie ich an seiner wachsenden Stirnfalte unschwer erkennen konnte.

Prya gab nach und ich eilte kopflos hinaus nur ein Ziel aus der Nähe des übermächtigen Dunstkreises des Bosses zu entfliehen. Etwas ratlos, da mir die Ortschaft unbekannt war, wandte ich mich zum Trainingsplatz das lag dem Eingang der Festung am Nächsten, es musste dort einen Weg geben, dachte ich. Doch ich irrte mich, der dichte Wald wirkte undurchdringbar. Also zurück und den Weg nehmen, den wir hierher genommen hatten. Doch schnell drückte ich mich gegen eine Hauswand, da genau der Boss in diesem Augenblick die Straße betrat. Er sah in meine Richtung, wusste er, welchen Weg ich einschlug? Anscheinend nicht, da er sich umwandte und die entgegengesetzte Richtung einschlug.

Sollte ich ihm folgen? Oh nein! Da schlug ich mich doch lieber durch den Wald, das war mir allenthalben lieber, als nochmals auf ihn zu treffen.

Während ich durch den Wald und den Büschen meinen Weg bahnte, ging ich den Tag nochmals durch. Eines ließ mir keine Ruhe die Schwangerschaft, der Angriff, die Zeit. Laut Vaters Erzählung kam ich im Sommer zur Festung, überwinterte in Fenils, worauf Corvin im Frühjahr die Beziehung beendete. Aber Prya wurde im darauffolgenden Jahr im September geboren. Zudem wohnte ich einige Monate in Dortmund. Also fehlten mir Monate, wenn denn das Jahr zwölf Monate hatte und genau in diesem Punkt ließ nicht mit sich reden. Demnach unterschlugen sie mir fast ein ganzes Jahr. Wo war ich? Was geschah in diesem Jahr? Selbst als Corvin mir von Prya erzählte, sagte er kein Wort dazu. Was verheimlichten sie mir? Stimmte etwa die ganze Geschichte nicht? Sperrten sie mich bereits weg, als ich noch ein Mensch war? Beruhte die lange Wandlung darauf? Es konnte durchaus möglich sein, liefen vor meinen inneren Augen Bilder ab die eine ganz andere Sarah Wagner zeigten, als ich bisher annahm, eine unzurechnungsfähige, eine Verrückte mit wirren Haar und irrem Glanz in den Augen.

Während ich mich durch den Wald schlug, dornige Büsche überwand, über umgefallene Bäume kletterte, nahm meine Wut gepaart mit Angst zu. Vater! Corvin! Oh ja, sie warfen mir Krümmel hin, die ich auflesen sollte. Als ich von meinen Menschsein nichts erfahren wollte, da lag mir Vater in den Ohren, ich müsse mich damit auseinandersetzen. Womit fragte ich mich, bange. Er sagte mir nie die ganze Wahrheit, nur das, was er für richtig hielt, stellte ich zornig fest. Noch immer hielt er, ich verbesserte mich sie meine Vergangenheit unter Verschluss und nicht nur die beiden nein auch meine Freunde. Wieso sagten sie nie, wo ich während der Monate war. Was verheimlichten sie mir? Was war so schlimm? Egal was es war, ich wollte, musste es wissen! Wie kam die Schwangerschaft zustande? Die Beziehung war längst beendet. Antworten bekam ich nur von einem und dem gedachte ich einen Besuch abzustatten, und zwar gleich!

Als ich endlich zerschunden und zerkratzt das Tor passierte siedete meine Wut gepaart mit wahnwitzigen Bildern auf dem Höhepunkt. Ohne innezuhalten, marschierte ich durch die Halle in der Rosmerta, Diederich und Alia mit offenen Mund dastanden, als sie mich sahen. „Was ist denn dir …“ was auch immer sie wollten, ich stürmte an ihnen grußlos vorbei, die ersten Stufen der Treppe nehmend.

Das oberste Stockwerk mein Ziel! Ich wusste, wo ich ihn finden würde, meine Sinne waren bereits im Hof der Festung auf ihn gerichtet, deshalb wusste ich, dass er gerade erst oben angekommen war. Vorher hielt er sich im Büro auf, meine Vermutungen bestätigten sich. Er wusste, was ich wollte, deshalb zog er sich in privatere Räume zurück. Richtig! Die Tür stand auf, eine Sekunde zögerte ich, wollte ich wirklich wissen ... „Was verschafft mir die Ehre deines ungestümen Besuches?“ kam er mir entgegen. „Die Wahrheit Sardovan! Wie konnte ich“, langsam atmete ich durch, behalte deine Objektivität ermahnte ich mich. „Sie ... Sarah schwanger werden kann, wenn die Beziehung längst vorbei war. Wo war ich in den fehlenden Monaten?“ funkelte ich ihn an.

„Das ist schon alles?“ lächelte er amüsiert. „Wie man schwanger wird, wirst du ja wissen.“ Zog er anzüglich eine Braue hoch, „zuvor bewohntest du in Spanien ein Haus. Ist das dann alles? Ich habe noch zu arbeiten.“ Ging er zu einem Schreibtisch, der voller Papiere lag.

„Nicht ganz!“ näherte ich mich den Schreibtisch, „Bist du sicher der Vater zu sein? Da du in deiner ausführlichen Aussage überhaupt nicht vorkommst.“ Zweifelte ich an seinen Worten. „Du solltest meine Geduld nicht strapazieren.“ Grollte er sich in die Papiere vor ihm vertiefend.

„Wie du meinst! Dann frage ich eben jemanden andern, einer wird mir Antworten geben.“ Drehte ich mich um, zwecklos von ihm konnte ich keine Auskunft erwarten. Er handelte auf Vaters Geheiß, wurde mir bewusst, ob aus Freundschaft oder weil es ihn nichts anging.

„Warte Sarah!“, hörte ich ihn sagen: „Ich schulde dir wohl eine Erklärung.“ Seufzte er, „Setz dich doch bitte.“ Ging der Boss zu einer kleinen Sitzgruppe bestehend aus zwei Sesseln.

„Ich bleib lieber stehen.“ Wurde mir mein schmuddeliges Aussehen bewusst. Selbst die kostbaren Teppiche wirkten reinlicher als ich im Augenblick. Er schmunzelte, „Wo hast du dich herumgetrieben?“ zupfte er einen zerbrochenen Zweig aus meinem Haar. „Bist du etwa quer durch den Wald?“ ich nickte, weil mir seine Nähe die Kehle zuschnürte. „Setz dich oder möchtest du dich erst waschen?“

„Nein!“ schüttelte ich den Kopf, ich wollte ihm keine Zeit geben sonst überlegte er es sich anders. „Nun gut, das Angebot steht, das Bad ist dort.“ Deutete er vage auf den hinteren Teil des Raumes und setzte sich, auffordernd sah er mich an.

Er würde nichts sagen, solange ich seinem Wunsch nicht nachkam, wurde mir bewusst also nahm ich auf der äußersten Kante Platz. „Dein Vater besorgte dir ein Haus in Spanien, dort lebtest du. Wie genau du dort lebtest, kann ich dir nicht sagen, weil wir keinerlei Kontakt hatten. Dann kamst du auf Alias Einladung hierher zurück, das war zur Weihnachtszeit … um es kurz zu sagen wurdest du in dieser Zeit schwanger. Ich machte dir auf unschöne Weise bewusst, dass du gehen solltest. Du gingst in deine Heimatstadt, den Rest kennst du.“ Schloss er.

„Das ist alles? Mehr nicht?“

„Sicher, wenn du willst, das ich gestehe mich wie ein Schuft verhalten zu haben. Dich schwängerte in einem Augenblick der Leidenschaft, das ich es nicht ertragen konnte dich in meiner Nähe zu wissen. Das dich Vampire wie dein Liebhaber Pierre umschwärmten nur damit sie anschließend prahlen konnten mit der Ex des Corvin Sardovans das Bett geteilt zu haben. Ja dann ist das alles!“ fuhr er sich durch das Haar.

„Es war eine schwierige Zeit, ich musste Entscheidungen treffen und das tat ich und stand … stehe noch heute dazu.“

„Die Familie!“ nickte ich verstehend.

„Ja die Familie, die Jäger und schlussendlich der Rat.“

„Und Alischa!“, fügte ich hinzu. Er setzte sich auf ein warnender Blick auf mich gerichtet. „Ich will dir keinen Vorwurf machen.“ Beruhigte ich ihn, „sondern nur verstehen. Vater sagte, ich müsse mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen, nur verschwieg er mir vieles. Nicht nur er, sondern auch meine Freunde und auch du.“

„Er will dich schützen, Sarah und wir tja wir halten uns an seine Vorgaben. Damit will ich nicht mein Verhalten entschuldigen ich möchte nur, dass du verstehst, was dein Vater alles für dich und Livio aufnimmt. Sobald du Kinder dein Eigen nennst, wirst du es verstehen.“ Perplex sah ich ihn an, „Ach und ich dachte, ich hätte bereits eine Tochter!“

Corvin schloss die Augen, seufzte ergeben, „Ehrlich gesagt gewann ich den Eindruck, du möchtest mit Prya nichts zu tun haben.“

„So? Naja vielleicht im ersten Moment, es ist schon ein merkwürdiges Gefühl eine neunzehnjährige Tochter vorgesetzt zu bekommen. Aber langsam gewöhne ich mich an den Gedanken.“

„Das freut mich. Ehrlich!“ setzte er hinzu, als er mein skeptisches Gesicht sah, „Egal was auch immer zwischen uns war, Sarah eines bereute ich zutiefst, das Prya ohne ihre Mutter aufwuchs. Von Henry weiß ich, wie sehr du dich auf dein Kind freutest. Du bist selbst ohne Mutter aufgewachsen.“ Er lächelte bitter, „ohne irgendeinen liebenden Menschen überhaupt, deshalb denke, ich wolltest du deinem Kind all die Liebe geben, die du nie kennen lerntest.“

Wir schwiegen jeder seine Gedanken nachhängend, als mir sein musternder Blick auffiel, erhob ich mich, „Danke für deine Offenheit!“ wandte ich mich den Ausgang zu.

„Das war ich dir schuldig. Aber was wird nun? Verrate mir das?“ beugte er sich vor. „Was schon? Sobald mein Auftrag erledigt ist, möchte ich Prya näher kennenlernen. Natürlich, falls du nichts dagegen einzuwenden hast.“

„Davon gehe ich aus aber ich, meine etwas anderes.“ Stand er auf sein Blick lag auf meinen Mund, ich wurde seltsam schwach, mein Magen zog sich auf eine Art zusammen, die ich nicht mochte. Schwäche, Krankheit war mir ein Gräuel. „Ich weiß nicht, was du meinst!“ kehrte ich den Krieger heraus.

„Wirklich nicht? Willst du damit sagen das dir meine Nähe völlig kalt lässt? Oder ist es nicht eher so, dass du, wie ich, danach sehnst, berührt zu werden, geküsst, geliebt?“ trat er weiter vor und ich zurück. „Nein!“, sagte ich heftig, sein Lächeln vertiefte sich, „Du bist genauso machtlos gegen diese Gefühle wie ich. Wieso sonst kamst du zur Lichtung? Wieso gabst du dich mir hin? Wieso verlangst du nach mir?“

Mir ging ein Licht auf, das seltsame Gefühl als wir uns gestern gegenüberstanden. „Du widerlicher kleiner Despot du hast mich manipuliert!“

„Manipuliert? Nein! Ich habe dir die Möglichkeit gegeben deine Entscheidung selbst zu treffen. Ich habe lediglich einen Ort gewählt, an dem wir ungestört sind. Als ich ankam, wusste ich nicht, was mich erwartete. Sarah wir sind füreinander geschaffen …“

„Nein!“, sagte ich, auf einmal wusste ich es. Ich wusste, wie ich mich zu entscheiden hatte. „Nein“, sagte ich nochmals, „Du bist ein Oberhaupt, das Oberhaupt! Du wirst bald dem Rat angehören, dir unterliegen die Geschicke unseres Volkes. Diesen Pakt bist du vor langer Zeit eingegangen und darin kommt kein Leibwächter vor, den du einen Augenblick lang begehrst. Es ist wie mit Sarah Wagner sie Ersetztes du, genau, wie du mich ersetzen wirst, sobald es erforderlich wird.“ Ich sah in fest in die Augen, „Ab nächster Woche stehe ich dir als Leibwächter zur Verfügung und nun entschuldige mich, ich möchte meinen Urlaub mit meinen Freunden verbringen.“ Ging ich erhobenen Hauptes, er hielt mich nicht auf, sagte kein Wort. Oft dachte ich an sein bestürztes Gesicht, aber ich wusste, dass ich richtig handelte.

Seitdem sah ich ihn kaum, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, wie mir Hendrik und Alia berichteten. Der Festung konnte ich nicht widerstehen sie schlug mich in ihren Bann wie und wann das geschah, kann ich nicht beschreiben. Es geschah einfach, ich fühlte mich zu Haus, heimgekommen.

Henry traf eines Mittags ein, ich war gerade in der Halle als er vom Boss oder Chef, wie ich ihn nur noch nannte, begrüßt wurde. Der Chef wollte sofort mit Henry in sein Büro gehen, als dieser abwehrend auf mich zu schritt, „Welch ein erfreulicher Anblick, Sarah du wirst mit jedem Tag schöner, wie stellst du das nur an?“ nahm er mich in die Arme, „Und du schmierst mir wie immer Honig um den Bart!“ lachte ich.

„Hör dir das an, Corvin sei ehrlich, sie ist doch ein Augenschmaus!“ drehte Henry mich zu Corvin um, „Ich weiß nicht, Krieger ist Krieger, sie sollten bedrohlich wirken!“ lautete der schroffe Kommentar des Bosses. Henry zuckte leicht zusammen, „Dann seid ihr über eure Standpunkte im Klaren? Tja nicht gerade, was ich erhoffte.“ Meinte er bedauernd, „Meine Schöne der Boss schmachtet nach Neuigkeiten, ich muss seinem Ruf folgen, wir sehen uns später.“ Küsste er mich demonstrativ auf den Mund, bevor er sich dem Oberhaupt anschloss.

Kurz darauf ging ich zu Prya, zu der ich inzwischen ein recht gutes Verhältnis aufbaute. Intha öffnete die Tür, ein immerwährender Schatten an Pryas Seite. „Henry ist angekommen und Vlad wird nicht lange auf sich warten lassen.“ Sagte sie ohne das ich Henry erwähnte. „Sarah bleibst du eine Weile, bei Prya ich muss etwas erledigen?“, fragte mich das Mädchen mit den uralten Augen.

„Natürlich!“, sagte ich erstaunt, meiner Tochter einen fragenden Blick zuwerfend die mit hochrotem Gesicht und fahrigen Händen auf ihrem Bett saß. „Was ist denn mit Intha los und was mit dir? Hattet ihr Streit? Oder ist sie dir zu Nahe getreten?“ denn ich traute Intha´s angebliche Umstellung ihrer Nahrungsaufnahme nicht ganz.

„Nichts dergleichen nur bin ich es Leid ständig unter Bewachung zustehen. Ich kann noch nicht einmal allein zu Rosmerta oder Isabel geschweige zu Alia sie ist überall dabei. Dazu ihre unangenehmen Kommentare, manchmal ist es schwierig die ihr zukommende Höflichkeit zu erweisen.“

Das verstand ich nur zu gut, Intha hielt selten ihren Mund. Ihre Anmerkungen trafen meistens den Kern der Sache, den man lieber unausgesprochen ließ. Sie setzte sich über jede Höflichkeit und Anstand hinweg dazu kam ihr seltsamer Humor, jedes lebende Wesen bloßzustellen, wie ich aus eigener Erfahrung wusste. Was zu einem Zwischenfall führte, als Intha vor Prya behauptete, ich habe eine Nacht mit Corvin verbracht, was ich anhand der Tatsache nicht abstreiten konnte. Prya erst erfreut, schimpfte mich aus, als sie hörte, dass es keine Beziehung gab. Was sie ihren Vater an den Kopf warf, wusste ich nicht dies Gespräch folgte hinter verschlossenen Türen, die noch nicht einmal Intha wagte zu öffnen.

So erfuhr also jeder von der einmaligen Nacht und es dauerte auch nicht lange, bis Henry mich noch am gleichen Tag seiner Ankunft darauf ansprach. „Ihr habt demnach nicht lange benötigt, um übereinander herzufallen.“ Schmunzelte er, „Was ich allerdings nicht verstehe, dass es bei dem einmal blieb.“ Wollte er wissen. Wie mit Hendrik konnte ich seinem Vater so gut wie alles anvertrauen und erklärte ihm meine Beweggründe. „Das muss ihm einen schönen Schock eingejagt haben. Ja du bist kein Mensch mehr, den er einfach mit seiner Leidenschaft überrennen kann.“

„So hat er Sarah also behandelt!“ kam wieder ein neues Bruchstück hinzu, Henry schüttelte den Kopf, „Du verstehst mich falsch, Corvin hat Sarah nie beeinflusst, eher mit seiner körperlichen Überlegenheit überzeugt und du oder Sarah tat es andersherum auch. Eine schwierige Beziehung aber ihr liebtet euch.“ Noch, während ich mich mit Henry unterhielt, reiste Vater an. „Dann behält Intha mal wieder recht!“, meinte ich als Vater die Halle betrat.

„Wundert dich das? Ich verziehe mich, du möchtest sicher allein mit Vlad sein.“ Nickte Henry meinen Vater zu. „Bleib ruhig.“ Bat ich, „Oh nein das mach mit ihm aus. Außerdem muss ich noch meine Tasche auspacken.“

„Deine was?“ aber ich sah nur noch seinen Rücken, „Wohin verschwindet er denn so eilig?“ fragte Dad.

„Er will dem Donnerwetter entgehen, das gleich folgen wird.“ Meinte ich ergeben. Das Beste ich gestand ihm sofort die Nacht mit dem Boss, erfahren würde er es sowieso, dafür würde Prya sorgen, sie sprach keine leere Drohung aus. Vlad nahm das Geschehen unglaublich ruhig auf. Zu ruhig, meines Erachtens.

Als der Boss kam, um Vlad zu begrüßen, Vater ließ sich nicht das geringste anmerken. Zu meiner Überraschung kam das Oberhaupt sofort auf jene Nacht zu sprechen. Vater hob die Hand um Corvin zu unterbrechen. „Ich bin im Bilde und brauche keine unnötigen Details. Wie ich Sarah versprach, mische ich mich nicht in ihre privaten Angelegenheiten. Eines möchte ich vorwegschicken, sollte es durch diese Nacht Probleme in Granada geben werde ich Mittel und Wege finden euch aus Granada zu entfernen.“

Ich kannte Vater gut genug, das war keine leere Phrase, hier ähnelte Prya ihrem Großvater. Der Boss nickte grimmig. „Corvin wir sollten spätestens morgen Abend aufbrechen. Ich habe erfahren, dass Monseigneur bereits auf den Weg ist.“ Der Boss schnaubte, „Er hält sich an keine Abmachung! Wann trifft er in Granada ein?“

Vlad zuckte die Achseln, „Mein Informant sagte, er wolle zuerst einen Besuch abhalten, es könnte auch eine Lüge sein, die Monseigneur verbreitet.“

„Ja das sieht ihm ähnlich, also reisen wir morgen Mittag ab. Ich will ihm keine Chance geben vor uns einzutreffen. Sarah trommle alle zusammen.“ Sie gingen schon beratschlagend vor.

Kapitel 16

Jeden fand ich außer Henry, er blieb spurlos verschwunden. Gerade wollte ich meine Suche aufgeben da sah ich ihn draußen im Hof, er kam aus dem Museum, wie es alle nannten. Sofort stürmte ich hinaus, „Was treibst Du denn dort? Ich habe Dich überall gesucht. Der Boss hat eine Versammlung angeordnet.“

„Nur keine Hektik meine Kleine, was ist denn los?“ versperrte er mir die Sicht auf das Museum, trotzdem sah ich eine Bewegung. „Wenn ich richtig verstanden habe, dann ist Monseigneur aufgebrochen.“

„Das ist wirklich beunruhigend.“ Schritt er schneller aus, „Hat Vlad, es in Erfahrung bringen können? Wenn Monseigneur unterwegs ist, dann werden die anderen ihm folgen, das könnte in einer Katastrophe enden. Wir müssen umgehend aufbrechen!“ stürmte er ins Büro, irritiert blieb Henry stehen, „Wenn das ein Scherz ist Sarah dann finde ich ihn keineswegs komisch.“ Das Büro lag verlassen da.

„Wir sind im Speisesaal!“, rief jemand und wir spurteten hinüber. Kein Wunder dachte ich, selbst dieser große Raum bot kaum für alle Platz. Ich schob mich in eine Ecke, während Henry sich einen Weg nach vorn bahnte.

Wen traf er dort draußen? Eine Frau kaum, die versteckte Henry nicht. Mein Misstrauen erwachte und ich schalt mich sofort. Nein Henry würde den Boss niemals hintergehen. Konnte ich mir da so sicher sein? Einen Verräter gab es bereits in den eigenen Reihen, damals war es Dana, auch Ihr vertraute man blind. Bei Henry sollte nicht der gleiche Fehler wiederholt werden. Auf jeden Fall wollte ich ihm im Auge behalten.

Die Diskussion, falls man es eine nennen konnte, wurde rasch beendet. Morgen Mittag sollte die Reise beginnen. Die restlichen Vorbereitungen sollten bis dahin beendet sein. Das hieß für Viele, eine arbeitsreiche Nacht. Mir war es nur recht, ich freute mich auf das Ende des Urlaubes. Kein Zweifel zum Faulenzen war ich einfach nicht geboren.

Die Vampire drängten hinaus, ich ließ mich im Pulk mitnehmen in Gedanken meine Waffen und Montur vorbereitend, als mich entschlossen eine Hand packte. Intha! „Was soll das?“ wehrte ich mich, doch ihr Griff verstärkte sich, „Wir haben noch einiges zu bereden.“ Zog sie mich abseits des allgemeinen Gedränges.

Der Letzte, der hinauskam, war Peer, er wollte mir gerade etwas sagen als Intha ihn unterbrach: „Du wirst warten müssen tapferer Kämpe, der Krieger meldet sich später bei Dir.“ Schubste sie mich in den Speisesaal und schloss die Türen.

Die Drei, am Ende des Tisches, sahen fragend auf, „Was soll das?“ fragte der Boss ungeduldig.

„Ich sagte doch, dass ich mit Euch reden muss. Nun seid ich versammelt …“ aber Intha wurde das Wort abgeschnitten, „Ein anders mal Intha, wir haben dringendes …“ Intha ließ sich anscheinend nicht über den Mund fahren, „Du hältst deine Klappe Junge oder du kannst gehen! Eigentlich muss ich nur mit Sarah und Vlad reden. Es steht dir frei, das Feld zu räumen.“

„Ist gut!“, meinte der Boss nachgebend, „Ich hoffe nur, du hältst uns nicht zu lange auf.“

Ein Kleinkinderlachen antwortete ihm, „Das liegt ganz allein an euch.“ Kletterte sie umständlich auf den Tisch. Was für eine Scharade sie kam mit einem Sprung an den Leuchter. „Sarah!“ musterte sie mich eingehend. „Wirklich beinah das Abbild Tais, jaja und doch steckt mehr deines Urgroßvaters in dir.“ Kam sie mit ihren kleinen tippelnden Schritten auf mich zu.

„Was redest du da? Sarah kommt ganz nach mir!“ protestierte Vater aufgebracht.

„Ach halt den Mund ich muss es ja wohl wissen.“ Gebot Intha meinen Vater Einhalt. „Komm setz dich her.“ wies sie auf einen Stuhl in ihrer Nähe schweigend befolgte ich ihrer Aufforderung. Heute Abend spürte man ihr mächtiges Wesen. Sie selbst setzte sich mitten auf den Tisch. Corvin wanderte unruhig im Raum „Setz dich Lulatsch!“ befahl Intha.

„Ich stehe lieber.“ Erwiderte der Boss unruhig. „Das kannst du draußen vor der Tür.“ Setzte sie einen Schmollmund auf. Leise vor sich hinfluchend gab Corvin nach und nahm neben Hendrik Platz. „So!“ nickte Intha jeden einzeln anschauend, um dann ihr Kleidchen in ordentlichen Falten zu legen.

„Intha!“, brummte Vater angespannt.

„Jaja“ winkte sie ab und sah mich an. In den Tiefen ihrer Augen erkannte ich ihr Alter. „Erzähl mir, was er sagte.“ Beugte sie sich leicht vor. „Was meinst du?“, fragte ich. Intha zog die Brauen zusammen, „Hast du es so schnell vergessen? Denkst du nicht täglich an die Stimme, die dir zuraunte?“ tippte sie mit dem Zeigefinger an ihre Stirn.

„Die Stimme!“ verstand ich nun. „Hörst du etwa des Öfteren Stimmen?“ klang sie entsetzt. „Nein natürlich nicht!“ verteidigte ich mich.

„Dann erzähle mir.“ Forderte sie und Intha hörte mit leicht geneigtem Kopf zu, als ich endete, nickte sie. „Dann ist es soweit, ich darf sprechen.“ Kicherte sie hinter vorgehaltener Hand. „Na gut!“ räusperte sie sich, wir hingen praktisch an ihren Lippen, gespannt, was sie enthüllte.

„Ambrosius“ setzte sie an, „ist der Erste unserer Art, er ist einzigartig. Wie, wann und weshalb er anders ist, darauf hat er selbst keine Antworten.“

„Moment mal Intha, du sprichst, als ob er lebt.“ Unterbrach Corvin sie.

„Aber sicher“ nickte sie eifrig. Unsere Reaktionen fielen unterschiedlich aus von Entsetzen gepackt, überraschend und nicht begreifend das es möglich ist. „Wenn er lebt …“ setzte Corvin an, der seine Gedanken zum Ausdruck bringen wollte.

Intha gebot ihm zu schweigen. „Keine Fragen hört einfach zu.“ Forderte sie, „Ambrosius lebt! Ja, aber er besitzt keinerlei politische Ambitionen, noch will er die Herrschaft an sich reißen. Wie er mir selbst sagte, ich zitiere `sollen die sich doch die Köpfe zerbrechen`, so hält er es. Der Rat interessiert ihn nicht, das vorweg.“

„Was dann?“, fragte Corvin voller Skepsis.

„Woher soll ich das wissen. Meinst du, er klärt mich über seine Ziele auf?“ seufzte sie, „Du bringst mich völlig durcheinander mit deinem losen Mundwerk.“ Schmollte sie bekümmert. „So jetzt noch einmal“ warf sie Corvin einen bösen Blick zu. „Ach ja, was ich jetzt erzähle, sagte er mir persönlich. Ich muss es in seinen Worten wiedergeben. Ambrosius ist der Erste unserer Gattung. Lange, lange Zeit blieb er allein. Um zu überleben, mordete er. Eines Tages, wo weiß ich nicht, machte er sich über ein Dorf her, einen Menschen nach dem anderen holte er sich. Dann ereignete sich etwas Ungewöhnliches. Eines seiner Opfer griff ihn an, natürlich tötete er den Angreifer, der ihn an die Kehle wollte.

Was Ambrosius im Nachhinein bedauerte, denn er sah die Anzeichen, die er nur zu gut kannte. Die Wandlung hatte bei dem Armen eingesetzt. Nun fieberte Ambrosius nach Gleichgesinnten, er experimentierte mit den restlichen Dorfbewohnern, was einmal gelang, musste sich wiederholen lassen.

Er benötigte Jahre, wer weiß vielleicht auch Jahrzehnte, damals rechnete man nicht in Jahren. Irgendwann nach zahlreichen Rückschlägen glückte es ihm, er war nicht mehr allein, eine Frau …“

„Tai!“, flüsterte Vater.

Intha lachte kopfschüttelnd, „Du irrst, Tai kam viel später. Nun ja diese Frau lechzte immerzu nach Blut. Sie mähte ganze Landstriche nieder, nur um nach Stunden ungeduldig mehr Nahrung einzufordern. Ambrosius blieb nur eines, er vernichtete sie. Lange startete er keine erneuten Versuche. Schließlich siegte seine Einsamkeit, er begann von Neuem. Was er nicht wusste, eine der Frauen war schwanger während der Wandlung, sie gebar das Kind.“

„Sein Kind?“ war es diesmal Henry der Intha unterbrach.

„Nein kein weibliches Wesen überlebte den Akt, auf dem Höhepunkt verlor Ambrosius die Beherrschung, er biss zu.“

„Autsch!“ nickte Henry den vorwerfenden Blicken ausweichend.

Intha fuhr fort, „Jenes Kind war anders, Ambrosius spürte es, wir erkennen unsere Gattung, nicht wahr.“ Lächelte sie wissend, „nun dieser Junge, wuchs bei Ambrosius auf, als er das Mannesalter erreichte besorgte sein Ziehvater ihm junge Frauen. Sobald sie schwanger wurden, wandelte Ambrosius sie. Auch da hielt er Zeitabstände ein, je früher die Schwangerschaft umso mehr Attribute zeigten später die Kinder.

Tja Ambrosius unterhielt eine ganze Siedlung, mit den Jahren zeigten sich die Erfolge und dann stach ein Kind besonders hervor, ein Mädchen deine Großmutter Vlad.“ Nickte Intha.

„Ein richtiges Zuchtprogramm.“ Meinte Vlad abfällig.

„Anfangs ja!“ stimmte sie zu, „Ambrosius holte viele unterschiedliche Frauen. Später als genug Nachkommen und Vampire vorhanden waren, konnte jeder frei wählen. Nahrung gab es genug, denn viele Vampire zogen fort. Mit der Vielzahl kamen auch die Probleme, manche kamen mit Ambrosius Feudalherrschaft nicht zurecht, verübten Attentate auf ihn, meuterten offen gegen ihn. Nun die Unzufriedenen gingen, einige starben von seiner Hand. Die Menschen vergötterten ihn, gaben freiwillig ihre Kranken und Alten, denn er schützte sie vor Angreifern. Die Jugend strömte in die Siedlung, sie wollten ebenfalls göttlich werden. Ja so war das.“ Schloss sie für einige Sekunden die Augen.

„Das ist ja alles interessant, aber was hat das mit …“

„… mit Sarah zu tun?“, unterbrach Intha den Boss, „Nicht nur mit Sarah ... Corvin, sondern uns alle. Du greifst schon wieder vor.“ Tadelte sie ihn. „Nun berichte ich aus meinen Erlebten. Ambrosius sonnte sich also in seiner Stellung, neben ihn die Frau, die er liebte. Tai war eine gutmütige Seele, sie erleichterte unser Dasein auf vielerlei Art. Niemals schlug er ihr eine Bitte ab. Ja das ist die Tai, die ich liebte, die wir alle liebten. Sie waren schon einige Jahre ein Paar, als Tai schwanger wurde. Ambrosius konnte kaum sein Glück fassen. Nicht nur das sie stark genug war, den Liebesakt unbeschadet zu überleben, nein nun bekamen sie ihr erstes Kind. Ja und während der Schwangerschaft begann Tais Wandlung. Er wollte das nicht, wusste er doch, wie sehr sich die Menschen veränderten, er wollte seine Tai und keinen Vampir.

So musste er tatenlos mit ansehen, wie die Wandlung fortschritt. Das Kind ein Mädchen wurde geboren, ihr wisst, von wem ich spreche, Alischa. Ja und Tai sie blieb die liebenswürdige Frau trotz der Wandlung. Zunächst! Sie nahm mich als Spielgefährtin für Alischa zu sich.

Ich lebte auf engen Raum mit ihnen. Sobald Ambrosius anwesend war, blieb sie fürsorglich, aber sobald er die Siedlung verließ, bekamen wir ihre andere Seite zu sehen. Zu der Zeit erlernte sie den Schwertkampf, schnell wurde sie eine Meisterin darin und dann zog sie aus, um gegen angebliche Feinde zu kämpfen, während Ambrosius nach seinen langen Wanderungen die Ruhe genoss.

Die Sommer gingen dahin, Alischa wuchs heran, sie wurde gewandelt, für Ambrosius schien das Glück perfekt zu sein. Seine Frau eine Amazone und seine Tochter stand ihrer Mutter in nichts nach. Nur …“, hob sie mahnend den Finger, „Er war blind vor Liebe, bemerkte die Veränderung bei Tai und Alischa nicht. Sie wurden gewalttätiger, ihr Hunger nach Macht und Blut wuchs. Wir die Bewohner bemerkten die Veränderung, doch bei Ambrosius gaben sie sich mit wenig zufrieden. Ja sie streuten ihm Sand in die Augen.

Keiner wagte es, ihm die Wahrheit zusagen, deshalb konnten sie ungestraft ihren Hunger nachgehen. Doch das war nicht alles was sie begehrten, sie wollten alles, die alleinige Macht.

Alischa konnte alles von ihrem Vater verlangen, aber Tai vom gleichen Wesen widersetzte sich der Tochter. Sie schlossen sich zusammen, ein unheiliger Pakt sie sammelten Stimmen gegen Ambrosius, der unwissend in der Siedlung lebte. Wer für Ambrosius war, wurde kurzerhand erledigt.“

„Das musste Ambrosius doch auffallen.“ Schüttelte Corvin zweifelnd den Kopf.

„Was glaubst du? Meinst du, sie töteten fünf, sechs zwischen zwei Sommern? Nein! Sie besaßen genug Verstand und verfolgten ihr Ziel langsam doch stetig. Sobald sie die Siedlung betraten, wurden sie zu dem, was unser Herr in ihnen sah. Und er freute sich, wenn sie nach langer Abwesenheit heimkamen.“ Intha lachte schallend auf, „Was denkt ihr, was Tai und Alischa für Gesichter zogen, als Ambrosius ihnen seinen Stammhalter präsentierte“.

Verwundert sahen wir uns an, „Ja“ nickte Intha, „Ein Sohn wurde ihm geboren. Das hat Tai nie berücksichtigt, wie viele Sommer war sie fort und er hielt sich von Frauen fern? Nein das lag ihm nicht. Tai wusste es, dachte aber nie eine andere könnte seinen Samen aufnehmen, hochmütig, wie sie war. Das Schicksal nahm seinen Lauf. Mutter und Tochter gerieten in Streit. Tai verschwand, schließlich wurde sie zerstückelt aufgefunden. Dazu kamen die Mordanschläge auf den Sohn und Mutter, aber die Kinderfrau eine furchtlose Seele verteidigte das Kind.“ Lächelte sie vergnüglich. „Diese mutige Seele eröffnete nach dem geglückten Mord der Mutter, Ambrosius die Augen. Sie hielt nichts zurück und klagte Tai und Alischa an.“ Seufzte sie leise.

„Ambrosius zerrüttet vom Verrat seiner Tai und Tochter, dazu auch noch Tais Tod, der Verdacht Alischa könnte die eigene Mutter ermordet haben, ja das war zu viel für Ambrosius, schließlich zog er sich in sich selbst zurück. Er hat sie wirklich geliebt, zumindest jene Frau, die sie vor ihrer Wandlung war.

Ja und einige unter uns handelten, brachten Sohn und Kinderfrau in Sicherheit, verwischten ihre Spuren. Wir wussten wer verantwortlich am Tode Tais und die Anschläge war, konnten es nie beweisen. Wir bewachten und schützten Ambrosius Schlaf, hundert Male mussten wir ihm ein neues Lager suchen. Der Sohn wuchs heran, wurde schließlich gewandelt gründete eine Familie. Eines Tages verschwand er spurlos, was ihm zustieß, wissen wir bis heute nicht.“ Sagte sie traurig. „So das durfte ich euch erzählen.“ Schloss sie schließlich und stand auf.

„Warte Intha“ war es wieder Corvin, „du erzählst uns eine rührselige Geschichte. Stellst Ambrosius als Opfer einer Liebe hin. Tai als Monster, naja, und wie Alischas Charakter ist, ist uns bekannt. Das war´s dann?“ baute er sich auf.

„Ja! Ich sagte zuvor keine Fragen.“

„Aber die habe ich!“

„Findet es selbst heraus. Ich habe euch die Zutaten geliefert, den Rest müsst ihr selbst zusammenmischen. Eines noch, eine kleine Hilfe, Ambrosius war nach den heutigen Maßstäben rücksichtslos, despotisch und ja auch grausam. Zu jener Zeit allerdings nichts Ungewöhnliches es gab Schlimmere als Ambrosius. Bedenkt das.“

„Eure Meinung?“, fragte der Boss niemanden Bestimmten meinend.

Vater ergriff das Wort, „Ein Enkel! So wie ich Intha verstand, lebt er oder sie. Wir sollten herausfinden, wer es ist. Ambrosius! Ich kann es immer noch nicht glauben, hält er sich wirklich aus allem heraus? Ich zweifle daran, wieso sonst sprach Intha mit uns? Welches Ziel verfolgt er? Wer außer Intha versteckte Ambrosius und das Kind? Die Kinderfrau, auch sie muss leben, wer ist sie? Wer sprach zu Sarah? Gar Ambrosius selbst, oder einer seiner Handlanger? Und verdammt ich will sein Gesicht sehen, will wissen mit wem wir es zu tun haben.“

Ein leises Kichern ließ Vlad innehalten, Intha stand direkt hinter ihm. Wir erschraken alle, woher kam sie? „Fragen über Fragen Vlad. Zähle die Fakten zusammen, erkenne den Feind. Warum gerade Sarah? Diese Frage solltest du stellen.“

„Alischa!“, sagte Henry, „sie hat es auf Sarah abgesehen, das sag ich ja nicht erst seid gestern.“ Brummte er sich in den Bart. Vlad und Corvin schüttelten die Köpfe.

„Ah!“ nickte Intha zustimmend, „Höre auf den Schwerenöter. So sehr er auch jeden Weiberrock nachrennt, Alischa stand nie auf seiner Liste. Warum?“ hopste sie auf einen Bein durch das Zimmer.

„Du streust mal wieder Vermutungen aus.“ Winkte Corvin ab.

„Wirklich? Wer könnte der Sohn des Sohnes sein? Henry! War es nicht sein Vater, der spurlos verschwand. Du! Auch von deinem fehlt jegliche Spur. Eric! Peer, der Schweigsame was geht hinter seiner Stirn vor. Jeder sogar der verflossene Franzose“, wies sie in meine Richtung, „Eine Nadel im Heuhaufen, ist leichter zu finden.“ Lachte sie vergnügt. „Vlad, Livio, Sarah und …“ sah sie Corvin und Vlad bedeutungsvoll an, beide zuckten merklich zusammen. „sie sind der Schlüssel für Ambrosius sowie dem Feind.“

„Dann sag uns doch einfach, wer er ist und wir fragen ihn.“ Versuchte Henry sein Glück mit einem hinreißenden Lächeln.

„Oh! Seht nur …“ stand sie unversehens vor Henry, die kleinen Hände auf seine Wangen. „Willst du´s mit mir treiben?“ aus seinem Gesicht wich jegliche Sympathie, „Nie!“ fuhr er erschrocken und bleich zurück.

„Wie schade“ zog sie die Stirn kraus. „Ambrosius ist aus einem bestimmten Grund geweckt worden. Seinen Nachkommen droht Gefahr, das werdet ihr ja wohl erkannt haben.“ Wurde sie mit einem Schlag todernst. „Ihr seid das Schwert, das Ambrosius ins Feld führt. Die Letzte seiner Sippe ist in Sicherheit, dafür sorge ich.“ Wandte sie sich Corvin zu, „Deshalb konzentriere dich auf deine Aufgabe, denn mit dir und den Einzug in den Rat, steht oder fällt alles.“ Hielt sie ihn fest am Arm. „Du Corvin besitzt deine Freunde und Sarah jaja Ambrosius hat nicht nur zu ihr gesprochen. Er hat die Macht entfesselt, die ihr innewohnte. Einer Macht, über die nur er bisher verfügte, nun auch seine Urenkelin. Glaubt ihr denn, er wirft sie ungeschützt dem Löwen zum Fraß vor? Nein er schützt seine Brut, wenn er ihr nicht zutrauen würde, mit dem Kommenden fertig zu werden, dann bliebe sie bei Prya.“

„Ich verstecke mich doch nicht hinter einem Leibwächter, der …“ Intha lachte schrill auf, das der Boss verstummte, „Zu jung ist? An Jahren ja, aber nicht in ihrer Kraft, bisher hat sie kaum einen Finger gerührt aber ihre Stärke ist unvergleichlich. Habt ihr je Ambrosius gefühlt? Nein natürlich nicht“, sagte sie sinnend mit einem verträumten Lächeln, „aber ich und ich sage euch die Alten haben ihn nicht vergessen. Sie werden in Sarah das sehen und spüren was sie fürchten.“

 „Das gefällt mir alles nicht!“, wandte Vater ein, „Sarah wird benutzt und wozu? Meiner Meinung nach muss sie von der Bildfläche verschwinden, sie ist in Gefahr, wenn die Alten das spüren, wie du sagtest, Intha.“

„Das werden sie!“, kicherte das Mädchen Unheil verkündend, „Aber sie werden es kaum wagen, Hand an ihr zu legen. Sie steht unter Ambrosius persönlichen Schutz!“ Henry pfiff leise vor sich hin, Vater schüttelte den Kopf und ich saß noch immer stumm da und konnte nicht glauben, über was sie da sprachen. Ambrosius der Urvater! Falls Intha die Wahrheit sprach, mein Urgroßvater? Nein Intha musste sich irren oder was ich eher glaubte, sie streute Vermutungen aus. Doch wozu? Wieder war es Corvin, der antwortete, „Der Leibwächter der einen Leibwächter hat, das ist lächerlich! Warum so kompliziert er kann selbst in Erscheinung treten, dann müsste er seine Verwandtschaft nicht der Gefahr aussetzen.“

„Natürlich könnte er, aber was dann? Wird der Rat neu gewählt? Nein! Du kommst dort nicht hinein, es gäbe keine neuen Gesetze, das Chaos bräche aus. Willst du, das riskieren Corvin? Ambrosius hat sich in den letzten Jahren ein Bild über die Zustände der Familie gemacht und er kam zu dem Schluss das du und deine Mitstreiter das Beste für unseren Fortbestand sind.“

„Hat er das?“ zweifelte Vater, „Daher schickt er meine Tochter in den sicheren Tod, egal was für Fähigkeiten er auch in ihr erweckte oder sie beschützt, bleibt die Tatsache bestehen, dass die Alten Sarah als Freiwild ansehen.“

„So ist der Plan!“ nickte Intha, Vater sprang auf, „Ohne mich! Meine Tochter ist kein Bauernopfer …“ Intha kicherte, „Die Entscheidung fällst nicht du, Vlad.“ Vater sah mich kurz an, ein verzweifeltes Bitten in den Augen. „Dann Intha sag deinem Herrn ich melde mich freiwillig, er soll nur Sarah in Ruhe lassen.“

Intha bekam einen fast zärtlichen Gesichtsausdruck, „Vlad glaub mir, du kannst die Aufgabe nicht übernehmen. Ambrosius hat Sarah nicht einfach ausgewählt, sie ist die Einzige, die …“

„… Ersetzbar ist!“ beendete Corvin den Satz, „Langsam komme ich dahinter. Vlad ist zu kostbar mit seinen Beziehungen und für mich, das bedeutet für den Rat. Nicht wahr? Sarah hingegen kann geopfert werden.“ Intha stritt es mit keinem Wort ab, „Dachte ich´s mir doch. Was hat er sonst noch vor, Intha?“

„Ihr versteht ihn falsch. Sarah hat sich durch ihre Aufgabe als Leibwächter selbst ins Spiel gebracht. Ambrosius nutzt nur die ihm möglichen Mittel. Er will wie ihr endlich Frieden, die Jäger und seine Hintermänner ausschalten. Endlich eine Gerechtigkeit für alle Familien und nicht nur für jene die Macht und Reichtum besitzen. Corvin, nicht jedes Oberhaupt ist wie du, wie viele kennst du die auf ihren Schätzen sitzen und die Familien verhungern? All das will er beseitigen und du bist die Chance es durchzusetzen.“

So sah ich es auch, so sah es jeder Vampir, der das Wohl seines Volkes ins Auge fasste. Gerade deshalb war ich stolz auf meine Aufgabe, Corvin Sardovan war der Hoffnungsträger für unsere Spezies. Als Leibwächter kannte ich die Risiken, was hatte sich geändert, seitdem Intha von Ambrosius erzählte? Eigentlich nur, dass ich über verborgene Kräfte verfügte. Ich stand auf, „Für mich hat sich nichts geändert, egal ob Ambrosius lebt oder nicht. Für mich zählt nur eines, der Schutz des Bosses.“

Intha nickte lächelnd, „Das haben wir erwartet Sarah, du hast uns nicht enttäuscht. Ambrosius wollte, dass du weißt, auf was du dich einlässt, deshalb die Unterredung. Tja meine Herrn ihr habt es gehört, bleibt mir nur eines zu tun. Sarah wärest du so nett“ winkte sie mich zu sich heran. „Ich habe da was für dich, es gehört Ambrosius, er wäre sehr geehrt, wenn du sie tragen würdest.“ Hielt sie eine Halskette in der Hand. „Ich wäre geehrt.“ Drehte ich mich um, damit sie die Kette anlegen konnte. „Behalte sie unter deiner Kleidung versteckt, ein Freund wird dir sagen, wann du sie offen tragen kannst.“ Flüsterte sie mir leise zu, das ich selbst kaum verstand, was sie sagte.

„So dann wäre ja alles zur Zufriedenheit gelöst. Ich werde nun Prya auf ihr Zimmer begleiten, da ich annehme du verzichtest nicht auf das allabendliche Mahl?“ stand sie schon vor Corvin, ganz untergeordneter Krieger, welch eine Farce sie da abzog. Der Boss ging darauf ein, als Intha die Tür hinter sich schloss, war es Henry, der mich sofort barsch anschrie, „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie konntest du darauf eingehen? Hast du nicht verstanden, dass du nur eine bessere Zielscheibe abgibst?“

„Das bin ich so oder so, jeder Leibwächter lebt mit dem Risiko.“ Er starrte mich wortlos an, um dann resigniert an Vater weiterzugeben. „Lass es gut sein, Henry“, sagte Vater, dass ich glaubte, mich verhört zu haben. „Sarah hat ihren Teil angenommen, mehr gibt es nicht zu sagen.“ Was er davon hielt, sah man ihm deutlich an. Der Boss schwieg weiterhin, er stand mit verschränkten Armen da, den Blick stur auf den Tisch gerichtet als säße Intha noch dort.

„Na dann werde ich mich zurückziehen.“ Machte ich mich schleunigst davon. Vater sah aus, als würde er mir am liebsten den Hals umdrehen, er war mit mir noch lange nicht fertig. Wohin? Auf mein Zimmer keinesfalls, dort würde Dad mich genau haben, wo er wollte.

Warum sollte ich meine angeblichen Fähigkeiten nicht austesten? Betrat ich den Zugang zum Keller. Falls ich wirklich über neue Kräfte verfügte. Ich wusste nur zu gut, dass ich mein Training in den letzten Tagen vernachlässigte. Meine einzige Entschuldigung war zu wenig Zeit, immer gab es etwas Neues zudem vereinnahmte Prya mich, meine Freunde verzichteten auch nicht gern und schon verging der Tag. Das allabendliche Essen, das sich bis in den Morgenstunden hinzog, kam noch dazu. Naja du suchst ausreden, Sarah, es steht dir frei zu gehen, sobald die Tafel aufgehoben wurde.

Vom Trainingsgelände drangen Kampfgeräusche, kein Kampf es wurde trainiert. Wer? Schickte ich meine Sinne voraus. Rosmerta spürte ich deutlich und Peer, was mich wunderte. Seitdem er ankam, sah man ihn selten, lag wahrscheinlich an Alia, sie trafen sich regelmäßig und meistens außerhalb der Festung.

„Ja mein Junge du hast dich deutlich verbessert aber an Rosmertalein kommst du lange nicht heran.“ Lachte Rosmerta ihr schauderhaften Krächzen, ein sicheres Anzeichen, das sie sich königlich amüsierte. Mir tat Peer leid, als ich an ihre Gewandtheit mit dem Stock dachte und die darauffolgenden Schmerzen.

„Es reicht lange noch nicht, lass uns weitermachen.“ Forderte Peer, ganz schön mutig der Herr, ging ich leise weiter.

„Du kannst mit unserer Kleinen trainieren. Sie hat es verdammt nötig mal ein wenig gefordert zu werden. Komm ruhig näher du Faulpelz, dass du den Weg hierher überhaupt noch findest, gibt mir ja ein Wunder.“

Ich musste lächeln sich an Rosmerta unbemerkt anzuschleichen, schien schier unmöglich. „Ich habe nichts dabei.“ Trat ich auf den Platz.

„Das macht nichts, wir trainieren auch nur mit dem, was euch in Granada zur Verfügung steht.“

„Und das wäre?“ stellte ich mir alte Lanzen vor. „Geist, Geschicklichkeit, Gewitztheit um zu überleben.“ Sagte sei völlig ernsthaft, was Peer mit einem Nicken bestätigte. Sie machten doch wohl nur einen Scherz, fragte ich mich unsicher. Oder? „Das ist euer Ernst?“ musste ich nachfragen, „Aber … ihr meint das wirklich so. Keine Waffe?

„Noch nicht einmal ein Zahnstocher.“ Bestätigte Rosmerta.

„Warum erfahre ich das erst jetzt?“ völlig konfus ging ich meine Techniken durch.

 „Wie? Kannst du dich nur mit einer Waffe in der Hand verteidigen?“, fragte Rosmerta spöttisch, in diesem Augenblick hätte ich sie am liebsten irgendwohin geschossen. „Seitdem der Rat besteht und das ist schon eine Weile, werden keine Waffen geduldet. Das solltest du in deiner Ausbildung gelernt haben.“ Kehrte sie den Schulmeister heraus.

Natürlich kannte ich die Doktrin, nur hatte ich einfach nicht daran gedacht oder mit meiner Aufgabe in Granada gesehen. Ein Leibwächter ohne seine Waffen, ich seufzte: „Mein Fehler!“

„Dann lass mal sehen wie du einen Attentäter daran hinderst sein Werk auszuführen. Peer du bist der arme Schlucker den Sarah beschützt“ gackerte sie freudig, „tut mir ja Leid um dich, mein Junge. Lande ich einen Treffer Sarah, vermöbel ich dir den Arsch, auf dass du die nächsten zehn Jahre im Stehen verbringst.“ Sie hörte sich an, als würde sie ihre letzten Züge tun, dabei freute sie sich nur diebisch.

Mit dieser Androhung im Nacken tat ich mein Bestes. Rosmerta spielte den Angreifer mit einer Hingabe, die mich ins Schwitzen brachte. Peer im Rücken ihm Zuweisungen gebend, zugleich Rosmerta in Schach haltend erforderte höchste Konzentration.

Sie ließ nicht nach, suchte eine Möglichkeit Peer zu treffen, dabei verstand sie es noch mich zu striezen, „Du bist zu langsam! Deine Anweisungen dauern zu lang, wäre Peer ein ungeübter Zivilist in deinem Gewahrsam, hätte ich ihn schon längst kaltgemacht.“ Dabei griff sie weiter an.

„Richte deine Gedanken an deinen Schützling, was soll ich damit? Außer, du willst mir helfen, was ja ganz nett ist.“ Grinste sie mich höhnisch an, ohne Unterlass ging es weiter, „Warum stehe ich noch? Kannst du nicht mal eine alte Schachtel wie mich niederstrecken? Beweg deine Beine, was bist du für eine Schnecke?“ sie traf mich mit voller Wucht auf dem Oberschenkel, „Oh das tat weh? Den Schlag hättest du voraussehen müssen.“ Dabei attackierte sie mich, als sei ich nichts weiter als ein Dummy, der ihr gerade im Weg stand. Schließlich durchbrach sie die Deckung, ich sah es noch nicht einmal, bis Peer unterdrückt aufstöhnte. „Ha, hab ich dich!“ loderten tausend kleine Flammen des Sieges in Rosmerta´s Augen. Ich fluchte innerlich und wappnete mich auf das Kommende. Aber Rosmerta schwieg, weder verhöhnte sie mich, noch verspottete sie mich. Mir war trotzdem mulmig, sie würde doch nicht auf die lächerliche Abmachung bestehen?

Sie tat es! Und sie tat es gründlich! Verdammt gründlich!

Aus verständlichen Gründen überspringe ich die demütigende Stunde. Vergessen, dachte ich, die Nase erhoben mit Tränen in den Augen, stapfte ich ungelenk zum Speisesaal.

Kapitel 17

 

„Keine Minute zu früh!“, bemerkte Eric der neben sich einen Platz frei hielt.

„Danke dir“, setzte ich mich, ganz vorsichtig Rosmerta´s Blicken ausweichend, dann erst sah ich mich um. Vater sah mich vorwurfsvoll an, war ja klar. Rosmerta neben ihm grinste mich spöttisch an. Henry der das gleiche idiotische Lachen auf seinen Zügen trug ebenso wie sein Sohn.

Rosmerta! Verdächtigte ich sie, sie hat gequatscht! Leichte Röte zog über meine Wangen, wagte auch nur einer ein schiefes Wort, ich würde vor Scham zu sterben. Noch verwunderlicher Corvin der heute nicht vor Kopf saß, sondern Hendrik. Was war denn los?

„Nun da alle anwesend sind“, sagte Hendrik sich erhebend, „will ich mich euch als neuen Burgherrn vorstellen. Meine Sklaventreiber haben beschlossen, mir die Schlüsselgewalt zu übergeben.“ Grinste er Henry und Corvin an. „Nun da ich diese habe, will ich euch sagen das ich keinen Diebstahl dulde, der Weinkeller ist für alle tabu. Ich warne euch, ich kenne alle Schlichen. Na denn, danke für euer Vertrauen.“ Setzte er sich, „Na wie hab ich das gemacht?“, fragte er Corvin frech.

„Ich bange um meinen schönen Wein.“ Meinte er, Hendrik kameradschaftlich auf die Schulter klopfend.

Hendrik der Burgherr! Das überraschte mich schon, also gab der Boss einen Teil seiner Macht auf. Corvin begann eine Rede, der ich nicht aufmerksam folgte. Zu einem konnte ich kaum sitzen, zum anderen beobachtete ich Hendrik, der vor Kopf saß und sich in seiner neuen Stellung ganz wohl fühlte.

Danach ergriff Henry das Wort, der voller Stolz auf seinen Sohn einen Trinkspruch hielt. Der Abend versprach lang zu werden als Diederich sich erhob und von Ross die Gläser auffüllen ließ. Irgendwann schlich ich mich davon, den endlosen Reden entfliehend. So Hendrik ist also nun der neue Herr der Burg, darauf arbeitete er seid Jahren hin. Nur aus diesem Grunde gab er die Idee auf, ein Krieger zu werden und widmete sich der Ausbildung zur Führung des Hotels und der Festung. Denn sie blieb nach wie vor Stammsitz der Familie Sardovan, auch wenn der Boss woanders lebte.

So war alles für den Aufbruch vorbereitet, morgen verließen wir die Festung und mein neuer Auftrag begann. Granada! Ich mochte die Stadt, ihre Geschichte, ihre Gärten sogar die Menschen.

Was sollte ich mit meinen letzten Abend auf der Festung anfangen? Wieder in den Speisesaal? Nein ich wollte keine lärmende Gesellschaft, zudem konnte ich nicht lange sitzen. Rosmerta hatte ganze Arbeit geleistet, brummte ich ziellos durch das Hotel wandernd vor mich hin. Die Wehrmauer zog mich magisch an, ich mochte den Ausblick bei Tag, über die scheinbar unendlichen Wälder und bei Nacht, die Ruhe und der Duft den der Wald ausströmte.

Als ich die Leiter erkletterte spürte ich mehr eine Bewegung als das ich es sah, „Henry?“, leise geflüstert. Schon wollte ich mich zurückziehen als ich die Stimme erkannte. Prya! Angeblich wollte sie früh zu Bett gehen. So wurde es mir gesagt, oder irrte ich mich?

„Was machst du hier oben?“, fragte ich ohne lange zu überlegen.

„Sarah?“, das klang eindeutig ängstlich.

„Ja wo ist Intha?“, erkundigte ich mich verwundert, nahm sie ihren Dienst nicht ernst? Wenn ja, so musste ich es dem Boss mitteilen, daran ging kein Weg vorbei.

„Sie ist unten am Museum.“ Sagte Prya zögerlich, „Ich wollte einen Augenblick die Aussicht bewundern.“

„In der Nacht? Dann musst du über sehr gute Augen verfügen oder ein Nachtsichtgerät verwenden.“ Sie verheimlichte doch etwas. Prya seufzte, „Also gut, ich warte auf Henry, er hat eine Nachricht für mich.“

„So?“, sollte ich ihr glauben schenken?

„Ja und Tata muss es nicht unbedingt mitbekommen.“ Den Trotz in ihrer Stimme überhörte ich geflissentlich.

„Demnach ist Henry dein Verbündeter?“, wer sonst kam infrage? Henry konnte vor dem Boss Geheimnisse bewahren, er kam viel herum und einer Frau konnte er kaum etwas abschlagen.

„Ja!“ antwortete Prya verdrossen, „Sagst du es Tata?“ ich überlegte, morgen reisten wir ab und das war wahrscheinlich für lange Zeit der letzte Kontakt zu ihrem Liebsten, falls Henry der einzige Verbündete Pryas war, wovon ich ausging.

„Nein!“, sagte ich, „Du wirst dich gedulden müssen, Henry feiert seinen Sohn, der ab heute der Burgherr ist.“ Informierte ich sie, „Du solltest bis morgen warten, Henry findet bestimmt einen Weg dir die Nachricht zu überbringen.“

„Ja vielleicht hast du recht, dann gehe ich zu Intha, gute Nacht Sarah und danke.“

„Schon gut, drück dich nur nicht allein in irgendwelche Ecken herum. Es ist gerade für dich zu gefährlich.“ Sie sagte nichts dazu sondern stieg eilig die Leiter hinunter. Sofort kam Intha aus dem Schatten, sie musste mich gesehen haben. Warum begleitete sie Prya nicht? Wie einfach ein Attentäter hier oben lauern konnte, vielleicht sollte ich doch mit dem Boss reden? Aber nein ich gab mein Wort. Doch Hendrik wollte ich bitten auf Prya aufzupassen. Wieder fiel mir eine Bewegung auf, während ich über Prya nachdachte schlenderte ich die Wehrmauer entlang. Ich war jetzt kurz vor dem Turm und da bewegte sich eindeutig jemand. Was war denn heute Abend hier los?

Dieser Jemand kam näher, ich wartete ab. Diese Gestalt kannte ich nur zu gut! Wie konnte er mich finden?

„Du bist überrascht“, meinte Dad anzüglich.

„Eigentlich nicht, ich dachte du bist noch im Speisesaal.“

„Dachtest oder hofftest du?“, blieb er stehen, seine Wut auf mich stand ihm deutlich im Gesicht. „Ist doch egal, nun sag schon was zu sagen ist. Ändern werde ich meine Meinung nicht.“

„Man sollte dich übers Knie legen …“

„Ach ja“, unterbrach ich ihn, „Das hat Rosmerta schon erledigt, wie du genau weißt.“

Vater wich einen Schritt zurück, „Sie hat was?“

„Nun tu doch nicht so, ich hab eure Blicke gesehen. Habt ihr euch gut amüsiert? Und ja, es tut noch immer weh!“, erklärte ich biestig.

Vater lachte, „Nein Rosmerta hat kein Wort gesagt. Sie hat tatsächlich? Oh man das ich das verpasst habe.“ Bekam er sich nicht mehr ein. Während ich blöd dastand, warum konnte ich meine Klappe nicht halten. Seine Erheiterung hielt ihn keineswegs ab, mir eine anständige Standpauke zu halten, die unweigerlich in einem Streit endete, da unsere Meinungen weit auseinandergingen. Sie endete wie andere vorher, jeder ging schmollend und wütend seinen Weg.

Die Ruhe die ich suchte, durch den Disput vermiest, ging ich auf mein Zimmer und warf mich über Vater fluchend ins Bett. Obwohl er sich sorgte, musste er doch einsehen, das ich so oder so als Krieger und Leibwächter bei jedem Auftrag die Gefahr bestand getötet zu werden. Er selbst versah den Job lange Jahre, bevor er sich mit dem Boss zusammenschloss. Warum musste er mir das Leben so erschweren?

Verdammt liegen konnte ich auch nicht vernünftig, vielleicht sollte ich Ross fragen ob er mir Nahrung besorgen konnte. Ross zu bitten bedeutete ihm eine Erklärung zu geben, so ließ ich es und legte mich auf den Bauch.

„Hast du irgendwelche Beschwerden das du so ächzt?“, ich sprang augenblicklich auf, Corvin Sardovan! „Was machst du hier?“, die Tür war geschlossen, wie kam er unbemerkt herein?

„Da dein Vater anscheinend nichts zu deinem Leichtsinn sagt, fühle ich mich genötigt dir abzuraten auf Intha´s Vorschlag einzugehen. Ich habe mich erkundigt, in den letzten Jahren bekam Intha keinen außergewöhnlichen Besuch. Sie hat ihr Haus praktisch nie verlassen. Ich glaube nicht an die wundersame Auferstehung Ambrosius, noch das die Kette die sie dir vermachte echt ist.“

„Jetzt mal langsam, du überwachst Intha?“ er nickte, „Du hast dich erkundigt, über Ambrosius und die Kette? Gibt es überhaupt noch lebende Vampire die ihn kannten?“

„Fakt ist Ambrosius trug eine Kette, wahrscheinlich aus Titan, die er eigenhändig herstellte. Es gibt genug Abbildungen, dieser Kette.“

„Titan!“, sagte ich zweifelnd.

„So sagte man mir, ich weiß, wenn man bedenkt wann er verschwand ist das kaum möglich. Aber das ist nicht alles, man konnte die Kette nur mittels Gedankengänge in einer bestimmten Reihenfolge öffnen. Viele Vampire versuchten sich daran, es war eine Herausforderung, ein simples Spiel und keiner schaffte es.“

„Woher weißt du das alles? Gibt es Aufzeichnungen?“

Er grinste, „Von einem sagen wir Mäzen, du wirst ihn kennenlernen, wir treffen ihn in Barcelona. Er ist sehr interessiert, an der Kette und Intha´s Enthüllungen.“

Ich überlegte, demnach musste dieser Mäzen alt sein. „Wenn das alles was Intha behauptete nicht stimmt, warum erzählte sie uns Lügen? Sie kennt dich und wird wissen das du dich erkundigst. Nein ich denke sie spricht die Wahrheit.“

„Zum Teil ja! Das ist es ja bei Intha, sie sagt etwas, aber was stimmt und was Vermutung ist, muss man selbst herausfinden. Ich will dir einiges über Intha erzählen, als ich sie kennenlernte sprach sie von Ambrosius schlimmen Taten. Sie hasste ihn, vergötterte aber Tai. Sie klagte Ambrosius an, seine Mordlust, seine sadistische Ader, wie er sie als Kind wandelte, nur aus einer Laune heraus und wie sie in seinem Haushalt dahinvegetierte.“

Ich schüttelte den Kopf. „Es ist wahr und es gibt genug Zeugen. Über Jahrhunderte war Ambrosius ein Sadist und nun das unschuldige Lamm? Noch verstehe ich nicht, was sie bezweckt. Meine Mutter sagt, ich solle ihr vertrauen, sie wird Prya mit ihrem Leben verteidigen.“

„Glaubst du Prya ist in Gefahr?“

„Jeder auf der Festung wird Prya bewachen, natürlich auch Intha. Ich kann kein Risiko eingehen, zum einem Intha zu vertrauen, noch sie zu verbannen.“

„Dieser Mäzen, was sagt er über Intha?“

„Nicht viel, er ist hauptsächlich an der Kette interessiert. Vorab hat er mir eine Zeichnung gemailt, ich möchte sie mit der Kette vergleichen.“ Deutete er auf meinen Hals. Nun bemerkte ich erst das gefaltete Blatt in seiner Hand, was er mir reichte.

Sofort versuchte ich die Kette abzunehmen, ohne Erfolg.

„Das habe ich schon probiert.“ Sagte Corvin stirnrunzelnd.

„Wie?“, wollte ich wissen.

„Es gibt keinen sichtbaren Verschluss.“ Überhörte er meine Frage und inspizierte die Kette, dabei nahm er sie vorsichtig auf. „Nichts!“, stellte er verdrossen fest, „Halte bitte die Zeichnung hoch, damit ich sie vergleichen kann.“

Was ich tat, dabei bemühte ich mich, mich nur auf die Kette zu konzentrieren. Nicht etwa auf die warmen Finger die Schauer über meine Haut jagten, um ein Feuer in meinen Leib zu entzünden. Nicht auf den Atem in meinen Nacken, nicht auf die Nähe des Vampirs der all meine animalischen Triebe entfachte. Nein ich hielt die Zeichnung hoch, sagte kein Wort, denn dazu war ich nicht fähig und hielt still. So still das ich derart verkrampfte, das ich mir wie eine Schaufensterpuppe vorkam.

Der Boss schien nichts zu bemerken, er untersuchte vertieft die Kette an meinen Hals. Sah studierend auf das Blatt in meiner Hand. Bemerkte weder das leichte Zittern, noch die Reaktionen die er auslöste. „Es scheint, als ob Intha die Wahrheit sagte.“ Meinte er unzufrieden. Erleichtert atmete ich auf, als er zurücktrat. „Tatsächlich!“, mehr wusste ich nicht zu sagen.

„Ja! Aber das kann einfach nicht sein! Ambrosius! Stell dir das vor, die Macht, die Fähigkeiten die er besitzt. Was wenn er seine Herrscheransprüche stellt? Es gäbe einen Krieg, der uns und die Menschheit gefährden würde, dagegen sind die Jäger eine Kleinigkeit. Wer könnte gegen Ambrosius bestehen? Ich kenne niemanden.“ Seine Miene drückte Sorge aus.

„Intha sagte doch das er daran kein Interesse hat.“ Wagte ich seinen Monolog zu unterbrechen.

„Eines musst du über die Alten wissen, sie lieben die Macht, Menschen sind nichts weiter als Nahrung.“

„Aber so sind nicht alle!“, dachte ich an Marsé, Rosmerta, er selbst, Vater und einige die ich während meiner Reisen kennenlernte.

„Eine Handvoll reicht schon um die Erde mit einem Krieg zu überziehen, der unsere Lebensumstände vollkommen verändern würde. Menschen als Freiwild, Vampire die getötet werden, nur weil sie sich nicht unterjochen lassen. Ein Ambrosius reicht schon!“, stellte er die Zukunft in dunklen Farben dar.

„Du siehst alles zu pessimistisch, warum sollst du in den Rat, wenn Ambrosius auf eine alleinige Herrschaft sinnt?“

Der Boss ging vom Bad ins Zimmer und wieder zurück, eine Wanderung die ihm anscheinend beim Überlegen half. Ich lehnte noch immer vor dem Waschtisch, wagte es nicht mich zu rühren, ihm zu nahe zu kommen. Schließlich musste ich ins Zimmer treten, denn Corvin hielt in seiner Wanderung inne, es saß auf dem Bett den Kopf gesenkt.

„Wenn ich darauf eine Antwort hätte wäre mir wohler. Aber die habe ich nicht, so bleibt mir … uns nur eines übrig, in Granada äußerste Vorsicht walten zu lassen und dabei sind wir beim Thema.“ Sah er auf, „Ich möchte dich dort nicht haben, die Gefahr ist zu groß.“

„Das kannst du vergessen, ich werde meinen Job erledigen! Was auch auf uns zukommt, wir werden das Beste daraus machen. Wichtig ist das du in den Rat gewählt wirst. Alles hängt von dir ab und wie schnell der gesamte Rat handlungsfähig ist.“

„Weißt du, was auf mich zukommt? Alischa wird ihr Recht an meiner Seite einfordern. Sie ebnete mir den Weg und nun muss ich die Rechnung bezahlen.“

„Ist das nicht so bei Abkommen?“, fragte ich kalt.

„Ja! In der Regel schon, aber ich kann mir denken worauf Alischa hinarbeitet und das ist entgegen meines Bestrebens. Sie will die alleinige Herrschaft, den Rat als notwendiges Übel, ohne Handlungsbefugnis und ich an ihrer Seite. Natürlich dürfen wir meinen Freund Vlad und seine Brut nicht vergessen. Sollte Vlad sich gegen Alischa stellen und das wird er, hat er einen Gegner vor sich den man keineswegs unterschätzen sollte. Was ist mit dir, Vulpe? Kriegerin! Zur Elite zählend ja so weit brachtest du es. Wo liegt dein Ehrgeiz? Welch heimliches Ziel verfolgst du?“, er musterte mich skeptisch, so als erwarte er Verrat.

„Mein Ziel habe ich erreicht ich, wollte zu den Besten gehören …“, ich brach ab, meine Rache blieb meine Sache. Jens Stegmann war bereits ausgeschaltet, blieb Dana sowie der Jäger der nach Pryas Leben trachtete. Zu lange wartete ich bereits, stellte die Rache hinten an.  Nun da endlich alles zusammenlief sollte ich mich fernhalten? Nein! Das war keine Option für mich. In Granada wurden die Weichen gestellt, dort gehörte ich hin.

„Was auch immer du oder Vater sagen werdet, ich gehe nach Granada!“, deutlicher ging es ja nicht mehr. Auch wenn sie mich zurückließen, ich würde gehen! In Granada fielen die Würfel, wie Intha bereits sagte. Meine Gedanken jagten voraus, falls nötig wollte ich mich an Pierre wenden.

Corvin beobachtete mich, „Man sieht dir deine Gedanken förmlich an.“ Nickend, meinte er, „Also gut du hast gewonnen! Und bevor du den Fehler begehst und dich an Pierre wendest, werde ich dir helfen deine Rache zu bekommen. Noch ein Wort zu Pierre, er ist nicht der richtige für dich. Halte dich lieber fern von ihm.“

„Wie bitte?“, meine Privatsphäre ging ihm kaum etwas an.

„Du hast mich schon verstanden.“ Sagte er gereizt. Die Sache musste ich sofort klären, Freund meines Vaters hin oder her, mochte er auch der Boss sein, er ging zu weit! Das zweite Mal schon heute Abend! „Und eines solltest du verstehen Corvin!“, sprach ich seinen Namen in die Länge gezogen aus. „Wie ich meinen Dienst verrichte, wo ich meinen Dienst verrichte, kannst du mir vorschreiben. Aber alles was außerhalb meines Dienstes geschieht, geht dich nichts an! Und Pierre schon gar nicht!“

„Pierre!“, äffte er mich nach, „Ich kann den Namen nicht mehr hören!“, schnellte er auf, „Du solltest dich in Granada besser von ihm fernhalten …“, drohte er mir.

Niemand drohte mir! „Sonst was?“, baute ich mich vor ihm auf. Wir stierten uns einen Augenblick an, ich konnte es nicht glauben, aber der Boss wich einen Schritt zurück. Nicht nur das er den Blick senkte, nein er wich einen Streit aus. „Sonst was?“, bohrte ich weiter, meines Sieges gewiss. Nie wieder würde er mir Vorschriften machen.

„Du lässt nicht locker, nicht wahr?“, atmete er tief durch, „Na gut dieses Scharmützel gewinnst du.“

Er gönnte mir den Triumph nicht, „Lass dir eines gesagt sein Krieger, ab morgen gehörst du mir, mit Haut und Seele.“ Lächelte er kalt, „Auch deine privaten Interessen werden von mir abgesegnet. Ich erwarte dich pünktlich um sechs Uhr, in Zivilkleidung!“, maß er mich abschätzend, „Die Lumpen die du dein eigen nennst, kann Ross einmotten. Alia wird dich einkleiden!“

Ich schnappte nach Luft. Das ging zu weit, er überschritt deutlich seine Grenzen. Was ich ihm an den Kopf warf. Der Boss hakte meine Beschwerde mit einem müden Lächeln ab. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht aus Trotz mit dem Fuß aufzustampfen oder ihn, was ich wirklich gern tun würde, tätlich anzugreifen.

Er sah mich mit funkelnden Augen an. Ja er wartete nur darauf, das sah ich ihm deutlich ein. Ich tat ihm den Gefallen nicht. „Wenn das so ist, suche ich Alia umgehend auf!“, nickte ich ihm zu und verließ mein Zimmer. Es passte mir nicht das er dort allein zurückblieb. Er unternahm keinerlei Anstalten den Raum zu verlassen. Als ich ihn nochmals auffordernd ansah, grinste er und wagte es tatsächlich sich auf mein Bett zu setzen. Schnaufend verließ ich den Raum, seine Arroganz verfluchend, seine Machtstellung beschimpfend und überhaupt den ganzen Kerl zur Hölle wünschend. Wie konnte man so gut aussehen und solch einen einen Charakter sein eigen nennen? Danach müsste er die Größe eines eines Setzeis haben, mit verhärmter Miene und schmalen Strichen als Lippen und nicht diesen verführerischen Mund, der einen davon träumen ließ ihn zu küssen. Sarah! Maßregelte ich mich, keine Gedanken in dieser Richtung! Sieh ihn als verhutzeltes Männlein! Ja das gefiel mir, ein kleines buckliges Männchen mit riesiger Knolle inmitten der Fratze, innenliegende verschlagene Augen und keine Samtbraunen, die einen betörten. Ach ja, kurze stämmige Beine, keinen Arsch in der Hose und nicht dieser Po, der wie ich nur zu gut wusste … Himmel Sarah du schwärmst ja für diesen Despoten! Ein hübsches Aussehen macht noch langen keinen guten Liebhaber. Aber auch das wusste ich besser, er war ein verdammt guter Liebhaber!

Kapitel 18

Alia riss die Tür auf, ich war mir gar nicht bewusst das ich klopfte. „Was hat dich aufgehalten?“, kam sie gleich in den Flur, „Die anderen haben ihre Sachen schon abgeholt.“ Tadelte sie mich, „Weißt du ich habe heute Nacht noch etwas vor“, lächelte sie geheimnisvoll.

„Peer!“, mutmaßte ich.

„Richtig!“, lächelte sie, „und heute Nacht werde ich ihn mit auf mein Zimmer nehmen!“, tänzelte sie um mich herum, „Wie lauten deine Pläne? Welcher Vampir wird dir die Nacht versüßen?“

„Keiner! Ich …“

„Oh weh Sarah! Willst du damit sagen das du selbst Hand anlegst?“, gluckste sie vergnügt und ich mich fragte, was sie geraucht hatte. „Matt und Till sind unterwegs, sie genießen ihre letzte freie Nacht. Eric´s Sarah ist hier, was sie beiden anstellen muss ich ja nicht weiter ausführen. Ich hingegen widme mich Peer. Meine Liebe du brauchst unbedingt einen männlichen Begleiter, für die restliche Nacht.“

„Danke, aber nein!“, kurz dachte ich an schmale Hände die meinen Körper streichelten, braune Augen die mich betrachteten. Schnell schob ich das Bild beiseite.

Alia deutete auf einen Koffer, „Du solltest wirklich lockerer werden Sarah. Selbst Vlad ist auf Freiersfüßen und Henry habe ich nach dem Essen nicht mehr gesehen.“

Da fiel mir Prya und die Nachricht ein, die ihr Henry überbringen wollte.

„So! Dann ist Henry also im Bilde!“, riss sie ihre schönen Augen weit auf, als ich ihr meine Entdeckung erzählte.

„Naja eigentlich überrascht es mich nicht.“ Zuckte sie gleichgültig die Schultern. „Was mich wundert ist das Intha mitspielt, aber sie schmiedet ihre eigenen Ränke.“ Winkte sie ab, „Im Koffer ist alles was du für die nächsten Tage benötigst. Ich habe es so zusammengelegt, das du nur von oben nehmen musst. Sarah halte dich an die Kleiderordnung in Granada. Du wirst dort einen Schrankkoffer vorfinden, mit genauen Angaben was du wann tragen kannst und sollst.“

Ich verdrehte die Augen, „Nun mach nicht solch ein Gesicht, sondern denk daran das du unsere Familie vertrittst. So und nun nimm den Koffer, Peer wird jeden Augenblick kommen.“ Drängte sie mich und verschwand eilig in ihr Zimmer, mit dem Versprechen das wir uns noch sahen bevor wir abreisen.

Da stand ich, abgeschoben mit einem Koffer in der Hand, mitten im Turm. Das lächerliche dritte Rad am Wagen! So kam ich mir gerade vor und nicht genug, hörte ich Schritte die Treppe hinaufkommen. Peer wahrscheinlich! Auch das werde ich überstehen und ging ihm entgegen. Im nächsten Augenblick wünschte ich, es wäre Peer.

Der Boss sah mich fragend an, „Alles erledigt?“, sah er auf Alia´s geschlossene Tür. Ich nickte, „Gut! Nun zu uns!“, nahm er mir den Koffer aus der Hand, „Ich möchte mit dir die Nacht verbringen.“

Meine Eingeweide tanzten Samba, bei seiner Eröffnung, „Das ist ja wohl nicht dein Ernst!“ ging ich vorsichtshalber einen, zwei Schritte zurück, um seine Nähe zu entfliehen, die mein Herz, ach meinen gesamten Körper in Schwingung brachte.

„Mein völliger oder hast du bereits eine andere Verabredung?“, fragte der Herr, als ob es ganz und gar unmöglich sei.

„Nein … das geht dich nichts an.“, entgegnete ich bockig, so leicht war ich nicht zu haben.

„Was denn nun? Nein? Oder geht es mich nichts an?“, trat er näher, dabei musterte er mich amüsiert. „Wir sind beide ungebunden, vor uns liegen anstrengende Monate. Dies ist die letzte Chance auf ein bisschen Vergnügen. Willst du die mit falschen Moralvorstellungen vertun? Die eine Nacht gefiel uns beide und warum sollten wir sie nicht wiederholen?“

Es waren weniger seine Worte, sondern sein Blick, das Schmunzeln seines Mundes, die mich schließlich einwilligen ließen. Ich warf also all meine Bedenken, mein Pflichtgefühl über Bord, für eine Nacht der Lust. Nochmals zögerte ich kurz und fragte mich ob ich lieber schlaflos und allein die Nacht verbringen sollte. Es gab zu viele solcher Stunden, heute nicht entschied ich mich.

Corvin verstand ohne Worte und wandte  sich der Treppe zu, „Bitte!“, streckte er einladend die Hand aus. Mit Herzklopfen ging ich voran, der Boss direkt hinter mir, als wolle er verhindern das ich in letzter Sekunde Reißaus nahm.

Die Tür zu seinem Raum öffnete sich von Zauberhand, ich ging unentschlossen hinein. Wie verhielt man sich in solch einer Situation? Darin fehlte mir jegliche Erfahrung. Kam zuerst unbedeutender Small Talk oder sollte ich mich gleich ausziehen?

Nichts dergleichen geschah, der Boss zog mich direkt an sich und ließ mir keine Sekunde um einen klaren Gedanken zu fassen. Er schürte meine Lust auf ungeahnte Weise, das ich mich wie einige Nächte zuvor vergaß. Nur ihn spürend, ließ ich mich von ihm entführen, bis der Morgen graute und wie zuvor ließen wir von einander, ohne ein weiteres  Wort, ohne einen zweiten Blick, sammelte ich meine Sachen ein, zog mich schnell an und verließ zwar völlig befriedigt, aber innerlich vollkommen zerrissen seine Gemächer.

Gerade als ich die erste Etage erreichte kam Peer aus Alias Zimmer. Er sah mich überrascht an dann nach oben und zog seine Schlüsse. „In einer halben Stunde vor dem Büro.“ Sagte er, ohne eine herablassende Andeutung, er wird kein Wort verlauten lassen. Es war eine stille Übereinkunft, an die wir uns halten würden.

Als wir die Halle erreichten kam Hendrik auf uns zu, er stoppte stierte uns an, dann ging ein breites Grinsen über sein Gesicht. „Na wer hätte das gedacht! Na das ist überraschend! Damit eines klar ist, in Granada werdet ihr schön die Finger voneinander lassen.“

Schon  wollte ich protestieren als Peer meinte, „Ja Hendrik man denkt viel und nie das richtige! Kommst du Sarah, wir müssen uns beeilen.“

Hendrik öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Peer sah mich beschwörend an und ich schwieg zu Hendriks falscher Deutung. Peer wollte ihn im Ungewissen lassen. Wahrscheinlich wollte er Alia schützen, das taten einige Vampire, wenn ihnen an dem Partner etwas lag.

„Du und Alia ist das was ernstes?“, wollte ich wissen, als Hendrik außer Hörweite war.

„Warum fragst du?“, beäugte er mich misstrauisch.

„Alia ist meine Freundin und obwohl sie allgemein als abgezockt und aufgeklärt bezeichnet wird, weiß ich das sie es keineswegs ist.“

„Du sorgst dich? Wieso?“, wollte er wissen.

Sollte ich sagen, ich weiß das sie dich mag? Oder gar liebt? Nein da griff ich vor.

„Auch ich sorge mich um sie.“ Sagte er leise, „Aber wenn du das irgendjemanden sagst, werde ich das abstreiten.“ Stellte er sich mir in den Weg.

„Ich weiß gar nicht wovon zu redest, Peer.“ Inzwischen waren wir an Peers Zimmertür angelangt. „Danke!“, sagte er nur.

„Wofür dankst du unserer Kleinen?“, stand Henry wie aus dem Nichts neben uns.

„Wo kommst du denn her?“, fragten wir gleichzeitig uns umsehend. Er musste aus einem der Zimmer gekommen sein, der Gang war eine Sackgasse.

„Genau dich habe ich gesucht Sarah.“ Meinte er geheimnisvoll, ich konnte mir schon denken, was er wollte.

„Nun hast du mich ja gefunden.“ Und winkte Peer, bevor ich gefolgt von Henry zu meinen Raum ging.

„Dann hast du die Nacht mit Peer verbracht?“, sah er mich neugierig an.

„Das geht dich kaum etwas an. Gerade du solltest vorsichtig sein! Wenn der Boss herausfindet was du hinter seinem Rücken treibst wird er verdammt sauer, wie kannst du dich nur da hereinziehen lassen? Spielst den Boten!“, stemmte ich die Hände in die Hüften.

„Also das kann ich erklären …“, meinte er nicht gerade überzeugend das ich ihm über den Mund fuhr. „Hör auf ich will nichts hören. Je weniger ich weiß, desto besser.“

„Dann verrätst du mich nicht?“, klang er erstaunt.

„Natürlich nicht!“, was dachte er denn von mir.

Erleichtert atmete er auf, „Dann denkst du wie ich, Prya kann allein entscheiden. Gut ich werde Prya mitteilen das sie einen neuen Verbündeten besitzt.“

„Du wirst nichts dergleichen tun, Henry. Ich will damit nichts zu tun haben. Wenn ihr Freund nichts zu verbergen hat, kann er sich Corvin zu erkennen geben. Andernfalls könnte man ja denken, er ist ein Feind der Familie.“

„Das ist er ganz bestimmt nicht, das versichere ich dir.“

„Mich muss man nicht überzeugen, sondern Corvin.“

Henry lächelte feinsinnig, „Corvin, hm! Sonst nennst du ihn den Boss, den Obermacker oder beim vollen Namen. Seid wann so vertraut, mit dem Boss?“

„Ich füge mich nur den Begebenheiten, schließlich redet ihr ihn alle mit Namen an.“

„Ja wir! Nur du ziehst eine strenge Linie, die Krieger hier und da der Boss. Dein Umschwung ging rasant vonstatten, mehr wollte ich dazu nicht sagen. Alia´s Räume liegen übrigens gleich unter dem des Bosses. Da sind sich wohl heute morgen zwei Vampire begegnet.“ Grinste er süffisant, „Naja mich geht es nichts an, ihr seid alt genug.“ Hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn, „Du solltest duschen, ich kenne den Duft, ein Herrenduft nicht wahr? In dieser Festung benutzt nur ein Vampir diese Marke, nicht das dein verehrter Vater auf falsche Gedanken kommt. Er ist ja so herrisch, wenn sein Töchterchen ein Techtelmechtel hat.“

„Willst du auf etwas bestimmtes hinaus? Spuck es aus und rede nicht in Rätseln.“ Forderte ich ihn giftig auf.

„Aber nein mein Schatz!“, gurrte er schelmisch, „Oder doch es kann sein, das ich einmal deine Schützenhilfe in Anspruch nehmen muss. Es wäre ein Gefallen unter Freunden, du verstehst!“

„Du solltest gleich zu Vlad gehen, ich lasse mich nicht erpressen, Henry.“ Das war mein voller Ernst, lieber gleich reinen Tisch, als mich in Pryas Liebesangelegenheiten hineinziehen zu lassen.

„Du missverstehst mich absichtlich falsch. Ich denke nicht daran dich zu erpressen, sondern bat dich um einen Freundschaftsbeweis.“ Wurde er ungewöhnlich ernst.

„Was ist passiert?“, wurde ich hellhörig. „Sind irgendwelche Ehemänner auf den Weg hierher?“

Er lachte, „Keine Ehemänner! Denk nur daran, falls ich mal Hilfe benötige.“ Eilte er hinaus, „Übrigens du solltest dich beeilen die Uhr tickt.“

„Verdammt!“, fluchte ich laut, roch ich wirklich nach Corvin? Vorsichtshalber duschte ich, mit nassen Haaren stürmte ich durch die Halle, auf das Büro zu. Gerade noch rechtzeitig betrat ich hinter Matt das Büro.

„Verschlafen?“, fragte er leise nach. Ich zuckte leicht die Schultern und sah nach vorn. Sofort begegnete ich den Blick Corvins, der mich lächelnd begrüßte. Was einen schweren Klumpen in meinen Magen hinterließ, sowie gerötete Wangen für jeden sichtbar. Was mich vor Verlegenheit noch mehr erglühen ließ.

Räuspernd wandte sich der Boss ab, „Wir fahren in einer Stunde, unser erstes Ziel heißt Bukarest. Von dort fliegen wir mit einer Linienmaschine nach Barcelona. Es bleiben zwei Möglichkeiten, entweder wir nehmen ein Flugzeug das uns nach Granada bringt oder wir mieten ein Auto. Von der Zeit her kommt es auf das Gleiche hinaus, es liegt an dir Peer, wie du es einplanen möchtest.“

„Das werde ich mit Alia besprechen!“, nickte Peer. Corvin ergriff erneut das Wort, „Verabschiedet euch, wir treffen uns in einer Stunde.“ Damit waren wir entlassen.

Vater kam auf mich zu, „Wollen wir uns gemeinsam von Prya verabschieden? Dann hat Corvin Zeit um Mutter und Tochter adieu zu sagen.“

Ich nickte und wollte so schnell wie möglich hinaus. Warum sah er mich ständig an, wagte ich einen Blick über die Schulter. Schon wieder! Er kam auch noch auf uns zu! Meine Gedanken jagten, bestimmt will er etwas von Vater. „Ich glaube Co …der Boss …“, wies ich nach hinten an Vater gewandt.

Vlad wandte sich seinem Freund zu, „Ist noch etwas?“

„Nein, ich möchte einen Moment mit Sarah reden.“

Sofort verdüsterte sich Vaters Miene. „Vlad! Da bist du ja!“ drängte Henry sich vor, „Ich brauche deine Hilfe bei der Planung. Wo sollen wir die Bewerber unterbringen? Ich habe den Plan x-mal durchgesehen, weiß mir aber keinen Rat.“ Während Henry hektisch die Aufmerksamkeit meines Vaters beanspruchte, zog Corvin, in Gedanken verbesserte ich mich, der Boss mich ein Stück fort. „Dein Koffer! Er steht noch bei mir.“ Sagte er hastig.

Mir wurde ganz flau, Vater beobachtete uns mit Argusaugen. Wie kam ich an den Koffer, ohne das er etwas bemerkte? Schon wimmelte er Henry ab, „Sollen wir?“, fragte Vater bestimmt.

Corvin mischte sich ein, „Gehst du vor, Prya möchte sich gemeinsam von uns verabschieden. Ich fragte Sarah gerade ob es ihr recht ist.“

„Das ist alles?“, sah er uns skeptisch an.

„Vlad dann lass uns zusammen gehen, bevor die Jugend bei ihr auftaucht, dazu habe ich keine Lust. Du weißt ja wie laut es zugeht, wenn Till und Konsorte bei Prya sind, da kann man kein vernünftiges Wort wechseln.“ Sagte Henry, es stimmte sogar, meine Freunde waren so etwas wie die großen Brüder für Prya. Nur diese Brüder brachten ihr den größten Blödsinn bei, wie Marsé mir erzählte.

Vater zögerte, deshalb suchte ich nach einer Ausrede, „Geh ruhig, ich ziehe mich in der Zwischenzeit um.“ Sah ich an mich herunter.

Vaters Argwohn siegte, „Warum trägst du überhaupt deine Montur?“

„Weil ich dachte ich könnte noch trainieren.“ Er glaubte mir kein Wort.

„Trainieren? Und dann gehst du vorher duschen?“ Henry verdrehte die Augen und sah mich warnend an.

„Willst du neuerdings einen genauen Stundenplan, wann ich was mache?“, reckte ich mich kampfeslustig. Das schien Vaters Misstrauen einzudämmen.

„Ist ja schon gut!“, winkte er ab.

Henry blies die Wangen auf, dabei schüttelte er mit vorwerfender Miene in Corvins und meiner Richtung mit dem Kopf.

„Was ist denn mit dir los?“, wollte Vater wissen als er die Grimasse Henrys sah.

„Ach ich überlege gerade, wer strenger zu seiner Tochter ist. Du oder er da!“, zeigte Henry mit dem Finger auf den Boss.

„Als ob du mit deinem Sohn besser verfährst.“ Konterte Vater.

Henry pumpte sich entrüstet auf. „Und ob ich das tue. Ich muss dich mal in die Feinheiten der Erziehung einweihen.“ Wie diese lauteten bekam ich nicht mit, denn sie gingen in den Flur und kaum das sie aus meinen Gesichtsfeld verschwanden, lagen schon Corvins Lippen auf meinen. Fordernd verlangten sie einen Kuss, den ich selbstvergessen erwiderte. „Das wollte ich schon als du hineinkamst.“ Drückte er mich an sich.

So sehr ich auch das Gefühl an seiner Brust geschmiegt genoss, befreite ich mich aus seiner Umarmung.

„Das ist unpassend.“ Sagte ich schroff, „Man kann uns sehen.“

„Wahrscheinlich! Aber das ist mir im Moment egal.“ Streckte er den Arm aus, ich wich zurück.

„Der Koffer!“, erinnerte ich ihn.

„Wie du meinst, er steht oben.“ Ging er voraus. Da war es wieder, seine Stimmung wechselte im Sekundentakt.

„Besser du bringst ihn mir. Ich möchte von niemanden in der Nähe deiner Gemächer gesehen werden.“ Blieb ich stehen.

Der Herr des Hauses wandte sich abrupt um, „Bin ich etwa dein Kofferträger?“, raunzte er mich ungehalten an.

Gestern Nacht schon dachte ich flüchtig und stob an ihm vorbei, arroganter Kerl! Wie konnte ich mich mit ihm einlassen? Ich wusste warum, seiner Anziehungskraft konnte ich kaum etwas entgegensetzen. Du solltest das Weite suchen Sarah, ansonsten schlitterst du auf eine Katastrophe zu.

„Ich wundere mich das du Henry von uns erzählt hast.“ Sagte er neben mir die Stufen hinaufgehend. Er täuschte mich nicht in seiner Stimme lag unterdrückter Groll.

„Henry hat mich und Peer am Morgen gesehen und seine Schlüsse gezogen.“

„Peer?“, sah er auf Alias geschlossene Tür, „Heute Morgen?“

„Ja er suchte mich.“

„Was wollte er denn?“

„Das geht dich nichts an.“, erwiderte ich, wir kamen zu seiner verschlossenen Tür. Diesmal öffnete er sie nicht.

„Gibst du mir nun den Koffer?“, fragte ich als er keinerlei Anstalten unternahm.

Er hörte mir überhaupt nicht zu, „Was will Henry zu solch früher Stunde von dir?“, glomm es in seinen Augen gefährlich auf. „Und wag es nicht mir nochmals zu sagen, es ginge mich nichts an.“

Eisige Kälte schlug mir entgegen. Ich hatte davon gehört das Vampire Temperaturen beeinflussen konnten. Er gehörte demnach dazu, was mich verwunderte da mir bisher nichts auffiel. Konnte er auf Kommando die Temperatur verändern oder geschah es unbewusst, wollte ich von ihm wissen.

Zuerst sah er mich verständnislos an dann grinste er, „Du überrascht mich wie eh  und je.“ Holte er den Koffer, ohne mir eine Antwort zu geben. „Ich werde Henry befragen!“, reichte er ihn mir. „Noch etwas Sarah, mich geht alles an was dich betrifft. Das ist doch so bei einer Liebschaft?“

Beinahe wäre ich die Stufen heruntergepurzelt. „Liebschaft!“, fragte ich schrill vom Entsetzen gepackt. „Die haben wir nicht, die gibt es nicht!“, hielt ich den Koffer schützend vor mir, als könnte er die Blicke, die Worte, gar Corvin selbst abwehren.

„Nun nach einer gemeinsam verbrachten Nacht würde ich dir zustimmen. Aber bei zwei …, Nein! Ehrlich gesagt, erwarte ich die Nächste mit Ungeduld. Demnach ist es ein Verhältnis oder Liebschaft.“

„Es gibt keine nächste gemeinsame Nacht!“, wich ich weitere Stufen nehmend zurück.

„Ich denke doch! Menschliche Frauen erscheinen mir im Gegensatz zu dir recht fad. Dein Körper verspricht weitere Wonnen, die ich erkunden werde und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, kannst du dein Begehren keineswegs leugnen. Dein Kuss vorhin verriet es.“

„Es wird keine weiteren Nächte geben! Das war bevor mein Dienst begann.“ Rief ich und sprang zwei Stufen nehmend abwärts.

„Ja, ja halte deine Kriegermoral wie einen Schutzwall vor dir. Für mich ein zusätzlicher Anreiz. Danke Sarah unser Scharmützel hat soeben begonnen.“ Hallten seine Worte durch den Turm.

Eine krächzende Stimme ließ mich erstarren, „Die Wette nehm ich an. Ha, zwei Nächte! Ohne das wir etwas ahnten und Henry wusste davon. Wir werden ihm die Ohren lang ziehen müssen.“

Auch das noch! Rosmerta wird mit Vergnügen die Neuigkeit verbreiten. Bei der antwortenden Stimme wurden meine Knie ganz weich. „Vielleicht sollte ich meinen Sohn die Ohren oder etwas anderes lang ziehen?“, klang sie drohend.

„Halte dich heraus Mutter!“, antwortete der Sohn, nicht weniger einschüchternd, dann knallte eine Tür. Ich floh durch die Halle an Rosmerta und Marsé vorbei, schnurstracks in mein Zimmer.

Zwei Personen ließen Corvins Eröffnung in den Hintergrund treten. Vater! Hoffentlich hielt Rosmerta ihren Mund bis wir abreisen. Sollte Vater davon erfahren, konnte wer weiß was geschehen, zutrauen würde ich ihm einiges. Dann Marsé, wie sollte ich ihr unter die Augen treten? Normalerweise wollte sie nichts mit Corvins Verhältnissen zu tun haben. Sah sie mich nun als Geliebte, naja Eintagsgeliebte oder als Mutter ihrer Enkelin.

Es blieb nur eines, Augen zu und durch, also nahm ich mir den Koffer vor. Trotz der Sorgen musste ich lächeln, Alia überließ absolut nichts dem Zufall. In ihrer feinen Handschrift hinterließ sie mir genaue Angaben, wann ich was zu tragen hatte. Den Hosenanzug fand sie passend für die Reise. Ein letzter Blick durch den Raum indem ich eine Woche verbrachte. Nichts vergessen meine persönlichen Habseligkeiten mussten hierbleiben. Nun aber schnell zu Prya, vielleicht kam ich Marsé zuvor, ihr zu begegnen war mir peinlich. Aus verständlichen Gründen wollte ich dem Boss aus dem Weg gehen. Danach rasch zu Rosmerta um sie zurückzuhalten. Ja ein guter Plan, nickte ich zufrieden, den Corvin Sardovan durchkreuzte.

 

Kapitel 19

Er stand bereits wartend vor meiner Tür, an seiner Seite mein Vater und Ross. Der mir gleich Tasche und Koffer abnahm, „Darum kümmere ich mich.“ Als ich verneinte, meinte er nur, es seien keine Umstände, da er seinen Koffer ebenfalls hinausbringen wolle.

„Du kommst mit?“, fragte ich überrascht, froh mich erst einmal auf Ross konzentrieren zu können. Aber Corvin antwortete für Ross, „Ja, Ross wird unser Spitzel in der Stadt.“

„Dank seiner speziellen Fähigkeit.“ Nickte ich verstehend, Ross konnte unauffällig Vampire ausspionieren, die unter Garantie die Stadt aufsuchen würden, sobald bekannt wurde, wo der Rat zusammentraf. Da die Ratsmitglieder mit nur drei Vasallen anreisen sollten, erwartete das Trio Leibwächter in der Stadt, die auf ihre Herrn aus der Ferne wachen würden. Was natürlich gegen die Vereinbarung sprach, da Haus und Gelände von den Kriegern der Sardovans gesichert wurde. „Eine gute Idee.“ Stimmte ich zu.

Corvin lächelte zynisch, „Eine Idee deines speziellen Freundes!“, betonte er anzüglich in Vaters Richtung. Der sofort darauf ansprang, „Habe ich etwas verpasst?“

„Ich weiß nicht!“, zuckte Corvin gespielt Gleichgültig, „Sie und Henry haben anscheinend Geheimnisse.“

Diese Viper! Setzte er tatsächlich seinen Freund, meinen Vater ein, nur um seine Neugierde zu befriedigen.

„Ach ja“, winkte ich ab, „das übliche Dad, du kennst Henry und mich doch, wir haben immer was zu bequatschen.“ Grinste ich Vater verschwörerisch an, der seufzend die Augen verdrehte, „Nur zu gut!“ Henry sowie Hendrik zog Vater nie als etwaige Liebhaber in Betracht.

Der Punkt ging an mich, da musste dieser Heuchler schon andere Geschütze auffahren. Demonstrativ sah der Besiegte auf die Uhr, „Prya!“, ermahnte er, „Meine Mutter ist bei Prya, sie will uns sprechen …“, setzte er gekonnt eine Pause ein. In der ich mir, die schlimmsten seitens Marsé vorstellte, „… denn sie hasst öffentliche Abschiedsszenen.“

Vater interpretierte meine besorgte Miene falsch, „Keine Angst Sarah, es gibt keine Gefühlsausbrüche. Du wirst Sarah doch helfend zur Seite stehen?“

Corvin sah Vater ratlos an, dieses Ungeheuer wusste genau, wovon Vater sprach. Der fühlte sich genötigt eine genaue Aufstellung meiner Defizite aufzuzählen. Von wegen ich kam mit Gefühlen nicht zurecht, große Ansammlungen und noch so einiges worüber sich mein lieber Vater sorgte.

Vor Empörung über diese Bloßstellung brachte ich keinen Ton heraus, dazu noch die ernste Miene Corvins, der bedauernd nickend Vater ernsthaft zuhörte und das alles über meinen Kopf hinweg. Mit dem allem nicht genug, sprach Vater auch noch so, als seien es Gebrechen, über die man besser nicht redete.

„Verstehe!“, lächelte Corvin mitfühlend, „Der persönliche Freiraum oder die Intimsphäre, natürlich bin ich deiner Tochter behilflich, unter meiner Betreuung wird sie sich wohlfühlen.“

Hörte ich richtig? Dieser Schuft wagte es Anspielungen zu machen? Blut rauschte mir in den Ohren, gewalttätige Bilder schossen empor, ich riss mich zusammen, ein Ton und ich würde meinen Mund nicht mehr halten können. Egal ob Vater nun anwesend war oder nicht. Vater jedoch nickte beruhigt, warum durchschaute er seinen langjährigen Freund denn nicht?

„Wartest du? Ich glaube kaum das wir eine lange Abschiedsszene haben werden“, Fragte Corvin leutselig, hinterlistige Krabbe, die er war, Vater verneinte.

Vor Wut kochend ging ich mit Corvin, im Rücken die Blicke meines Erzeugers spürend. Unter meiner Betreuung! Ha, wie er sich das vorstellte, dazu benötigte ich keine große Fantasie.

Wie Corvin vorhersagte, wurde es ein kurzer Besuch, wir wechselten einige Nichtigkeiten, man suchte ein unverfängliches Thema, mit dem man die letzten Minuten überbrückte, bis der Boss seine Tochter bat, keine übereilten Schritte zu unternehmen. Worauf Prya eine verstockte Miene aufsetzte und Marsé meinte, „Prya ist wie du mein Sohn. Sie geht überlegt vor und wird sich niemals Hals über Kopf in unvorhersehbare Situationen stürzen.“ Lächelte sie Corvin feinsinnig an.

Nun trug der Sohn eine sture Miene zur Schau. Natürlich entging Prya kein Wort, ihre Augen huschten zwischen Großmutter und Vater hin und her, man sah direkt, wie es in ihrem hübschen Köpfchen arbeitete, schließlich blieb ihr Blick auf mich haften. Was meine ausdruckslose Miene der Unwissenheit bedrohlich bröckeln ließ.

Sie zog, wie es ihr Vater oft tat, eine Braue hoch, ein kaum merkliches Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. „Genau Tata“, warf sie Marsé einen dankbaren Blick zu, „Du kannst dich auf mich verlassen, ich werde wie du in Liebesangelegenheiten äußerst bedächtig vorgehen“, stand sie auf und schaute auf die Uhr, „Oh so spät schon! Ich glaube, ihr müsst los!“, seufzte sie bedauernd, ihren verblüfften Vater, der gerade seine Stirn umwölkte keine Chance lassend.

Ich kringelte mich innerlich vor Schadenfreude, geschlagen mit den eigenen Waffen! Der glatte Rauswurf ging mit Marsés Unterstützung schnell vonstatten. Der Boss wusste, wann er auf verlorenen Posten stand, amüsierte ich mich immer noch.

Auf den Weg zur Halle blieb Corvin stehen, „Sie zurückzulassen gefällt mir nicht. Wer weiß, vielleicht lungert der Typ bereits in den Wäldern und wartet nur darauf freie Bahn zu haben.“

„Nun dann muss er erst an Intha vorbei“, schmunzelte ich, bei der Verstellung eines liebeskranken Vampirs, der dem Kind Rede und Antwort liefern musste.

„Intha!“, schimpfte der Vater, „Sie ist die Schlimmste von allen. Angeblich mischt sie sich nicht in Privatangelegenheiten ein. Sagt mir aber, ich soll dem Mädchen ein bisschen Vergnügen gönnen“, knirschte er mit den Zähnen.

„Naja unrecht hat sie nicht. Es ist allein Pryas Sache, Eltern sollten sich aus den Liebesbeziehungen der Kinder heraushalten.“

Das war nicht das, was er hören wollte, „Du auch noch! Ja, habt ihr euch denn alle gegen mich verschworen?“, fuhr er mich an.

„Du solltest deine Doppelmoral mal überdenken, Corvin Sardovan!“, darauf wusste er keine Erwiderung.

„Weibsbilder!“, schnaufte er verächtlich.

„Das ist typisch für dich. An Pryas Stelle würde ich ausflippen, du mit deinen ständig wechselnden Frauen solltest schön den Mund halten. Wärest du wie Vlad könnte sie nichts sagen. Das solltest du dir mal vor Augen halten.“ Hielt ich ihm vor.

„Na sicher“, höhnte der Boss, „Der tugendsame Vlad schwitzt seine Gelüste aus! Dass ich nicht lache, dabei hält er seine Geliebte geheim.“

„Seine Geliebte?“, horchte ich auf.

Corvin sah mich betroffen an, „Das ist mir rausgerutscht. Himmel Sarah kein Laut darüber.“ Bat er mich! Er bat mich, kein Befehl!

„Nur wenn ich alles erfahre.“ Setzte ich ihn unter Druck.

„Das nennt man Erpressung!“, knurrte er gefährlich.

„Ja und! Du würdest es auch so machen.“ Fehlte mir jegliches schlechte Gewissen.

„Und was wenn du von ihr erfährst? Wirst du Vlad zur Rede stellen?“, er wägte ab, was ich gut verstand.

„Versetz dich in meine Lage, mein Vater ein Ausbund der Tugend, nur eines im Kopf, die Sorge um seine Kinder. Eine Frau, eine Frau, mit der er zusammenlebt, wird ihn auf andere Gedanken bringen. Ergo habe ich keinen Vater, der mir ständig im Nacken sitzt.“

„Wie keine Eifersucht? Keine Anklagen?“, kontrollierte er achtsam mein Gesicht.

„Was für ein Blödsinn!“, entgegnete ich.

Er zweifelte, „Nicht ganz, Livio reagierte so, als er von dir erfuhr, meinst du, Vlad wüsste nicht um eure Rivalität? Livio´s Gemeinheiten sind bekannt, oft hat dein Bruder von Geirrod und Vlad Prügel bezogen. Sie wissen auch, wie sehr du darauf brennst, es ihm heimzuzahlen. Vlad graut es bei der Vorstellung, das ihr euch bekämpft, deshalb siehst du deinen Bruder nie.“

„Was du nicht sagst.“ Musste ich zugeben Geirrod und Vater unterschätzt zu haben, das passierte mir nicht noch einmal. Was wussten sie noch, fragte ich mich, ich sollte wachsamer sein. „Also hatten sie Angst um mich?“

Corvin lachte schallend auf, „Du verkennst die Tatsachen, ihre Besorgnis galt Livio.“

Auch das erkannten sie! Eigentlich nicht verwunderlich, Geirrod kannte Livio´s Schwäche, seine Überheblichkeit die ihn Fehler begehen ließen. Man musste nur ein geduldiger Gegner sein, nicht allzu forsch, ihm glauben machend er sei überlegen. Das führte schlussendlich zum Sieg, zu meinen, wie ich es mir unendliche Male ersann.

Corvin holte mich aus meinen Gedanken, „Hör zu, ich werde dir jede Frage beantworten, nur ist jetzt gerade der Zeitpunkt ungünstig.“ Sah er bedeutungsvoll zur Halle.

„Ich will dein Wort!“, verlangte ich, er gab es mir zögernd. „Willst du auch noch Brief und Siegel dazu?“

„Keine schlechte Idee!“ Vertrauen ist gut, aber nicht bei diesem ausgefuchsten Vampir.

„Dann lass es uns besiegeln!“, stimmte er auffällig nachgebend zu, „Mit einem Kuss!“, fügte er hintergründig grinsend hinzu.

„Nein!“, rief ich erschrocken aus.

Seine Augen glitzerten diabolisch, „Zu schnell geantwortet Sarah. Sag mir, wovor fürchtest du dich mehr? Vor meinen oder deinem Begehren?“ Zahlte er es mir mit gleicher Münze heim, um dann ohne Vorwarnung auf die Halle zustürmte. Er lässt mir nicht einmal die Chance einer Erwiderung, Mistkäfer der er war.

„Wurde auch mal Zeit!“, hörte ich Diederichs Stimme, der Krieger musste auf den Weg zu uns gewesen sein. Der Boss ging ohne Innerzuhalten an ihm vorbei.

„Hat´s eilig, was?“, hielt Diederich mir die Tür auf, hinter Corvin hersehend, „So ein feines Fräckchen an?“, musterte er mich, „So kannst du unser Trio beschützen, mit den Absätzen?“, zweifelte der Krieger.

„Soll ich´s dir beweisen und einen der Absätze in deine Weichteile rammen?“, fragte ich höflich nach.

Schmunzelnd meinte er, „Kastrier sie nicht alle, denke an den Fortbestand unserer Rasse.“ Klopfte er mir auf die Schulter, Hammerschläge waren nichts dagegen. Wir gingen gemeinsam hinaus, auf dem Hof herrschte hektische Betriebsamkeit, in die ich sofort hineingesogen wurde.

Peer rief mir etwas zu, Eric winkte und Matt zog mich mit sich. Ich wusste gar nicht, an wen ich mich wenden sollte. Doch alles regelte sich wie von Zauberhand, die Hektik ließ nach, die beiden Autos standen fertig bepackt bereit, die Hierbleibenden versammelten sich auf der Treppe und letzte Abschiedsworte wurden ausgetauscht. Dann endlich gab der Boss den Startschuss. Wir fuhren los, Granada unser Ziel.

 

Aufatmend lehnte ich mich zurück. Endlich! Eines konnte ich mit Gewissheit behaupten, Urlaub bekam mir keineswegs so gut, wie ich anfangs dachte. Er warf mich aus der Bahn, keine feste Zeiten, keine Regeln. Nein wirklich nicht mein Ding. Im Hier und Jetzt fühlte ich mich wohl, ich wusste, was man von mir erwartete. Wusste, wie ich mich verhalten sollte, nochmals seufzte ich erleichtert auf.

Matt neben mir sah mich fragend an, „War es so schlimm?“, er durchschaute mich mühelos.

„Nein eigentlich nicht, aber ich weiß manchmal ehrlich nicht, was man von mir erwartete. Prya!“, Schüttelte ich lächelnd den Kopf.

„Ja ich kann´s mir denken“, steuerte Matt den Wagen auf die Hauptstraße.

Die Festung lag hinter uns, der zum Himmel gestreckte Turm war das letzte Bild das ich sah. Komme ich je wieder her, fragte ich mich und wurde sie ein Heim für mich, wie für viele andere Sardovans?

Die Frage konnte ich nicht eindeutig beantworten. Zu viel geschah in dieser Woche, was mein bisherigen Leben auf den Kopf stellte. Nicht zuletzt Corvin Sardovan, als ich an die letzte Nacht zurückdachte, was war es, das ich mich in seinen Armen vollkommen vergessen konnte. Sei ehrlich Sarah, ermahnte ich mich, es ist nicht nur der Sex, da ist noch etwas anderes. Aber was? Vielleicht lag es einfach daran das er sich auf dich konzentriert, nichts anderes zählte für ihn in den wenigen Stunden. Ja, das musste es sein, er gab mir das Gefühl das wichtigste auf Erden zu sein.

Matt räusperte sich, „Wir haben Besuch!“, augenblicklich waren meine Sinne aufs Höchste alarmiert.

„Wo?“, blickte ich nach hinten.

„Endlich wach?“, griente der Lump.

„Blödmann!“, schnaufte ich verschnupft, dabei musste ich ihm recht geben, ich sollte mich auf meine Aufgabe konzentrieren.

Das tat ich auch, wir kamen ohne Zwischenfälle in Bukarest an und nahmen einen Linienflug nach Barcelona.

Alia buchte die Touristenklasse paarweise. So bekam jeder des Trios einen Leibwächter an die Seite gestellt. Vater forderte mich auf, an seine Seite zu bleiben, aber Peer stimmte dem nicht zu. „Sarah wird mit Matt hinten sitzen.“ Befahl er bestimmt, selbst Vater musste dem nachgeben.

Nachdem wir sicher gelandet waren nahm Peer mich zur Seite, „Das war nicht gegen dich gerichtet, aber Vlad muss begreifen das du ein Leibwächter bist und nicht seine Tochter.“

„Danke!“, sagte ich, „dabei viel Überzeugungskraft, Glück und Geduld! Wenn du das schaffst Peer, gebe ich dir einen aus.“

Er grinste gefährlich, sodass einige Passanten die an uns vorübergingen ängstlich das Weite suchten, was ihn überhaupt nicht interessierte, denn sein Blick wurde noch kälter als er einen Punkt hinter mir anvisierte. Bedächtig drehte ich mich um, auf jegliche Gefahr vorbereitet, was ich sah, ließ mich die Augen reiben.

Zwei Männer, eindeutig Vampire kamen auf uns zu, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Der Eine ein wahrer Riese, nein ein Goliath, ein Überbleibsel eines Höhlenmenschen, eines Neandertalers, wuchtig von Kopf bis Fuß. Pechschwarze gekräuselte Haare die seinen enormen Kopf noch größer erscheinen ließen. Dazu ein Bart der ihm auf die Brust viel.

Der Andere das krasse Gegenteil, hellblond mit gestyltem kurzen Haar, beinahe schon zierlich wirkend, dabei maß er nur einen halben Kopf kleiner als der Riese, ebenso wirkte er athletisch auf eine elegante Weise.

Damit nicht genug, das Auffälligste an ihnen, die Gewänder. Der Riese trug ein hellblaues Gewand mit goldener Stickerei, die weiten Ärmel fielen fast bis zum Boden.

Der Elegantere besaß das Exakt gleiche Gewand in Dunkelblau, dazu trugen sie einfache Sandaletten. Noch während ich die Beiden anglotzte, ging das Trio auf das Paar zu und begrüßte es herzlich.

„Kahlaf und Merkur!“, informierte mich Peer mit grimmiger Miene.

„Sind es Gegenspieler?“, was keinesfalls so aussah, denn die Begrüßung viel freundlich aus.

„Verbündete!“, sagte Peer kurz angebunden, „Sie bedeuten Schwierigkeiten, zu auffällig. Jeder Jäger sieht von Weiten, was sie sind. Sieh dir die Menschen an“, deutete er in einer vagen Geste, die keinen speziellen Menschen beinhaltete.

Ich sah, was er meinte, die Menschen zogen weite Bahnen um die zwei Vampire, beschleunigten ihre Schritte, die Köpfe unbewusst, vor der unbekannten Gefahr eingezogen. Ein natürlicher uralter Reflex, sie waren die Beute, wir die Jäger. Sie flüchten in einer geordneten Schar, die Schwachen und Kinder abgeschirmt, die Starken flankten sie ab. Der Jahrtausende alte Instinkt funktionierte Einwandfrei.

Peer trat näher, ich folgte ihm, voller Neugier auf die seltsamen Gestalten.

„Wir haben einen Transporter gemietet, er reicht für uns alle.“ Sagte eine warme melodiöse Stimme, ich glaubte es kaum, sie gehörte dem Riesen.

„In der Tat!“, sagte der Kleinere, dabei glitten seine Augen belanglos durchs Terminal. Ihm entging keine Kleinigkeit, innerhalb von Sekunden kannte er sein Umfeld und ich war sicher, er wusste, wo jeder Einzelne von uns stand. Was mich dazu brachte mich ebenfalls umzuschauen, dabei bemerkte ich Ross, der die Nachhut bildete, vom Erdboden verschwunden war.

Corvin erklärte den Neuankömmlingen gerade, wer seine Begleiter seien, Ross erwähnte er mit keinem Wort. Mochten sie Bekannte sein, Verbündete sogar, aber der Boss behielt einige Kleinigkeiten geheim.

„In der Tat!“, wiederholte der Kleinere, was er ständig tat, ansonsten sagte er nicht viel und überließ dem Riesen das Wort. Der Neandertaler hieß Kahlaf, eines der ältesten Ratsmitglieder, Merkur der Schweigsame sein Freund und Leibwächter, man sah sie nur selten allein.

Kahlaf richtete seinen Blick auf mich, der Boss besaß schon einen intensiven Blick, Kahlaf röntge einen regelrecht. „Deine Tochter Vlad ist durch und durch Leibwächter, sie erinnert mich an dich in deinen Anfängen. Hoffentlich gibst du ihr genug Spielraum, damit sie sich entfalten kann.“ Vater murmelte eine nichtssagende Antwort.

„In der Tat!“, äußerte Merkur mit wissendem Blick und verschränkte die Hände auf den Rücken.

Kahlaf legte Vater eine Hand auf die Schulter, „Deine Tochter besitzt einen freiheitsliebenden Geist, schnüre sie nicht zu eng ein.“ Nickte er mir gefällig zu. „Wie gesagt Corvin ihr seid herzlich eingeladen mit uns zu fahren. Mein Freund schlägt eine Route vor, die uns abseits der üblichen Überwachung ans Ziel bringen wird.“

„In der Tat!“, nickte Merkur, Corvin sah seine Freunde fragend an, in ihren Gesichtern konnte ich keine Regung lesen. Der Boss anscheinend schon, er wandte sich Peer zu. „Was hältst du davon?“

„Solange die Ehrwürdigen im Wagen bleiben, sehe ich keine Bedenken.“

Kahlaf nickte, „Ein vorsichtiger Mann! Wir werden im Auto bleiben.“ Automatisch sah ich zu Merkur und wurde nicht enttäuscht.

„In der Tat!“ Das wurde allgemein, als Einverständnis genommen. „Dann los! Je länger wir hier herumstehen, desto mehr Aufmerksamkeit erregen wir.“

„Der Kontrollraum liegt einen Stock tiefer, ich nehme an, ihr wisst, was zu tun ist?“, fragte Kahlaf höflich, das musste man uns nicht sagen.

 „Matt! Sarah!“, sagte Peer ohne sich nach uns umzusehen. „Wir treffen euch vor dem Terminal.“

Schon gingen wir los, die Überwachungskameras bedeuteten eine Gefahr für uns, die Jäger konnten sie gegen uns nutzen, deshalb vernichteten wir jegliches Zeugnis unserer Anwesenheit. Zwar konnten die Jäger daraus erkennen das Vampire hier weilten, aber sie wussten nicht wer und wie viel.

Den Kontrollraum erreichten wir ohne Schwierigkeiten, er war nur mäßig bewacht. Die erste Wache schickte Matt ins Traumland und nahm sich die Sicherheitskarte. Damit gelangten wir in den abgeschlossenen Bereich. Die Hinweisschilder führten uns direkt zur Videoüberwachung. Matt öffnete schwungvoll die Tür und ließ mir den Vortritt.

„Was?“, ein junger Mann drehte sich auf seinen Stuhl zu uns um, als er mich erblickte setzte er ein bedauerndes Lächeln auf, um mir zu sagen, der Zutritt sei verboten. Eine Frau hob desinteressiert den Kopf und ein weiterer Mann sah sich nicht einmal um. Dank unserer mentalen Fähigkeit wurden die drei Personen schnell schachmatt gesetzt.

„Sieh nach den Bändern.“ Befahl Matt, er selbst beobachtete, die Monitore. „Da sind sie!“ Er zählte die Kameranummern auf und ich entnahm die entsprechenden Kassetten.

„Videobänder! Ganz schön veraltet!“, meinte ich.

„Umrüsten ist teuer, die meisten benutzen sie noch.“ Antwortete Matt gelassen. „Okay sie verlassen das Parkhaus, warte nimm die Bänder vor dem Terminal raus. Ich will keinerlei Beweise und setze andere Kassetten ein.“ Ermahnte er mich.

„Bin schon dabei. Was ist mit uns, sie werden uns aufnehmen.“

„Kein Problem, ich weiß, wo wir ungesehen hergehen können.“

Ich trat zu ihm, „Und der Wagen?“, deutete ich auf den Kleintransporter, Peer deutlich sichtbar.

„Das wird der Kleine übernehmen.“ Zeigte Matt grinsend auf den jungen Mann. Mehr gab es nicht zu sagen, ich nahm die Kassetten, „Wir brauchen eine Tasche!“

„Besitzt du denn keine Handtasche?“, fuhr Matt mich unwirsch an, „Na hör mal, das sind fünfzehn Kassetten!“, kam ich mit dem Stapel an.

„Mist!“, sah er sich nach einem geeigneten Objekt um, „Hier nimm die!“, kippte er die große Tasche der Frau aus, „Wir packen ihre Sachen in deine Handtasche.“ Nahm er mir die Kassetten ab, während ich meine Tasche leerte.

„Alia wird ganz schön sauer sein.“ Versuchte ich den Inhalt der Frau in mein Täschchen unterzubringen.

„Mein Gott, was hat sie denn da alles?“, fischte Matt eine Dose aus dem Haufen, „Pfefferspray! Hier sogar einen Taser, was ist das ein Schlagring? Wofür braucht eine normal sterbliche Frau solche Dinge?“, schaute er die Frau skeptisch an.

„Wer weiß, vielleicht fühlt sie sich bedroht.“ Nahm ich Pfefferspray und Taser an mich und legte sie auf die Videokassetten, „Lass ihr den Schlagring, den Rest behalte ich als Entschädigung für meine Tasche, die ist wahrscheinlich teurer als ein Monatsgehalt von ihr, sowie ich Alia kenne.“

„Mach, was du willst, beeil dich nur.“ Nahm Matt sich den jungen Mann vor, ich sah mich nochmals um, nichts wies auf unseren Aufenthalt hin, sah man von fehlenden Kassetten und einer ausgetauschten Tasche ab.

Wie auf den Hinweg kamen wir ungesehen in das Terminal zurück, „Da raus!“, wies Matt auf die nächste Tür, der Kleintransporter stand wartend in der zweiten Reihe, schnell schlüpften wir hinein und Peer gab Gas, ehe Till die Schiebetür schließen konnte.

Der Kastenwagen erwies sich als reines Transportmittel, sie saßen alle die Beine angezogen auf dem nackten Stahl der Ladefläche. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, der um seine Bequemlichkeit bedachte Corvin Sardovan gab seiner Designerhose sowie seinen kostbaren Arsch tatsächlich solch primitiven Mitteln preis. Sollten sie, ich bestimmt nicht! Und schaute nach meinem Koffer, der aufgetürmt bei den anderen stand.

Unter den Augen der Anwesenden zog ich ihn hervor, legte ihn auf den Boden und pflanzte mich grinsend darauf. Ich kannte die Strecke nur zu gut, etwa fünfzehn Stunden auf dem kalten harten Blech kam für mich keinesfalls infrage. Einen Augenblick herrschte Stille, absolute Stille, während sie mich sprachlos anstarrten.

Henry gluckste vergnügt, während er meinem Beispiel folgte. „Noch jemand?“, fragte er in die Runde, was allgemein bejaht wurde.

Die endlosen Stunden im Transporter zogen sich zäh dahin. Eine Weile unterhielt sich das Trio mit dem Riesen, über die nächsten Schritte die sie im Rat vornehmen wollten. Es ging hauptsächlich um die Ernennung des Bosses zum Ratsmitglied, was ich nur mit halbem Ohr verfolgte, der Blonde gab zuweilen seinen Kommentar, „In der Tat“, dazu.

Gerade dieser schweigsame Merkur interessierte mich, ein Leibwächter. Ich wunderte mich, nur ein Krieger, der das Ratsmitglied beschützte, er musste ein hervorragender Kämpfer sein. Dabei war er von Statur eher schmächtig, doch das hieß nichts, wie ich wusste. Seine Augen blieben stets wachsam, auch wenn er das Gespräch verfolgte. Sein Blick streifte stets über uns hinweg und nach vorn zu dem kleinen Fenster zum Führerhaus. Einmal blieben seinen Augen bei mir haften, er bemerkte, wie ich ihn musterte, um seine Mundwinkel zuckte es spöttisch, eine Mimik, die mir vertraut vorkam. Da sein Blick stur auf mich gerichtet blieb, suchte ich mir einen neuen Bezugspunkt und sah in ein düsteres Gesicht, das mich ebenfalls beobachtete. Welche Laus war ihm wieder über die Leber gelaufen? Erwiderte ich trotzig seinen Blick, worauf der Herr Boss sich schnaufend abwandte.

Merkur ließ ein Leises, „In der Tat“, fallen.

Was Kahlaf irritierte, „Du findest das richtig?“ Merkur schüttelte unmerklich den Kopf, was seinem Freund genügte.

Welch ein seltsames Paar dachte ich, sie kleiden sich gleich, sie kennen sich ausgezeichnet … sie sind ein Paar! Wie blind ich war, ja anders konnte es nicht sein, sie sind ein Paar, ein Liebespaar! Zwar ungewöhnlich, doch keineswegs vollkommen ausgeschlossen, es gab durchaus Homosexuelle sowie Bisexuelle Vampire. Ein Paar kannte ich bisher nicht, nun wurde ich noch neugieriger auf die Beiden. Sie gaben keinerlei Anzeichen einer Beziehung preis, weder ein liebes Wort noch eine Geste der Zärtlichkeit.

In Gedanken beschäftigte ich mich mit den Neuankömmlingen, denn ich brauchte etwas, das mich ablenkte. Fünfzehn Stunden, in denen man nichts weiter zu tun konnte, als zu sitzen, da benötigte man eine Beschäftigung. Besonders da ein bestimmter Vampir, einen mit seinen braunen Augen ständig anstierte. Die Blicke derart intensiv, die meine Nackenhaare unentwegt aufstellten und ich ängstlich zu Vater schaute, ob er einen Verdacht hegte.

Innerlich verfluchte ich Corvin, wie konnte er so unvorsichtig sein? Wollte er etwa einen Streit mit Vlad heraufbeschwören? Dabei gerieten meine Gedanken auf Abwege. Die letzte Nacht zu gut in Erinnerung, seine Zärtlichkeit, die schiere Anziehungskraft die er auf mich ausübte, obwohl sein Charakter einen Wesenszug innehatte, dem ich nichts abgewinnen konnte, zu wechselhaft! Ja das war der richtige Ausdruck, wie bei dem Wetter, konnte man seine Stimmung nicht vorhersagen. Dabei seine unermessliche Arroganz, die mit einer Herrschsucht einherging, die seinesgleichen suchte.

Nein er gehörte definitiv nicht zu jenen Typen, die ich bevorzugte und doch zog mich eine unsichtbare Macht zu ihm.

Matt stieß mich unsanft mit seinem Fuß an. Irritiert sah ich auf, er saß zurückgelehnt, anscheinend völlig entspannt da. Dabei herrschte im Wagen eine angespannte Stille, in dessen Zentrum mein Vater saß, der mich mit schwarzen Augen musterte. „Verrat mir doch, warum du Corvin derart anstarrst?“, mein verblüfftes Gesicht entschärfte sie Situation.

Henry tat seinen Teil dazu, „Mein Gott Vlad du übertreibst! Sarah war in Gedanken vertieft und zufällig hat sie dabei Corvin angesehen. Was willst du in Granada tun, sie vor jedem Vampir verstecken?“, er grinste kalt, „Lass mich nachrechnen, allein die Ratsmitglieder haben durchschnittlich zwei männliche Leibwächter, das macht schon achtzehn, dazu fehlen die Kandidaten mit ihrem Gefolge. Jeder von ihnen kann Sarahs Interesse erwecken. Was willst du dagegen unternehmen?“

Till beugte sich vor, „Du vergisst einige durchaus entschlossene Anwärter! Weder Matt noch ich würden unsere Sarah verschmähen!“

Vlad zog heftig die Luft ein, „Wag es …“

„Nun ja, da ihr offen darüber diskutiert, möchte ich meinen Beitrag dazugeben.“ Mischte sich Kahlaf ein, „Viele weibliche Krieger gibt es nicht, was bedeutet Sarah wird eine freie Auswahl zur Verfügung haben. Vlad mein Junge, du kannst schnaufen und drohen bis sich die Balken biegen aber so ist es nun einmal. Deshalb denke ich, es ist das Beste, Sarah nimmt sich einen festen Liebhaber, da Pierre nun aus dem Rennen ist, sollte es jemand sein, der über genug Durchsetzungskraft verfügt. Ansonsten haben wir bald mehr Probleme mit geilen Vampiren als mit dem Rat.“

„In der Tat!“, ließ Merkur von sich hören, was mir mehr auf die Nerven ging als ihre Kommentare.

„Hört auf!“, warnte ich sie, „ich dulde keine weiteren Diskussionen über mein Leben!“, damit endete für mich das Thema.

Vater sah aus, als wolle er protestieren, aber Henry gebot Vlad schweigend Einhalt. Die folgende Stunde wurde kaum gesprochen, sie warfen mir unsichere Blicke zu, die ich stur erwiderte. Der Einzige, der sich amüsierte, war anscheinend Merkur, der alle grinsend ansah.

Selbst sein Freund Kahlaf, der sonst den Ton angab, schwieg betreten.

Dieses Lächeln, nein eher ein Grinsen in Merkurs Miene, kannte ich gut, doch woher? Es kam mir vertraut vor und wieder nicht.

„Merkur sind wir uns schon begegnet?“, fragte ich ihn direkt. Er hob fragend eine Braue und schüttelte verneinend den Kopf.

Kahlaf nutzte die Gelegenheit, „Wie kommst du darauf?“

„Er kommt mir bekannt vor, besser gesagt seine Mimik. Ich weiß, ich kenne sie, nur weiß ich nicht woher.“ Gab ich Kahlaf Auskunft, an Corvin, bemerkte ich eine Veränderung, bisher saß er mit geschlossenen Augen, den Kopf an die Wand gelehnt da. Wir saßen fast alle so und sammelten Kraft, nur als ich Kahlaf antwortete veränderte er kaum merklich seine Haltung.

„Ja!“, sagte Kahlaf gedehnt, „Das behaupteten schon viele, mein Freund muss ein Aller-Weltgesicht besitzen.“

Nun das traf es nicht im Mindesten, mit seinem Aussehen konnte Merkur glatt mit Corvin Sardovan konkurrieren. Diese beiden Vampire ragten vom Erscheinungsbild heraus, man konnte sie als außergewöhnlich schön bezeichnen. Der eine Blond und hellhäutig der andere das dunklere Spiegelbild. Ein Verdacht keimte in mir auf, ich verglich sie, die Stirn, die Augen, die Nase, der Mund und gab sie als haltlos auf. Sie ähnelten sich in keiner Weise, diese Untätigkeit machte mich noch verrückt.

Dann endlich nach endlosen Stunden hielt der Wagen an. Die Stille, als der Motor erstarb, konnte man greifen. Noch ein Stop, eine weitere Betankung? Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

Nein die Schiebetür wurde geöffnet, ein mir unbekannter Vampir in einem schrecklichen Zustand sah hinein, „Auf, auf ihr faulen Pelze.“ Rief er fröhlich, ja machte ihm sein abgerissenes Äußeres denn gar nichts aus?

Matt sprang als Erster hinaus, ich verstand ihn sofort, die Ausdünstung des Vampirs raubte einem den Atem. Er stank entsetzlich, ich fragte mich, ob sein Körper jemals Wasser und Seife gesehen hatten und wäre jede Wette eingegangen das in dem struppigen Haupt und Barthaar kleine Anwohner lebten.

Mit soviel Abstand wie möglich folgte ich Till und Matt, der Stinkstiefel streckte mir die ungewaschene Hand entgegen. „Pfoten weg, wenn du daran hängst!“, knurrte ich gefährlich, er grinste mich mit seinen belegten gelben Zähnen an.

Himmel so was Dreckiges hatte ich noch nicht gesehen, selbst die Jungvampire waren sauberer, als dieses Stück Unrat, trat ich schnell aus seiner Reichweite.

„Malech!“, begrüßte unser Boss den flohbesetzten Vampir. Ich traute meinen Augen kaum, als sie sich herzlich umarmten. Corvin Sardovan der stets gepflegte und eitle Vampir fasste das Stück Dreck an.

Schon oft kam ich in Situationen, in denen ich mich einige Tage nicht waschen konnte. Dieser Vampir hingegen scheute vor jeglicher Hygiene. Henry und Vater hielten von Malech ebenfalls Abstand, als er sie auf die gleiche Weise begrüßen wollte, hob Henry abwehrend die Hände, „Danke, aber dich fasse ich nicht eher an, bis du dich desinfizierst.“

„Schon klar, ein bisschen empfindlich was?“, zuckte dieser Malech unbekümmert die Schultern. „Und du mein Freund?“, wandte er sich an Vater.

„Komm mir nicht zu nah!“, verzog Vater angeekelt das Gesicht. „Du treibst es mal wieder zu weit.“

„So findet ihr? Ich habe die blutrünstige Bande vom Gelände ferngehalten, ohne einen Finger zu rühren oder kostbares Blut zu vergießen. So lautete doch mein Auftrag.“ Sah er sich zufrieden um.

„Genau so, lautete dein Auftrag“, Bestätigte Corvin, „Es ist dir also geglückt. Gut gemacht! Kahlaf, Merkur darf ich vorstellen Malech.“

Kahlaf schien über Aussehen Malech´s keinerlei Anstoß zu nehmen. „Ich habe von dir gehört, es ist bereits einige Jahre her, ich dachte, du seist längst zu Staub verfallen.“

Malech grinste unverhohlen, „Ja, ja das denken viele, haben sich ja Mühe genug gegeben, um es wahr werden zu lassen.“

„Woran du nicht gerade unschuldig bist.“ Erwiderte Kahlaf spitz, worauf Merkurs, „In der Tat!“, unweigerlich folgte, diesmal brachte er es fertig in den drei Worten einen Vorwurf mitklingen zu lassen.

„Wir sollten nun hinaufgehen, meine Leibwächter werden ungeduldig“, ging Corvin dazwischen.

Eine Untertreibung! Wir standen im offenen Gelände, nur eine hohe Mauer und ein leidlich gesichertes Tor schützte uns vor neugierigen Augen. Die andere Seite sah nicht viel besser aus, dort ragte eine hohe Baumgruppe in den Himmel. Ein Himmelreich für Attentäter. Wo versteckte sich die Unterkunft?

Peer ließ Till am Tor zurück, worauf Malech meinte, es sei unnötig. „Bevor ich mich nicht mit den Örtlichkeiten vertraut gemacht habe, bleibt eine Wache am Tor.“ Entschied Peer frostig.

„Noch immer der Alte, was Peer? Traust keinem übern Weg.“ Ging Malech hinter der Gruppe her. Matt und ich bildeten den Schluss.

„Weißt du, wo wir sind?“, sah ich mich um, wir gingen durch einen gepflegten Park. Sollte dieser öffentlich zugänglich sein, stand uns viel Arbeit bevor.

„Keine Ahnung!“, schaute Matt sich ebenfalls um, „Die Mauer besitzt eine Videoüberwachung, sollte sie das gesamte Areal schützen wäre mir wohler.“

Inzwischen verwandelte sich die Grasfläche in einen Wald, das wird ja immer schlimmer, sagte ich mir entsetzt. Sollte das Haus oder Gebäude im Wald liegen, benötigten wir unbedingt mehr Leute. Es gab zu viele Möglichkeiten, um ungesehen ins Haus zu gelangen. Wir gingen den gewundenen Pfad weiter, meine Bedenken wuchsen mit jedem Schritt, das ist eine Mausefalle, zweifelte ich an Corvins Kenntnis. Wieder bog der Pfad schwungvoll ab, wir gehen immer tiefer in diesen verflixten Wald.

„Das gefällt mir nicht, überhaupt nicht.“ Murmelte Matt, „Sonst ist Corvin nicht so leichtsinnig, wie konnte er nur …“, blendendes Sonnenlicht ließ uns erblinden.

„Was zum Teufel …?“, rief Matt erschrocken aus, mir erging es nicht anders, ich schützte meine Augen, nahm die Umgebung kaum wahr.

Nach einigen Sekunden gewöhnte ich mich an das grelle Licht.

„Mein Gott, ich nehme jedes Wort zurück.“ Hörte ich Matt erleichtert ausrufen.

Endlich nahmen meine tränenden Augen den Dienst wieder auf, eine erneute Grasfläche, die sich zu beiden Seiten erstreckte, kein Busch, kein Baum versperrte die Sicht. Weiter vorn ragte auf einem Hügel ein riesiges Haus, in strahlendem Weiß auf. Dahinter eine Felswand, die beinahe senkrecht nach oben verlief.

„Ich weiß, wo wir sind!“, sagte Matt erleichtert, „Mann, wie frech unser Boss so manches Mal ist.“ Grinste er mich voller Stolz auf Sardovan an.

„Ah ja!“, zweifelte ich an seinen Worten, „Der Wald ist dicht, dort kann man sich ungesehen bewegen, die Mauer hat ein Vampir in Sekunden überwunden. Wie groß ist das Gelände und wie kann man es bewachen? Ich weiß nicht was dich begeistert.“ Zählte ich sachlich die Nachteile der Umgebung auf.

Doch Matt grinste nur, „Malech! Das ist es.“ Nickte er zufrieden, „Du kannst es nicht wissen. Malech gehört zu einem umherwandernden Clan. Sie verdingen ihr Brot mit Aufträgen, die von kleinen Diebereien bis zu Auftragsmorden alles beinhaltet. Naja Malech ist ein Experte auf seinem Gebiet, ähnlich wie Alia kennt er sich mit all dem technischen Sicherheitskram aus.“

Wie dumm von mir! Oft genug stand ich solchen Gestalten gegenüber? Söldner! Nur dem gehorchend, der den größten Geldbeutel besaß. Es konnte durchaus geschehen, das sie einen Schützling vor Leid bewahrten, der sie dann nach erbrachter Leistung auszahlte. Um am nächsten Tag als Mordbube zurückzukehren. Söldner verhießen nie Gutes. So jemanden vertraute Corvin? Ich konnte es nicht fassen. Diese Kerle durfte man nicht aus den Augen lassen.

Noch von der Erkenntnis erschüttert, einen Söldner die Sicherheit zu übertragen, stiegen wir den Hügel hinauf auf den Eingang des Gebäudes zu. Das ist ein Palast, dachte ich, als die wahre Größe erkennbar wurde.

Das Trio, Kahlaf und Merkur traten bereits in den Palast. Peer stand wartend mit Eric und Malech vor der riesigen Flügeltür. „Um es kurz zu machen, die untere Etage bleibt unbewohnt, der rechte untere Flügel dient als Versammlungsraum. Der linke Flügel ist aufgeteilt, der vordere Teil wird für das gesellschaftliche Beisammensein genutzt, der hintere Bereich gehört der Entspannung und Hygiene.“ Peer schaute Malech dabei auffordernd an, der den Blick stoisch erwiderte.

„Das erste Geschoss ist ausschließlich für die Ratsmitglieder vorgesehen. Das Zweite für unsere Besucher, Corvin, Vlad und Henry werden vorerst dort ihre Unterkunft aufschlagen. Sollte Corvin in den Rat gewählt werden, zieht er in den ersten Stock. Das wird uns die Aufgabe erschweren, aber mit Malech haben wir Unterstützung. Das oberste Geschoss ist allein für die Leibwächter und Begleiter gedacht. Macht euch mit dem Gelände und den Räumlichkeiten vertraut. Eric, Matt ihr zuerst, danach wirst du Eric, Till ablösen und du Matt, Sarah. Inzwischen zeigt mir Malech sein Reich. Sarah sie sind im unteren Geschoss, halte sie zusammen.“ Mit diesen abschließenden Worten entließ uns Peer.

Ich ging in die Halle, innerlich fluchend, halte sie zusammen, ha als wäre es so einfach! Dort standen sie und bewunderten die Räumlichkeiten, für die ich im Moment keinen Blick erübrigen konnte. Kahlaf begeistert, kniete auf den Marmorboden, andächtig strich er über den kalten Stein.

„Marmor von höchster Qualität, ich bin begeistert, wirklich begeistert.“ Erklärte er träumend, „Und dieses Licht! Ja ich muss mir unbedingt einen passenden Raum suchen. Merkur ist dieses Licht nicht wundervoll?“

„In der Tat!“, lächelte der Angesprochene milde.

Schon machte Kahlaf sich auf, eine der breiten Treppen aufzusuchen, die geschwungen in das erste Geschoss führten. „Henry, Vlad wollt ihr uns begleiten? Corvin besitzt einfach kein Auge dafür.“

Wofür er auch die Augen gebrauchte, es kam auf keinen Fall infrage ohne den Boss hinaufgehen, deshalb stellte ich mich Kahlaf in den Weg. „Entweder gehen wir alle zusammen oder wir bleiben hier!“, verlangte ich bestimmt.

Kahlaf lächelte begütigend, „Merkur ist durchaus in der Lage uns drei zu beschützen. Du kannst bei Corvin bleiben.“ Wollte er mich rücksichtslos beiseiteschieben.

„Das kann durchaus sein, doch das Trio bleibt zusammen.“ Bestand ich auf meine Forderung.

Vater trat vor, „Sarah mein Kind, bei …“, nun riss mir der Geduldsfaden. „Nenn mich nicht Kind! Ich bin euer Leibwächter und ihr werdet tun, was sich sage.“ Fuhr ich ihn ungehalten an. „Sonst noch irgendwelche Fragen, Vlad Sardovan?“, betrachtete ich ihn angriffslustig. Er setzte seine strenge Miene auf, was mich zusätzlich reizte.

„Vlad! Unser Leibwächter verrichtet nur seinen Dienst, wir gehen zusammen hinauf.“ Entschied der Boss kurzerhand.

„Nein, nein! Ich möchte keinen Zwist heraufbeschwören, schauen wir uns das Erdgeschoss an. Wirklich ich muss mich an die neue Situation gewöhnen. Sarah Sardovan ich entschuldige mich für mein dreistes Verhalten“, sagte Kahlaf mit einer vollendeten Verbeugung.

„In der Tat!“, schmunzelte Merkur, die Hände auf den Rücken faltend.

Weder Vater noch ich sahen zu den Alten, wir blickten uns weiterhin stur an, dieses eine Mal würde ich nicht nachgeben. Er musste endlich akzeptieren, einen Krieger vor sich zu haben.

„Vlad!“, sagte Henry leise, „Das bringt nichts, sie hat recht. Denk an deine Zeit als Leibwächter, du hättest deinem Schutzbefohlenen bereits einen Scheitel gezogen.“

„Durchaus eine Möglichkeit!“, kommentierte ich grinsend, Vaters finsteren Blick erwidernd. Seine Augen verdunkelten sich zusehends. „Das reicht jetzt!“, donnerte Corvins Stimme durch die Halle, „Vlad folge dem Befehl des Kriegers!“, befahl er unmissverständlich. Worauf Vater endlich die Augen senkte, „Also gut! Nicht mehr als ein Krieger.“ Gab er zögernd nach, in seinem Ausdruck stand ein Schmerz, der mich bis in die tiefste Seele traf. Ich wollte die Worte zurücknehmen, ihn um Verzeihung bitten, er wandte sich bereits ab. Mit extrem geraden Rücken ging er zu Corvin und gesellte sich zu ihm. „Nun Boss wohin geht es?“, erkundigte er sich schneidend.

Corvin überhörte den anmaßenden Ton, „Kahlaf?“, wandte er sich an den Vampir.

„Dann nach oben, ich brauche einen Raum mit diesem Licht! Ja auf das Licht kommt es an. Ihr werdet es sehen, ich werde Gemälde malen, die dieser Halle würdig sind. Gemälde von euch! Ich sehe es vor mir. Dort, genau dort eines vom Familienoberhaupt in voller Größe, umringt von Familie und Freunden, ja und da eines von …“, er verstummte abrupt, „Zu viel will ich euch ja nicht verraten, wo blieb da die Spannung.“ Eilte er die Stufen hinauf auf der Suche nach einem geeigneten Raum.

Derweil schritt ich in geziemenden Abstand hinter ihnen her. Merkur verhielt sich kaum wie ein Leibwächter, aber das erwartete ich auch nicht. Während Kahlaf einen Raum nach dem anderen begutachtete, blieb Henry zurück, bis ich auf seine Höhe kam. „Werde jetzt ja nicht schwach Sarah. Denke daran Vlad ist genau wie Corvin, ein ausgezeichneter Unterhändler, er weiß, welche Knöpfe er drücken muss, um seinen Willen durchzusetzen.“, dann eilte er zu Kahlaf, der ihn rief.

„In der Tat!“, sagte Merkur, der hinter mir auftauchte. „Dein Vater ist gewitzt. Weshalb glaubst du, ist er Corvins rechte Hand? Sie stehen sich in nichts nach, auch wenn er verletzlich erscheint.“

„Merkur!“, kam Kahlaf auf uns zu, „Na was hältst du von den Räumlichkeiten? Das Licht ist ideal, aber ich weiß, nicht ob sie dir gefallen.“

„Leibwächter wohnen im obersten Geschoss.“ Erklärte ich, ohne nachzudenken. Kahlaf lächelte feinsinnig, „Und will mein Freund im obersten Geschoss wohnen?“

„In der Tat!“, erwiderte er das Lächeln, mit einem schelmischen Blick auf mich. Mir wurden meine unbedachten Worte erst jetzt bewusst. Himmel ich legte mich gleich am ersten Tag mit einem Ratsmitglied und seinem Lebenspartner sowie Leibwächter an.

„Ja wir wollen doch die Direktive beachten, nicht wahr.“ Nickte Kahlaf seinen Freund verschwörerisch angrinsend, „Gut, dann ziehe ich allein in dieses prachtvolle Gemach.“

„Du willst wohin ziehen?“, fragte Henry, den schmunzelnden Merkur, mit zusammengezogenen Brauen. „Habe ich richtig gehört?“, fragte er streng nach.

„In der Tat!“, ließ Merkur Henry und mich stehen.

„Das wollen wir doch mal sehen!“, folgte der aufgebrachte Henry dem Leibwächter Kahlafs.

„Sarah? Ah da seid ihr ja.“ Kam Matt die Stufen hinauf, „Du kannst dir einen Überblick verschaffen, aber beeil dich wir bekommen Besuch.“

„Besuch?“, wurde erstaunt gefragt.

„Ja wir haben entsprechende Nachrichten erhalten.“ Drückte Matt sich geheimnisvoll aus. Bestimmt Ross vermutete ich. Wie er nach Granada kam und wann wusste ich nicht. Er musste sich nicht versteckt halten, welcher Vampir konnte ihn schon erkennen. Die oberen Geschosse interessierten mich nicht, sondern das Gelände für einen Leibwächter eigentlich das Wichtigste, deshalb ging ich unverzüglich hinaus, nachdem Matt mich ablöste.

 

Kapitel 20

Die Wiesenfläche lag gut übersichtlich vor mir, ich lief an der Längsseite entlang, bis ich den Seitenflügel erreichte. Der Wald erstreckte sich über die gesamte Front des Palastes, daneben lagen weitere Wiesen. So gelangte man zum Gebäude, ohne den Wald durchqueren zu müssen.

Ich überlegte, ob ich zuerst die andere Seite inspizieren sollte. Doch das konnte warten, ich wollte wissen, was hinter dem Flügel kam und wurde enttäuscht, der Anbau schien mit den Felsen, verwachsen zu sein. Das Dach musste untersucht werden, vielleicht konnte man sich an der Wand abseilen. Die andere Seite bot kein neues Bild, also lief ich über die Wiese an dem Wald vorbei.

Dabei entdeckte ich, der Wald reichte keine zehn Meter in die Tiefe. Ich begriff der Pfad wurde gewunden angelegt, gerade so lang das man sich an die Dunkelheit des Waldes gewöhnte. Kein schlechter Plan man wurde regelrecht geblendet, sobald man hinaustrat. Nur in der Nacht völlig nutzlos. Als ich am Tor entlang kam, hielt Peer mich auf. „Sarah stell dich zu Eric, ihr untersucht unsere Gäste nach Waffen.“ Gebot er mir streng. Ich stellte keine Fragen, sondern gesellte mich wortlos zu Eric.

Wir mussten nicht lange warten, bis eine weiße Stretchlimousine vorfuhr. Peer gab uns das Zeichen das Tor zu öffnen, „Schön langsam!“, ermahnte er uns, sah er zurück zum Waldrand, wahrscheinlich wartete er auf den Boss. Es kam niemand.

Die Limousine fuhr auf das Gelände, doch niemand stieg aus. Wir schlossen das Tor, die Scheibe auf der Fahrerseite fuhr leise surrend hinunter. „He ihr da!“, wurden wir spöttisch angerufen, „Wie komme ich weiter?“

Peer trat vor, „Die Fahrt ist hier zu Ende, wie viel Personen sind im Wagen?“, der Fahrer spuckte Peer vor die Füße, „Das geht dich einen Scheiß an.“ Von innen erklang unterdrücktes Gelächter.

Peer ließ sich davon keineswegs aus der Ruhe bringen. „Öffnet das Tor, damit das Pack abhauen kann.“ Befahl er ruhig. Wir grinsten uns an und ergriffen das Tor.

„He wisst ihr nicht, wen ich im Wagen habe?“, erklang es drohend.

„Interessiert mich nicht.“ Winkte Peer ab, „Raus mit euch, bevor wir handgreiflich werden.“

„Mit euch zwei Würstchen machen wir kurzen Prozess.“, er drehte sich zu mir um, „Und das Häschen vernaschen wir zum Frühstück!“, lachte er über seinen Witz.

Peer winkte ihm auffordernd zu, „Nur zu!“, bleckte er die Zähne. Der Fahrer sah nach uns, er schätzte uns ein und was er sah, schien seine Überheblichkeit keineswegs zu mildern. Eher das Gegenteil so schien es mir.

„Wer will zuerst?“, öffnete er die Tür.

Peer sah uns fragend an, „Will jemand? Du vielleicht, Häschen?“, grinste er mich an.

„Ich darf?“, erkundigte ich mich vorsichtshalber.

„Ein kleines Training Sarah, mehr nicht. Verletze ihn nicht!“

„Das kann ich nicht versprechen.“ Zog ich meine Jacke aus und schätzte den Vampir genauso ab, wie er uns zuvor. Ein kräftiger Körperbau, kurze Beine und Arme mit einem mächtigen Brustkorb. „Eh die Kleine? Wollt ihr mich beleidigen?“, rieb er sich die Hände.

„Es sollte dir eine Ehre sein, mit Sarah Sardovan zu kämpfen.“ Erklärte Peer spöttisch.

Der Vampir trat einen Schritt zurück, „Die Sarah Sardovan?“, fragte er erschrocken.

„Dieselbe!“, antwortete ich statt Peer.

„Tut mir Leid, aber daraus wird nichts.“ Veränderte er seine gesamte Körperhaltung, der Rückzieher sah aus, als hätte jemand einen überdimensionalen Stöpsel aus der Badewanne gezogen, das erregte mein Misstrauen. Peer nickte befriedigt, als ob er genau diese Reaktion erwartete. Meine Nackenhaare sträubten sich auf ganzer Linie. Was war hier los?

Die hintere Wagentür öffnete sich, ein schlanker gestählter Körper stieg aus. Sein Haupt wandte sich mir zu, kalte Augen trafen mich, die langsam über meine Gestalt wanderten. „Aber! Aber!“, richtete er die Worte an Peer, „Mein Fahrer handelte ein wenig übereilt. Natürlich ohne mein Wissen.“ Fügte er mit einem aufgesetzten falschem Lächeln hinzu.

Wem wollte er denn das erzählen? „Na sicher!“, zweifelte Peer zurecht, der Vampir behielt sein unschuldiges Lächeln bei.

„Ich schlief!“, sagte er einfach.

„So?“, bewegte sich Peer, um einen besseren Einblick in den Wagen zu bekommen, „Eure zwei Begleiter schliefen sicherlich auch.“

„Erwischt! Es ist eine lange Reise.“ Blieb er bei seiner Lüge. Der Typ log einem aalglatt ins Gesicht. Wer war er? Das erfuhr ich einen Augenblick später.

„Wirklich seltsam Monseigneur, wer sind deine Begleiter?“

Na Peer besaß Nerven, ein Ratsmitglied auf diese Weise anzusprechen. Entsprechend reagierte Monseigneur, er richtete sich empört auf und öffnete gerade den Mund, als Peer mit einer abfälligen Geste sein Desinteresse kundtat, „Sie sollen aussteigen, alle mit den Händen an den Wagen, Beine auseinander. Sollte jemand auch nur zucken, wird es uns ein Vergnügen sein, ihnen Benehmen beizubringen.“

Zwei weitere Vampire stiegen aus und stellten sich wie Peer gefordert an die Limousine. Peer rührte sich nicht, sondern sah Monseigneur auffordernd an. „Das ist nicht dein Ernst! Ich gehöre dem Rat an, habe eine machtvolle Stellung, bin einer der …“

„Du bist nichts weiter als ein Betrüger, der sich nicht an das Abkommen hält.“ Sagte Peer kalt, „Untersucht sie, und zwar gründlich!“, während Eric und ich die Neuankömmlinge filzten und dabei diverse Waffen fanden, meinte Peer nebenbei, „Ah ja Monseigneur, wir haben deine Kavallerie festgesetzt. Du solltest sie zurückpfeifen, bevor noch mehr Blut vergossen wird, ihres nicht unseres.“

Monseigneur zuckte zusammen, behielt jedoch seine herablassende Haltung bei. „Darf ich mein Handy aus der Tasche holen?“

„Aber nicht doch, ich habe eine bessere Idee. Du darfst es ihnen persönlich sagen. Du gehst voran, deine Komplizen werden hier warten. Ihr dürft sie auseinandernehmen, falls sie sich rühren.“

Peer gefiel die Situation außerordentlich gut. Die drei am Auto erstarrten zu Salzsäulen, erst als Monseigneur mit Henry und Merkur an der Seite zurückkehrte, kam Bewegung in die Statuen.

„Der Fahrer kann das Vehikel fortschaffen, ihr zwei dürft euch innerhalb des Geländes frei bewegen. Euer …“, dabei sah Henry das Ratsmitglied warnend an, „Boss wird euch die Regeln, die unter allen Umständen einzuhalten sind, erklären.“ Damit entließ er sie. Monseigneur gab kurze Befehle, dann marschierten sie auf den Wald zu, für den Moment geschlagen. „Da wird einiges auf uns zukommen.“ Bemerkte Henry seufzend.

„In der Tat!“, antwortete Merkur aufreizend.

Warum ließen sie sie dann frei herumlaufen? Ich an ihrer Stelle würde sie einsperren und unter Beobachtung stellen. Als ich Henry meine Meinung äußerte, schüttelte er den Kopf, „Monseigneur ist Ratsmitglied!“, als ob das alles sagen würde.

„Also besitzt er Narrenfreiheit?“

„In der Tat!“, nickte Merkur, der überflüssige Kommentar zerrte an meine Nerven.

Derweil Henry blies die Wangen auf, „So darf man das auch nicht nennen, vertrau einfach dem Urteil von Älteren, Sarah.“

Damit war für ihn das Thema erledigt, und befahl uns, auf die Krieger der Sardovan zu warten, die bald anrücken würden. „Ach und filzt den Fahrer nochmals.“

Weder hörte er auf meine Einwände, noch auf meine Fragen, die den Fahrer und seines Rückzuges betrafen, als er meinen Namen hörte. Er wiegelte meine Bedenken mit einer einfachen Handbewegung ab. „Frag Peer!“, versuchte Eric mich zu beruhigen, sobald wir allein waren.

„Peer!“, schnaufte ich ungehalten, „Als ob er mir was sagen würde, er steckt doch mit denen unter einer Decke.“

Eric seufzte, „Dein Vater!“, schlug er vorsichtig vor.

„Niemals, nicht nach der Schlappe.“ Knurrte ich.

„Dann bleibt noch Corvin, frag ihn, ihr habt doch eine äh … besondere Beziehung, wie ich hörte“, weiter kam er nicht, denn ich ging auf ihn los.

Er wehrte mich lachend ab, „So, so die Kleine will sich mit mir anlegen. Kannst du die Wahrheit nicht ertragen oder was soll deine Keiferei?“

„Ich mag es nun einmal nicht, wenn man hinter meinen Rücken über mich spricht.“

Eric grinste, „Oder, wenn es sich um Corvin und dich handelt. Tja meine Liebe, damit wirst du leben müssen. Wir, damit meine ich deine lieben Freunde, haben ein persönliches Interesse an eurer Beziehung. Aus reinem Selbsterhalt versteht sich! Euer letztes Intermezzo ging nicht spurlos an uns vorbei, heute sind wir klüger und behalten euch im Auge. Sobald dicke Luft herrscht, ziehen wir unsere Köpfe aus der Schusslinie. Übrigens ist dein Vater im Augenblick ahnungslos, auch dafür sorgten wir. Du brauchst uns nicht zu danken, wir taten es gern.“, Eric verstummte abrupt, denn genau in dieser Sekunde kam Vater aus dem Wald, wenn man vom Teufel sprach, auch der andere fehlte nicht. Nein die gesamte Gesellschaft kam auf uns zu und im gleichen Augenblick die Krieger der Sardovan, die einen Lastwagen flankierten.

Die Krieger nahmen sofort ihren Dienst auf. Eric und ich zogen uns in den Hintergrund zurück. Matt winkte mir zu und Eric ging zu Till. „Henry ist unser Schützling.“ Informierte mich Matt.

Aus dem Lastwagen stieg eine rothaarige Schönheit mit geistesabwesendem Ausdruck. „Oh eine Parade!“, lächelte sie hoheitsvoll, „Das war aber nicht nötig.“ Kicherte sie nun, wie ein junges Mädchen. „Kommt, kommt!“, rief sie glücklich in den Lastwagen hinein. Heraus stiegen zwei atemberaubende Grazien, die selbst Alias erlesenes Aussehen übertrafen. Die Dritte im Bunde übersah man leicht, schüchtern mit gesenktem Haupt erinnerte sie mich an eine graue Maus.

Matt schnalzte anerkennend, worauf Henry meinte: „Vergiss es Matt, selbst ich konnte die Schönheiten nicht knacken.“

„Wer sind sie?“, wollte ich wissen.

Henry gab leise Antwort, „Vertraute, Leibwächter und Assistentin. Wer was ist, kann ich nicht sagen, sie sind schweigsam, dafür redet Muse für sie alle.“

Ja das tat sie! Sie redete unaufhörlich auf ihre Begleiterinnen ein, bis eine von ihnen auf Corvin und seine Begleiter wies. „Corvin, Vlad, Henry, Kahlaf und natürlich Merkur, wie ich mich freue, euch zu sehen. Ach, die Fahrt war wundervoll, auf den letzten Kilometern begleiteten uns diese wohlerzogenen Krieger. Ganz wundervoll, ich habe ihnen eine Ode versprochen, die ich gleich heute noch beginnen werde. Ja ein Ode, über die tapferen Krieger der Sardovan, die einer hilflosen Frau in Not beistanden.“

So ging es in einem fort, hörte sie denn nie auf? „Mann muss unsere Muse reden lassen, bis sie von selbst aufhört, ansonsten fängt sie von vorn wieder an.“ Klärte Matt mich auf.

„Du kennst sie?“, fragte ich leise nach.

„Ja, ich diente eine Weile in Venedig, keine angenehme Zeit, sag ich dir, Muse gehört zu den Netten, leicht verrückt aber nett.“

Verrückt auf jeden Fall, leichtsinnig kam dazu, als ich Monseigneurs Miene sah, der sie düster betrachtete. „Wie lange gehört sie dem Rat an?“, wollte ich wissen.

„Lange genug um Monseigneur die kalte Schulter zu zeigen, wenn du das meinst.“ Durchschaute mich Matt mühelos. „Lass dich von ihrem Getue keinesfalls blenden, dahinter steckt eine kluge Person. Selbst Alischa hütet sich vor ihr und das will schon was heißen. Muse ist außerordentlich gut informiert, besonders über die Aktivitäten ihrer Amtsmitinhaber und sie scheut sich nicht, sie laut in ihren Gedichten anzuprangern, falls vonnöten.“

„Wirklich?“, so etwas traute ich dem redseligen Geschöpf überhaupt nicht zu.

Inzwischen wurde der Lastwagen entladen, die Krieger untersuchten jedes Möbelstück auf Waffen ab. „Sieh genau zu Monseigneur, dein Mobiliar wird genauso überprüft“, spähte Muse in seiner Richtung.

Der winkte ab, „Ich habe nichts zu verbergen.“

Muse lächelte kalt, „Ganz was Neues.“

Auf eine Art bewunderte ich ihre Frechheit, fand es jedoch nicht besonders klug, einen Gegner derart zu reizen. Als die Krieger eine schwere Kisten inspizieren wollten, sprang Muse hinzu, „Ganz vorsichtig, darin sind meine Heiligtümer, ich würde es vorziehen, wenn sie nicht den vernichtenden Sonnenstrahlen ausgesetzt werden.“

„Ha, aber mir Vorhaltungen machen wollen.“ Schnaufte Monseigneur ungehalten. „In der Tat, die mache ich nach deinem neuesten Blödsinn. Wie konntest du es nur wagen, unser neuestes Mitglied übertölpeln zu wollen?“

„Noch ist er es nicht!“, bellte Monseigneur voller Bosheit, nun zeigte er sein wahres Gesicht. Muse zog sich ängstlich zurück, sie wirkte richtig erschrocken. Merkur nahm sie an der Hand und zog sie aus dem Blickfeld von Monseigneur, der sie keine Sekunde aus den hasserfüllten Augen ließ. Den würde ich mir zu gern einmal vorknöpfen.

Matt neben mir lachte leise, „Einen neuen Freund gefunden?“

„Und was für einen, ein richtiges Ekelpaket.“ Ließ ich Monseigneur nicht aus den Augen.

„Bleib ja ruhig, er tötet dich, bevor du auch nur mit der Wimper zuckst. Überlass ihn den Alten, die werden mit ihm fertig.“

„Aber sie tun ja nichts!“, empörte ich mich.

„Sie werden! Geduld meine Kleine.“ Schob er sich vor, sodass ich Monseigneur nicht mehr sehen konnte.

Angespannt gingen wir hinauf zum Palast, die Anspannung vertiefte sich noch, als der Boss einen Anruf bekam. „Es kommt ein weiterer Besucher“, verkündete er kurz angebunden.

Auf Monseigneurs Frage, wer ankomme, zuckte unser Boss lediglich die Achseln. Mit einem Blick auf Vlad und Henry kehrte das Trio dem Haus den Rücken zu.

Merkur und Muse setzten ihren Weg fort, als Merkur bemerkte das Kahlaf sich unserer Gruppe anschloss, kam er kurzzeitig in Not. Vater fiel es auf, daraufhin begleitete er Muse und Merkur fand sich sofort in Kahlafs Schatten wieder.

Der Neuankömmling stand mit abgewetztem Koffer vor dem geschlossenen Tor. Ein unscheinbarer kleiner Mann in schlecht sitzendem Anzug schaute uns, mit unschuldigen Dackelaugen entgegen. „Theodoric!“, lief Kahlaf voraus.

„Er sieht nicht besonders eindrucksvoll aus.“ Bemerkte ich, bisher hatte ich mir die Alten als ehrwürdige, imponierende Gestalten vorgestellt. Keiner der ankommenden konnte meiner Vorstellung gerecht werden.

Matt erwiderte kein Wort, sondern begrüßte Theodoric mit Handschlag, der zu jedem Einzelnen ging und diese sehr menschliche Geste vollführte, mit einem „Freut mich“, begleitet.

Ich reichte ihm automatisch die Hand und schon war er wieder weg. „Was soll das denn?“, musste ich Matt einfach fragen.

„So ist er nun einmal.“ Meinte Matt gleichgültig, das Tor nicht aus den Augen lassend.

Der nächste Besucher kam angefahren. Mit Muses Lastwagen und den dort stehenden Möbeln wurde es nun eng. Der Neuankömmling kam gleich mit einer Karawane von Transportern.

Eine Schar von Vampiren stiegen mit kurzem Gruß in unserer Richtung aus, unverzüglich begannen sie mit dem Ausladen. Innerhalb kürzester Zeit herrschte Chaos, die Möbel und Kisten von Muse, sowie des Neuankömmlings, standen wild durcheinander auf den gepflegten Rasen.

 

Eine von Muses Begleiterinnen, die schüchterne Person stand hilflos in dem Durcheinander, den Tränen nahe, da die geschäftigen Vampire sie ständig verscheuchten. Ich hasste es, mich fernzuhalten, denn es juckte mich verdammt noch mal in den Fingern, diesen Lümmeln Benehmen beizubringen.

Warum schritten sie denn nicht ein? Schaute ich hinüber zu Kahlaf und Corvin, die mit extrem geraden Rücken und angespannten Schultern dastanden. Ganz klar, ihnen passte es genauso wenig, wie mir, aber warum … „Das ist, Inazinus Truppe“, zischte Matt wütend, „Solange er unsichtbar bleibt, dürfen wir uns nicht an seine Leute wenden.“

„Was für ein Quatsch!“

„So sind die Regeln, merke es dir, auch im Haus gelten sie, außer du besitzt die ausdrückliche Genehmigung des Ratsmitgliedes. Die wirst weder du noch sonst jemand erhalten und wenn doch, so bringt es dir nichts.“ Sagte Matt mit Unheil verkündender Stimme, in der offensichtliche Wut mitschwang.

„Was meinst du?“, er grinste grimmig, „Inazinus wandelt und bildet seine Krieger eigenhändig aus. Während der Wandlung zerstört er Gehör und Stimmbänder. Es wird behauptet, einigen reißt er die Zunge heraus.“

„Das ist ja barbarisch.“ Schlang ich die Arme schützend um den Leib. „Tja so kann man es auch nennen, obwohl die Barbaren besser als ihr Ruf waren. Inazinus dagegen ist sadistisch. Nimm dich vor ihm in acht, er verstümmelt seine Opfer aus purem Vergnügen und hält sich an keine Regeln.“

„Warum unternimmt der Rat denn nichts? Wieso ist er überhaupt noch im Rat?“

„Weil keines seiner Opfer redet, falls es überlebt. Er ist klug, hinterlässt keine Beweise.“

Was Matt sagte, mochte zwar stimmen, „Aber es gibt andere Mittel und Wege um ihn loszuwerden.“ Sprach ich meine Gedanken laut aus. Sie konnten solch ein Monster nicht weiter Leben lassen.

„Es ist komplizierter als du denkst.“ Erschrocken fuhr ich herum. Merkur stand gerade noch bei Kahlaf und nun direkt hinter mir. „Der Rat ist ausgewogen, andere behaupten Handlungsunfähig. Sollte Inazinus aus dem Rat ausscheiden, rückt ein anderer nach. Wer weiß wer, und welche Leichen dieser im Keller versteckt. Es ist einfacher einen Sadisten, den man kennt, unter Kontrolle zu halten, als einen unbekannten Scheusal an seine Stelle zu setzen. Ich sehe dir deine Meinung darüber an, aber so ist es nun einmal. Der Rat ist seit Jahrhunderten in einer Pattsituation. Mit Corvins Ideen hoffen wir, die Missstände zu ändern. Die Gegenseite natürlich auch, nur um ihre dunklen Machenschaften durchzusetzen. Deshalb willigten sie den Umbruch ein, wer am Ende den Sieg davon trägt, bleibt ungewiss, vielleicht haben wir Glück und sie zerfleischen sich gegenseitig.“

„Das ist eine Hoffnung, die wahrscheinlich erst eintritt, nachdem sie uns aus dem Weg geräumt haben.“ Bemerkte ich bissig, „Demnach, wird sich nicht das Geringste ändern, jetzt sind es fünf gegen fünf, nach der Neubildung sind es auf jeder Seite eine Handvoll mehr.“

Merkur lächelte fein, seine Lippen zuckten einen Augenblick amüsiert. Diese Mimik kannte ich, war mir vertraut, nur woher? Ich kam einfach nicht darauf.

Merkur antwortete unbeirrt, „Nicht ganz, ab heute wird jedes Ratsmitglied seinen Unterhalt, Kleidung, Schmuck einfach alles, aus eigener Tasche bestreiten. Das ist gerade für die ärmeren Clans eine ungeheure Erleichterung. Venedig hat Unmengen an Gold verschlungen, du siehst, eine Ungerechtigkeit wurde beseitigt. Ein Anfang findest du nicht auch?“

Bevor ich antworten konnte, sah Merkur zum Tor, „Ah da kommt Inazinus! Bleibt ruhig und lasst euch nicht zu irgendwelchen Taten hinreißen.“ Dabei sah er mich eindringlich an, als ob ich mich gleich auf den blondgelockten Schönling, der gerade aus dem Wagen stieg, stürzen würde.

Das ist er also! Der Sadist! Gut gebauter Körperbau, sportlich elegant gekleidet. Als er nähertrat, verschlug es mir glatt die Sprache. Die goldenen Locken umrahmten ein unschuldiges Gesicht, seine blauen treuherzigen Augen unterstützten den Eindruck, dazu der sinnliche Mund.

Er ein Sadist? Zweifelte ich einen Augenblick an Matts und Merkurs Behauptungen. Dieser Vampir sah aus, als könne er keiner Fliege ein Leid antun, aber dann kam er näher, bewegte sich auf Henry zu, meine Nackenhaare sträubten sich, Schauer jagten meinen Rücken hinunter, all meine Sinne warnten mich, vor einer unmittelbaren Gefahr, die von diesem unschuldig aussehenden Geschöpf ausging.

Er kam geradewegs auf uns zu, missachtete Corvin, dem als Herr des Hauses als Erstes die Begrüßung zustand. Dabei suchte Inazinus Blick das Umfeld ab, bis er mich entdeckte. Nun blieb mir der Atem weg, als er mich musterte und ich in seine Augen blickte, seine gesamte Grausamkeit wohnte darin, bar jeglichen Mitgefühls, kalt abschätzend, obwohl seine sinnlichen Lippen wohlgefällig lächelten.

Henry sah sich nach mir um. „Wie ich sehe, hast du Sarah entdeckt.“ Sagte er unverblümt, „Sie wird keinesfalls auf dein äußerliches Erscheinungsbild hereinfallen.“

Als hörte er Henrys Worte nicht, fragte er, „Willst du mich nicht vorstellen?“, jedes Wort eine Drohung.

„Ganz sicher nicht! Meine Leibwächter bleiben Taub und Stumm, auch ohne Behinderung.“ Erwiderte Henry kalt.

Inazinus lächelte, er sah einen Augenblick wie ein tollwütiger Hund aus. „Wirklich? Die letzte Entscheidung fällt ja wohl euer Emporkömmling, dessen Vater ein Nichts war. Marsé hätte jeden Vampir haben können, doch sie wählte einen Menschen, der sie dann auch noch im Stich ließ.“ Sprach er abfällig über unseren Boss.

Henry blieb gelassen, „Du scheinst dich ja bestens auszukennen, ich frage mich, ob du als Abgewiesener nicht am Verschwinden des Mannes deine Finger im Spiel hattest.“ Mutmaßte Henry im Plauderton.

Mit einer Maske der Arglosigkeit hörte Inazinus zu, „Welch ein irrsinniger Verdacht, der Mann war für mich ein Niemand.“

„So? Du erwähnst ihn recht oft. Wieso frage ich mich“, folgerte Henry gewitzt.

„Du stellst zu viele Fragen, das ist sehr ungesund.“ Entgegnete Inazinus mit seinem wölfischen Lächeln und wandte sich ab.

„Das ist ja Interessant! Ich werde Marsé anrufen.“ Überlegte Henry laut, so laut das der Blonde jedes Wort hören musste, er zeigte keine Reaktion.

„Du solltest vorsichtiger sein, Henry.“ Flüsterte Matt ihm zu.

„Ach was!“, wiegelte er ab, „Das ist nicht die erste Drohung und wird nicht die Letzte sein. Nichts als ein Muskelspiel, er wird sich hüten, mir Schaden zuzufügen.“ Matt und ich sahen uns an und kamen stillschweigend überein, auf unseren leichtsinnigen Schützling besonders aufzupassen.

In all der Anspannung die Inazinus mit sich brachte, wurden weitere Neuankömmlinge übersehen. Sie standen im geöffneten Torbogen und beobachteten das Durcheinander in aller Seelenruhe. Der spöttische Ausdruck des Vordersten sprach Bände. Als er entdeckt wurde, gab er weder seine Mimik auf, noch rührte er sich.

„Ciaran!“, hörte ich von einigen Umstehenden. Na der machte auf jeden Fall Eindruck auf mich, als Erstes fiel mir seine lässige Haltung auf, die eine gewisse Würde ausstrahlte. Es konnte aber auch an seinen drei Begleitern liegen, die mit arroganten Mienen das Durcheinander beobachteten. Krieger erkannte ich sofort, zwei große die mit Diederichs Größe und Masse konkurrieren konnten und ein Weiblicher, die ich von einem früheren Auftrag her kannte.

Eine wortkarge umsichtige Kriegerin, wir kamen sehr gut miteinander aus, „Selina!“, freute ich mich sie wiederzusehen. Sie hörte es, trotz der Entfernung und schaute mich direkt an. Ein Zeichen, wie wachsam sie und ihre Begleiter waren.

Selina grüßte mich mit einem angedeuteten Nicken, was ich erwiderte. „Du kennst sie?“, fragte Matt auch ihm entging kaum etwas, wie den Kriegern und dem spöttischen Vampir. „Selina“, nickte ich, sie nicht aus den Augen lassend, sie musste wie ich gefragt worden sein, denn die drei Neuankömmlingen schauten zu mir, ebenso wie Matt und Henry zu ihnen.

„Wer ist sie?“, wollte Matt wissen, ich sah ihn an, „Ein Krieger“, antwortete ich.

„Woher kennst du sie?“

„Wir beschützten drei Monate gemeinsam eine Familie, es gab keine Vorkommnisse.“ Erteilte ich ihm Auskunft.

„Aha und aus welcher Familie stammt sie? Wie alt? Ihre Vorlieben und so?“, hinterfragte Matt wissbegierig.

„Weiß ich nicht.“ Er sah mich verdutzt an, „Willst du mich verkohlen?“, fragte er mich angesäuert. Ich schüttelte den Kopf, „Drei Monate und du weißt nichts über sie?“

„Ich musste eines wissen, ob sie ihren Job verantwortungsvoll nachging. Das tat sie, was sollte ich denn mehr in Erfahrung bringen?“, ich verstand seine Empörung, die er gerade zur Schau stellte, in keiner Weise.

„Meine Güte Sarah! Drei Monate! Worüber habt ihr euch unterhalten?“

„Unterhalten?“ Matt wurde immer rätselhafter, „Wir haben unseren Dienst versehen! Wie gesagt, es gab keine Vorkommnisse, die Familie kehrte ohne einen Kratzer heim. Willst du mir beziehungsweise uns etwas vorwerfen?“

Matt wandte sich Unterstützung suchend an Henry, „Kannst du dir das Vorstellen?“

Der zuckte die Schultern, „Schwerlich, vielleicht gehört Selina zu jenen, die von unserem Blaustrumpf dermaßen eingeschüchtert sind und lieber schwieg. Wir werden sehen, wie sie sich verhält.“

Matt grinste zufrieden und klopfte Henry auf die Schulter, das ich neben ihnen stand und jedes Wort hörte, kümmerte sie nicht, bemerkte ich schnaufend.

„Wie ich dich kenne, wirst du es bald herausfinden.“ Grinste Matt anzüglich, was ich wiederum zum Kotzen fand. Sie dachten mal wieder nur mit ihren unteren Extremitäten, deshalb wunderte ich mich über Henrys Kommentar, „Kaum, nicht mein Geschmack.“

Ich glaubte kaum, was ich da hörte, Matt erging es ebenso. „Nicht dein Geschmack? Na hör mal …“

„Still! Ich will wissen, was Monseigneur und Inazinus bereden.“ Gönnte er Selina keinen zweiten Blick.

Kaum zu glauben, was Henry von sich gab! Bisher war jeder weiblicher Vampir nach seinem Geschmack, die seltenen Ausnahmen konnte man einer einer Hand abzählen. Unvorstellbar, da fiel mir nur ein Vergleich ein, ein ausgehungerter Vampir, der Blut ablehnte und stattdessen einen Salat forderte, sah ich zu Selina hinüber, um einen etwaigen Makel an ihr zu entdecken, der mir bisher entging.

Sie kniff verärgert die Augen zusammen, anscheinend bekam sie Henrys Gleichgültigkeit mit. Das schloss ich an ihrer Musterung, die sie Henry angedeihen ließ. Oh, oh dachte ich, da hat mein lieber Henry eine Lawine ausgelöst, eine verschmähte Kriegerin und dazu eine willensstarke, na das konnte heiter werden. Ich wollte keineswegs in seiner Haut stecken, stellte ich ernüchtert fest. Ein Vampir der einen anderen nachstellte, konnte allerlei Verwicklungen sowie Schwierigkeiten bedeuten.

Schließlich kam Bewegung in die Gruppe, Ciaran ging gelassen zwischen Kisten und Möbeln auf Corvin zu. Ich mochte die Art, in der er sich bewegte, sie erinnerte mich an eine Raubkatze, wie Corvin fiel mir ein.

So standen sie sich gegenüber, einander vorsichtig studierend, nickten sie sich grüßend zu. Schon kamen Inazinus und Monseigneur an Ciaran´s Seite und nahmen ihn in Beschlag. Also ein Gegner vom Boss schlussfolgerte ich. Wie konnte Selina sich mit so jemanden abgeben?

Schwierigkeiten erwarteten uns zuerst auf andere Art, Monseigneur, Inazinus und Ciaran taten ihr Möglichstes, um Muse zu demütigen. Sie wählte sich Gemächer im linken hinteren Seitenflügel aus, die Monseigneur für sich beanspruchte, mit der Begründung er habe ein Vorrecht, da er Monseigneur als Erster angekommen sei.

Muse räumte das Feld und überließ dem Fordernden die Räume. Sie wandte sich schweigend den Nächsten zu, die Inazinus für sich beanspruchte. Ciaran tat es ihnen nach, worauf die Muse die ersten Gemächer des Seitenflügels bezog.

Erst dachte ich, wie unterwürfig Muse sich verhielt, was tat sie zwischen den Augenscheinlich gebieterischen Vampiren? Sie besaß keinen Funken Schneid, ihr fehlte es an Courage und Selbstvertrauen. Die Drei nutzten ihre Scheu schamlos aus, was ich als Verachtenswert empfand. In beiderlei Hinsicht, denn Muse konnte ich keinerlei Respekt entgegenbringen.

Wie man sich irrte, fand ich bereits einige Stunden später heraus. Theodoric bezog die ersten Räume im rechten Seitenflügel, Kahlafs Gemächer lagen mittig im Hauptkorridor, so besaßen sie den vollkommenen Überblick auf den Fluren im ersten Geschoss. Monseigneur fiel genau dies auf, daraufhin erfand er fadenscheinige Gründe um Muse aus ihren Gemächern zu entfernen.

Er irrte sich gewaltig, Muse hörte ihm ruhig zu, zuckte die Achseln und meinte sie bliebe. Was Monseigneur sprachlos vernahm und keineswegs hinnehmen wollte. Aufgebracht donnerte seine Faust gegen ihre Tür, was für die Stabilität dieser sprach und verlangte ihren Auszug. Das wiederum brachte Kahlaf auf den Plan, ein Blick von ihm genügte und Monseigneur verflüchtigte sich in seine Gemächer. Seine hasserfüllten Blicke wohlweislich vor Kahlaf verbergend.

Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, das hatten sie ja sehr gut eingefädelt. Mit der Übersicht entging ihnen kein Vampir, kein heimliches Treffen konnte ohne ihr Wissen stattfinden.

Kahlaf achtete demnach auf Muse, die Schwächste in dieser Gruppe. Zwar machte Theodoric, auf den ersten Blick äußerlich nicht viel her, doch auch da irrte ich mich, sobald er die Straßenkleider ablegte und in, wie er es nannte, normale Kleidung schlüpfte stand vor mir ein völlig anderer Vampir. Größer in seinem Erscheinungsbild, mit gleichmäßigen freundlichen Zügen, in dessen Miene stand Entschlossenheit, die Monseigneur mitsamt seinen Kumpanen sicherlich kannten. Jedenfalls wagte keiner der Drei, Theodoric aus seine Gemächer zu verscheuchen.

Innerhalb einer Stunde wurden die Möbel in die jeweiligen Gemächer gebracht, dabei stellte sich heraus, das Inazinus nicht nur seine Möbel mitbrachte, sondern die auch Monseigneurs.

Ciaran´s Mobiliar kam zufällig, wer es glauben wollte, mit unseren an. Vlad überließ ihm höflich den Vortritt, als Ciaran verlangte wir Leibwächter, damit meinte er Eric und mich, sollten seinen helfen, lächelte Vater wohlwollend verneinend, Henry meinte: „Beweg deinen Arsch selbst!“ Nun ja, Vater beklagte des Öfteren jegliches Fehlen von Diplomatie seitens Henry.

Erstaunt beobachteten wir, das Ciaran tatsächlich seinen Arsch bewegte. Er wuchtete ohne Problem einen massiven Schrank auf seine breiten Schultern.

„Eines Tages Henry, eines Tages begegnen wir uns, ohne deine mächtige Familie.“ Knurrte Ciaran drohend.

Was Henry mit einem breiten Lächeln erwiderte, „Ich freue mich darauf!“, goss er noch Wasser in den randvollen Topf.

Ciaran sah aus, als wolle er sich auf Henry stürzen, ich trat vor. Selina ließ augenblicklich die Kiste fallen, es schepperte laut, Glas ging zu Bruch. „Himmel noch mal, Selina musste das sein?“, schalt Ciaran.

„Und ob! Du wirst bedroht!“, ließ sie mich nicht aus den Augen.

„Von wem? Meinst du etwa diese junge Kriegerin? Das ist ja lachhaft, noch grün hinter den Ohren, wahrscheinlich Henrys Geliebte als Leibwächter verkleidet.“ Winkte er ab.

„Wer dir gefährlich werden kann, entscheide ich.“ Erklärte Selina den Tadel überhörend, ganz wie sich ein ausgezeichneter Krieger verhielt.

„Nimm die Kiste!“, murrte Ciaran, „Hoffentlich ist noch etwas heil davon.“ Marschierte er los, ohne uns weiter zu beachten.

Henry nickte vielsagend, „Dann hat Selina ihrem Schutzbefohlenen noch nicht gesagt, wer mein Leibwächter ist. Seltsam, äußerst seltsam damit könnten wir etwas anfangen.“ Sah er zu Vlad hinüber, dessen Miene Henrys spiegelte. Was heckten sie nun wieder aus? „Das sollte Corvin erfahren.“ Machten sie sich auf den Weg zum Boss.

Corvin fand diese Neuigkeit keineswegs Erfolg versprechend. „Ciaran ist gewitzt, wahrscheinlich tat er nur so. Sarah und Selina kennen sich, entsprechend wird Selina ihren Schützling unterrichtet haben. Die Frage müsste lauten, warum er so tat, als wüsste er nicht, wer Sarah ist. Er hat sie als grün bezeichnet, ich sehe darin eine Herausforderung. Sarah sollte sich vor Ciaran´s Kommentaren in acht nehmen. Ich denke, er provoziert unser jüngsten Mitglied. Eine altbekannte Methode, die uns zum Nachteil gereichen könnte. Ja das ist eher Ciaran´s Methode“, meinte er überzeugt.

„Dann sollte Sarah von ihm ferngehalten werden.“ Schlug Vlad vor, ich wartete direkt darauf, dass er auf eine Ablösung drängte.

„Nein im Gegenteil!“, meinte Henry, „Geben wir ihm die Gelegenheit dazu. Wir tappen noch immer im Dunkeln, was sie vorhaben. Monseigneur ließ sich zu Worten hinreißen, die zum Himmel stinken. Wer weiß, vielleicht kann Sarah Ciaran ein wenig ausquetschen.“

Corvin sah mich an, er überlegte, ob er mir einen solchen Auftrag erteilen konnte. Offensichtlich vertraute er mir nicht. Vater schüttelte den Kopf, seine Meinung war damit geklärt. Peer trat vor, „Es ist eine geringe Chance etwas herauszufinden.“

Für einen Leibwächter überschritt er gerade seine Kompetenzen. Weder Vater, Henry noch Corvin störte sein Benehmen, ja warfen sie denn alle Regeln über Bord?

Corvin betrachtete mich, er schmunzelte leicht, „Ja, hören wir auf den Rat unseres Freundes. Wann soll Ciaran die Gelegenheit bekommen?“, wandte er sich an Peer. Ich schluckte hart, die Worte galten mir! Peer gehörte demnach zu Corvins Freunden, wieder eine Neuigkeit.

„Heute Abend! Das Bad lädt dazu ein. Sarah kann Henry begleiten, das stört dich doch nicht?“

„Mich?“, fragte Henry überrascht, „Überhaupt nicht, ich habe noch nie Schwierigkeiten gehabt meinen Körper nackt zu zeigen.“ Grinste er mich lüstern an. Vater zog die Stirn in Falten, „Ich werde …“

„Nein Vlad!“, unterbrach Peer meinen Vater. „Wir wollen Ciaran eine Chance geben, ihn nicht verscheuchen.“ Alle stimmten ihm zu, ich wollte es ihnen beweisen, Vater und Corvin sollten sehen, das ich weder ein kleines Kind war, noch ihr Misstrauen verdiente.

Also legten Henry und ich uns auf Lauerstellung, wir wollten vor Ciaran im Bad sein. Da Henry eine Etage höher als Ciaran wohnte, warteten wir im Erdgeschoss. Peer und Matt sollten uns ein Zeichen geben. Kahlaf und Corvin hielten sich ebenfalls im Erdgeschoss auf, sie unterhielten sich mit Theodoric.

Inazinus saß schweigend bei ihnen, jedes Wort verfolgend. Während Henry und ich unterhalb der Treppe im Schatten warteten, sollte jemand einen genauen Blick in die Ecke werfen, wäre der Plan gescheitert. Damit dies nicht geschah, wartete Merkur nahe unseres Versteckes um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Die Badesachen unter dem Arm geklemmt, übten wir uns in Geduld, bis Matt uns das verabredete Zeichen gab. Henry vor mir ging zügig voran, während ich als Leibwächter einen Schritt hinter ihm ging, ganz wie das Protokoll es verlangte. Es war schon seltsam, nach außen hin achtete das Trio penibel auf die Einhaltung der Etikette, hinter verschlossenen Türen dagegen, gab es derartige veraltete Richtlinien nicht.

Henry sagte mir, Peer und Corvin seien schon lange befreundet, als ich ihn danach befragte. „Es liegt an Corvin, er zieht die seltsamsten Charaktere an, meistens die freiheitsliebenden, sieh mich an.“ Lächelte Henry, „Vor ungefähr fünfhundert Jahren, lernten wir uns kennen, seitdem bin ich bei ihm. Dein Vater noch früher, auch Rosmerta und Diederich.

Er bindet uns an sich auf eine subtile Art und Weise, eines Tages bemerkt man, das man seiner Horde angehört, ohne jemals dazu eingeladen worden zu sein.“ Packte er seine Badeutensilien ein. „Ja und dann, dann will man nicht mehr fort. Die Bindungen sind stark, gerade weil man freiwillig dazugehört.“ Er seufzte: „Hoffentlich sind sie stark genug, um die kommenden Schwierigkeiten zu meistern.“ Sah er mich mit sorgenvollem Gesicht an. Er sah aus, als wolle er noch etwas sagen, leider klopfte es in diesem Augenblick.

„Die Luft ist rein, seid ihr soweit?“, fragte Matt und nun gingen wir zum Bad.

Ein Bad, das an den Gesellschaftsräumen anschloss, sehr merkwürdig. Kein Gemach besaß ein separates Badezimmer, es gab nur das Eine, das wir nun aufsuchten. Als wir den Bereich betraten, verstand ich warum.

Ein weiter Raum mit Bänken in der Mitte und Schränken an den Wänden lag vor uns. Die Fliesen unter meinen Füßen strahlten eine angenehme Wärme aus, „Hier ziehen wir uns um.“ Erklärte Henry, ohne einen Blick auf die Decke zu werfen, die mit Freskos gestaltet war. Überall nackte Menschen, ich verbesserte mich, Vampire, die mit ausgefahrenen Zähnen ihrer Lust nachgaben. Leiber aneinandergeschmiegt in eindeutigen Stellungen. Eine Orgie der Sinnlichkeit.

„Kommst du?“, trat Henry auf den nächsten Raum zu. Schnell schloss ich meine Kleidung in einen der Schränke ein, nur mit einem Handtuch bekleidet folgte ich Henry, „Kennst du diese Art des Badens?“, wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf.

Der Saal erschien größer als der vorherige, Dampfschwaden waberten um meine Knöchel. „Als erstes Duschen wir, danach kannst du dich massieren lassen, in die Sauna gehen oder falls dir danach ist, einen der Räume aufsuchen.“ Deutete er vage nach rechts, dabei lächelte er spitzbübisch, „oberhalb des Eingangs, erkennst du die jeweilige Art des Vergnügens.“

Ich sah hinauf, ein männliches Wesen lag zwischen den Schenkeln eines weiblichen Wesens. „Natürlich kann man die Position ändern, falls beide einverstanden sind. Du solltest nur nicht vergessen das weibliche Symbol abzudecken, jeder Mann weiß dann das dort eine fame fatal auf ihn wartet. Andersherum genauso!“

„Ein außergewöhnliches Arrangement!“, wusste ich nicht mehr zu sagen. „Was ist, wenn mir der Typ der eintritt, nicht passt?“

„Das ist ein Risiko, deshalb sollte man sich vorher verabreden, es erspart dir eine böse Überraschung.“ Funkelten seine Augen amüsiert, „Dort in dem Raum, kann man sich den laufenden Vergnügungen anschließen.“ Ich fragte nicht genauer nach, woraus diese bestanden, ein Blick auf die ausladende Lustwiese reichte vollkommen aus.

„Dann wollen wir weiter“, hielt Henry auf den nächsten Raum zu, „Dieses Bad dient zur Erholung, des Spielens und der Unterhaltung, sämtliche Arten der Zärtlichkeiten sind hier verboten.“

Nun das überraschte mich, schaute ich mich um, die Wände und Decke zeigten unschuldige Szenen. Zwar nackte Körper, aber wie Henry bereits erklärte, wiesen sie auf entspannende Tätigkeiten hin. Ich beugte mich hinunter, streckte die Hand in das klare Wasser, es war warm.

„So, lass uns duschen. Ich denke, ich brauche unbedingt eine Massage.“

„Was ist meine Aufgabe, wenn du dich massieren lässt?“, wollte ich wissen, den Masseur beobachten kam mir ein wenig lächerlich vor, denn dieser wurde unter Garantie mit Bedacht gewählt.

„Du bleibst einfach in meiner Nähe, natürlich kannst du Duschen und ins Bad gehen, sollte ich eine der Kabinen aufsuchen, bleibst du draußen.“ Ich musste grinsen, „Das wird häufiger vorkommen nehm ich an.“

„Du irrst! Ich habe keineswegs vor, die Angebote zu nutzen.“ Erklärte er aufgebracht.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte ich stutzig geworden, er verhielt sich äußerst seltsam.

„Wir sind hier um etwas zu erreichen und nicht um der Lust nachzugehen!“, dazu schwieg ich lieber, vor gar nicht langer Zeit, konnte er Beides sehr gut miteinander vereinbaren.

Die Duschen erinnerten mich an die Lager, in denen wir lebten, als wir mit dem Clan umherzogen. Es gab keinerlei Privatsphäre, sie dienten lediglich zur Reinigung des Körpers, ungewöhnlich bei all der Pracht, die in den anderen Räumen herrschte.

Kapitel 21

Während Henry sich einer Massage unterzog, konnte ich mich in Ruhe umsehen. Vereinzelt kamen Vampire, hauptsächlich Krieger, die schnell duschten, ohne sich lange aufzuhalten. Dann spürte ich, dass mich jemand beobachtete, ein schneller Blick in die Runde und ich erkannte den Späher. Ciaran! Er musterte mich unverhohlen, diesmal begleitete ihn einer seiner männlichen Leibwächter. Desinteressiert drehte ich ihm den Rücken zu, wenn ich ihn richtig einschätzte, zog er die Jagd vor, nun heute spielte ich das scheue Wild.

Ciaran nahm die Dusche, die mir am Nächsten war, durch eine kleine unauffällige Bewegung konnte ich ihn betrachten. Eindeutig Ciaran war sehr von sich eingenommen. Nun ja, sein Körper sprach für sich, es gab kein Gramm Fett an ihn, er trainierte regelmäßig, verriet sein Muskelspiel. Die langen Beine passten zur schmalen Hüfte und dem breiten Kreuz. Sein Schamhaar wies eine rötliche Farbe auf, das keineswegs zu dem dunkelblonden Haar passte. Färbte er sich das Haar? Was eine gewisse Eitelkeit voraussetzte.

Fakten, ich sammelte Fakten, während ich ihn betrachtete, sein hervorragend gebauter Körper sprach mich an, was meine Aufgabe erleichtern sollte, redete ich mir ein. Natürlich gehörte ich keineswegs zu jenen Vampiren, die ihrer Lust nachgaben, redete ich mir weiter ein.

Wie ich richtig vermutete, gehörte Ciaran zu den Jägern, es dauerte nicht lang, da streckte er sich auf die Liege neben Henry aus.

„Selina behauptet nach wie vor, dein sei Mädchen gefährlich.“ Begann er mit Henry ein Gespräch, der öffnete träge die Augen. „Mein Mädchen? Du irrst dich Ciaran, sie ist lediglich mein Leibwächter.“ Schloss er wohlig stöhnend die Augen.

Ciaran gab keinesfalls so leicht auf, er verfolgte ein Ziel. „Sie ist sehr jung, kaum geeignet für die schwierige Aufgabe, dich zu schützen.“

Seufzend gab Henry dem Masseur einen Wink, der gleich aufhörte Henry durchzuwalken. „Willst du damit andeuten, ich werde schlecht geschützt? Eines will ich dir sagen Ciaran, ich vertraue meinen Leibwächtern blind, gerade ihr! Sei also vorsichtig mit irgendwelchen Andeutungen, der Schuss könnte nach hinten losgehen.“ Entrüstet stand Henry auf.

„Entschuldige!“, sprang nun auch Ciaran auf, „So war es nicht gemeint.“

„Wie denn dann?“, wollte Henry den Beleidigten spielend wissen. Ciaran wusste darauf nicht zu antworten, er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, schließlich meinte er, „Ich bin nur neugierig, da die Kriegerin sehr jung ist.“

„Das hat nichts zu bedeuten.“ Befestigte Henry sein Handtuch um die Hüfte, keinerlei Interesse an Ciaran´s Entschuldigungen. „Komm wir gehen ins Bad, ich muss mich entspannen.“

Ciaran unternahm einen erneuten Versuch, „Ich hoffe, du bist nicht beleidigt. Darf ich dich begleiten?“, Ciaran sah wartend auf Henrys Rücken.

Henry unterdrückte sein Grinsen und meinte unwirsch, „Das Bad ist für jeden zugänglich, ich kann es dir kaum verwehren.“ Damit ging er hinüber zum Bad. „Bleib am Rand stehen.“ Befahl er mir brüsk.

Warum pflaumte er mich denn jetzt an? Ich dachte, es lief gut und nun verbannte er mich an den Rand. Er blieb eine halbe Stunde im Wasser ohne ein weiteres Wort mit Ciaran zu wechseln. Danach zogen wir uns schweigend an und gingen hinauf in das zweite Geschoss. Nachdem ich die Tür hinter uns schloss, machte ich meinen Ärger Platz. „Warum?“, stellte ich ihn zur Rede.

„Warte einen Augenblick.“ Deutete er an mich zu setzen, was ich ganz bestimmt nicht tat, dazu fehlte mir die Ruhe. Kurz darauf erschien Corvin, „Nun?“, sah er uns erwartungsvoll an.

„Nichts!“, warf ich Henry einen bösen Blick zu. Corvin musste nicht erst nachfragen, „Was ist los?“, fragte er Henry.

„Ganz einfach, unser Ciaran sucht eine neue Bettgespielin.“

„Das ist doch an den Haaren herbeigezogen!“, behauptete ich aufgebracht.

Henry lächelte, „Ich kann durchaus beurteilen, was er will. Er ist scharf auf unser Mädchen!“

„Woher willst du das wissen? Er hat kein Wort mit mir gesprochen.“ Ich fühlte mich im Recht, Henry hatte es versaut.

Er sah es jedoch anders, „Ich habe die Beiden beobachtet“, sagte mein verräterischer Freund, „Ciaran nahm die nächstgelegene Dusche und ließ Sarah die Aussicht genießen, was sie auch gründlich tat. Er selbst konnte kaum sein Verlangen verbergen. Ich war nur froh das Sarah zumindest mit einem Handtuch bekleidet war.

„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ich habe lediglich Fakten gesammelt, er färbt sich das Haar!“, fühlte ich mich genötigt mich zu verteidigen.

Henry grinste nun unverhohlen, „Sicher es ist sehr wichtig zu wissen, wer sich sein Haar färbt!“, machte er sich über mich lustig. „Gib es ruhig zu, du warst sehr angetan von dem, was er zu bieten hat.“

„Mein Gott er sieht gut aus, da darf man ja mal schauen.“ Stotterte ich vor Verlegenheit rot werdend.

„Naja“, erwiderte Henry, „erhöhter Herzschlag gepaart mit flacher Atmung, das sagt doch alles.“ Ich hätte ihm den Hals umdrehen können.

Corvin sah uns den Rücken zugewandt aus dem Fenster, „Ich verlass mich auf Henry Intuition. Danach hat Ciaran also ein rein persönliches Interesse an deinen Leibwächter.“, wie er das sagte, als sei ich ein Stück Fleisch.

Henry nickte, als ob Corvin dies sehen konnte, aber er erwartete keine Antwort. „Gut! Sarah solltest du zu Ciaran eine intime Beziehung aufbauen, möchte ich dich daran erinnern kein Wort über unser Vorhaben verlauten zu lassen. Das wäre es dann!“, mit diesen Worten wurde von mir erwartet mich zu verziehen, schweigend ging ich hinaus.

„Na wie lief es?“, wollte Peer wissen, er stand auf dem Boss wartend im Flur.

„Gar nichts lief! Was ihr nur alle denkt!“, fauchte ich ihn an, Peer schnaufte ungehalten, als wolle er mich zurechtweisen, kam jedoch nicht so weit, denn Corvin kam heraus. „Peer wir müssen ans Tor, wie es aussieht, kommt das nächste Ratsmitglied. Benachrichtige Vlad!“, ich sah zu Henry, der keinerlei Anstalten unternahm, ihm zu folgen. „Ihr bleibt hier!“, befahl Corvin frostig.

Was hatte ich denn nun angestellt? Nur weil ich einen Vampir anziehend fand? „Sarah!“, rief Henry mich. „So da haben wir den Schlamassel. Wir haben versagt und Corvin ist wütend auf uns. Zur Strafe haben wir Stubenarrest. Darf ich dir eine Frage stellen?“

Unsere Strafe ging bis zum nächsten Abend, ich schwöre noch eine Stunde länger, wir hätten uns gegenseitig umgebracht. Als Matt uns endlich befreite, flüchtete ich hinaus an die Luft. Ich war es nicht gewohnt, mit ein und derselben Person über Stunden auf engsten Raum zu verweilen. Besonders da diese Person mich mit Fragen löcherte, mit Annahmen spekulierte und seine Resultate wider jeglichen Vernunft zusammenreimte.

So stürmte ich hinaus, auf den verdammten gepflegten Rasen, hinein in den Wald, der verflucht noch mal viel zu schmal war. Warum wurde ein schmaler Streifen als Wald angelegt? Ich musste hier raus, sofort und unverzüglich. Stürmte ich zum Tor, die Typen die dort Wache hielten, wagten es tatsächlich, bei irgendjemandem nachzufragen, ob ich das Gelände verlassen durfte. Schließlich öffneten sie das Tor ein Stück, hastig schlüpfte ich hindurch, lief blind die Straße weiter, nur eines im Sinn, so weit wie möglich fort von Henry zu kommen.

Mein Freund, ha das ich nicht lachte! Von wegen Freund, ein Folterknecht, er nutzte die Situation schamlos aus, nur um wie er sagte die Tiefen meiner Seelenqual zu ergründen. Welche Seelenqualen? Bisher litt ich nur unter einer Qual, die Neugier meines angeblichen Freundes.

Ja genau, Henry tickte nicht mehr ganz richtig! Er! Er der Volksbefruchter aller Nationen verzichtete einfach so mit einem Fingerschnalzen auf die körperliche Lust. Damit nicht genug hielt er mir einen Vortrag, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen sollte.

Die Straße, auf die ich einbog, quoll über von Touristen, ich konnte im Moment keine Menschen um mich haben. In einer Seitengasse kletterte ich auf das nächstgelegene Dach. Endlich atmen, frei atmen! Lief und sprang ich Schutz nehmend, um nicht gesehen zu werden über die Dächer Granadas.

An einem erhöhten Punkt erkannte ich, wo ich war, nahe der Alhambra. Ohne darüber nachzudenken, machte ich mich zur Alhambra auf, ich kannte einen Weg, um ungesehen hineinzugelangen. Ja dort in den Gärten, bei den beruhigenden Wasserspielen, würde ich die Ruhe finden, die ich suchte. Dort wollte ich meine Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen. Ich wusste, es war nicht Henrys Schuld, wusste was ich mir Verbot zu denken, zu fühlen.

Trotz meines inneren Aufruhrs sah ich ihn. Unverkennbar er folgte mir, ohne sich zu bemühen Ungesehen zu bleiben. Also blieb ich stehen und wartete.

Als Ross herankam, sagte er kein Wort, sondern deutete mir an, ihm zu folgen. Er schlug genau den Weg ein, den ich nehmen wollte. Die Mauer stellte für Menschen ein unüberwindliches Hindernis da, für uns eine Kleinigkeit.

„Dort entlang!“, sagte Ross leise, noch befanden sich Menschen in der Alhambra, Ross stieg über ein Absperrband, dahinter lag eine Treppe, die hinaufführte. „Sei vorsichtig, die Stufen sind beschädigt.“ Er öffnete eine Stahltür, die völlig deplaciert wirkte. „Sie renovieren diesen Teil.“ Klärte er mich auf, dabei ging er weiter, ich staunte, wie gut er sich auskannte. Selbstsicher führte er mich durch Räume, sogar einen Gang entlang, den ich bisher nicht kannte. Dabei wohnte ich einige Zeit in Granada und nutzte jede nächtliche Gelegenheit, die Gärten und Bauten zu durchstreifen.

„Rosmerta verriet mir die Lage des Ganges.“ Erklärte er unaufgefordert. Die Passage endete mit einer weiteren Tür, die Ross mühelos aufschob. „Wir müssen uns links halten, sei vorsichtig, der Grat ist schmal.“

„Was willst du hier?“, warum folgte er mir? Warum stellte ich mir die Frage nicht früher? Was wollte er?

„Gleich beantworte ich deine Fragen, falls es notwendig ist.“ Ging er mit sicheren Schritten weiter, wider besseres Wissen folgte ich ihm, nun neugierig, was er auf dem Dach wollte. „So hier sind wir ungestört, bis die Touristen das Gelände verlassen.“

„So?“ Die Wachmannschaft, Gärtner und Angestellte vergaß Ross offensichtlich.

„Du bist skeptisch wie immer. Wofür sind wir Vampire, ein paar Wachmänner sollten ja kein Problem darstellen.“ Er sah mich gespannt an, „Henry bat mich, dir zu folgen.“ Sagte er leise, „Er, hörte sich besorgt an.“

„Kann ich mir denken.“ Mehr wollte ich nicht sagen, das ging Ross wirklich nichts an.

Er wartete eine Weile, „Nun denn, du kannst die Nacht hier verbringen, falls du magst. Ich bin in der Nähe und halte dir die Menschen vom Leib.“

Das war mehr als ich erwarten konnte. „Danke Ross.“ Er nickte und machte sich auf, „Falls du reden möchtest, ruf mich einfach.“ Sagte er leise, sehen, konnte ich ihn nicht mehr.

Mir wurde die Lächerlichkeit meiner Situation bewusst. Erst gefangen in Henrys Gemach, nun auf dem Dach eines Gebäudes, dabei wollte ich mich nur bewegen. Das Laufen half mir meine Gedanken zu ordnen. Ziellos ließ ich den Blick über Granada schweifen, wenigstens die Weite ließ mich denken frei zu sein.

Es war ein Fehler hierher zu kommen, mein Fehler. Dafür eignete ich mich nicht, die Enge in der sie lebten, jede Sekunde unter Beobachtung stehend, auf jedes Wort zu achten, selbst auf rein körperliche Reaktionen. Nein das war definitiv nicht meine Welt. Was nun?

Sei ehrlich! Vulpe sei ehrlich, ermahnte ich mich. Du kennst dieses Leben auf engsten Raum. Warum macht es dir ausgerechnet in Granada auf diesem weitläufigen Anwesen etwas aus?

Sei ehrlich Vulpe, weder liegt es an dem Standort noch an dem Gebäude, es liegt an einem verdammten Vampir. Egal wo er auch weilt, in seiner Nähe bist du nicht du selbst. Das ist es, was dich beunruhigt.

Sei ehrlich Vulpe, analysiere, warum er dich aus dem Gleichgewicht bringt. Vor mir entstand der Moment, als Henry mit seiner Erklärung endete. Er stand uns den Rücken zugekehrt da, ja es machte mir etwas aus, das er wusste, wie ich auf Ciaran reagierte. Es machte mir etwas aus, wie distanziert er zuhörte. Nichts! Er zeigte keinerlei Reaktion, genau diese fehlende Reaktion mich traf, den Schmerz, die Enttäuschung, eine Hoffnung, die unbewusst keimte, zerstob unter seiner Gleichgültigkeit.

Henry sah es, verstand es sogar, wie ich jetzt zugeben musste. Aus diesem Grunde quälte er mich, „Warum Sarah ist es dir wichtig wie Corvin reagiert?“, forderte Henry eine Antwort, auf die ich keine wusste.

Henry schon, so ungeheuerlich lautete sie, verband sie mich doch mit jener, deren Namen ich annahm. Jener Frau, schwach in ihrem menschlichen Körper. Sie ließ sich von einem Ereignis zum Nächsten treiben. Erst ihr Onkel, dann Corvin, wann kämpfte sie jemals? Sie ergab sich in ihre Rolle, dafür konnte ich kein Verständnis aufbringen. Nie wollte ich so sein, ihre Fehler sollten nicht die meinen werden. Und dennoch! Geschah genau dies, gegen meinen Willen begann ich, für Corvin Sardovan Gefühle zu entwickeln.

Blödsinn, im Grunde suchst du nur Ersatz für Pierre. Er hat dich abserviert, deine Eitelkeit benötigte ein paar Schmeicheleien. Ja mehr nicht, das wars!

Sei ehrlich Vulpe! Corvin streichelte nie dein Ego, im Gegenteil er traut dir nicht, hat es nie getan. Die zwei Nächte bedeuteten ihm nichts, er suchte lediglich den Körper jener Frau, der einst darin lebte. Das hat nichts mit dir zu tun und du Esel beginnst dich in ihn zu verlieben. Warum? Suchte ich nach einer Begründung, weil der Sex mit ihm dich unbeschreiblich befriedigte? Weil du dich in seinen Armen sicher fühltest? Weil du dir vorkamst die Einzige zu sein, nach der er verlangt? Du gabst dich einem Trugbild hin. Für ihn bist du ein billiger Abklatsch, so sagte er doch.

Aber warum sagte er dann, wir hätten eine Beziehung, meldete ein dünnes Stimmchen der Hoffnung berechtigten Zweifel an. Ganz einfach, um dich zu verschrecken, er wollte verhindern, dass du mit nach Granada reist, antwortete die Vernunft.

Himmel noch mal! Langsam verlier ich den Verstand, jetzt suche ich schon Gegenargumente. Zähl die Fakten zusammen Vulpe. Du bist verliebt in einem Vampir, der sie keineswegs erwidert. Zudem unterhält er eine Beziehung zu Alischa, deiner Großmutter. So einfach! Deine Aufgabe besteht darin, ihn und seine Freunde zu schützen. Mehr nicht!

Seine Aufgabe ist es, den Rat neu zu formen, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Dazu gehörst auch du Vulpe, berührte ich die Kette, die ich trug, seitdem Intha mir das Geschmeide anlegte.

Welche Aufgabe dahinter steckte, wusste ich nicht zu sagen, aber ich wollte sie erfüllen, zum Wohle unseres Volkes. Intha musste gute Gründe haben sie mir zu geben, denn ich zweifelte nicht das sie einst Ambrosius gehörte, das er lebte … nun ja, da überwog meine Skepsis.

Du schweifst ab, Vulpe. Corvin und deine kleine Schwärmerei, damit solltest du dich auseinandersetzen.

Auf keinen Fall durfte ich mich dadurch in meiner Arbeit beeinflussen lassen, und wie bekämpft man die Irrwege die man beschritten hat? Ganz einfach mit einer neuen Flamme! Lächelte ich stolz über meine Logik. Wer kam infrage? Ciaran! Er gehörte zwar der gegnerischen Partei an, doch man musste ja nicht über Politik reden. Außerdem kam Pierre bald, wer weiß, vielleicht konnte ich an alte Bande knüpfen. Corvin Sardovan ist Vergangenheit und so sollte es bleiben, man muss das Unkraut an der Wurzel packen, um die Verbreitung zu verhindern. Genau das gedachte ich zu tun.

Viel ruhiger begab ich mich in die Gärten und schlenderte die abseits gelegenen Wege entlang, die Überwachungskameras meidend, bis ich auf Ross traf, der für jeden sichtbar hochaufgerichtet auf der Wehrmauer stand. „Man wird dich sehen.“ Sah ich mich nach einer etwaigen Gefahr um.

„Alischa ist in Granada angekommen!“, sagte Ross, als würde das seine Unvorsichtigkeit erklären. Er sah weiterhin in das Tal, das sich unterhalb des Berges erstreckte.

Ich sah an der steilen Wand hinunter, „Das war vorherzusehen, sie gehört dem Rat an.“ Inspizierte ich das Gelände, das mir seltsam bekannt vorkam. Das lang gestreckte Gebäude mit den zwei Seitenflügeln. Der düstere Streifen, der sich parallel des Gebäudes zog, ich schnappte überrascht nach Luft, „Das ist das Quartier!“

Wie? Ich überlegte, welche Wege ich einschlug, zuerst hastete ich kopflos, blind für die Geografie durch die Straßen. Die Menschenmassen nahmen zu, ich wich auf die Dächer aus. Ja es konnte möglich sein, in einem weiten Bogen hetzte ich um die Alhambra.

Von unten sah man die steilen Wände. Nun verstand ich, warum Ross sich hier so gut auskannte, einen besseren Überblick gab es nicht. Er war nahe genug, um zu spüren, wer sich wo aufhielt, konnte er die Gefühle, der dort unten einquartierten Vampire erspüren? Wenn ja blieb ihm nichts verborgen.

„Du darfst Alischa und ihrem Gefolge nicht vertrauen. Niemand darf es, sag Corvin sie planen etwas, aber ich komme nicht dahinter. Noch nicht!“

„Ist gut!“

Er sah mich an, „Pass auf deinen Vater auf, er neigt zuweilen zu impulsiven Handlungen, wenn seine Mutter ihn reizt. Nirfa und Igraine weilen seit gestern in Granada. Die Stadt platzt bald vor Vampiren, sie haben ihre Krieger überall verteilt, das erschwert meine Aufgabe, sie zu überwachen. Malech soll seinen Clan informieren, sie wissen, was zu tun ist.“

Ich nickte und wollte mich auf den Weg machen. „Sarah“, hielt Ross mich auf, „Achte auf dich, ich spüre Wut, die von Alischa ausgeht und ich glaube sie hat erfahren, wer auf der Festung auf euch wartet.“

„Prya?“ Er nickte, „Aber wie?“

„Prya hat kein Geheimnis daraus gemacht, wer sie ist, Spione lauern überall. Mich macht die Wut stutzig, die Alischa empfindet. Ich hörte, sie neigt dazu, dich auf ihre Seite zu ziehen. Sie ließ dich beobachten und hielt Abstand, anscheinend wurde durch Prya alles verändert.“

„Einmal hat sie es bereits versucht“, erzählte ich ihm.

Ross lachte kalt, „Nichts als ein plumper Versuch. Pass auf dich auf, jede Geste, jedes Wort könnte dein Verhängnis werden, du bist nun entbehrlich. Verstehst du?“

Und ob ich verstand, in Prya sah sie einen Menschen, den sie beeinflussen konnte. Das musste Corvin unbedingt erfahren, um mich machte ich mir weniger Sorgen, ich konnte mich verteidigen.

„Nimm es nicht auf die leichte Schulter.“ Warnte Ross.

„Mach ich nicht, ich werde ein unauffällig rechtschaffener Krieger sein. Halte meinen Mund und stehe hinter Henry, wie von einem Leibwächter erwartet wird, das bekomme ich hin.“

„Auch wenn Alischa schlecht über deinen Vater redet? Sie wird jeden Trick anwenden, um deine Maske der Gelassenheit zu zersprengen.“

„Da ich nun gewarnt bin, werde ich mich entsprechend verhalten.“ Ross sah mich skeptisch an, „Ich kenne euer Temperament, Vlad und du noch mehr, lasst euch davon leiten, dir fehlt Gelassenheit.“

„Woher willst du das wissen?“, schließlich kannte er mich kaum.

„Ich erkenne einen besonnenen Charakter.“ Beharrte er auf seine Meinung.

„Solch ein Urteil kannst du dir nicht erlauben!“, fuhr ich ihn an, er lächelte zufrieden, „Siehst du! Kaum kratze ich an deinem Ego, schnauzt du mich an.“

„Das ist was ganz anderes!“, meinte ich stur, ich wollte bestimmt nicht zugeben das er recht hatte. Er grinste sowieso schon überheblich.

„Du bist gewarnt, mehr kann ich nicht tun.“ Gab er auf, „Oder doch wende dich an Merkur.“

„An Merkur? Der sagt nur eines!“

„Eben! An ihm kannst du dir ein Beispiel nehmen.“

Na toll auch! Ausgerechnet Merkur, der gerade Mal drei Worte herausbrachte und damit jeden auf die Palme brachte. Eigentlich gar nicht dumm, deshalb grinste er wahrscheinlich ständig.

Nun es gehörte zu ihm, ich war anders und musste meinen Senf beitragen. Als Leibwächter stand mir keine Meinung zu, nur wenn mich jemand verbal angriff, durfte ich mich verteidigen. Nun ja, eigentlich lag die Sachlage hier in Granada ein wenig anders. Was also sollte ich tun?

Mit dem Problem beschäftigt, lief ich durch die nächtlichen Straßen. Bald erreichte ich das Tor zu dem Anwesen, die Krieger ließen mich ungefragt hinein. Ich grüßte sie kurz und ging auf den Waldstreifen zu.

Am Rande erwartete mich ein mir fremder Vampir, „Du sollst dich direkt bei Henry melden, er hält sich in Vlads Räumen auf.“ Von einem Fremden nahm ich bestimmt keine Befehle entgegen. „Wer bist du?“, fragte ich ihn musternd.

„Du erkennst mich nicht? Stell dir einen bärtiges, langhaariges Unsel vor, angeblich voller Mitbewohner.“ Grinste der Typ mich frech an, „Malech? Was ist mit ihm, haben die Flöhe ihn aufgefressen?“

„Na danke auch, ich hatte keine Flöhe!“, nun starrte ich ihn an, er sollte Malech sein? Kaum zu glauben und doch die Stimme kam mir bekannt vor, zweifelte ich und das vollkommen berechtigt. Kein Vampir konnte sein Äußeres dermaßen verändern. Also kümmerte ich mich nicht weiter um den Kerl und ging meines Weges.

Henry fand ich tatsächlich bei Vater, nachdem ich den halben Palast abgesucht hatte. Nicht nur Henry, auch Corvin saß in einem gemütlich aussehenden Sessel, und dort hinter ihm stand der Typ, dem ich am Waldrand begegnete. Irritiert sah ich ihn an, während ich dem Trio Bericht erstattete.

Henry fiel mein Erstaunen auf, „Du erkennst Malech doch wieder? So sieht er aus, wenn er nicht gerade als Vagabund herumläuft.“ Er und Malech amüsierten sich köstlich über mein Gesicht.

„Henry!“, ermahnte ihn Corvin, „War das alles?“, wollte er von mir wissen, was ich bejahte. „Malech?“, wandte sich der Boss an dem hinter ihm stehenden.

„Kein Problem, ich muss nur einen Anruf tätigen.“ Das tat er auch gleich.

„Nun“, meinte Corvin, „Meine Tochter ist auf der Festung sicher verwahrt.“ Runzelte er die Stirn.

Seine Tochter soso … stellte ich mich unauffällig zu Matt, nicht unauffällig genug, denn gleich darauf wurde ich fortgeschickt, mein Dienst begann erst in einigen Stunden.

Also bekam ich die Tagschicht! Eigentlich wären mir die Nachtstunden lieber gewesen. So bereitete ich mich auf den Tag vor und löste Matt pünktlich ab. Der Tag verstrich ohne besondere Vorkommnisse, weder Nirfa, Igraine noch Alischa ließen von sich hören.

Die Nacht verbrachte ich wieder außerhalb des Anwesens, so entging mir der Einzug Alischas und Igraine´s die mit einem Aufgebot anreisten, so teilte mir der Krieger mit, der mir das Tor öffnete. Laut seines Berichtes soll Alischa mit ihrem gesamten Gefolge angereist sein. Sie bestand auf ihre Zofen und Leibwächter, was zu einer Auseinandersetzung mit Corvin und Vlad führte.

Daraufhin drohte sie sofort abzureisen, was Vlad ihr freistellte, mit der Bemerkung, sicher bald Ersatz für sie gefunden haben würde. Der Krieger lächelte hämisch, „Da hat sie dann schnell den Mund gehalten.“

„Und Igraine?“

„Oh der hat sich an die Abmachungen gehalten, kein Problem.“ Nun fehlte noch Nirfa, dann war der Rat vollständig und damit konnte der Boss, in den Rat gewählt werden.

Wie sehr ich mich irrte, Nirfa reiste mittags an. Sie schockierte mich auf eine Weise, die mir völlig unbekannt war. Ungewöhnlich klein von Statur dazu gertenschlank trug sie ihr braunes langes Haar offen. Mit Jeans, Shirt und derben Schuhwerk kam die kleine Person durch das Tor marschiert, ihr folgten zwei weibliche Vampire und ein düster aussehender Gesell.

Sie redete zu laut, sie lachte zu laut, ihre Gestik zu ausschweifend man musste zu ihr einen Sicherheitsabstand halten, ansonsten geriet man mit ihren herumfliegenden Körperteilen in Berührung. Sie nahm keinerlei Rücksicht, später kam ich dahinter, das sie mit Wonne einige angeblich unbeabsichtigte Schläge verteilte.

Aber nun zurück zu ihrer Ankunft, sie schritt also mit ihren kurzen Beinen weit aus, redete und lachte dabei grüßte sie alle reihum. Wie gesagt verteilte sie dabei einige Treffer, die sie geschickt tarnte. Ihr Redefluss nahm kein Ende, und als sie bei Henry anlangte, sah sie an ihm vorbei, mich an, „Sarah Sardovan!“, trat sie auf mich zu. Es Henry überlassend, aus dem Weg zu springen oder von der kleinen Dampfwalze niedergemäht zu werden.

„Ein hübsches Gesicht!“, sprang sie mich regelrecht an und drückte mir ihre Lippen auf den Mund. Erstarrt ließ ich den Angriff über mich ergehen.

„Durch und durch hetero veranlagt schade.“ Meinte sie bedauernd und sah sich um. Ihr Blick fiel schelmisch auf Ciaran, hielt ich für ein abgekartetes Spiel. „Gar nicht so schlecht deine Wahl. Vielleicht ein bisschen zu zahm, du benötigst einen fordernden Liebhaber.“ Glitt ihr Blick suchend über die Vampire.

„Nach meiner Einschätzung solltest du mit ihm oder ihm“, deutete sie auf verschiedene Vampire, „vorliebnehmen, die können deine Bedürfnisse stillen.“ Dann wandte sie sich Henry zu, der abwehrend die Hände hochhielt, „Springst du mich an Nirfa …“ sie lachte keck, „Keine Bange, deine Vorlieben kenn ich.“

Völlig verdattert wagte ich es nicht, hochzuschauen. Was für eine unmögliche Person! Henry klärte mich auf, „Nirfa erspürt durch Körperkontakt deine sexuellen Vorlieben und mit wem du bereits …“ ich unterbrach ihn, „Danke das reicht!“

Vater stand stirnrunzelnd inmitten einer Traufe von Vampiren, er ging seinen eigenen Gedanken nach, dabei nahm er die Auserwählten Nirfa´s besonders in Augenschein.

Oh nein, Vater sondierte etwaige Liebhaber aus, unter Garantie kam eine ausführliche Befragung auf mich zu. In dieser Hinsicht stand er Rosmerta in nichts nach, kein Vampir war gut für mich, dabei wollte ich nichts anderes als den Boss zu vergessen. Die zwei Nächte, die ich mit ihm verbrachte, Himmel Sarah denk an was anderes!

Trotzdem warf ich einen Blick zu ihm hinüber. Er hörte einem weiblichen Vampir zu, die mit leicht geröteten Wangen seine Aufmerksamkeit sichtlich genoss. In diesem Augenblick wandte er sich mir zu, in seinen Augen stand ein wissendes Lächeln, schnell sah ich woanders hin.

Henry grinste vergnügt, „Ich bin gespannt, wer als Erster seine Selbstbeherrschung verliert. Er oder Du!“

„Du irrst dich, Henry! Der Boss ist Tabu! Außerdem scheint die Gesellschaft sich nach der Kühle der Halle zu sehnen.“ Machte ich ihn auf den allgemeinen Aufbruch aufmerksam.

„Ja, jetzt geht es los, die langen Verhandlungen werden fortgesetzt. Ich hoffe, sie werden Corvin bald in den Rat wählen.“ Seufzte er überdrüssig.

„Meinst du, sie werden es hinauszögern?“ Henry nickte und sollte recht behalten. Nach drei Monaten gab es noch immer keine Mehrheit. Alischa sprach sich gegen den Boss aus. Es wurde gemunkelt, sie stimmte solange gegen Corvin, bis sie ihren Willen bekam. Was sie wollte, darüber gingen die Gerüchte auseinander. Denn was im Ratssaal geschah, blieb hinter verschlossenen Türen, kein Wort drang über die Lippen der Mitglieder. Was seltsam anmutete, bei dem Tratsch der im Palast herrschte.

Kahlaf und Nirfa schäumten vor Wut, auch die anderen Ratsmitglieder distanzierten sich einstimmig von Alischa. Sie aber verspritzte ihr Gift, wo sie nur konnte, ihr besondere Aufmerksamkeit galt meiner Person.

Sobald sie meiner ansichtig wurde, ging es los. Nicht nur Vater beleidigte sie, nein sie zweifelte meine Abstammung an, mein Können als Krieger und Leibwächter, meine Loyalität, die ich nach ihrer Meinung nur ihr leisten sollte, falls ich wirklich Vlads Tochter wäre.

Darüber hinaus beklagte sie sich, über mein Aussehen, meine Kleidung, meine bloße Anwesenheit. Es steigerte sich über die Wochen, das allein mein Anblick ihr den Tag versaute, wie sie sich gern ausdrückte.

Nach all den Monaten ging keiner mehr auf ihre Lästereien ein, was sie noch wütender machte. Wieder verkündete sie sofort abzureisen, was ihr niemand glaubte. Vater ergriff gleich die Gelegenheit, ihr mitzuteilen mehrere Anwärter könnten ihren Posten unverzüglich übernehmen.

Außer Alischa gaben sich die Ratsmitglieder recht friedlich. Sie gingen ihren täglichen und nächtlichen Ritualen nach, als wäre alles in schönster Ordnung.

Am Tage schlossen sie sich für mehrere Stunden in den Saal ein. Danach kamen sie in die Halle und redeten wiederum mehrere Stunden. Ich fragte mich, wie man sich über Belanglosigkeiten solange unterhalten konnte, Tag für Tag, Nacht für Nacht, es nahm nie ein Ende.

Für mich bedeutete es endlose wachsame Stunden hinter Henry, ihm schweigend zu folgen, immer die gleichen Themen hörend. Oftmals beneidete ich Merkur, Kahlaf zog sich regelmäßig zurück, um seiner wahren Natur zu frönen, wie er sich ausdrückte.

Er malte, dazu nutzte er die Sonnenstunden, in seinem Studio standen abgedeckte Bilder, die keiner zu sehen bekam. Fragte man ihm, schmunzelte er, eine Antwort erhielt man nicht.

Der Einzige, der einmal eine Antwort bekam, war Corvin, „Diesem Gemäuer fehlt die Identität, wer bewohnt diesen ehrwürdigen Palast? Wer sind seine Erbauer? Wie sehen sie aus? Was stand vor der Errichtung hier? Die natürliche Umgebung wurde ausgemerzt, all das sollte doch festgehalten werden.“ Mit mehr Fragen als Antworten ließ Kahlaf den Boss stehen.

„Wie will er das bewerkstelligen, kannte Kahlaf den Ort, bevor er bebaut wurde?“, fragte Henry, der das Gespräch verfolgt hatte. Die enttäuschende Antwort hinterließ einen fragenden Nachgeschmack bei Henry, wie bei mir.

Deshalb befragte ich Merkur, der manchmal unter gewissen Umständen mitteilsamer antwortete. Jedoch biss ich auf Granit. Vielleicht lag meine Neugier, an dem Job, der mich jeden Tag aufs Neue anödete. Immer die gleichen Gesichter, die langatmigen Gespräche, das höfliche Getue, ich brauchte unbedingt eine Aufgabe. So erging es nicht nur mir, nein auch die Stimmung änderte sich merklich, die Leibwächter sowie die Ratsmitglieder fingen an, sich in kleinere Streitereien zu verwickeln.

„Sie müssen schnellstens zu Ergebnissen kommen.“ Tigerte Corvin durch seinen Raum, den er inzwischen mit dunklen Möbeln eingerichtet hatte. Zuerst weigerte er sich, dies zu tun, doch nachdem es keine Fortschritte zu seiner Ernennung gab, richtete er zumindest diesen Raum ein. Wie das angrenzende Zimmer aussah, wusste ich nicht, die Tür blieb stets geschlossen, er machte regelrecht ein Geheimnis daraus.

„Wie können wir sie beeinflussen?“, rätselte Vater, der an einem Bücherregal gelehnt stand. Über ihn rätselte ich auch, er ließ sich einen Bart wachsen, die Haare trug er nun länger, Jeans und Shirt vervollkommnend das Bild eines jungen Mannes, der verwegen in die Runde blickte. Was war nur mit ihm los?

Wahrscheinlich setzte uns das Nichtstun dermaßen zu, das wir bald durchdrehten. An Henry schien die Anspannung abzublättern, ihm merkte man nichts an, er blieb wie ein Fels in der Brandung unberührt. Der Boss schlug die Faust in seine flache Hand, „Nur wie?“, fragte er, „Nur wie?“

„Gib Alischa einfach, was sie will!“, schlug Henry vor, Vater nickte zustimmend, „Sie ist das Zünglein an der Waage, das wussten wir immer.“

Corvin hielt mitten im Schritt inne, „Ich kann nicht!“, sagte er einfach, „Ich kann es einfach nicht!“, klang es ergeben, fast schon verzweifelt.

„Dann halte sie hin, versprich ihr das Gelbe vom Ei, aber du musst ihr zumindest ein Zugeständnis machen.“ Drängte Vater, ich spitzte die Ohren, was verlangte Alischa das Corvin ihr verweigerte.

Bestimmt sein Wort in ihrem Sinne zu handeln. Somit war der Rat wieder nur eine Farce, ich konnte verstehen, weshalb Corvin dies ablehnte. „Nein es muss einen anderen Weg geben. Was ist mit Kahlaf, Muse, Nirfa?“, die Freunde schüttelten betreten den Kopf. „Sie haben getan, was sie konnten, aber …“

„Ciaran!“, meldete sich Malech zu Wort. Bisher stand er wie Till und ich ruhig im Hintergrund. „Er könnte die fehlende Stimme abgeben.“

„Und wie? Er lässt sich nicht bestechen.“ Schnaufte Vater ungehalten, „Das haben wir bereits versucht.“

„Es kommt auf die Bestechung an, ich wüsste schon einen Grund, der ihn umstimmen könnte.“ Sah er mich verschlagen an.

„Das kommt nicht infrage!“, baute Vater sich grimmig vor Malech auf, „Vergiss das ganz schnell!“

Malech zuckte gleichgültig die Schulter, „Es ist nicht das erste Mal und wird nicht das letzte Mal sein, das durch ein kurzweiliges Arrangement die Weichen gestellt wurden. Du schlägst deinem Freund gerade das Gleiche vor. Ich denke Ciaran, ist dabei das kleinere Übel.“

 

22

„Sei vorsichtig Malech, du sprichst von meiner Tochter.“ Warnte Vater leise grollend.

Ich verstand, woraus es hinauslief, seine Stimme für meinen Körper und Malech hatte absolut recht. Was bedeuteten schon einige Nächte mit einem Vampir? Der Boss musste endlich in den Rat! „Also gut!“, nickte ich Malech zustimmend, „Handelt was mit ihm aus!“

„Nein!“, stürmte Vater zornentbrannt vor, „Es muss einen anderen Weg geben. Corvin das kannst du nicht zulassen, Henry nun sag doch was.“

„Malech hat recht, es ist ein sicherer Weg eine Stimme zu bekommen, wenn Sarah …“, versuchte Henry seine Meinung anzubringen.

„Dazu gebe ich auf keinen Fall, meine Einwilligung!“, sagte der Boss leise, „So will ich nicht in den Rat gewählt werden. Aber Malech´s Vorschlag bringt mich auf eine Idee, an die wir bisher nicht gedacht haben. Wir sollten unbedingt eine offizielle Einweihung begehen.“ Grinste Corvin zuversichtlich die Hände reibend.

„Eine was?“, fragten Henry und Vlad gleichzeitig nach, auch wir Leibwächter schauten den Boss verdutzt an.

Dessen Grinsen vertiefte sich, „Ja eine Einweihung! Wir müssen unbedingt die Angehörigen benachrichtigen!“, schaute er Henry und Vlad bedeutend an.

Henry nickte eifrig, seine Augen sprühten vor Schalk. „Was für eine ausnehmend gute Idee, Corvin. Ich werde sofort die entsprechenden Einladungen verschicken.“

„Wann soll die Feier begangen werden? Ich nehme an, ein Ball mit all dem Schnickschnack, der dazugehört wäre der passende Rahmen?“, hinterfragte Vater, mit dem gleichen hintergründigen Grinsen auf den Lippen.

„Du sagst es mein Freund! Ja wann? Ich denke in zwei Tagen, man muss den Damen die Gelegenheit geben, in Ruhe anzureisen. Zudem sollten sie erholt auf dem Ball erscheinen, zwei Tage dürften genügen.“

„Soll ich die frohe Kunde verbreiten?“, machte Henry sich bereits auf den Weg.

„Warte bis Vlad die Damen eingeladen hat.“ Bat Corvin ganz aufgekratzt.

„Natürlich! Dann leg einen dran, Vlad. Sicher hilft dir Nirfa, sie kennt die meisten.“ Klatschte Henry begeistert in die Hände. „Sarah du musst mir helfen und Matt auch. Wir benötigen ein Orchester, ich denke, wir sollten die Halle mit Blumen ausschmücken. Den Garten werden wir in eine … Corvin was hältst du von einem orientalischen Hauch? Wir könnten Baldachine aufstellen, ausstaffiert mit Kissen und süßen Leckereien?“

„Ganz wie du meinst, die Damen sollten verwöhnt werden. Also spar nicht an Kleinigkeiten.“

„Oh ich weiß, was Damen sich wünschen.“ Gurrte er aufgedreht, „Darf ich mir Malech ausleihen, er kennt die Geschäfte hier besser.“

„Nein frage Peer, er kennt sich in Granada gut genug aus.“ Schlug Corvin die Bitte Henrys ab.

Kaum eine Stunde später saßen Henry, Peer und ich in dem Transporter von Kahlaf. Merkur steuerte den Wagen. Henry kritzelte monoton vor sich hinbrummend in ein Notizheft. Ab und an sah er auf, „Peer wir müssen zum Markt.“ Oder „Wir benötigen kleine Lämpchen dazu Kabel ohne Ende.“ Dann schwieg er wieder eine Weile.

„Ein Springbrunnen woher bekommen wir den?“, erwartete er keine Antwort und brummte weiter vor sich hin. Während ich grübelte, warum ein Ball, dem Boss helfen könnte, in den Rat einzuziehen. Malech´s Vorschlag hörte sich durchaus vernünftig an. Jedenfalls war das meine Meinung, damit stand ich bisher allein, weder Henry noch Matt wollten etwas davon wissen.

„Wir teilen uns auf, Peer du gehst mit mir, Sarah du mit Merkur, hier nimm den Einkaufszettel.“ Riss er ein Blatt aus seinem Heft und sprang schon aus dem Transporter, gefolgt von Peer.

Merkur nahm mir den Zettel aus der Hand und studierte ihn sorgfältig, damit begann eine regelrechte Einkaufsschlacht. Stumm lief ich hinter ihm her, als er Wein, Champagner, Gebäck und Obst in unvorstellbaren Mengen bestellte, dazu allerlei Naschereien. „Auf dem Markt finden wir einen Händler, der genau das herstellt, was Henry vorschwebt.“ Eilte er schon voraus.

Der Markt erwies sich als ein durcheinander gewürfelter Haufen aus Verkaufsständen. Zielsicher steuerte Merkur durch das Gewirr von Gassen, den Touristen ausweichend, je weiter wir vordrangen, desto mehr nahmen die Touristen ab.

„Wir betreten nun den Markt, den die Ortsansässigen nutzen“, teilte mir Merkur mit. Einige Gassen weiter strebte Merkur zielstrebig auf einen Stand zu, während er dem Händler seine Wünsche mitteilte, sah ich mich um.

Etwas stimmte nicht, Merkur und der Händler gerieten in den Hintergrund meiner Wahrnehmung. Da sah ich ihn! Wie war das möglich? Hatte Corvin mich belogen? Dort stand er, genau das Gesicht verfolgte mich in meinen Schmerz, das blonde Haar, die blauen Augen. Ja dieses Gesicht kannte ich, sein Name lautete Jens Stegmann, setzte ich mich in Bewegung. Er sah sich hektisch um, sein Benehmen verriet ihn, er flüchtete durch das Gewimmel der Menschen. Dachte er wirklich mich abhängen zu können?

Nun rannte er ohne Rücksicht auf die Menschen durch die Gassen. Ich passte mich seiner Geschwindigkeit an, du entkommst mir nicht, zu lange habe ich auf dich gewartet. Wie lächerlich, er dachte wirklich, er könnte mich abschütteln, indem er in ein Haus schlüpfte.

Von hinten wurde ich grob aufgehalten, „Kannst du mir verraten, was mit dir los ist?“, zürnte Merkur. „Stegmann! Jens Stegmann mein Mörder!“, riss ich mich los, den Eingang nicht aus den Augen lassend.

Merkur seufzte, „Das ist unmöglich Sarah, er ist tot. Henry hat ihn …“

„Dann muss er sich geirrt haben, Stegmann ist dort drin!“, vorsichtig betrat ich den Flur. Putz bröckelte an verschiedenen Stellen ab, das verschmutzte Fenster ließ diffuses Licht ein, mir reichte es. Die Fußspuren zeigten mir den Weg, Pech für ihn, in ein unbewohntes Haus einzudringen. Er ist die Treppe hoch, wie dumm! Wie gedachte er von oben zu fliehen.

„Warte Sarah“, folgte mir Merkur, „Bring ihn nicht um, vielleicht sieht er Stegmann nur ähnlich.“

„Keine Sorge ein schneller Tod ereilt ihm bestimmt nicht.“ Zischte ich, mich auf die Spuren konzentrierend. Er ist weiter hochgelaufen auf das Dach. Vielleicht doch nicht so dumm, er könnte versuchen auf das Nebengebäude zu springen. Das oder der Absturz das durfte ich nicht zulassen, ich brauchte Antworten.

Wer war verantwortlich für meinen Tod? Dana? Dieser Stegmann? Nein sie funktionierten nur als Werkzeug, schließlich gab es zuvor andere Versuche mich zu töten. Den Hintermann, den Auftraggeber den wollte ich haben. Wir kamen auf das Dach, Stegmann stand am Rand, er schätzte seine Chancen ein.

„Versuch es, du wirst dir sämtliche Knochen brechen.“ Ging ich langsam auf ihn zu.

„Warte Sarah!“, hielt Merkur mich auf, „Willst du ihn in den Tod treiben?“

„Er ist ein Feigling und wird nicht springen, riechst du denn seine Angst nicht?“ Langsam ging er mir auf die Nerven, warum wollte er verhindern, dass ich mir den Mörder schnappte? Steckte er mit ihm unter einer Decke? Im Augenblick vertraute ich niemanden, ein Toter, der in Granada quicklebendig herumlief. Nein ich durfte keinem vertrauen.

Stegmann trat einen Schritt an den Rand, sollte er jetzt springen, könnte ich ihn möglicherweise nicht aufhalten, ich musste näher heran.

„Bleib, wo du bist, Vampir!“, drohte er, sich das Haar raufend.

„Ganz ruhig ich bleib stehen.“ Hob ich meine Hände und zeigte ihm die Innenflächen, so lehrte es Geirrod, die Menschen sahen darin ein Zeichen des Ergebens, was für ein Fehlurteil.

Tatsächlich, er ließ sich täuschen, seine Atmung beruhigte sich ein wenig. Trotzdem sah er uns mit hasserfüllten Augen an, „Wieso bist du auf mich aufmerksam geworden?“, wollte er wissen.

Ich lächelte beruhigend, er wollte Fragen beantwortet haben, die Chancen standen gut. Während ich antwortete, schob ich einen Fuß vor und verlagerte das Gewicht, wieder einen Schritt näher.

Er starrte mich verständnislos an, „Ich kenne keinen Jens Stegmann, der soll so aussehen wie ich?“, er glaubte mir nicht oder konnte er so gut schauspielern? Nichts deutete auf eine Lüge hin, weder erhöhte sich sein Blutdruck, noch wich er meinen Blick aus.

„Willst du damit sagen, du bist auch nicht mit ihm verwandt?“, trat Merkur vor, auch er verblüfft, genau wie ich. „Sagte ich doch! Was wollt ihr von mir? Ich habe nichts getan, außer euch beobachtet das ist ja wohl nicht verboten.“

„Wer gab dir den Auftrag?“, wieder schob ich mich ein Stück weit vor.

„Weiß ich doch nicht, ich werde angerufen, Blutsauger.“ Meinte er verächtlich. Aus den Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr, von rechts des Daches näherte sich schnell eine Person, nein ein Vampir. Ich musste Stegmanns Aufmerksamkeit behalten. „Woher kommst du, wer hat dir von unserer Spezies erzählt?“

Nun sah er mich befremdet an. „Das wissen doch alle! Nur lassen wir Menschen uns nicht mehr abschlachten wie Vieh.“

Das war seltsam, die meisten Menschen wussten nichts von unserer Existenz, natürlich es gab Horrorfilme, die neuesten Romane schilderten uns in heroische Farben, zumindest den männlichen Part. Aber solche Geschichten gab es schon immer, in den letzten Jahren wurde es geradezu eine Modeerscheinung, doch die ging auch vorbei. Wieso kam dieser Mann, der Jens Stegmann ähnelte auf solcherlei Gedanken, ich fragte nach.

„Wir werden von klein auf darauf geschult, mit euch fertig zu werden.“ Behauptete er, das Schlimmste daran, er glaubte, was er sagte. Die gesamte Erscheinung verriet es.

Der Vampir näherte sich nun in einer unglaublichen Geschwindigkeit, der Mensch bekam es nicht mit, er sah mich an, schnappte erschrocken nach Luft als Ross ihn ergriff. Der Mann schrie nach Leibeskräften, Ross knockte ihn kurzerhand aus.

„Was sagst du dazu?“, fragte ich Merkur, aber der marschierte schon auf Ross zu, „Freut mich dich zu sehen, du kamst gerade rechtzeitig.“ Begrüßte er ihn wie einen alten Freund.

„Ich bin geehrt, dass du dich an mich erinnerst, Magni Goldmähne.“ Verbeugte sich Ross ehrerbietig vor Merkur.

„Magni Goldmähne?“, sah ich sie fragend an.

Merkur lächelte, „In der Tat!“

„Was machen wir mit dem Gesell?“, zog Ross den Mann am Kragen hoch, er kam langsam zu Bewusstsein, was für einen Menschen außergewöhnlich schnell geschah. Zudem übergingen sie gezielt meine Frage.

„Wir schaffen ihn zum Rat. Kahlaf wird sich seiner Annehmen, er ist sehr gut in Verhörtechniken.“ Sagte die Goldmähne zynisch.

Was Ross ein kaltes Lächeln auf die Lippen zauberte. „Gut dann nehmt ihn mit. Ballast kann ich nicht gebrauchen, übrigens laufen in der Stadt noch mehr dieser Schnüffler herum, es sieht aus wie eine Invasion, täglich kommen mehr.“ Goldlöckchen nickte, „Vampire?“

„Auch die, Corvin sollte sich beeilen, allein ein Rat, der zusammenhält, kann den Sturm bändigen, der sich zusammenbraut.“ Weissagte Ross, er wandte sich bereits ab, als er mir Grüße von Prya ausrichtete.

„Du hast Kontakt zu ihr?“, wunderte ich mich, denn selbst Corvin hielt sich zurück, um sie zu schützen. „Ja beinahe täglich, sag es dem Boss nicht, sonst flippt er noch aus.“ Ich starrte ihn fassungslos an und noch immer, als er längst verschwunden war.

„Sarah, was ist? Hilfst du mir den Kerl wegzuschaffen oder starrst du weiterhin Löcher in die Luft?“

„Ross?“, musste ich nachfragen, „Du kennst ihn gut?“

„Wie man´s nimmt, er kam uns in den letzten Jahren oft mit Marsé und Prya besuchen.“

„So? Ich dachte, er arbeitete im Hotel.“

„Auch das! Am besten, wir nehmen den Kerl in die Mitte und verfrachten ihn in den Transporter, falls man uns fragt, behaupten wir einfach, er hat einen über den Durst getrunken.“

So war das also! Ross und Prya! Anders konnte es gar nicht sein. Ross bekam alles mit, er hörte bestimmt mehr als irgendein Vampir, er kannte Prya von klein auf, sicher klärte er sie auch über den Gast im Keller auf. Nun ist sie alt genug für eine Liebschaft und Prya glaubte sicherlich Ross zu lieben, schließlich begleitete er sie ein Leben lang. Die Frage lautete nun, liebte Ross sie oder benutzte er sie. Ich musste mit Rosmerta reden, sie brachte Ross auf die Festung.

„Was bist du so ruhig?“, erkundigte Henry sich, nachdem wir den Doppelgänger bei Kahlaf abgeliefert hatten.

„Wie gut kennst du Ross?“, Henry stutzte, als er sich hinsetzte, „Worauf willst du hinaus?“, beantwortete er mir die Frage mit einer Gegenfrage.

„Nun sag schon“, drängte ich ihn.

„Rosmerta hat ihn mitgebracht, sie bürgte für ihn. Seitdem ist er da und hat jeden Auftrag zur unser vollkommensten Zufriedenheit erledigt. Wir vertrauen ihm, reicht dir das?“

„Ich weiß nicht. Er hat doch Prya und Marsé beschützt?“

„Ja“, sah er mich interessiert an, ich musste meinen Verdacht jemanden mitteilen. „Ich denke, er ist Prya´s Freund.“

„Wie bitte?“, lehnte sich Henry in seinem Stuhl zurück, „Das ist ja absurd! Nein das glaube ich nicht, Sarah.“

„Er steht mit Prya in Verbindung!“

„Er steht was?“, nun war es aus mit seiner Ruhe, er schnellte hoch, „Sag das noch einmal!“

„Du hast schon richtig gehört.“ Nickte ich.

Wie der Boss wanderte er unruhig im Zimmer umher. „Woher weißt du das?“, fuhr er mich an.

„Er sagte es mir und richtete mir Grüße von Prya aus.“

„Verdammt! Das müssen wir Corvin sagen, sofort!“, stürmte er bereits hinaus, über den Flur zu Corvins Gemach.

„Henry, da ist er nicht!“

„Was?“, fegte er schleunigst zu mir herum.

„Er ist bei Kahlaf, das Verhör!“, erinnerte ich ihn.

„Dann Vlad! Wir müssen herausbekommen, warum Ross sich nicht an die Order hält.“

Vater nahm die Neuigkeit völlig gelassen auf, „Das war meine Idee, Ross kann, wann immer er will, die Festung anrufen, niemand weiß, dass er in Granada weilt. Sollte es irgendwelche Vorkommnisse geben, erfahren wir es.“ Erklärte Vater ruhig, „Warum die Aufregung?“

„Naja ich dachte, Ross könnte Prya´s Liebhaber sein. Niemand kennt seine Gedanken oder Gefühle, er kennt Prya von klein auf und könnte sich das zu nutzen machen.“ Begründete ich meinen Verdacht.

„Dann käme ich, wie mehr als die Hälfte aller Vampire infrage. Jeder halbwegs geschickter Vampir kann seine Gefühle unter Verschluss halten. Ross hat bisher keinen Vampir außer Rosmerta an sich herangelassen. Er vertraut nur ihr und sie ihm, das sollte, auch dir genügen, Sarah.“

„Dana vertrautet ihr auch!“, meinte ich spitz, sofort verschloss sich Vaters Miene. „Tut mir Leid, das wollte ich nicht sagen.“

„Wolltest du doch!“, sagte Vater streng, „Rosmerta ist nicht Dana, merk dir das.“

Ich nickte betreten, „Noch etwas Sarah, hör auf nach dem Liebhaber Prya´s zu suchen, hier in Granada wirst du ihn nicht finden. Konzentrier dich lieber auf deine Aufgabe.“ Ermahnte er mich.

„Ja Vater, ich habe noch eine Frage.“, sie seufzten, „Ross nannte Merkur `Magni Goldmähne `“, setzte ich in Anführungszeichen.

Die Beiden grinsten sich an, „Und hat Merkur dir gesagt, warum?“, ich schüttelte, betreten den Kopf.

„Dann fragst du uns?“, zog Vater eine Braue hoch, Zeit zu verschwinden, eine erhobene Braue deutete Ärger an. Zum Glück konnte ich meine baldige Ablöse vorschieben, „Matt wird uns sicher suchen.“ Stellte ich mich hastig vor die Tür.

Dort lief mir gerade Malech über den Weg, „Hast du später einen Moment Zeit für mich?“, sprach ich ihn an.

Verdutzt blieb er stehen, „Was verschafft mir die Ehre? Ansonsten meidest du mich.“

„Nicht hier!“, gab ich angespannt zurück, mit einem Blick auf die verschlossene Tür hinter mir. Wie Vater zuvor zog er eine Braue hoch, „Na gut in einer Stunde im Bad?“

„Lieber im Garten, ich will keine Lauscher.“

„Tja dann musst du bis morgen warten, ich habe jetzt gleich Dienst. Corvin bleibt fast die gesamte Nacht im Bad, du weißt, wo du mich findest.“ Zuckte er die Schultern und ging weiter. Na toll! Gerade vor Corvin wollte ich nicht darüber reden, er musste ja nicht alles mitbekommen.

Trotz meiner Bedenken ging ich am Abend ins Bad. In den Nächten spielte sich hier das Leben ab. Der Duschraum lag völlig verwaist da, leises Geraune, heitere Stimmen, ab und an ein kehliges lustvolles Stöhnen, ja in den hinteren Räumen versammelten sie sich in der Nacht.

Bisher mied ich in den dunklen Stunden diese Begebenheit, es gehörte keineswegs zu meiner Welt, bei diesen unbeschwerten Vampiren fühlte ich mich unwohl. Deplaciert genauer gesagt, deshalb marschierte ich schnell, ein Handtuch umschlungen in das Bad.

Deutlich spürte ich die neugierigen Blicke, die mir einige Vampire zuwarfen. „Nanu Sarah, was führt dich denn hierher?“, trat mir Selina in den Weg. Ich fand ihr Benehmen hier in Granada fragwürdig, als wir zusammenarbeiteten, stellte sie ihre Bedürfnisse hintenan.

„Warum so überrascht Selina oder darf ich nicht hier baden?“, antwortete ich im Vorbeigehen.

Sie lachte und folgte mir, „Naja bisher hast du dich allen Vergnügungen ferngehalten. Wer ist dein Auserkorener?“, lächelte sie sich umschauend.

„Das geht dich wohl kaum etwas an“, speiste ich sie ab.

Selina zog einen Schmollmund, „Ich halte ja nur meine Augen auf. Mein derzeitiger Chef ist an dir interessiert …“

Ich blieb stehen, „Ach ja?“, mehr musste ich nicht sagen, denn Selina nickte eifrig, „Ja und wie. Er will ständig wissen, was du wann machst. Leider ist er sehr unzufrieden mit uns, weil du dich nirgendwo blicken lässt. Kannst dir ja vorstellen, wie es ist.“ Verdrehte sie erschüttert die Augen, „Du hast es ihm wirklich angetan, wenn du es klug anstellst, kannst du ihn ja ein bisschen schröpfen. Der Kerl hat ein dickes Bankkonto, jedenfalls belohnt er seine jeweilige Geliebte reichlich.“ Grinste sie schelmisch.

„Und was verdienst du mit deinen Kupplerdiensten?“

Selina noch nicht einmal verlegen, „Nicht genug“, grinste sie, „aber mit dir könnte ich ein schönes Sümmchen einfahren. Was ist sollen wir uns zusammentun?“ bekam sie einen verschwörerischen Unterton. „Mit deiner Rühr mich nicht an Taktik, würden so einige für ein Schäferstündchen mit dir, tief in die Tasche greifen.“

„Ach lass mal, ich such mir lieber selbst einen Typen.“ Wiegelte ich ab.

„Wie du willst, aber sag mir, falls du deine Meinung änderst.“

„Sicher“, ging ich weiter ins Bad nach Malech Ausschau haltend. Er sah mich zuerst und winkte mir strahlend zu. Die Damen an seiner Seite betrachteten mich mit einer gewissen Missgunst. „Ladys entschuldigt mich einen Augenblick.“ Bat Malech mit einem betörenden Lächeln. Im Rücken spürte ich winzige Nadelstiche, als ich mich umdrehte, erwiderte der Boss meinen suchenden Blick mit einem düsteren Stirnrunzeln.

Er kann seine Stirn mit Sturm umwölken, wie er will. Jeder Vampir durfte ins Bad, auch ich, reckte ich stolz mein Kinn vor, was er mit einem hintergründigen Grinsen bemerkte. Unfähig ihn komplett zu ignorieren, bemerkte ich, wie er ins Wasser glitt, keine zwei Sekunden später tauchte er neben mir auf.

Malech befreite sich von der letzten anhänglichen Dame, als der Boss fragte, „Ist etwas geschehen?“, dabei fuhren seine Finger wie zufällig über meine Zehen.

„Nein“, zog ich meinen Fuß zurück, „Ich wollte zu Malech.“

„Malech ist im Dienst, wenn du etwas von ihm willst, tu das in seiner freien Zeit.“ Warf er Malech einen finsteren Blick zu.

„Nicht meine Idee Boss, Sarah wollte mich sprechen“, verteidigte sich der Leibwächter, ich knirschte mit den Zähnen. Er durfte sich mit mehreren Weibern abgeben, aber mit mir reden, wurde verboten.

„Wenn das so ist…“, nickte ich ihm zu und suchte mir eine ruhige Ecke. Vielleicht ergab sich später, wenn der Boss nicht so aufpasste, eine Gelegenheit ein paar Worte mit Malech zu wechseln.

Richtig, irgendwann passte ich Malech ab, schnell trug ihm mein Ansinnen vor. „Bist du verrückt?“, schrie er fast, was die Umstehenden auf uns aufmerksam machte. Ich lächelte nichtssagend, die Gesellschaft wandte sich ihrer Unterhaltung zu.

„Was ist jetzt? Machst du es oder nicht?“, bedrängte ich Malech, er rieb nachdenklich sein Kinn, „Ich weiß nicht, lass mich eine Nacht drüber schlafen. Du bist wirklich total verrückt, ich wollte dich doch nur ein wenig necken, als ob dein Vater so was zuließ.“

„Meinst du, er geht darauf ein?“, wurde ich unsicher.

Malech bekam einen lüsternen Ausdruck, als er mein eng anliegendes Handtuch betrachtete. „Die Hälfte aller anwesenden Vampire würde für eine Nacht mit dir einiges springen lassen.“, er übertrieb, darum winkte ich verächtlich ab.

„Verstehst du denn nicht? Du bist ein exotisches Exemplar. Bisher konnte dich keiner flach legen, glaub mir die Wette darauf steht hoch. Jeder ist gespannt, was geschieht, sobald Pierre auftaucht. Zudem bist du die Tochter Vlads und die Enkelin Alischas. Sicher geht Ciaran darauf ein, zudem ist es kein Geheimnis, das er seine Leibwächter auf dich angesetzt hat.“

„Ja Selina erzählte es mir“, hoffte ich auf ein Abkommen.

„Selina! Himmel, Arsch und Zwirn halt dich ja von ihr fern, die verkuppelt dich an den Höchstbietenden! Bist du wirklich sicher, Sarah? Ich frage mich, ob du mit solch einem Arrangement zurechtkommst“, wirkte er besorgt.

„Da mach dir mal keine Sorgen, ich weiß, was auf mich zukommt.“

„Ich mein ja nur. Also bis morgen und versuch ja nicht allein mit Ciaran zuhandeln. Der Typ verkauft einem Beduinen Sand.“ Warnte er mich. Natürlich übertrieb er, davon ging ich aus.

Der Morgen begann hektisch, das Trio tagte hinter verschlossenen Türen, Peer und Malech jagten die Treppen rauf und runter. Eric und ich standen unwissend auf dem Flur. Der restliche Trupp von uns blieb unsichtbar. Die Ratsmitglieder tagten seit Stunden, nachdem Kahlaf den Rat zu verspäteter Stunde einberief.

Endlich hörte man von unten, die inzwischen vertrauten Stimmen, der Rat verließ den Sitzungssaal. Wir bekamen Gesprächsfetzen mit, woraus wir schlossen, dass noch immer kein Resultat zugunsten des Bosses beschlossen wurde.

„Das macht nichts, Vlad ist überzeugt nach dem Ball, wird Corvin gewählt.“ Meinte Eric zuversichtlich.

„Wie kommt ihr nur darauf?“, worauf Eric mich informierte, die Ehefrau von Inazinus stimmte Corvins Politik zu. Sie würde dafür sorgen, dass ihr Gemahl schon richtig stimmte. „Ein Teufelsweib, sogar Alischa hat Bammel vor ihr.“

Was ich mir kaum vorstellen konnte. Auch egal, ich wollte meinen Plan in die Tat umsetzen. Die nächste Nacht sollte, nein musste die Wendung bringen. Eine Nacht mit einem Fremden sollte es Wert sein, damit der Boss endlich in den Rat katapultiert wurde. Zudem fand ich die Aufgabe gar nicht mal schwierig, Ciaran sah äußerlich recht angenehm aus und ich erwägte schon einmal mit ihm ein Verhältnis zu beginnen. Nun persönlich zog ich Pierre vor, vielmehr wartete ich ab, worauf wusste ich nicht.

Oder doch, unbewusst wartete ich auf ein Zeichen, einen Blick, einen Hoffnungsschimmer, der nicht kam. In seinen Augen war ich nichts weiter, als ein Leibwächter, das wars. Außerdem war ich ehrlich genug, ihn abblitzen zu lassen, falls er wirklich eine Annäherung versuchen sollte. Eigentlich wusste ich nur eines, was mir die Vernunft riet, halt dich vom Boss fern. Ach, ich wusste nicht, wo mir das Herz und wo die Vernunft stand.

„Was ist los Sarah? Du bist, seitdem wir hier sind, ungewöhnlich ernst.“ Fragte Eric, er schien ehrlich besorgt zu sein.

„Es ist das monotone Leben, es macht mich verrückt. Wie hältst du das nur aus?“, redete ich mich heraus.

Er verstand, was ich meinte, „Dann solltest du deine freie Zeit mit uns verbringen und nicht die ganze Nacht verschwinden. Wir haben dich oft genug gefragt.“

Das hatten sie, aber ich wusste, wer sich zuweilen dazu gesellte. Ich wollte so wenig Zeit wie möglich in seiner Nähe verbringen. Die endlosen Tage reichten mir, ich sah ihn, sein Lächeln, seine Hände, sein Haar, sein Schmunzeln, sogar die Zornesfalte mochte ich inzwischen nicht missen. Nein ich musste wenigstens in den dienstfreien Nächten meine Sinne beruhigen, deshalb verbrachte ich meine freie Zeit allein.

Eric sagte nichts weiter, er sah mich manchmal prüfend von der Seite an und seufzte, schwieg jedoch. Dafür dankte ich ihm in Stillen. Später kam Malech kurz vorbei, „Die Party steigt morgen, die Gäste rollen an. Inazinus ist ganz begeistert, er wurde richtig grün vor Freude.“ Verkündete er voller Schadenfreude, dann wurde er ernst, „Sarah auf ein Wort.“ Ging er ein Stück von Eric fort. „Willst du das wirklich durchziehen?“

„Ja!“

„Na gut, ich rede mit ihm.“ Die Tür zu Corvins Zimmer wurde aufgerissen. Der Boss kam heraus, ihm folgten Henry und Vlad.

„Die Show beginnt.“ Grinste Malech voller Vorfreude.

Ich reihte mich hinter Henry ein, „Was wollte unser Malech denn von dir?“ fragte er nach.

„Ach er hat erzählt, wie sehr sich Inazinus freute.“ Henrys Aufmerksamkeit wurde von Alischa beansprucht, die hoheitsvoll die Stufen hinauf glitt.

„Corvin! Ich hörte, du gibst einen Ball, wann gedachtest du, uns dem Rat davon in Kenntnis zu setzen?“

„Ihr wisst es?“, klang er bedauernd, „Eigentlich wollte ich euch damit überraschen.“ Zog er eine entsprechende Miene.

„Nun dann hättest du die Ehegatten nicht einladen dürfen, die inzwischen anreisen.“ Blieb sie kühl.

„Mein Fehler!“, trat Vlad zerknirscht vor, „Ich dachte, es wäre schön, wenn die Partner bei dem Ball zugegen sind.“

Alischa hob knurrend ihre Lefzen und bedachte ihren Sohn mit einem tödlichen Blick, „Corvin ich sagte dir schon mehrmals, du gibst deinen Untergebenen zu viel Freiraum. Er muss bestraft werden für seine Anmaßung!“, zeigte sie mit ausgestrecktem Arm auf Vlad. „Lass mich das erledigen, Cherie ich kenn dich doch, du wirst es nicht übers Herz bringen, den Missetäter entsprechend zu rügen.“ Ihre Miene wechselte von Viper zur ergebenen Geliebten, dabei zerfloss ihre Stimme zu einem Hauch. Selbst ich fand, das Vater nicht richtig handelte, Henry rammte mir einen Finger in die Rippen, warnend sah er mich an.

Mein Gott! Ich wusste, wie Alischa war, wusste von ihrer manipulierenden Stimme und trotzdem fing sie mich damit ein. Corvin verneinte höflich, „Alischa ich kann meinen Freund nicht bestrafen, außerdem ist er, wie dir bekannt ist nicht mein Untergebener.“ Teilte der Boss ihr zutiefst bereuend mit.

Das schien sie zu beruhigen, ein triumphierendes Lächeln zeigte sich kurz. „Aber bald wirst du auf mich hören nicht wahr mein Geliebter?“ surrte sie in sein Ohr.

„Ja, schon bald!“ nickte der Boss reumütig, ihr ergebend die Hand küssend.

Mir wurde schlecht bei dem Szenario und konnte das abfällige Schnaufen nicht unterdrücken. Was die Aufmerksamkeit Alischas auf mich zog. „Mein Lieber, dieses Kind ist ja noch immer hier. Bat ich dich nicht, sie in die Wüste zu schicken?“

„Das kann Corvin nicht entscheiden, denn mir unterstehen die Leibwächter.“ Antwortete Henry zuvorkommend.

Alischa kniff die Augen zusammen, „Wir sollten uns mal in Ruhe unterhalten Henry, ich erwarte dich Punkt drei Uhr in meinen Gemächern.“

„Wie du willst, Alischa. Eines solltest du wissen, deinen kleinen Tricks bin ich gewachsen. Meine Lehrer unterrichteten mich sehr ausführlich.“ Verbeugte er sich ironisch lächelnd.

„Ich werde dich testen, du goldenes Kind. Nimmst du die Herausforderung an?“, fragte sie siegesgewiss.

„Wenn du eine Niederlage einstecken kannst, sicher.“ Einen Augenblick flackerte in ihren Augen Unsicherheit auf.

Leises Lachen bahnte sich durch den Flur, die Stufen hinab kam Merkur. „In der Tat!“, schmunzelte er, Henry zuzwinkernd.

Beinahe erschreckt schaute Alischa zu Merkur hinauf, fasste sich jedoch augenblicklich dabei staunte sie, woher der Leibwächter kam. „Was machst du da oben?“, entschlüpfte ihr die Frage.

„Dort liegt mein Quartier, Alischa.“

„Dann bewohnt Kahlaf seine Räume allein? Warum?“, kniff sie misstrauisch die Augen zusammen.

„In der Tat!“, ging Merkur an uns vorbei, wir sahen ihm nach. Alle die gleichen Gedanken, Kahlaf fehlte der Schutz eines Leibwächters. „Corvin, er möchte mit dir reden“, sagte Merkur, ein Drittel der geschwungenen Treppe bereits hinter sich. „In der Tat, ich vernehme eure Sorge, sie ist völlig unbegründet“, fügte er schmunzelnd hinzu.

„Hat es was mit dem Menschen zu tun, den ihr in Kahlafs Gemächern versteckt haltet?“, fragte Alischa, ohne eine Antwort des Bosses abzuwarten.

Corvin folgte Merkur, Alischa nahe eines Tobsuchtanfalls, stampfte mit dem Fuß auf, „Antworte mir, Lakai!“, forderte sie anmaßend, wen sie genau damit meinte, blieb mir verborgen.

Jedenfalls stand auf einmal Merkur vor Alischa, sie wich erschrocken einen Schritt zurück. Auf Merkurs Miene glitt ein spöttisches Lächeln, genau das erkannte ich, unzählige Male begegnete ich es. Bei wem? Schweifte mein Blick unbestimmt suchend umher und blieb bei Henry haften. Er zeigte genau das gleiche Lächeln, sah ich zu Merkur und wieder zurück zu Henry.

Das konnte doch nicht wahr sein! Und doch! Vater und Sohn! Anders konnte man es nicht erklären und nun, bei genaueren Vergleich, erkannte ich die frappierende Ähnlichkeit, obwohl es kleine Unterschiede gab.

Warum behauptete Henry sein Vater sei verschollen? Selbst Intha erwähnte dies, warum hielten sie ihre Verwandtschaft geheim? Meine Gedanken rasten, Intha! Der verschollene Sohn Ambrosius! Merkur! Alias Magni Goldmähne!

Nur so konnte es sein, Merkur der verschollene Sohn Ambrosius! Es erklärte ein weiteres Detail, weder Hendrik, Henry noch Merkur begehrten Alischa. Nein sie durchschauten Alischa, konnten sich ihrer einschmeichelnden Stimme erwehren. Ich musste mir auf die Zunge beißen, um mit meiner neuen Erkenntnis nicht herauszuplatzen.

Inzwischen vertröstete Corvin Alischa, indem er ihr bald Aufklärung versprach. Sie gingen derweil die Stufen hinunter und ich stand allein da, schnell folgte ich ihnen.

Eric warf mir einen fragenden Blick zu, den ich geflissentlich übersah. Ich fragte mich, ob ich Merkur und Henry meine Erkenntnis mitteilen sollte, gar den Boss? Kannte er bereits die Herkunft? Ja das würde ihm ähnlich sehen, seine rechte und linke Hand die Nachfahren des Ersten unserer Spezies.

Wann wollte er die Bombe platzen lassen? Deshalb mischte sich Ambrosius nicht ein, falls er wie Intha behauptete lebte. Alles fügte sich zusammen, mit einem Mal sah ich ganz klar. Erkannte die Cleverness die Corvin anwandte, sollte der Rat letztendlich scheitern, könnte er die Erben Ambrosius aus den Hut zaubern. Angesehene Vampire mit einer enormen Anhängerschaft. Ja sie sammelten in all den Jahren Stimmen. Corvin schickte sie hinaus zu allen Familien, genau wie Hendrik und mich.

Was strebte der Boss an? Die Alleinherrschaft? War es das? Er der Führer, die Erben als seine Lakaien und Alischa an seiner Seite? Ging meine Fantasie mit mir durch? Sollte, konnte ich seine Einberufung in den Rat weiter unterstützen? Was folgte? Würde Corvin genauso korrupt wie seine Vorgänger? Oder stand hinter all dem eine ganz andere Person? Wer war nicht schwer zu erraten, Alischa, sah sie sich schon als Herrscherin unseres Volkes, wie einst ihr Vater.

Aber und das war das Vertrakte. Niemals, absolut niemals würde Vater sich dafür hingeben, Henry ebenso wenig und sie vertrauten Corvin. Wo lag also die Wahrheit? Ich musste mehr herausfinden.

 

Kapitel 23

Ab sofort verfolgte ich jedes Gespräch, jede Geste, jeden Hintergedanken. Ich spitzte meine Ohren, ein noch so leises Flüstern sollte mir auf keinen Fall entgehen. Deshalb erschrak ich, als Malech mich ansprach. „Morgen Nacht! Während des Balles gehst du auf einen Wink Ciaran´s in sein Gemach. Du wirst dich genau an die Vorgaben halten, die er dir hinterlässt.“

„Was für Vorgaben?“, flog mein Blick in Ciaran´s Richtung, er unterhielt sich mit Muse, die an Vaters Arm hing. Ich sah die Beiden häufig beisammenstehen und immer suchte sie die Nähe Vaters.

„Woher soll ich das wissen! Also machst du es?“, ich nickte. „Gut damit hat Corvin eine reelle Chance, in den Rat gewählt zu werden.“ Sagte er erleichtert.

„Du vertraust Corvin?“, wollte ich wissen.

Malech sah mich verdutzt an, „Würde ich mir sonst den Arsch aufreißen? Merk dir eines Sarah, er ist die Zukunft unseres Volkes. Die Menschen sind uns schon lange überlegen, während wir uns auf unseren Fähigkeiten ausruhten, überholten sie uns. Das Trio erkannte früh, welches Potenzial die Menschen besaßen. Sie häuften Ländereien an, Gold, Einfluss und nun höre genau zu. Heute gehört das Trio zu den Magnaten auf der Welt, der Menschen und unserer. Ja ich vertraue ihnen, besonders dem Boss, er öffnete seinen Freunden die Augen. Auch mir versuchte er damals begreiflich zu machen, was er sah. Nur ich blieb blind, wie viele andere. Ja verlachte ihn, arrogant wie alle, die ihn abblitzen ließen. Ja, ich vertraue Corvin Sardovan.“ Sagte er nochmals voller Inbrunst.

Er sprach voller Überzeugung, aber ein winziges Stimmchen sagte mir das Corvin Sardovan, ein Verführer war. Ein Verführer, der jeden zu seinen Gunsten manipulieren konnte. Ich sollte vorsichtig sein, durfte niemanden von meinem Verdacht erzählen.

„Na dann ist es gut!“, nickte ich zustimmend. Was auch immer kam, ich musste mitspielen. Der Abend verlief ruhig, Matt ließ sich nicht sehen also blieb ich an Henrys Seite, bis er sich mit Vater in Kahlafs Gemächer zurückzog.

Nach Stunden kam er hinaus und teilte mir mit das ich mich für den Tag vorbereiten sollte. Ich wusste nicht, worauf er anspielte, und fragte nach, „Der Ball! Du musst dich ausstaffieren, aus Erfahrung weiß ich, wie lange ihr Damen dafür benötigt.“

„Ich nicht! Eine halbe Stunde reicht mir völlig aus.“

Er sah mich kopfschüttelnd an. „Nein Sarah, heute wirst du dich, wie es sich gehört vorbereiten. Geh zum Friseur, zur Maniküre und was noch alles dazugehört, verstehst du! Du wirst einem Vampir als Begleiterin zugeteilt.“

Skeptisch zog ich eine Braue hoch, „Dafür bin ich nicht geschult, das ist nicht meine Aufgabe, dich zu schützen …“, reine Panik überfiel mich.

Er hob die Hand, „Spar dir deinen Atem, es sind zu wenig weibliche Vampire anwesend, deshalb werden alle Damen gebeten, am Ball teilzunehmen. Nun zieh nicht solch ein Gesicht und mach der Familie Sardovan alle Ehre. Ich möchte als Ballkönigin sehen.“ Grinste er mich schelmisch an.

„Das ist völlig daneben“, widersprach ich, während er sein Grinsen beibehielt.

Was war nur mit ihm los? Ich näherte mich ihm, um zu überprüfen, ob er getrunken hatte. Nichts sein Atem zeigte keinerlei alkoholischen Dunst. „Hat dich irgendein Wahnsinn überfallen? Bist du krank?“ Henry schaute irritiert drein.

„Also hör mal!“, baute ich mich vor ihm auf. „ich bin ein Leibwächter, hörst du dein Leibwächter, keine Schickimicki Tusse, die einen Ball besucht.“ Redete ich auf ihn ein, dabei tippte ich ihm unentwegt gegen die Brust.

Seine einzige Reaktion, ein dümmliches Grinsen, er wandte sich um, „Vlad, bitte Muse deiner Tochter zur Hand zu gehen.“, dann schaute er mich mitfühlend an, „Alia erwähnte, du könntest dich weigern, deshalb setzte sie sich mit Muse in Verbindung.“

Es hörte sich nach einer Drohung an. Keine Stunde später verstand ich seine Worte, Alia war gegen Muse ein unschuldiges Lämmchen. Diese verträumte Person entpuppte sich als wahres Ungeheuer. Sie ließ keinen Einspruch gelten, als ich mich strikt weigerte in dieses stinkige Bad zu steigen, das sie Schlammbad nannte, stieß sie mich hinterrücks hinein.

„Na also!“, sagte sie zufrieden, mit wilden schwarzen Augen. „Denk daran, du bist das einzige weibliche Wesen der Familie Sardovan. Du willst die Familie doch nicht blamieren, oder?“, knurrend tauchte ich in die stinkende schwarze Brühe.

Sie ließ mich darin Schmorren, bis ich das Gefühl hatte, ein leckerer Sonntagsbraten zu sein. Danach spritzte sie mich mit eisigem Wasser ab, um mich daraufhin in die Sauna schickte. Nachdem ich einem ausgetrockneten Wasserloch glich, wurde ich bis auf die Knochen durchgewalkt.

Diese Tortur ließen sich alle weiblichen Vampire gefallen, fiel mir auf, als ich nutzlos unter den Händen des Masseurs lag. Muse ließ mich keine Sekunde aus den Augen, das gesamte Programm wurde mir verabreicht.

Ein Gutes besaß die ganze Sache, ich erspähte einen kurzen Blick auf Inazinus Eheweib, vor ihr kroch er auf Knien. Selbst Alischa fürchtete sie! Danach sah die sympathische Rothaarige gar nicht aus, von Statur eher klein, besaß sie einen rundlichen Frauenkörper. Sie ging flink mit offenen Augen an uns vorüber, kurz kreuzten sich unsere Blicke. Ja ihr entging wahrscheinlich keine Kleinigkeit, das Beste daran Inazinus folgte ihr schwanzwedelnd, wie ein kleiner Hund.

„Deine Haut ist trocken wie gegerbtes Leder.“ Zürnte Muse keinen Blick für Inazinus und Weib, „Ein Peeling! Danach bekommt sie eine intensive Pflege.“ Wandte sie sich an ihre Begleiterin, eine schüchterne Maus, die Inazinus Leute hin und herscheuchten, es sollte ein Kinderspiel sein, ihr zu entfleuchen. Nur sah sie gerade mich nicht sehr schüchtern an, eher resolut packte sie mich fest am Arm, flankiert von zwei weiteren Weibern.

Meine Fluchtpläne zerstoben wie Nebel in der Morgensonne. Vielleicht doch nicht, erspähte ich Till und Matt die gerade das Bad betraten. Mein Hilfe suchender Blick wurde aufgeschnappt, Matt boxte Till in die Rippen. Ha, ihr drei Weiber, gleich seid ihr eurer Beute entledigt, wappnete ich mich innerlich zu einem kurzen Handgemenge.

Matt und Till kamen näher, hoffnungsvoll maß ich die graue Maus, es sollte mir ein Leichtes sein, sie zu überrumpeln. „Wahrlich Vulpe“, sagte Till, „sobald dein Fell mal gegerbt ist, schimmert es rosig. Was meinst du Matt?“, grinste mich der Schelm frech an.

„Tatsächlich? Nein ich denke dieser Dickhäuter benötigt noch einige wohlduftenden Salben. Gebt gut auf sie acht, ansonsten entwischt sie euch“, ermahnte der Schurke die Frauen.

„Schöne Freunde! Das zahle ich euch heim!“, wurde ich gegen meinen Willen von den wiehernden Gäulen fortgezogen.

Sie führten mich in Muses Gemach, dort sollte ich mich nackt präsentieren! Das graue Mäuschen hielt einen kleinen Koffer in den Händen, während Muse geschäftig ihre Ärmel hochkrempelte.

„Na los!“, forderte Muse, wie konnte ich sie jemals als schwach beurteilen? Sie sah mich aus knallharten Augen an.

„Was willst du tun?“, es machte mir nichts nackt dazustehen, der Koffer irritierte mich.

„Na was schon! Überzählige Haare entfernen! Dich eincremen, dein Haar richten, Maniküre, Make-up!“, erklärte sie geduldig.

„Ich habe keine überzähligen Haare!“, reckte ich mein Näschen stolz. Schließlich rasierte ich mich regelmäßig.

Muse lächelte kalt, „Du rasierst dich, die Stoppel sieht ein Blinder, nun werden wir wachsen.“

„Oh nein!“, wehrte ich brüsk ab, kein zweites Mal. Schon gar nicht dort, wo ihre Blicke verweilten!

„Oh doch!“, packte sie mich mit einer Kraft, die ich ihr niemals zutraute. Sie hielten mich unerbittlich fest, während ihr graues Helferlein mich massakrierte.

„Wie kann sich ein tapferer Krieger so anstellen?“, machte sie sich über mich lustig. „Ist doch nur ein kleiner Schmerz, siehst du schon vorbei.“

Von wegen, es ging erst richtig los! Die kleine graue Maus kam nun richtig in Fahrt. In demütiger Position wurde ich meiner Behaarung beraubt. „Wachse nicht alles weg!“, mahnte Muse ihren Folterknecht.

„Das zahle ich euch heim!“, knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

„Ja ja!“, wiegelte Muse abfällig ab, „warte das Ergebnis ab. Du wurdest von Männern als Krieger ausgebildet, dir fehlte während der Wandlung die weibliche Hand. Ein Krieger Sarah, gerade ein Weiblicher sollte auf sein Äußeres achten. Eine Dusche zur Reinigung reicht nicht, wo bleibt eine zarte Haut, die betörend duftet, Haar, das glänzt, reiner Teint, eine gewachste Intimzone das ist was die Männer wirklich mögen, lass dir das gesagt sein.“ Hob sie schulmeisterisch den Zeigefinger empor.

„Dazu ein verführerischer Augenaufschlag und sie sind Wachs in deinen Händen. Du bist ein hübsches Mädchen, nur machst du nichts aus dir, also lass mich dir helfen.“ Ließ sie mich erstaunlicherweise los.

Ich dachte an meine Verabredung mit Ciaran, bestimmt erwartete er, die Attribute, die Muse gerade aufzählte. Vielleicht half mir Muse unbewusst, meinen Plan erfolgreich zu beenden. Der Boss im Rat! Konnte ich Ciaran entsprechend befriedigen, würde er seine Stimme Corvin geben.

„Also gut!“, stimmte ich zu, „Was muss ich tun, um einen Vampir in Wachs zu verwandeln?“

Muse musterte mich skeptisch, „Was hast du vor?“, fragte sie auch sogleich.

„Vertrete ich nun die Familie Sardovan? Außerdem würde ich gern meiner Großmutter, die mich seid ihrer Ankunft beleidigt, eine kleine Lektion erteilen.“ Grinste ich frech und es war noch nicht einmal gelogen. Alischas Gesicht sollte sich vor Ärger grün verfärben, das waren alle Martern wert.

Ein verstehendes Lächeln erhellte Muses Gesicht, „abgemacht, du tust was ich sage, ohne Wenn und Aber.“ Ich gab ihr mein Wort.

Als wir uns schließlich der Halle näherten, rannte Matt tatsächlich an mir vorbei, er steuerte direkt auf Muse zu, „Ich finde Sarah nicht, sie soll für den heutigen Abend Henrys Partnerin sein. Ich glaube sie ist abgehauen, wir waren wirklich grässlich zu ihr“, meinte er bekümmert.

Muse lächelte schüchtern. Oja von ihr konnte ich tatsächlich einiges lernen. „Sarah steht direkt hinter dir.“

Matts Blick traf auf mich, „Sarah?“, fragte er verdattert nach, „Verdammich bist du das wirklich? Mann!“, ein größeres Kompliment gab es wohl nicht. Wie Muse es mir zeigte, nickte ich gnädig, dabei warf ihm einen schelmischen Blick zu.

„Oh Mann! Das ist zu viel, Henry wird dich vernaschen, das wird Ärger geben verdammten Ärger! Muse, bitte geh du als Henrys Begleitung, ich bringe dieses Höllenweib zu ihrem Vater der einzige sichere Hort für sie.“

Aber Muse verneinte, Matt verzog seine Miene zu einer tragischen Grimasse, „Ich wasche meine Hände in Unschuld!“, dann grinste er amüsiert, „Hol dich der Teufel Sarah Sardovan, du bist jede Sünde wert, übrigens stehe ich dir jederzeit zu Verfügung.“

„Ja wie heute Nachmittag als ich deine und Tills Hilfe benötigte!“

„Sei nicht böse und ehrlich gesagt, es lohnte sich. Du sahst nie besser aus.“

„Es ist Muses Verdienst!“, warf ich ihr einen dankbaren Blick zu. „Dann meine liebe Muse habt Dank für dies herrliche Geschöpf, darf ich dich nun zu Henry begleiten?“, reichte er mir den Arm.

„Das ist reizend!“, lächelte ich leicht. Ja keine überflüssige Geste, kein lautes Wort, halte dich zurück, spreche leise, keine ausgreifenden Schritte, lächeln nicht vergessen. Immerzu ein Lächeln auf den Lippen ratterte ich in Gedanken die Anleitung runter.

Henry erwies sich für den Abend als geeigneter Kavalier, er unterhielt mich mit kleinen Anekdoten, tanzte mit mir, trat großzügig zurück, wenn ein Vampir mich aufforderte.

Der Ball und der Erfolg berauschten mich, noch nie wurden mir so viele heiße Worte ins Ohr geflüstert. Natürlich wusste ich, es war nicht ernst gemeint, aber trotzdem gefiel es mir. Besonders Alischa, zwar nicht grün aber sichtlich angesäuert, ließ mich an diesen Abend links liegen. Was ich persönlich, als Erfolg verbuchte.

Es konnte jedoch auch an Kahlaf liegen, der am heutigen Abend nicht von ihrer Seite wich und somit ihre spitze Zunge im Zaun hielt. An seiner Seite wirkte Alischa nicht gerade glücklich, besonders da Kahlaf jeden Vampir abwies, der sie auf die Tanzfläche entführen wollte.

Manchmal begegnete ich ihren hasserfüllten Blick, der mich heute völlig kalt ließ, dafür genoss ich den Ball viel zu sehr. Auch die gelegentlichen Blicke des Bosses konnte ich mit einem Lächeln erwidern, was ihn, wie ich amüsiert feststellte, so manches Mal aus dem Takt brachte. Selina an seiner Seite tat sich schwer ihn zu betören, nahm ich zufrieden zur Kenntnis, was meine gute Laune um einige Oktaven höher stiegen ließ.

Irgendwann in der Nacht machte mich Malech auf Ciaran aufmerksam. Ein schwerer eiskalter Klumpen füllte meinen Magen. Ich verabschiedete mich von Henry, er sah zwar erstaunt aus, wünschte mir aber ahnungslos eine gute Nacht. Zum Glück gehörte ich nicht zu den ersten Vampiren, die sich in ihre Gemächer zurückzogen.

„Ja man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist“, meinte er, Matt trat unauffällig an seine Seite.

Malech wartete bereits im ersten Stock, sofort schlug er den Weg zum linken Flügel ein. Vor Ciaran´s Tür ermahnte er mich nochmals, die Anweisungen einzuhalten. Er habe in Erfahrung gebracht, Ciaran bevorzuge gewisse Spiele. „Keine Angst keine gewalttätigen, ansonsten hätte ich alles abgesagt.“ Er nickte mir nochmals zu und ich ging mit Herzklopfen in die Gemächer.

Der Raum entpuppte sich als zweckmäßig eingerichtet, keine überladenen Möbel oder Nippes, was ich eigentlich erwartete, nachdem er Selina anraunzte, als sie die Kiste fallen ließ.

Auf einem Tisch stand gekühlter Champagner mit einem Glas, dabei lag ein an mich gerichteter Brief. Er enthielt genaue Anweisungen, ich sollte die Augenbinde anlegen, das Licht löschen und auf ihn warten. Auf keinen Fall sollte ich ihn anreden, wenn er den Raum betrat. Überhaupt sollte ich schweigen, es sei denn, ein verzücktes Seufzen entrang sich meiner Kehle. Was in Großbuchstaben dastand. Was für ein Angeber!

Ich überlegte, sollte ich wirklich die Augenbinde anlegen? Damit lag der Vorteil bei ihm, andersherum konnte er mich hinauswerfen und damit fehlte dem Boss die nötige Stimme. Ich nahm einen großen Schluck Champagner, füllte das Glas nochmals auf, schaltete das Licht aus und legte den Schal an. Dann wartete ich.

Ich hörte ihn hereinkommen, er zögerte, wahrscheinlich überzeugte er sich, ob ich seine Anweisung befolgte. Was würde er tun? Mich wie ein Tier anspringen und den Akt vollziehen?

Nichts dergleichen geschah, er nahm meine Hand und küsste sie zart, um mir dann das Glas in die Hand zu drücken. Ich spürte seine Nähe, seine flache Atmung, er war erregt.

Hastig trank ich das Glas leer, es wurde mir aus der Hand genommen, dabei hielt er sie fest. Wieder spürte ich seine Lippen auf meiner Hand. Seine Finger wanderten leicht wie ein Flügelschlag meinen Arm hinauf.

„Entspanne dich!“, hauchte er leise, rau vor Verlangen. Dabei strich er die Träger des Kleides hinunter. Mein Busen lag frei, er zog scharf den Atem ein, bevor seine Lippen sie berührten.

Er ging zart, fast sacht vor, ich verlor die Anspannung, gab mich seinen kundigen Lippen und Händen hin. Er lachte leise triumphierend auf, als er meine Erregung spürte. Ich wollte ihn spüren, seine Haut, sein Gesicht, sein Haar doch er hielt meine Hände fest.

„Nein meine Schöne“, drängte er mich rückwärts, er schob mich in den angrenzenden Raum, „Vertrau mir.“ Spürte ich ein Hindernis an den Beinen. Vorsichtig drückte er mich nieder, ein Bett, erkannte ich und schluckte hart ein nervöses Kichern hinunter.

Wieder begann Ciaran mich zu küssen, dabei hielt er meine Hände über den Kopf zusammen. Sacht fuhren seine Lippen, seine Zunge über den Hals, hielten an der Kehle inne, als er meine Reaktion bemerkte, „Gut so?“, ich nickte und überließ mich seinen Zärtlichkeiten.

Langsam zog er mich aus, genoss jede Hülle, von der er mich befreite. Jeden Zoll freigelegte Haut küssend. Dabei manövrierte er mich langsam aber unaufhaltsam das Bett höher, nochmals verlor ich den Faden, wehrte mich gegen ihn, als ich kaltes Metall an den Handgelenken spürte.

„Vertrau mir!“, sagte er nochmals, zart fuhren seine Finger zwischen in mein Haar, lösten jede Klammer einzeln, dabei breitete er jede Strähne sorgfältig aus.

Ich zweifelte, ob ich gefangen entspannen konnte oder das Liebesspiel genießen konnte. Sollte ich es ihm sagen, sollte ich den Zauber zerstören? Er erregte mich, daran bestand kein Zweifel, ich sollte ihm vertrauen.

Meine Beine besaßen völlige Bewegungsfreiheit, sollte er gewalttätig werden, besaß ich zumindest sie, um mich zu verteidigen. Nichts deutete auf ein gewalttätiges Gebaren hin, er fing wieder an, mich mit unendlicher Geduld zu streicheln und zu küssen.

Erst als er meine Erregung spürte, fuhr er fort mich weiter auszuziehen. Schließlich lag ich nackt da, er betrachtete mich, ich spürte jeden seiner brennenden Blicke, spürte sein unterdrücktes Verlangen.

Unendlich sanft schob er sich zwischen meine Beine, „Ist es das, was du willst?“ Ich nickte keuchend, fieberte ihm entgegen, wollte ihn küssen aber er drehte den Kopf zur Seite, verwöhnte mit seinen Lippen, meinen Hals, spielte mit seiner Zunge an meinen Kehlkopf aber er legte nie die Lippen auf, meine. Selbst nicht im höchsten Moment der Befriedigung.

Es dämmerte bereits, als ich in den Flur trat. Er nahm mir im dunklen Raum den Schal ab, strich mir nochmals über die Wange und schob mich aus dem Schlafzimmer. Kein weiteres Wort, kam über seine Lippen, gedankenverloren an meinen ungeküssten Lippen zupfend, ging ich schnurstracks auf die Tür zu und öffnete sie, um in zwei kalt aufblitzende Augen zu sehen. Monseigneur! Sein Lächeln troff geradezu vor Hohn, er nickte mir abfällig zu und ging weiter.

Was soll´s dachte ich, ich konnte mit wem auch immer die Nacht verbringen. Trotzdem meldete sich mein schlechtes Gewissen, Corvin! Was geschah, wenn er davon erfuhr? Verachtete er mich? Oder blieb er gleichgültig, wie die gesamte Zeit in der wir in Granada weilten.

Henry! Ich musste mit ihm sprechen! Jetzt sofort! Stürmte ich die Stufen hinauf, von Matt fehlte jede Spur. Blieb Henry etwa ungeschützt? Drang ich in seine Räume ein, nein dort saßen sie, ausgerechnet Vater sah mir neugierig entgegen.

Sein Blick blieb an mein wirres Haar haften, wanderte hinab auf das völlig zerknautschte Ballkleid. Seine Lider flatterten, seine Lippen presste er zu einem schmalen Strich zusammen, seine Hände ballten sich zu Fäusten.

Wie auch immer Vater reagierte, ich musste ihnen sagen, dass Monseigneur mich gesehen hatte. Hier galt es vorsichtig zu sein, er würde bestimmt seinen Nutzen daraus ziehen wollen.

Schnell und abgehakt informierte ich Henry. Nur ihn sah ich an, sprach nur zu ihm. Vater blendete ich vollkommen aus. Henry nahm es gelassen auf, „Na dann wird er ja heute sein Gift verspritzen! Vielleicht gar nicht so übel und er vergisst Inazinus in die Mangel zu nehmen. Sein Weib versprach mir, er gibt bei der heutigen Wahl die richtige Stimme ab. Na gut, wir werden Monseigneur den Gefallen tun und entsprechend schockiert reagieren, lassen wir ihm die Schadenfreude, solange er Inazinus vergisst.“ Rieb er sich lachend das unrasierte Kinn.

Für mich blieb nichts weiter zu tun, ich wollte gehen, „Sarah!“, hielt Henry mich auf, „Du wirst heute den ganzen Tag sichtbar bleiben. Der Rat trifft sich erst zur Mittagsstunde, ich will den Morgen ausnutzen damit Monseigneur auf seine Kosten kommt. Sei in einer Stunde da und ziehe ein entsprechendes schuldbewusstes Gesicht, wenn Monseigneur seinen neuesten Klatsch verbreitet.“

Das musste ich noch nicht einmal vorspielen. Als wir hinunterkamen, wussten es bereits alle Anwesenden. Die verächtlichen, zum Teil hämischen Blicke, die sie mir zuwarfen, sagten genug.

Innerlich wütete ich vor ihrer Verachtung, die sie mir angedeihen ließen. Die Doppelmoral, die sie vertraten, stachelte meine Aufsässigkeit an. Am liebsten würde ich ihnen ins Gesicht schreien, aber nein ich musste ja meine Schuld eingestehen. Die weitaus weniger wiegte, als das was sie bisher hier trieben.

Henry spielte seinen Part perfekt, mit unschuldig blauen Augen ließ er sich von Monseigneur hämischen Worten aufklären. Seine Miene wandelte sich in genau den richtigen Moment zur Verblüffung, um mir dann einen zutiefst enttäuschten Blick zuzuwerfen.

Ich glaubte es kaum, aber er fasste sich wirklich ans Herz, das angeblich vor Schmerz zerbrach. „Danke Monseigneur, danke für die aufrichtigen Worte.“ Klang seine Stimme brüchig, mühsam versuchte er weiterzureden, ihm versagte vor Trauer die Stimme.

Monseigneur weidete sich an der Zuschaustellung, „Ich weiß ja, wie sehr ihr auf euren Schützling achtet. Geht nicht zu hart mit ihr ins Gericht, sie ist jung und Ciaran ist ein ansehnlicher Mann. Aber es ist eure Schuld, niemals hättet ihr einen unerfahrenen Krieger mitnehmen dürfen. Das wird natürlich im Rat zu einer neuen Debatte führen, ist Corvin für die Verantwortung, die wir Ratsmitglieder innehaben reif genug? Er …“

Henry unterbrach ihn stöhnend, „Das ist alles meine Schuld! Ich bin verantwortlich für die Auswahl der Krieger, ich verlangte die Mitnahme des Kindes …“, schwer aufseufzend hielt er inne, „Corvin ja, Corvin sprach seine Bedenken aus. Erst als …, aber lassen wir das …“, stöhnte Henry aus tiefster Seele.

„Erst als?“, fragte Monseigneur scharf nach. Henry fächelte sich mit der Hand Luft zu, „Später mein lieber Freund, später ich muss das ungeheure Vlad mitteilen.“

Monseigneur lächelte zynisch, „Ich sah es als meine Pflicht an und suchte ihn bereits in seinem Gemach auf. Er lässt sich für den heutigen Tag entschuldigen, zutief sitzt die Scham über das Vergehen seiner Tochter.“ Warf er mir einen lüsternen Blick zu, „Falls du einverstanden bist, mein Freund.“ Erhöhte er das Timbre in seiner Stimme zu einem wohlmeinenden Ton, „werde ich mich um die Bestrafung der Verfehlenden kümmern.“

Henrys Blick huschte unsicher zu mir. „Das ist zu gütig, aber ich will unserem Boss keineswegs vorgreifen. Er ist derjenige, der das Urteil spricht.“ Ich glaubte es kaum, Monseigneur der gewiefte Vampir fiel auf dieses Drama herein.

„Wo ist denn euer Boss?“, hinterfragte Monseigneur, anscheinend wollte der die Nachricht selbst überbringen.

„In seinem Gemach hält er sich jedenfalls nicht auf.“ Also suchte er den Boss bereits.

Henrys Stimme sank zu einem Flüstern herab, „Der Mensch in Kahlaf´s Gewahrsam redet endlich. Er und Kahlaf dokumentieren jedes Wort und haben mit den Nachforschungen begonnen. Sicher will Corvin sich auf den neuesten Stand bringen, damit er den Rat entsprechend aufklären kann.“

Auch diesen Köder schluckte Monseigneur ungefragt. Dass der Boss im Rat nicht zugelassen war, beanstandete er mit keinem Wort. Er hörte gierig zu und wollte von Henry mehr erfahren, der versicherte mit treuherzigen Augen, er habe keine Ahnung.

Monseigneurs Augen leuchteten teuflisch auf, als er über Henrys Schulter Neuankömmlinge erblickte. „Ihr entschuldigt mich!“, ließ er uns augenblicklich stehen. Er stürzte sich fast auf Theodoric, der erschrocken zurückwich.

Der kleine ernste Vampir hörte zu, seine Miene verwandelte sich in Verachtung. Jetzt, jetzt sieht er mich gleich an, erwartete ich das Unausweichliche.

Aber nichts dergleichen geschah, der kleine Vampir richtete sich zur vollen Größe auf, „Dein gehässiger Klatsch interessiert mich nicht. Außer du, erzählst von deiner Nacht, mit eines deiner unfreiwilligen Opfer, die du zu gern verprügelst. Ja das sollte man im Rat ansprechen, du solltest wirklich mal zur Rechenschaft gezogen werden. Merke es dir für die Zukunft, falls du nochmals meinst, Klatsch und Tratsch verbreiten zu müssen.“ Ließ er den nun geschockten Monseigneur stehen. Augenblicklich sackte Theodoric in sich zusammen, schrumpfte vor meinen Augen zu seiner kleineren Statur.

„Wie?“, fragte ich erstaunt.

Henry gar nicht mehr gebrochen, „Frag nicht!“, setzte er mühsam einen Fuß vor den anderen, schleppte sich zum nächsten Sessel. „Bleib hinter mir stehen und schlag deine Augen nieder. Wir haben noch ein paar Stunden vor uns.“ Senkte er in tiefer Betrübnis den Kopf.

Irgendwann kam Ciaran die Treppe hinunter, sofort schlich Monseigneur auf ihn zu, begleitet von Igraine. Sie klopften Ciaran voller Stolz auf die Schulter und belagerten ihn mit Fragen.

Ciaran´s Miene verschloss sich augenblicklich, ich hörte das laute Lachen von Monseigneur, „Ah spielst den Kavalier, dann muss dich die Kleine ja gut bedient haben.“ Warf er wieder einen lüsternen Blick auf mich, seine Zunge leckte über die Lippen, dass sie nun feucht glänzten. Monseigneur ekelte mich an, allein sein Anblick reichte aus, damit sich sämtliche Haare aufrichteten.

Ciaran blieb stumm, egal wie sehr ihn Monseigneur und Igraine bedrängten. Er warf mir einen verstohlenen Blick zu, mein Herz schlug höher als ich an die vergangene Nacht dachte. Ich gab mich ihm vollkommen hin, nun zum zweiten Male, erst bei Corvin nun bei ihm. Was hatten die beiden Vampire gemeinsam, das ich mich so hemmungslos gehen lassen konnte. Mein Herz setzte aus, als ich Corvin sah, der gerade direkt auf Ciaran, Monseigneur und Igraine zusteuerte.

Monseigneur leckte sich abermals genüsslich die Lippen, als er Corvin ansprach. Ich musste mich mit aller Gewalt zurückhalten, um ihn nicht das Maul zu stopfen. Innerlich schrie ich auf, erzählt es ihm nicht, nicht ihm.

Aber ich stand schuldbeladen hinter Henry und fühlte mich als Betrüger, ja diejenige, die ihn betrog. Der Boss reagierte angemessen, er sah sich um entdeckte Henry, sein schwarzer Blick flog über mich hinweg, als sei ich nicht existent.

Ich wünschte, ich könnte mich verkleinern, in ein Loch kriechen oder einfach vom Erdboden verschwinden. Die Scham überflutete mich regelrecht. Erkannte er den Sinn, warum ich mit Ciaran schlief?

Anscheinend nicht, denn in diesem Augenblick richtete er das Wort an Ciaran. Sie gingen hinaus, als Monseigneur ihnen folgen wollte, genügte ein Stirnrunzeln des Bosses um ihn erstarren zu lassen.

Sie kamen nach ungefähr einer Viertelstunde zurück, für mich eine unendlich lange Zeit. Ich erschrak, als ich sie sah, sie mussten sich geprügelt haben. Ciaran wischte sich nachlässig Blut aus dem Gesicht, Corvin rieb sich die rechte Hand. Sie trennten sich ohne eine weitere Geste, wieder glitt Corvins Augen über mich hinweg, dabei ballten sich seine Hände zu Fäusten.

„Er ist sauwütend!“, bemerkte Henry überflüssig.

„Habt ihr ihm denn nichts gesagt?“, wollte ich wissen.

„Wann denn? Corvin verhörte mit Kahlaf den Menschen, meist du ich bin Lebensmüde ihn in diesem Augenblick zu stören und ihm auch noch solch eine Nachricht zu bringen? Nein Sarah ich weiß, wann ich mein Mundwerk halten muss.“

„Eigentlich geht es ihm nichts an, schließlich bin ich …“

„Ja, ja! Ungebunden und Frei und kannst dein Leben gestalten, wie du willst. Was hat er, hm?“

„Er hat Alischa?“

„Da hast du auch wieder recht“, stimmte Henry kaltschnäuzig hinzu.

 

Kapitel 24

Der Rat versammelte sich, Kahlaf führte ihn an, Merkur kam zu uns hinübergeschlendert. „Sarah, eine gemeinsame Freundin riet dir, auf einen Freund zu hören. Es ist soweit, du solltest das Geschmeide offen tragen! Henry stell dich so am Eingang auf, das jeder an Sarah vorbei muss und einen Blick auf sie werfen kann.“

Während ich zwei der oberen Knöpfe meiner Bluse öffnete, positionierte sich Henry an einer günstigen Stelle. Kahlaf hielt die Gruppe auf, indem er von seinem neuesten Werk berichtete.

„Es ist ein Gemälde, das seinesgleichen sucht, ich will mich ja nicht loben, die Herstellung stellte sich als schwierig da. Ich musste aus dem Gedächtnis meinen Pinsel führen. Ihr glaubt ja nicht, wie mühsam dies ist, all die Facetten einzufangen. Nun genug, nach der Versammlung werde ich mein neuestes Werk enthüllen. Ein Meisterwerk, wenn ich das sagen darf.“ Führte er die Ratsmitglieder direkt an uns vorbei.

Er lächelte mir aufmunternd zu, „Ein kostbares Kleinod Sarah Sardovan!“, blieb er stehen, um die Kette genauer zu betrachten. Welch ein Schauspiel besuchten wir heute das Theater? „Seltsam wirklich seltsam, es kommt mir bekannt vor, darf ich erfahren, woher du es hast?“

„Von einer Freundin.“ Gab ich ihm die vage Auskunft.

„So? Ich komme später noch einmal darauf zurück“, ging er weiter, sein spitzbübisches Lächeln vor den Ratsmitgliedern versteckend. Alischa, die hinter ihm verdeckt stand, warf mir erst einen abfälligen Blick zu, um dann plötzlich zu erbleichen. Ihre sonstige Arroganz fiel gänzlich von ihr ab. Sie kam mit ausgestreckter Hand die Finger zu Krallen gebogen auf mich zu, ich wurde von hinten zurückgerissen. „Du kleiner Emporkömmling, woher hast du die Kette? Du hast sie mir gestohlen! Das ist meine!“, Muse trat vor, „Eine schwere Anschuldigung Alischa, kannst du es beweisen?“

Auch sie steckte mit Kahlaf und Merkur unter einer Decke. Sollte es mich wundern? Nein eigentlich nicht, sie gehörten zu den Ältesten, wie Intha.

„Nun sieh doch genau hin!“, rief Alischa empört. „Das ist die Kette meiner Mutter!“, wollte sie nochmals zugreifen auch diesmal wurde ich von unsichtbarer Hand in Sicherheit gebracht. Ich schaute mich um, Merkur stand mit ausdrucksloser Miene hinter mir.

Muse trat näher, „Alischa der Halsschmuck sieht dem deiner Mutter sehr ähnlich, aber dieser gehörte ihr nicht. Wie wir wissen, verschwand die Kette Tai´s mit ihr. Wie solltest du in ihren Besitz gelangen?“

„Ich fand sie an dem Ort, an dem man Tai tötete, seitdem hüte ich ihn wie einen Schatz.“ Füllten sich Alischas Augen mit Tränen, „Ich kenne die Kette, das ist sie.“ Hielt sie den ausgestreckten Finger in meine Richtung, „Die da, hat sie mir gestohlen.“

„Lasst mich vor!“, drängte sich Monseigneur zwischen Muse und Alischa. Ich kenne mich mit Schmuck jeglicher Herkunft aus.“ Schob Monseigneur die Damen zur Seite, er kam mir sehr nahe, ich roch seinen süßen Atem. Veilchenduft stieg mir penetrant in die Nase.

Er warf nur einen kurzen Blick darauf und erblasste, „Das kann nicht sein!“, schnappte er nach meinem Arm, „Woher hast du …“, weiter kam er nicht, ein drohender Merkur schnellte vor.

Monseigneurs Augen flackerten ängstlich auf, er ließ meinen Arm los. Kahlafs sonst so sanfte Stimme erhob sich dröhnend, „Meine Herrschaften! Bitte! Ein Kleinod, woher auch immer, wir sollten uns an unsere Pflichten erinnern.“

Die Ratsmitglieder verschwanden einer nach dem anderen, bevor die Tür sich vollends schloss, hörte ich Kahlaf noch sagen: „Auch wenn die Kette Ambrosius gehörte.“ Der Tumult, der nach diesen Worten ausbrach, konnten wir ohne Probleme vernehmen.

„Na war doch eine schöne Ablenkung, Corvin ist drin, nun müssen sie ihn anhören. Ich denke, wir können den Champagner kaltstellen, ab morgen werden die neuen Kandidaten einberufen. Ja das war ein richtiger Geniestreich.“ Frohlockte Merkur, er grinste uns freudig erregt an.

Ich verstand nur Bahnhof, Henry klärte mich auf, „Die Abstimmung wird so oder so zu Corvins Gunsten ausfallen. Die Wahl ist der erste Punkt auf Kahlafs Liste, der heute den Vorsitz innehat. Danach kann Corvin gleich loslegen, Kahlaf wird ihm den Vorsitz abtreten, morgen Muse, danach Nirfa und zum Schluss Theodoric. So bleiben ihm vier Tage, in denen er den Rat aufmischen kann. Sein Arbeitstempo ist enorm schnell, sie werden Schwierigkeiten haben ihm zu folgen, in den nächsten Tagen wird er sie glatt überfahren.“

Henry wartete eine Stunde vor der Tür. „So wir können davon ausgehen, dass er im Rat ist. Jetzt liegt es an uns, die Maschinerie in Gang zu setzten. Sie werden vor Mitternacht nicht herauskommen.“ Ging er mit leichten Schritten die Stufen hinauf, auch Vater nickte erleichtert. Woher kam er? „Das Warten hat ein Ende, na dann wollen wir mal.“ Griff er zum Handy.

Wie keine Vorhaltungen seitens meines Vaters? Er nahm mein nächtliches Intermezzo mit Ciaran einfach so hin?

Henry bunkerte sich in seinen Raum ein, ich durfte draußen warten, bis Matt mich ablöste. An diesem Tag war ich erschöpft, geistig wie körperlich, der Klatsch verbreitete sich auch ohne Monseigneurs zutun.

Mehrere Krieger unterbreiteten mir eindeutige Angebote, andere wie zum Beispiel ein Leibwächter Nirfa´s, überschüttete mich mit Vorwürfen, da ich mit dem Feind ins Bett gegangen bin. Es gab keine Minute, in dem ich unbeachtet blieb. Die Anspannung hielt mich fest im Griff.

Als ich müde vor meiner Kammer stand, wollte ich nur eines, eine Stunde schlafen doch Merkur erwartete mich. „Sarah ich möchte mich auch im Namen Kahlafs entschuldigen, das wir dich benutzten.“

„Schon gut“, winkte ich ab.

Er ließ nicht locker, „Der Moment erschien günstig. Monseigneur lenkte alle ab, mit seiner Schmutzkampagne gegen dich, in Gedanken sah er schon die Niederlage eures Bosses. Wir dachten, es sei die beste Gelegenheit und ergriffen sie.“

„Ich verstehe schon Merkur, ihr braucht euch nicht zu entschuldigen.“ Ich wollte einfach eine Stunde ruhen.

„Sagte Intha dir, wie stolz dein Ahnherr auf dich ist?“

Nun wurde ich hellwach, „Mein Ahnherr?“

Merkur lächelte, „Habe ich dein Interesse geweckt? Ja er lebt, ich habe selbst mit ihm gesprochen und …“, er sah sich nach allen Seiten um, „nicht nur einmal.“

„Ach!“, nickte ich, „und dein Sohn wusste davon?“

„Mein Sohn?“, riss er überrascht die Augen auf.

Diesmal sagte ich seine nervtötenden Worte, „In der Tat! Dein Sohn.“

Er schmunzelte, „Wie kommst du darauf?“

„Es ist unschwer zu erkennen. Ihr besitzt einige Ähnlichkeiten, Goldmähne!“, fügte ich hinzu. Bisher gab er weder zu, einen Sohn zu haben, noch wer es sein könnte. Ich ging in die Offensive. „Henry ist dein Sohn.“ Verkündete ich mein Wissen.

„Tatsächlich? Meines Wissens zeugte ich eine Tochter. Henry ist mein Urenkel, ich zog ihn groß, da seine Eltern umkamen. Meine Tochter starb bei der Geburt ihres Sohnes. Zur damaligen Zeit bedeutete eine Schwangerschaft eine lebensbedrohliche Lage. Tja, mein Enkel wandte sich der Spezies seiner Mutter ab, als Henry ungefähr zehn Jahre alt war, brachte man mir den Jungen. Also zog ich Henry groß und anders als sein Vater wollte er sich wandeln. Nur die wenigsten wissen, wer er ist, dabei sollten wir es belassen.“

„Jeder, der euch kennt, wird es feststellen.“ Erwiderte ich.

„Aber nicht jeder macht sich die Mühe, es gibt viele blonde Vampire mit blauen Augen nichts Ungewöhnliches.“ Zuckte er gleichgültig die Schultern. „Schließlich sind wir alle irgendwie miteinander verwandt, das wirst du noch feststellen, mit einer Ausnahme und das sind die Nachkommen Ambrosius. Naja zumindest von der väterlichen Seite, Tai gehörte zum ersten erfolgreichen Zuchtprogramm.“

Ich zog eine angewiderte Miene, „So war es nun einmal, da gibt es nichts zu beschönigen und Ambrosius ist der Erste, der mir zustimmt. Eines solltest du bedenken, die Dörfer in der Umgebung, die Nomaden die durch sein Gebiet zogen, verehrten Ambrosius. Denn er gewährte sichere Zuflucht, beschützte die Ansiedlungen, heutzutage scheint man es gern zuvergessen.“

„Dann gehörst du also zu jenen Ersten?“

Merkur lachte kopfschüttelnd, „Die Ersten sind uralt, dagegen bin ich ein Jungspund, Alischa und Tai lernte ich kennen, da zogen sie bereits lange Jahre durch die Lande. Du kannst dir den Altersunterschied ungefähr vorstellen. Bald darauf brach alles zusammen. Tai verschwand und wurde schließlich tot aufgefunden, das Attentat auf Ambrosius Sohn und dessen Mutter zuvor. In der kurzen Zeitspanne eines Sommers endete die Ära Ambrosius, der dort lebende Clan verteilte sich auf den gesamten Erdball. Aber davon sollten wir nicht reden, jetzt heißt es den gesamten Rat in Bewegung zu setzen, dazu benötigt Corvin jede Hilfe und du Sarah bist ein Teil davon. Sie werden dich bestürmen, sogar bedrohen und wahrscheinlich auch deinen Kopf fordern, denn anders kommen sie an die Kette nicht heran. Deshalb bitte ich dich in meinen Raum zu leben, bis die Wogen sich glätten.“

„Ich kann schon auf mich aufpassen.“

„Sicher das bezweifle ich auch nicht, aber du hast es mit Gegnern zu tun, die dir weit überlegen sind. Sieh es als reine Vorsichtsmaßnahme an.“

Ich zögerte, sollte ich meine Privatsphäre aufgeben nur wegen eines Halsschmucks? Wie sah es aus, dass ein Leibwächter einen Leibwächter benötigte, ich schüttelte den Kopf, „Nein Merkur es ist nett, wollte mich wirklich jemand angreifen kann er es jederzeit. Ich denke nicht daran, mich zu verstecken.“

Er nickte bekümmert, „Ja deine Entscheidung befürchteten wir bereits.“ Seufzte er, „Ich werde trotzdem ein Auge auf dich haben.“ Dagegen konnte ich kaum etwas einwenden.

Nachdem ich einige Stunden später ausgeruht zum Duschen hinunterging, schaute ich bei Matt vorbei. „Sie tagen noch immer, ab und an hört man laute Stimmen, der Boss scheint in Form zu sein.“ Grinste er spitzbübisch.

„Und Henry?“, wollte ich wissen. „Der telefoniert und schlägt sich mit den gesammelten Werken der Jäger herum.“

Wie Henry vorhersagte endete die Ratsversammlung erst gegen Mitternacht. Anders als sonst suchten sie diesmal direkt ihre Gemächer auf.

Corvin keinesfalls erschöpft nahm die Gratulationen mit einem gleichgültigen Nicken hin, „Das hätte schon vor Monaten geschehen können.“ Lautete sein einziger Kommentar, er wollte nur eines wissen, ob die möglichen Kandidaten am Morgen vor Ort seien.

„Der Rat wird morgen den Jäger verhören, danach will ich die nächsten Kandidaten vorstellen …, ach ja wir haben einige kleine Erfolge zu verbuchen.“ So ging es weiter, bis das Trio in seinen Räumen verschwand. Sein Umzug ein Geschoss tiefer, sollte morgen während der Ratsversammlung vonstattengehen.

Bis in die frühen Morgenstunden beratschlagte sich das Trio, erst als eine Wache meldete, dass einige Vampire Einlass verlangten, lösten sie ihre Besprechung auf.

Fünf mögliche Kandidaten reisten mitsamt ihrer Leibwache an, darunter Pierre mit zwei männlichen Leibwächtern und einem Weiblichen. Einen davon kannte ich nur zu gut, Michelé.

Obwohl Henry die Kandidaten begrüßte hielt ich mich so gut wie möglich im Hintergrund. Weder Pierre noch Michelé bemerkten mich. Nachdem die Neuankömmlinge ihre Quartiere aufsuchten tat Henry es ihnen nach.

Früh am nächsten Morgen schlossen die Ratsmitglieder die Türen. Sie öffneten sich erst am Abend. Ein neues Ratsmitglied wurde mit großem Beifall gratuliert. Pierre nahm die Glückwünsche mit huldvollen bescheidenen Worten an.

So nun besaß Corvin Sardovan die Mehrheit im Rat, dies nutzte er in den nächsten Tagen aus. Zwei weitere Kandidaten wurden gewählt, der Rat tagte am zweiten Tag bis spät in die Nacht. Derweil saßen Henry und Vlad rund um die Uhr am Schreibtisch. Sie überarbeiteten abgelehnte Neuerungen, die mit Corvins und Kahlafs Notizen bestickt waren.

Bis Monseigneur den Vorsitz übernahm. Schlagartig änderte sich das Arbeitspensum, schon am Mittag endete die Versammlung. Monseigneur sehr mit sich zufrieden, übertönte alle mit seiner Meinung „Auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden.“ Wobei ihm Igraine und Inazinus zustimmten.

Alischa verhielt sich auffällig ruhig, sie hielt sich abseits der beiden Fraktionen, wenn man sie befragte zeigte sie ein hinreißendes Lächeln, eine Aussage konnte ihr keiner entlocken. Dafür belagerte sie den Boss, sobald er seine Gemächer betrat. Was dort hinter verschlossenen Türen geschah, blieb ein Geheimnis zwischen den beiden. Falls Corvin etwas seinen Freunden verriet, schwiegen auch sie.

Für den Abend an dem Monseigneur den Rat früh aufhob, wurde eine offizielle Feier anberaumt, wieder einmal musste ich mich als Henrys Begleiterin ausstaffieren. Matt löste mich frühzeitig ab, ich sollte mich bei Muse einfinden.

Mir graute vor einem erneuten Schlammbad, deshalb wollte ich mich frisch geduscht und einbalsamiert bei ihr zeigen. Malech fing mich ab, „Sarah“, sagte er mit verlegener Miene, „Ciaran! Er fragt nach …“ hob er die Augenbrauen, dabei verdrehte er die Augen.

„Wie bitte?“, ich konnte es kaum glauben.

„Naja ich hab ihm gesagt, dass du sicher keine Fortsetzung willst, aber er bestand darauf, dich zu fragen.“

„Das ist ja wohl nicht sein Ernst?“ Malech nickte mir zustimmend zu, „Ich habe dich gefragt und damit hab ich genug getan, also sag ich ihm, kein Interesse.“ Sah er mich fragend an, bevor ich antworten konnte kam Michelé auf uns zu.

Auch das noch! Bisher ging ich Michelé aus dem Weg, bei Pierre fiel dies bisher leichter, da er den ganzen Tag im Rat saß. Nun alles endet einmal, verdammte ich Monseigneur mitsamt seiner laschen Arbeitsmoral.

„Sarah!“ lächelte Michelé, mich auf beide Wangen küssend, „Obwohl wir unter einem Dach leben, konnten wir uns noch nicht begrüßen. Wie geht es dir? Was sagst du zu Pierre? Gleich bei dem ersten Wahlgang, ein Ratsmitglied und dann erst seine zauberhafte Frau, du kennst Lydia doch, oder?“, bei zauberhaften Frau hörte ich nicht mehr zu, es traf mich wie ein Hammer. Obwohl ich wusste, dass Pierre sich eine Frau suchen würde, verletzte es mich mehr, als ich dachte.

Malech rettete mich, indem er Michelé mit Fragen bombardierte. Noch ganz durcheinander entschuldigte ich mich, indem ich Muse vorschob. „Ja sicher! Ich hörte schon, du habest viel zu tun. Heute Abend bekommen wir sicher eine Gelegenheit uns zu unterhalten.“

Sei es aus Trotz oder Frustration, jedenfalls stimmte ich dem Treffen mit Ciaran zu, ich ließ Malech mit offenem Mund stehen.

Während ich meine Duschsachen zusammenkramte und in die Tasche donnerte, schimpfte ich über meine eigene Blödheit. Natürlich kam Pierre mit Ehefrau. Nur so, mit einem festen Hintergrund, einer Familie, sollte man die ehrenvolle Aufgabe begehen, genau das waren seine salbungsvollen Worte. Mochten sie auch alt und überholt sein, Pierre hielt daran fest.

Und ausgerechnet Lydia, diese rothaarige Gans! Diese Speichelleckerin, die Pierres Mutter in den Anus kroch und sich darin wand wie ein Bandwurm. Die Schlampe, die in Pierres Schlafzimmer ein und aus ging, als sei es schon das ihre. Und die, die hat er geheiratet, diese … arrg mir gingen die passenden Beinamen aus, raufte ich mir die Haare. Aber na warte, du kleines giftrotes Luder, dir werden heute Abend die Augen ausgehen. Jawohl und nicht nur dir! Von wegen Eisprinzessin! Ha heute lernen sie eine neue Sarah kennen, a la Alia das schwor ich mir und wühlte ich mich durch den Schrankkoffer, bis ich genau das Richtige fand.

Ich ging nicht duschen, sondern direkt zu Muse, kampfbereit erklärte ich ihr meine Wünsche. „Wie du willst! Also machen wir aus dir eine eine Göttin der Liebe … ah Venus, Aphrodite und natürlich dürfen wir Astarte nicht vergessen.“ Schwärmte sie in den höchsten Tönen. „Man sollte den Göttinnen ein Gedicht widmen.“ Überlegte sie laut, dabei betrachtete sie das Kleid, das ich für perfekt hielt.

„Nein!“, entschied sie resolut.

„Aber …“, mit einem Handstreich gebot sie mir zu schweigen. „Eine Göttin Sarah!“, streckte sie dramatisch die Hände zur Decke, ihre Stimme vibrierte, ich beobachtete sie mit einem beklemmenden Gefühl.

„Geh hinunter ins Bad, du kennst das Prozedere“, normalisierte sie ihre Stimme, „Mika begleite sie.“ Befahl sie ihrer grauen Gehilfin, mit ihr im Schlepptau suchte ich das Bad auf.

Als ich gerade massiert wurde, hörte ich eine altbekannte Stimme, das musste ja früher oder später so kommen. In einem herrischen Tonfall forderte die Stimme eine Massage. Nichts hatte sich geändert, vorsichtshalber zog ich mir das Handtuch über den Kopf.

„Du musst warten, wie all die anderen auch.“ Erteilte jemand Auskunft.

Tja Lydia, so ist das, dachte ich vergnügt.

„Wie barbarisch! Zu Haus habe ich meinen eigenen Masseur, mein eigenes Bad …“, sie verstummte weinerlich. Ich ging jede Wette ein, Tränen schimmerten in ihrem hilflosen Welpenblick.

„Aber nicht doch!“, lachte eine samtene verständnisvolle Stimme, ich zuckte zusammen. „Ich lasse dir gern den Vortritt.“

Typisch Corvin! Schmeichel dich nur ein.

„Sobald die Massage der Dame beendet ist, wird der beste Masseur unter diesem Dach sich deiner annehmen.“

Puh noch mehr davon und ich bekomm die Krätze.

„Das kann ich nicht annehmen.“

Falsche Schlange, natürlich wirst du, war doch der Sinn deiner Heulattacke.

„Ich bestehe darauf.“

Wie brachte er es nur fertig, seine Stimme so klingen zu lassen, samtig und erotisch zu gleich. Sie verfehlte auch bei Lydia ihre Wirkung nicht, sie stotterte ein Danke.

Na es geht doch, warum diese Umstände! Nun setz dich irgendwohin und verschwinde aus meinem Dunstkreis, der Boss könnte sie ja mit seinem Timbre weiter hypnotisieren. Aber nein das Geschmiere ging weiter.

„Dafür fordere ich einen Tanz.“

Hörte sich eher nach einem Bettwalzer an. Ihr Seufzer versprach einiges.

„Ja gern und danke nochmals … Corvin.“ Hauchte sie schüchtern.

Das war ja nicht zum Aushalten, erhob ich mich abrupt, der Masseur kam mir in die Quere, wir stießen mit den Köpfen zusammen.

Während ich noch meine Birne rieb, zischte Lydia bereits, „Du!“, ich grinste dem Masseur entschuldigend zu, er nahm es gelassen hin. Indessen nahm Lydias Entrüstung zu, sie konnte es auf den Tod nicht leiden, ignoriert zu werden.

Dennoch wandte ich mich zu ihr um, „Lydia! Ganz die Alte, wie ich sehe. Corvin.“ Nickte ich ihnen zu, nahm mein Handtuch und bedeckte langsam meine Nacktheit, „Die Liege gehört dir.“

„Ohne jegliche Moral, wie immer.“ Spitzte sie pikiert ihre Lippen.

„So wurden wir geschaffen, das solltest du doch wissen. Deine Moral endet ja auch nicht vor fremden Betten, wenn wir ehrlich sind. Soll ich gratulieren oder mein Beileid aussprechen?“ setzte ich eine todernste Miene auf.

„Du …“, stürmte sie mit ausgefahrenen Krallen auf mich zu, ein Arm schnellte vor und hielt sie fest.

„Meine Damen!“, schalt Corvin sanft. Lydia gar nicht mehr so schutzbedürftig, wehrte sich vehement, dabei kreischte sie lauthals, „Darf mich ein dreckiger Lakai so angehen? Muss ich mir das gefallen lassen? Man sollte sie bis auf die Knochen auspeitschen lassen, dieses Miststück.“

„Lass sie ruhig los, es wäre nicht das erste Mal, das sie sich blaue Flecken einfängt.“ Giftete ich zurück.

Lydia erschlaffte an Corvins Brust, „Sie ist ja so scheußlich, so gemein, dabei habe ich mich redlich bemüht …“, ich lachte hart auf, ihr blieben die Worte im Halse stecken.

„Ja besonders in Pierres Armen, es ist allgemein bekannt.“

„Oh so gemeine Lügen.“

Ich sah rot, wirklich rot! In all den Jahren tat sie nichts anderes, als mir unter die Nase zu reiben wann, wo und wie oft sie es mit Pierre trieb, man sollte ihr wirklich das Maul stopfen.

Ich war im Begriff sie mir vorzuknöpfen, da zupfte jemand an meinen Handtuch, Mika die Gehilfin Muses, sie schüttelte den Kopf, „Das ist sie nicht Wert, nun muss sie tagtäglich in Angst leben, mit wem ihr Gemahl es gerade treibt, wie heißt es so schön, die Katze lässt das Jagen nicht.“

Ihrer Logik konnte ich nur zustimmen, also atmete ich tief durch, „Bitte die Liege steht dir zur Verfügung, wie immer nach mir, nicht wahr Lydia“, musste ich grinsend hinzufügen.

Hocherhoben Haupte ging ich meiner Wege. Ich kam gerade mal zur Umkleide, als Corvin mich streng zu sich rief. Auch das noch! Drehte ich mich langsam um, der Boss kam mit gerunzelten Brauen auf mich zugerollt. „Du wirst dich entschuldigen!“, forderte er barsch.

„Nein!“

„Sie ist die Frau eines Ratsmitgliedes!“, brüllte er mich an, die Vampire, die aus dem hinteren Bereich kamen, zogen sich schnell zurück.

„Ja und! Dann soll das Ratsmitglied doch eine Entschuldigung einfordern“, lächelte ich zynisch, „Aber das wird nicht geschehen, weil Lydia ihrem Ehemann kein Wort erzählen wird. So ist das alles? Ich werde erwartet.“ Wandte ich mich meinen Sachen zu.

„Du wirst dich über meinen Befehl nicht einfach hinwegsetzen.“ Knurrte er Herr, ich bin der Boss der Ungerechtigkeit.

„Genau das gedenke ich zu tun. Was willst du dagegen unternehmen? Mich fortschicken? Bitte! Einsperren? Bitte! Was also?“, provozierte ich ihn.

Er hieb mit solcher Gewalt gegen den Schrank, dass er zersplitterte, „Treib es nicht zu weit, Sarah.“ Fletschte er gefährlich mit seinen Zähnen, er verlor seine Selbstbeherrschung, seine ausgefahrenen Zähne zeigten eine beachtliche Größe, trotzdem gab ich nicht nach, „Ah und was ist mit Lydia? Die darf, ja?“

„Was geht mich das Weib an? Ich rede von dir und deinem Benehmen.“ Wurde er nun leiser, dabei lispelte er leicht.

„Ich für meinen Teil habe mich beherrscht, bis du auf die absurde Idee kamst, ich solle mich entschuldigen. Ich weigere mich diesen Befehl auszuführen.“

„Verdammt Sarah du bist eine Sardovan, verhalte dich auch so“, versuchte er es ruhiger, seine Worte dagegen brachten mich in Rage. Benehmen sollte ich mich! Ha!

„Wie denn? Etwa wie Henry und du? Mit jedem Vampir den Matratzenhorchsport absolvieren? Ach nein, das darf ich ja auch nicht, da sich einige Ratsmitglieder echauffieren. Dann wie Vater ja? Heimlich in aller Stille und ja nie die Wahrheit aussprechen, ich könnte ja ein liederliches Weib wie Lydia beleidigen, obwohl ich zweifle, dass das überhaupt möglich ist. Wie soll ich mich denn nun benehmen?“

„Mach doch, was du willst!“, zerdepperte er die letzten Reste des einstigen Schrankes.

„Das werde ich auch!“

„Na toll, dann sind wir uns ja einig!“, schrien wir uns gegenseitig an. Ich schnappte nach meiner Tasche und marschierte wütend los. Er folgte mir auf dem Fuße, bis zur Treppe ließ ich mir das Gefallen, „Was willst du noch?“, raunzte ich ihn an.

„Von dir gar nichts!“, gab er ihm gleichen Ton zurück.

„Dann halt Abstand!“

„Na, na! Was soll denn die Streiterei? Man hört euch im gesamten Haus.“ Kam Merkur die Stufen hinunter geeilt.

Mir wurde bewusst, wie viele uns alle anstarrten. Auch das noch! Ich hasste es auf dieser Art und Weise angestarrt zu werden. Na danke auch Corvin Sardovan und spurtete ohne ein weiteres Wort los, sollte der Hohlkopf doch die Massen aufklären. Noch immer wütend marschierte ich zu Muse, die weit über das Geländer gebeugt lauschte, da war sie übrigens nicht die Einzige.

„Ihr habt gestritten? Eine private Angelegenheit?“, sah sie mir neugierig entgegen.

So also erklärte er den Streit, „Ich sage kein Wort dazu.“

„Das werden wir ja sehen, mein Fräulein.“ Wurde ich von hinten am Arm gepackt und in Muses Gemach bugsiert. „Nun?“, forderte Vater mit wild funkelnden Augen, Muse schlüpfte hinter uns hinein.

„Vlad so kannst du nicht mit deiner Tochter umgehen.“ Wandte sie ein.

„Halt du dich heraus!“, grollte Vater.

Aber Muse richtete sich zur vollen Größe auf, „Nein! Mein Lieber ich habe mich lange genug herausgehalten.“

Was denn nun? Ging mein Blick zwischen Vater und Muse hin und her. Die Zwei? Das durfte ja nicht wahr sein! Muse und Vater! „Ihr ein Paar?“, musste ich nachfragen.

Vater reckte stoisch sein Kinn vor und Muse nickte, „Seid beinahe zehn Jahren.“

„Muse!“, fuhr Vater sie schroff an.

Ich winkte ab, „Ich wusste ja, dass es da jemanden gibt. Nun lass Muse in Ruhe.“

„So sind die Herrn, wollen alles hübsch unter Kontrolle halten.“ Warf Muse meinen Vater einen warmen Blick zu, der hingegen starrte mich böse an. „Ich warte!“

„Frag doch deinen Freund!“, antwortete ich patzig.

„Das kann er sofort erledigen.“ Kam Corvin ungefragt hinein, Vater sah ihn auffordernd an.

„Nehmt doch Platz, da ihr schon einmal hier seid“, giftete Muse grollend.

„Nun?“, überhörte Vater seine Geliebte.

Der Boss tat es ihm gleich, „Deine Tochter hat sich vollkommen daneben benommen. Ich befahl ihr, sich zu entschuldigen, was sie rundheraus ablehnte.“ Versuchte Corvin einen neutralen Ton zu halten.

Ich bestand nicht aus kaltem Herz, meines sprudelte gerade über, „Ha! Du erzählst nur die Hälfte! Lydia hat sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“

„Lydia?“, warf Muse ratlos ein.

Der Boss nickte, „Ja, Pierres Ehefrau!“

„Und Ex-Geliebte!“, fügte ich hinzu, mitsamt des gesamtem Sachverhaltes der vergangenen Jahre.

Das nutzte Corvin, um mich gleich wieder anzufahren, „Das ist völlig egal, du …“

Vater unterbrach ihn, aber ich ließ ihn nicht, „Das kannst du nicht verlangen, diese Schlange …“, stemmte ich die Hände in die Hüften. Was Corvin antrieb, näherzukommen, während er mich anraunzte, „Sie ist seine Frau! Vergiss Pierre!“

Vater versuchte noch immer gegen uns zu halten, ich äffte gerade dem Boss nach, „Pierre! Pierre! Hat nichts damit zu tun. Lydia ist das Problem.“

„Du hast eine Verpflichtung!“, behaarte Corvin auf seinen Standpunkt.

Vater raufte sich inzwischen die Haare.

„Lydia gegenüber? Oh nein! Da irrst du dich gewaltig.“ standen wir uns Nase an Nase gegenüber. Ein lauter Pfiff, der in den Ohren klingelte, brachte uns zum Schweigen.

„So ist es besser.“ Lächelte Muse erleichtert, „Ihr seid beide verstockt, lasst euer Temperament abkühlen und regelt euren Disput Morgen in aller Ruhe. Der heutige Abend steht für Frieden und Verständnis, nehmt euch ein Beispiel daran.“ Stand sie auf und drängelte sich zwischen Corvin und mir. „Meine Herrn, ihr dürft gehen.“ Wurden die Freunde freundlich aber bestimmt entlassen.

„So!“, sagte Muse, als wir allein waren, „Was läuft da zwischen dir und Corvin?“

„Nichts!“

„Na gut, behalt dein Geheimnis für dich. Aber eines sage ich dir, dein Vater wird nicht gerade begeistert sein, was da zwischen euch läuft.“

„Als Erstes geht es Vater nichts an, zum Zweiten …“

„Bist du ihn ihm verliebt? Ja schau nicht so verdutzt. Langsam sehe ich hinter deiner Fassade, Sarah.“ Wischte sie mit einem Handstreich all meine Barrieren weg. „Du weißt jeden ab, das erklärt deine handverlesenen Freunde. Ich wette, sie waren es, die auf dich zukamen und dir keine Wahl ließen.“

Wie es aussah, hatte ich sie deutlich unterschätzt.

Muse lächelte, „Ich will ehrlich sein, ein bisschen Hilfe bekam ich schon. Henry meint, es hat mit deiner Wandlung zu tun, ja und was Corvin betrifft, besitzt Henry seine ganz eigene Meinung, denn er meint, was auch geschieht, am Ende werdet ihr sowieso ein Paar. Er wünscht es sich, nur recht bald hoffe ich, denn zwischen euch zu stehen kann gefährlich werden.“ Schmunzelte sie, „naja ich kann Henry verstehen nach eurem Aufritt gerade.“

„Das ist reines Wunschdenken seitens Henry.“ Winkte ich ab, „Tatsache ist, der Boss misstraut mir, außerdem finde ich ihn arrogant, selbstherrlich …“

„Schon gut, ich verstehe.“ Hob sie ergebend die Hände, „Lassen wir das Thema einfach fallen und bereiten wir uns auf das Fest vor.“

„Darf ich dir erst einige Fragen stellen?“

„Das habe ich erwartet, dein Vater und ich.“

Ich nickte, sie lächelte entwaffnend, „Da gibt es nichts Aufregendes zu erzählen. Wir kennen uns schon lange. Nachdem Corvin den Rat bestürmte, lernten wir uns besser kennen. Wir vertrauten uns mit der Zeit unsere Sorgen und Nöte an, eins kam zum andern. Irgendwann waren wir ein Paar. Verstehe mich nicht falsch, ich liebe Vlad und sie wächst mit jedem Tag und ich denke, nein ich weiß dein Vater empfindet genauso.“

„Warst du nicht verletzt, dass er es Geheim halten wollte?“

Sie schüttelte den Kopf, was mich erstaunte, „ Es geschah aus zwei Gründen und dabei spielen Livio und du die untergeordnete Rolle. Ich bin Ratsmitglied und Vlad teilt die Ansichten Corvins. Was denkst du, wäre geschehen, wenn unsere Beziehung bekannt wird? Egal wie meine Meinung auch ist, man hätte mir vorgeworfen die Interessen deines Vater und somit Corvins zu vertreten. Obwohl Vlad niemals versuchte mich dahin gehend zu beeinflussen.“

„Und tust du das? Ich meine teilst du die Ansichten des Clans?“

„Im Grunde ja, obwohl das Trio in manchen Dingen zu radikal vorgehen will. Ich bin da vorsichtiger, wie auch immer die Sachlage war, sie veränderte sich mit Ambrosius. Er steht hinter dem Trio und wer bin ich, mich gegen unseren Herrn auflehnen? Nein, denn er verfolgte stets ein Ziel, in Frieden mit Menschen und Vampiren zu leben. Darauf vertraue ich, auch wenn es bedeutet das der Rat ganz neue Wege gehen wird, denen ich skeptisch gegenüberstehe.“

Sie wusste also von Ambrosius und wie Merkur sprach sie mit ihm. Er lebte demnach, was ich trotz Merkurs Versicherung anzweifelte. „Wer weiß noch das Ambrosius lebt?“

„Kahlaf, Merkur, Intha nehme ich an, sie gehörten zu seinen Vertrauten. Es gab und gibt eine Gruppe, die Ambrosius und seine Nachfahren schützte, dazu gehörte ich nicht.“

„Warum?“

Sie lächelte, „Sieh mich an, ich bin kein Typ, der kriegerisch veranlagt ist, noch fehlt mir der Ehrgeiz oder die Sturheit unbedingt meinen Willen durchzusetzen. Nein dazu bin ich nicht geschaffen, deshalb bin ich ein Risiko. Diese Gruppe brachte mich in den Rat, sie sagten, ich sei die Richtige, wüsste was gut für unser Volk sei und meine Pflicht ist. Von allein wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dem Rat beizutreten.“

„Dann vertrauen sie dir!“, nickte ich verstehend.

„Vertrauen? Ich weiß nicht, eher berechenbar.“

Es machte ihr nicht das Geringste aus das sie so über sie dachten. „Und Ambrosius?“, wollte ich wissen.

Nun lachte sie unsicher, „Er kam und verlangte von mir, Stellung zu beziehen.“ Sie fröstelte, „Er ist gewaltig, man kann ihm schlecht etwas abschlagen.“

„Er verlangte also von dir für Corvin zu stimmen? Dann ist er nicht besser als Monseigneur und Konsorte.“

„Nein, nein du missverstehst mich! Ich sollte meine Entscheidung treffen. Wie gesagt finde ich Corvins Ansätze richtig, aber er will alles umkrempeln und das gleich Gestern, du verstehst. Corvin ist … ja wie kann ich das beschreiben? Ein Macher, der unbeirrt nach vorn stürmt, was rechts und links am Weg liegen bleibt, bleibt liegen. Ihm fehlt die Besonnenheit, das Abwägen, ich befürchte einfach, er steht eines Tages an der Spitze und regiert allein. Macht korrumpiert und das ist eine Tatsache, dafür gibt es genug Beispiele.“

Ich verstand ihre Bedenken besser als sie dachte: „Aber mit Ambrosius im Hintergrund meinst du das es nicht geschieht?“ Ich war gespannt wie sie darüber dachte.

„Wieder nein, denn nun kenne ich Corvins Ansinnen. Sein Ziel ist einfach perfekt, das hätte ich niemals von ihm erwartet. Ambrosius teilte mir mit, welches es ist, deshalb unterstütze ich Corvin nun.“

„Was für ein Ziel?“, rätselte ich, sie lächelte geheimnisvoll. „Das werde ich dir nicht auf die Nase binden. So und nun sollten wir uns wirklich in Schale werfen, wir wollen doch nicht das Beste verpassen. Kahlaf hat vor sein neuestes Werk der Öffentlichkeit vorzustellen. Es soll, wie ich hörte einen Ehrenplatz erhalten, man darf gespannt sein.“

Was ich auch versuchte, aus Muse bekam ich kein weiteres Wort heraus. Sie verfiel wieder in ihre oberflächliche Art, in der es nur um die schönen Künste ging.

Dazu zählte sie durchaus unsere Aufmachung, denn sie verglich mich mit einer Nymphe, die dem Meer entstieg. Geduldig ließ ich mir ihre Kommentare gefallen, wie fragte ich mich, hielt Vater das ewige Geplauder aus?

Dann ihre Dichtungen, die sie auf jedem Stück Papier niederschrieb, welches sie gerade in die Hände bekam. Schließlich ich konnte es kaum fassen, standen wir bereit für das Fest, „Vlad holt mich ab, wer ist dein Begleiter für den heutigen Abend?“

„Henry, ich werde ich abholen.“ Wollte ich mich davonmachen, aber Muse hielt mich auf, „Warte da kommt dein Vater, er wird dir sagen können, wo Henry sich aufhält. Eigentlich sollte er dich abholen.“

„Muse!“, musste ich nun lächeln, „Ich bin der Leibwächter, das solltest du nicht vergessen.“

„Heute Abend mein Kind bist du Gast, Kahlaf bat darum dein Begleiter für den heutigen Abend zu sein. Er wird gleich hier sein, warte auf ihn.“ küsste Vater galant Muses Hand, natürlich vergaß er nicht ihr Komplimente in blumiger Sprache zu unterbreiten, Muse errötete gebührend.

Himmel, so kannte ich Vater nicht, musste ich entsetzt feststellen, wenn mir ein Mann solche Worte sagen würde, würde ich glatt an seinen Verstand zweifeln, oder ihn der Lüge bezichtigen.

Ich sah ihnen nach, als sie selbstvergessen hinuntergingen, ein schönes Paar dachte ich noch, als mich jemand ansprach. „Sarah fast hätte ich dich nicht erkannt.“ Lächelte mich Michelé bewundernd an, „Du solltest dich öfters herausputzen, es steht dir.“

Na ganz neue Töne misstraute ich dem Freund Pierres. Er gehörte zu jenen, die mich offen ablehnten. Das war das Einzige, was ich Gutes von ihm sagen konnte.

„Du glaubst mir nicht, nicht wahr? Kein Wunder, aber du und Pierre, konnte ich nicht gutheißen, es bedeutet nicht, dass ich persönlich etwas gegen dich habe. Im Gegenteil ich bewundere deine Zielstrebigkeit, deinen Mut und deine Leistungen.“

„Danke auch, für soviel Müll!“, welche Hintergedanken trieben ihn an?

Michelé lachte unverhohlen auf, „Ich meinte jedes Wort ernst.“ Ließ er sich von meiner abwehrenden Haltung keineswegs einschüchtern. Ich sah mich nach Kahlaf um, er blieb unsichtbar. Michelé machte keinerlei Anstalten zu gehen, „Musst du nicht Wache schieben?“, fragte ich so höflich nach, langsam sollte er kapieren was ich von seiner Gesellschaft hielt.

„Nein“, grinste er frech.

„Verzieh dich endlich!“, endete meine Geduld. Anstatt zu gehen, lehnte er sich an das Geländer, ich stellte mir vor wie er hintenüberfiel, was meine Laune kurzfristig verbesserte.

„Sollten wir nicht Frieden schließen? Pierre wäre sicherlich erleichtert. Noch zaudert er dir zu begegnen, es fällt ihm schwer.“

Nun lächelte ich schmal, „Warum sollte ihm das Schwerfallen?“

Erstaunt zog er eine Braue hoch, „Du bist mit seiner Wahl einverstanden?“

„Ehrlich Michelé, was du für Fragen stellst.“ Schüttelte ich heftig den Kopf, ich befürchtete die aufgesteckten Haare fielen in sich zusammen. Ein Zopf ist wesentlich besser, dachte ich. „Pierre kann heiraten, wen er will, wir haben uns freundschaftlich getrennt …“

Er unterbrach mich, „… aber der Streit mit Lydia!“

Aha, darum ging es also, bestimmt hatte Lydia sich an seiner Schulter ausgeweint, die kleine hilflose Frau wurde von einem Krieger angegriffen, o weh o weh.

„Lydia!“, spuckte ich den Namen aus, „Ist ein …“, tief durchatmen Sarah, ermahnte ich mich, „es hat nichts mit Pierre zu tun, ich verstehe eines nicht, warum er gerade diese schreckliche Frau heiratete.“ So damit konnte er anfangen was er wollte und es Pierre zutragen, was ich ihm auch sagte.

„Direkt wie immer, du solltest von deinem Boss ein bisschen Diplomatie lernen.“

„Bisher bin ich ganz gut damit gefahren die Wahrheit zu sagen und nicht um den heißen Brei herumzustreichen. Ist sonst noch was?“

„Nein, außer das du vielleicht einen Tanz für mich reservierst?“, schaute er suchend an mir herunter, „Wo ist deine Tanzkarte?“

„Meine was?“, fragte ich überrascht, was sollte denn die Frage.

„Naja soviel ich hörte, gibt es Tanzkarten, eine Idee der Damen …“

„Lydia!“, mutmaßte ich nickend, „Kein Wunder ...“ Zuckte ich gleichgültig die Schultern, „Dementsprechend werde ich die einzige Frau sein, die sich ihren Tanzpartner kurzfristig aussuchen kann.“

„Oder den ganzen Abend ohne Tanzpartner dasteht!“, sagte Corvin, der das Gespräch mit angehört haben musste.

„Das geht natürlich nicht, ich kümmere mich persönlich darum und werde mich sogleich eintragen.“ Grinste Pierre, sich vor dem Boss leicht verneigend.

Der Boss sah Michelé nachdenklich nach, „Was wollte er?“, fragte er mich nicht direkt ansehend, auch ich hatte unseren Streit nicht vergessen.

„Die Lage sondieren, nehm ich an. Lydia muss sich bei ihm beschwert haben.“ Sah ich mich gezwungen ihm Auskunft zu geben.

„Ja das ergibt Sinn. Ich hoffe doch, du kannst dich während des Festes zurückhalten und keinen erneuten Zwist heraufbeschwören.“ Sah er mich streng an.

Was bildete der Kerl sich nur ein? Wollte ich ihm gerade die passende Antwort geben, als Henry laut verkündete, alle sollten sich nach unten begeben.

„Das kommt mir gerade recht!“, nickte der Boss, „Wir werden gemeinsam gehen, du darfst dich bei mir einhaken, damit schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Klatsch wegen unseres Streites wird unterbunden und du kannst dich an mir festhalten da du ja so deine Schwierigkeiten hast mit Absätzen und Treppen.“ Grinste er mokant, auf dass ich am Liebsten den mir dargereichten Arm herausreißen könnte.

„Inzwischen bin ich durchaus in der Lage dazu.“ Giftete ich, an ihm vorbeistürmend. „Außerdem sollen sie Klatschen was sie wollen, ich bin noch lange nicht fertig mit dir, Sardovan.“

„Ah ja! Ich auch nicht! Du solltest am Besten auf dein Zimmer gehen und dir überlegen wie man sich benimmt.“ Fauchte er zurück.

„Nichts lieber als das! Ich kann das heuchlerische Getue sowieso kaum noch ertragen.“ Machte ich eine Kehrtwende, um nach oben zu gehen.

Er hielt mich am Arm fest, „Das würde dir gefallen, was!“, zischte er leise, „Aber du wirst ganz Dame den gesamten Abend lächelnd hinter dich bringen. Ansonsten werde ich dich persönlich nach oben befördern.“ Kamen die letzten Worte drohend über seine Lippen.

Was mich zum Lachen brachte, ich konnte nichts dafür, allein die Vorstellung amüsierte mich. „Willst du mich an die Hand nehmen und mit mir schimpfen, als sei ich ein unartiges Kind?“, sah ich ihn im Geiste mit hocherhobenen Finger und tadelnder Miene.

„Ich dachte, da eher an eine andere Bestrafung.“ Erklärte er, mich von oben bis unten musternd, „Ich hörte, du stehst auf gewisse Spielchen, die ich problemlos anwenden könnte.“

Sofort verging mir das Lachen. „Das würdest du nicht wagen.“ Schnappte ich nach Luft, woher wusste er davon?

„Lass es darauf ankommen, meine Liebe.“

„Worauf?“, sah Kahlaf uns abwechselnd an. In seinen Händen ein überdimensionales verhülltes Bild, dabei übersah er geflissentlich unseren Disput, „Ihr kommt mir gerade recht, besser könnte es nicht passen.“ Meinte er geheimnisvoll, „hier nehmt das Bild in eure Mitte und tragt es hinunter.“ Befahl er kurzerhand und drückte uns dasselbe ungefragt in die Hände. „Nun kommt schon!“, ging er voraus.

Kahlaf erwies sich als Akteur, der wusste wie man die Leute auf die Folter spannte. Nachdem wir das Bild in die Halle trugen, wies er uns an neben ihm stehen zu bleiben.

Er selbst setzte zu einem Monolog an, er beschrieb Farben, sein exzellentes Gedächtnis, Licht welches ihn inspirierte, schlussendlich der Palast selbst, dem die Historie fehle, wie er sich ausdrückte.

„Deshalb meine Damen, meine Herren habe ich mit dem jüngsten Mitglied der Familie begonnen. Andere Gemälde werden folgen, doch nun erweise ich euch die Ehre mein neuestes Werk zu begutachten.“ Schwungvoll zog er das weiße Linnen herab.

Mir stockte der Atem, als ich Prya sah, wie konnte er nur, warf ich einen erschrockenen Blick zum Boss. Egal welchen Disput wir auch gerade ausfochten, hier ging es um unsere Tochter.

Corvin hingegen blieb sehr gelassen, ich traute kaum meinen Ohren als er Kahlaf  für seine Kunstfertigkeit lobte. Er wusste es, er wusste welches Bild Kahlaf der Öffentlichkeit preisgab. Seine Tochter preisgab! Was für Narren!

Welcher Irrsinn brachte sie dazu Prya dermaßen in Gefahr zu bringen? Ich sah in die Runde, Alischa die mit schmalen Lippen und Hass in den Augen das Gemälde betrachtete, Monseigneur der bereits sein Handy in der Hand hielt. Inazinus der sich genüsslich die Lippen leckte, sie alle bedeuteten Gefahr, jeder Einzelne von ihnen.

„Nur ruhig!“, legte jemand eine Hand auf meine Schulter, es war Henry der mich beruhigend ansah. „Wir wissen was wir tun.“ Raunte er leise.

Nun erfasste ich gesamte Scharade! Wir die Eltern trugen das Bild hinunter, flankierten das Gemälde als Kahlaf unsere Tochter den Blicken feilbot.

„Darf ich vorstellen meine Herrschaften Prya Sardovan … mein geliebtes Patenkind.“ Setzte er nach einer kunstvollen Pause hinzu. Sein Patenkind? Ganz etwas Neues, eher ein kluger Schachzug, niemand der Anwesenden würde Hand an ihr legen, zumindest nicht solange man demjenigen etwas nachweisen konnte.

Kahlaf genoss die Stille, nach seiner Ankündigung, offensichtlich. Er lächelte, dabei nahm er jeden genauestens in Augenschein. Wieder ergriff er das Wort, „Da man mir vorwarf, keinerlei Angehörigen zu haben um die ich mich Sorgen müsse, sah ich mich genötigt, euch mein Patenkind vorzustellen. Zumindest auf Leinwand, da die Eltern“, warf er uns einen warmen Blick zu, „das Risiko vermeiden wollen, das ihrer Tochter ein Leid geschieht, welches bei einer langen Reise entstehen könnte.“ Schaute er sich Verständnis heischend um.

Wie auf Verabredung spielte mit seinen letzten Worten ein Orchester auf. Theodoric ganz unkonventionell, eröffnete mit Nirfa den Ball. Kahlaf sah es als Auftakt, was ich wiederum als verabredet ansah, um sich Muse zu schnappen und ihnen tanzbeinschwingend folgte. Der Großteil der Gesellschaft schloss sich ihnen an.

Wie eine Herde Schafe folgten sie dem Henker zur Schlachtbank. Niemand der Anwesenden bedachte Monseigneur, der die Feier ausrichtete. An ihm wäre es gewesen das Fest zu eröffnen, ein kluger Schachzug, wie zugleich ein gefährliches Unterfangen.

Monseigneur machte gute Miene zum bösen Spiel, sicherlich kam uns dieses kleine gewonnene Scharmützel noch teuer zu stehen. Er und Alischa verstanden sich im Augenblick fiel zu gut.

Der Ball wurde ein voller Erfolg, alle amüsierten sich königlich, der Wein vermischt mit Nahrung floss in Strömen. Eine Idee Monseigneurs der die geringe Rationen oftmals bemäkelte. Dadurch löste sich schnell die Stimmung und die damit verbundenen Schranken der Etikette.

Ich sah Theodoric mit Selina verschwinden, Monseigneur suchte sein Glück bei einer Kriegerin die ihn unmissverständlich eine Absage erteilte, was er mit einem Schulterzucken hinnahm um seine nächste Beute auszuspähen. An Tanzpartner mangelte es mir trotz fehlender Tanzkarte nicht. Ich ging davon aus das es an der Überzahl der Herrn hing.

Es kam wie es kommen musste, ein besonders ungestümer Till, der dem Wein in vollen Zügen genoss, drehte mich bei dem Tanz mit solchem Elan, dass ich nach Halt rudernd den nächstbesten Arm packte. Vom Schwung mitgerissen, taumelte der Herr einige Sekunden, bevor er, wie ich das Gleichgewicht verlor. Auf der dicht gedrängten Tanzfläche prallte ich schlussendlich gegen einen harten Körper, der standhaft den Drall abfing. Mein Opfer weniger bodenständig, folgte mir einen Sekundenbruchteil später. Zwischen den beiden Männern eingeklemmt, erlangte ich mein Gleichgewicht wieder.

„Entschuldigt!“, murmelte ich beschämt, Till verwünschend.

„Sarah! Unser erstes Treffen habe ich mir anders ausgemalt. Ich muss ehrlich zugeben, so keineswegs“, erschrocken sah ich auf, Pierre! Ein leicht spöttischer Zug um die Lippen sah er amüsiert auf mich herab.

Zu keinem Wort fähig starrte ich ihn mit offenem Mund an, „Tja, Pierre, ich denke unsere Kleine stellte es sich auch anders vor! Vielleicht vor einigen Tagen, direkt nach deiner Ankunft? Sicherlich mit ein oder zwei persönlichen Worten über deine überstürzte Heirat, mit einer deiner Geliebten! Seltsam wie wortkarg so mancher sein kann.“, umdrehen musste ich mich nicht, die vor Ironie tropfende Stimme, erkannte ich sogar im Schlaf.

„Henry! Wie immer an ihrer Seite. Ich frage mich, ist es Zufall? Welch eine Scharade, der Frauenliebling, ein ewiger Freund. Du gehst wie ich hörte, mal wieder leer aus“, erwiderte Pierre im gleichen Ton mit Blick auf Ciaran.

Hier entstand eine Auseinandersetzung, die ich eigentlich im Keim ersticken sollte und nicht konnte. Ich stand wie unter Schock zwischen ihnen. Ich spürte mehr ein Lachen in Henrys Brust als das es herausdrang, „Leer? Ich weiß wirklich nicht worauf du anspielst, lass dir eines gesagt sein, immer werde ich an Sarahs Seite stehen …“

„Ja sicher ist mir schon klar!“, unterbrach Pierre rüde, „Schließlich bist du in sie verliebt, zumindest scharf auf sie. Armer Henry, immer da und nie zum Zuge kommend, was?“

Auf solch eine Beleidigung würde jeder andere Vampir mit einer Kampfansage reagieren, Henry lachte spöttisch auf, „Wie scharfsinnig du bist Pierre! Es ist kein Geheimnis welche Gefühle ich Sarah entgegenbringe, ich liebe und vergöttere sie, deshalb mein Lieber findest du mich, an ihrer Seite.“

Darauf fand Pierre keine Erwiderung, wortlos kehrte er uns den Rücken. „Dieser Franzose treibt es zu weit!“, raunte Henry mir ins Ohr, „Er hat nach wie vor ein Auge auf dich, nimm dich in acht“, drückte er mir einen Kuss in den Nacken.

Till wartete einige Schritte entfernt, verlegen den Hinterkopf kratzend, grinste er uns verschämt an. „Vergnüg dich mein Schatz“, schob Henry mich zu Till.

Als ich auf Till zuging fielen mir die Paare auf, die im Tanz innehielten und uns anstarrten. Ha, wieder erneuter Klatsch! Wieder kam ich darin vor, wie sehr ich es hasste.

Zu meinen Leidwesen bekam Vater jedes Wort mit, er sah aus, als wolle er mich Haut und Haaren fressen. Till bemerkte den Ausdruck auf Vaters Gesicht ebenso.

„Tut mir Leid“, meinte er zerknirscht, „Sollen wir unauffällig das Weite suchen?“ Womit ich mich sofort einverstanden erklärte. Für mich ging der Zauber des Abends verloren, ich wollte mich nur noch irgendwo verstecken.

Pierre und seine unmöglichen Anschuldigungen gingen mir stetig durch den Kopf. Nein vollkommen haltlos, Henry fühlte nichts dergleichen, wie Pierre behauptete. Er ist ein Freund! So hoffte ich jedenfalls.

Till und ich blieben im Garten, nach und nach gesellten sich Eric, Henry, Matt, Peer und Vater hinzu, zum Schluss kamen Malech und Corvin, der Muse mit sich zog. „Die Dame wollte uns keine Gesellschaft leisten, weil sie befürchtete uns zu stören. Was meint ihr?“, drückte er sie herzlich an sich.

Wir grinsten meinen errötenden Vater an, der verschämt nach Muses Hand griff und aus Corvins Umarmung befreite. Wie seltsam, dachte ich, das Paar betrachtend, abgeklärt, wer weiß wie alt und doch verlegen. Natürlich mussten sie so manchen derben Kommentar hinnehmen. Für heute Abend geriet Politik, sowie der Rat in den Hintergrund.

Erst als ein Vampir, Malech rief wurde uns bewusst wie weit die Nacht bereits fortgeschritten war. Muse und Vater verabschiedeten sich, gefolgt von Peer der seine gewohnte Runde gehen wollte. „Ich weiß gar nicht warum er das Gelände abgeht, ist doch überflüssig“, meinte Till.

„Ja wer weiß, ich denke er sucht die Einsamkeit. Er hat sich verändert, ist ruhiger geworden“, entgegnete Matt, „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen er ist wie Vlad verliebt. Doch ich zweifle, er ist wie ich ein ewiger Junggeselle.“

Eric hieb sich lachend auf die Knie, „Dummkopf! Wenn die richtige Frau kommt wirst du dein flatterhaftes Leben ohne Bedauern aufgeben.“

„Nie!“, rief Matt entrüstet.

„Oh doch!“, blieb Eric bei seiner Meinung, „Für die eine gibst du deine Freiheit mit Wonnen her.“

Matt schüttelte heftig mit dem Kopf, „Nee das kommt für mich niemals infrage. Kann ja sein das du und Vlad so etwas braucht, aber wir anderen bleiben lieber auf Freiersfüßen, nicht wahr Henry.“

Der sagte erst einmal nichts, sondern schaute mich nachdenklich an, „Wer weiß“, meinte er zögernd, „es gibt einige Paare, dessen Liebe unbeschadet Jahrhunderte überstehen. Dann denke ich, es muss so etwas wie Liebe geben. Auch …“, er blickte Corvin und mich entschuldigend an, „ … bei den Beiden schlug die Liebe ein. Ich weiß, ich weiß, ihr wollt heute kein Wort mehr darüber hören. Damals wünschte ich, mir würde ein solches Geschenk widerfahren.“

Keiner sagte etwas darauf, wir hingen unseren Gedanken nach. „Ja“, sagte Matt, „So ähnlich habe ich auch gedacht. Fenils ist für mich heute noch eine schöne Erinnerung.“ Er klopfte Henry auf die Schulter, „Wir sollten wohl niemals nie sagen, was?“

„Eines vergesst ihr in euren rührseligen Erinnerungen“, sagte Corvin mokant, „In Fenils verbrachten wir einige Monate, die Romanze endete schnell, mit schalem Nachgeschmack, der mir heute noch sauer aufstößt.“

Ich bekam große Augen, übergroße Augen! „Ach so, dann bedeutete dir Sarah nichts?“, eine Frage, nur eine Frage die ich beantwortet haben wollte.

„Doch schon, empfand ich für Sarah etwas, wie die Zeit bewies wahrscheinlich nicht genug. Ich denke es lag eine gegenseitige Anziehungskraft vor, Liebe soll doch darüber hinaus gehen.“

„Das kann ich dir nicht beantworten, da musst du Eric oder Vlad fragen“, zuckte ich unwissend mit den Schultern.

Eric sowie die anderen Herrschaften bekamen kein Wort heraus, sie stierten Corvin mit mordlüsternen Blicken an. „Was ist?“, fragte Corvin geradeheraus, „Wollt ihr die Wahrheit nicht hören?“, setzte er sich drohend auf.

„Es lohnt sich nicht Jungs, unser Boss spielt mal wieder den ausgemachten Deppen.“, beruhigte Henry sie, was mir schleierhaft erschien. Ich fand die Antworten Corvins sehr interessant, damit konnte ich umgehen, er sagte die Wahrheit, kein honigsüßes Liebesgeflüster, was ich auch laut kundtat.

Sofort fielen meine Freunde über mich her, der Boss kam ebenfalls nicht zu kurz. Zu meinen Glück kam Malech, der mir verstohlen ein Zeichen gab. Ciaran, wusste ich sofort, mit einer lahmen Entschuldigung, ließ ich die aufgebrachte Mannschaft hinter mir. Sie konnte ja Corvin weiterhin den Marsch blasen, kicherte ich schadenfroh in mich hinein.

 

Kapitel 25

 

Durch das Gedränge versuchte ich so unauffällig wie möglich die Treppe zu erreichen. Einige angetrunkene Vampire ohne weiblichen Anhang versuchten mich aufzuhalten, so setzte ich meine geschäftige Miene auf und wies sie eisern ab.

Hinter mir hörte ich so manchen Beinamen, dazu gehörte Eisprinzessin noch zu den Schmeichelhaften. Als ich die Treppe endlich erreichte dachte ich alle Verzögerungen lagen hinter mir, weit gefehlt. An manchen Tagen sollte man sich einfach nur verstecken, Alischa kam ganz Dame die Stufen hinuntergeschwebt. Ihr Antlitz sprach Bände, „Wo ist Corvin?“, jedes Wort ein Peitschenhieb.

„Soweit ich weiß, im Park“, gab ich höflich Antwort.

Sie verstellte mir den Weg, „Im Park, ja? Was will er denn da?“, meine Miene drückte Unwissenheit aus. „Sei ja nicht so hochnäsig, Leibwächter! Hol ihn her, sofort!“, verlangte sie schroff.

Geh doch selbst, lag mir auf der Zunge, natürlich vollführte ich eine Hundertachtzig Gradwendung, ganz gehorsamer Krieger der ich ja war.

„Halt! Wo willst du hin? Habe ich dich etwa entlassen?“, schäumte Alischa vor Wut.

Hallo? Konnte das Biest sich mal entscheiden? Langsam wandte ich mich ihr zu, bleibe höflich ermahnte ich mich, „Dein Befehl lautete, hol ihn her, sofort, da denke …“

„Du wagst es zu denken! Dein Betragen lässt zu wünschen übrig, wie überhaupt dein gesamtes arrogantes Auftreten. Glaubst du wirklich ein verrostetes altes Geschmeide eines wahnsinnigen Balges kann dich schützen? Überhaupt ist es eine Frechheit es zu tragen, dir steht es in keiner Weise zu, gib mir die Kette!“, forderte sie mit zusammengekniffenen Augen, die gefährlich blitzten. Ihre Hand streckte sich mir entgegen, als wolle sie die Kette mit Gewalt an sich reißen.

Instinktiv trat ich zurück, „Ha auch noch Befehlsverweigerung! Na warte, dir werd ich die Frechheit austreiben.“, auf einen Wink von ihr standen ihre Leibwächter unversehens da und packten mich. Einer hielt mir den Mund zu. „Nach oben in meine Räume!“, befahl sie zur Seite tretend.

„Na so was! Alischa seit wann, darfst du Hand an fremde Leibwächter legen?“, fragte Merkur verbindlich, die Häscher Alischas ließen sofort von mir ab.

„Corvin ist zu nachgiebig, außerdem kann ich meine Enkelin, wann immer ich will in ihre Schranken weisen. Misch dich nicht in Familienangelegenheiten ein, Merkur.“

„So nennst du das ja? Da mein Enkel zur Familie Sardovan gehört, ihm dazu Sarahs Wohlergehen am Herzen liegt, sehe ich es als meine Pflicht an, mich meinerseits für die junge Dame einzusetzen. Gehen wir also, wohin du auch immer Sarah entführen wolltest und reden über ihre … wie sagtest du noch?“

Ihre Augen sprühten vor unterdrückten Groll, „Ihr solltet euch nicht immer in fremde Belange mischen.“

„Mit ihr meinst du wen? Kahlaf und mich?“, bisher führte Merkur die Unterhaltung mit gelassener Ruhe, die Drohung Alischas verwandelte den Vampir augenblicklich in einen gefährlichen Gegner.

Auf einen Wink Alischas traten ihre Leibwächter hinter ihr, sie zauberte ein Lächeln auf ihr schönes Gesicht, „Was denkst du nur? Verstehst du mich mit Absicht falsch? Nun entschuldigt mich, ich möchte mich zur Ruhe begeben.“, drehte sie sich kunstvoll, das lange Haar in den Nackend werfend, um.

Merkur nahm mich zur Seite, ein Blick aus seinen blauen stahlharten Augen und die Zeugen flüchteten davon. „Sie wird die nächste Gelegenheit nutzen um dich aus dem Weg zu räumen. Du solltest nicht mehr ohne Begleitung unterwegs sein. Wo ist mein Enkel und der Rest eurer Sippe?“

Er wartete meine Antwort erst gar nicht ab, sondern zog mich schnurstracks hinaus. Erst als wir die muntere diskutierende Gesellschaft erreichten ließ er mich los. Kurz erzählte Merkur den Vorfall, was sofort für einen Aufruhr sorgte.

„Ganz ruhig!“, meinte der Boss, „Wir werden einfach ein wenig rangieren, Peer wird in Zukunft Henrys Leibwächter und Sarah bleibt in meiner Nähe.“

„Das wird Vlad nicht gefallen.“ Widersprach Henry, „Außerdem ändert es nichts an der Tatsache Sarah ist nach ihrem Dienst in Gefahr.“

„Ich sagte sie bleibt in meiner Nähe! Seit wann verstehst du mich nicht?“, fragte Corvin erbost.

„Oh ich hab schon verstanden, mein Freund nur wollte ich eine Bestätigung“, grinste Henry ihn leutselig an.

Worauf der Boss verärgert schnaufte, „Du verkennst meine Absichten! Sollte Sarah etwas geschehen kann ich meine Pläne vergessen.“

„In der Tat!“, nickte Merkur ebenso wie sein Enkel grinsend.

Was für Pläne? Was hieß in meiner Nähe? Fragte mich überhaupt jemand?

„Malech du ziehst in Sarahs Räume, sie wird in deinen Bereich ziehen, noch heute Nacht! Ich will kein Risiko eingehen.“

„Wann gedenkst du es dem Vater mitzuteilen?“, erkundigte sich Henry höflich.

„Morgen!“, bellte Corvin aufgebracht.

Indessen ging Malech, Eric folgte ihm, „Werde ihm helfen“, lautete sein Kommentar.

„Moment!“, wollte ich sie aufhalten, aber sie reagierten nicht, was mich echt sauer werden ließ. „Ihr könnt nicht so einfach über meinen Kopf hinweg entscheiden!“, baute ich mich in die Mitte der Herren auf.

„Wie du siehst können wir, es ist zu deinem Besten“, wollte mich Henry an sich ziehen. Ich wehrte mich gegen seine Umarmung.

„Dabei habe ich ein Wörtchen mitzureden!“

„Wirklich?“, hinterfragte Corvin, „Soviel ich weiß bist du ein Leibwächter, du wirst den dir zugewiesenen Platz einnehmen ohne Fragen zu stellen.“ Kehrte er mir den Rücken zu und wandte sich an Peer der gerade von seiner Runde kam. Corvin unterrichtete Peer von seinen neuesten Arrangements und ich glaubte es nicht, Peer nahm es Kommentarlos hin.

„So sollte sich ein guter Leibwächter verhalten, nimm dir ein Beispiel an Peer!“, raunzte mich der Boss unwillig an.

„In der Tat!“ sagte Merkur völlig unnötig. Mir blieben die Worte vor Wut im Halse stecken.

„Dann ist ja alles geklärt!“, das war eine Warnung in meine Richtung, die ich nur zu deutlich verstand.

Also schwieg ich und trat ganz unterwürfiger Leibwächter hinter Corvin. Da ich in seiner Nähe bleiben sollte, würde ich das auch, in seiner unmittelbaren Nähe, schwor ich mir. Spätestens Morgen jagt er mich davon, denn der Boss mochte es absolut nicht leiden, rückten ihm die Leibwächter zu nah, an seinem kostbaren Pelz, lächelte ich grimmig vor mich hin.

Henry warf mir zwar einen besorgten und warnenden Blick zu, den ich geflissentlich übersah. Auch seine Versuche mit mir zu sprechen ignorierte ich stur. Sollten sie nur sehen was sie davon hatten mich hin und her zu schubsen! Alischa drohte mir seitdem sie ankam, bisher wagte sie es nicht mich tätlich anzugreifen, außerdem konnte ich mich verteidigen, so leicht bekam sie mich nicht in ihre Fänge.

Welch ein hinterlistiger Intrigant der Boss war, bekam ich noch in der gleichen Nacht mit. Er ging ins Bad, ich blieb wie von ihm gewünscht auf seinen Fersen. Wen wunderst, Alischa weilte im warmen Wasser, sie sah mich sofort.

Keine fünf Minuten später, gesellte sie sich zum Boss, „Warum bringst du dieses vaterlose Balg mit her?“

„Wen meinst du?“, lehnte sich Corvin genüsslich seufzend an den Rand.

„Du weißt genau wen ich meine!“, bemerkte Alischa spitz mir einen tödlichen Blick zuwerfend.

„Ach du meinst meinen Leibwächter? Sie übernimmt den Posten von Malech.“

Alischa schnappte hörbar nach Luft, „Verstehe ich dich richtig? Dieses ungebildete Gör übernimmt die Aufgaben des Söldners?“

„Richtig!“, nickte der Boss träge.

„Aber das geht doch nicht! Du, sie in einem Raum!“, empörte sie sich, eine gestrenge Gouvernante konnte kaum entrüsteter sein. Nur war Alischa keine Gouvernante, weshalb regte sie sich derart auf?

Der Boss warf mir einen lüsternen Blick zu, „Wirklich gut beobachtet Alischa, es nahm wirklich seltsame Formen an, immerzu Malech an meiner Seite.“

„Vlad! Er wird keineswegs begeistert sein.“, lächelte sie zuckersüß. Welch ein Wandel! Wie brachte sie es nur fertig innerhalb von Sekunden ihre Mimik zu wechseln, gar ihre Meinung denn auf einmal spielte mein Vater eine Rolle. Welch ein Umschwung für ein vaterloses Balg.

„Ich werde es ihm morgen Früh mitteilen.“, zuckte Corvin gleichgültig die Schultern.

Alischa schwieg dazu, ich ging jede Wette ein, sie informiert Vater vor Corvin, hetzt ihn natürlich gegen dieses Arrangement auf und Vater …, ja Vater! Er wird aus reiner Rebellion gegen seine Mutter der neuen Regelung zustimmen. Welch ein hinterlistiger Schurke! Vor Verwunderung riss ich die Augen auf, was weder Corvin noch Alischa entging.

„Was ist?“, fragte der Boss auch gleich nach.

„Nichts, mir ist gerade etwas eingefallen“, nahm ich die erste Ausrede die mir einfiel. Natürlich erkannten sie die Lüge! Alischa sah sich um und entdeckte Ciaran der gerade in das Wasser stieg, sie lächelte maliziös, „Machst du dir Hoffnungen? Ciaran ist äußerst wählerisch, du darfst dich geehrt fühlen überhaupt eine Nacht mit ihm verbringen zu dürfen.“, sie wagte es tatsächlich ihre Klauen in meine Richtung zu bewegen, sofort wich ich zurück.

Natürlich bemerkte sie meine Flucht, „Eine Berührung wird dich nicht gleich umbringen“, meinte sie heiter, anscheinend amüsierte mein Rückzug sie.

Ich musste mir fest auf die Zunge beißen, ein Wort von mir würden ihre herablassenden Worte zu widerlegen. Sie sah mir meine Auffassung an, „Ach du denkst, Ciaran lädt dich zu einem weiteren Spielchen ein?“, lachte sie ungläubig und rief Ciaran.

Er kam gleich auf uns zu, „Nun mein Lieber, wir haben zwei verschiedene Meinungen und nur du kannst den lächerlichen Disput lösen.“

„Ich? Worum geht es?“, sah er fragend in Alischas Gesicht. Ohne jegliches Schamgefühl schilderte Alischa unseren angeblichen Disput.

Als ich in Ciarans verschlossene Miene sah musste ich mir ein Kichern verkneifen, er wird nicht ein Wort dazu sagen, wusste ich.

Richtig! Er nickte Corvin zu, der eine desinteressierte Miene zur Schau trug und wandte sich dann ohne Alischa eine Antwort zu geben ab.

„Halt!“, durchschnitt ihr scharfer Befehl das Bad, alle Köpfe drehten sich nach ihr um, „Du wagst es mir einfach so den Rücken zu kehren? Wer bist du das du es wagst?“, ihr schneidender Ton, dazu ihre hasserfüllte Miene jagten mir Schauer über den Rücken. Ich bekam eine Ahnung wie gefährlich sie in Wirklichkeit war.

Ihr ansonsten schönes Gesicht glich einer boshaften Grimasse, die einem im schlimmsten Albtraum begegnet. Ciaran ließ sich keineswegs einschüchtern, langsam fast schon gelangweilt drehte er sich zu ihr um. „Du solltest dich vorsehen Alischa mit wem du dich anlegst, es könnte deine Kräfte weit überschreiten. So mancher besitzt weit mehr Macht als dir bewusst ist.“

Eine Drohung! Er drohte Alischa offen, jeder im Bad vernahm es, jedes Gespräch erlosch, noch nicht einmal das Fallen eines Wassertropfens störte die folgende Stille.

Alischa schien ebenfalls zu Erstarren, sie stierte Ciaran nicht mehr voller Niedertracht an, sondern sie studierte aufmerksam seine Mimik. Dachte sie er sei Ambrosius? Lachhaft! Sie musste wissen, wie er aussah, aber vielleicht hörte sie von dem unbekannten Nachfahren.

Sollte Ciaran der Nachkomme sein? Ein schwerer Klumpen bildete sich in meinen Bauch, ich schlief mit ihm! Ihm einen Verwandten! Bange fragte ich mich, wann Inzest aufhörte, sollte Ciaran der Sohn von Ambrosius Sohn sein, wie stand es dann um unser verwandtschaftliches Verhältnis?

Alischa und der Sohn, Halbgeschwister.

Der Sohn wäre dann der Neffe Alischas.

Also die Enkelin das wäre dann wohl ich, mit dem Neffen? Meinen Onkel? Nein der Sohn müsste Vaters Onkel sein, oder Vaters Cousin?

Mir rauchte der Kopf, damit kannte ich mich nicht aus, es fiel mir ja schon schwer Alischa als meine Großmutter zu sehen. Für mich war sie einfach Vaters Mutter.

Beging ich nun Inzest? Wir, verbesserte ich mich, Ciaran betrachtend und sollte er wirklich der Nachfahre Ambrosius sein, beging er in voller Absicht diese Blutschande?

Das brachte mich zu einer weiteren Frage. Warum? Wollte er mir und damit Vater schaden? Wen er Vlads Ansehen unterminierte dann auch die vom Boss, strebte Ciaran genau das an? Eine Diffamierung der Familie Sardovan?

Ja durchaus möglich, er gehörte zu den Gegner des Bosses. Nein, nein das passte nicht, Alischa würde niemals mit dem Nachfahr Ambrosius paktieren. Es könnte aber auch sein, Ciaran kochte sein eigenes Süppchen! Dann besaß er mindestens einen Verbündeten, wer kam infrage?

Oh ich wurde noch völlig verrückt! Sie steckten mich an, mit ihren Intrigen, Gemeinheiten und Heimlichkeiten. Wo so fragte ich mich, waren die klaren Grenzen, wo der Gegner, wo die Grenze? Alischa zum Beispiel stimmte wochenlang gegen den Boss, dann ganz unerwartet bekam der Boss ihre Stimme. Wohin führte solch ein Betragen und was hatte sie mit Ciaran vor?

Das lenkte meine Gedanken wieder auf mein Umfeld, weder Alischa noch Ciaran standen dort, nur ein blöder grinsender Vampir der sich über mich lustig machte wie seine nächsten Worte verrieten. „Verrate mir doch eines, wohin führten dich deine Gedanken in den letzten Minuten?“ fragte Corvin. Das gerade ich zu seiner Belustigung beitrug brachte mich direkt auf hundertachtzig.

„Das geht dich nichts an!“, blaffte ich lauter als beabsichtigt, nochmals wollte ich bestimmt nicht im Mittelpunkt dieser Klatschmäuler stehen. Deshalb mäßigte ich meine Stimme, völlig unnötig wie mir ein kurzer Blick in die Runde zeigte, es gab keine unerwünschten Zuhörer. „Wo sind sie alle?“ fragte ich überrascht nach.

„Wieso sollte ich dir Antworten, du gibst mir auch keine.“, schmollte der Herr ich muss alles wissen.

„Dann eben nicht“, verschränkte ich die Arme vor die Brust, was ihn wiederum belustigte. „Was ist nun schon wieder?“

„Das!“ deutete er auf meinen Busen, „sieht sehr aufreizend aus, ich frage mich ist es Absicht oder bist du dir dessen nicht bewusst.“

Ich sah an mir herunter und ließ sofort meine Arme fallen, „Also keine eindeutige Anmache. Schade ich wäre keineswegs abgeneigt. Manchmal denke ich an unsere gemeinsam verbrachten Nächte, die recht befriedigend ausfielen.“

Recht befriedigend! Oh dieser arrogante … Mistkäfer! „Naja es ging!“, fuhr ich mir lässig durch das Haar, nie niemals werde ich ihm gestehen wie sehr mich unser Beisammensein erschütterte. Pierre brachte mich nie an den Rand der Ekstase. Den Wahn nicht zu wissen wer man war, nein Pierre nicht, Ciaran schon! Und er!

„Es ging?“, riss mein Gegenüber die Augen auf, „Es ging!“, wiederholte er entrüstet, „Du willst mich reizen nicht wahr? Du willst eine weitere Nacht! Das ist es! Trotz aller Vorhaltungen, deiner Befangenheit willst du eine Fortsetzung.“

„Rede dir das nur ein, Sardovan, es gibt Andere die durchaus fähig sind eine Frau vollends zu befriedigen, dazu benötige ich dich keineswegs. Außerdem wärest du der letzte Mann auf Erden würde ich mich nie mehr mit dir einlassen.“, grinste ich, „So gut warst du auch wieder nicht!“, musste ich noch hinzufügen.

„Ah Ciaran! Ist er wirklich so gut? Dabei zweifelte ich und nicht ohne Grund, ich hörte seine Praktiken seien recht einseitig. Es kann ja natürlich auch sein, du stehst auf Bewegungslosigkeit. Ja! Das ist es nicht wahr, deshalb verhieltest du dich so Teilnahmslos! Aber du hättest es mir sagen können, wie sehr dir Fesselspiele gefallen. Ab und an finde auch ich Gefallen, an eine statuenhafte Puppe.“ Erklärte er aufreizend.

Oh ich erkannte durchaus seinen Plan, langsam kam ich hinter seiner Denkweise und die Art einen zu provozieren, „Ach ich wollte dich nicht überfordern. So manche Männer kommen mit gewissen Spielchen einfach nicht zurecht.“, tippte ich ihm spielerisch gegen die Brust.

Er lächelte sardonisch, „Zweifelst du tatsächlich an mein Können oder forderst du mich gerade heraus?“, er kam mir viel zu nah.

„Nichts dergleichen!“, zog ich mich an den Rand zurück, egal was ich auch antwortete er nutzte es zu seinem Vorteil, wurde mir bewusst, also setzte ich meine strenge Kriegermiene auf, „Mit deiner Erlaubnis Boss“, Boss betonte ich extrem, „werde ich mich an den Beckenrand stellen, von dort habe ich den nötigen Überblick.“ Ich wartete seine Antwort erst gar nicht ab und hievte mich bereits hoch. Er fasste mich an den Waden und zog mich ins Wasser zurück.

„Tatsächlich habe ich etwas dagegen einzuwenden! Noch bin ich nicht mit dir fertig, Sarah Sardovan!“, zeigte er nun seine Teufelsfalte zwischen den Brauen, „Wieso steigst du mit einem verdammten Vampir ins Bett, der zu unseren Gegnern gehört?“

„Gegner!“, meinte ich abfällig, „Ciaran ist ein anziehender Mann, warum geht eine Frau wohl mit ihm ins Bett? Wahrscheinlich nicht um mit ihm über seine politische Gesinnung zu reden.“

„Ach nur ein kurzes amouröses Abenteuer! Wenn es dir darum ging deine Wollust hätte jeder dahergelaufene Vampir befriedigen können.“, grinste er mich abschätzend taxierend an, „Natürlich soweit einer auf knabenhafte Gebilde steht.“, grinste er geringschätzig.

Das saß! Er stocherte zielstrebig in die offene Wunde, ich wusste nur zu gut auf welche weiblichen Attribute er hinwies, die mir eindeutig fehlten. Er erniedrigt dich mit voller Absicht, sagte ich mir. Warum auch immer lass dich nicht provozieren. „Anscheinend gehört Ciaran zu jener Gruppe!“ erwiderte ich sein hämisches Grinsen und leckte mir, wie Monseigneur es gerne tat, lüstern über die Lippen, „Wir komplementieren uns sehr gut, daher werden weitere …“

„Oh ich weiß genau was du sagen willst, ich verbiete dir weitere intime Verabredungen!“, fuhr er gereizt dazwischen.

„Was nicht in deiner Macht steht, Boss! In meiner Freizeit …“, wieder unterbrach er mich, „die ab sofort gestrichen ist! Deine Aufgabe besteht in einer rundum Überwachung meiner Person.“

„Wie bitte?“, fragte ich ungläubig nach.

„Ganz richtig gehört, Krieger! Nun folge mir, langsam weiche ich auf.“

„Aber das geht nicht, das ist verboten! Du kannst mich nicht …“

Der Herr der dachte er sei allmächtig, ging auf meine Einwände nicht ein, er ignorierte sie einfach. „Dagegen protestiere ich, Henry ist für die Einteilung der Leibwächter zuständig.“

„Bitte! Wie du willst, beschwere dich bei Henry, wir werden einen anderen Krieger finden, der dich ersetzt.“

Da war es! Nun endlich konnte er mich aus der Riege der Leibwächter entfernen, ich gab ihm selbst die Waffe in die Hand, er musste noch nicht einmal abfeuern.

Mein Verstand raste, irgendeine Möglichkeit musste ich doch haben. Malech! Sofort sprudelten mir die Worte hinaus. Der Boss nickte leicht, „Genau du übernimmst seinen Aufgabenbereich!“

Jetzt hatte ich ihn! Jetzt konnte ich meine Einwände einbringen, frohlockte ich innerlich, „Aber Malech“, sagte ich zuckersüß, meiner Argumente vollkommen sicher, „er hat zwischendurch Freizeit!“, so dagegen sollte er etwas vorbringen! Schachmatt!

„Meinst du? Nein er spionierte in meinen Auftrag, freie Stunden dienten lediglich als Alibi. Sonst noch was?“, trocknete er sich inzwischen ab.

„Nein“, ich gab mich geschlagen und folgte ihm, nach außen hin die Ruhe in Person, während ich innerlich brodelte. Warte, sagte ich mir. Warte auf eine günstige Gelegenheit, ihn jetzt der Lüge zu bezichtigen, bedeutete der endgültige Rauswurf. Warte einfach ab Vulpe!

Das tat ich in den folgenden Wochen, ohne Erfolg er bot mir keine Angriffsfläche, sondern verhielt sich mir gegenüber äußerst Korrekt. Selbst Vater der anfänglich tobte, natürlich hinter geschlossenen Türen, denn bei seiner Mutter bestätigte er lediglich den Tausch, beruhigte sich zunehmend.

Der Tagesablauf entpuppte sich als äußerst einseitig. Früh am Morgen tagte der Rat, währenddessen stand ich wartend vor den geschlossenen Türen. Sobald der Rat endete marschierte der Boss in seine Gemächer, dort saß er stundenlang an seinem Schreibtisch. Mal studierte er Seiten, die ihm Vlad oder Henry hinterlegten. Oder das Trio besprach sich das hieß für mich wieder draußen warten.

Auch wenn Alischa kam, sie setzte es bei Corvin durch, mich vor die Tür zu pflanzen. Ansonsten blieb ich im Schatten des Bosses, im Bad, bei offiziellen Anlässen die fast täglich stattfanden und bei Unterredungen mit anderen Ratsmitgliedern.

So erfuhr ich auch was mit dem Menschen geschah der aussah wie Jens Stegmann. Man überprüfte seine Angaben und stellte fest, welch ein teuflisches Unterfangen ein Vampir seit Jahrzehnten betrieb.

Dieser bisher unbekannte Vampir stellte ein Zuchtprogramm auf, ähnlich wie jenes von Ambrosius. Diese Menschen wurden darauf trainiert Vampire zu beobachten, zu verfolgen und zu töten. Als Kahlaf damit das Trio konfrontierte wirkten sie gar nicht mal überrascht.

„Wir benötigen eine handfeste Bestätigung, Kahlaf!“, sagte Henry stirnrunzelnd, „den Verdacht hegen wir seit geraumer Zeit.“

„Wann wolltet ihr uns aufklären?“, fragte Kahlaf grollend, der Boss entschuldigte sich sogleich, „ein Beweis fehlt uns, mein Freund.“

Kahlaf ließ den Menschen von seinen Leuten abholen, die ihn weiter Verhören sollten. Als der Rat mit diesen Neuigkeiten informiert wurde, brach kurz ein Geschrei aus, welches sogar in der Halle zu hören war. Weiter geschah nichts.

Die Fronten im Rat verhärteten sich wieder, jede Abstimmung blieb unentschieden. Die Reglosigkeit des Rates zerstörte gar die Geduld eines Heiligen, dementsprechend verstimmt liefen wir alle in den alten Palast herum. Noch nicht einmal Merkur wagte seinen allgegenwärtigen Spruch loszulassen.

„Wir benötigen unbedingt einen Erfolg, ansonsten gehen wir uns an die Kehlen.“, warf Henry sich niedergeschlagen auf das Sofa in Corvins Gemach. Ja dieser Raum sprach von Reichtum und Geschmack während im Nebenraum Schrankkoffer standen, sowie diverse Papiere lagen, die vor neugierigen Augen geschützt wurden.

„Wir treten auf der Stelle das weiß ich auch. Egal was vorgeschlagen wurde es wird abgeschmettert von ihrer sowie unserer Seite.“, rieb der Boss sich die gerunzelte Stirn.

„Wie wäre es, wenn wir auf ein Gesuch eingehen? Etwas Nichtiges, das wir vertreten können.“, schlug Vater vor, er saß halb auf der Fensterbank und ließ sich die Sonne im Rücken gefallen.

Der Boss wanderte wie üblich hin und her, „Sag mir was du für mich tust, dann sage ich dir was ich für dich tu, nein das bringt uns nicht weiter. Was meldet die Außenwelt?“, wandte Corvin sich an Vlad.

„Das übliche, jede Menge Vampire die sich auffallend ruhig verhalten, sie warten auf etwas. Bisher ist es uns nicht gelungen herauszufinden worauf. Malech´s Leute spionieren überall …“

„Ergebnisse sollten sie liefern, keine laue Luft!“, unterbrach Corvin seinen Freund rüde, sein Stirnrunzeln nahm zu, er bewegte sich wie ein eingesperrter Tiger.

„Vielleicht solltest du mal raus, Corvin.“, schlug Henry vor, „Deine Laune lässt zu wünschen übrig …“

„Ach ja?“, grollte der Boss, „Es ist ja auch alles in Ordnung nicht wahr! Es ist besser ihr geht jetzt und kommt mir …“

Henry und Vlad sprangen auf, „Wie du willst!“, sagten sie gleichzeitig und rauschten hinaus.

Sehnsüchtig sah ich ihnen nach und zog mich in die hinterste Ecke zurück, ja nicht auffallen, der ist heute mehr als Übellaunig.

„Was schleichst du so herum? Meinst du etwa ich beiße dich?“

Zu spät, er fasste mich ins Visier, „Bestimmt nicht, ich wollte nur deinem ungerechten Jähzorn entgehen.“, trat ich wieder vor.

Er schwieg, nahm seinen gewohnten Marsch auf und blieb dann mitten in der Bewegung stehen. „Vielleicht hat dein Busenfreund ja Recht, ich sollte wirklich mal raus. Weg von all dem!“

Da er mich nicht direkt ansprach, sagte ich kein Wort. „Du bist anderer Meinung?“, sah er mich nun an.

„Es könnte nicht schaden. Soll ich Peer rufen?“

„Nein keine Eskorte, kein Aufsehen ich will einfach nur Ruhe. Wohin sollen wir uns flüchten?“, erwartete er etwa eine Antwort, darauf? Als Leibwächter stand seine Sicherheit im Vordergrund.

„Ich weiß schon wohin! Der Ort wird deine ängstliche Besorgnis zufriedenstellen. Rufe Peer er kommt mit, sonst niemand!“

Ah, launenhaft wie immer, nein Peer kommt nicht mit, ja Peer kommt doch mit, ging ich zur Tür. „Wo willst du denn hin?“

Was nun? Drehte ich mich zu ihm.

„Wir gehen hier raus, Peer erwartet uns bereits.“

Na sicher, Peer erwartet uns bereits, woher sollte ich das denn wissen? Überhaupt was wollte er in dem Abstellraum? Im Schrankkoffer verreisen, den er gerade zur Seite schob?

Ich staunte nicht schlecht, eine versteckte Tür, naja eher ein niedriger Durchgang. „Wohin führt der denn?“, fragte ich laut ohne darüber nachzudenken.

Der Boss blaffte mich gleich an. „Das geht dich nichts an, vergiss ihn am Besten gleich.“

„Aber da durchgehen darf ich?“

Er schnaufte, „Geh vor und geh nur geradeaus, hörst du!“

„Aber klar doch!“ wütete ich in Gedanken, wann wollte man mir denn mitteilen das es einen Geheimgang gab? Sicherlich nicht so schlimm wenn aus dem nichts ein Attentäter aus der Abstellkammer kam, brachte ja nur den Boss um.

Der Gang war alt und führte abwärts, ausgetretene Stufen brachten uns hinab. Ein Keller, fragte ich mich, nach meiner Schätzung mussten wir unterhalb des Erdgeschosses sein. Die Luft wurde frischer, leises Piepen und Surren wurde lauter. Eine massive Tür versperrte mir den weiteren Weg.

„Klopf dreimal kurz hintereinander, dann zweimal“, sagte der Boss, der direkt hinter mir stand.

Peer öffnete mit besorgtem Gesicht, „Corvin das gefällt mir nicht, wir sollten Verstärkung mitnehmen.“ Meine Rede!

„Erzähl es ihr!“, erwiderte Corvin, Peer sah mich betrübt an und ich verdrehte nur die Augen, worauf Peer den Mund verzog.

„Ich kann euch durchaus sehen!“, mokierte sich Corvin.

„Dann solltest du deinen Leichtsinn erkennen. Wir halten unseren Hals hin, falls wir angegriffen werden.“

„Noch kann ich mich selbst verteidigen, besonders dieser Rotzlöffel muss beschützt werden.“

Zuerst stimmte ich Peer zu, nach dem Kommentar des Bosses und Peers, „Auch wieder wahr!“, hätte ich ihnen gern einige Beulen verpasst.

Stattdessen wurde ich unsanft in einen Kofferraum geschubst, gleich darauf folgte der Boss, dem mit einem Male ein Grinsen in der Visage stand. „Das macht dir Spaß, was?“, konnte ich nicht umhin anzumerken.

„Einen Heidenspaß, rück ein Stück!“

„He das sind meine Beine die du da gerade brichst.“

„Halt still!“, mit einem lauten Knall wurde der Kofferraum geschlossen. Derweil werkelte Corvin mit seinen Armen und Beinen herum. Schlussendlich lagen wir ineinander verkeilt da.

„Hoffentlich dauert die Fahrt nicht lange.“ Konnte ich gepresst gegen seine Schulter herausbringen.

„Ist doch ganz gemütlich, bin schon weit schlechter gereist.“ Sein Atem strich über mein Haar, er sprach mit tiefen Atemzügen.

Ein Verdacht keimte auf, „Riechst du etwa an meinem Haar?“, versuchte ich den Kopf zu drehen, mit mäßigem Erfolg.

„Und wenn, was macht das schon.“ Bekam ich Antwort, „Mir macht es was, es ist ungehörig!“

Er lachte! Dabei bohrte sich sein Ellenbogen gegen meine Lunge, ich japste nach Luft. „Gleich so erregt, meine Liebe? Ich hatte keine Ahnung!“

„Du drückst mir die Luft ab, pack deinen Arm woanders hin!“

„Wie die Dame wünscht“, umarmte er mich und als ob er nicht schon nah genug war, drückte er mich auch noch an sich, „besser so?“, gurrte er schmeichelnd.

Damit nicht genug, spürte ich nun seine Erregung! „Halte dich ja im Zaun!“, warnte ich.

„Es ist eine ganz normale Reaktion, schließlich bin ich nicht aus Eis. Außerdem verzichte ich schon gar zu lang auf mein körperliches Vergnügen. Wie sieht es aus, wollen wir ein wenig kuscheln? Besser kann man die Zeit doch nicht totschlagen.“

„Nein!“, rief ich entsetzt aus, dabei versuchte ich hektisch Abstand von ihm zu gewinnen, was mir misslang da der Kofferraum keinen weiteren Platz bot.

Corvin lachte vor Vergnügen auf, als er mein aussichtsloses Treiben beobachtete, um mich nicht total lächerlich zu machen, raffte ich meine verbleibende Würde zusammen und blieb still liegen.

„Du kannst dich vielleicht anstellen, warum sollten wir uns nicht ein wenig Vergnügen gönnen? Ist doch schließlich der Sinn dieses Ausfluges!“

„Oh du wolltest frische Luft und Bewegung, von einem Liebesabenteuer in einem muffigen Kofferraum war nicht die Rede.“

„Liebesabenteuer? Himmel Sarah ich sprach von Kuscheln, ganz zwanglos, ein paar berauschende Küsse, mehr nicht. Was du gleich denkst, wirklich!“

Darauf gab ich lieber keine Antwort, er drehte mir ja doch die Worte im Munde um.

Seufzend richtete er sich auf, wie ihm das gelang blieb mir ein Rätsel, „Mal ehrlich Sarah, unter Freunden“, sah er mich erwartungsvoll an.

„Was?“, fühlte ich mich genötigt zu fragen.

„Du denkst gleich an Sex“, gekonnt pausierte er, „gibt es da gewisse Engpässe die du beheben solltest?“

„Falls ja geht es dich nichts an!“

„Oh da muss ich dir widersprechen, schließlich leben wir im Augenblick auf engsten Raum zusammen. Was geschieht wenn du die Beherrschung verlierst? Wie soll ich mich verhalten? Es ist eine schwierige Situation für mich, weißt du. Einerseits bist du eine Versuchung, andererseits fühle ich mich deinem Vater verpflichtet der sein Vertrauen in mich setzt.“, sein salbungsvoller Ton zerrte an meinen Nervenkostüm.

„In dieser Beziehung kann ich dich beruhigen, dich werde ich auf keinen Fall behelligen!“

„Mhmm“, lautete sein Kommentar, da kam unter Garantie noch was und richtig, „Genau da liegt unser Problem, ich kann dich auf keinen Fall in wildfremde Arme ziehen lassen. Du verstehst dein Vater!“

„Ach? Aber du stellst dich gern zu Verfügung, ja?“, musste ich mich beherrschen ihm nicht in die Gurgel zu beißen, die er mir in süßer Reichweite darbot.

„Gern“, meinte er zweifelnd, „Ich weiß nicht, du müsstest mich schon überzeugen. Eine Bitte wäre angebracht, nachdem du mich des Öfteren so rüde abgewiesen hast.“

Ich wünschte ich könnte meine Haare raufen, weit ausschreiten, ihn in seine wohlgefällige Visage schlagen. Aber nein Sarah das darfst du nicht! Eines Tages schon! Sobald er nicht mehr unter meinen Schutz stand, würde ich ihn pflücken wie eine reife Tomate. Ja ihn, zu einem Salat zerschnippeln, den ich mir mit größtem Genuss einverleiben würde. Eines Tages tröstete ich mich.

„Dann warte mal!“, würgte ich mit Mühe hinaus, solch ein selbstherrlicher Dreckskerl!

„Das werde ich, darauf kannst du dich verlassen!“, es klang eher nach einer Drohung, seine nächsten Worte bestätigten meinen Verdacht, „du wirst kaum einen anderen Liebhaber finden als mich!“

„Spinnst du jetzt total?“, wollte ich wissen, darauf bekam ich keine Antwort denn Peer öffnete den Kofferraum, „Ihr könnt aussteigen, niemand verfolgt uns.“

„Gut!“, sprang Corvin aus den Wagen, „Es wurde wirklich sehr eng da drin, außerdem kann Sarah kaum ihre Finger bei sich behalten, sie braucht unbedingt einen festen Freund.“

Noch halb im Kofferraum dachte ich mich zu verhören, „Das geht mich nichts an!“, sagte Peer in seiner trockenen Art.

„Aber warum denn?“, hinterfragte Corvin, „Gehörtest du nicht zu ihren engsten Freunden? Bist du nicht mit ihrer Freundin liiert? Sicherlich redet ihr über euern gemeinsamen Bekannten, dafür kenne ich Alia zu gut, sie sorgt sich um Sarah. Was denkt ihr, wer passt zu unseren taffen Krieger?“

„Ich glaub es ja nicht!“, stampfte ich auf den Boss zu, der unverschämt grinsend auf Peers Antwort wartete.

„Wie gesagt geht es mich nichts an!“, betonte Peer, „Wenn wir vor der Dunkelheit unser Ziel erreichen wollen, sollten wir aufbrechen.“

Das warf mich einen Moment aus der Bahn, „Wohin fahren wir denn?“, wollte ich wissen.

Corvin setzte sich bereits hinter das Steuer, Peer hielt mir die Beifahrertür auf. Ich kapierte schnell, also sollte ich schön brav auf die Rückbank. „Der Boss gehört nach hinten!“, blieb ich stehen.

„Entweder du steigst ein oder wir fahren ohne dich los!“ Jedes Wort die reine Herausforderung! Der Boss übertraf sich mal wieder selbst.

„Du hast es gehört“, schaute Peer mich fragend an.

„Schon gut ich steige ja ein aber unter Protest.“ Sie nahmen meine Bedenken schweigend hin, kaum das Peer saß fuhr Corvin los.

„Wohin geht es?“, wiederholte ich die Frage.

Peer antwortete mir, „Der Mensch berichtete von einem Treffpunkt, dort habe er und andere Menschen seine Befehle erhalten. Wir wollen nachprüfen ob es stimmt und …“

„ … ob noch jemand da ist, der Befehle erteilt!“, beendete ich den Satz.

„Richtig!“, nickte Peer.

„Aber warum dann das Theater vor Henry und Vlad?“

„Hauptsächlich deinetwegen, da wir annehmen müssen das Alischa oder einer ihrer Verbündeten deine Gedanken hört.“

„Völlig ausgeschlossen“, behauptete ich sicher.

„Kahlaf ist es gelungen, dabei ist er nicht gerade sehr talentiert. Monseigneur dagegen ist ein wahrer Experte, auch Alischa besitzt darin einige Erfahrung. Du vergisst immer wieder wie alt diese Vampire sind, ihr Können ist deinem weit überlegen.“, klärte mich Peer auf.

Geschockt ließ ich mich zurückfallen, Kahlaf ist es gelungen und ich habe nichts bemerkt. Himmel wie unvorsichtig von mir, brütete ich still vor mich hin.

Peer drehte sich zu mir um, „Wir können einige Strategien ausarbeiten wie deine Gedanken besser geschützt werden, wenn du willst.“, fügte er hinzu.

Worauf ich ihm dankbar zunickte, „Wann?“

„Mein Gott warum umarmst du das kleine Gör nicht gleich, hör auf sie mit Samthandschuhen anzufassen.“ Brummte Corvin ungehalten, „Sarah ist zu einem Risiko geworden, wir müssen unsere weiteren Schritte genau überlegen.“

Welch ein Schuft, erst will er mir an die Wäsche, jetzt war ich ein Risiko und das innerhalb von Minuten! Peer schaute mich entschuldigend an, brummte etwas in Corvins Richtung was er wohl verstand und mir ein Rätsel blieb.

Jedenfalls wirkten Peers Worte Wunder, der Boss sagte kein Wort mehr. Entsprechend still verlief die weitere Fahrt. In einer kleinen Ortschaft bog der Boss auf einen Schotterweg ein, den wir weiter entlangfuhren bis ein entlegenes Haus in Sichtweite kam.

Der Wagen hielt an, „Wir gehen zu Fuß weiter“, entschied der Boss.

„Du solltest hier mit Sarah warten bis ich die Gegend erkundet habe.“, meinte Peer. Völlig umsonst, die Worte perlten am Boss ab, er stieg schon aus.

„Typisch!“, bemerkte Peer mehr amüsiert als besorgt.

„Nun steig schon aus! Ansonsten stürmt er die baufällige Hütte allein“, rüttelte ich an seinem Sitz.

„Tja das sähe ihm ähnlich, er sollte wirklich mal Dampf ablassen. Ich hoffe, es stellt sich ihm jemand in den Weg, kaum noch auszuhalten ist er mit seiner griesgrämigen Laune.“

„Ach und wenn er umkommt, was dann?“, er lief bereits auf das windschiefe Haus zu.

„Wieder einmal verkennst du die Sachlage, ich möchte ihm nicht als Feind begegnen, nicht wenn er so drauf ist. Einmal konnte ich beobachten wie er … aber lassen wir das du hörst sowieso nicht zu. Also dann komm!“

Weder meine Befürchtung noch Peers Wunsch ging in Erfüllung, keine Menschenseele hielt sich in der Umgebung auf. „Ausgeflogen!“, meinte Corvin verdrossen, „Was nun?“

„Stellen wir das Haus auf den Kopf, vielleicht finden wir Hinweise“, schlug ich vor. Sie sahen mich skeptisch an, „Ein Versuch ist es Wert! Geirrod lehrte mich auch das kleinste Zeichen führt zum Ziel.“

„Na gut nehmen wir das Ding auseinander!“, krempelte der Boss voller Enthusiasmus die Ärmel hoch.

Eigentlich wollte ich Raum für Raum vorgehen, der Boss fing oben an und nahm das Dach sprichwörtlich auseinander. Kein Dachziegel kein Sparren blieb heil, so arbeitete er sich hinunter bis in den Keller. „Nichts!“, stellte er nach Stunden frustriert fest.

„Das würde ich nicht sagen, während du das Haus auseinandernahmst habe ich Reifenspuren entdeckt, seltsame Spuren, ich glaube der Wagen fährt mit verschiedenen Profilen.“

„Wo?“, stürmte der Boss vor, ich folgte ihm und Peer. Vor den Reifenabdrücken hockend stimmten wir Peers Schlussfolgerung zu. „Gut gemacht, Peer!“, lobte der Boss.

„Eigentlich war es Sarahs Idee …“

Corvin winkte ab, „Ja ja rücke sie ruhig in den Vordergrund, informiere lieber Malech´s Leute sie sollen nach dem Wagen fahnden.“

Wie in den gesamten vorherigen Stunden schaute mich Peer entschuldigend an. Was soll´s dachte ich für den Boss blieb ich Luft. Deshalb ging ich zu Peer als der Boss nochmals die Trümmer des Hauses inspizierte, „Hör auf damit, du erreichst ja doch nichts und ich finde es widerwärtig wie du mich anpreist. Soll er durch mich hindurchsehen mir ist es egal. Bringe mir lieber bei meine Gedanken zu schützen.“

„Du besitzt das Grundwissen, nur solltest du nicht den Fehler begehen ständig die gleichen Abwehrfunktionen einzusetzen. Wir wechseln fast stündlich mal ein Gedicht, ein Song, eine mathematische Gleichung, alles was deinen Geist beschäftigt und niemals eine Wiederholung zumindest nicht in regelmäßigen Abständen.“

„Das ist alles?“

„Peer schau dir das mal an“, rief Corvin, wir gingen zu ihm, „eine Landkarte, die Linien kommen mir seltsam bekannt vor“, drehte der Boss die Karte hin und her. Ich schaute mühsam zwischen den beiden Vampiren auf das verkohlte Stück Papier.

„Ja, mir auch, doch welcher Landstrich es darstellt kann ich nicht sagen.“

Typisch, dachte ich, „Das ist ein Ausschnitt der Festung, die Umgebung! Seht ihr dort der graue Fleck das ist die Festung, da das Dorf der Menschen.“

„Das bedeutet nichts Gutes, Peer rufe Alia und Henry an, sie sollen alle … nein, nein wir brechen sofort auf.“ Verfiel der Boss in Panik, seine alleinige Sorge galt Prya, erkannte ich.

„Corvin beruhige dich, wir kehren sofort nach Granada zurück, dann informieren wir Ross er hält Kontakt zur Festung. Bisher gab es keinerlei Zwischenfälle, er sagte es mir erst heute Morgen. Außerdem wird Prya von hervorragenden Kriegern beschützt, allein Diederich und Rosmerta halten eine Invasion auf, dazu die Verstärkung rund um den Berg so leicht kommt da niemand durch.“

Corvin atmete tief ein, „Ja du hast recht, aber wenn ihr etwas geschieht ich weiß nicht was ich tun würde.“

Jetzt zeigte er das erste Mal echtes Gefühl, es lagen keine Hintergedanken in seinen Worten noch in seiner Miene. Das also ist der wahre Corvin Sardovan! Er wirkte fast normal, einfach ein besorgter Vater, ein extrem gut aussehender dazu.

In einem halsbrecherischen Tempo fuhren wir zurück nach Granada, der Boss missachtete seine eigenen Befehle indem er Ross persönlich aufsuchen wollte. Was für uns eine Hetzjagd durch die Stadt bedeutete, einerseits suchten wir Ross zum anderen mussten wir unsere Verfolger abschütteln.

Erst jetzt viel mir auf wie viele Vampire in der Stadt waren, seit meinen letzten Besuch wimmelte es von Vampiren. „Woher beziehen sie nur ihre Nahrung?“, rätselte ich laut.

„Woher wohl? Unsere Blutbanken laufen auf Hochtouren, der Rat beschloss das diese Leibwächter mit Nahrung versorgt werden müssen, durch deinen heiß geliebten Pierre konnten sie ihre Forderung durchsetzen.“

„Es ist nicht mehr mein Pierre!“, verteidigte ich mich ungehalten.

„Wirklich schade! Denn jetzt steht er vollkommen unter Lydias Fuchtel und somit unter der seiner Mutter. Selbst Michelé verliert an Einfluss.“

„Das kann nicht sein, Pierre vertrat immer seine Standpunkte, auch gegen seine Mutter.“

„Nun gelten die Ansichten Lydias, was heißt die alte Schachtel sitzt in Frankreich und reibt sich die Hände, da ihr Wille geschieht. Das Schlimmste daran Pierre bemerkt den Einfluss überhaupt nicht oder will es nicht.“

„Dann sollte ihn jemand darauf aufmerksam machen!“

Jetzt blieb Corvin stehen, „Ja was glaubst du denn, warum Michelé mit deinem Exgeliebten unentwegt streitet.“

„Michelé?“, ich konnte es nicht fassen, gerade weil ich wusste wie viel Pierre von Michelés Meinung hielt.

„Tja so ändern sich die Dinge, nun besitzt Lydia sein Ohr und für uns bedeutet das nichts Gutes.“

„Wir unterliegen!“, meinte ich besorgt.

„Richtig! Zwar besteht keine unmittelbare Gefahr, aber mit den Jahren wird Pierre immer mehr auf Lydia hören.“

Peer kam vom anderen Ende der Straße heran, „Ross ist im Augenblick hinter jemanden her und kann sich nicht mit dir treffen, Corvin.“ Sofort wollte der Boss widersprechen, „Lass mich ausreden, er telefonierte mit Alia und alles ist in Ordnung, sie werden trotzdem die Wachen erhöhen.“

„Damit werde ich mich wohl zufrieden geben müssen“, knurrte Corvin.

„Außerdem sucht Henry dich, es gab einen Vorfall, was wollte er nicht sagen.“

„Verdammt aber auch!“, fluchte Corvin, wir kehrten direkt zum Wagen zurück, diesmal kletterten wir nicht in den Kofferraum, Jäger wie Vampire wussten sowieso, wer durch Granada lief.

Kapitel 26

Es war Vater der uns am Tor abfing, sein Gesicht versprach nichts Gutes. „Es ist Alischa, sie behauptet du hättest das sinkende Schiff verlassen, weil dir bewusst wurde in der Unterzahl zu liegen. Sie verpestet die Luft mit ihren Lügen. Kahlaf, Muse und Henry halten dagegen, doch Theodoric und Nirfa sind verunsichert.“

„Was ist mit dem Franzosen?“

„Oh Pierre hält sich gut, er sagt allen, ein Corvin Sardovan räumt niemals kampflos das Feld.“

„Womit er absolut recht hat!“, rüstete sich der Boss zum Kampf, „Peer links, Sarah rechts verzieht keine Miene, was auch geschieht.“

Kaum das wir aus dem Wald traten, empfing uns Inazinus mit hämischen Worten. Corvin lächelte zuvorkommend und tat als wüsste er überhaupt nicht wovon das Ratsmitglied sprach.

Erstaunt hörte Corvin zu, „Tatsächlich? Wer kommt denn auf solch einen Unsinn? Wir haben uns im Lager der Jäger umgesehen, aber davon später, zuerst muss ich mich sammeln. Zu viel Neues haben wir in Erfahrung gebracht …“, meinte der Boss vertraulich mit bedeutsamen Blicken die Schlimmes aussagten.

Inazinus erblasste, was mir seltsam vorkam, „Was?“ fragte er Corvin am Arm festhaltend.

Der Boss sah auf die Hand die ihn festhielt, sofort zog Inazinus diese zurück, „Später Inazinus, sobald der Rat versammelt ist.“, sagte er kopfschüttelnd, in seinem Ton lag eine Anspannung die bevorstehendes Unglück heraufbeschwor.

„Wir sollten sofort den Rat einberufen!“, bemerkte Inazinus voller Unruhe.

„Nein nein meine Leute und ich gestehe, … auch ich … wir müssen einen klaren Kopf bekommen.“, schleppte sich Corvin mühsam voran.

Inzwischen kamen die restlichen Ratsmitglieder aus dem Haus, Hilfe suchend sandte Corvin einen flüchtigen Blick zu Kahlaf, der nicht lang zögerte, „Meine Damen, meine Herrn bitte lasst die Erschöpften ins Haus. Ja macht Platz!“, drängelte er sich vor, sich schützend vor Corvin stellend. Merkur stand wie aus dem Nichts neben seinen Freund. Kahlaf und Merkur gingen vor, der Boss in der Mitte, Peer und ich bildeten den Abschluss.

So flankiert erreichten wir Corvins Räume, „Himmel Corvin was willst du ihnen Morgen erzählen?“, baute sich Kahlaf zur vollen Größe vor dem Boss auf.

„Ich weiß es nicht, ganz ehrlich ich habe aus reinem Bauchgefühl gehandelt. Inazinus wirkte sehr beunruhigt, ich frage mich warum.“

„Mir erschien es, als wüsste er mehr, kann er etwas mit den Jägern zu tun haben? Sarah wechsle das Gedicht!“

Demnach kontrollierte mich Peer!

„Das Beste du wartest im Nebenraum!“, schlug Kahlaf freundlich aber bestimmt vor. Keiner der Anwesenden protestierte dagegen, wer war ich, mich dagegen aufzulehnen, schlich ich mich einem geprügelten Hund gleich in die Abstellkammer.

So wartete ich, überflüssig, abgeschoben und unbrauchbar in der Kammer, schließlich bedeutete ich ein Risiko. Niedergeschlagen begann ich nach Stunden meinen Schrankkoffer zu packen, ich wollte vorbereitet sein, wenn ich aufgefordert wurde das Feld zu räumen.

Welch ein Abstieg! Der Krieger Sarah Sardovan verhöhnte ich mich selbst, fortgejagt wegen Unfähigkeit. Nichts blieb von meinem Stolz über, nichts als ein Häufchen von Selbstmitleid und Selbstzweifel.

Inzwischen verging die Nacht, der Morgen graute, keine Sonne, dem Himmel fehlte das sonstige strahlende Blau, graue Wolken kündeten von Regen, passend zu meinen Abgang.

Der Tag verging, im Anwesen blieb alles ruhig, ab und an erspähte ich meine Artgenossen, die sich trotz des Regens die Beine vertraten oder sich heimlich austauschten.

Der Regen kam jetzt in feinen Strichen hinunter, sanft benetzte er den kleinen Waldstrich, ich öffnete das Fenster lehnte mich hinaus, seit letzter Nacht wartete ich nun. Noch immer den aufgewirbelten Staub von Corvins Attacke des Hauses auf der Haut, der Boss zog sich bisher ebenfalls nicht um.

Kaum vorstellbar, in den letzten Wochen wurde ich Zeuge wie penibel er sich gebar. Es musste etwas vorgefallen sein, zumindest etwas Ungeheures, etwas Schlimmes nahmen meine Sorgen zu. Sollte ich es wagen mich zu erkundigen?

Nein entschied ich, du wurdest eindeutig hierher geschickt, halte dich an die Befehle, es ist das Einzige, indem du nicht versagtest, noch nicht.

Spät in der Nacht kam Henry mit Nahrung, „Was ist geschehen?“, empfing ich ihn, beruhigend lächelnd setzte er sich neben mir, „Wir haben eine Spur gefunden die zu Inazinus führt, er ist gerade bei Kahlaf. Corvin und dein Vater suchen weiter, Inazinus ist zwar ein Sadist, aber für solch ein großes Unternehmen, wie eine Menschenzucht fehlt ihm einfach das Durchhaltevermögen. Dahinter steckt ein anderer Vampir.“

„Was habt ihr gefunden?“, wollte ich wissen.

„Nun ja Malech´s Männer haben einen weiteren Menschen gefangen, der sang wie eine Nachtigall und diese Spur führte uns direkt zu Inazinus. Er konnte es nicht leugnen, die Beweise sagten genug aus, daraufhin beschloss der gesamte Rat die Festnahme unseres lieben Freundes. Monseigneur distanzierte sich augenblicklich von Inazinus, als er die Beweise sah. Inzwischen herrscht Misstrauen, jeder verdächtigt jeden, allen voran unsere liebe Alischa.“

„Ja das kann ich mir direkt vorstellen, ihr traue ich alles zu.“

„Damit stehst du nicht allein und ich hoffe ihr irrt euch, sollte Alischa wirklich dahinter stecken, sehen wir schwere Zeiten entgegen, sage ich dir.“

„Wann darf ich hier raus oder kommst du um mir zu sagen ich soll verschwinden?“

Er schaute mich erstaunt an, „Nichts dergleichen, wir haben mit handfesten Streitereien gerechnet und dein Vater …“, ich stöhnte auf, „Nein sag es nicht“, raufte ich mir das Haar, „Dann habt ihr also alles geplant, die Fahrt, Kahlaf und mein angebliches Unvermögen, nur damit Vater seinen Willen bekam, ich fasse es nicht!“

„Zum Teil“, gab er zerknirscht zu, „Wir kamen nicht vorwärts, dann Pierre der uns in den Rücken fiel, das Geständnis des Menschen. Von dem du nur die Hälfte erfahren hast. Es gibt mehrere Zuchtstationen in verschiedene Länder die nur ein Ziel kennen, die Vernichtung unserer Spezies so denken sie. Wir haben jedoch in Erfahrung bringen können das sie keineswegs nur menschlich sind. Entsprechend verfügen sie über einige Eigenschaften die wir uns noch nicht erklären können.“

„Wie soll ich das verstehen?“

„Tja, um es mit Fachworten auszudrücken fehlt mir die Kenntnis, ich habe es so verstanden das sie eine Mischung sind, eine Art Hybrid.“

„Zur Hälfte Mensch und zur Hälfte Vampir?“, rasten meine Gedanken schon voraus, wie sollte man gegen solche Mischwesen antreten?

„Nein nur ein kleiner Anteil unserer Spezies aber genug um ihnen einen Vorteil zu verschaffen. Eigentlich ein genialer Plan, Menschen halten sich von ihnen fern, sie benötigen normale Nahrung und wir erkennen den Unterschied nicht.“

„Aber wozu das alles?“

Henry lachte auf, „Es geht doch immer um das Gleiche, Macht und nochmals Macht! Stelle dir eine Armee von Menschen vor, die gegen uns ins Feld ziehen, wie lange könnten wir dem Widerstehen?“

„Na so schlecht …“

„Du irrst dich, Sarah, wir besäßen kaum eine Chance auf lange Sicht unterliegen wir.“

„Nein“, er irrte sich, „wir sind stärker, wendiger …“, wieder schnitt er mir das Wort ab, „Sieh die Realität! Auf einen Vampir kommen wie viele Menschen? Allein diese Rechnung sollte genügen um dir die Augen zu öffnen.“

„Deine Rechnung trifft keineswegs zu, nicht jeder Mensch würde gegen uns zu den Waffen greifen.“

Er lächelte fein, „Wie gesagt eine Frage der Macht, ein intelligenter Anführer bringt die Medien auf seine Seite und hoppla schon stehen wir in Blut. Genau diese Strategie wird verfolgt, warum sonst die Angriffe auf Ortschaften? Bisher konnten wir durch Geschick die Medien heraushalten, eines Tages gelingt es uns dies vielleicht nicht.“

„Das kann doch nicht im Interesse dieses Irren sein, denn die Menschen könnten sich ebenso gegen ihn richten.“

„Du denkst in zu kurzem Zeitrahmen, ich sagte nicht wir unterliegen in ein zwei Jahren, nein Jahrzehnte könnten vergehen. Damit dezimiert sich die Erdbevölkerung, Chaos, Stillstand der Industrie, ein Rückschlag um Jahrhunderte wäre die Folge.“

Nun verstand ich worauf er hinauswollte, ja und am Ende ergreift der Rädelsführer die Macht, die alleinige Herrschaft. „Glaubst du es ist Ambrosius Werk?“

„Wer weiß das schon“, zweifelte er, „Doch im Grunde glaube ich, es steckt jemand anderes dahinter.“

„Wer?“, wollte ich wissen.

„Das mein Fräulein Naseweis werden wir herausfinden, aber nicht wenn wir hier faul herumsitzen. Du bleibst wie gehabt bei Corvin, er ist ziemlich gereizt, da wir keine weiteren Fortschritte erzielen, du kennst ja seine Ungeduld.

Wahrlich die lernte ich in den letzten Wochen zur Genüge kennen. „auf einer Skala von ein bis …“

„Hundert!“, lachte Henry aufspringend, „Mach dich auf was gefasst, er ist im Bad ich begleite dich zu ihm.“

„Ach ich darf mich waschen?“, roch ich mit gekräuselter Nase an mir.

„Wirklich du duftest ein wenig streng“, hielt Henry sich dieselbe zu, „Dir bleibt nur wenig Zeit, Kahlaf will heute ein weiteres Bild enthüllen, deshalb werden wir in zwei Stunden in der Halle erwartet.“

„Aber ich denke er verhört Inazinus?“

„Sicher trotzdem geht das gesellschaftliche Treiben weiter, wir sind ein vergnügungssüchtiges Völkchen, welches bei Laune gehalten werden muss.

„Dein Vergnügen setzt du in letzter Zeit hinten an!“, bemerkte ich spitz.

„Genau wie du! Mit einem Großvater und dessen Freund würdest du dich genauso zurückhalten. Glaub mir ich kenne deine Misere nur zu gut“, verzog er jämmerlich sein schönes Gesicht.

„Dann haben dich Merkur und Kahlaf großgezogen?“

„Ja, kannst du dir einen der Beiden ohne den Anderen vorstellen? Ich nicht! Sie sind wie siamesische Zwillinge.“

Da fiel mir mein Verdacht wieder ein, „Sind sie nun schwul?“ fragte ich geradeheraus, worauf Henry amüsiert die Schulter hochzog, „Wer weiß, ich bin nie dahintergekommen. Es gab Zeiten da dachte ich sie wären es, doch dann verkehrten sie mit Frauen. Ich schätze sie lassen sich in keine Form pressen.“

„Deshalb verhältst du dich so?“

Wieder verzog er sein Gesicht, „Dein Vater ist ein Engel gegen sie.“

„Wie sie maßregeln dich?“

„Handgreiflich!“, nickte er verdrossen, „Und sieh dir mal Kahlafs Pranken an, davor hält man sich besser fern. Nun genug von mir, was höre ich da von Ciaran und dir? Ist das wirklich dein Ernst? Er ist kein Deut besser als unser Boss, eher noch schlimmer.“

„Ach es ist nichts Ernstes …“, winkte ich ab, Henry schaute mich mit großen Augen an, „Es sieht dir nicht ähnlich, Sarah. Ich hoffe nur, du hast dich Ciaran nicht hingegeben um den Boss in den Rat …“, er stockte, „Himmel! Genauso ist es! Aber warum?“, klagte er mich an.

„Es ist Wochen her und nun kommst du mit Vorhaltungen? Schnee von gestern!“

„Wann haben wir je Gelegenheit in Ruhe miteinander zu reden, he? Vergrabe die Erinnerung daran tief, Sarah. Bisher nehmen Vlad und Corvin es nicht für bare Münze, sie denken es sind Lügen. Sollte der Boss jemals herausfinden das Ciaran deswegen seine Stimme gab, tritt er unverzüglich zurück.“

„Ach was, dafür liebt er seine Stellung zu sehr.“

Henry schüttelte den Kopf, „Du irrst dich, er sieht darin eine Pflicht, vergiss es niemals.“, hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn. Wofür fragte ich mich unwillkürlich, es kam einer mitleidigen Geste sehr nah.

Verunsichert schaute ich zu wie er meinen Schrankkoffer öffnete und anfing darin zu stöbern. „Was suchst du?“, wollte ich wissen.

„Alia! Sie hat dir unter Garantie ein super aufregendes Outfit mitgegeben, genau dieses suche ich.

Sofort wusste ich welches er meinte, „Wozu?“, krampfte sich in mir alles zusammen.

Zwinkernd hielt er das Gesuchte tiefrote Etwas hoch, „Da ist es ja!“, rief er völlig überflüssig, „Das ziehst du heute an!“, meinte er begeistert.

„Eigentlich ziehe ich …“ er hörte nicht zu, sondern brummte bereits undeutlich vor sich hin. „Hallo Henry!“, versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

Er sah auf, „Hör zu meine Kleine, du musst heute Abend so auftreten, ich weiß ansonsten magst du zurückhaltende Kleidung aber gerade der heutige Abend ist wichtig, du würdest uns damit sehr helfen.“

Wie immer wenn er so argumentierte knickte ich ein, „Du bist ein Schatz! So nun schnell ins Bad, sie werden bereits in ihren Räumen sein und sich ausstaffieren.“, klatschte er vor Vergnügen die Hände.

Mit Sie; meinte er bestimmt meinen weniger toleranten Vater, der eine Herzattacke sowie einen Tobsuchtanfall bekam, sobald er meiner Ansichtig wurde.

Als ich Henry meine Befürchtungen mitteilte rubbelte er mir bereits den Rücken trocken, „Keine Sorge, du bekommst einen starken Charakter an deine Seite, Vlad wird kein Wort sagen.“

„Ja weil er vor Scham vergeht!“

Er scheuchte mich die Treppen hinauf, als er nebenbei erwähnte das Muses Gehilfin mir nicht zur Hand ging. Ich blieb stocksteif stehen, „Vergiss es! Ich kenne mich mit dem ganzen Krimskrams nicht aus, zuerst dies dann das … nein Henry das schaffe ich nicht allein.“

„Dafür bin ich ja da!“, versuchte er mich zu beruhigen, was eher nach hinten losging. „Du?“

„Ja, warum nicht“, hinterfragte er leutselig, „Schließlich besitze ich Geschmack und weiß wovon ein Mann träumt.“

„Genau diese Eigenschaften fürchte ich Henry, wessen Aufmerksamkeit soll ich denn gewinnen?“

„Keinen Bestimmten, sei einfach nur ganz Frau, zart, verführerisch und weich, dazu sexy, ist doch gar nicht so schwierig oder?“

Ganz undamenhaft fluchte ich vor mich hin.

„Na siehst du, geht doch! Nun halt still damit ich dich schminken kann.“

„Du willst was?“, entzog ich mich seiner Hand die bereits einen knallroten Lippenstift hielt.

„Vertrau mir, ich weiß was ich tue.“, gelobten seine babyblauen Augen treuherzig.

Ich wusste wann ich auf verlorenen Posten stand, also überließ ich mich ihm. Als ich dann später, nachdem er sein Werk vollendete wie er sich ausdrückte, in den Spiegel sah, erkannte ich mich nicht wieder. „Mein Gott bin ich das wirklich?“ sprach das filigrane Objekt aus dem Spiegel? Mein dunkles Haar wirkte fast schwarz, meine Augen beherrschten das Gesicht, noch nicht einmal die roten sinnlichen Lippen fielen schwer ins Gewicht. Dabei wirkte meine Haut fast durchsichtig.

„Aber ja Darling, warte ich muss ein Foto machen das halte ich Alia unter die Nase.“, spöttelte er.

„Soll ich mich wirklich so unter die Leute wagen? Sie werden mich in Schimpf und Schande davonjagen, das Kleid ist wirklich sehr aufreizend.“

„Genau seine Bestimmung, nein sie werden bewundernd den Atem anhalten. Heute zeigst du deine feminine Seite, mein Schatz und nun auf in den Kampf.“, versetzte er mir einen Schlag auf den Po.

„Henry!“

„Was denn? Wenigstens einmal darf ich ja wohl! Als ob ich aus Eis wäre, ein Eunuchenleben führe ich. Jawohl ein Eunuch unter schönen Frauen, wer hält das schon lange aus? Ich jedenfalls nicht, heute werde ich meinen Häschern ein Schnippchen schlagen schwöre ich dir, meine Kleine. Heute Nacht kommt der liebe Henry in den Genuss einer schönen Kriegerin.“

Ich musste über seine tragische Darstellung lachen, was er mit einem betörenden Augenaufschlag konterte. Ich schnappte nach Luft, er grinste zufrieden, „Ha, ich kann es noch!“, meinte er zufrieden, „Keine Sorge mein Schatz vor mir bist du sicher, deine Beute wird dich gleich abholen.“

„Und was soll ich mit meiner Beute anstellen? Du hast mich ja nicht ohne Grund dermaßen ausgerüstet.“

Er grinste ohne Scham, „Flirte, bezirze, was immer dir gefällt. Du kannst so weit gehen wie du willst.“

„Aha und wer ist das arme Opfer?“

„Eigentlich sind es zwei, du wirst schon mit ihnen fertig, sie sind dir beide nicht fremd.“

Ha, was sollte ich denn damit anfangen? Er sagte nichts weiter, sondern schob mich vehement auf den Flur hinaus, „Warte an der Treppe, sie werden gleich da sein.“, grinste mein lieber Freund.

War es Hohn? Nein Henry amüsierte sich köstlich, auf welche Kosten fragte ich mich Bange. Wen sollte ich nur begleiten, wer kam infrage?

Die Antwort darauf kam einige Sekunden später, als Pierre mich mit breitem Lächeln und taxierenden Blicken begrüßte, „Du?“, konnte ich nur fragen.

„Ja ich! Lydia ist leider indisponiert, sie kann sich kaum rühren. Ich weiß auch nicht, sie kann keine Nahrung bei sich behalten, deshalb bat ich Merkur und Kahlaf um Hilfe, auch sie sind ratlos.“

„Du solltest einen Arzt konsultieren.“

Pierre errötete, „Das vertraue ich nur dir an, wir wollen ein Kind, deshalb nehme ich an, Lydia hat irgendwelche Medizin geschluckt die sie nicht vertrug.“

„Oh! Trotzdem sollte sie nicht wahllos Pillen schlucken.“

„Sie versucht schon seit einigen Jahren schwanger zu werden.“, erklärte er mir.

„Von dir?“, kribbelte es bereits in meinen Handflächen.

„Ja sicher!“, Pierre bemerkte noch nicht einmal meine Verärgerung. „So! Während wir ein Paar waren, wolltest du mit einer anderen Frau ein Kind? Sehr aufschlussreich, Pierre.“, musste ich ihm unter die Nase reiben. Wie verblendet war ich denn, fragte ich mich unwillkürlich.

„Nun tu nicht so als wusstest du nichts von Lydia. Niemals habe ich ein Geheimnis mit meinen Affären gemacht.“

„Affäre ja, aber nicht die Absicht mit ihnen Kinder zu zeugen! Darin liegt ein gewaltiger Unterschied. Nun dann kann ich nur für Lydia hoffen, denn es wird das Einzige sein, was sie jemals von dir, ganz ihr Eigen nennen kann.“

Pierre blieb einen Augenblick sprachlos, „Ganz die Alte Sarah, die Zunge wie immer messerscharf.“

„Tja so bin ich nun einmal! Ich frage mich wo der andere Gentlemen bleibt.“, schaute ich mich demonstrativ um. Pierre verstand meinen Themenwechsel, eines indem wir immer einer Meinung waren. Kein Streit ist es wert, um sich Gemeinheiten an den Kopf zu werfen.

„Ich bin hier! Doch wollte ich euer persönliches Gespräch nicht unterbrechen.“, mir stockte der Atem, ausgerechnet er.

„Ciaran! Wir dürfen uns heute die Dame teilen!“

„Ich hoffe doch du meinst es nicht wörtlich. Die Dame ist zu hübsch um ein solches Schicksal zu erleiden.“, bot er mir galant den Arm, dabei manövrierte er Pierre ins Abseits, der gleich darauf an meine linke Seite auftauchte. „Meine Liebe“, bot er nun ebenfalls seinen Arm.

„Meine Liebe!“, giftete Ciaran, „Die Abfahrt hast du verpasst, habe ich mir sagen lassen. Deine neue Liebe liegt unpässlich zu Bett, nicht wahr.“

„Willst du Ärger? Übrigens beendete Sarah unsere Beziehung!“

„Ja du warst dumm genug sie gehen zu lassen, den Fehler …“

„Was?“, wurde Pierre nun lauter, „ … wirst du nicht begehen? Da kann ich nur lachen über deine Dummheit. Niemals, absolut niemals wird Vlad sich mit dir einverstanden erklären!“

Nun standen sie sich wie zwei Hornochsen gegenüber und ich zwischen ihnen eingekeilt, meine Versuche sie zu beruhigen schlugen im Ansatz fehl. Vorsichtig entzog ich ihnen meine Arme, sollten sie streiten, doch ohne mich, ging ich nach erfolgreicher Befreiung die restlichen Stufen allein hinab, sie bemerkten meine Abwesenheit nicht sondern schrien sich an.

„Nanu wo sind deine Begleiter?“, schlenderte Henry heran.

„Da oben!“, deutete ich zur Treppe.

„Was haben sie denn?“, fragte die Begleiterin an Henrys Arm. Ich kannte sie nicht, doch so wie Henrys Augen glitzerten gehörte sie zu seinem geplanten nächtlichen Vergnügen.

„Ein Streit wegen einer Lappalie“, meinte ich gleichgültig.

„Das sieht Pierre gar nicht ähnlich, normalerweise bleibt er ruhig. Er muss sehr verärgert sein.“ Sagte der Anhängsel Henrys.

„Ach du kennst ihn?“, betrachtete ich sie nun genauer, ja richtig genau Pierres Typ, stellte ich fest und fragte mich wann sie in sein Bett huschte.

„Sicher, er besuchte meine Eltern oft. Als Backfisch war ich furchtbar verliebt in ihn, er sieht ja auch ausnehmend gut aus.“, schwärmte die Holde.

„Du bist ein Vampir, ich glaube kaum du erinnerst dich an deine Verliebtheit in deiner Jugend.“, stellte ich ihre Aussage infrage.

Sie lachte gurrend, „Ich habe Tagebuch geführt, so fehlt mir kein Tag meines Lebens“, klärte sie mich auf, „jedenfalls gab es einen heftigen Streit mit meinen Eltern als sie erfuhren in wen ich mich verliebte.“

„Ach ja?“, hörte ich ihr kaum zu. Pierre! Er kennt Prya, konnte es sein? Im Moment traute ich ihm alles zu! Mutter und Tochter, ja eine schöne Trophäe in seiner Sammlung.

Die Schöne verstummte abrupt, fasste sich ängstlich am Hals, „Mein Gott, jetzt weiß ich erst wer du bist! Du siehst deinem Vater äußerst ähnlich wenn du wütend bist, habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Aber nein! Ihr entschuldigt mich, ich habe mit einem meiner heutigen Kavalier etwas zu besprechen!“, versuchte ich so höflich wie möglich zu sein.

„Sicher …“, stotterte sie, während Henry mich am Arm festhielt, „Naomi entschuldige mich einen Augenblick“, sagte er zu ihr, während er mich resolut in eine Ecke schob.

„Was ist denn mit dir los?“

„Ja bist du denn taub? Pierre! Er kann derjenige sein der Prya den Kopf verdreht hat.“

„Nein! Dafür ist deine Tochter zu klug, sie würde sich niemals mit so einem wie Pierre abgeben.“

„Du kennst ihn nicht, du bist ein Mann, was verstehst du schon davon. Pierre ist auf seine Art sehr charmant …“

„Worüber ich sehr froh bin, aber nein deine frauliche Logik besitzt einige Löcher. Du vergisst Prya wusste von dir, demnach kannte sie auch deine Beziehung zu Pierre.“

„Meinst du?“, fragte ich nun nicht mehr so sicher.

„Davon bin ich überzeugt!“, ließ er mich endlich los, „Du gehst dem armen Franzosen nicht gleich an die Gurgel?“, lächelte er schon wieder, „Übrigens stimme ich Naomi zu, du siehst Vlad tatsächlich unwahrscheinlich ähnlich, wenn du sauer bist, auf eine weibliche Manier und natürlich aufgrund eures Altersunterschiedes auf eine reifere Art.“

„Danke auch, du verstehst es zu schmeicheln!“, knuffte ich ihn in die Rippen. „Gern geschehen und nun setz deinen reifen Charme ein und trenn die Streithähne.“

„Als ob es so einfach wäre!“, murrte ich verärgert die Lefzen hochziehend.

Henry ging lachend zu seiner Begleitung, während ich schnaufte und auf die Streitenden zuging. Sie standen noch immer auf der Treppe, worauf sie den regen Verkehr dort behinderten. Die vorbeigehenden Vampire störten sich nicht besonders an das laute Geschrei, inzwischen warfen sie sich Beleidigungen und Schmähungen an den Kopf.

Na sicher Jahrhunderte alte Männer die dreijährigen Jungs ähnelten! Mit denen sollte ich mich auseinandersetzen, ich wünschte ich hätte ein Eis oder eine andere Leckerei, so sah ich es bei Frauen mit ihren Nachwuchs, ein bisschen Süßes und die Welt strahlte voller friedvollen Sonnenscheins. Nun so einfach ließen sich die Gemüter der Beiden leider nicht beruhigen.

Was also sollte ich tun? Sie hatten ihr Umfeld völlig ausgeschaltet, instinktiv erklomm ich die Stufen und schnappte mir ihre Ohren an denen ich voller Wohlgefallen zog. Sofort verstummten sie und schauten mich mit entsetzten Blicken an, „Schön das ihr mich zur Kenntnis nehmt. Darf ich hoffen den heutigen Abend in Würde zu überstehen?“

„Ja!“, bestätigten sie, zu nicken, wagten sie nicht, Schade eigentlich, also ließ ich ihre Öhrchen frei.

„Dann dürft ihr mir den Arm reichen!“, hörte ich mich wie Alischa an, was soll´s dachte ich, Hauptsache sie benahmen sich. Das taten sie, sogar als Kahlaf sein neues Werk enthüllte welches für meinen Geschmack weit übertrieben wirkte, Corvin Sardovan in Lebensgröße mit Gewändern aus Tausend und einer Nacht, ein Herrscher aus einer anderen Welt, provozierender ging es kaum noch.

Unauffällig beobachtete ich die Reaktionen Alischas und Monseigneurs, die mit eingefrorenen Mienen das Bildnis betrachteten. Das gibt ein Nachspiel, damit hat Kahlaf allen klargemacht, wer hier das sagen hat.

Mit frostiger Miene beglückwünschten sie Kahlaf für sein neuestes Werk, der huldvoll die Gratulationen entgegennahm. „Ist er denn total verrückt geworden?“, brachte Pierre zwischen zusammengepressten Zähnen heraus.

„Da sind wir ja endlich mal einer Meinung! Es ist eine Provokation!“, stimmte Ciaran zu.

„So schlimm kann es ja nicht sein!“, versuchte ich zu beschwichtigen, was ich als meine Aufgabe ansah. Sie sahen mich perplex an, „Ja verstehst du denn nicht? Es gab ein ähnliches Bildnis, natürlich nicht in diesem hervorragenden Kunststil, dies Bild thronte in Ambrosius Halle und stellte ihn dar in fast der gleichen Pose, wenn nicht sogar in der Gleichen. Monseigneur und Alischa werden sich daran erinnern, fürchte ich.“, klärte mich Pierre auf.

„Woher weißt du von solchen Sachen, es ist sehr lange her.“, wollte ich wissen.

„Außer für Politik habe ich mich schon immer für unsere Geschichte interessiert. Es gibt Bücher die von Zeitzeugen verfasst wurden.“, kehrte er den Schulmeister heraus.

„Ja!“, stimmte Ciaran zu, „Die Ähnlichkeit der Pose ist frappierend, Kahlaf besitzt ein ausgezeichnetes Gedächtnis.“, stierte er auf meinen Halsschmuck, „Wer weiß vielleicht ist an der Sache mit Ambrosius etwas Wahres dran. Sag mir Sarah legtest du die Kette jemals ab?“

„Nein, ich bekomme den Verschluss nicht auf.“

„Darf ich es versuchen? Es gab in einem Buch eine Beschreibung.“

„Wenn du möchtest, bitte!“, gab ich mein Einverständnis.

Pierre lachte leise, „Diese Beschreibung kennt jeder der Anwesenden, Ciaran und wenigstens die Hälfte versuchte es bereits, darauf gehe ich jede Wette ein.“

Ciaran antwortete nicht, er schaute konzentriert auf meinen Hals. „Welch seltsamer Verschluss, Ambrosius muss ein wahrer Meister gewesen sein, falls es seine Kette ist.“, schränkte er mit zusammengekniffenen Augen ein. „Keine Chance, nicht ein Glied regt sich.“

„Sagte ich doch!“, grinste Pierre zufrieden.

Inzwischen bildeten sich die üblichen Gruppen, leises Geraune flackerte auf, aus unsichtbaren Lautsprechern erklang Musik. „Keine Kapelle?“, schaute ich mich suchend um und fragte mich wann eine Musikanlage installiert wurde.

„Nein, soviel ich weiß gab es mit einem der Menschen des letzten Orchesters einen Vorfall.“, klärte mich Ciaran auf, „Eine blutige Angelegenheit, die Flötenspielerin wurde gebissen …“

„Wie bitte?“, fragte ich erschrocken nach, „Wann? Ich habe nichts davon gehört.“

„Mon Coeur du musst nicht alles wissen, die Angelegenheit wurde beigelegt!“, warf mein Exfreund Ciaran einen vorwerfenden Blick zu. Ich schaute ihn perplex an und fragte mich ob er schon immer so schulmeisterlich sprach? Genau wie sein wohlgefälliges Gehabe, welches er neuerdings an den Tag legte. „Komm auf den Teppich Pierre und wag es nie wieder mich wie ein kleines dummes Kind zu behandeln. Deine neue Stellung steigt dir allmählich zu Kopf!“, drehte ich ihm den Rücken zu, was Ciaran sofort nutzte, „Der Tanz wird eröffnet, wenn ich die Dame bitten darf.“

„Nur zu gern!“, stob ich in die Mitte der Halle auf dem sich die ersten Paare zur Musik wiegten.

Ciaran folgte mir mit einem breiten Grinsen, „Ich denke“, nahm er meine Hand, „Corvins Plan geht schneller auf als er dachte. Ich frage mich nur weshalb ich dein heutiger Partner bin?“

„Wieso Plan? Ich verstehe nicht worauf zu anspielst?“

Er studierte sorgfältig meine Miene, „Wirklich du hast keine Ahnung! Dann will ich dich informieren, es stimmt was du sagtest Pierre wird mit jedem Tag anmaßender. Wer könnte ihn besser zusammenstutzen als du?“

„Lächerlich! Eines scheinst du zu vergessen, Lydia hält Pierre an die kurze Leine.“

„Findest du es nicht seltsam, ein Vampir erkrankt?“, er zuckte die Achseln, „ich nenne es ein gewagtes Spiel!“, drehte er mich direkt an den Boss vorbei der gerade in diesem Augenblick zu uns herübersah. Konnte es sein? Natürlich! Es sah ihm sogar ähnlich, solche Pläne entsprangen seinem Hirn. Er nutzte und manipulierte jeden in seiner Umgebung.

„Nun da frage ich mich wirklich was Corvin von dir will?“, lächelte ich Ciaran an, als mache es mir nicht das Geringste aus, vom Boss benutzt zu werden.

„Die Frage stelle ich mir auch! Ein kleiner unbedeutender Leibwächter wird auf mich angesetzt. Warum? Und sollte ich jetzt beleidigt sein?“

Der Seitenhieb saß, meine Miene gefror zu einer Maske. So sah er mich also, in seinen Augen bedeutete ich nicht mehr als ein unbedeutender Leibwächter. Klasse, dem Einem stieg der Erfolg ins Hirn, der Andere lächelte auf mich herab.

„Danke für den Tanz, euer Hochwohlgeboren, ich kann euch gar nicht sagen wie geehrt ich mich fühle!“, verbeugte ich mich theatralisch vor ihm. „Noch eines Ciaran, sprich mich nie wieder an, mit solchen wie dir möchte ich nichts zu tun haben. Ihr gehört der untergehenden Klasse an und zieht alle in eurem Umfeld mit ins Unglück.“

Ciaran blieb sprachlos mit offenem Mund mitten auf der Tanzfläche stehen, während ich wütend auf den Boss zuging. Na warte, du Strippenzieher, zwei lagen hinter mir, du bist der Dritte!

Henry und Vater stellten sich mir in den Weg, „So allein meine Kleine?“

„Geht mir aus dem Weg!“, verlangte ich mit geballten Fäusten, ich spürte meine Zähne die ihren Weg bahnten, sah alles mit übermäßiger Schärfe, hörte selbst das leiseste Flüstern in der hintersten Ecke.

„Wir sollten einen Moment an die frische Luft gehen.“, sagte Vater mich am Arm packend. Sofort riss ich mich los, „Er ist zu weit gegangen! Als Hure verkleidet soll ich seine Arbeit erledigen …“, jedes Wort schallte überlaut in meinen Ohren.

„Um ehrlich zu sein, meine Kleine“, druckste Henry herum, „kam mir die glorreiche Idee.“

Verdattert wich ich einen Schritt zurück, „Dir?“, fragte ich nochmals nach.

„Eigentlich, uns!“, schob Vater sich zwischen Henry und mir.

„Wie bitte?“, wollte ich es nicht glauben. Vater und Henry? „Warum?“, fiel die gesamte Wut von mir ab.

Vater sah Henry an, „Pierre! Er ist kaum noch zu ertragen und seine Frau schürt das Feuer“, übergangslos sprach Vater weiter, „Ciaran! Er wagt es ständig euer enges intimes Verhältnis zu erwähnen, besonders in meiner Gegenwart.“

Beide nickten betroffen, „So ging es nicht weiter, deshalb schmiedeten wir diesen Plan. Du warst schneller als wir es uns ausmalten“, gestand Vater, „Ja und viel diplomatischer“, fügte Henry enttäuscht hinzu.

Sollte ich diesen Narrenplan glauben? „Was seid ihr? Kleine Bengel im Kindergarten? Ihr könnt doch nicht einfach so mit euren Mitmenschen spielen!“

„Genau genommen“, hob Vater den Zeigefinger, „sind wir keine Menschen!“, in diesem Augenblick sah er einem störrischen Teenager ähnlicher als jemals zuvor. Ich wollte es nicht, doch ich musste lachen.

„Also verzeihst du uns?“, schaute Henry hoffnungsvoll drein.

„Ach ihr!“, schüttelte ich den Kopf, „Eigentlich wusste ich es schon immer, ihr seid nichts weiter als ein paar unerzogene Lausbuben!“

„Wir haben dich auch lieb!“, schwamm er schon wieder oben auf, von Zerknirschung keine Spur, hatte ich irgendetwas anderes erwartet? Nein eigentlich nicht, sie nahmen nicht sehr viel besonders ernst.

„Darf ich mich jetzt umziehen, ich fühle mich in diesem Outfit keineswegs wohl?“, hatte ich ihnen schon längst verziehen.

„Einen Tanz!“, forderte Henry und zog mich schon zwischen den tanzenden Paaren. Dabei blieb es nicht, denn Matt und Eric folgten gleich darauf.

Als wäre es verabredet, ließen sie mich nicht umziehen, ich kam einfach nicht dazu. So gab ich schließlich meine Versuche auf, als ich einen Drink, natürlich versetzt mit Nahrung in der Hand hielt, kam Pierre zögernd auf uns zu. Er warf Till einen bittenden Blick zu, der sich nach meiner Einwilligung diskret entfernte.

„Sarah, ich möchte mich entschuldigen.“

„So? Für was denn?“, so leicht wollte ich es ihm auf keinen Fall machen.

„Wo soll ich anfangen?“, lächelte er zerknirscht, das war der Pierre den ich mochte. Natürlich, unbefangen und ehrlich! „Mein Benehmen in letzter Zeit ließ zu wünschen übrig …“, zweifelnd hob ich eine Braue, „Na gut schon seit Längeren! Niemals hätte ich dich zu einer Entscheidung drängen sollen.“

„Das ist alles?“

„Was willst du hören? Ja, ich bin ein Schuft? Nein darauf kannst du lange warten! Denn im Grunde triebst du mich in die Arme von anderen Frauen! Deine Freiheit, deine Karriere, deine Bedingungen wann und wo wir uns sahen! Fragtest du je nach meiner Meinung? Nein denn die interessierte dich ja nicht!“, holte er aufgebracht Luft.

„Das habe ich niemals bestritten Pierre und darüber wollte ich nicht mit dir reden, denn ich meinte deine Arroganz, deine wohlgefälligen Gebärden und Reden.“

„Ach so!“, schrumpfte er in sich zusammen, „Dann verstehst du meine Entscheidung zu unserer Trennung?“

„Die Entscheidung ja, aber nicht die überstürzte Heirat mit einer Speichelleckerin deiner Mutter.“

„Vorsicht Sarah du redest von meiner Frau!“, bekam er einen strengen Ausdruck.

„Deine Frau!“, lachte ich verhöhnend, „Sie ist in erster Linie der Mund deiner Mutter, überdenke doch mal deine letzten Beschlüsse im Rat. Woher kam denn deine Meinung? Ich glaube kaum von dir!“

„Meinst du?“

Wie konnte er nur so einfältig denken? „Ich frage mich wie es kommt das ein Vampir der einen Menschen beißt ungeschoren davonkommt. Wie ich hörte gehörtest du zu jenen …“

„Moment mal!“, fuhr er dazwischen, „Rein politische Gründe ließen mich so abstimmen.“

„Rein Politisch, aha! Warum wolltest du noch mal in den Rat? Ach ja ich weiß, die Missstände und die Ungerechtigkeit sollte beseitigt werden, sowie die Gleichstellung aller Vampire, so nanntest du dein Bestreben. Wirklich du hast deine Meinung gründlich vertreten!“, prostete ich ihm zu, „Gratuliere Pierre, innerhalb weniger Wochen änderst du deine Standpunkte und vergraulst deinen besten Freund, wirklich ein hervorragendes Ergebnis als Ratsmitglied.“, ließ ich ihn stehen. Sollte er doch weiter auf Lydia hören, für mich gehörte er der Vergangenheit an.

„Warte mal!“, fasste er mich am Arm, „Du nimmst das Gesagte zurück!“, forderte er aus dunklen Augen.

Langsam, extrem langsam sah ich zu ihm hinauf, „Warum sollte ich? Nur um dein Gewissen zu beruhigen? Und nun nimmst du deine dreckigen Finger von mir, ansonsten …“

„Was? Willst du mich, ein Ratsmitglied angreifen?“, höhnte er.

„Das ist absolut nicht notwendig, falls vonnöten werde ich Sarah von deiner Anwesenheit befreien.“, hörte ich hinter mir Michelé sagen.

„Du? Du stellst dich auf ihrer Seite? Gerade du, hetztest mich gegen sie auf.“

„Ja und auch wieder nein, Pierre. Eure Verbindung hieß ich nie gut. Gegen Sarah persönlich hatte ich nie etwas, wie dir bekannt sein sollte.“

„Ihr habt euch gegen mich verschworen! Das hätte ich niemals von euch gedacht. Tja Michelé nun kannst du dir deinen Traum ja erfüllen, Sarah gehört ganz dir, wen hat sie denn noch? Zwei Ausgestoßene mehr seid ihr in meinen Augen nicht.“, höhnte er, bis meine Faust seine Nase küsste. „So jetzt kannst du Anklage gegen mich erheben. Oder wird dieser Vorfall auch unter den Teppich gekehrt?“

Pierre hochrot im Gesicht, wischte sich mit einem verächtlichen Blick auf mich, das Blut ab. „Das gibt ein Nachspiel!“, prophezeite er.

„Eine private Angelegenheit? Kaum!“, sagte Corvin gleichgültig, seit wann stand er dort, fuhr ich erschrocken herum und nicht nur ich auch Pierre starrte bestürzt zum Boss. „Sarah auf ein Wort, Michelé du darfst dich gern anschließen.“

„Ha sicher! Jetzt geht mir ein Licht auf, nur das wolltet ihr! Meinen Freund und Leibwächter für eure Zwecke ausnutzen! Aber ihr irrt! Michelé ich entlasse dich aus meinen Dienst! Kehre sofort nach Frankreich heim, du stehst ab sofort …“

Michelé hob die Hand und stoppte somit die Rede Pierres, „Bemühe dich nicht weiter, ich trete freiwillig aus deinem Dienst und deiner Freundschaft und der Familie.“, drehte er sich mit betroffener Miene um.

„Halte ihn auf! Er ist dein loyalster Freund!“, rüttelte ich an Pierres Arm, völlig entsetzt wohin der Disput führte.

„Nein! Seitdem ich verheiratet bin, läuft es darauf hinaus. Er ist nur eifersüchtig, gönnt mir mein Glück nicht.“

„So was von Hirnrissig! Du kannst nicht mehr klar denken, Michelé ist dir treu ergeben, nichts liegt ihm ferner als Neid.“ Aber Pierre blieb stocksteif stehen, rührte sich nicht vom Fleck.

„Corvin?“, sah ich ihn flehend an.

„Nun geh ihm schon nach, Sarah. Sag ihm im Mannschaftsquartier findet er Platz. Er kann solange wie er möchte bleiben.“

„Danke“

Er schmunzelte mir zwinkernd zu, „Beeil dich lieber.“

Himmel sobald er mal den Netten herauskehrte setzte mein Herzschlag aus, suchte ich einen Weg durch das Gewühl der Schaulustigen. Wieder einmal in einem Skandal verwickelt, wurde mir schmerzlich bewusst.

Ich fand Pierre in seinem Raum, er stopfte gerade seine Designerhosen in eine Tasche. „Was willst du?“, fragte er mich barsch, „Versuche nicht mich zu überreden, das Thema ist für mich erledigt.“

„Wollte ich gar nicht“, setzte ich mich auf sein Bett.

„Was willst du dann?“, fragte er schon ruhiger nach.

„Dir danken, eine Nachricht überbringen, mit dir reden.“, zählte ich an den Fingern ab.

„Du brauchst mir nicht für eine Selbstverständlichkeit zu danken.“

„Wie du meinst, trotzdem danke ich dir.“

„Du bringst selbst einen Engel zum Ausrasten?“

„Geirrod erwähnte mal etwas Ähnliches.“

Genervt rollte er die Augen, „Also sprich, ich vermute eher komme ich nicht weg.“

„Richtig!“, lächelte ich ihm zaghaft zu.

„Verzeih mir“, sagte er völlig unverhofft, „über Jahre habe ich gegen dich gearbeitet, aus Angst du könntest Pierre zu Corvins Gunsten beeinflussen. Welch eine Ironie des Schicksals, es lag nie in deiner Absicht, nicht wahr?“

Ich nickte, überrascht von seinem Geständnis, „Weder meine, noch Corvins kann ich dir versichern.“

„Ja so viel habe ich inzwischen kapiert und ich Dusel treibe ihn in Lydias Fänge.“

„In guter Absicht“, versuchte ich zu beschwichtigen, Selbstanklage half ihm im Augenblick auch nicht weiter.

„Du bist wirklich einmalig, Sarah, leider habe ich es zu spät erkannt. Ich habe nie begriffen wie viel er für dich empfand und trieb ihn regelrecht in eine Heirat.“

„Geschehen ist geschehen nun sollten wir das Beste daraus machen.“, lächelte ich aufmunternd.

„Ohne mich, ich habe keinen Grund mehr hierzubleiben. Außerdem werde ich spätestens Morgen gebeten den Raum und somit das Gelände zu verlassen.“

„Nein, Corvin sagte du kannst zu den Wachen ziehen. Sicherlich findet er einen triftigen Grund für deinen Aufenthalt.“

Michelé betrachtete mich kopfschüttelnd, „Dein Vertrauen in Corvin ist ungebrochen. Eigentlich solltet ihr ein Paar sein, ihr passt zueinander.“

„Nein!“, wehrte ich ab, „Er ist mir viel zu …“

„Stur?“, fragte Michelé lachend, ich nickte, „wie du!“

„Was ist, willst du zu den Wachen?“, lenkte ich das Gespräch in ungefährlichere Bahnen.

„Auf jeden Fall, ich kann Pierre nicht im Stich lassen, ich denke Corvin versteht es und verlangt nicht von mir gegen ihn zu arbeiten.“

„Das wird er sicher!“

Michelé lächelte, „Sicher!“, dann beugte er sich vor und küsste mir auf die Wange, „Danke Sarah!“

In diesem Moment wusste ich, einen neuen Freund gefunden zu haben. Welch seltsame Wege das Schicksal manchmal beschreitet, wunderte ich mich.

Gemeinsam gingen wir zum Quartier der Wachen, der diensthabende Krieger wies Michelé einen Platz zu. „Hoffe es genügt dir, was Besseres haben wir nicht.“, sagte er nicht unfreundlich.

„Danke es reicht vollkommen aus, hoffentlich habe ich niemanden vertrieben.“

„Nee, der Boss sorgt schon für genügend Platz. Schließlich benötigen wir alle mal ein stilles Eckchen nicht wahr.“, grinste er süffisant, worauf Michelé nickend erwiderte, „Gut zu hören, ein Eunuch war ich noch nie.“

Na die verstanden sich ja auf Anhieb, zog ich mich mit einer Ausrede zurück. „Sarah danke noch mal für alles“, ich winkte ab und schlenderte langsam auf den Wald zu. Noch wollte ich nicht in die Gerüchteküche zurück, wer weiß was mich für Tratschereien erwarteten.

Die Nacht war noch nicht weit fortgeschritten, sicherlich ging das Fest noch einige Stunden. Wie konnte ich mich heimlich nach oben schleichen, fragte ich mich als ich Schritte hörte.

Schnell versteckte ich mich hinter einem Baum, ich wollte niemanden sehen. Zu spät erkannte ich an dem verhaltenen Lachen, „Vor wem versteckst du dich, ich hoffe nicht vor mir.“

Gerade vor dir, fluchte ich innerlich. „Nein natürlich nicht!“

„Du lügst wie eh und je sehr schlecht. Na komm lass uns eine Weile dem Theater hier entfliehen.“

„Wohin willst du?“, fragte ich alarmierend nach, ich wollte mit ihm nicht allein sein, schon gar nicht in diesem aufreizenden Aufzug. Schon gar nicht nach seinem Verständnis für Michelé, allein sein Zwinkern warf mich aus der Bahn. Ich musste mich vor ihm hüten, besonders wenn er den Netten herauskehrte, klopfte mein Herz wild.

„Ich weiß nicht, in ein Lokal?“

„Peer oder Malech sollten dich begleiten.“, wandte ich ein.

„Nein“, glitzerten seine Augen, meine Befürchtungen nahmen Gestalt an. „Dich will ich!“

„So leicht bin ich nicht zu haben, Corvin Sardovan!“

„Willst mich ungeschützt der gefahrvollen Welt da draußen überlassen?“

Ha fragte sich nur wer wessen Schutz benötigte! „Wen es ein Auftrag ist folge ich dir als Leibwächter.“

„Nichts anderes habe ich erwartet Sarah Sardovan.“

„Dann muss ich mich entsprechend umziehen außerdem benötige ich meine Waffen.“

„Sicher, nur beeilen solltest du dich, ich gehe schon einmal vor. Wir sehen uns dann in der Carrera del Darro im Hotel an der Bar.“

 

Kapitel 27

Gerade noch auf den Weg zum Herrenhaus, drehte ich mich abrupt um, er ging wirklich. Ohne mich! Fluchend lief ich hinter ihm her. „Warte! Du kannst nicht ohne Schutz das Gelände verlassen.“

„Du siehst doch, was ich kann.“, beschleunigte er seinen Gang.

Solch ein sturer leichtsinniger Kerl, hielt ich nach einem Wächter Ausschau. Wie immer, wenn man jemanden benötigte ließ sich keiner sehen, also trug ich der Wache am Tor auf, Peer zu benachrichtigen. „Sobald mein Dienst endet“, versicherte der Mann, mehr durfte ich nicht verlangen, wusste ich nur zu gut.

Corvin hastete beinahe die schmale Straße entlang, im Laufschritt folgte ich ihm, die amüsierten Blicke der Passanten ignorierend. Verdammt musste das Kleid so eng anliegen, überlegte ich schon, es entzwei zu reißen. Da sah ich Corvin als er das Hotel betrat.

Ah ich kannte es, ein sicherer Unterschlupf für Reisende unserer Familie, es wurde von einem Menschen geführt, der sich nicht wandeln wollte.

Gehetzt stürmte ich hinein, Corvin saß an der Bar und sprach mit dem Barkeeper, „Ja der Wein ist in Ordnung, zwei Gläser, bitte.“

„Für mich nicht, ich bin im Dienst.“, setzte ich mich neben Corvin.

Der Boss nickte dem Mann hinter der Bar zu, ich bestellte ein Wasser. „Du verpasst einen guten Tropfen.“

„Na wenn schon!“, sah ich mich in der Bar um, nur ein Paar in der hintersten Ecke, stellte ich zufrieden fest.

Corvin trank mit Genuss, während ich mein Wasser hinunterwürgte, „Wie lange willst du hier bleiben?“

„Mal sehen, wie sich der restliche Abend entwickelt. Ich hoffe es kommen einige Damen.“

Aha er wollte eine Frau aufreißen, „Dann hättest du eine andere Örtlichkeit aufsuchen müssen, außerdem wirst du kaum Glück haben solange ich neben dir sitze.“ Wollte ich mich schon entfernen, ich kannte durchaus die Spielregeln. Ein Leibwächter sollte unsichtbar bleiben.

„Bleib ruhig, vielleicht widme ich ja auch dir meine volle Aufmerksamkeit.“, warf er mir einen betörenden Blick zu.

Ich gähnte lahm, „Versuche es ruhig, du wirst eine Enttäuschung erleben.“

„Verstehe!“, zuckte er gleichgültig die Schultern, „Dann ist Ciaran dein gegenwärtiger Liebhaber?“

„Es geht dich kaum etwas an.“

„Oh ich sehe es anders, werdet ihr ein Paar wird Prya zwangslos mit ihm in Kontakt kommen. Ehrlich gesagt, sträuben sich mir die Haare bei der Vorstellung.“

„Du greifst viel zu weit vor.“, konnte ich seine Bedenken verstehen, „Mir ergeht es so, wenn ich an Alischa denke, eines Tages wird sie Prya begegnen, was dann?“

„Bisher konnte ich es verhindern und so wird es bleiben.“

„Was du niemals garantieren kannst.“

Er lächelte, „Oh doch! So wie deine kleine Affäre mit Ciaran bald ein Ende erleben wird.“, protestierend holte ich Luft, „Lass mich ausreden, Sarah. Ich kenne dich, bei deiner letzten Beziehung spieltest du eine Nebenrolle, dies wirst du kein weiteres Mal zulassen und Ciaran wird sich auf keinen Fall mit nur einer Frau zufriedengeben. Ergo besitzt eure Liebelei keine Zukunft. Ganz einfach!“

Ich lehnte mich zurück, „Worüber du dir alles Gedanken machst!“, versuchte ich zu spötteln.

„Aber sicher, es geht um meine Tochter.“

„Deine! Verstehe!“

„Ja, meine!“, nickte er heftig. „Ich habe sie großgezogen, seit dem Tage ihrer Geburt bin ich für sie da. Ja Prya ist meine Tochter.“

Ich nickte, es fehlte nur, nicht deine! „Du willst sie für dich allein! Pech gehabt Sardovan, ich gehöre nun dazu! Du kannst mich als Leibwächter ablehnen, bitte es macht mir nichts aus. Du kannst mich übersehen, schikanieren oder sonst was, bitte tue dir keinen Zwang an. Aber eines sage ich dir, Prya ist auch meine Tochter, die ihr mir vorenthalten habt. Diesen Besuch hier plantest du genau mit der Absicht mir zu sagen mich von Prya fernzuhalten. Du bist gescheitert, wir können wieder zum Herrenhaus.“, stand ich auf.

Corvin Sardovan blieb sitzen, ja er grinste sogar, „Netter Monolog, du hast mich überzeugt.“

„Wie bitte?“

„Wirklich manchmal bist du schwer von Begriff, ich wollte wissen, wie du zu unserer Tochter stehst.“

„Warum fragst du nicht einfach, denn ich habe die Angewohnheit offen und ehrlich zu antworten, was manche Vampire verlernt haben“, entgegnete ich spitz.

„Na gut, ich frage ganz offen!“, er musterte mich aufmerksam, „Weshalb hast du dich mit Ciaran eingelassen?“

Oje, nach all den Wochen diese Frage, „Er sieht gut aus, besitzt Charme …“

Abwinkend lehnte Corvin sich vor, „Du wolltest ehrlich antworten, entsinne ich mich. Ging es nur um seine Stimme?“

Meine Miene blieb ausdruckslos, „Wenn du dir die Antworten selbst lieferst, dann halte ich meinen Mund.“

„Ja das solltest du, denn deine Lügen rieche ich, bevor du sie aussprichst.“ Erklärte er grimmig.

Was tun, fragte ich mich gehetzt. Er sah aus, als wolle er mir an die Gurgel gehen.

„Nun sagst du mir jetzt die Wahrheit?“

„Ist doch egal was ich sage, du hast dir deine Meinung gebildet.“, spielte ich die Beleidigte. Niemals durfte ich zugeben was ich tat, wurde mir in diesem Moment bewusst. Wer weiß, wie er aus verletztem Stolz handeln würde, dies Risiko wollte ich unter keinen Umstand eingehen.

„Überzeuge mich!“, forderte er.

Puh leichter gesagt als getan, „Wie gesagt, Ciaran sieht gut aus, er gefiel mir sofort.“

„Aha und weiter“, ließ der Schnüffler nicht locker.

„Nun ja, wir kamen ins Gespräch, wir verbrachten die Nacht zusammen.“

Zweifelnd zog er eine Augenbraue hoch, „Eine Nacht?“

„Aber nein! Wie viele, weiß ich wirklich nicht mehr.“ Log ich ungeniert.

„Als Monseigneur dich aus seinem Zimmer kommen sah, war es definitiv nicht das erste Mal?“

Mein Gott, er verbiss sich aber auch in jede Kleinigkeit, „Nein nicht das erste Mal! So bist du nun zufrieden?“

„Noch nicht ganz! Es heißt Ciaran sei auch mit Selina liiert, wie kommst du damit zurecht?“

„Anders als mit Pierre ist es keine Beziehung, sondern ein netter Zeitvertreib.“

„Und da nimmst du gerade Ciaran? Himmel Sarah du hast die Auswahl, von wirklich guten Vampiren.“

„Ach ja? Vielleicht wollte ich mal etwas erleben, Ciaran ist ein außergewöhnlich guter Liebhaber, selten wurde ich … aber das geht nun doch zu weit.“

Er grinste mich süffisant an, „Befriedigt? So! Im Vergleich mit mir und Pierre, wie schneidet er da ab?“

„Darauf gebe ich dir keine Antwort!“

„Na komm schon, Pierre kommt an mich nicht heran, also wo liegt Ciaran? Eher nach dem Franzosen oder nach mir.“

„Du bist ein eingebildeter Affe! Pierre ist ein sehr guter Liebhaber und Ciaran übertrifft dich bei Weitem!“ wurde ich nun sauer, über so viel verblendeten Stolz, ein Dämpfer tat ihm nur gut.

„Ehrlich ich kann es kaum glauben! Er ist ein besserer Liebhaber! Irgendwie verletzt es mich, oder trügt dich dein Gedächtnis? Es ist schließlich einige Zeit vergangen, wir sollten es auffrischen, was meinst du?“

„Nie im Leben!“

Er lachte, lachte mich aus! „Ach Sarah du musst lernen einen Scherz zu erkennen. Ich habe mich noch nie in eine Beziehung gedrängt. Aber Stopp, ihr habt ja keine, sondern eine Affäre.“

Ich verschluckte mich an meinem Wasser, hustend drückte ich mich vor einer Antwort. So dachte ich wenigstens, aber Corvin wartete, „Also, es ist schwierig zu beantworten, es könnte eine feste Beziehung werden. Aber bitte das bleibt unter uns, ja?“ lächelte ich entschuldigend, mit einem scheuen Augenaufschlag. Im Stillen dankte ich Muse für ihre außerordentliche Geduld.

„Oh natürlich du kannst dich auf mein Stillschweigen verlassen.“, lehnte er sich zurück und taxierte mich, „Ciaran!“, nickte er mit abwesenden Gesichtsausdruck, „Er kann sich glücklich schätzen, dich zur Frau zu bekommen.“

„So weit sind wir noch lange nicht“, fühlte ich mich genötigt zu sagen. Was ging hinter seiner Stirn vor? Durchschaute er meine Lügen? Erzählte er Vater davon?

„Ciaran und du, ich fasse es nicht“, sagte er nochmals.

„Ja und können wir nun über etwas anderes reden? Oder zum Herrenhaus zurückkehren?“, fragte ich ungeduldig nach.

„Eines ist mir schleierhaft, warum die Geheimniskrämerei? Ihr seid ungebunden, wäre ich an Ciarans Stelle würde ich jeden davon erzählen.“

„Er ist nicht wie du!“

„Es fällt mir schwer euch zusammen vorzustellen. Wie kommst du mit seiner seltsamen Marotte zurecht?“

„Was meinst du?“

„Naja es ist allgemein bekannt wie er vorgeht, du weißt schon wobei.“, zog er wissend die Brauen hoch. „Aus Erfahrung weiß ich wie sehr du einen Kuss genießt. Fehlt dir da nicht etwas? Pierre findet eure Liebelei übrigens auch, recht abwegig.“

„Pierre?“, spuckte ich mein Wasser, direkt auf sein maßgeschneidertes Hemd. „Tratscht ihr etwa über uns?“

„Nein!“, wehrte er ab, „Wir tauschen uns aus, da wir in Sorge sind, es ist Ciaran mit dem du liiert bist.“, wischte er nachlässig über das nasse Hemd, seine hervorstehenden Nippel zogen meinen Blick magisch an. Ich musste mich zwingen nicht ständig hinzuschauen.

„Ja und?“, wollte ich seine Anspielung nicht verstehen.

Seufzend trank er sein Glas leer, „Wir als deine Exgeliebten, können deine neueste Wahl nicht verstehen.“

„Meine was? Verstehe ich dich richtig, du erzähltest Pierre von uns“, lächelnd nickte er, „ Über unsere gemeinsam verbrachten Nächte, aber ja! Mit wem sollte ich mich sonst austauschen?“

„Mit niemanden! Wie wäre es damit? Weder dich noch Pierre geht mein Privatleben etwas an.“, musste ich meine Stimme herunterschrauben, der Barkeeper schaute schon zu uns herüber.

„Oh ich sehe es anders Sarah, ich habe auf der Festung gesagt was ich anstrebe und du? Du steigst mit dem erstbesten ins Bett. Wem sonst konnte ich mich anvertrauen, wer sonst kennt dich so gut?“

„Und ich habe dir gesagt was ich davon halte und du gehst zu Pierre? Ich verstehe es nicht!“

Er lächelte schmal, „Du willst meine Gründe verstehen? Na gut, in der Regel räume ich sämtliche Unwegsamkeit aus dem Wege. Der Franzose kam als Erster an die Reihe, er machte es mir sehr einfach.“, vertiefte sich sein Grinsen, „Er bekam seine Vermutung bestätigt, wusstest du wie unsicher er sich in eurer Beziehung fühlte? Er kam sich als zweite Wahl vor. Das wiederum ließ mich hoffen und dann fängst du was mit Ciaran an, wie soll ich das verstehen? Es gibt nur einen vernünftigen Grund für mich, du gabst dich ihm hin für seine Stimme.“

„Hörst du dich eigentlich selbst reden? Nun noch einmal Sardovan, niemals werde ich etwas mit dir anfangen! Niemals und wärest du der letzte …“

„Ja, ja!“, winkte er ab, „So was in der Art sagtest du schon! Ich habe inzwischen ja auch deine Meinung akzeptiert, obwohl du einen Fehler begehst. Trotzdem bereitet mir deine Beziehung zu Ciaran Bauchschmerzen, deshalb beriet ich mich mit Pierre. Wir sind uns einig, Ciaran ist kein geeigneter Partner für dich.“

Sollte ich lachen? Aus der Haut fahren? Ihn stehen lassen? Oder meinem Drang nachgeben und ihm meine Faust aufs Auge drücken? Nichts dergleichen geschah, ich konnte ihn nur anstarren.

Als es ihm zu lange dauerte, wedelte er tatsächlich mit der Hand vor meinen Gesicht herum, „Was ist hast du die Sprache verloren?“, fand er sich auch noch lustig.

Da geschah es, ganz automatisch landete ich einen Volltreffer! Nun starrte der Barkeeper mich entsetzt an, das Pärchen schwieg betroffen, während Corvin langsam, sehr langsam seine aufgeplatzte Lippe befühlte.

„Gute Reflexe, Sarah“, ignorierte er das tropfende Blut, im nächsten Augenblick lagen seine Lippen auf meine. „Nun meine Füchsin, meine Antwort“, nuschelte er mir in den Mund und biss mich in die Unterlippe.

„Nun sind wir quitt!“, rückte er von mir ab.

„Du widerlicher kleiner Bastard!“, spuckte ich mein eigenes Blut aus.

Der Barkeeper wich entsetzt an das andere Ende der Theke, das Paar verließ hektisch den Raum.

„He noch ein Glas Wein, ich brauche einen anderen Geschmack im Mund, das eigene Blut schmeckt widerlich.“, witzelte Corvin. „Findest du nicht auch?“, grinste er mich an.

„Was ist widerlich?“, zum Glück von Corvin, betrat Henry den Gastraum, erleichtert wollte ich mich entfernen, aber Henry meinte, „Bleib ruhig sitzen, dein Vater und Muse müssten auch gleich hier sein.“

„Bist du allein gekommen?“, bevor er antwortete, kamen die übrigen Leibwächter auf uns zu. Peer und Malech schnappten sich gleich einen Barhocker neben dem Boss, während Till, Eric und Matt neben mir Platz nahmen, zum Schluss schlenderten Vater und Muse Händchen haltend herein.

„Na denn sind wir ja alle vollzählig!“, grunzte Corvin zufrieden, ein Blick zum Barmann und dieser verschwand ohne ein weiteres Wort. Eric und Till nahmen seinen Platz ein. „Das wollte ich schon immer!“, sah Till uns erwartungsvoll an, „Was wünschen die Herren und die Damen?“, goss er mit angewiderter Miene mein Wasser in den Ausguss. „Vielleicht weitere“, er inspizierte Corvins und meine geschwollenen Lippen, „Fausthieb und äh Biss?“, lachte er über seinen Witz.

Henry schob sich zwischen mir und Corvin, „Als erstes möchte ich ein richtig kühles Bier, darauf freue ich mich schon den ganzen Tag.“, leckte er sich genüsslich die Lippen um gleich darauf schmerzhaft zusammenzufahren.

„In der Tat solltest du den Damen den Vortritt geben!“, woher kamen denn die Beiden? Kahlaf musste dem Boss eine Kopfnuss verpasst haben, denn auch er stöhnte schmerzvoll auf, wobei er sich wie Henry den Hinterkopf rubbelte.

„Na hört mal, aus dem Alter sind wir wirklich herausgewachsen!“, beschwerten sie sich gleichermaßen.

„Meinst du? Noch entscheide ich wann ich dich zu den Erwachsenen zähle, mein Junge! So, ihr trefft euch in aller Heimlichkeit, was habt ihr vor?“

„Nichts!“, entgegnete Corvin, „Wir wollten einfach einmal Abstand gewinnen. Zermürben euch die endlosen Debatten denn nicht? Wir kommen keinen Schritt voran, es macht mich wahnsinnig.“, redete Corvin sich in Rage.

Kahlaf legte beruhigend seine Hand auf die Schulter des Bosses, „Ja ich verstehe was du meinst, aber was können wir unternehmen? Du selbst hast mit deiner Entscheidung unsere Aussichten geschmälert, Alischa vertraut dir keinerlei Geheimnisse mehr an.“

Henry neben mir richtete sich empört auf, „Warum fängst du damit wieder an? Die Sache ist erledigt wir hätten Corvin niemals drängen dürfen, das ist es nicht wert.“

Zu was drängten sie den Boss, wurde ich hellhörig, der winkte ab, „Wir haben einiges erfahren, doch nicht das was wir wissen wollten. Alischa vertraut niemanden, wenn sie wirklich hinter den Jägern steckt dann verwischt sie ihre Spuren äußerst klug. Nein im Grunde denke ich jemand anderes baute diese Schlächtergruppe auf. Jemand dem es perfides Vergnügen bereitet.“

„Eine Nadel im Heuhaufen, davon gibt es genug Vampire.“, meinte Eric uns einige Gläser Rotwein zuschiebend.

„Ja!“, bestätigte Merkur genüsslich den Wein trinkend, „Genau die richtige Mischung“, lobte er, „Wir müssen herausfinden ob eines der Ratsmitglieder dahinter steckt, was ich persönlich glaube, mein persönlicher Favorit wäre Monseigneur, vielleicht auch Inazinus.“

Als Merkur Inazinus Name erwähnte wurde es ruhig, er sah aufmerksam in alle Gesichter, „Ah mit dieser Meinung stehe ich nicht allein!“, bemerkte er nickend.

Nur Kahlaf und Corvin schüttelten den Kopf, „Inazinus wäre zu einfach, er sticht einem geradezu ins Auge.“, sagte Kahlaf, „Igraine oder Ciaran verhalten sich auffällig zurückhaltend.“

„Bei Igraine zweifle ich ob er die nötigen Mittel aufbringen kann, Ciaran ist keinesfalls der Typ für heimtückische Attacken, bisher focht er seine Kämpfe offen aus.“, sagte Vater, anscheinend vertrat der Boss die gleiche Meinung, denn er nickte zustimmend, genau wie Henry.

„Ihr seid euch ja verdammt sicher!“, stellte Kahlaf nüchtern fest, „Demnach wisst ihr mehr als ihr uns mitteilt.“

„In der Tat!“, lautete das Echo Merkurs.

„Wir konnten Igraine´s finanzielle Mittel überprüfen, er beantragte einen Kredit von einer unserer Banken und Ciaran besitzt zwar seine Dünkel aber die Übergriffe der Jäger sind auch ihm verhasst.“, erklärte Vater.

Warum übernahm Vater diese Rolle? Es kam mir seltsam vor, da Corvin ansonsten selbst seinen Standpunkt vertrat.

„He sind wir hier, um immer wieder das Gleiche zu wiederkäuen oder um einmal, nur einmal banale Themen auf den Tisch zu bringen?“ donnerte Matts Faust auf die Theke, „Wenn ihr wieder nur über Politik quatscht, verdufte ich.“

Daraufhin versiegte das Gespräch über Politik, einen Moment herrschte Stille, „Tja und wen nehmen wir jetzt aufs Korn? Sarah!“, grinste Till, „Also ich muss schon sagen, ohne deine Kriegermontur kommen deine weiblichen Attribute zum Vorschein.“

Innerlich zuckte ich zusammen und verfluchte Till. Jetzt hatten sie ein einhelliges Gesprächsthema, darunter musste nur einer leiden und zwar ich. Doch nicht allzu lang, es gab genug zu quatschen.

In den frühen Morgenstunden kehrten wir zum Anwesen zurück, wer immer diese Idee hatte, es tat uns allen gut. In viel lockerer Stimmung begann unser nächster nervenaufreibender Tag.

 

Kapitel 28

Wie gewohnt wurde im Rat nur diskutiert, es gab keine neuen Beschlüsse. „Alischa ist mir viel zufrieden, sie heckt etwas aus.“, murmelte Corvin in seinen Räumen, wie gewohnt saßen Vater und Henry während der Boss unruhig hin und herlief. Ich hielt mich mit Malech im Hintergrund. Das Trio rätselte eine Weile ohne zu einem Entschluss zu kommen.

„Langsam verliere ich die Geduld!“, knurrte Corvin, „Es muss etwas geschehen, habt ihr denn keinerlei Anhaltspunkte, nichts womit wir arbeiten können?“

Sie schauten sich ratlos an, „Verdammt!“, fluchte Corvin, „wir haben jeden überprüft, sind den Angaben des Menschen nachgegangen, sammeln seit Jahren Beweise und trotzdem stehen wir mit leeren Händen da. Es ist zum Verzweifeln! Irgendein Fehler, ein flüchtiger Hinweis, irgendetwas muss es doch geben. Wir gehen nochmals die Akten durch, vielleicht haben wir etwas übersehen.“

Henry und Vater stöhnten verhalten auf, „Wieso, wir haben die Akten dreifach gar vierfach überprüft, es gibt keine versteckten Anzeichen.“

„Dann sucht Neue!“, erhob Corvin die Stimme, Vater und Henry standen gleichzeitig auf, „Du wirst ungerecht, Corvin!“, verließen sie demonstrativ den Raum.

Der Boss fluchte hinter ihnen her, Malech grinste still vor sich hin, zu viel für den Aufgebrachten, „Was ist mit dir? Haben deine Männer etwas gefunden? Vielleicht sogar du, oder kannst du nur dämlich durch die Gegend lachen?“

Auch Malech stand auf, „Deine Stimmung ist zum Kotzen! Ich stehe mir lieber die Beine in den Bauch als dich länger zu ertragen.“

So fand ich mich mit dem Boss allein wieder, ich versuchte mich so ruhig wie möglich zu verhalten, dabei beneidete ich alle Fliehenden. Richtig es dauerte nicht lang und er nahm mich im Augenschein, „Was ist, hast du nichts erbauliches beizutragen?“

Oh, mit mir nicht, dachte ich und marschierte umgehend in den Nebenraum, meine einzige Möglichkeit im Augenblick, knallend schnappte die Tür ins Schloss um sofort aufgerissen zu werden. „Niemand außer mir knallt Türen!“, wurde ich angeschrien, er wollte also einen handfesten Streit heraufbeschwören! Aber nicht mit mir, deshalb schaute ich ihn nur an. Normalerweise richtete er sein Augenmerk dann auf jemand anderen, zu spät wurde mir klar es gab niemanden.

„Kannst du mir noch nicht einmal antworten?“, knallte er nun seinerseits die Tür.

„Sicher wenn es von nutzten ist, bei aufgebrachten Riesenaffen sehe ich keinen Sinn.“, konnte ich nicht umhin zu antworten.

„Riesenaffen! So betitelst du mich!“, kniff er die Augen zusammen, „Ich könnte dich rauswerfen!“, drohte er.

Mach doch, dachte ich hoffend. Er sah es mir an und grinste fies, „Von wegen, dich auch noch zu belohnen fällt mir nicht ein.“

„Er benimmt sich wie ein verwöhntes Kleinkind!“, dachte ich, vielmehr sprach ich es laut aus. Himmel sieh zu und bring dich in Sicherheit Sarah, suchte ich schon nach einer Fluchtmöglichkeit.

Er kam rasant näher, ich warf mich zur Seite und schon wieder auf die Beine ohne mich einmal umzusehen, raste ich nach draußen. Auf dem Flur spurtete ich richtig los, die Treppen flog ich regelrecht hinunter.

Ich ahnte, wie nah er mir kam und beschleunigte nochmals meine Schritte, wohin fragte ich mich. „Du entkommst mir nicht!“, viel näher als ich dachte, duckte ich mich aus einem Gefühl heraus.

Richtig er strauchelte als er ins Leere griff, mein Vorteil, lief ich auf den Wald zu, sollte ich mich hier verstecken während er weiter lief? Nein keine gute Idee, spätestens am Tor wusste er, wo ich mich befand. Also runter vom Gelände kam das Tor in rettender Nähe.

Die Wachen blieben reglos stehen! „Öffnet das Tor!“, gestikulierte ich wild, sie schüttelten verneinend die Köpfe, was mich stutzig werden ließ.

Sie handelten auf Befehl! Wohin dann?

„Wie gesagt du entkommst mir nicht, willst du weiter davonlaufen oder deine gerechte Strafe entgegennehmen?“

Was wohl? Nun entdeckte ich erst die ungebetenen Zuschauer, die teilweise feixend aus dem Waldstreifen traten, allen voran Monseigneur und Alischa.

Mein erster Impuls war Flucht den ich erfolgreich niederkämpfte, bewahre dir ein bisschen Stolz, sagte ich mir. Das Getuschel ignorierend wandte ich mich um, sah nur zum Boss der mit in den Hüften gestemmten Händen und Zornesfalte dastand.

Natürlich musste Alischa zu Corvin gehen, als ich nähertrat hörte ich sie noch von Disziplin reden, die mir anscheinend fehlte. „Wie oft muss ich mich wiederholen, Alischa? Wie und wann ich meine Leute bestrafe ist allein meine Sache! Außerdem ist es eine rein private Angelegenheit.“

„Es gibt nichts Privates zwischen einem Untergebenen und seinem Herrn!“, tat Monseigneur seine Meinung kund.

Corvin schnaufte ungehalten, Henry der die letzten Worte mitbekam fragte grinsend an Monseigneur gewandt, „Warum versieht Sarah wohl keinen Dienst mehr?“

„Ja das frage ich mich auch“, runzelte Monseigneur die Stirn, den Blick mit dem er mich musterte sagte aus was er dachte. Widerlicher kleiner Kretin! Er konnte wahrscheinlich nur in eine Richtung denken.

„Also warum?“, herrschte Alischa Henry an, fehlte nur noch das sie wütend mit den Füßen aufstampfte.

Indessen deutete Corvin mir ihm zu folgen, er ließ die Gruppe um sich einfach stehen, ich folgte ihm in einem Sicherheitsabstand.

„Weil sie ein Paar sind!“, hörte ich das Unfassbare, mitten im Schritt blieb ich angewurzelt stehen, drehte mich zu Henry um.

„Du Tratschtante! Es sollte vorerst unter uns bleiben!“, wurde ich von hinten umschlungen. Außenstehende mochten es für eine liebevolle Umarmung halten, doch meine Rippen stöhnten unter dem Druck den Corvin ausübte, schmerzhaft auf.

Alischa erblasste, Monseigneur starrte uns mit offenem Mund an. Michelé kam freudestrahlend auf uns zu, „Gratulation! Seitdem ich euch das erste Mal zusammen sah, hoffte ich, ihr findet zueinanderfinden.“

„Danke Michelé“, hörte ich Corvin, er drückte mir einen Kuss in den Nacken. Andere Vampire kamen grinsend heran und wünschten uns Glück, manche mit einem ehrlichen Lächeln, manche um Fassung kämpfend, manche abschätzend mit bissigen Kommentaren. Corvin nahm jeden Glückwunsch huldvoll entgegen, dabei lockerte er die qualvolle Umklammerung keine Sekunde.

Indessen blieb ich stumm, anfangs Geschockt, später Verwundert, welch eine Narretei, ein Blinder konnte meine Ablehnung sehen. Aber nein, anscheinend glaubten diese ausgebufften Alten jedes Wort.

Sogar Vater kam uns mit stolzer Miene entgegen, „Meine Kleine, Corvin endlich habt ihr einander gefunden.“, drückte er mir einen väterlichen Kuss auf die Stirn und klopfte Corvin kameradschaftlich auf die Schulter.

Ein Albtraum! Ja nichts weiter als ein schlechter Traum, gleich wache ich auf, dann kann ich darüber lachen. Ich wachte nicht auf! Es kam noch schlimmer!

Endlich gingen wir zu Corvins Räume, Vater allen voran öffnete mit Schwung die Tür, dann der Boss der mich noch immer an seiner Seite hielt, zum Schluss folgten Peer, Matt und natürlich Henry der betrübt die Schwelle übertrat.

Aus der Inhaftierung befreit suchte ich sofort die entlegenste Ecke auf, nicht noch einmal wollte ich dem Boss so nahe kommen.

„Gut reagiert, Corvin!“, versuchte Henry ein Lächeln.

„Was hast du dir dabei nur gedacht?“, verlangte Corvin zu wissen.

„Ich weiß auch nicht, die Situation eskalierte, mit fiel in diesem Moment nichts anderes ein“, antwortete Henry zerknirscht.

„Himmel noch mal Henry! Hättest du einfach nur den Mund gehalten!“ Corvin raufte sich verzweifelt das Haar, „Nun haben wir einen ausgewachsenen Schlamassel!“

Vater trat vor, „Wie kam es überhaupt dazu?“ Bevor ich antworten konnte meinte der Boss, „Im Grunde ist es meine Schuld!“, mir blieb der Mund offen stehen, er gab einen Fehler zu, einfach so.

„Als ihr abgehauen seid, habe ich meine ähm …“

„ … miese Laune!“, half Vater ihm freundlich weiter.

„Ja!“, nickte der Boss, „an Sarah ausgelassen! Sie reizte mich zusätzlich und flüchtete schließlich hinaus, ich folgte ihr und dann kam Henry!“

Ich fand Vater nahm es sehr gelassen auf, er nickte nur und schüttelte anschließend den Kopf, alles ganz ruhig. Eines wunderte mich, Corvin und Henry zogen sich, wie ich, in die entlegensten Winkel zurück, während Matt und Peer voller Schadenfreude feixend Platz nahmen.

Dann ging es auch schon los!

Vater explodierte! Als erstes nahm er sich den Boss vor, überschüttete ihn mit Vorwürfen, warf ihm seine Ungeduld vor, so hatte ich Vater noch nie gesehen, er schäumte geradezu vor Wut.

Dann kamen Henry und ich an die Reihe, dabei hoffte ich, seine Raserei ließe nach, worin ich mich gewaltig irrte, er lief zur Hochform auf. Nur seine Stimmbänder versagten schließlich ihren Dienst, dafür sprühten seine Augen umso mehr.

Als ich an der Reihe war, verhielt ich mich wie zuvor der Boss und Henry schweigend, mit reumütigem niedergeschlagenem Blick wartete ich auf das Ende seines Monologs. Er musste bald fertig sein, die Worte endeten meistens in einem unverständlichen Krächzen.

Hoffnungsvoll sah ich auf als er kein Wort mehr sagte, mein Fehler! Mein lieber Vater stampfte gerade zornig mit dem Fuß auf, da seine Kehle keinen Ton herausbrachte.

Schnell schaute ich wieder hinunter, zwar blieb Vater stumm doch seine bedrohliche Ausstrahlung sprach Bände.

Es blieb ruhig, ich wagte es nicht noch einmal aufzuschauen. Die Sekunden rannen langsam dahin.

„Puh! So habe ich ihn das letzte Mal vor etlichen Jahren gesehen.“, sagte Henry. Ich wagte einen vorsichtigen Blick, von Vater keine Spur. „Ist er weg?“, hinterfragte ich vorsichtshalber.

„Bis auf Weiteres ja, er ist noch lange nicht fertig mit uns.“, ließ Henry sich missmutig in einen Sessel fallen. „Wie können wir ihn sanfter stimmen?“

Matt grinste uns frech an, „Träumt weiter, seit wann kann man Vlad beruhigen?“

Corvin nickte, „Wir müssen es ausstehen, so und nun zur Tagesordnung. Vlad fällt für die nächsten Tage aus, in seiner momentanen Verfassung bringt er nichts Vernünftiges zustande.“

Der Boss sah es wohl zu düster, ein kräftiger Schluck und seine Stimmgewalt stand wieder zu unserem Leidwesen zur Verfügung was ich auch sagte.

„Seine Stimme ist keinesfalls das Problem“, informierte mich Henry, „Dein Vater wird einige Tage benötigen um wieder ein ausgeglichenes Jüngelchen zu werden.“

„Na dann!“, wurde mir richtig mulmig in der Magengegend, „Wo kann ich mich verstecken?“ Noch einmal solch eine Standpauke? Nein da flüchte ich lieber.

„Feigling!“, zischte Matt vergnüglich, worauf ich ihm einen bösen Blick zuwarf, den er amüsiert standhielt.

„Hört schon auf, für eure Spielchen habe ich im Augenblick kein Verständnis. Was ist zu tun?“, fragte der Boss streng nach.

„Was wohl? Wir werden den Irrtum aufklären!“

Sie schauten mich betroffen an, „Überlege eine Sekunde Sarah und denke an die Auswirkungen im Rat.“, bat mich Henry, ich brauchte keine Sekunde, „Genau daran denke ich, Vater wird sich sofort beruhigen und der Boss kann mit Alischa glücklich werden.“, die letzten Worten kamen voll triefenden Spott.

Henry schüttelte den Kopf, „Du bist nicht auf den Laufenden, meine Kleine. Corvin hat die Affäre kurz vor unserer Abreise beendet.“

„Wie bitte?“, blinzelte ich verwirrt, „Aber ihre Anspielungen …“, wusste ich nicht weiter.

„Allein um eine gewisse Person zu reizen, dich!“

„Mich? Aber warum?“, wollte ich es eigentlich gar nicht wissen.

Henry blies seine Wangen auf, „Also das geht zu weit, Corvin, ich halte dir jederzeit gern den Rücken frei, spioniere für dich und was noch alles! Aber es ist dein Liebesleben, oder besser gesagt dein Wunschdenken. Kommt Jungs lassen wir das Paar allein, sie haben einiges zu besprechen.“, warf er uns verschwörerische Blicke zu.

Aus Henry Worten wusste ich was auf mich zukam, absolut undenkbar. Nur wie machte ich es ihm begreiflich? Ohne gleich verletzend zu werden. Bei diesem Sturkopf ein gewaltiges Problem, zudem war er derart von sich eingenommen, das er wahrscheinlich dachte, ich würde dankend für seine Gunst auf die Knie fallen.

Am besten geradeheraus, setzte ich gleich an als die Tür ins Schloss fiel, „Hör mal Boss!“, betonte ich Boss, so konnte er sich schon einmal innerlich vorbereiten, „Du verrennst dich in der Vergangenheit, zwischen uns ist es aus und vorbei.“, gar nicht mal so schlecht, dachte ich. Als ich ihn ansah schaute er mich grinsend an, er kapiert es nicht! Du musst es ihm deutlicher eintrichtern!

Räuspernd setzte ich zur zweiten Runde an, „Was auch immer du sagen willst, höre mir einen Moment zu.“, kam Corvin mir zuvor, „Ja auf der Festung dachte ich wir hätten eine gemeinsame Zukunft, deshalb distanzierte ich mich von Alischa.“

„Ach du denkst es nicht mehr?“, fragte ich hoffnungsvoll und gleichzeitig enttäuscht.

Er lächelte, „Nein, wie Henry schon sagte reines Wunschdenken. Er riet mir, nichts zu überstürzen und abzuwarten, ich hielt mich an seinen Rat und erkannte durch dein Verhalten die Aussichtslosigkeit.“

Einfach so? Keine Debatte? Keine Überzeugungsarbeit er gab einfach auf? „Dann ist es ja gut!“, versuchte ich nicht allzu enttäuscht zu klingen. Warum, fragte ich mich, so wolltest du es doch.

„Tja das wäre dann geklärt zwischen uns und deshalb kann ich dich bitten, eine Weile mitzuspielen. Irgendwann werden wir unsere Trennung bekannt geben und du kannst dich wieder ganz Ciaran widmen.“

„Aber …“

„Ja ich weiß, es ist viel verlangt, wenn du möchtest werde ich später mit Ciaran reden, ihm erklären weshalb wir genötigt waren, die Lüge aufrechtzuerhalten.“

Was ich unter allen Umständen verhindern musste, sollte Ciaran ein Wort über die Abmachung verlauten lassen, wer weiß was geschehen konnte. „Ach was!“, wiegelte ich ab, „Es war ja nur eine kurze Liaison!“

„Wirklich? Dann steht unserer Komödie ja nichts im Weg!“, fragte er hoffnungsvoll.

„Nein, eigentlich nicht“, meinte ich zögernd, irgendwie fühlte ich mich gerade, wie ein in die Falle getapptes Tier.

Erleichtert seufzte er auf, „Gut, wir müssen unbedingt den Tratsch eingrenzen, das Beste Mittel dagegen ist Angriff“, grinste er mir verschwörerisch zu, „wir gehen ins Bad und zeigen es ihnen.“

Himmel und Höhle worauf ließ ich mich da nur ein? Ins Bad gleich die schwerste Hürde, schluckte ich hart.

„Inzwischen kann Henry einige Veränderungen veranlassen, den Raum nebenan gestalten wir in einen privaten Raum um, dort können wir Besuch empfangen. Was noch?“, schaute er fragend auf.

Ich konnte nur die Schultern zucken, „Von den allgemeinen Gepflogenheiten habe ich keine Ahnung“, gab ich ehrlich zu.

„Oh ja“, nickte Corvin verstehend, „Da werden dir morgen Henry und Muse helfen, heute bleibst du einfach an meiner Seite“, nochmals drückte seine Miene Zweifel aus. „Ähm … dir ist bewusst wie ein Paar sich verhält?“

„Ja sie gehen vertraut miteinander um.“, obwohl ich nur eine Beziehung aufweisen konnte, musste er nicht so tun, als wäre ich ein einfältiges Dummerchen.

„Entschuldige, natürlich weißt du es!“

Konnte er so gut in meiner Miene ablesen was ich empfand? Für so einfühlsam habe ich ihn nie gehalten, „Schon gut!“, winkte ich ab, wir standen uns einen Augenblick schweigend gegenüber, „Tja dann werde ich mir mal frische Wäsche holen.“

„Würdest meine mit einpacken?“

Jetzt sträubten sich all meine Nackenhaare! Ich sollte an seine Kleidung? Wurde Corvin Sardovan ausgetauscht? „Ist das dein Ernst?“, musste ich einfach fragen.

„Naja, du solltest dich mit meinen Sachen vertraut machen, genau wie ich mit deinen, der kleinste Fehler könnte uns verraten.“

Eine logische Erklärung mit der ich leben konnte, „Meinst du sie fragen dich nach meiner Unterwäsche?“, fand ich es lachhaft.

„Pierre und Ciaran vielleicht, ähm Alischa und Selina bestimmt.“

„Oh Selina auch! Das wusste ich nicht, na gut ich werde mich vorsehen, sonst noch irgendwelche Damen vor denen ich mich in Acht nehmen muss?“

„Keine die es wagen würde, meine Partnerin derartige Fragen zu stellen.“, erklärte er überheblich.

„Wir werden sehen, was soll ich sagen falls ich angesprochen werde? Darf ich Lügen bis sich die Balken biegen?“, bekam ich langsam Spaß an der Sache.

Er schaute mich erstaunt mit hochgezogenen Brauen an, „Lügen? Ich denke du benötigst keine, du weißt welch ein ausgezeichneter Liebhaber ich bin!“

„Ja das meinen alle!“, winkte ich ab, „Also werde ich nach meinen Gutdünken handeln.“ Ging ich schnell in den Nebenraum damit er mein Grinsen nicht sah.

„Wie meinst du das?“, kam er mit vor der Brust verschränkten Armen hinter mir her.

„Na wie wohl? Was ziehst du normalerweise nach dem Bad an?“, versuchte ich das Thema zu wechseln.

„Bademantel!“, meinte er zerstreut, „Heißt das du fandst den Sex mit mir nicht gut?“

„Doch war schon in Ordnung“, suchte ich in den tiefen meines Schrankkoffers.

„So meinst du? Welche Vergleichsmöglichkeiten ziehst du denn zu Rate? Etwa den Franzosen?“, wurde seine Stimme dunkler vor Entrüstung.

Vorsichtshalber kramte ich weiter, „Ach es gab genug vor Pierre und nach ihm.“ Bevor ich die Worte aussprach wusste ich, einen Fehler begangen zu haben.

„Nach Pierre, ja? Griff er gleich zu, wer denn? Meines Wissens gab es erst mich und dann Ciaran.“

Sein blödes überhebliches Lachen konnte ich direkt vor Augen sehen, fieberhaft überlegte ich, dieser eingebildete Kerl, „Da bist du sehr schlecht informiert und so sollte es auch bleiben. Ich halte nichts davon mit Eroberungen zu prahlen.“ So damit konnte er anfangen was er wollte.

„Ach ja? Wann hattest du denn die Zeit dafür?“

Warum bohrte er weiter? Reichte ihm meine Auskunft etwa nicht? Dabei wollte ich ihn doch nur ein bisschen von seinen hocherhobenen Thron holen. „Während meiner Freizeit, schließlich habe ich nicht umsonst das Gelände verlassen.“ Na das sollte wohl genügen.

„Ja wirklich sehr diskret“, murmelte er leise vor sich hin.

„Genau! So wir können, ich nehme auch einen Bademantel, quasi Partnerlook, so was wird immer bemerkt.“, grinste ich ihn an, weshalb ich grinste, musste er ja nicht unbedingt wissen.

Bevor wir seine Räume verließen meinte er nebenher, „Dann sollten dir ja gewisse Zärtlichkeiten nicht unbekannt sein. Das ist gut, ich dachte daran besonders besonnen vorzugehen, aber durch deine Offenheit können wir richtig loslegen.“, zwinkerte er mir verschwörerisch zu.

Meine plötzlich ausgedörrte Mundhöhle hinderte mich etwas zu sagen. Und was konnte ich schon einwenden, verfluchte ich meine große Klappe.

Sobald wir den Flur betraten schnappte Corvin nach meiner Hand. „Oder ist eine Umarmung besser, was meinst du?“, flüsterte er mir ins Ohr. Für einen Außenstehenden sah es aus als hauche er mir etwas Liebevolles zu.

„Ich glaube es reicht, alles andere wäre unglaubwürdig. Bisher tauschtest du öffentlich keine Zärtlichkeiten aus.“, sagte ich leise.

„Aber sie waren nur Geliebte, du bist meine Partnerin also sollte ich mich auch anders verhalten.“

Ich musste grinsen, „Verstehe ich dich richtig, deine Geliebte behandelst du nachlässig, während du deine Partnerin mit Zärtlichkeiten überhäufst?“

Er überlegte einen Moment, „Mit meiner damaligen Partnerin, ja. Ich konnte kaum die Finger von ihr lassen, allein ihr Geruch berauschte mich, ein Lächeln und ich musste sie küssen. Ein Blick von ihr und ich schloss sie in meine Arme.“

„Und das hat sie ausgehalten?“

„Na du kannst Fragen stellen, sie genoss meine Nähe wie ich ihre. Besonders gern erinnere ich mich an eine Begebenheit, ich las aus einem Buch vor und sie schmiegte sich an mich. So etwas Intimes kannte ich vorher nicht“, schwärmte er.

„Sicher kommt auf die Lektüre an, was war es denn, ein einschlägiges Buch?“

Er verdrehte die Augen, „Nein ein romantischer Roman und es hatte kein bisschen mit Sex zu tun, damals warb ich um ihr Vertrauen, ihre Liebe, ihre Freundschaft.“

Nun bekam ich große Augen, „Sie muss dir viel bedeutet haben, nicht wahr?“ Ich fragte mich welches weibliche Wesen ihn dazu brachte.

„Ja!“

Darin lag so viel Schmerz, ich wagte es nicht weiter zu fragen, deshalb schlug ich einen lockeren Tonfall an. „Bei Pierre und mir sah es anders aus, ich mochte es nicht in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten oder Gefühle zu zeigen.“

„Weil du ihn niemals liebtest!“

„Wie kommst du darauf, schließlich waren wir einige Jahre zusammen!“, brauste ich auf, meinte er auf die Liebe ein Alleinrecht zu haben, nur weil er irgendwann vor hundert Jahren einmal ein Herz besaß?

„Beherrsche dich du Streithahn! Es sind die Worte deines Ex, so empfand er.“

Inzwischen betraten wir den Umkleidebereich, „Was für ein Blödsinn!“ und doch wusste ich Pierre irrte sich nicht, Liebe ist ein Gefühl für Romantiker und dazu zählte ich mich auf keinen Fall. Corvin dies einzugestehen fiel mir nicht ein.

Der Boss wurde von einem neueren Ratsmitglied angesprochen, wie gewohnt wollte ich mich zurückziehen, was er verhinderte indem er mich an sich zog. „Ja eine gute Idee, du solltest sie Morgen vortragen“, sagte der Boss sich verabschiedend.

„Den hast du aber schnell abgewimmelt!“, bemerkte ich dem Ratsmitglied nachblickend.

„Er ist ein guter Mann aber schwatzhaft, wenn man ihm die Chance lässt redet er die nächsten fünf Stunden weiter. Darauf habe ich wirklich keine Lust.“

„Lust! Aha worauf? Wollt ihr eines der privaten Separees aufsuchen?“, kam Selina auf uns zu. „Glückwunsch euch Beiden, da habt ihr ja für Aufsehen gesorgt. Ciaran ist ganz und gar geknickt. Corvin du solltest auf deine Kleine achten, wenn du sie nicht teilen willst. Mein Boss gehört nicht zu jenen, die sich ein Leckerli wegschnappen lassen. Es sei denn, du bist großzügig, derweil kann ich dich ablenken.“, schnurrte sie verführerisch.

„Corvin mag großzügig sein Selina, ich nicht!“, stellte ich mich entrüstet, vor meinen angeblichen Partner.

Selina lächelte schmal, „Ganz was neues, Pierre teiltest du mit jedem dahergelaufenen Weib. Ich dachte du bleibst deiner freiheitsliebenden Linie treu. Dann entschuldigt mein ungehöriges Benehmen.“ Da ich Selina im Grunde mochte, verzieh ich ihr nur zu gern.

„Das nächste Mal musst du unversöhnlicher bleiben“, meinte Corvin als Selina fortging, „Wir hüten unseren Besitz eifersüchtig.“

„Willst du damit andeuten, deine Partnerin sei dein Besitz?“, wollte ich erstaunt wissen.

„Nein natürlich nicht, da habe ich mich falsch ausgedrückt, es sollte ein Beispiel sein. Pass auf und lerne!“

Das konnte ja heiter werden, wir kamen den Duschen nicht näher, diesmal kam wieder ein männlicher Vampir auf uns zu, der ohne mich eines zweiten Blickes zu würdigen mit Corvin sprach. „Siehst du! Er wagte nicht dich anzuschauen.“, erklärte er mir stolz.

„Na sicher! Weil er kein triebiges Sexualmonster ist! Es gibt durchaus Vampire die sich beherrschen können.“, schüttelte ich den Kopf über so viel Unkenntnis.

„Gehen wir duschen!“, drängte der beleidigte Herr.

Im Bad selbst wurden wir kaum aus den Augen gelassen, die Anwesenden spitzten ihre Ohren und nahmen jede Geste wahr. Corvin zeigte seine charmante Seite, seine Stimme wurde sanft, er lachte kehlig auf und achtete auf keine der Damen.

Dagegen hatte ich so meine Schwierigkeiten, nicht das ich seine Aufmerksamkeit nicht genoss. Nein ich musste mich wiederholt erinnern weshalb Corvin mir sein Interesse schenkte. Es fiel mir allzu leicht seine Partnerin zu spielen, zuweilen vergaß ich sogar welche eine Scharade wir hier spielten.

Daran erinnerte mich Monseigneur als er ins Bad kam, ich bemerkte es an Corvin, ein kurzer angehaltener Atmer und ich wusste es braute sich ein Unwetter auf.

Corvin beugte sich vor, strich zart mit seinen Lippen über mein Haar, „Monseigneur“, hauchte er mir ins Ohr.

Ich lachte leise, als hätte er mich geneckt und ich schmiegte mich gegen seine Brust, da erst schaute ich mich um, direkt in Monseigneurs zusammengekniffenen Augen.

„Seltsam hieß es nicht keinerlei Intimitäten? Aber so mancher muss natürlich seine Extrawurst braten, immer dasselbe mit dem frischen Gemüse.“

„Komisch das er von Würsten redet, musste er sich nicht an Ambrosius Tafel mit den Hunden um die Knochen balgen?“, woher kam dieses Wissen, wieso sagte ich so etwas, schlug ich erschrocken meine Hand vor den Mund.

Inazinus wieherte vor Vergnügen, „Stimmt ja, hab ich ganz vergessen! Ambrosius meinte, du seist weniger wert, als seine schlechteste Hündin. Du musstest ganz schön kämpfen für einen abgenagten Knochen“, schlug er gackernd die Hände auf das Wasser.

„Halt dein Maul! Als ob du es besser gehabt hättest, warst du nicht angekettet? Wieso nur? Ach ja ich weiß, du brachtest mehrere junge Mädchen um, Ambrosius wollte deinen Kopf vom Rumpf trennen, nicht wahr! Aber vorher solltest du vor Hunger schreien.“

Abrupt hielt Inazinus inne, „Ich wurde rehabilitiert!“

„Von wen denn? Ich glaube Alischa, was musstest du ihr denn versprechen, damit sie dich befreit?“

„Wer kramt denn die uralten Geschichten aus?“, ließ Alischa gekonnt ihr Handtuch fallen, damit jeder ihre makellose Figur bewundern konnte. Sie ließ ihr langes Haar schwungvoll nach vorn fallen und beugte sich hinunter zu Monseigneur. Der erbleichte erschrocken und warf mir einen gejagten Blick zu.

Kurz darauf verschwand er ungewöhnlich still von der Bildfläche, auf einen Wink von Alischa suchte auch Inazinus das Weite. Seitdem Alischa im Bad weilte, verstummten die Gespräche langsam.

Die ansonsten lockere Atmosphäre wandelte sich in ein angespanntes Milieu, keiner von uns fühlte sich besonders wohl. Einer nach dem anderen verließ das Wasser, es kam niemand mehr herein.

Corvin drückte mich näher an sich, nur zu gern nahm ich seinen Schutz in Anspruch. Alischa schien von all dem nicht das Geringste zu bemerken, sie saß dort wie eine fette Spinne auf ihr Opfer wartend.

Am liebsten wäre ich auch aus dem Bad verschwunden, doch Corvin harrte unbeteiligt aus, von Alischas finsteren Aura keineswegs beeindruckt.

Im Gegenteil er schürte ihren Unmut noch, indem er mir leichte Küsse gab, meine Schulter streichelte, mich mit liebevollen Blicken bedachte.

Noch wusste ich nicht was aufreibender war, Alischa und ihre schweigende Drohung die lastend in dem alten Gewölbe hing oder Corvins zärtliches Getue welches mich völlig aus der Bahn warf.

Zum Glück wurden meine Nerven nicht weiter beansprucht, mit einem Seufzer erhob sich Alischa, „Diese Runde langweilt mich, der Punkt geht an dich Corvin, aber denke nicht die Schlacht sei gewonnen. Ich werde mir dein neuestes Spielzeug noch vornehmen, viel zu lange reizt sie mich schon.“

Von einer zehntel Sekunde zur Anderen wandelte Corvin sich, er stob halb aus dem Wasser, funkelte Alischa mit schwarzen Augen an, „Geschieht ihr auch nur das kleinste Leid, werde ich dich mit Vergnügen töten, Alischa!“

Sie lachte verführerisch auf, „Du missverstehst mich, mein Geliebter. Mein Anliegen kann ich durchaus verbal vortragen, die Kleine ist es nicht Wert, einen Keil zwischen uns zu treiben. Habe mit ihr deinen Spaß, in spätestens zwei Wochen ödet sie dich an und dann werde ich dich mit offenen Armen empfangen. Ich weiß doch, was du wirklich brauchst und das Kind kann es dir niemals geben.“, hüftschwenkend verließ sie das Bad, die verkörperte Verführung musste ich ehrlich gestehen.

„Und was jetzt?“, fragte ich bange nach, ihr Auftritt verunsicherte mich musste ich zugeben.

Corvin mir noch immer den Rücken zugekehrt, schnaufte, „Sie sagte es bereits, unsere persönliche Fehde ist eröffnet, das Gute wir haben die erste Schlacht gewonnen, so banal sie auch war.“, wandte er sich mir zu. „Es ist seltsam, sie griff dich nicht persönlich an. Warum? Und woher kennst du Details von Ambrosius ehemaligen Hof?“

„Vielleicht hat Kahlaf oder Merkur es einmal erwähnt, ich weiß es nicht genau.“

Aus dem Vorraum drangen Stimmen, Corvin eilte an meine Seite, „Meinst du nicht es reicht für heute?“, fragte ich hoffnungsvoll.

„Eigentlich wollte ich ein Treffen mit dem Franzosen und seinem Anhängsel.“, grinste er mich frech an.

„Ha das Weib kann mich mal! Je weniger ich von ihr sehe desto besser, für sie!“, fügte ich geladen hinzu.

„Eben deshalb, ihr werdet euch nun des Öfteren begegnen, die Frauen der Ratsmitglieder übernehmen einige wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel die Feste organisieren. Sie treffen sich und verbringen Zeit miteinander, auch von dir wird erwartet an diesen Zusammenkünften teilzunehmen.“

„Oh nein!“, schüttelte ich heftig den Kopf, „Von so was war nie die Rede! Dazu bin ich einfach nicht geeignet, Corvin ich kann so was nicht!!“, bettelte ich schon fast.

„Nun ja“, ging er auf meine Einwände ein, „Noch sind wir kein offizielles Paar.“

„Noch?“, machte ich große Augen, „Soweit sollte es gar nicht kommen! Du sagtest für einige Wochen vielleicht auch ein Monat und nun sprichst du von einer offiziellen … wie auch immer das heißt.“, geriet ich in echte Panik.

„Ganz ruhig Sarah, es sind nur Gedankenspiele so bin ich nun einmal, ich muss voraus planen und alle erdenklichen Möglichkeiten durchspielen. Was am Ende bleibt kann ganz anders verlaufen.“

Einigermaßen beruhigt lehnte ich mich an den Beckenrand, „Dann behalte deine Planungen für dich, ich bekomme beinahe einen Herzinfarkt davon.“

„Da wir nun unsere gesamte Zeit miteinander verbringen, wirst du sie wohl oder übel anhören müssen. Es sähe absonderlich aus, wenn Henry und Vlad ständig in unserer Nähe weilen.“

„Herr Gott noch mal, gehen dir niemals die Ausreden aus? Ich will davon nichts hören!“, wurde ich lauter als beabsichtigt.

Er kam mit einem Mal auf mich zugeschossen, im ersten Augenblick dachte ich er wolle mich tätlich angreifen. Starr vor Schreck sah ich ihn auf mich zukommen. Statt des Schmerzes den ich erwartete, drangen ganz andere Gefühle in mein Bewusstsein, schiere Lust bemächtigte sich meiner, jegliche Vernunft ausschaltend.

„Na aber, Hallo was treibt ihr denn da? Dafür gibt es schöne intime Räume!“

„In der Tat!“

„Nein, nein sie sollen sich nicht bewegen ich will diesen Augenblick der seligen Harmonie einfangen. Was für ein Bild der göttliche Poseidon entsteigt den tiefen des Meeres um Pelops den Beweis seiner Liebe zu unterbreiten. Ja ein …“

„Äh …?“, hörte ich Henry stottern, genau dieser Ton brachte mich zurück in die Realität. Corvin bemerkte es, wir ließen gleichzeitig voneinander ab.

Verlegen tauchte ich unter und wünschte das Wasser wäre eisig. Als ich auftauchte schaute ich direkt in Henrys fettes Grinsen, was in seinen Kopf vorging konnte ich mir nur zu gut denken. „Na meine Kleine?“, warf er einen fragenden Blick in Corvins Richtung, „Kommt ihr euch näher?“

„Alles nur vorgetäuscht! Hättet ihr euch früher bemerkbar gemacht, wäre uns das Spektakel erspart geblieben.“, sagte ich schroff.

„Wirklich!“ klang er nicht gerade enttäuscht, „Nun ja, Corvin zeigt einen eindeutigen Beweis euer sogenannten Täuschung!“, dozierte er mit erhobenem Finger.

„In der Tat!“, grunzte Merkur unweigerlich, „Mir ist das Baden für heute vergangen“, deutete er auf Corvin, der unbekümmert die Schultern zuckte, „Bin ich ein Eunuch? So reagiert nun einmal jeder Mann!“

„Aber nicht in diesem Wasser!“, empörte sich Merkur, „es dient zur Erholung und nicht um sich aufzugeifern! Das gehört sich einfach nicht, ihr solltet euch wirklich schämen!“

Um ehrlich zu sein, ich schämte mich in Grund und Boden, da war etwas an Merkur, es geschah einfach und traf mich nicht allein, selbst unser allseits gewiefter Boss schlug die Augen nieder.

Merkur nickte zufrieden, „Ein wenig Anstand scheinen sie zu haben. Ihr dürft jetzt aus dem Wasser kommen, ich veranlasse den Wechsel und in Zukunft werdet ihr euch benehmen.“

Unser leises, „Ja“, genügte ihm, wir wurden hoheitsvoll entlassen.

 

Kapitel 29

Auf den Weg hinauf, als ich mich sicher vor Merkur wähnte, „Was war denn das? Ich schämte mich fürchterlich.“

Corvin sah sich sicherheitshalber um, „Merkur kann in einem diese Gefühle wecken, mögen sie auch noch so tief vergraben sein. Glaub mir, es amüsierte ihn.“

„Ach so ähnlich wie bei dir!“, es gab nicht viele Vampire mit derartigen Fähigkeiten. „Was meinst du?“, hielt Corvin an, mich am Arm festhaltend.

„Na wenn du wütend bist, wird deine Umgebung kalt.“

Stirnrunzelnd betrachtete er mich, „Seit wann weist du darüber Bescheid?“

„Ach schon Monate, es war auf der Festung.“

„Behalte es für dich“, bat er mich.

In Corvins Gemach herrschte Chaos, „Das habe ich ja total vergessen“, knurrte Corvin, „Typisch Henry er verliert keine Zeit, bin gespannt wie die Abstellkammer aussieht“, öffnete er die Tür und ließ mir den Vortritt.

Dazu brachte ich kein Wort heraus, ich dachte meine Augen betrogen mich. „Was hat er sich denn dabei gedacht?“, entfuhr es dem Boss, fröstelnd zog ich die Schultern ein.

„Ja was glaubt er denn? Sarah ehrlich ich wusste davon nichts!“

„Schon gut“, winkte ich ab, „Henry hegt einen geheimen Wunsch, ich denke er dachte damit käme er ihn näher. So schlecht sieht es doch gar nicht aus!“, musste ich unwillkürlich lachen.

„Dieser begriffsstutzige Romantiker!“, rollte Corvin ergeben die Augen.

„Naja eines ist dir klar in diesem Raum kann ich keine Dame der feinen Gesellschaft einladen.“, grinste ich zufrieden, mich das einladende Bett werfend. „Der Baldachin ist wirklich schön, meinst du nicht auch?“

„Warte“, warf er sich neben mich, „Wie gesagt der Liebesstifter besitzt Geschmack. Was jetzt? Noch nicht einmal die Schrankkoffer passen hier rein und ich gestehe es kommen noch einige dazu.“

„Mein Güte was bist du nur für ein eitler Mann? Über die Hälfte der Koffer sind deine, was benötigst du noch?“

Er legte sich auf die Seite, den Kopf mit der Hand abgestützt. Schmunzelnd meinte er, „So Eitel bin ich nicht, ich gebe durchaus zu auf meine äußere Erscheinung zu achten. Doch diesmal tust du mir unrecht, ich habe Kleidung für dich bestellt.“

„Für mich? Wozu denn das? Dann hattest du Kontakt zur Festung, wie geht es ihnen allen, ist alles in Ordnung?“

Bedächtig schüttelte er den Kopf, „Ross ruft ab und an dort an, soviel ich weiß, gibt es keine Vorkommnisse.“

„Ach so“, meinte ich enttäuscht und setzte mich hin, „Dort in der Ecke könnte man ein Regal aufbauen“, es klopfte, Henry, „Na wie gefällt euch euer neues Domizil?“

„Nicht gerade das was ich mir vorstellte, Henry! Sarah sollte hier die Damen empfangen.“

Er winkte ab, „Dafür ist Sarah nicht geschaffen, außerdem bekomme ich Angst, wenn ich nur daran denke, die Damen länger als eine Stunde mit Sarah allein zulassen.“

„Da kann ich dir nur zustimmen! Das Bett ist zwar sündhaft feudal aber sehr schön, schade das es nicht gebraucht wird.“, warf ich Corvin einen aufmunternden Blick zu, er sollte mich unterstützen.

„Wer weiß, ich könnte durchaus ein Nickerchen einlegen.“, warf sich der Verräter auf den Rücken.

Henry lächelte erleichtert, „Habt ihr den Stauraum gesehen? Dort könnt ihr alles unterbringen. Steh mal auf!“, trat Henry vor Corvins Bein, der brummend dem Befehl befolgte. „Hier ihr könnt Schubladen aufziehen, na was sagt ihr, eine geniale Idee was? Und ihr könnt deinen Arbeitsraum ein wenig umgestalten, ich habe da schon eine Idee…“

„Einen Moment, Henry!“, stoppte Corvin den Enthusiasmus seines Freundes, „Na gut diesen Raum lasse ich gelten, aber du willst alles Umkrempeln und es liegt keineswegs in meinen, noch in Sarahs Sinn. Wir haben lediglich ein Arrangement über einen bestimmten Zeitraum, mehr nicht.“

Puh, Gott sei Dank! Langsam bekam ich Bedenken, ich traute diesem Vampir einiges zu und bestimmt auch eine Ehe mit einem ungeliebten Weib, sei es für die Politik oder für seine Tochter. Sein Einschreiten beruhigte mich, zwar nicht vollends wollte ich weiterhin auf der Hut bleiben.

Henry half mir die Unordnung in Corvins Arbeitszimmer zu beseitigen, während der Boss stirnrunzelnd an seinem Schreibtisch saß, danach verzog sich Henry und ich stellte mich wie immer in der letzten Zeit unauffällig wartend so weit weg wie möglich von dem Boss.

Dieser sah genervt auf, „Setz dich, lies oder lege dich hin nur stehe da nicht herum!“

„Aber es ist meine Aufgabe!“, entgegnete ich.

Seufzend erklärte mir der Herr, „Jetzt nicht mehr!“

„Aber…“

„Kein aber!“, sagte er schroff und widmete sich wieder seinen Papieren. Na wenn ich nicht stehen sollte, konnte ich mich hinsetzen und meinen Job ausführen ob es ihm passte oder nicht.

Wie üblich im Morgengrauen gingen wir hinunter zu den Duschen, dort trafen wir auf einige Ratsmitglieder, mitsamt ihrer Frauen. Bisher übersahen sie mich geflissentlich, besonders Lydia, nun wagte es eine der Damen mich anzusprechen. „Sobald unsere Männer im Ratssaal verschwinden, treffen wir uns im Innenhof.“

„Aha!“, mehr wusste ich nicht darauf zu sagen.

„Danke, Violett! Sarah wird sicherlich kommen.“, kehrte Corvin den Charmanten heraus, was unweigerlich anschlug. Violett errötete tatsächlich, was sofort ihren Mann alarmierte, der den Boss einen finsteren Blick zuwarf.

„Also dann bis gleich!“, flötete sie in meine Richtung, schaute jedoch Corvin verheißungsvoll an. Nun wunderte ich mich, der Boss schenkte ihr keinen zweiten Blick, unternahm noch nicht einmal den Versuch.

Es beschäftigte mich mehr, als ich zunächst zugeben wollte, als wir in Corvins Gemach traten, fragte ich gedankenverloren nach Violett.

„Markos Frau? Ich weiß nicht viel über sie, kommt irgendwo aus Griechenland, frage Merkur er kennt die Familie. Woher das Interesse?“, wollte er wissen.

„Ach nur so, ich wunderte mich, sie himmelt dich an und du übersiehst es.“

Corvin riss überrascht die Augen auf, „Du beobachtest meine Reaktionen auf andere Frauen?“, lächelte er gleich wieder überheblich, „Vorsicht Sarah, du betrittst gefährliches Terrain!“

„So was Eingebildetes wie dich gibt es kein zweites Mal! Nein ehrlich, sage mir, warum du sie nicht weiter beachtetest?“

Spöttelnd meinte er, „Dafür könnte es zwei Gründe geben, der erste ich verbrenne mir nicht die Finger an einer verheirateten Frau eines Verbündeten, der zweite ich bin von dir dermaßen hingerissen und bemerke einfach keine andere Frau. Such dir einen aus.“

„Verstehe die Frauen von Verbündeten sind tabu. Was ist mit ihren weiblichen Leibwächtern?“, fragte ich interessiert nach, die Erklärung Henrys, er lebe abstinent, weil Merkur seinen Lebenswandel nicht gut hieß, glaubte ich so wenig wie Corvins zweite Begründung.

„Kommt auf den Leibwächter an“, meinte er lüstern.

„Hm!“, sann ich nach, demnach gab es kein Verbot.

„Darf ich fragen, warum du grübelst?“

Sollte ich ihm meinen Verdacht mitteilen? Prya und Henry ein Paar? Nein dazu benötigte ich Beweise.

Sein Stirnrunzeln vertiefte sich, die Teufelsfalte erschien. „Ich muss mich beeilen, der Rat versammelt sich gleich. Warte hier!“, befahl er kurzangebunden.

Woher kam denn der Stimmungswandel, er ist schlimmer als eine Primadonna mit ihren Launen.

Zwei Stunden hielt ich die Untätigkeit aus, als ich in den Flur trat fand ich Peer dort vor, „Was machst du denn hier?“, fragte ich erstaunt nach.

„Ich bin dein Leibwächter“, sagte er als sei es das Natürlichste auf der Welt.

„Wer kommt denn auf solch eine absurde Idee?“, die Frage beantwortete sich eigentlich von selbst.

Peer sah in Corvins Gemach, „Dort solltest du bleiben!“, sagte er streng.

„Hallo Peer, ich bin´s!“, wedelte ich mit meiner Hand vor seiner Nase herum.

„Das sehe ich!“, anscheinend verlor er in den letzten Stunden sämtlichen Humor, ich unternahm einen zweiten Anlauf, „Ich möchte mir nur die Beine vertreten Peer, du kannst ja mitkommen und wir könnten uns über Alia unterhalten, du musst sie schrecklich vermissen.“

„Ja sie fehlt mir und du solltest dich schämen Alia für deine Zwecke auszunutzen.“, stellte er sich mir nun direkt in den Weg.

Wütend schlug ich ihm die Tür vor die Nase zu, sein Lachen drang trotzdem in meine Gehörgänge. Jetzt da ich wusste eingesperrt zu sein, kannte ich nur einen Gedanken. Ausbruch!

Nun dann benutze ich eben den Geheimgang, den ich eigentlich vergessen sollte und zog passend zu meiner aufrührerischen Gemütsverfassung die Kampfmontur an, die ich trotz des Verbotes mitnahm.

Zügig erreichte ich den Kontrollraum und dachte mein Ausflug endete an Ort und Stelle, Malech sah auf und grinste mir völlig ahnungslos zu, „So also siehst du aus, Leibwächter, gar nicht mal schlecht.“ Pfiff er leise durch die Zähne.

Ich ließ mir mein Schrecken nicht anmerken, „Und was treibst du so?“

„Wie immer das Gleiche, beobachten. Schau mal das könnte dich interessieren.“, deutete er auf einen Monitor, „Warte ich hab´s gleich, Alischa hat einen Leibwächter ausgetauscht, rate mal, wer der Neue ist?“

Der Monitor zeigte schnelle Bilder vom Tor, ein Kommen und Gehen. Dann erschien Alischa, Malech ließ das Band nun mit normaler Geschwindigkeit laufen, das Tor wurde geöffnet einer von Alischas Leibwächtern verließ das Gelände und ein…, ich trat näher an den Monitor heran, „Soll ich heranzoomen?“, fragte Malech ich schüttelte den Kopf, den Neuankömmling erkannte ich auch so.

„Weiß mein Vater es schon?“

„Jep, habe ich sofort benachrichtigt, die Begrüßung fiel recht frostig aus.“ Konnte ich mir gut vorstellen, Livio mein Bruder diente Alischa rückhaltlos.

„Dann will sie mich also mit Livio konfrontieren, na darauf freue ich mich schon seit Jahren. Alischa wird eine herbe Überraschung erleben, wenn sie denkt Livio sei mir gewachsen.“

„So weit wird es kaum kommen, weder Corvin, Vlad noch Alischa werden einen offenen Kampf zustimmen, du wirst mit hinterlistigen Angriffen rechnen müssen.“

„Damit kennt Livio sich ja bestens aus.“

„Wie du meinst! Weißt du was mir gerade auffällt, alle direkten Nachkommen Ambrosius sind unter einem Dache vereint.“

„Vereint? Oder zusammengepfercht?“ merkte ich an.

Er lachte, „Ja das trifft es! Und wohin willst du? Ein geheimer Auftrag nehme ich an, benötigst du ein Auto?“

Sollte ich eins nehmen und einfach durch die Gegend kutschieren? Würde dem Boss recht geschehen warum ließ er mich auch bewachen! „Ja ein Wagen ist gut.“

 

Stundenlang fuhr ich durch die Gegend, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen und landete schließlich am Meer. Kurzentschlossen krempelte ich die Hosenbeine hoch und lief am Strand entlang.

Die Touristen störten mich nicht weiter, ich kannte mich mittlerweile mit den Menschen aus, zwar schauten sie einen verdutzt nach, sprachen einen aber nie an. Besonders nicht wenn sie ihre raren Urlaubstage verbrachten.

Gegen Abend als der Strand sich leerte, wagte ich in Unterwäsche ein Bad, das Wasser war herrlich erfrischend, deshalb erweiterte ich meinen Ausflug um einige Stunden, Corvin Sardovan konnte mich mal!

 

Irgendwann in der Nacht kehrte ich in den Palast zurück, ohne Schwierigkeiten winkte mich der wachhabende Vampir durch. Soweit so gut, weder Vater noch der Boss gaben Anweisungen, welcher Art auch immer. Natürlich konnte mich das Trio sofort rauswerfen oder eine Disziplinarstrafe verhängen, ich musste einfach abwarten.

Ungeschoren gelangte ich in den Überwachungsraum, Peer starrte mich einen Augenblick an, kniff die Lippen zusammen und meinte ausdruckslos, „Den Autoschlüssel kannst du am Haken aufhängen.“, dann drehte er mir den Rücken zu.

So, der Boss oder Vater, vielleicht sogar Beide wollten über mich richten. Der Geheimgang war abgeschlossen, „Außen herum!“, teilte Peer mir mit.

In der Halle traf ich Malech, wie immer grinsend, „Na einen schönen Tag verlebt? Corvin ist im Bad, du sollst sofort zu ihm, hat wohl Sehnsucht nach dir.“, bemerkte er neckisch.

„Sicher! Oder mich gleich ersäufen!“, spöttelte ich, er sah mich verdutzt an, dann lachte er herzhaft, „Guter Witz!“, ging er bereits auf den hinteren Teil der Halle zu und öffnete mir die Tür zum Bad. Mir blieb nichts anderes übrig und ging hindurch.

Mein Bademantel hing neben Corvins, sogar ein Handtuch und Duschzeug lagen bereit. Was auch immer für eine Strafe auf mich wartete, sie würde mich hinter verschlossenen Türen ereilen.

Also nutzte ich die Atempause bis dahin und spülte mir gründlich das Salzwasser ab. Ohne zu Zaudern betrat ich das Bad, Corvin drehte sich sofort zu mir um, lächelnd hob er die Hand und winkte mir zu, „Mein Liebling da bist du ja! Wie war dein Tag?“

„Herrlich! Ich war am Meer.“, ging ich auf seine Scharade ein.

„Am Meer!“, sagte der weibliche Vampir von gestern bedauernd, ich kam im Augenblick nicht auf ihren Namen. „Das nächste Mal wenn du fährst, gebe uns doch bitte Bescheid, ich wäre gern mitgefahren und mit mehreren ist es doch viel lustiger.“

Nun sah ich mich erst richtig um, die Anwesenden Damen und Herren bildeten alle ein Paar. Nur Pärchen, richteten sich meine Nackenhaare auf. Was konnte schlimmer sein? Vielleicht Lydia, die an Pierre gelehnt gelangweilt ihre Fingernägel betrachtete.

Widerstrebend setzte ich mich an den Beckenrand, sofort kam Corvin heran, seine Augen glitzerten rachsüchtig, „Wie du siehst, beanspruchen nur wir Paare für einige Stunden das Bad…“

„Ja!“, rief die Vorlaute dazwischen, wie war nur ihr Name, „Corvin kam ganz unerwartet auf die Idee, natürlich fanden wir es wunderbar. Jetzt können wir uns auch mal ungezwungen benehmen, es ist ja auch zu verführerisch seinen Partner nackt in dem warmen Wasser neben sich zu wissen“, kicherte sie verschämt.

„Violett!“, mahnte ihr Gemahl tadelnd, „Es bedeutet keinen Freifahrtschein!“

„Nein natürlich nicht!“, kicherte sie wieder, „Aber küssen darf ich dich.“

„Violett!“, wehrte er sie halbherzig ab. Violett bekam ihren Kuss, „Und nun ihr alle!“, lächelte sie fröhlich. Ein richtiger Animateur, stellte ich fest, als selbst Pierre seine Hofschranze küsste.

„Corvin! Sarah! Nun stellt euch nicht so an!“, feuerte die Spaßige uns an.

„Ach…“, wedelte ich ablehnend mit der Hand, „Das ist nichts für uns!“ Aber der Spaßvogel gab keineswegs auf, „Corvin erwähnte schon, wie sehr du Wert auf Etikette legst.“

„An der Etikette liegt es nicht, weiß ich aus eigener Erfahrung, Sarah neigt dazu jedes lebende Wesen auf Abstand zu halten.“, dozierte Pierre hochtrabend.

Diesen Wesenszug mochte ich noch nie an ihm. Warum hielt er nicht einfach die Klappe? „Pierre vielleicht verkennst du Sarah und es lag einfach an eurer lieblosen Beziehung.“, sagte Corvin gereizt.

„Na gerade du musst deinen Senf dazugeben, du brachtest sie doch soweit, sie traute keinen anderen Mann mehr. Noch eines will ich dir sagen, sogar kurz nach der Wandlung ließ sie keinen an sich heran. Frage ihre Zellengenossen, sie prügelte auf sie ein, obwohl es eigentlich unmöglich ist. Wir wissen alle wie Nahrung in diesem Stadium auf uns wirkte.“

„Nicht immer!“, hob Violett den Finger, „Wie ihr wisst, studiere ich unsere Geschichte, Vlad und Livio zeigten ebenso wie Sarah keine derartigen Reaktionen. Also genau genommen die Nachkommen Ambrosius, wie es sich bei Alischa verhielt, kann ich nicht sagen, sie schuldet mir noch immer eine Antwort.“

„Interessant! Demnach sollte der Beweis erbracht sein, welcher Abstammung Sarah ist. Da kann Alischa zetern wie sie will, mir reicht deine Recherche, Violett.“, der Vampir der gerade sprach, kannte ich nur flüchtig, normalerweise hing er an Monseigneur Lippen.

„Natürlich, kann ich Pierres Ausführungen keineswegs außer Acht lassen“, gerade noch wurde mir Violett sympathischer, nun vermasselte sie es, „Corvin behandelte Sarah wirklich abscheulich, keine Frau wird solch einen Schlag einfach verwinden. Deshalb wundere ich mich, Sarah du musst wirklich großherzig sein…“

„…oder verdammt naiv!“, beendete Lydia den Satz. „Wir könnten uns natürlich irren und Sarah ist auf etwas ganz anderes aus.“

„Und das wäre, Lydia?“, ließ ich mich keineswegs von ihr einschüchtern.

„Macht, Geld davon besitzt Corvin genug, schließlich hast du es auch bei Ciaran versucht und bist gänzlich gescheitert.“, wetzte sie ihre scharfe Zunge an mich.

„Wie immer nichts als Verleugnung, Lydia etwas anderes bringst du nicht zustande.“, zuckte ich gleichgültig die Schultern.

Nun ergriff Violetts Mann das Wort, „Ciaran ist eine Sache, soviel ich weiß verbrachtest du die Nacht mit ihm, am Tage darauf wurde Corvin mit sieben zu drei Stimmen in den Rat gewählt. Für mich persönlich ergibt es Sinn und dafür zolle ich Sarah Respekt, sie redet nicht viel aber handelt.“

Mir wurde ganz schlecht, trotzdem stritt ich den Verdacht ab. Was sonst konnte ich tun? Inzwischen kannte ich Corvin gut genug, niemals bliebe er im Rat, falls er genau diesen Verdacht hegte, wagte ich einen kurzen Blick auf ihn.

Seltsamerweise blieb er völlig entspannt, ja er grinste sogar. Nun verstand ich gar nichts mehr und so erging es mir nicht allein. „Ich schätze wir wissen noch nicht einmal die Hälfte, dabei sollten wir es auch belassen, Sarah wurde heute genug gepiesackt.“, schloss Violett das Thema, worauf alle sofort eingingen.

Diese Violett führte mit Leichtigkeit das Gespräch, auf eine Art beneidete ich sie dafür. Weiterhin stellte ich in der nächsten Stunde fest wie gebildet sie war. Ich musste Merkur befragen sie schien interessanter als ich nach meinen ersten Eindruck dachte.

Ferner hielt Violett nichts von höflichem Gerede, sie sprach aus was sie dachte und dabei kam keiner ungeschoren davon, wie ich es zuvor am eigenen Leib erfuhr.

Als eines der Ratsmitglieder, den sie gerade verbal zerpflückte, ihr kontra gab, indem er pikante Ereignisse ihrer Familie erzählte, zuckte sie mit keiner Wimper, im Gegenteil. „Dahingehend bist du völlig falsch informiert, mein Vater lieferte seinen Freund aus“, meinte sie, „nachdem er feststellte wie vielen Menschen dieser Freund das Leben nahm und ja mein Vater war es, der die Todesstrafe verlangte. Wir wollen doch keine Gerüchte in die Welt setzen, nicht wahr.“

Das Ratsmitglied öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne ein weiteres Wort von sich zu geben. Es amüsierte mich, besonders als Violett meine besondere Freundin in Augenschein nahm.

„Sag mal Lydia, ist es dir unangenehm, mit Sarah einen Raum zu teilen?“

„Warum sollte es?“, gab Lydia pikiert zurück.

„Naja sonst erzählst du wunderbare Anekdoten, seitdem Sarah hier ist, bist du verstummt und ich muss die Unterhaltung allein führen.“, lächelte sie verschämt, langsam kam ich dahinter was dieses Lächeln bedeutete, sie holte zu einem verbalen Schlag aus, „Oder liegt es daran wer meistens der Betroffene ist? Sarah du musst ja wirklich Höllenqualen erlitten haben dort in Frankreich.“

„Habe ich?“, sah ich sie fragend an, „Nicht das ich wüsste, im Gegenteil Pierre verwöhnte mich mit allen möglichen Dingen.“, lächelte ich Pierre zu, der es mit seinem ureigenen unwiderstehlichen Blick erwiderte, gerade diesen Ausdruck mochte ich an ihm, deshalb ließ ich mich mit ihm ein. Er konnte charmant, witzig ja sogar richtig albern sein. Die schönsten Erinnerungen mit ihm waren die gestohlenen Tage in seinem kleinen Haus. Dort verbrachten wir unsere schönste Zeit.

„Na hört mal so etwas gehört sich aber nicht!“, protestierte Violett, „Könntet ihr uns mal aufklären, was bedeutete der verschwörerische Blickwechsel?“

Während ich die Schulter zuckte, ergriff Pierre das Wort, „Erinnerungen, Violett mehr nicht.“

„Ich hoffe doch Schöne! Welche?“, hinterfragte Violett, sie konnte wohl nicht anders und musste alles wissen.

Pierre sah mich nochmals an, ich schüttelte leicht den Kopf, „Nein Violett, es gibt gewisse Dinge, die man für sich behält und hütet wie eine Kostbarkeit.“

Der Mann an meiner Seite schnaufte ungehalten, es war Corvin mein angeblicher Partner wurde mir bewusst, den anderen augenscheinlich auch. Schnell wurde das Thema gewechselt.

Als die ledigen Vampire ihr Recht forderten löste sich die Gruppe auf, mit dem Versprechen dies bald zu wiederholen. Ohne mich, diesmal kam ich leicht geschoren davon, wer weiß wann sie nochmals forderten Corvin zu küssen oder gar Schlimmeres.

Diese Violett hatte es faustdick hinter den Ohren, ich wusste es einfach sie war mit mir noch lange nicht fertig. Auf Hilfe von Corvin konnte ich nicht rechnen, denn nicht einmal griff er ein, als sie mich ins Visier nahm.

Falls ich überhaupt bliebe, mein Urteil stand noch aus, es würde bald folgen, wusste ich nur zu gut. Als Corvin und ich sein Gemach betraten, erwartete ich seine Standpauke, nichts dergleichen geschah. Er setzte sich direkt an seinen Schreibtisch und vertiefte sich in seine Papiere.

Nun sollte er, ich zog mich um, in einem Bademantel gehüllt fühlte ich mich schutzlos. Nebenan hörte ich Corvin, er redete mit jemanden, es ging mich nichts an beschloss ich kurzerhand und zog mich an. So fühlte ich mich sicherer, besonders da ich damit rechnete, meinen fuchsteufelswilden Vater gegenüberzustehen.

Auch darauf wartete ich vergeblich. Nach circa einer Stunde erhob sich Corvin, streckte sich und ging nach nebenan, „Du solltest dich umziehen, Muse trägt eines ihrer Gedichte vor, sie erwartet sicherlich unsere Anwesenheit.“

„Auch das noch!“, entschlüpften mir die Worte.

„Es gibt nun einmal bestimmte Regeln, eine nicht unbedeutende lautet, die Geliebte des Vaters nicht vor den Kopf zu stoßen.“, sagte er ätzend.

So also verfuhr er mit mir! Nachlässig von oben herab, gut damit kam ich zurecht, besser als Vorhaltungen und Standpauken. „Warum fehlten Muse und Vater eigentlich bei diesem Pärchending?“

„Sie mussten einiges Vorbereiten“, erklärte er, dann befahl der Herr, „Trage das blaue Kleid!“

Nun das ging ein bisschen zu weit, „ich bin schon groß und kann selbst entscheiden, was ich anziehe.“

„Zieh es an, ansonsten lege ich Hand an!“, drohte er, ich wollte keineswegs herausfinden wie ernst er es nahm und zog das viel zu schicke, blaue Kleid an, „Damit bin ich viel zu elegant!“, sah ich schimpfend an mir herab. „Woher kommt das Kleid überhaupt? Von Alia bestimmt nicht!“

„Es ist heute angekommen! Bist du fertig?“

Dem Spiegel meine Zunge herausstreckend meinte ich, „Na sicher! Dazu muss ich mir das Haar hochstecken, schminken und das ganze Prozedere! Muse bekommt sonst einen Schreikrampf und kann ihr Gedicht nicht vortragen.“, verführerischer Gedanke, denn so viel ich wusste, waren ihre Gedichte lang und langweilig, vor allen Dingen lang, sehr lang!

Wie befürchtet lief ich als überkandidelter Pfau daher. Warum hörte ich überhaupt auf einen Mann, der sauer auf mich war? Muse trug ihr Gedicht vor, auch diese Ahnung bewahrheitete sich, es nahm kein Ende. Es ging um Liebe, Liebe die erwidert wurde, Liebe die enttäuscht wurde, Liebe zu finden, Liebe festzuhalten, Liebe, Liebe und nochmals Liebe.

In den aufgestellten Stuhlreihen saßen gelangweilte Vampire, die sich nach einer Stunde noch nicht einmal mehr die Mühe gaben, ihr Missvergnügen zu verheimlichen.

Der Einzige der hingerissen an Muses Lippen hing, mein verblendeter Vater, auch so etwas tat einem die Liebe an, es fehlte eindeutig in Muses Memorandum.

Endlich, endlich kam sie zum Schluss, alle richteten sich erwartungsvoll auf und sackten dann enttäuscht zurück als sie erneut Atem holte. „Danke euch allen!“ blickte sie glücklich in die vor ihr sitzenden Gesichter, „Einige wissen bereits das ich keinen Applaus wünsche, viel mehr solltet ihr in euch gehen und das Geschenk der Liebe verinnerlichen. Ich will es kurz machen…“, verschiedene Huster unterbrachen sie, „Eigentlich wollte ich ein anderes Gedicht vortragen, aber auf die Bitte zweier bestimmter Personen änderte ich meine Meinung und trug dieses unfertige Kleinod vor.“, lächelte sie bescheiden zu Vater hinunter.

„Vlad!“, forderte sie ihn auf, worauf er sich zu ihr auf das Podium stellte. Nun wurde ich richtig neugierig, wollten sie ihre nicht mehr ganz so geheime Liebschaft offenbaren?

Livio, schoss es mir durch den Kopf, ich sah mich suchend um. Da saß er, drei Reihen hinter uns, starrte er mit düsterem Blick unseren Vater an, Alischa natürlich neben ihm, die ihm tröstend am Arm tätschelte.

Ich wusste nicht was Komischer war, Livio der nichts gegen eine Verbindung mit Muse einwenden konnte. Oder Alischa, die eindeutig mütterliche Gefühle zur Schau stellte.

Als ich wieder nach vorn sah, schauten Vater und Muse gerade glücklich lächelnd in meine Richtung, „ … deshalb verkünde ich voller Stolz die Verlobung meiner Tochter Sarah mit meinem Freund Corvin Sardovan.“

„Hä?“

 

Corvin zog mich hoch, völlig überrannt ließ ich mich von ihm durch die Stuhlreihen führen. Vater umarmte mich, „Ich wünsche dir alles Glück dieser Erde, Prya ist beinahe ausgerastet vor Freude, sie will ein großes Fest veranstalten, sobald ihr zur Festung fahrt.“

„Prya?“, brachte ich mühsam hervor.

Muse drückte mich an sich. „Ach Kindchen ich bin ja so froh! Ihr gehört nun einmal zusammen.“

Danach drängte sich Henry dazwischen, auch er sagte etwas, Eric folgte, Matt, Till, Peer, Malech etliche andere fielen über mich her und ich verstand die Welt nicht mehr. Wollte dagegen Einspruch erheben, es kam kein Wort heraus.

Einer aufgezogenen Puppe gleich nahm ich Glückwünsche entgegen, eröffnete den Verlobungsball mit Corvin. Tanzte, trank und lächelte ließ mir die Küsse gefallen, die er mir gab. Ich fühlte mich in einem Albtraum gefangen, ein realistisches Szenario, ohne den Ablauf zu ändern.

Schließlich führte Corvin mich hinaus, durch den Wald zum Tor, dort wartete ein schicker Zweisitzer, „In einer Woche sind wir zurück!“, hörte ich ihn sagen dann verfrachtete er mich auf den Beifahrersitz.

Wir fuhren aus Granada hinaus, nach einer guten Stunde hielten wir, die Tore öffneten sich wie von Geisterhand. Er schaltete den Wagen aus, „Unser Domizil für eine Woche!“, sagte er.

Ich hörte, sah und blieb völlig unbeteiligt, manchmal regte sich in mir müßiger Widerstand, der sich einfach in Nebel auflöste, was blieb, hieß Apathie. Wir gingen hinein, Corvin holte einen Koffer, währenddessen wartete ich weiterhin stumm, blieb dort stehen, wo er mich platzierte.

Wieder verschwand er mitsamt dem Koffer und ich blieb.

Dann kam er erneut zurück, „Gleich werde ich dich erlösen Sarah, eines möchte ich vorweg schicken, ich musste einfach so handeln und bevor du auf mich losgehst, möchte ich einen Kuss, obwohl mir die Konsequenzen bewusst sind.“

Ich hörte und begriff doch bleib die Reaktion aus. Dann trafen seine Lippen, die meinen, etwas anderes Triebhaftes gelangte an die Oberfläche, die Gier, nach diesem Manne.

Ich begehrte ihn, wollte seine Lippen spüren, seine Hände auf meiner nackten Haut, sein Duft alles an ihm wollte ich berühren, schmecken, riechen, spüren.

„Oh Gott Sarah hör auf!“, stöhnte er sich zurückziehend, zu spät für ihn, in dieser Stunde gehörte dieser Vampir allein mir. Das Letzte was ich bewusst wahrnahm, „Wir werden es beide bereuen, Sarah!“

 

Kapitel 30

Wohlig rekelte ich mich, das Laken duftete nach frischem Gras, ich fühlte mich seltsam losgelöst, zufrieden mit mir und der Welt in Einklang.

Bis mein Verstand einsetzte! Schreckte ich hoch! Wo war ich? Szenen spielten mir Streiche, Corvin und ich in intimer Umarmung, ein Festival der Lust, geschürt, geheizt und befriedigt.

Nein! Oh nein das konnte nicht sein und doch anders konnte ich den inneren Frieden in mir nicht erklären. Weitere Bilder tauchten auf, Vater der mich herzlich umarmte, Corvin gratulierte, eine Abfolge meiner Freunde, ein Fest… unser Verlobungsball! Meiner und…, „Verdammter hinterlistiger Vampir, wo steckst du? Warte wenn ich dich finde, bringe ich dich um!“, sprang ich aus dem Bett, bereit es mit dem…, dem… ich fand keine passende Beleidigung, es überstieg bei weitem meinen Horizont.

„Ich bin hier“, stand er in der Tür, keineswegs betroffen, sondern kampfbereit mit dunklen Augen.

„Was hast du getan?“, klagte ich ihn an.

„Worauf sprichst du spezifisch an? Unsere Verlobung oder die letzten Stunden?“

Machte er sich über mich lustig? „Alles!“ schrie ich ihn an, „Verdammt noch mal alles, du hast aus mir einen seelenlosen Zombie gemacht!“

„Gefügig! Seelenlos ist etwas herb ausgedrückt.“, stritt er sein unentschuldbares Verhalten gar nicht ab.

„Warum? Wie?“, wollte ich zunächst Antworten, später, ja später, wenn die Erinnerung seines nackten Körpers nachließ, wollte ich ihn massakrieren, entmannen und seine Haut in Fetzen abschaben. Sicher fielen mir noch weitere kleine Nettigkeiten ein, die ich ihm antun konnte.

„Warum? Angst, panische Angst! Wie? Die Erklärung benötigt einiges an Zeit. Hast du sie, oder willst du mich zuerst massakrieren, vom entmannen würde ich persönlich abraten, damit könntest du dir selbst am Meisten wehtun, da du genau dieses Teil an mir besonders mochtest.“

„Woher kennst du…“, ich brach ab, mir fiel der Verdacht ein, den Matt oder Till äußerte, „Er kann unsere Gedanken lesen!“ Rosmerta warnte uns und ich Esel vergaß es. „Dann ist es also wahr! Du kannst die Gedanken eines jeden Vampirs hören oder lesen.“

„Mit gewissen Einschränkungen ja, weder Alischas, Vlads und Livios kann ich erspüren.“

„Wie? Und meine Gedanken?“, fühlte ich mich ausgeschlossen, was war anders an mir?

„Ah bei dir…“, fuhr er fort, „gibt es keinerlei Grenzen, nicht eine.“

„Erkläre!“, forderte ich.

„Da muss ich weit ausgreifen, ich weiß ja nicht ob du mich solange am Leben lässt, ansonsten fange ich gar nicht erst an.“, er konnte tatsächlich scherzen, „Ja, das kann ich!“, nickte er, „Weil deine Wut längst verschwunden ist.“

„Dann interpretierst du falsch! Ich könnte dir noch immer den Hals umdrehen.“

„Nein Sarah du bist unfähig einen kaltblütigen Mord zu begehen. Aber lassen wir das, du wirst es niemals zugeben und ich kenne dich besser als du ahnst. Also es fing damals an als ich mich von dir nährte, so habe ich den Bund geschlossen.“

„Verstehe damals konntest du jeden Gedanken, ja sogar frühere Begebenheiten jener Sarah… sagen wir abrufen. Was hat das mit mir zu tun?“

„Mit dir Vulpe oder mit dir Sarah zu tun? Alles, es riss niemals ab!“

Geschockt ließ ich mich auf das Bett fallen, „Was bedeutet?“, wollte ich eigentlich gar nicht wissen.

„Soll ich reden oder nicht, du bist manchmal wirklich kompliziert.“

„Höre auf damit! Verschließe diesen Hahn einfach und werfe den Schlüssel weg.“

„Ich wünschte ich könnte, doch es geht nicht, du bist unwiderruflich ein Teil von mir. Ich habe alte Schriften gewälzt, die Alten befragt doch es gab keinen Hinweis, keine Andeutung über dieses Phänomen.“

Mit offenem Mund starrte ich ihn an, ich mochte es mir gar nicht ausmalen, ständig die Gedanken eines anderen zu hören.

„Falsch, es ist als denke und fühle ich mit dir, was du erlebst, sei es Trauer, Freude, Wut, Verzweiflung, Einsamkeit, ich nehme daran teil. Zuerst aus der Ferne, die Jahre in denen du fort warst, war es erträglich, vergleichbar mit einem steten hintergründigen Surren. Natürlich so manches Mal unangenehm, doch erträglich. Als du zur Festung kamst, wurde es stärker, dann ich kann dir gar nicht sagen, welch ein Schock mich traf, als ich dich sah. Ein Hammerschlag ging auf mich nieder, all dein Erlebtes, jede Kleinigkeit stürmte mit einer Wucht auf mich ein, ich kann es kaum in Worte fassen. In diesem Moment wollte ich dich töten, nur damit es aufhört. Ich konnte nicht!“

„Verstehe“, wir sahen uns in der Halle, ihn sah ich bevor ich irgendetwas anderes wahrnahm. „Zu viele Zeugen!“, nickte ich verstehend.

Er lächelte traurig, „Nein deshalb nicht.“

„Warum denn nicht?“

Er schüttelte den Kopf, „Ich konnte es nicht, warum spielt keine Rolle.“

„Vater!“, sein Freund ja durchaus verständlich, warum er es verschwieg, blieb sein Geheimnis. Er musste Schlimmes ertragen so viel hielt ich ihm zugute, aber warum die Verlobung, warum wurde Prya mithineingezogen, warum überrannte er mich? Und wie?

Er fühlte mit mir, zwar arg für ihn aber wie konnte er mich, derart außer Gefecht setzen? Ich schaute ihn an, „Soll ich antworten, oder erst deine Frage abwarten?

„Nun mach schon!“, knurrte ich, Erinnerungen unterdrückend die er niemals hätte erfahren sollen, ganz einfach, weil sie in die peinliche Schublade gehörten.

„Wie gesagt, hauten mich die Informationen um, ich wollte dich schleunigst loswerden, nun da du endlich auf der Festung warst, stand mir eine meuternde Mannschaft gegenüber. Kurzgesagt sie setzten mich unter Druck, dazu kam Prya und ihr unbekannter Freund vielmehr sollte ich Liebhaber sagen! Ach Henry kannst du von deiner Liste streichen, er liebt Prya, aber auf eine väterliche Art und Weise. Nun weiter, gegen meinen Willen bliebst du und ich nutzte die Gunst der Stunde um mit dir über Prya zu reden. Während des Gespräches nahmen die ungeheuren Informationen ab, es änderte sich, verschob es auf die Gegenwart, das konnte ich ertragen. Andererseits wären mir Wege eingefallen dich von der Festung zu verbannen. Es ist nicht gerade lustig den Franzosen in all seiner erregten Pracht anzusehen, verdammt nicht lustig da vergeht mir jedenfalls alles.“

„Komm zum Punkt! Wie kannst du mich beeinflussen?“, unterdrückte ich mein Kichern.

Er grollte leise, „Lach ruhig!“, räusperte er sich, „Mit jeder Minute die verstrich gewann ich mehr Eindrücke, sie bauten sich ganz automatisch zusammen, bis zur Gegenwart als ich dann bewusst deine Musterung meiner Person mitbekam was ich sehr schmeichelhaft finde.“

Er übersah meine roten Wangen und fuhr fort, „jedenfalls fand ich dich auch nicht unattraktiv, dazu die Erinnerung an Sarah und bevor ich wusste, was geschah, vermittelte ich dir die Beschreibung zum Hain. Natürlich wusste ich nicht, ob du kommst oder es reine Einbildung meinerseits war. Doch da warst du, einfach aus einem Gedanken heraus kamst du und wusstest weshalb. Seitdem muss ich mich zusätzlich vorsehen, ich darf auf deine Gedanken nicht antworten, muss meine Wünsche sofern sie dich betreffen vorsichtig formulieren… am besten fahre ich, wenn ich gar nicht an dich und über dich nachdenke.“

„Dann lass es doch!“

„Einfacher gesagt als getan, stets habe ich mich darum bemüht dich auszuschließen, aber irgendwie drängst du dich durch unmögliche Situationen in mein Blickfeld. Zuletzt die Aktion von Henry das gab mir den Rest.“

„Du hast mich überredet auf diese Farce einzugehen!“

„Ja sicher!“, hob er seine Stimme, „Was sollte ich denn sonst unternehmen? Dich mit charmanten Worten ködern? Dir meine unsterbliche Liebe gestehen? Was? Du misstraust mir, denkst ich will die Alleinherrschaft an mich reißen. Egal was ich auch unternehme du suchst nach dem Haken.“

Jetzt lachte ich wirklich laut auf, „Du dramatisierst!“

Corvin lachte nicht, „Siehst du, du glaubst mir nicht“, klagte er mich an.

„Nun hör schon auf den Volldeppen zu spielen…“, wischte ich mir eine Träne fort.

„Das bin ich wohl Sarah, denn ich wusste mir keinen Rat, als ich die sentimentalen Gefühle erkannte die du dem Franzosen noch immer entgegenbringst und er ist skrupellos genug, sie auszunutzen. Genau das musste ich verhindern, ich weiß nicht, ob ich ihn oder dich zuerst ermordet hätte.“

„Du spinnst ja! Anders als du ehre ich eine Ehe!“

„Ach und die wunderschöne Erinnerung? Die schönsten Tage die ihr gemeinsam verlebtet in seinem kleinen Heim! Hör doch auf, du bist ein Vampir, er kennt all deine Schwächen die er schamlos ausnutzt nur um sein Ego zu streicheln und mir eins auszuwischen.“

„Hör doch auf! Reine Einbildung!“, winkte ich ab.

Er hob seinen Zeigefinger, „Einen Moment ich zitiere, `neben mir der Mann der mein angeblicher Verlobter ist`, du hast mich total vergessen!“, warf er mir vor.

Zur Hölle auch, er konnte tatsächlich all meine Gedanken verfolgen.

„Sagte ich doch!“

„Und ich soll dir glauben, was du da gerade von dir gabst?“

„Es ist die Wahrheit“, sagte er einfach.

„Die dir noch lange kein Recht gibt, mich in eine Marionette zu verwandeln, noch eine Verlobung. Was hast du dir dabei eigentlich gedacht?“

„Gar nichts! Ich musste etwas unternehmen, und zwar schnell.“

„Weil du dachtest, ich falle auf Pierres Schmeicheleien herein? Deine Fähigkeiten sind wohl doch ziemlich ungenügend, ansonsten wüsstest du…“

„Ja, ja das haben schon viele vor dir gesagt und später bereuten sie ihre ehebrecherischen Taten! Außerdem will ich eine reelle Chance, du kennst nur Corvin Sardovan den Clanführer, das Ratsmitglied nicht aber mich.“

„Glaub mir ich kenne dich, du bist herrschsüchtig, eingenommen, arrogant, uneinsichtig und noch so Einiges. Ich lege keinen Wert darauf dich noch besser kennenzulernen.“

„Vielleicht bin ich es, teilweise sicher und auch wieder nicht. Sarah ich bitte dich doch nur, mich so wie ich bin kennenzulernen. Warum verweigerst du mir, was du jeden anderen gewähren würdest?“

„Weil niemand den ich kenne zu solchen Maßnahmen greift. Dann verführst du mich, obwohl ich von dir Strippenzieher manipuliert wurde.“

„Ich wusste es!“, meinte er zornig, „habe ich es dir nicht gesagt? Aber du wolltest nicht hören, sondern gabst dich ganz deiner Lust hin, wirklich daran musst du arbeiten. Du kannst doch nicht wochenlang auf Sex verzichten, um dann den Erstbesten anzuspringen.“

„Damit kam ich bisher sehr gut zurecht!“

„Oh ja, wie die angeblichen Liebhaber vor Pierre wie du mir weismachen wolltest! Zuerst verunsicherte mich deine Behauptung denn diesen Teil der Informationen wollte ich keinesfalls näher erörtern wie du dir vorstellen kannst.“

Nichts blieb vor ihm geheim, meine intimsten Wünsche, meine Sorgen, meine Zweifel, er kannte sie alle. Mir blieb nur eine Möglichkeit, verschwinden, so weit weg, wie es nur ging.

„Oh nein Sarah! Du willst den einfachsten Weg gehen, ich werde dich nicht lassen und selbst wenn…“

„Du mich wieder in einen Zombie verwandelst? Sehr einfach für dich nicht wahr.“

„Nein! Selbst wenn die Gefahr nicht bestünde, würde ich dich nicht ohne Kampf gehen lassen.“

„Welche Gefahr?“, fragte ich des Redens überdrüssig.

„Wir sind den Jägern nähergekommen als jemals zuvor, durch ein Ungeschick bekam der Vampir der dahintersteckt einen Tipp.“

„Welcher Vampir steckt hinter den Jägern?“

„Bisher habe ich nur eine Vermutung, die Beweise fehlen.“

„Sag schon!“, forderte ich.

Lächelnd setzte er sich zu mir auf das Bett, ich rückte vorsichtshalber ein Stück weiter, was er ohne Kommentar hinnahm. „Alles deutet auf Monseigneur.“

Monseigneur, dieser lippenleckender Schleicher, ihm traute ich so manches zu. In Corvins Miene sah ich Zweifel, „Du bist nicht überzeugt“, stellte ich sachlich fest.

Er nickte, „Finanzielle Probleme, mangelnder Ehrgeiz, fehlende Verschwiegenheit, nein Monseigneur kann keinesfalls unser mysteriöser Vampir sein.“

„Du sagtest du kannst bei jedem Vampir die Gedanken lesen.“

„Eher erspüren, eine Lüge, Unsicherheit und all so was, ja. Worauf willst du hinaus?“

„Oh du fragst!“, bemerkte ich an, er grinste unverhohlen, „Reine Höflichkeit!“

Was ich ignorierte, mit ihm ein Wortduell zu führen, hieße von Anfang an auf verlorenen Posten zu stehen, dabei fiel mir etwas ein, ein Gespräch da ging es um meine Abwehrsysteme. Was war es noch? Es entglitt mir, als Corvin sich seufzend ausstreckte, „Wir können auch in den Innenhof gehen“, schlug er vor, „vorausgesetzt du willst dich heute noch einmal anziehen.“

Nun erst wurde ich mir meiner Nacktheit bewusst, schnell zog ich das Laken zu mir, dieser Schuft lachte, „Ein bisschen spät, meinst du nicht auch? Außerdem konnte ich deinen Körper ausführlich begutachten, während wir uns liebten. Glaub mir in den letzten Minuten hat sich nicht das Geringste verändert. Außer meine Lust dich zu berühren.“

„Wag es und ich beiße dir die Finger ab!“

„Natürlich!“, erhob er sich, „Ich warte draußen, während du dich bedeckst.“

Von bedecken konnte keine Rede sein, in dem Koffer befanden sich ausschließlich Kleider die mehr preisgaben als mir lieb war. Woher kamen die Dinger? Da fielen mir Hemden auf, Corvins Hemden.

Sicherlich maßgeschneidert und verdammt teuer! Kurzerhand zog ich eines an, wenigstens konnte ich es zuknöpfen und es reichte mir fast bis in die Kniekehlen. Na geht doch, schaute ich zufrieden in den Spiegel, allemal besser als die durchsichtigen Fummel.

Sicherlich wusste der Herr Gedankenschnüffler bereits von meinem Diebstahl, da er fernblieb, setzte ich sein Einverständnis voraus und begab mich nach unten dabei fiel mir auf wie liebevoll das kleine Häuschen eingerichtet wurde.

Passend zu der Umgebung und Stil des Hauses sah ich maurische Einflüsse, an den Wänden sowie dem Mobiliar, besonders gefiel mir der Esstisch, der fast den gesamten Raum einnahm. Es gab keine passenden Stühle, sondern ein Sammelsurium, alter verwitterter Sitzgelegenheiten, was dem Raum, einen besonderen Charme verlieh.

Der hübsch gepflasterte Hof wirkte karg, es fehlten eindeutig Pflanzen, „Es lohnt sich nicht!“, trat Corvin hinter einer Ecke hervor, „Dafür wird das Haus zu selten benutzt.“, betrachtete er mich eingehend, „Du darfst jederzeit meine Hemden tragen, es wirkt geradezu skandalös vertraut“, spöttelte er.

„Wenn du denkst ich ziehe mich jetzt um, so irrst du dich!“

„Nichts liegt mir ferner, außer ich öffne Knopf für Knopf.“, grinste er schamlos.

„Soweit ich mich erinnere, sprachen wir über deine speziellen Fähigkeiten!“

„Aber das tun wir! Oder solltest du mir etwas vorgespielt haben?“, er lachte über seinen eigenen Scherz, „Nein völlig unmöglich!“

„Bist du fertig?“, rollte ich resigniert mit den Augen, er raubte einem wirklich den letzten Nerv.

„Also gut bleiben wir bei der Sache, obwohl ich mir besseres Vorstellen kann bei meiner vorgezogenen Hochzeitsreise.“

„Lebensmüde? Ja so muss es sein, anders kann ich mir dein provokantes Verhalten nicht erklären.“

Nun seufzte er am Ende seiner Geduld, „Verstehe mich doch, der Sinn in dieser Abgeschiedenheit bedeutet nur eines, du meine Liebe musst einsehen, wer in Kürze dein dir liebender Angetrauter sein wird!“

„Das reicht mir jetzt! Ich habe mich wirklich bemüht ruhig zu bleiben, das hat jetzt ein Ende!“, rauschte ich an ihm vorbei auf das Tor zu.

Er holte mich schnell ein und hielt mich fest, „Sarah du wirst das Gelände auf keinen Fall verlassen, bevor eine Woche verstrichen ist. Bist du nach dieser Woche noch immer davon überzeugt, dass wir nicht zusammengehören, dann bitte kannst du gehen. Einverstanden?“

„Keine weiteren Manipulationen? Keine billigen Anmachen?“, ich wusste leider nur zu gut wo meine Grenzen lagen, gegen ihn zu kämpfen, ohne eine Waffe, ein aussichtsloses Unterfangen.

„Sagen wir keine Anspielungen, irgendwie muss ich dich überzeugen, du musst mir schon eine gewisse Freiheit gewähren.“

„Ach ich darf nicht und muss! Mir bleibt demnach keine andere Wahl?“

„Wenn du es unbedingt so sehen willst, ja.“

Sehnsüchtig sah ich nochmals zum geschlossenen Tor, welches so nah die Freiheit versprach und doch für die nächsten sieben Tage Unerreichbarkeit bedeutete. Stumm nickte ich ihm zu, warum Worte verschwenden er kannte meine Entscheidung bereits.

„Darf ich mich frei bewegen?“, fragte ich höhnisch nach, schließlich musste ich nicht so tun als wäre es eine Freude mit ihm eingesperrt zu sein.

„Ja sicher!“, Corvin konnte seine Betroffenheit kaum verbergen, ich konnte kein Mitgefühl für ihn aufbringen, die Situation erschuf er, nun sollte er damit leben.

„Gut! Wohin gedenkst du zu gehen?“

„Wie wäre es dort in der Sitzecke?“, schlug er vor.

„Dann gehe ich ins Haus!“, wollte ich ihm aus dem Weg gehen, weit gefehlt er kam hinter mir her. „Was soll das? Ich denke…“

„Ich bin da wo du bist!“, erklärte er, „Wie sieht es aus sollen wir etwas kochen?“, fragte er völlig überraschend.

„Kochen? Ich?“, musste ich lachen.

„So schwer wird es schon nicht werden, ich habe mir von Muse einige leichte Rezepte geben lassen, gemeinsam schaffen wir es schon.“

Seine Zuversicht in Ehren, ich hörte auf daran zu glauben als er vorlas das Gemüse zu putzen. Wie sollte ein Gemüse geputzt werden, verstand ich keineswegs den Sinn darin.

„Waschen wir es ab!“, entschied Corvin, wenn es abgewaschen werden sollte warum sagte Muse es nicht? Weitere Rätsel taten sich auf, letztlich zog ich mich aus der Küche zurück.

Schließlich füllte Corvin die Teller, der Geruch dieses Gerichtes stach in die Nase, das Fleisch erinnerte mich an verbrannte Holzkohle, der blaue Dunst zog langsam ab.

„Willst du das wirklich probieren?“, schaute ich skeptisch auf meinen Teller.

„Angst du furchtloser Krieger?“, spöttelte er und nahm einen Happen, mit ausdrucksloser Miene kaute er, und kaute und kaute.

„Und wie ist es?“, musste ich mir das Lachen verkneifen, die Schweißperlen auf seiner Stirn konnte er keinen Einhalt gebieten.

Mit einem Male sprang er auf und verschwand würgend zum stillen Örtchen, aus dem Sekunden später weniger stille Töne das Haus beschallten.

Inzwischen vernichtete ich das ungenießbare Zeug, der Herr kam schweißgebadet zurück, ließ sich ächzend auf den Stuhl fallen während er ganz tapferer Krieger ein Stöhnen unterdrückte.

„Mach dich ruhig lustig über mich! Dafür sind Vampire einfach nicht geschaffen, ich frage mich wie Menschen damit zurechtkommen. Es schüttelt den gesamten Körper, ich fühl mich schwach wie nach einer tagelangen Schlacht.“

„Ausnahmsweise muss ich dir zustimmen, Vampire sind wirklich nicht dazu geschaffen feste Nahrung zu sich zu nehmen. Warum beharrst du so darauf?“, stellte ich ihm ein Glas meiner Kochkünste vor die Nase, herrlich gekühltes Plasma, mit gekräuselter Nase schob er es von sich.

„Na dann eben nicht!“, nippte ich genüsslich.

Was bei Corvin einen erneuten Würgereiz auslöste, „Sarah bitte!“, klang er kläglich.

„Nimm einen kräftigen Schluck dann geht es dir wieder besser.“, hielt ich ihm das Glas hin. Er schüttelte vehement den Kopf.

„Ich habe mal gehört frische Luft sei gut, jedenfalls für Menschen.“, schlug ich grinsend vor.

„Jetzt nach draußen? Gib mir ein paar Minuten, meine Knie schlottern!“

„Weißt du eigentlich könnte ich jetzt einfach abhauen!“

Stirnrunzelnd sah er auf, „Du würdest mich in meiner Not allein lassen, mich meinem Schicksal überlassen?“

„Warum nicht, jedem das was er verdient.“ Entgegen meiner Worte packte ich ihn und zog ihn hoch, „Na los alter Mann, ab an die frische Luft!“, verfrachtete ich den Herrn mit dem abnormen Trieb zu essen in die lauschige Sitzecke. „Gar nicht mal so schlecht hier“, meinte ich, als er endlich saß und ich mich genauer umsah.

„Ja ein nettes Plätzchen, übrigens dein Verdienst“, streckte er die Beine aus.

„Meiner?“, nahm ich den nächstgelegenen Stuhl.

Corvin nickte mit geschlossenen Augen, „Egal wo ich auch anfange, irgendwo begegne ich der Vergangenheit, unserer Vergangenheit“, seufzte er ergeben, „Ja dein Vater kaufte dir diese Bruchhütte, nachdem Alischa mich unter Druck setzte, sie oder du. Da ich Angst um dein Leben hatte, machte ich mich schleunigst davon.“

Neugierig wollte ich mehr erfahren, „Warum willst du alles genau wissen? Hendrik nicht wahr? Er redete immer davon, wie schlecht du unterrichtet seist, er gab mir und Vlad die Schuld, womit er natürlich genau ins Schwarze traf. Wir wollten Beide wenn auch aus verschiedenen Gründen das Gleiche. Dein Vater wollte dich von mir fernhalten und ich wollte im besseren Licht dastehen. Unsere Pläne endeten mit Hendrik, der auf eigene Faust Kontakt mit dir suchte.“

Meine erste Begegnung mit Hendrik fiel mir ein, wie er, da unten im Gebüsch hockte, als er mit Vater den Weg entlang kam, die Selbstsicherheit in Person. „Heute weiß ich, er bedrängte deinen Vater, damit du ihn kennenlerntest. Vlad konnte Hendrik noch nie etwas abschlagen, er ist Wachs in seinen Händen. Deshalb fuhrt ihr gemeinsam zur Festung.“

„Aber ich dachte du wusstest nichts von meinen ersten Besuch auf der Festung.“

„Richtig!“, er grinste voller Schadenfreude, „Es ergaben sich einige Gespräche, nachdem ich davon erfuhr.“

„Aber mir hältst du vor ich müsse alles ergründen!“

Abermals nickte er vorsichtig, „Weil ich egal wann, nie vor dir gut dastehe, immer erfährst du von meinen… oftmals falschen Entscheidungen.“, schloss er mit bitterer Miene.

Was ich falsch verstand, „Ist dir noch immer übel?“

„Nein das ist es nicht, Sarah wie soll ich dir erklären, ohne dass du mich für ein absolutes Monster hältst? Es funktioniert einfach nicht, dabei möchte ich…“, er hielt inne, schaute mich fasziniert an, „Ah ich liebe es, wenn du mich so anschaust.“

Sofort veränderte ich meinen Ausdruck, er seufzte, „Siehst du! Wenn ich damals etwas Ähnliches zu dir sagte, bekam ich ein Lächeln, manches Mal sogar mehr.“, träumte er von vergangenen Zeiten.

„Wie du schon sagtest es gehört der Vergangenheit an und wird sich keinesfalls wiederholen.“ Fühlte ich mich genötigt ihn darauf hinzuweisen.

Corvin beugte sich vor, „Was noch nicht geklärt ist! So schnell gebe ich nicht auf, so gut solltest du mich inzwischen kennen.“

Einen Moment lang zog sich mein Magen unangenehm zusammen, was ich ignorierte, vor ihm hatte ich keine Angst! Er lächelte kopfschüttelnd, „Ach Sarah wie unbeschreiblich unerfahren du in diesen Dingen bist, mit Angst hatte dieses Flattern wirklich nichts zu tun. Es war eine rein körperliche Reaktion auf mich und genau dieses unbewusste Geschehen erfüllt mich mit Hoffnung.“

„An Einbildung mangelt es dir nicht, was?“, konnte ich nur lächeln, er erwiderte es, „Nein eigentlich nicht!“, zuckte er leichtfertig die Schultern. Darauf wusste ich nichts zu sagen, wir schwiegen, eigentlich erwartete ich eine unangenehme Stille indem jeder überlegte was er denn nun sagen könnte, darin irrte ich mich.

Corvin sah hinauf, das dichte Blätterwerk ließ schemenhaft die Sonne erkennen, ein gemütlicher schattiger Ort, um der sengenden Sonne zu entgehen. „Der Platz ist wirklich gut gewählt, sicherlich hat Peer ihn ausgesucht.“, meinte Corvin mehr zu sich selbst.

Das brachte mich wieder auf meine Frage, die er mir bisher schuldig blieb, „Warum bestehst du auf das gemeinschaftliche Mahl?“

Er schaute weiterhin hinauf, „Sagt das Wort denn nicht alles? Gemeinschaftlich! Die Menschen kommen zusammen und essen miteinander, sie unterhalten sich, es stärkt die Einigkeit. Gerade wir Vampire neigen zum Einzelgänger, wenn benötigen wir denn auch schon? Sieh dich an, du kannst vollkommen allein existieren, ohne Freunde, ohne Partner, dir mangelt es an nichts.“

„Aha und du meinst, wenn du einige Vampire an einem Tisch setzt, sie zwingst feste Nahrung aufzunehmen, dann herrscht am Ende… ja was?“

„Einigkeit, Freundschaft, Vertrauen, ja so stelle ich es mir vor und finde mich bestätigt. Wir sind nicht umsonst der stärkste unabhängigste Clan.“

„Oh, Moment mal! Soviel ich weiß schreibt man das deiner visionären Anschauung zu, es heißt es gibt kaum einen Industriezweig, indem du deine Finger nicht im Spiel hättest.“

„Gerede!“, tat er meine Worte geringschätzig ab, „Der Clan besitzt weltweit einige Firmen, ja! Doch das ist nicht allein mein Verdienst. Da kommt die gemeinschaftliche Arbeit ins Spiel. Sollte man von mir verlangen einen Betrieb zu leiten, wäre ich überfragt und würde wahrscheinlich ein Chaos anrichten.“

„Dafür hast du dann deine Leute!“, nickte ich verstehend.

„Du verstehst mich nicht. Es sind nicht meine Leute, sie gehören dem Clan an und arbeiten für ihn. Wir alle sind unserer Familie verpflichtet, so ist das.“

„Aber du bist der Boss!“

„Zufällig ja und durchaus ersetzbar, Hendrik ist auf dem besten Weg mein Nachfolger zu werden.“

„Und du würdest ihm natürlich niemals den Platz streitig machen?“, fragte ich belustigt nach, der Boss gab niemals seine Stellung als Clanführer ab, da war ich mir hundertprozentig sicher.

„Aus diesem Grunde bildeten wir ihn aus, Hendrik wird der nächste Boss.“, nickte er zuversichtlich.

„Fragt sich nur wann, nicht wahr. In tausend Jahren vielleicht.“, konnte ich mein Spötteln keineswegs Unterbinden.

„Nein ich denke schon früher“, grinste er geheimnisvoll, was mich wiederum verunsicherte, überhaupt was wollten wir hier? Er hing einem Traumgebilde nach, „Du fängst schon wieder an, Sarah“, seufzte er unwillig.

„Halte dich lieber aus meinen Gedanken!“, fuhr ich ihn gereizt an.

„Wenn ich könnte, würde ich.“

„Ach hör schon auf, so etwas gibt es nicht.“

Corvin fuhr sich verzweifelt durch das Haar, „Also gut“, nickte er schließlich, „Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, ich liefere mich dir aus, sieh selbst nach.“

Die Hände erhoben schnellte ich in meinen Sessel zurück, „Oh nein, ich will das nicht!“

„Du wirst!“, befahl er, „Denn du musst mir glauben, verstehst du!“, in seiner Stimme lag ein drängender Ton, fast schon verzweifelt.

„Warum?“

„Ach Sarah“, rutschte er weiter nach vorn auf seinem Stuhl, schließlich hinunter auf die Knie. Ich bekam große Augen, der stolze Corvin Sardovan kniete tatsächlich vor mir einfachen Krieger. „Damit du mir endlich glaubst, würde ich alles tun. Du Sarah bist meine Liebe, meine Zukunft, meine Hoffnung auf ein bisschen Glück.“, nahm er meine Hände in seine, während ich stocksteif dasaß, nur mein Verstand arbeitete fieberhaft. Wie konnte ich ihm begreiflich machen welch einem Irrtum er nachjagte?

 

Kapitel 31

 

„Es ist weder ein Irrtum noch eine fehlgeleitete Erinnerung, ich wusste es in dem Augenblick als ich dich nach Jahren wiedersah. Seitdem versuche ich, eine Möglichkeit zu finden. … naja mit mangelndem Erfolg muss ich zugeben“, dabei verzog er seine Miene.

„Jedenfalls, gestern im Bad wurde mir bewusst das ich handeln muss, und zwar schnell. Du entgleitest mir, was ich natürlich unter allen Umständen verhindern will. Was soll ich noch sagen, damit du mir endlich dein Vertrauen schenkst? Sag es mir.“ In seinen Augen stand so viel Wehmut, ich konnte diesen Ausdruck nicht länger ertragen und sprang auf. Der Stuhl flog einige Meter weit, Corvin stützte sich mit den Händen am Boden ab.

„Nein!“, rief ich in Panik, „Das ist alles nur ein Trick! Ich weiß nicht welch ein Spiel du hier treibst und will es auch gar nicht wissen. Du musst damit aufhören … “, lief ich fliehend ins Haus.

Was tun? Verdammt noch mal zur Hölle mit Corvin Sardovan noch nicht einmal meine Gedanken gehörten mir!

„Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich es ändern“, er folgte mir, kannte er denn keine Gnade?

„Ich muss Sarah! Mir bleibt keine andere Möglichkeit, ich spüre deinen Zorn, deine Zurückhaltung und auch deine wie soll ich sagen Zuversicht? Nein Hoffnung drückt es eher aus, auch wenn es nicht ganz richtig ist. Im Grunde liebst du mich, daran hat sich nie etwas geändert, dein Unterbewusstsein weiß es, nur dein Verstand weigert sich. Ich denke es ist angst, nochmals verletzt zu werden. Schließlich habe ich dich dir Schlimmes angetan. Sarah es wird niemals wieder vorkommen! Egal was auch geschieht, weder Mensch noch Vampir wird uns trennen können, du musst mir glauben.“

„Nein!“, hielt ich mir die Hände vor den Ohren, „Hör auf!“, schrie ich ihn an.

„Das kann ich nicht, hier und jetzt müssen wir deine gequälte Seele befreien, du musst an uns glauben Sarah, an unserer Liebe.“, trat er näher, ich wich zurück.

„Sarah sieh mich an, spüre meine Gedanken, meine Seele liegt offen und schutzlos vor dir. Sarah bitte!“, bekam seine Stimme einen beschwörenden Ton, dem ich kaum Widerstand entgegenbringen konnte. Ich sah auf und im gleichen Augenblick, da mein Blick, seine Augen trafen, sah, fühlte, erlebte ich Jahre aus seiner und meiner Erinnerungen.

Bilder in denen ich auf aufgelöst in seinem Armen lag, Gefühle die mich erstaunten, eine Vertrautheit die seinesgleichen suchte, Hoffnung, Glück, Bedauern, Verzweiflung. Dann Bilder eines schauerlichen aufgeschlitzten Körpers, den ich als den meinen erkannte. Eine Frau nicht ganz Mensch, nicht ganz Vampir, mit irren Augen und gebleckten Zähnen. Bilder von Prya, wie sie als Baby in seinen Armen lag. Seine Einsamkeit, seine Reue. Alischa die er belauerte, Bilder, wofür ich ihm Hass entgegenbrachte, die Verzweiflung danach, seine Abscheu vor sich selbst.

Jahre über Jahre drängten auf mich ein, sein Leben überspülte mich, wie alt er war, wurde mir erst jetzt bewusst. Kahlafs Bild gehörte keiner Fantasie an, entsprach einer wahren Begebenheit. Dabei spürte ich die Leere in seinem Innern, seine Gleichgültigkeit, wahrlich er benötigte niemanden, bis zu jenem Tag, als er ein Bild in seinen Händen hielt, ein Bild mit meinen menschlichen ich.

Langsam kehrte mein Bewusstsein zurück, ich nahm meine Umgebung wahr, das mir fremde und doch vertraute Schlafzimmer. Corvin, das Haus welches ich einrichtete, Peer immer geduldig an meiner Seite, ein Freund, mein Freund.

Himmel, was geschah mit mir? Wer war ich? Mensch oder Vampir? Sarah Wagner oder Sarah Sardovan der Krieger, ich schaute in braune vertraute Augen, Hoffnung keimte in mir auf, Hoffnung die versprach alles werde gut. Mein Kind bekam den Vater und ich den Mann, den ich liebte.

„Verstehst du nun? Wir gehören zusammen Sarah, nenn es Schicksal, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ohne dich ist mein Leben nichts wert.“

Im Augenblick wirkte nichts real, selbst ich nicht. Wer war ich denn? Ich schüttelte den Kopf, versuchte mich zurechtzufinden, oben stand unten, rechts stand links, meine Welt drehte sich, ich drehte mich, wer war ich?

„Sarah?“, ich wurde gepackt, oh es war Corvin.

Jener Corvin, den ich liebte, obwohl er mich verließ. Jener Corvin der mich verbannte. Jener Corvin, den ich misstraute. Corvin, Corvin überall, jedes Mal ein anderer und doch immer der Gleiche.

Verlor ich den Verstand? Hatte ich ihn je wiedergefunden?

„Sarah!“, wieder er, nun schüttelte er mich. Warum ließ er mich nicht in Ruhe? Endlich kehrte Stille ein, die Bilder verschwanden es wurde Nacht.

 

Wieder rekelte ich mich zufrieden im Bett.

Wieder?

Still lag ich da, schläfrig sinnend, bis die Erinnerungen der letzten Stunden, der vergangenen Jahrzehnte mich geradezu ansprangen. „Sarah?“, eine leise vorsichtige Frage.

Er! Der Vampir mit den vielen Gesichtern, ich wusste alles über ihn, jede Kleinigkeit kannte ich. Nun schreckte mich sein Gehabe in keiner Weise mehr.

Er stupste mich an, „Einen Augenblick ich muss meine Gedanken sortieren.“, rückte ich ein Stück von ihm ab. Er bemerkte es, sagte kein Ton dazu, würde er auch nie, er wartete ab. Ich musste innerlich lachen, früher dachte ich, ich konnte warten, gegen ihn war ich ein ungeduldiger Welpe.

„Du bist ein schwieriger Charakter Corvin Sardovan! Verdammt verworren! Warum sagst du nie, was du eigentlich denkst und fühlst?“

Er lachte, „Im Moment bin ich besorgt und unsicher, hilft dir das weiter?“

„Genau wie ich, was ist geschehen?“

„Du bist einfach umgekippt.“, beugte er sich über mich, „Du erinnerst dich an deine menschliche Seite.“, stellte er nüchtern fest, „an alles!“

„Ja an alles, es ist einfach da, meine Kindheit, meine Jugend der handfeste Streit mit meinem Onkel als ich den Führerschein wollte, einfach alles. Wie kommt das?“

„Hm?“, stützte er sein Kinn leicht an meine Schulter, eine vertraute Geste, die ich nicht als unangenehm empfand. Auch nicht, als er eine Haarsträhne aufnahm und damit gedankenverloren spielte. „Vielleicht, weil ich sie kannte und durch mich zu dir kamen?“

„Hörst du dich gelegentlich selbst reden?“

„Ja es ist konfus, anders kann ich es mir jedoch nicht erklären. Außer du besitzt eine Gabe von der wir keine Ahnung haben. Wie mit Monseigneur, als du ihm sagtest er musste sich mit den Hunden um den Abfall balgen.“

„Musste er ja auch!“

„So? Und woher kommt die genaue Erkenntnis?“

„Woher soll ich das wissen, ich weiß es einfach.“

Er nickte, „Was auch immer geschieht Sarah, behalte dieses Wissen für dich.“

„Ach du denkst ja nur es könnte gefährlich für mich werden, eines vergisst du dabei, ich bin ein ausgebildeter Krieger.“, erinnerte ich ihn verschnupft.

„Ja einer mit einer besonders großen Klappe der niemals den Mund hält, auch wenn es angebracht wäre.“, küsste er mich neckend.

Allein diese kurze Berührung ließ mich auf mehr hoffen, Corvin seufzte, „Für diese Empfindung würde ich dir zu gern all deine lüsternen Wünsche erfüllen“, abermals seufzte er und stand schließlich auf, „Wir behalten besser einen klaren Kopf und das kann ich nicht in deiner unmittelbaren Nähe.“

„Wie gemein von dir, hunderte von Jahren nahmst du solche Gelegenheiten unverzüglich wahr und was bekomme ich?“, setzte ich mich entrüstet auf. „Nichts!“, schmollte ich ohne Erfolg, er ging schon eilig hinunter, sehr eilig fiel mir grinsend auf.

„Solche Gedanken solltest du unterlassen Sarah Sardovan, ich kann mich durchaus beherrschen!“

Na dann warte mal, wenn ich an … , Stopp! Hier stimmte etwas nicht! Ein Bild tauchte vor meinem inneren Auge auf. Wie konnte Corvin die Erinnerung an Ciaran aus dieser Perspektive sehen? So viel ich wusste, besaß Ciaran keinen Spiegel, mir fiel es wie Schuppen von den Augen, „Corvin Sardovan du lügnerischer kleiner Betrüger! Du! Du warst es!“, sprang ich aus dem Bett, das erstbeste Teil ergreifend das sich als Waffe nutzen ließ.

Im Haus blieb es totenstill, „Verstecke dich nur, diesmal bist du zu weit gegangen! Wie konntest du Ciaran überzeugen da mitzuspielen?“, andere Gedanken erschienen, keine klaren, diffuse Nebelgestalten, verworrene Worte, nichts Konkretes blieb, es zerrann mir zwischen den Fingern. „Ha, von wegen, ich werde alles über dich erfahren, einiges scheinst du mir vorzuenthalten. Na warte du hinterlistiger Mistkäfer, was verbirgst du noch vor mir?“, in diesem Augenblick wurde ich von hinten umfangen, „Nicht viel, mein tapferer Krieger. Ja glaubst du denn wirklich, ich hätte dich zu ihm gelassen? Meinst du, ich wäre dazu fähig?“, ließ er mich los.

„Nein!“, musste ich zugeben, „Aber warum ließest du mich in den Glauben?“

„Ach Sarah egal was ich tat, sagte oder nicht tat, alles erregte dein Misstrauen. Für dich war ich der Bösewicht, was sollte ich deiner Meinung nach tun?“

„Nichts?“

„Auch das versuchte ich! Was mir tiefe unwillkommene Einblicke in deiner und Pierres Beziehung verschaffte und wieder wurde ich zum Schuft erklärt, weil ich genau nichts sagte, und tat.“

„Naja ein bisschen Schützenhilfe gegen diesen verbalen Wirbelwind hätte dir keinen Zacken aus der Krone gebrochen.“

Er grinste, „Auch ich benötige ab und an meine kleinen Momente, außerdem hast du dich ganz gut geschlagen.“

„Schuft! Du wolltest mir nicht helfen.“

„Warum? Du verschwindest einfach und tauchst dann einfach auf, herrlich nach Sonne und frischen Wind duftend. Nein Sarah ein bisschen Strafe verdientest du.“, zog er mich an seine Brust, mein Widerstreben überging er einfach, „Komm meine Süße sei mir nicht böse, manchmal benehme ich mich halt wie ein Schuft, Mistkäfer und noch vieles mehr, eines sollte dir immer gewiss sein, ich liebe dich.“

„Na ja, ich weiß.“

„Und?“

„Hm was meinst du?“, verbarg ich wohlweislich mein Gesicht in seinem Hemd.

Er atmete tief ein, „Na gut, vielleicht erwarte ich einfach zu viel.“, seufzte er, „Und was jetzt? Sag mir, was sollen wir tun?“

Woher sollte ich das wissen?

Er lachte leise, „Ja richtig, schließlich habe ich dich hierher entführt und bin daher für das Programm zuständig. Ich weiß was dir zusagen wird. Warte hier, schließ deine Augen“, stürmte er davon um gleich wieder zurückzukommen, „Nein, komm mit!“, zog er mich auch schon ins Schlafzimmer. Mir schwante Übles.

Corvin blieb abrupt stehen, „Hältst du mich für solch einen Schurken? Langsam müsstest du mich kennen! Aber extra für dich erkläre ich hiermit feierlich, dich nicht zu bedrängen, dich nicht zu berühren … nein vergesse das Letzte, erst wenn du“, er grinste mich schief an, „vor Verlangen vergehst …“

„Was für ein eingebildeter Kerl du doch bist!“, schubste ich ihn auf das Bett.

„Sollte diese zarte Liebkosung eine Aufforderung sein, meine Liebe?“

„Gewiss nicht und nenne mich nicht so!“, stemmte ich Hände in die Taille, damit er meine Entschlossenheit richtig verstand.

„Schade, wirklich schade, außerdem bist du es! Meine einzig wahre Liebe“, krabbelte er umständlich aus dem Bett. Er ließ mir einen Moment, demnach wusste er, wie unsicher ich mich fühlte, gerade was ihn anbelangte.

„Nun schließ deine Augen, ich binde dir einen Schal um die Augen, du mogelst ansonsten.“

„Vielen Dank für dein Vertrauen“, meinte ich beleidigt.

„Netter Versuch, aber ich kenne dich!“, klang er amüsiert, dann führte er mich die Treppen hinunter aus dem Haus über den Hof, dort drehte er mich im Kreis, bis ich die Orientierung verlor. „So jetzt geht es weiter.“ Nahm er mich an die Hand.

Es gab nur eine Möglichkeit, wir mussten das Nebengebäude betreten haben, Peers Reich entsann ich mich. „Wirklich du machst es einem schwierig.“, ließ er mich los, „Warte!“

Ich hörte Stoff, etwas wurde aufgeschnitten, leise dumpfe Geräusche, Holz auf Holz mutmaßte ich, „Okay nimm die Augenbinde ab.“

Dazu musste man mich nicht zweimal auffordern, was ich sah, erstaunte mich. Skeptisch trat ich an die Übungsschwerter, sie waren aus poliertem stahlhartem Holz, „Ich soll mich wohl blamieren?“

„Aber nein, ich dachte wir könnten trainieren, da ich weiß wie sehr du auf deine Fitness achtest.“

Ich schüttelte den Kopf, „Oh nein Corvin, niemals mit dir oder gegen dich, ich bin ja nicht verrückt. Einmal habe ich dich in Aktion erlebt …“

„Ach ja! Wann?“, setzte er sich halb auf den Tisch.

„Da war ich noch ein Jungvampir und hielt Prya in den Armen, da sah ich dich, gegen die Jäger kämpfen.“ Genauso wollte ich kämpfen können, wurde mir damals bewusst, was ich nicht aussprach und fluchte innerlich.

Corvin lachte laut auf, „Kein Grund dich zu ärgern, jeder hört gern mal ein Kompliment.“

Schnaufend meinte ich spitz, „Du wirst nur noch eingebildeter, als du sowieso schon bist.“

„Ich glaube dies Thema kam schon einmal auf den Tisch. Was ist? Willst du es wagen und zu deiner Beruhigung, als du gegen Diederich kämpftest wollte ich nicht an seiner Stelle sein. Du bist ein furchterregender Gegner.“

„Er hat schließlich gewonnen!“

„Aber nur weil du von ihm abließest. Diederich sagte selbst, er tritt nie wieder gegen dich an, nicht nachdem du deine sogenannte Bestie befreit hattest.“

„Du sagtest doch in all den Jahren spürtest du meine Gedanken“, ich wägte meine Worte ab, „auch den Wahnsinn?“, es gab keine andere Beschreibung dafür.

„Was du als Wahnsinn bezeichnest, ist unser vampirischer Teil. Wir sind nun einmal Raubtiere und als solche besitzen wir starke Instinkte. Ja ich wusste von deinem Zwiespalt, aber nicht wie es ausgehen würde, ein weiterer Grund dich von der Festung fernzuhalten, gebe ich zu.“

„Zu Pryas Schutz!“, nickte ich verstehend.

„Nicht nur ihretwegen, ein unkontrollierbarer Vampir kann viel Schaden anrichten, es leben viele Menschen auf der Festung.“

Sicher, typisch für ihn, dachte ich.

Stirnrunzelnd meinte er, „Als Clanführer muss ich für die Sicherheit jedes Einzelnen sorgen, Sarah. Auch für deine!“

„Für meine?“, wurde ich hellhörig. Was sollte das wieder bedeuten?

„Es kommt ja doch heraus“, zuckte Corvin nachlässig eine Schulter hoch, etwas zerknirscht meinte er dann, „Mario dein direkter Kontakt …“, er brauchte keine weitere Erklärung abgeben, ich verstand sofort.

„Du! Du trafst die Entscheidungen, welche Aufträge ich bekam?“, konnte ich es kaum glauben.

„Sagen wir Mario und ich …“

„Dann wusstest du es, du wusstest, dass ich zur Festung kam. Warum die geheime Krämerei?“, wollte ich wissen.

„Dein Vater, du, Henry… es gab genügend Gründe, ich wollte einfach allen Diskussionen aus dem Weg gehen. Verstehst du? Dein Vater ist zu besorgt, zudem hätte er mir gewisse Verdächtigungen unterstellt, die ich nun einmal nicht abstreiten konnte. Henry reimt sich weiß Gott was zusammen und du warst genervt, weil Vlad dir einfache Aufträge zu schusterte. Was anderes konnte ich tun, also schaltete ich Mario ein, zudem schickte ich dir deine Freunde. Sarah ich tat wirklich alles, damit du dich als vollwertiger Krieger entwickeln konntest. Meinte Mario du könntest den und den Auftrag erledigen, dann bekamst du ihn auch.“

„All das erfahre ich mal so nebenbei. Was kommt noch? Etwa Pierre, der in deinem Auftrag mit mir eine Beziehung aufbaute?“

„Ja spinnst du denn? Gerade der Franzose …, wenn ich gekonnt hätte wie ich wollte, noch heute würde ich dem Franzosen wie dir jede Erinnerung eurer gemeinsam verbrachten Zeit herauspressen.“ Sprang er wütend auf, was mich an Alischa erinnerte.

„Alischa!“, spie er ihren Namen angewidert aus, „Mit ihr fing alles an, oh das Weibstück wusste nur zu gut, was ich für dich empfand, deshalb erpresste sie uns ja. Wir waren dumm genug, um darauf einzugehen, erbärmliche Trottel tanzten nach ihrer Nase und ich zähle mich zu den größten Einfaltspinsel.“

„Eigentlich möchte ich dir da keinesfalls widersprechen, aber Alischa wird dich kaum erpressen, nur weil du einen Menschen magst.“

„Liebst!“, verbesserte er mich, „Einerseits muss ich dir recht geben, andererseits interessierte sie sich immer für dich, mehr als jemals für Livio. Sogar mit Vlad sprach sie über dich, er fiel beinahe aus allen Wolken und ließ sie stehen, nachdem er ihr drohte. Zu schade das er sich bei seiner Mutter nicht beherrschen kann, so entgingen uns sicherlich einige Informationen.“

„Vielleicht sollte ich mich mal mit ihr unterhalten“, dachte ich laut nach, in seiner Gegenwart konnte ich ja sowieso nichts Geheimhalten.

„Auf keinen Fall!“, wurde ich angebrüllt, vor Schreck sprang ich einen Schritt zurück.

„Bist du verrückt? Warum schreist du mich an?“

„Entschuldige, allein der Gedanke bereitet mir eine Höllenangst, deshalb wirst du nie in ihrer Nähe gehen, hast du mich verstanden?“

Ich glaubte mich zu verhören, ich fragte nach und tatsächlich er bestätigte seine Aussage nochmals. So, er befahl mir! Na darüber war das letzte Wort noch nicht gesprochen.

„Hör zu Sarah!“, meinte er ruhiger, „Alischa ist gefährlich, verdammt gefährlich sogar. Vielleicht habe ich mich verkehrt ausgedrückt, ich bitte dich, halte sie dir auf Abstand.“

„Aber!“, merkte ich an, Corvin verdrehte die Augen, worauf ich sofort meinen Mund verschloss.

„Nun rede schon!“, forderte er mich auf.

„Lese doch meine Gedanken, Herr Diktator! Was ist, wollen wir jetzt trainieren? Ich benötige unbedingt ein bisschen Bewegung.“, schnappte ich mir ein Übungsschwert und marschierte in den Hof. Mir war es gleich, ob er mir folgte, all seine Worte besagten nichts! Nicht das Geringste, er war und blieb ein Tyrann!

„Danke für deine gute Meinung über mich, nur weil ich dich beschützen möchte. Außerdem benimmst du dich gerade wie eine unreife Göre, die ihren Willen nicht bekommt.“

„Ah und was ist mit dir?“, ließ ich das Schwert über meinen Kopf kreisen. „Du befiehlst und ich muss gehorchen? Warum? Alles nur weil du mich angeblich liebst? Nein mein Lieber, du musst alle Fäden in der Hand halten, keiner darf deine Entschlüsse infrage stellen, um Gotteswillen hört alle auf zu denken, denn Corvin Sardovan sprach.“

„Bist du fertig mit deinen ungerechten Anschuldigungen?“, er grinste mich wahrhaftig an, er wagte es tatsächlich, ich sah rot.

„Oh da kommt dein Jähzorn zutage, ganz der Vater.“, machte er sich auch noch lustig über mich.

Langsam bewegte ich mich in seine Richtung, niemand absolut niemand reizte mich ungestraft in dieser Weise. Ich wollte seine Knochen brechen hören, sein Blut sollte fließen. Obwohl ein kleines unbedeutendes Stimmchen mich warnte, hörte ich nicht zu. Ich wollte all den Frust der letzten Monate an ihm ablassen.

Er bewegte sich ebenfalls, aber von mir weg. Ha der Hof endete in einigen Schritten, meine Chance…

„Ungefähr so habe ich mir euer trautes Beisammensein vorgestellt! Merkur du schuldest mir einen Batzen.“

„In der Tat!“

Während ich herumfuhr um die Störenfriede zu begutachten, die wie aufgeblasene Gockel auf der Mauerkrone hockten, wurde ich im gleichen Augenblick entwaffnet, „Sicher ist sicher mein Schatz, wir wollen unsere ersten Gäste doch keinen Schaden zufügen.“

„Die Gäste dürfen sich ruhig hinten anstellen“, knurrte ich in Henrys Richtung, der lachte, aber Merkur riss erstaunt die Augen auf, „Wie Vlad in jungen Jahren! Dieser aufbrausende Jähzorn“, rief er begeistert, „ach ich vermisse ihn, darf ich unser liebes Madämchen erziehen?“ stellte er die hoffnungsvolle Frage an Corvin.

Der schüttelte den Kopf, „Ich will sie nicht anders, hin und wieder ein kleiner Kampf unter Liebenden, ist doch sehr erfrischend.“

Leichtfüßig sprang Merkur die Mauer hinunter, „Du bist ein Masochist, Corvin, wer hätte das gedacht.“, schmunzelte Merkur.

„Und du verstehst nur wieder, was du verstehen willst. Was verschafft uns die Ehre?“

„Oh mein unglückseliger Enkel wurde immer unruhiger. Er meinte ihr würdet euch gegenseitig zerfleischen.“

„Womit ich gar nicht mal falsch lag. Was hat dir dieser Leuteschänder angetan, meine Kleine?“, fragte Henry mich besorgt. Noch konnte ich ihm keine vernünftige Antwort geben, der Zorn hielt noch an, überdeckte jeden klaren Gedanken.

„Sarah benötigt noch einige Minuten“, merkte Merkur an, nachdem er mich eingehend studierte, „Wirklich ich wollte es nicht glauben, sie ist Vlad und… aber lassen wir das, ein anderer wird sie in die Lehre nehmen müssen Corvin. Selbst ich ziehe mein Angebot zurück. Jetzt verstehe ich auch einiges mehr.“, grinste er rätselhaft.

Was Corvins Stirn umwölkte, „Kein anderer wird meine Frau erziehen!“

„Deine Frau?“, fragten die Zwei gleichzeitig.

„Ja und schon bald!“

Mir fehlte noch immer die Sprache, aber zumindest konnte ich schon einmal schlucken. Ein anderer Verdacht stieg in mir auf, sollte es der Vampir gewagt haben mich wieder zu manipulieren. Er schaute mich sofort an, „Nein es liegt ganz einfach an deiner Wut, sie ist wirklich sehr leicht zu wecken, meine Liebe.“

Sagte er auch nur noch einmal meine Liebe, nur noch einmal, dann… „Meine Liebe! Meine Liebe! Meine Liebe! Meine Liebe!“ wiederholte er in einem abscheulichen Singsang die Worte, während ich ihm nachjagte und der Feigling lachend hinter Henry und Merkur Schutz suchte.

„So sind sie!“, klärte Henry seinen Großvater auf, der nun weniger amüsiert unser Treiben verfolgte. „Man sollte sie wie kleine Kinder bestrafen, eins auf die Rübe würde ich denken.“

Gesagt getan, ich hatte das Gefühl mein Kopf explodiert, Sterne tanzten vor meinen Augen, die Wut verflog, somit kehrte meine Sprachfähigkeit zurück. Als Erstes wandte ich mich vorwerfend Merkur zu, „Was soll das?“, zack bekam ich die nächste Kopfnuss.

Noch während flammende Sterne vor meinen Augen tanzten, sagte Merkur streng, „Solch einen Ton lasse ich mir nicht gefallen!“

Henry nahm mich lachend aus Merkurs Reichweite, obwohl ich glaubte, selbst zehn Meter würden kaum ausreichen, seine Hand sah ich jedenfalls nicht kommen.

Auch Corvin nahm gebührenden Abstand zu Merkur als er sagte, „So ihr kommt also her, nur weil…“, schaute er die beiden Neuankömmlinge fragend an.

„Was heißt meine Frau?“, fand ich endlich meine Sprache wieder und riss mich von Henry los. Der Verrückte sprang gerade rechtzeitig zur Seite, als erwartete er meinen Angriff. Ich lief ins Leere, im gleichen Augenblick wurde ich von hinten gepackt und verlor den Boden unter den Füßen, die Luft blieb mir weg.

Bewegungsunfähig einem Kartoffelsack gleich, hing ich nutzlos unter Corvins Achsel.

„So noch mal, warum kamt ihr her?“, fragte der Leuteschinder völlig gelassen, meine Versuche mich zu befreien, ließen ihn kalt.

„Genau deswegen, Corvin! Ihr bekämpft, beleidigt euch und was weiß ich noch, doch zum wesentlichen Teil kommt ihr nicht. In dieser Hinsicht benötigt ihr dringend Hilfe. Deshalb bin ich hier und habe meinen Friedensstifter mitgebracht.“

„Vergiss es!“, wollte ich schreien heraus kam ein atemloses Wispern.

„Ich will mal übersetzen“, gluckste der Grobian, „Sarah legt keinen Wert auf deine Hilfe, genauso wenig wie ich.“

„Tja, Pech gehabt! Nun sind wir hier und beschleunigen die Sache.“

„In der Tat!“

Das Scheusal erstarrte, „Was ist los?“, fragte er leise nach. Ich verhielt mich still, da lag etwas Besorgniserregendes in Henrys Ton.

Kapitel 32

„Es ist Kahlaf, er will ein äußerst bedenkliches Bild ausstellen.“, druckste Henry herum.

„In der Tat! Äußerst Bedenklich!“,fügte Merkur betroffen hinzu.     

„Welches?“, fragte Corvin kurzangebunden.

„Ähm … Ambrosius! Kahlaf will Bewegung in den Rat bringen.“

„Lass mich runter!“, forderte ich, für irgendwelche Spielereien war das Thema viel zu ernst. Corvin kam meiner Bitte tatsächlich nach, für mich ein Zeichen, er sah die Angelegenheit wie ich.

„Soll er, der Name Ambrosius ist sowieso Gesprächsthema.“ Stellte er mich auf die Beine, erstaunt hörte ich was er sagte. „Die Kette erfüllte einen guten Zweck, ein weiteres Mal werden sie sich nicht überraschen lassen.“

Merkur trat vor, „Wer hat je ein Bildnis von Ambrosius gesehen?“

„Na Intha besitzt eines, sie ist stolz darauf …, warte ich habe es nie gesehen“, schränkte Corvin ein.

„Genau und mit voller Absicht“, nickte Merkur, „Dies Bild wird euch alle überraschen und Ambrosius Tarnung wäre dahin.“

„Tarnung? Soll das etwa bedeuten, er schleicht wirklich hier in Granada rum?“

„In der Tat!“, nickte Merkur, „Im Augenblick geht er einer Spur nach, deshalb kann ich ihn nicht erreichen und von Kahlafs irrsinnigen Plan unterrichten. Es ist einfach zu früh, aber mein dickköpfiger Freund lässt nicht mit sich reden.“

„Ah verstehe, ich soll ihn zur Vernunft bringen, warum sagt ihr das nicht gleich? Henry du bleibst bei Sarah, Merkur wir fahren zurück. In ein paar Stunden bin ich wieder zurück“, wandte Corvin sich mir zu, „Und dann meine Liebe, reden wir über unsere gemeinsame Zukunft!“

Gerade wollte ich ihm das Passende an den Kopf werfen, Merkur sprach schneller, „Ihr! Als Paar! Als einvernehmliches Paar könnt ihr etwas ausrichten.“

Der Boss blies seine Wangen auf, „Das wird schwierig, du siehst ja selbst…“, deutete er auf mich.

„Was soll das denn nun wieder heißen? Ich kann sehr wohl so tun als wären wir ein Paar!“, stellte ich entrüstet fest.

„So tun, reicht bei Kahlaf nicht“, merkte Merkur an, „Er wird jede Schauspielerei durchschauen, ihr solltet schon sämtliche Differenzen aus dem Weg räumen, ihr müsst in Liebe vereint sein. Was ist, könnt ihr das?“

„Ja!“

„Nein!“

Antwortete zuerst Corvin, dann ich. „Genau die Antworten habe ich befürchtet!“, meinte Merkur betrübt und wandte uns den Rücken zu.

„Moment!“, rief Henry aufgebracht, „Du gibst zu schnell auf! Sie lieben sich! Nur unsere Sarah wehrt sich dagegen! Du hörst es doch! Der Lulatsch hat sich endlich aufgerafft … und … und“, Henry verhaspelte sich, er baute sich provozierend vor den Boss auf, „Das hast du doch?“, stachen stahlblaue Augen in glitzernde Braune.

Ein Lächeln umspielte Corvins Mund, „Habe ich!“, nickte Corvin, Henry atmete erleichtert aus, „Sarah?“, wandte sich sein Blick mir zu. „Du liebst ihn doch, nun spring über deinen Schatten.“

„Na hör mal, ich kann selbst beurteilen welche Gefühle ich empfinde, für den da empfinde ich alles andere, mit Liebe hat es nichts zu tun!“ Belehrte ich Henry, der erst betroffen, dann lachend den Kopf schüttelte, „Nein da widerspreche ich dir. Kaum konntest du denken nanntest du dich Vulpe, Corvin nannte dich meine Füchsin, ihr begegnet euch und schon fängt alles von vorn an. Nein das ist Liebe, da könnt ihr mir sagen, was ihr wollt. Corvin nun sage es ihr!“, wandte sich Henry verzweifelt an seinen Freund. „Es ist ganz einfach, sag ich liebe dich Sarah!“, untermalte er jedes Wort mit einem Schlag in Corvins Magengegend, der sich die Hiebe ohne eine Miene zu verziehen gefallen ließ. Innerlich spornte ich Henry an, ein bisschen fester, ein bisschen mehr.

„Habe ich doch längst, sie glaubt kein Wort.“, warf Corvin mir einen Blick zu. Was dieser eigentlich bedeutete, da rätselte ich im Augenblick. Sicherlich, weil ich Henry anfeuerte.

„Wie?“, blickte Henry verdattert von Corvin zu mir, „Du sagtest ihr…?“

Corvin nickte, „Ja und du?“ traf mich sein Blick, ich ging in den Verteidigungsmodus, ich musste einfach, denn Henrys Miene richtete sich missbilligend auf mich.

„Was erwartest du? Er ist arrogant, diktatorisch, selbstsüchtig, soll ich so jemanden lieben? Nein! Außerdem manipuliert er seine Umwelt wie es ihm gerade in den Kram passt. Nein! Er … man darf ihm nicht vertrauen, denn wenn man es tut dann, dann …“, ich wusste nicht mehr weiter, unbekannte Gefühle brachen an die Oberfläche, Gefühle denen ich nie wieder ausgesetzt werden wollte. Blindlinks suchte ich das Weite, ließ die drei Vampire stehen, erst als ich die Tür zum Schlafzimmer hinter mir schloss, konnte ich frei aufatmen.

Leise Schritte auf der Treppe, so ging nur Henry, ich irrte mich es war Corvin, „Sarah darf ich rein?“, erkannte ich seine Stimme.

„Nein!“, warf ich mich gegen die Tür, aus Angst er stürmt herein.

„Na gut, dann warte ich eben hier draußen. Henry und Merkur richten sich in Peers Reich ein. Sie bleiben erst einmal, Merkur ist überzeugt, solange er nicht in Granada weilt, hält Kahlaf das Bild zurück. Hoffentlich hat er recht. Sarah was ich damals tat …“

Ich wollte es nicht hören, keine Entschuldigungen, keine Beichten.

„Ich möchte nur …du sollst verstehen, glaub mir ich habe mir selbst die schlimmsten Vorwürfe gemacht. Wozu all die Mühe, wozu die Heuchelei? Dabei gewann nur einer, und zwar Alischa, sie zerstörte unser Glück, wie kann ich dir begreiflich machen unter welchen Druck ich, wir alle damals standen. Jäger griffen Siedlungen an, unschuldige Kinder wurden abgeschlachtet, auf dich wurden Attentate verübt, überall sah ich Verrat sogar in meinen eigenen Reihen. Letztlich wurde mein Bestreben teuer bezahlt, ich konnte dich nicht schützen, entließ dich sogar in die Obhut des Verräters, dich und unser Kind. Sarah … all das wollte ich nicht, ich wollte doch nur mit dir glücklich werden, dich halten, vor allen Unbill schützen …“

„Hör auf!“, schrie ich, „Höre doch endlich auf, ich will davon nichts wissen! Du bist nicht mehr als mein Boss, der Clanführer, hast du gehört!“

Auf der anderen Seite blieb es still, ich horchte. Nichts! Er musste endlich gegangen sein. Erschöpft sank ich auf das Bett und schloss die Augen. Entspanne dich Sarah, sagte ich wiederholt zu mir, entspanne dich.

Du lässt dich auf keinen Fall in ihre Vergangenheit hineinziehen, das ist aus und vorbei, du bist Vulpe, der Leibwächter. Ja Vulpe! Ein ausgebildeter Krieger, du brauchst niemanden, verlasse dich nur auf dich selbst. Sei stark und unangreifbar, halte dich von Gefühlen fern denn sie ziehen dich in den Abgrund.

Ich setzte mich auf, genau das ist es! Gefühle taten Sarah Wagner all das Leid an, ohne sie wäre sie weitaus besser gefahren. Ohne sie würde ich nicht existieren. Nein, nein falsche Gedanken! Durch sie, durch ihre Fehler bekam Vulpe ihre Chance und ich werde es besser machen als sie. Jawohl! Ich halte mich vor all dem Fern! Besonders vor Corvin Sardovan!

Er ist gefährlich, extrem sogar, mit schönen Worten, versuchte er mich einzulullen, aber nun habe ich ihn durchschaut. Wer weiß, was er vorhat, dieser Vampir manipuliert wo er nur kann, allein um seine Interessen zu verfolgen.

Du musst fort! So schnell wie möglich, gleich sofort! Ah nun verstand ich, er setzt Henry und Merkur ein, um mich unter Druck zu setzen. Sicherlich ist Kahlaf ein Vorwand, ha er veröffentlicht ein Bild von Ambrosius! Ja und! Es gab genug Vampire, die sich an ihn erinnern, jeder könnte ein Bild von ihm malen.

„Du verrennst dich Sarah, suchst Ausreden, erdenkst Gründe und alles nur damit du dich deinen Gefühlen nicht stellen brauchst. Genau aus diesem Grund habe ich diese Abgeschiedenheit aufgesucht, hier kannst du mir nicht ausweichen, hier werden wir deine Scheu bekämpfen.“

Erschrocken sprang ich auf, wie kam er herein? Das offene Fenster sagte alles. Mit verschränkten Armen lehnte er an der Wand und fixierte mich. Schnell rechnete ich meine Fluchtmöglichkeiten aus.

„Versuch es ruhig, lass dir nur eines gesagt sein, ich bin viel schneller und kenne deine Gedanken.“

„Dann solltest du auch, meine Abneigung spüren.“, sackte ich in mich zusammen, meine Fluchtpläne aufgebend.

„Ja ich kenne durchaus deine Meinung über mich, in gewissem Maße stimme ich mit dir überein. All das bin ich, doch du siehst nur die eine Seite, es gibt jedoch eine Kehrseite und diese werden wir gemeinsam beleuchten.“

Da musste ich lachen, „Was heißt?“, fragte ich spöttisch nach.

„Ganz einfach …“

„Ja“, unterbrach ich ihn, „Du manipulierst mich, damit ich den strahlenden Held in dir sehe!“, giftete ich ihn an.

Seine Reaktion überraschte mich, er lachte, „Aus diesem Blickwinkel habe ich mich noch nie gesehen, aber die Idee hat etwas, wie hättest du mich denn gern, als glänzenden Ritter, der auf einem Schimmel zu deiner Rettung eilt? Oder als unwiderstehlichen Fremden, der dir aus der Not hilft? Ah ich könnte auch der Böse sein, der durch deine Liebe eine Wandlung erfährt.“

„Ja, ja mach dich nur lustig über mich“, winkte ich ab, „es bestätigt nur meine Meinung über dich.“

„Deine Meinung ist mir völlig egal, du sollst mich lieben“, knurrte er gefährlich.

Da war es wieder, er wechselte seine Stimmung innerhalb von Sekunden und in dieser Stimmung, wenn er äußerlich ruhig erschien, seine Miene keinerlei Regung aufwies, wirkte er am bedrohlichsten.

„Du durchschaust mich einfach so, noch heute haben dein Vater und Henry ihre Schwierigkeit damit, sag mir woher kommt es?“

„Reiner Selbsterhaltungstrieb, wir kleinen Leibwächter haben ja nichts anderes, schließlich sind wir der Willkür unseres Bosses ausgeliefert.“

Ein belustigter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, „Ah und ich bin ein besonders schlimmer Fall, verstehe. Aber warum meine Liebe reizt du mich ständig?“

„Ich?“, sah ich ihn erstaunt an, wie kam er nur auf eine solche Idee?

„Ja du! Du verweigerst mir den Gehorsam …“, worauf ich lachte, „Lache ruhig, dein Eigenständiges handeln bringt mich immerzu in Schwierigkeiten“, starrte er mich böse an, dabei stemmte er empört die Hände in die Hüften, „Nehmen wir deine jüngsten Eskapaden, du verschwindest einfach durch eine Geheimtür, die du eigentlich nicht benutzen solltest. Gleich zwei Verstöße! Du verabredest dich mit meinen Feind zu einem Stelldichein …“

„Was ja nicht zählt, da du seinen Platz einnahmst.“, warf ich ein und wünschte sofort ich hätte meine Klappe gehalten. Er kam mit einem riesigen Satz auf mich zu, „Nicht zählt, sagst du? Nicht zählt? Beileibe Sarah sei froh darüber, ansonsten…“, verstummte er abrupt, wischte sich verhalten über das Gesicht.

„Ansonsten was?“, ignorierte ich seine unterdrückte Wut, er starrte mich mit düsteren Augen an, „Treib es nicht zu weit!“, warnte er grollend, diesen Wink überhörte ich mühelos. „Du drohst, warnst und grollst, aber wie sieht denn nun deine Art der Züchtigung aus? Willst du mich auspeitschen lassen, wie wäre es mit Verbannung? Wie also?“, forderte ich eine Antwort.

Er bleckte seine Lefzen, seine Augen wurden dunkel, kurz fragte ich mich, ob ich zu weit gegangen war. „Viel zu weit!“, lispelte er, „Du willst wissen wie ich reagiere?“, beugte er sich zu mir herunter, „Dich zu verletzen, kann ich nicht, allein die Vorstellung deine samtene Haut könnte von einer neunschwänzigen Peitsche aufgerissen werden, da bekomme ich Zustände, dich verbannen mag eine Lösung sein aber auch dagegen sträube ich mich, weil ich deine Nähe viel zu sehr genieße. Was bleibt mir also? Ich kann nur eines tun, meine unbändige Wut umlenken, in meine sowieso schon unstillbare Lust, deinen Körper zu besitzen.“

„Das wagst du nicht!“, sprang ich auf. Seine Miene sprach Bände, „Nein?“, lächelte er grimmig, „Wie sonst könnte ich dich bestrafen? Sag es mir?“, kam er immer näher, während ich rückwärts ausweichend den Abstand vergrößerte bis die Wand mich aufhielt. „Ist es nicht genau das, was du über mich denkst? Werden nun all deine Vorbehalte gegen mich wahr?“, stand er unmittelbar vor mir und hypnotisierte mich geradezu, mit seinem stechenden Blick. „Sag mir all deine Vermutungen bestätigen sich doch nun.“, flüsterte er, ich konnte ihn kaum verstehen.

Und gerade dieses leise Raunen jagte mir mehr Angst ein, als seine ansonsten gewaltige Stimme.

„Ja du solltest Angst haben! Genau so etwas wäre geschehen wenn du dich Ciaran hingegeben hättest, nachdem ich ihm die Kehle aufgeschlitzte.“, trat er zurück, die Anstrengung, die er dafür benötigte, stand ihm im Gesicht geschrieben.

Erleichtert holte ich ringend Atem, auch Corvin atmete mehrere Male tief durch bis er sich mir zuwandte, „Fordere mich nie wieder soweit heraus!“, bleckte er lispelnd, ich schwieg betreten, woher kam dieser Ausbruch?

„Woher?“, stierte er mich mit neu entfachter Wut an, „Deine Gedankenlosigkeit besitzt keine Grenzen was? Allein deine Zustimmung, dich mit Ciaran einzulassen, brachte mich zur Weißglut. Ich wage gar nicht, weiter zu denken, er mit seinen Lustspielchen sollte dich berühren? Du weißt gar nicht, zu was er fähig ist, dagegen war meine kleine Inszenierung ein nichts. Ich habe sein ausreichendes Sortiment gesehen, er stellte es mir sogar netterweise zur Verfügung.“, verzog Corvin angeekelt den Mund, „Weiß der Himmel, welch kranke Fantasien er verfolgt.“

„Es ist ja nichts geschehen!“, sagte ich um ihn zu beruhigen, was gründlich fehlschlug, er regte sich über meine Worte noch mehr auf.

„Ja durch mein Eingreifen, so ist es schon die ganze Zeit, Sarah meint dies und das und handelt dann ohne weitere Überlegung! Was ist mit mir? Ich muss die Kastanien aus dem Feuer holen und mir die Finger verbrennen, anschließend darf ich mir deine vernichtenden Kommentare anhören.“

Dem konnte ich nicht das Geringste entgegensetzen. „Na wenigstens sind wir einmal einer Meinung!“, bemerkte er zynisch, „Du machst es einem verdammt schwer Sarah, selbst ein Heiliger würde verzweifelt das Handtuch werfen.“

Beleidigt entgegnete ich, „Dann lass mich doch …“

„… in dein Unglück rennen? Nein, dafür sorge ich mich viel zu sehr um dich.“

„Darum habe ich dich nie gebeten!“

„Ja ich weiß“, ließ er den Kopf hängen, „Aber ich kann nicht anders, es ist ein innerer Zwang, der dich vor Unbill schützen muss.“

Eine Idee keimte auf, „Vielleicht liegt es an der Vergangenheit, die Frau, die du einst liebtest, meine menschliche Vorgängerin sie musstest du beschützen. Ich denke bis heute hast du noch nicht damit abgeschlossen.“

Jetzt lachte er auf, dabei warf er den Kopf zurück um mich gleich darauf ins Visier zunehmen, „Das nun wieder! Als ich deinen Vater drängte dich aus deinem Elend zu erlösen habe ich mit dir, ihr Sarah, abgeschlossen. Danach fühlte ich mich für eine kurze Weile frei und dann begann die Verbindung zu dir stärker zu werden. Nein Sarah ich liebe dich, den Krieger, den Leibwächter, die Mutter meines Kindes, die Geliebte, die über Jahre den Franzosen zugetan war. Selbst deine eigenwilligen Entscheidungen liebe ich, deine Sturheit, deine selbstauferlegte Disziplin, aber auch deine Aufopferung, deine Verschwiegenheit sowie dein aufbrausendes Temperament. Ich kenne all deine Winkelzüge und trotzdem überraschst du mich. Höre also auf, dich mit jener Sarah zu vergleichen, die übrigens keinen deut besser war.“

„Na wenn ich all diese schlechten Angewohnheiten habe, warum …“, ich suchte nach passenden Worten, Liebe wollte ich tunlichst vermeiden.

„Ja?“, zog er spöttisch eine Braue hoch, er wusste genau, was ich ausdrücken wollte. „Gewiss“, bestätigte er grinsend.

„Also gut, warum liebst du mich dann?“, nuschelte ich die Worte schnell heraus.

„Wie bitte?“, hielt er eine Hand an sein Ohr. Ich sah ihn nur an und er gab tatsächlich nach, „Weil es so ist, eine Erklärung kann ich dir nicht geben, weiß Gott ich habe durchaus intelligentere, schönere, fügsamere Frauen kennengelernt…“

„Sag doch gleich in deinem Bett gehabt!“, unterbrach ich seine Rede.

„Höre ich da einen Anflug von Eifersucht?“, fragte er hoffnungsvoll nach.

„Du spinnst ja! Du solltest nur das Kind beim Namen nennen!“

Er kam wieder näher, „Nein meine Liebe, da sitzt ein kleines grünes Monster auf deiner Schulter, welches Eifersucht heißt“, stellte er zufrieden fest. „Aber keine Sorge mein Liebes, keine dieser Damen hat je mein Herz berührt, es gehört ganz allein dir“, schnurrte er wie ein alter Kater.

„Danke aber darauf kann ich getrost verzichten.“

sein amüsiertes Lächeln schwand, „Wie reizend, forderst du mich gerade heraus?“

Stimmungswechsel! Alarmiert schwieg ich lieber, einen weiteren Ausbruch wollte ich keineswegs riskieren.

„Nun was ist?“, fragte er gereizt nach.

„Ich habe keinen Bedarf, weder an einen Wutanfall, noch an deine verkorksten Gefühle.“

„Dabei dachte ich wir nähern uns an, nun ruderst du wieder zurück. Deine Eifersucht haben wir schließlich entlarvt, was ist mit deinem Begehren?“ baute er sich vor mir auf. Nah, viel zu nah! Drückte ich mich gegen die Wand.

„Ah ich merke ein unangenehmes Thema für dich. Nichts desto trotz werden wir dies erörtern. Anhand meiner wenigen Erfahrung, mit dir kann ich ohne Weiteres mitteilen, welch ein Vergnügen es mir bereitete mit dir zu schlafen. Bei Pierre hinterließest du keinen solch bleibenden Eindruck.“

Ich schnaufte vor Empörung, „Was hat Pierre damit zu tun?“

Seine Augen glitzerten gefährlich auf, „Ja Pierre“, spuckte er den Namen widerwillig aus, „über Jahre musste ich eure Beziehung miterleben, die intimsten Details blieben mir nicht erspart. Vielleicht kannst du ansatzweise verstehen, was ich durchlitt, jede einzelne verdammte Begegnung.“, stützte er eine Hand direkt neben mir ab und schnitt mir somit den einzigen Fluchtweg ab.

Er bemerkte meine Reaktion sehr genau, erkannte ich an seinem diabolischen Lächeln. „Ich glaube wir sprachen über Begehren, speziell über deines“, kam er meinen Gesicht sehr nahe, ich spürte seinen Atem auf meiner Haut, was sofort eine heftige Reaktion auslöste, die ich nicht unterdrücken konnte.

„Hm, ein Atemhauch und schon richten sich deine Härchen auf, was geschieht wenn ich dort, an deiner Kehle, gleich neben den Puls meine Zunge spielen lasse?“, fixierte er den Punkt, worauf mein verräterischer Körper reagierte. „Na siehst du, nur dein Verstand verbietet dir ein bisschen Vergnügen. Ab und an solltest du deinen Begierden freien Lauf lassen.“

„Ja sicher, damit du auf deine Kosten kommst.“

Er kicherte leise in mein Ohr, „Oh nicht nur ich, meine Süße das kann ich dir versprechen. Oder …“, erschienen seine Augen in mein Gesichtsfeld, dabei streifte seine Nasenspitze die meine. „Oder sollte ich mich irren und du konntest unser Beisammensein nichts abgewinnen?“, blitzte der Schalk in seinen Augen auf.

Egal was ich auch nun sagen würde, er verwendete es gegen mich, deshalb schwieg ich lieber. Auch diesen Umstand nutzte er aus. „Du bist unschlüssig!“, lachte er kehlig, dabei berührten seine Lippen wie zufällig meine Wange, er wusste nur zu gut welch ein Inferno er in mir entzündete.

Seine Nähe, der leichte Atem der über meine Haut strich, die Wärme, die er ausstrahlte entfachten meine animalischen Triebe die ich kaum unter Kontrolle halten konnte, „Ja Sarah lass dich gehen, vergesse für eine Stunde deine Pflichten, sei ganz Weib.“, klang er verführerisch, schon wollte nachgeben, wollte mich an seinen berauschenden Körper schmiegen, als die Tür unverhofft aufgerissen wurde.

„Oh!“, erschien Henry, keineswegs verlegen grinste er uns an, „Lasst euch nicht stören, bin sofort wieder weg. Wir sind im Hof und beenden den Tag bei einem Gläschen. Falls ihr euch später zu uns gesellen wollt …“, ließ er den Satz unvollendet und schloss leise die Tür.

Corvin seufzte verdrossen auf, „Schlösser, stabile robuste Schlösser fehlen hier. Wie konnte ich das nur vergessen?“

während er sinnierte, tauchte ich unter seinen Arm hinweg und folgte Henry schleunigst. Wohl bewusst, wie nahe ich daran war in seine Arme zu sinken. In der Küche fand ich Henry, der mich entschuldigend ansah, „Tut mir wirklich Leid, konnte ja nicht ahnen, was ihr da oben treibt.“

 „Wann? Wann lernst du endlich, eine geschlossene Tür als diese anzusehen, Henry?“, schallte es aus dem oberen Geschoss, „Du verfluchter Dummkopf? Muss ich denn einen Bunker anlegen? Damit ich mit meiner Frau allein sein kann?“ Das Gebrüll enthob mich jeder Antwort.

„Meine Frau?“, sah Henry mich irritiert an.

„Er spinnt!“, meinte ich.

„Wirklich? Bist du sicher? Hat er dich gebissen? Du ihn? Aber nein ich würde es spüren, du bist ungebunden aber weshalb sagt er meine Frau?“, rätselte Henry laut, als wir uns bereits zu Merkur setzten.

Der setzte sich auf, „Du sprichst von Corvin“, nickte Merkur, „ja mir fiel die Aussage bereits auf, aber ich dachte es wäre geklärt?“ sah er mich fragend an. Ich zuckte unwissend die Schultern hoch, was ihn keineswegs zufriedenstellte.

„Er sagte es gerade wieder!“, murmelte Henry in seinen Gedanken verstrickt. „Bist du sicher Sarah, keine frischen Bissspuren?“

Sofort sprang Merkur auf, „Los zieh dich aus!“, zog er mich hoch und nestelte bereits an mir herum. Bevor ich mich aus seinen Fängen befreien konnte flog Merkur quer über den Hof.

Corvin Sardovan stand einem griechischen Kriegsgott gleich furchterregend da.

„Also doch!“, rief Henry strahlend.

„In der Tat!“ stimmte Merkur zu. „Wie konntest du es Geheimhalten? Ich verstehe es nicht, noch spüre ich etwas.“

„Was?“, richtete ich die Frage an niemanden Bestimmten.

 

Kapitel 33

 

Sie ignorierten mich vollkommen, Merkur und Henry umzingelten den Boss, der stoisch die Arme vor die Brust verschränkte.

„Nun rede schon!“, forderte Merkur, indem er seine gesamte Aura des Alters ausspielte. In diesem Moment wollte ich ihm freiwillig meine tiefsten Gedanken mitteilen. Wie konnte Corvin dem widerstehen, fragte ich mich, als er seine sture Haltung beibehielt.

Selbst Henry machte den Mund auf, um ihn dann wieder schnell zu schließen. Merkur schien beeindruckt, er verlagerte sein Verhalten, jetzt sprach er als Freund, setzte seine Stimme ein, die kaum weniger verführerisch klang als Alischas, wieder ohne Erfolg.

Über Merkurs Gesicht huschte ein Grinsen, er sah mich scharf an, „Sarah!“, winkte er mir zu, nun kam Leben in die Statue des Bosses, „Sie lässt du in Ruhe!“, knurrte er leise, die Drohung dahinter schwang unheilvoll mit.

Merkur ließ es kalt, „Dann antworte mir, mein Junge.“

„Es ist ganz einfach, ich habe nie die Verbindung gelöst, man könnte sagen heruntergedrosselt.“

„Ach das geht?“, trat Henry neugierig vor, besonders überrascht schien er nicht.

„Anscheinend ja!“, nickte Corvin, atmete kurz durch und nickte dann, „Also gut, ich werde es euch sagen, aber kein Wort verlässt dieses Gelände.“

Erst als wir zustimmten, begann Corvin zu erzählen, „Damals löste ich die Verbindung, zumindest glaubte ich es. Doch bald darauf konnte ich, leichte kaum erspürbare Empfindungen einfangen, zuerst sagte ich mir es seien die letzten Reste unserer Vereinigung und ignorierte sie. Sarah lebte damals genau in diesem Gebäude, ich musste mich auf meine Aufgaben konzentrieren. Erst als Sarah zur Weihnachtszeit zu Besuch zur Festung kam, wurden ihre Gedankengänge klarer. Aus verschiedenen Gründen reiste sie bald darauf ab, die Empfindungen ließen nach.“ Er wanderte inzwischen über die gesamte Länge des Hofes.

„Wenn ich mich richtig erinnere, nahmen die Empfindungen zu, obwohl sie in Deutschland wohnte. Gerade zu dieser Zeit reiste ich zwischen der Festung und Alischas jeweiligen Aufenthaltsort hin und her. So versuchte ich, all die, sagen wir Einflüsterungen zu ignorieren, zwar gelang es mir nie ganz, aber im Wesentlichen. Dies behielt ich bei, auch während Sarahs Aufenthalt im Dorf der Festung. Aber nach dem Angriff, ihrer misslungenen Wandlung“, er schaute mich mit blinden Augen an, gefangen in der Vergangenheit, „Ich fühlte mich verpflichtet, schließlich stimmte ich zu, ich war verantwortlich für das feige ausgeführte Attentat. Dana!“, senkte er seinen Tonfall, „täuschte mich und ich versagte in meiner Aufgabe als Clanoberhaupt. Deshalb versuchte ich, in Sarahs dunklen verirrten Geist einzudringen.“ Er seufzte verhalten auf, „Auch darin versagte ich, nur zu einem fähig, ihr ein wenig Helligkeit, in ihrem nachtumnebelten Geist zu bringen.“ Nun schaute er mich bewusst an, „Entschuldige aber ich bin Schuld an deinem Schmerz, damals verstand ich es nicht, die weiße Wand wie du sie nennst, kam von mir.“

„Ja ich weiß“, woher, wusste ich nicht, ich wusste es einfach, „dahinter lag der Schmerz du schütztest mich davor, Corvin“, trat ich zu ihm, „mit deiner Hilfe entkam ich dem Wahnsinn“, legte ich meine Hände auf seine Wangen, „mit deiner Stärke, deiner Liebe überstand ich diesen Irrsinn, ich weiß.“

Er nahm mich in seine Arme zog mich an sich, „nie wieder will ich dich leiden sehen, nie wieder.“, küsste er meine Stirn. Ich sah zu ihm auf, es gab keine Fragen mehr, keine Verdächtigungen, kein Misstrauen.

Wie lange wir so Aug in Aug standen, konnte ich nicht sagen, mir kam es wie Jahrzehnte vor, wahrscheinlich waren es nur Sekunden, denn länger konnte Henry sich keinesfalls zurückhalten.

„Also ist jetzt zwischen euch alles geregelt?“, wollte er wissen.

Corvin hob fragend eine Braue, „Ist es?“, schaute er mich forschend an. „Bis auf einige Details deines überspannten Egos, ja, denke ich!“

Ein leichtsinniges Lächeln umspielte seinen Mund, was mir einen Stich im Herzen verursachte, dem ich hilflos ausgeliefert war. „Dann lasst uns den heutigen Abend feiern“, klatschte Henry vergnügt in die Hände, „Eigentlich sollte die gesamte Truppe hier sein, sollen wir sie anrufen?“, fragte er aufgeregt.

Corvin hielt mich fest an seiner Seite, eine Scheu die ich nicht erklären konnte, hielt mich davon ab, ihn zu umarmen, obwohl ich mir nichts sehnlicher wünschte. Nun all unsere Freunde hier zu haben versetzte mich ein wenig in Panik, wie sollte ich mit der neuen Situation umgehen fragte ich mich bedrückt.

„Nein Henry, wir wollen den Abend in Ruhe ausklingen lassen“, widersprach Corvin, „Nun wo ist der Wein, ich könnte einen kräftigen Schluck gebrauchen denn ich habe tatsächlich weiche Knie.“, lachte er befreit auf.

Wir saßen einige Stunden dort im kahlen Hof, für mich war es der schönste Rückzugsort er passte zu unserer erneuten Annäherung wie ich fand. Ohne Schnörkel und gradlinig sagte er alles aus. Er verheimlichte keine Ecken, es gab keine Kanten nur ein grünes Blätterdach welches Schutz, vor der sengenden Sonne versprach.

Mit dem versengen musste ich mich arrangieren, denn Corvin zog mich auf seinen Schoss, ständig fuhren seine Finger über meine Haut, sei es Arm, Hals oder Bein er fand beharrlich einen Weg. Während ich versuchte, diesen Austausch von Zärtlichkeit zu verhindern.

Es amüsierte ihn mich aus der Fassung zu bringen, da streichelte er meinen Arm den ich ihm so unauffällig wie möglich entzog um gleich darauf mit den Finger eine brennende Spur auf meinem Bein zu hinterlassen.

Und ständig küsste er mich! Jede Gelegenheit nahm er wahr, wenn ich dachte er gebe auf und ich endlich dem Gespräch folgen konnte, rückte er auf seinen Stuhl hin und her bis ich ihm wieder ausgeliefert war. Sein diabolisches Grinsen erzählte von seinem erneuten Sieg.

Was versprach er sich davon? Setzte er nicht im Endeffekt seinen Willen durch? Schließlich wehrte ich mich nicht mehr gegen seine Gefühle, nein ich vertraute ihm, war es denn nicht genug?

Anscheinend nicht nach seiner gekrausten Stirn zu urteilen, ebenso nach seinem undefinierbaren Blick, den er mir zuwarf. Sein Mund verlor einen Moment sein Lächeln, oh ich kannte diese Anzeichen gut genug, er rüstete sich innerlich zum Kampf.

„Gut beobachtet!“, sagte er mitten in der Unterhaltung hinein, Merkur unterbrach seine Erzählung sah ihn irritiert an, „Wie bitte?“

„Ach nichts von Bedeutung, mein Freund ein Dialog zwischen meiner spröden Frau und mir, verzeih.“, entgegnete Corvin gelassen.

Spröde Frau! So dachte er also über mich! Spröde! Was noch? Vielleicht etwa Morsch? Brüchig?

„Prüde!“, hauchte er mir ins Ohr, gekränkt wollte ich aufspringen, er hielt mich vorsorglich fest. In meiner Wut warf ich ihm böse Blicke zu, kaum das ich ihn ansah, küsste er mich auch schon.

Dieser blitzartigen Attacke konnte ich nicht im Geringsten entgegenwirken, ich war ihr hilflos ausgeliefert und konnte den stürmischen Ansturm nur erwidern.

Nachdem er mich zufrieden fast schon schnurrend freiließ, musste ich erst einmal tief durchatmen, dieser Kuss wühlte mich innerlich auf. Nach seinem Grinsen zu urteilen, genau der Zweck seines Angriffes. Er lächelte mich, mit honigsüßer Miene an.

Henry und Merkur räusperten sich, „Ich denke wir ziehen uns für heute Abend zurück“, bemerkte Merkur aufstehend, Henry folgte ihm auf dem Fuße, dabei zwinkerte er uns verschwörerisch zu.

Was mich wiederum verlegen Niederschauen ließ. Die Stille, die folgte ließ mich frösteln. Er machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen, die Minuten strichen dahin, am Liebsten würde ich laut schreiend, das Weite suchen.

„Tja“, sagte er endlich, „Was nun? Soll ich dir einen Vorsprung lassen oder mich gleich auf dich stürzen?“

Ich zuckte unter den kalten Worten zusammen, er seufzte, „Wie soll unser zukünftiges Leben aussehen? Sarah ich bin nicht Pierre, den du auf Abstand halten konntest. Ich will dich, und zwar ohne ständig zu überlegen ob ich dich jetzt küssen, berühren oder einfach nur im Arm halten darf, denn genau dies gedenke ich zu tun.“

Darauf wusste ich keine Antwort, ich saß mit zwiespältigen Gefühlen auf seinen Schoss. Der Kuss brannte mir noch immer Löcher in den Bauch, dabei würde ich am liebsten soviel Abstand wie möglich, zwischen uns bringen.

Wieder ertönte sein leises Lachen, „Na gut dann werde ich dich eben aus deinem Schneckenhaus holen, sei gewarnt meine Liebe ich gedenke dies oft, sogar sehr oft zu tun.“

Was sollte ich sagen? Meine Gedanken rasten, konnte er denn nicht verstehen, in welcher Verlegenheit er mich hineinmanövrierte? Solche eine Zurschaustellung lag mir nicht, ich wollte sie nicht.

Er überging meine Bedenken, dabei kannte er jeden meiner Gedankengänge da war ich mir hundertprozentig sicher, schürte ich meine Wut, die einzige Möglichkeit mich im Augenblick auszudrücken. „Lass das!“, sagte ich auch schon, als er meinen Nacken küsste.

Sein aufreizendes Lachen zerrte an meinen Nerven, „Ah endlich eine Reaktion!“, kommentierte er meine Worte.

„Ich meine es ernst Corvin! Ich mag dieses falsche Getue nicht, du willst mit mir schlafen dann sag es auch“, redete ich mich in Rage, „Wo? Gleich hier und jetzt? Dann bitte, soll ich mich ausziehen oder willst du es erledigen? Soll ich dich entkleiden oder ziehst du dir schnell die Hose in die Kniekehle?“

Sprachlos starrte er mich mit offenem Mund an, „Was ist denn nun?“, wollte ich wissen.

„So nicht!“, schüttelte Corvin den Kopf, „Eines solltest du dir merken, wenn ich eine schnelle Nummer mit einer seelenlosen Hülle wünsche, finde ich sie an jeder Straßenecke. Dazu lasse ich mich keineswegs herab, ob du es willst oder nicht Sarah, wir werden eine intime Beziehung aufbauen, in jeder Hinsicht, sei es beim Sex, im Bad oder sonst wo. Du schließt mich aus keinem Detail deines Lebens aus, ich werde in jede noch so kleine Ritze eindringen. Dazu gehört Zärtlichkeit im wesentlichen Teil dazu und die wirst du nun kennenlernen, mein eigenwilliger Schatz.“

Er ließ mir keine Chance zur Erwiderung, sofort hüllte er meinen Körper mit einer Flut von Küssen ein auf den mein körperliches Verlangen sofort reagierte.

Ich verfluchte mein vampirisches Erbe, welches meinen Verstand ausschaltete, als er bemerkte, in welchen Zustand ich geriet ließ er überraschend von mir ab, musternd grinste er mich an, „Willst du mehr?“

Lispelnd hauchte ich ein ja, seine drohenden Worte längst vergessen schmiegte ich mich an ihn und schob meine Hände unter seinem Hemd gierig seine warme Haut suchend. „Oh nein!“, schob er mich von sich, „Die Lektion ist noch lange nicht beendet. Möchtest du ein Glas Wein?“, gurrte er vergnügt.

Was sollte ich denn damit? Ihn wollte ich und nun da er meine Gier weckte, sollte er sie auch stillen, schlug ich ihm das Glas aus der Hand. Er reagierte völlig gelassen, überhaupt fehlte ihm jede Spur von Erregung, da war nichts rein gar nichts, ein kalter lebloser Stein zeigte mehr Gefühle.

Entsetzt wich ich einige Schritte zurück, er holte sogleich auf, „Nein!“, wehrte ich ihn ab.

Er hörte nicht, sondern schloss mich in seine Arme, „Du bist zu schnell erregt mein Schatz, es gibt viel mehr als das kurze Intermezzo, wir sind noch nicht einmal bei dem Vorspiel angelangt. Hab Geduld, entspanne dich und genieße.“, hauchte er mir einen Kuss auf die Nasenspitze.

„Aber…“

„Kein aber, trink einen Schluck Wein und warte auf die Dinge, die kommen werden.“, führte er mich eng an sich gedrückt zurück.

 

So ging es die gesamte Nacht ein Aufbau und Abkühlen des Verlangens, Corvin ließ sich unendlich viel Zeit, manchmal bettelte ich um Erlösung er reizte mich weiter das ich dachte ich verging.

Zudem verlangte er die gleiche Aufmerksamkeit, zuerst fand ich es seltsam, ihn mit Küssen zu bedecken, ihn zu streicheln alles sanft langsam den Höhepunkt entgegen.

In dieser Nacht gab es keine schnelle ungezügelte Leidenschaft wir erkundeten unsere Körper, entdeckten Neues, zum Beispiel fand ich heraus wie kitzelig er am Hals war. Zuletzt musste ich nur so tun und meine Hand ausstrecken und er zuckte lachend zurück, wenn ich es doch mal schaffte, konnte ich ihn überall kitzeln, er lachte bis ihm die Tränen kamen und kraftlos um Gnade bettelte.

Jetzt da ich allein in dem Bett lag, wunderte ich mich, so viel hatte ich in den gesamten letzten Jahren nicht gelacht. Mit Corvin gab es keinen ungestümen schnell lindernden Höhepunkt, er zelebrierte den Sex zu einem Akt der Liebe, anders konnte ich es nicht ausdrücken.

Nun verstand ich seine Worte als er sagte er wolle eine Beziehung aufbauen, anders als Pierre wurde Corvin nie müde Streicheleinheiten auszutauschen, sogar nach dem Akt fuhr er mit den Liebkosungen fort, dabei befragte er mich nach meinen Wünschen und Träumen.

Zuerst musste er mir jedes Wort aus der Nase ziehen, ich war es nicht gewöhnt so viel von mir preiszugeben, er blieb beharrlich, erzählte von seinen Wünschen, welche Orte er neu erkunden wollte, durch diese Vertrautheit entschlüpfte mir mein heimlicher Wunsch.

Er reagierte erstaunt, „Willst du damit sagen du hast dir noch nie ein Nest gebaut? Eines indem du dich zurückziehen kannst und ganz du selbst sein kannst?“

Ich schüttelte den Kopf, „Eigentlich müsstest du es wissen, da du dich ja so gut in meinen Gedanken auskennst.“, warf ich ihm leise vor und minderte meine Worte mit scheuen Küssen auf seine Brust.

Er zog mir in die Haare, „Frechdachs! Nein davon wusste ich nichts, es gibt Bereiche die ich mied Sarah, und von dir persönlich erfahren wollte. Obwohl ich so manches Mal versucht war gerade dorthin zu gelangen.“

„Ach! Wieso?“, sah ich auf.

Er lachte kurz auf, „Himmel du machtest mir so manches Mal das Leben schwer, besonders nachdem du beschlossen hattest dir einen Liebhaber zu suchen. Glaub mir, ich war bitter enttäuscht, als du mich von vornherein aussortiertest. Ciaran bewunderst du, Henry besitzt dein Vertrauen, Kahlaf und Merkur liegen dir zu Füßen, von deinen Freunden will ich erst gar nicht anfangen, mir blieben nur Misstrauen und Verachtung, dabei durfte ich dann zuhören wie du in Erinnerungen mit den Franzosen schwelgtest. An dem Abend musste ich mich derart zusammenreißen, um dir nicht neue Erinnerungen zu bescheren.“

„Nein die Zeit nutzest du um Pläne zu schmieden und mich vor vollendeten Tatsachen zu stellen.“

„Genau meine Liebe!“, warf er mich auf den Rücken und rollte sich auf mich, „Pläne die jeden notgeilen Vampir zeigen, zu wem du gehörst“, verschloss er mir mit Küssen den Mund, er gab mir keine Gelegenheit meine Meinung zu äußern, wahrscheinlich kannte er sie bereits.

Na gut Sarah Sardovan, setzte ich mich auf, zähle die Fakten zusammen. Du bist offiziell mit ihm verlobt, verbringst die Nacht mit ihm und hörst dir deine zukünftigen Pläne an, die dich einbeziehen. Willst du das überhaupt?

Definitiv nicht! Eine Beziehung, gar eine Ehe mit Corvin Sardovan, hieße alles aufzugeben, wofür du in den letzten Jahren gearbeitet hast. Nein das werfe ich nicht einfach weg. Mein Entschluss war gefasst, auch wenn er ein aufregender Liebhaber war, meine Karriere wollte ich nicht einfach aufgeben. Denn die musste ich vergessen, Corvin Sardovan das Familienhaupt, das Ratsmitglied, der Unternehmer würde seine Frau an seiner Seite haben wollen, im Grunde wie Pierre.

Von unten drangen Stimmen herauf, Merkur er redete aufgeregt, ungewöhnlich für den abgeklärten Vampir, dem nichts aus der Ruhe brachte. Neugierig geworden zog ich mir schnell etwas über und schlich die Treppe hinab.

„Ihr müsst!“, hörte ich Merkur, „Kahlaf will das Bild heute Abend ausstellen.“

„Nein!“, sagte Corvin unversöhnlich, „Ich habe Jahre für unsere Spezies geopfert, auf meine einzige Liebe verzichtet, allein zu einem Zweck und was hat es mir gebracht? Unserer Art gebracht? Nicht das Geringste, die Ungerechtigkeiten gehen weiter, die Jäger gibt es nach wie vor! Wir haben in all den Jahren gar nichts erreicht und nun soll ich wiederum alles über Bord werfen? Nein Merkur! Soll er Ambrosius Bild zeigen, wem er will, wir bleiben bis Ende der Woche hier. Diesmal gehen meine privaten Bedürfnisse vor.“

Ich sah wie Merkur ergeben den Kopf senkte, Henry legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter, während Corvin hochaufgerichtet und unnachgiebig schweigend dastand.

So viele Jahre des Kampfes sollten durch eine unüberlegte Tat vernichtet werden. Es stimmte die Jäger liefen frei herum aber für die ärmeren Clans wurde so manche Besserung auf den Weg gebracht. Wie konnte Corvin dies außer Acht lassen?

Außerdem sprach er von seinem Glück und dazu gehörten noch immer zwei! Er wandte sich abrupt zu mir um, „Nicht Sarah! Bitte es wird immer irgendeinen Notfall geben, immer muss etwas sofort in Ordnung gebracht werden, wenn wir jetzt zurückkehren, werden wir so schnell keine neue Gelegenheit bekommen.“

„Für was? Sag mir für was Corvin? Du willst Glück erfahren? Liebe? Während Jäger Siedlungen angreifen? Die Willkür des Rates erneut zutage tritt? Du kannst gemütlich in diesem Haus leben, die Liebe genießen und all die Ungerechtigkeiten einfach vergessen? Nun dann bleibe hier! Merkur wir kehren zurück, vielleicht kann ich Kahlaf umstimmen.“, drehte ich mich um, „In fünf Minuten können wir los!“, sagte ich noch, die Stufen hochlaufend.

Ich spürte wie er mir folgte und schloss erst gar nicht die Tür, „Warum?“, fragte Corvin, sich mir in den Weg stellend.

„Die Frage ist überflüssig!“ drängte ich mich vorbei ins Bad.

„Nein nicht ganz, du solltest dir diese Frage stellen denn ich kenne bereits die Antwort.“, erklärte er bissig.

„Ah ja und die wäre?“

„Du ergreifst die Flucht!“

„Ich! Noch nie bin ich geflohen!“, litt mein Haar unter der derben Behandlung, die ich ihm angedeihen ließ.

„Vor einem Kampf? Nein! Aber vor Intimität, du hältst jeden auf Abstand!“

„Das ich nicht lache, erst vor ein paar Stunden…“

„Ich spreche nicht von Sex…“

Laut unterbrach ich ihn, „Ja, ja ich weiß Liebe und Glück! Aber eines will ich dir sagen Corvin Sardovan Liebe ist was für Träumer, Glück nenne ich einen Tag, an dem kein Vampir abgeschlachtet wurde. So wenn du mich nun Bitte entschuldigen würdest, ich möchte mich anziehen.“

„Was hält dich davon ab? Meinst du etwa ich sehe etwas, was mir bisher verborgen blieb? Oder ist es, weil ich deinen Körper so gut kenne, vor mir kannst du nicht die kleinste Regung geheim halten, merke dir das für die Zukunft meine Liebe. Noch etwas, du solltest dich in der nächsten Stunde beruhigen und all deine Erinnerungen auf die letzte Nacht richten, denn Kahlaf wird dich ansonsten mit seinen kleinen Händchen und seiner leisen melodiösen Stimmen Stück für Stück auseinandernehmen.“

„Wofür denn das? Ich sage ihm einfach die Wahrheit!“, musste ich mich beherrschen, die Bürste in der Hand zu behalten und nicht auf seinen Kopf zu zerdeppern.

„Ach die Wahrheit und die wäre, was?“

„Ganz einfach, ich werde ihm dein Vorgehen schildern, Kahlaf ist vernünftig genug, er wird es verstehen.“

„Gewiss wie dein Vater, deine Freunde mitsamt dem gesamten Rat“, meinte er grimmig.

Betroffen ließ ich die Bürste sinken, ich wusste nur zu gut wie Vater reagieren würde aber das war nicht das Schlimmste, die Ratsmitglieder besonders Alischa und Monseigneur würden daraus ihren Gewinn ziehen. Corvin Sardovan ein Lügner, wie konnte man ihm noch vertrauen? Sie würden den Rat auflösen. „Das ist Erpressung!“, sagte ich leise.

„Ja ich weiß, aber welche Möglichkeit bleibt mir? Du weigerst dich dir deine Gefühle einzugestehen und ich benötige Zeit um sie an die Oberfläche zu locken. Glaub mir Sarah, in dieser Angelegenheit kenne ich keinen Spaß, nicht noch einmal werde ich dich ziehen lassen.“

Mit einem Male wurde mir kalt, er wollte tatsächlich eine Beziehung zu mir, „Aber ja, was dachtest du denn?“, antwortete er mir auf meine Gedanken, dabei lächelte er mich mit einem verwunderten Gesichtsausdruck an.

„Aber…“, versuchte ich Worte auszusprechen, die er zuvor nicht aus meinen Gedanken hörte oder wie immer es auch funktionierte.

„Ja?“, schaute Corvin mich mit konzentrierter Miene an. Ein Erfolg, den ich mich für mich verbuchte.

Nochmals setzte ich zum Reden an, „ …“ und bekam kein Wort heraus, stattdessen platzte Henry ins Bad, „He ihr, wir warten, die fünf Minuten sind längst vorbei!“, setzte er sich mit einem Schmunzeln auf den Toilettendeckel, „Was habt ihr denn?“

„Nichts!“, antworten wir gleichzeitig, Henry verzog bitter sein Gesicht, „Schon klar! Verstehe schon, der liebe Henry ist nun überflüssig!“, platzte er enttäuscht und sauer heraus, „Jahrelang durfte ich den Spion spielen, mir alle erdenklichen Sorgen und Nöte anhören, aber jetzt läuft es ja zwischen euch und ich armer Kerl werde mir nichts dir nichts ausgeschlossen. Undank ist der Welten Lohn! Ja Undank! Seht mich nicht so an, ich kenne eure unschuldigen Gesichter nur zu gut und diesmal habt ihr keine Chance, diesmal verzeihe ich euch nicht!“, erklärte er mit erhobenen Zeigefinger um dann empört aus dem Bad zu marschieren.

„Was bedeutete denn der Auftritt?“, wollte ich wissen.

„Naja, Henry besuchte dich doch hin und wieder und ich durfte mich wegen Vlad dir nicht Nähern…“

„Das gibt es doch nicht! Du schickst mir Henry, um mich auszuspionieren? Ist dir denn kein Versprechen heilig?“

„Als Erstes musste Henry nicht spionieren, ich wusste nur zu gut, was in deinem Leben vorging. Er sollte lediglich einige Bilder von dir machen, denn sehen konnte ich dich nicht. Außerdem habe ich mein Versprechen gehalten schließlich habe ich mich von dir ferngehalten und habe mich in keiner Weise in deine Beziehung eingemischt. Mehr konnte Vlad nicht erwarten, was ihm durchaus bewusst war.“

„Wie Vater wusste davon?“, fragte ich überrascht nach.

„Im Großen und Ganzen ja! Wir sprachen nie darüber, aber…“

„Ach so, also wird geschwiegen und alles ist in Ordnung? Ihr seid echt krank, ja krank in einer verkorksten Art und Weise. Jeder vernünftig denkende Mensch spricht über seine Probleme, aber ihr, ihr… ihr…“, wusste ich nicht weiter.

„Wir sind Vampire, vielleicht liegt darin der Unterschied“, witzelte Mister Lustig, was ich gar nicht amüsant fand, „Weißt du was, sprech mich in der nächsten Zeit nicht an, es ist gesünder für dich!“, rauschte ich hinaus und folgte Henry.

Corvin kam laut schimpfend hinterher, „Ah verstehe, da bin ich mal ehrlich, wird die Dame gleich ungehalten.“

Blitzartig stoppte ich und stürmte auf ihn zu, Corvin blieb stocksteif stehen, „Mal ehrlich! Mal ehrlich! Das ist ja ganz etwas Neues! Corvin Sardovan ist mal ehrlich und ich soll ihm auf Knien danken? Oder was? Seitdem wir hier sind, erfahre ich eine Ungeheuerlichkeit nach der anderen, ist es da ein Wunder, das ich durchdrehe?“, ich schloss die Augen versuchte ruhig durchzuatmen, „So und nun folgendes, wir werden nach Granada zurückkehren mit Kahlaf reden und dann nach einer angemessenen Zeit die Verlobung lösen. Ist das klar?“

In seinem Gesichtsausdruck konnte ich nicht das Geringste lesen, eine undurchdringliche Pokermiene sah mich an, „Wie du meinst“, stimmte er schließlich zu.

Merkur klatschte in die Hände, „Damit wäre alles gesagt, wir sollten jetzt wirklich aufbrechen, ich traue Kahlaf im Augenblick jede erdenkliche Dummheit zu.“

Kapitel 34

Als wir durch das Tor zum Herrenhaus fuhren war es bereits später Nachmittag, zu dieser Tageszeit wirkte das Gelände und Haus fast verlassen. Die meisten Vampire besuchten das Bad oder zogen sich in ihre Zimmer zurück um sich für den Abend herzurichten. Da Kahlaf ein neues Gemälde ankündigte, würde anschließend sicherlich wieder ein Fest stattfinden. Diese Vampire nahmen jede Gelegenheit wahr, um einen amüsanten Abend zu gestalten, dachte ich abfällig.

„So sind sie nun einmal, sie haben ansonsten keine Aufgaben, was würdest du tun nach Jahrhunderten? Etwa trostlos auf deinem Zimmer sitzen oder eine wenig Abwechslung suchen?“, raunte Corvin mir zu, während wir die Halle durchschritten.

„Arbeit täte ihnen allen gut!“, meinte ich. Gerade er sollte es wissen, im Alter stand er ihnen nicht viel nach aber er verbrachte seine Tage mit der Leitung und Aufbaues seines Imperiums.

„Es ist nicht mein alleiniger Verdienst und keinesfalls mein Imperium! Du stellst mich immer als Herrscher dar, dabei sehe ich mich eher als Diener meiner Familie.“ Antwortete er wieder einmal auf meine Überlegungen.

„Unterlass deine Schnüffelei!“, fuhr ich ihn gereizt an, dabei setzte ich eine freundliche Miene auf, da wir Kahlafs Gemach betraten. Mir verschlug es den Atem, eine Staffelei reihte sich an die Nächste, über jede hing ein Laken und mittendrin Kahlaf in seinem langen nachtschwarzen Gewand.

Er sah auf, blickte uns entzückt an, „Da seid ihr ja! Und habt ihr euch endlich ausgesöhnt?“

„Es wird mein Freund“, sprach Corvin mit sanfter Stimme, „Noch gibt es einige Unstimmigkeiten die wir aber gemeinsam lösen können. Das Wichtigste sind doch unsere Gefühle füreinander, nicht wahr?“

Sah ich in Kahlafs Augen Wahnsinn? Trübsinn? Auf jeden Fall eine Melancholie die mir nahe ging. Der sanfte Riese nickte Corvin zu, „Ja Liebe ist das wichtigste Gut, behaltet eure Liebe bei, feiert sie jeden Tag.“, wandte er sich von uns ab. Eine tiefe Ergriffenheit schien sich seiner zu bemächtigen, keiner von uns sagte ein Wort.

Schließlich wagte Merkur einige Schritte, „Kahlaf das Bild von Ambrosius, willst du ihn wirklich aller Augen preisgeben?“, auch er sprach sanft wie zu einem weinenden Kind.

Als er keine Antwort erhielt, trat Merkur noch näher heran, legte eine Hand auf Kahlafs breiten Rücken, „Kahlaf?“ Der regte sich, „Ein Bild? Ja ein Bild! Ich habe das perfekte Bild für heute Abend“, wandte er sich zu uns um und lächelte geheimnisvoll, „Ich sah euch und musste es malen, ihr werdet begeistert sein.“, fiel jegliche Trauer von ihm, vor uns stand der Kahlaf den ich bisher kennengelernt hatte. Stark, verlässlich und immer guten Mutes.

„Nun geht schon! Ich habe noch einiges vorzubereiten. Merkur du bleibst! Wo warst du, ich habe dich vermisst.“

„In der Tat? Oder meine geschickten Finger?“, schmunzelte Merkur als sei für ihn die tiefe Traurigkeit Kahlafs überhaupt nicht aufgefallen.

„Oje erwischt!“, lachte der Riese melodiös, „Es sind deine warmen zarten Hände, die ich brauche.“

Himmel das musste ich mir nicht anhören. Ein Riese der so über die Hände eines Mannes sprach brachte meine Welt ins Wanken. Es gab kaum männlichere Vampire, als gerade diese Beiden, welches weibliche Wesen würde da nicht Reißaus nehmen? Welch eine Narretei der Natur solch zwei Prachtexemplare den Frauen zu entreißen.

„Wie konnte dein Großvater eigentlich Nachwuchs zeugen?“, richtete ich die Frage an Henry, bevor mir bewusst wurde was ich da überhaupt fragte.

Henry schaute mich verdutzt an, dann lachte er, „Sie gehören einer anderen Epoche an, soviel ich weiß, praktizieren sie noch heute die für uns mythische griechische Götterverehrung, sowie die damaligen Lebensgewohnheiten.“

„Und das heißt?“, ließ ich nun nicht locker.

„Was fragst du mich? Ich habe mich da stets herausgehalten“, schüttelte er sich, „allein der Gedanke mich mit einem Mann zu paaren… nein“, winkte er ab, „nicht meine Welt.“

Corvin klärte mich weiter auf, „Bei den Griechen gab es keinerlei Tabus, jeder konnte mit jedem, der ihn anziehend erschien. Klar wurden auch damals Machtpositionen ausgenutzt, Kinder kaum geschlechtsreif wurden missbraucht“, er zuckte die Achsel, „so etwas war ganz natürlich.“

Henry zog scharf die Luft ein, „Ja, dagegen gingen Kahlaf und Merkur vor, einige bedeutende Leute wehrten sich dagegen auf ihre Weise. Sie nutzten Kahlafs Abwesenheit und drangen in sein Haus ein, kurzgesagt als Kahlaf heimkehrte fand er seine Familie vergewaltigt und ermordet vor. In dieser Woche jährt sich das Ereignis, dann ist er zuweilen völlig von der Rolle.“

Schnell rechnete ich nach, die Griechen und ihre Hochkultur, dreitausend Jahre bestimmt. Mir schwindelte der Kopf ich ließ mir die Zahl auf der Zunge zergehen. Dreitausend Jahre und noch immer trauerte Kahlaf, „Er muss seine Familie wirklich geliebt haben.“, konnte ich nur sagen.

„Ja, denn wenn wir einmal die Liebe finden, halten wir sie fest.“, sagte Corvin mir einen bedeutsamen Blick zuwerfend. Sollte es eine Drohung sein, fragte ich mich unwillkürlich. „Tja wenn diese Liebe erwidert wird, gibt es ja keine Probleme, aber was ist, wenn sie einseitig ist?“, forderte ich ihn wider besseres Wissen heraus.

Corvin antwortete mir nicht, sondern Henry, „Von so was habe ich noch nie gehört. Ist ja auch ganz klar, als Vampir kann man sein geliebtes Wesen entsprechend manipulieren, sollte es gewandelt werden bleibt man dabei. Ist eine übliche Vorgehensweise, sieh dir Diederich und Isabel an.“

Kein Wunder warum ich von Corvin keine Antwort erhielt. Manipulation gehörte zu seinen Lebensalltag, so kam also die Beziehung zustande.

„Du denkst mal wieder in die verkehrte Richtung, niemals habe ich dich in dieser Weise manipuliert.“, verteidigte er sich, ich glaubte ihm kein Wort. Auch sein empörtes Schnaufen und sein Stirnrunzeln machten keinen Eindruck auf mich.

Henrys Augen huschten zwischen uns hin und her, „Wenn ich mal was sagen darf, so muss ich Corvin in Schutz nehmen.“

„Wer hat dich gefragt?“, schnauzte ich ihn an, er hielt ja sowieso zu seinem Busenfreund, ließ ich sie stehen. Automatisch marschierte ich die Treppen hinauf, bis mir bewusst wurde das mein Quartier unter dem Dach nicht mehr mir gehörte. Zu allem Übel kam Malech aus dem oberen Stockwerk, „Sarah! Habt ihr bereits mit Kahlaf gesprochen? Solltest du mich holen? Sag Corvin ich komme sofort, ich hole nur schnell meine Aufzeichnungen, ihr werdet staunen, was wir herausgefunden haben. Mann das ist wirklich ein Ding.“, stürmte er bereits nach oben, dann blieb er stehen, „Peer und Michelé solltet ihr dazu holen!“

Gegen meinen Willen wurde ich aufgeregt, Malech in diesem Zustand zu sehen bedeutete einen Fortschritt. Doch welchen, rasten meine Gedanken. Als ich hinuntersauste musste ich kein Wort sagen, Corvin beauftragte bereits Henry die Geforderten aufzusuchen. Typisch!

In diesem Moment kamen Vater und Muse händchenhaltend die Treppe hinauf, überrascht starrten sie uns an, „Was macht ihr denn hier?“, fragte Vater sofort. „Henry!“, schlussfolgerte er gleich richtig, „dabei sagte ich ihm ausdrücklich, euch in Ruhe zu lassen.“, meinte er verstimmt, „Ambrosius hin oder her über ihn kursieren sowieso die wildesten Gerüchte, was macht da schon sein Bild.“

„Du irrst Vlad!“, trat Merkur aus Kahlafs Gemach, „Zur Zeit sollte er noch unerkannt diversen Hinweisen nachgehen.“

„Unerkannt? Er? Ich glaube jeder wird ihn sofort an seiner Aura erkennen.“, winkte Vater ab, „Wahrscheinlich würden wir alle vor seiner Macht in die Knie sinken.“ Muse an seiner Seite schüttelte den Kopf, „Du irrst dich mein Schatz, er geht bereits unerkannt durch euer Leben.“

Sprachlos starrten wir Muse an, „Er macht was?“, hinterfragte Corvin. Muse warf Merkur einen hilfesuchenden Blick zu und der sprang sofort ein. „In der Tat! Aber nun sollten wir uns die neuesten Informationen Malechs anhören.“ Beendete er streng das Thema.

Da kam er natürlich bei Vater und Corvin an die Richtigen, sie bedrängten ihn mit Fragen, die Merkur einfach überhörte und auf Corvins Gemach zuschritt. Erst als Malech dazukam, ließen sie von ihm ab.

Malech genoss die ungeteilte Aufmerksamkeit sichtlich, er holte weit aus, schilderte seine Bemühungen und die seines Clans ausführlich, bis Corvin ungeduldig knurrte: „Komm zur Sache!“

Enttäuscht nickte er, „Also gut, ich wollte ja nur anmerken, welchen wesentlichen Teil wir beitrugen. Laut meines Informanten, der vorläufig nicht genannt werden möchte, reiste dieser, nachdem er einen Hinweis erhielt, nach Frankreich.“

„Frankreich!“, setzte Michelé sich auf, „Wo genau?“

Malech lächelte maliziös, „Genau auf eure ehemalige Hochburg in der Nähe von Faucon.“

„Die Burgruine! Sie ist verlassen, ich verstehe nicht, was es dort Besonderes gibt“, rätselte Michelé laut.

„Das will ich dir sagen, ein unterirdisches Versuchslabor, dort werden die Jäger ausgebrütet und großgezogen bis sie…“, weiter kam Malech nicht, er wurde mit Fragen bestürmt.

„He, ich sage ja auch, nur was mein Informant mir mitteilte.“, verteidigte er sich, „und es kommt noch mehr. Darf ich also zu Ende reden?“

Nachdem die gewünschte Ruhe herrschte, fuhr Malech fort, „Also in Faucon werden die Jäger gezüchtet, genauso sollte ich es sagen. Nachdem sie ein bestimmtes Alter erreichen werden sie fortgeschafft. Wohin? Dies überprüft mein Informant derzeitig, aber er fand noch etwas Interessantes heraus, den Betreiber der Zuchtstätte.“

„Wer?“, flogen ihm die Fragen von allen Seiten zu.

„Keine andere als die Mutter unseres Ratsmitgliedes Pierre! Namine de Podio!“

Der Schock saß, keiner sprach ein Wort.

„Wie sicher ist der Informant?“, wollte Corvin wissen.

„Hundertprozentig, Boss! Er hat noch nie danebengelegen, solange ich ihn kenne.“

Corvin runzelte die Stirn, „In deinen Worten höre ich ein aber, Malech. Wie lange kennst du ihn?“

Merkur mischte sich ein, „Genau diese Informationen habe ich auch erhalten, wir können sicher sein jedes Wort ist wahr.“

„Wie kamst du an die Informationen?“, wollte der Boss wissen, sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, was ich im Moment bewunderte, wir alle verdauten die Nachrichten, er zog bereits Schlüsse und dachte weiter.

„Du musst dich schon mit meinem Wort zufriedengeben“, antwortete Merkur, wer dahintersteckte, konnten wir uns an fünf Finger abzählen. Der Name Ambrosius, kam über unsere aller Lippen.

Malech stand einen Augenblick sprachlos da, er fixierte Merkur einen Augenblick, dann glitt ein wissendes Lächeln über sein Gesicht, „Ja sicher!“, sagte er verwundert und setzte sich fassungslos auf den nächst gelegenem Stuhl.

Ich bekam durch Zufall seine Reaktion mit, die anderen diskutierten bereits. Am lautesten Michelé, der Pierre verteidigte, da sie ihn alle verdächtigten mit seiner Mutter ein falsches Spiel zu treiben.

„Nein“, mischte ich mich ein, „Pierre würde niemals so etwas tun!“, stellte ich mich an Michelés Seite.

„Du bist voreingenommen!“, bemerkte Eric und Matt stimmte ihm zu, nicht nur die Beiden auch die anderen schienen diese Meinung zu vertreten.

„Sarah?“, fragte Corvin über den Raum hinweg, „Sei ganz neutral, traust du Pierre solch ein Unterfangen zu?“, ich wollte sofort antworten, doch Corvin hob die Hand und gebot mir zu warten, „Denk nach, bevor du antwortest, wäge alles ab, bitte.“, setzte er lächelnd hinzu.

So nahm ich mir einen Moment und kam nur zu einem Ergebnis, ich sah auf zum Boss, er wartete geduldig auf meine Antwort, „Nein, Corvin man kann Pierre einiges nachsagen, aber er glaubt an dem Programm für dem du einstehst. Nein, niemals würde er Mensch noch Vampir absichtlich Schaden zufügen. Ich gehe sogar weiter und behaupte seine Mutter steckt allein dahinter, vielmehr mit einem Verbündeten, denn Pierre behält die Finanzen im Auge, seine Mutter besitzt kein eigenes Vermögen mehr.“ Corvin sagte kein Wort sah mich nur an.

„Stimmt!“, nickte Michelé, „Sie hat ihr Geld verpulvert und bekommt von Pierre ein schmales Budget. Oft genug hat sie sich beschwert, welch knickriger Sohn ihrem Schoß entsprungen sei.“

Noch immer schaute Corvin mich an, inzwischen wusste ich nicht mehr wohin ich meine Blicke wenden sollte, er machte mich nervös. Gerade in diesem Augenblick grinste er! Er tat es mit voller Absicht, dieser Lump! Dabei sollte er sich lieber auf die neuen Informationen konzentrieren.

„Na gut, dann ist Pierre bis auf Weiteres außen vor. Ich denke wie Sarah es muss einen Partner geben, fragt sich nur wer, dies sollten wir schnellstens herausfinden. Vlad hinterfrage deine Kontakte in Frankreich, ein häufiger Gast, vielleicht besuchte Namine jemanden besonders oft. Jeder Hinweis ist hilfreich.“

Ein Kontakt in Frankreich? Wohl eher ein Spion! Warum gerade in Frankreich? Die Frage konnte ich mir leicht beantworten, Vater und sein Kontrollzwang, er musste wissen, was ich dort tat.

Vater sah mir meine Schlussfolgerungen an der Nasenspitze an, er zuckte lediglich einen Mundwinkel hoch und verschwand ohne Muse. Diese ergriff das Wort, „Da kann ich dir auch ohne Spion helfen, Corvin. Ciaran reiste in den letzten Jahren häufig nach Frankreich.“

„Ja ich weiß, es ist kein Geheimnis.“, antwortete Corvin zu meiner Überraschung. Diesmal blieb ich ruhig, kein Magenziehen brandete durch meinen Körper, es war Corvin der in Ciarans Gemach kam und mit mir schlief.

Sein warmer Blick umfing mich einige Sekunden, dann wandte er sich Muse zu, „Woher sind dir Ciarans Reiseziele bekannt?“

Sie lächelte verhalten, „Nachdem ich mich für deine Sache entschied, hielt ich Augen und Ohren auf. Sie denken ich bin eine schwachsinnige Dichterin, was ja zum Teil auch zutrifft, darüber vergaßen sie meine oft genug meine Anwesenheit, so bekam ich vieles mit.“

„Ah Vlad´s unbekannter Spion, ich verstehe, so fing es also mit euch an.“

„Wie immer ziehst du die richtigen Schlüsse!“, nickte Muse.

„Michelé was denkst du wie wird Pierre reagieren, wenn er von den Untaten seiner Mutter erfährt?“, wollte Corvin wissen.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht“, antwortete Michelé bedrückt. „Lydia besitzt sein Ohr, wie gesagt ihr traue ich einiges zu.“

„Hm“, marschierte Corvin durch sein Gemach, „Das herauszufinden, wird unsere erste Aufgabe sein. Michelé würdest du Sarahs Leibwache übernehmen?“

„Ich?“, fragte er erstaunt nach, „Du vertraust mir deine Frau an?“

Ernsthaft studierte Corvin Michelés Miene, „Ja!“

„Ich werde sie mit meinen Leben verteidigen!“, klang es wie ein Schwur.

„Ich weiß!“, lautete Corvins Antwort.

„He Moment mal! Als Erstes kann ich sehr gut auf mich selbst aufpassen…“

„Als Zweites kannst du deine Klappe nicht halten, als Drittes geistert in deinem hübschen Köpfchen viel zu viel herum, worauf unter Garantie haarsträubende Handlungen folgen. Nein mein Schatz Michelé ist der ideale Leibwächter für dich. Einerseits kennt er dich, andererseits kannst du ihn nicht um den kleinen Finger wickeln, wie manch anderen in dieser Gruppe von Taugenichtsen.“, blickte er in die Runde.

Die Angesprochenen, die sich meine Freunde nannten, senkten betroffen ihre Blicke. „Du kannst mir nicht einfach einen Leibwächter stellen, dann müsste ja Einer gehen!“, trumpfte ich auf, „Jedes Ratsmitglied darf nur eine bestimmte Anzahl an Leibwächter haben.“, erinnerte ich ihn schadenfroh.

„Was durchaus stimmt, niemals würde ich diese Regel brechen, mit Michelé sind wir wieder komplett.“

„Wieso wer geht denn?“, ahnte ich bereits seine Antwort voraus.

„Du als meine Frau wirst natürlich keinen Dienst mehr verrichten!“ Da war es! Er verfrachtete mich in die Riege der schönen nutzlosen Artefakte ein. Kostbar ausstaffiert sollte ich von nun an als Dekoration herhalten. Aber nicht mit mir, begehrte ich auf.

Corvin blieb unerbittlich, vor meinen Freunden wies er mich in meine Schranken. „Du bist nun einmal meine Frau, Sarah und als diese wirst du dich entsprechend verhalten.“, beendete er den kaum begonnenen Disput.

„Das werden wir ja sehen!“, drehte ich ihm den Rücken zu.

Seine nächsten Worte ließen mich vor Wut erstarren, „Michelé falls meine Frau rebelliert und ich bin sicher sie wird, darfst du sie während ich im Rat sitze disziplinieren.“

„Äh… Corvin ich weiß nicht ob ich der Richtige für diese Aufgabe bin, nimm doch lieber einen anderen, Matt, Eric…“, ich musste mich einfach umsehen, wie erwartet schüttelten sie vehement die Köpfe, „Peer?“, versuchte es Michelé bei dem ernsten Krieger, der hob abwehrend die Hände, „Nein Michelé, unser Boss hat recht, wir stehen Sarah zu nahe.“

„Ach und ihr denkt ich kann…“, Michelé begutachtete mich frustriert, „sie in ihre Schranken weisen?“ Jede Wette er wollte etwas anderes sagen, er sah mich an als wäre ich ein wildes Tier, das gezähmt werden musste. Gut so! Einfach wollte ich es ihm bestimmt nicht machen.

Corvin glitt geräuschlos in mein Blickfeld, „Solltest du versagen Michelé wirst du die Konsequenzen tragen.“, er meinte Michelé und sagte es mir. Die unverhohlene Drohung kam an, Corvin kannte mich gut genug um zu wissen, wie ich mich verhalten würde.

Meinetwegen sollte Michelé keinen Ärger bekommen. Dann musste ich mir eben etwas anderes einfallen lassen. Sein Lächeln bedeutete nur eines, der Boss nahm die Herausforderung an, Stolz reckte ich mein Kinn vor. Na wir werden sehen wer am Ende den Kürzeren zog, so leicht ließ ich mich nicht in eine Ecke drängen.

Schmunzelnd wandte sich Corvin um, „Nun sollten wir uns für die Publikation des neuestens Werkes Kahlafs herrichten. Wir sehen uns in einer Stunde!“, verabschiedete er seine Leibwächter, wozu ich seiner Meinung nach nicht mehr gehörte.

„Stimmt!“, sagte er, nachdem wir allein waren. „Heute beginnt für dich ein neuer Abschnitt Sarah an meiner Seite.“

„Pah!“, meuterte ich knurrig, „Lange halten mich die eingebildeten Weiber sowieso nicht aus, genau wie du. In diesem Punkt muss ich Alischa zustimmen in ein paar Tagen öde ich dich an. Du Corvin Sardovan bist einfach nicht geschaffen für eine monogame Beziehung. Mein einziger Lichtschein im Augenblick, ich darf Lydia ein wenig auf die Füße treten. Sag mal stehst du in der Riege der Ratsmitglieder nicht höher als Pierre?“

Er lachte laut auf, „Du bist unglaublich Sarah! Anstatt dir Sorgen zu machen inwieweit Lydia in Naminas Machenschaften verstrickt ist, willst du ihr lediglich das Leben erschweren.“

„Lydia ist eine hohle Nuss und Pierres Mutter eine gerissene Spinne, die viele Fäden in ihren gierigen kleinen Händen hält. Sie benutzt Lydia, um ihren Sohn zu steuern, zu mehr taugt Lydia nicht.“

„Wenn du dich da mal nicht irrst“, strich er sich überlegend das Kinn, die leisen Kratzgeräusche erinnerten ihn wahrscheinlich an eine Rasur, „Wir müssen uns beeilen, schnell ins Bad und dann rein ins Vergnügen. Mir gefällt nicht das ich nicht weiß, welches Bild Kahlaf heute vorstellt. Er ist in einer verstörenden Stimmung, hoffentlich konnten wir ihn überzeugen.“

 

Kapitel 35

 

Sobald wir den Flur betraten, kam die graue Maus Muses auch schon an, „Muse beauftragte mich, dir zur Hand zu gehen! Du kannst deine Frau ganz mir überlassen!“, sagte das Mäuschen resolut zu Corvin.

Mein Grinsen unterdrückend sah ich zu wie der Hochwohlgeborene, befehlsgewohnte Corvin Sardovan ohne weitere Worte ausmanövriert wurde, sie scheuchte ihn einfach davon. Sein letzter gerunzelter Blick galt mir und ich schenkte ihm ein unschuldiges Lächeln voller Schadenfreude.

Mein Grinsen verging augenblicklich als ich den Koffer bemerkte, den sie in der Hand hielt, „Oh nein!“, trat ich zurück, ohne allzu großen Erfolg, hinter mir stand wie aus dem Nichts ihre Spießgesellin.

„Dafür haben wir keine Zeit!“, versuchte ich dem entwürdigenden Schauspiel zu entkommen, „Außerdem habe ich mich regelmäßig rasiert!“, log ich ohne Gewissensbisse.

Das Mäuschen lächelte schmal, „Gewiss doch! Wir werden sehen, nun ab ins Bad, dein Mann erwartet gewissenhafte Arbeit!“

Mit großen Augen kapierte ich, dieses verfluchte Stinktier! Natürlich kuschte er nicht vor dem Mäuschen. Sicherlich lachte er sich gerade schlapp über meine Blödheit.

Diesmal ging Muses Handlanger noch gewalttätiger ans Werk, ihre einzige Entschuldigung, „Die Zeit drängt!“, damit zog sie den nächsten Wachsstreifen ab. Erst als ich ausstaffiert und das in weniger als einer Stunde vor ihr stand, räumte sie ihren Folterkasten ein. Aus einem Impuls heraus, eignete ich mir einen eingepackten Wachsstreifen an, den ich schnell unter dem Kopfkissen platzierte, dabei rezitierte ich Gedichte, nur nicht nachdenken hieß die Devise.

Trotzdem bekam der Gedankenschnüffler etwas mit, er fragte mich sofort, ob etwas vorgefallen sei. Natürlich man folterte mich mit seinem Einverständnis, lautete meine Antwort. Corvin nahm es schweigend hin, doch hinter seiner Stirn arbeitete es, was mich wiederum in eine bessere Laune versetzte. Nicht nur er konnte auf eine passende Gelegenheit warten. Ich auch!

Der Abend verlief wie erwartet, Kahlaf spannte sein Publikum auf die Folter, dann seine überraschende Eröffnung, er wolle zwei Bilder enthüllen.

Es war zu spät, um noch etwas zu unternehmen, die Bilder standen verhüllt auf den Staffeleien. Angespannt verfolgten wir Kahlafs Ausführungen, warum er dies Bild malte. Schnell erkannte ich es handelte von Vater und richtig Vlads Angesicht sah uns allen überlebensgroß entgegen.

So weit so gut, das folgende Bild gab mir Rätsel auf, Kahlaf sprach von den griechischen Göttern, sein Hauptaugenmerk galt Poseidon und Pelops. Beruhigt lehnte ich mich zurück, keine Andeutung auf Ambrosius, er sprach von Liebe und Leidenschaft. Versonnen fragte ich mich, warum sie ständig davon redeten, erst Muse nun Kahlaf. Lag es an ihrem Alter?

Erst als ein Raunen durch die Halle ging, sah ich zu Kahlaf hinüber, „Sie inspirierten mich zu diesem Bild, Poseidon und Pelops in inniger Umarmung.“, hörte ich Kahlaf während Merkur die Hülle fallen ließ.

Was ich sah, erstaunte mich, eindeutig Corvin und ich, wir Beide mit entblößten Oberkörpern umspielt von einer Brandung. Sehr lebhaft das Bild, man wartete direkt auf die nächste Welle. Ein schönes Bild fand ich, es stellte ein inniges Paar dar. Kahlafs Fantasie überraschte mich ein wenig, unsere Verlobung musste ihn dazu angeregt haben. Deshalb verstand ich Corvins Unmut nicht.

„Ist doch ganz nett das Bild“, meinte ich unschuldig. Sein giftiger Blick ließ mich verstummen.

„Du solltest das Bild gleich hier in der Halle aufhängen, Kahlaf es ist eines der Besten, die du je maltest.“ Nun wunderte ich mich! Livio fand etwas gut, obwohl ich dort abgebildet war? Etwas entging mir.

„Poseidon und Pelops!“, raunte Corvin, „Ich glaub es nicht. Wie konnte er nur?“

„Was?“, wollte ich wissen, bevor Corvin mir antworten konnte, standen alle auf. Automatisch erhob ich mich und erwartete die Antwort Corvins, stattdessen kam eine lächelnde Alischa an. „Sarah wie gut unser lieber Freund dich malte. Ja man sieht die Ähnlichkeit sofort!“, lachte sie gurrend. „Solltest du dich nach weiblichen Rundungen sehnen mein Geliebter, du weißt wo du mich findest.“ Eine Ohrfeige wäre kaum beleidigender,

„Danke aber nein danke Alischa. Meine Frau besitzt mehr Weiblichkeit, als du ahnst.“, nickte er der kalt lächelnden Alischa zu.

„Was sollte dieser Auftritt denn?“

„Du wirst es gleich erfahren, dein Bruder holt zum Schlag aus“, umarmte er mich fest, fester als es nötig war.

Livio kam grinsend auf uns zu, „Pelops? Ja? Besser konnte Kahlaf dich kaum darstellen.“, grinste er gemein, „Knaben, Corvin? Tja kein Wunder, nun verstehe ich deine Schwäche für Sarah. Knabenhafter geht es wohl kaum noch. Sie hat wirklich mehr von einem Jungen als von einer Frau.“, warf er mir einen abschätzenden Blick zu.

Wie immer traf Livio ins Schwarze, ich war mir meiner knabenhaften Figur durchaus bewusst. Es fehlte mir an Oberweite, wie sagte mein lieber Bruder zu jeder passenden Gelegenheit, „Kein Arsch und kein Tittchen, sieht aus wie´ne Bohnenstange!“ besonders spaßig fand er seinen eigenen Reim.

Er bestätigte nur meine Vermutung, was mich auch heute noch verunsicherte, entsprechend senkte ich betroffen den Blick. Corvin neben mir knurrte leise und gefährlich, „Du solltest dich vorsehen Bürschchen, meine Frau beleidigt niemand.“

Livio verzog verächtlich den Mund, „Was willst du tun? Den Sohn deines Freundes in die Mangel nehmen? Kaum! Schließlich benötigst du meinen Vater noch, aber ich stehe dir sehr gern zur Verfügung, sollte Vlad kein Hindernis darstellen.“

„Ich werde es mir merken Junge, darauf gebe ich dir mein Wort.“, trat Corvin bedrohlich einen Schritt auf Livio zu, der eilig den Rückzug antrat.

Man sah Livio seine Überraschung an, er hatte keineswegs mit Corvins aggressiver Haltung gerechnet, ich übrigens ebenso wenig. „Ist ja schon gut, Corvin! Ein kleiner Scherz unter Geschwistern, ist doch nichts Schlimmes.“, wiegelte er mit einer beruhigenden Geste ab.

„In Zukunft unterlass diese Scherze, ich finde daran nicht das Geringste lustig.“ Grollte Corvin unversöhnlich, Livio nuschelte undeutlich sein Einverständnis und verschwand in der Menge.

Später sah ich ihn an Alischas Seite, die er für den Abend nicht mehr verließ. Widerwärtiger kleiner Kerl und so was nannte sich Bruder, er passte gut zu Alischa.

Mein Partner für den heutigen Abend hingegen beruhigte sich auffallend schnell, ich vermutete eine Show dahinter, warum und wofür blieb mir verborgen. Vor allem da ich mich an eine Begebenheit erinnerte in der Corvin und Livio vertrauter miteinander umgingen.

Gerade diese Erinnerung ließ mich frösteln, sie gehörte zu meinem menschlichen Dasein und fühlte sich ganz selbstverständlich an. Meine selbstauferlegte Grenze verwischte mit jeder Stunde, seitdem Corvin sie mir aufhalste.

„Genauso sollte es sein!“, bemerkte der Horcher, dabei führte er mich zielstrebig auf die Tanzfläche, ob ich wollte oder nicht stand für ihn keineswegs zur Debatte.

Gerade seine körperliche Nähe wollte ich vermeiden, ich wusste nur zu gut wie mein Körper darauf reagierte. Corvin hingegen nutzte die Gelegenheit, er zog mich an sich und wie auf Verabredung spielte die Aufnahme ein langsames Stück.

„Was hat es denn nun mit Poseidon und Pelops auf sich?“, eröffnete ich das Gespräch, indes erweiterte ich den Abstand zwischen uns, damit ich ihn ansehen konnte.

Mit dieser kleinen Taktik kam ich leider nicht weit, bei der nächsten Drehung zog er mich an sich. „Pelops ist ein Jüngling und zeitweise Poseidons Geliebter.“ Raunte er mir ins Ohr, dabei strich sein Atem heiß über meinen Hals.

Was wiederum Bilder und Gefühle hervorrief, die ich unter allen Umständen vermeiden wollte, zudem flossen ganz automatisch Erinnerungen von Sarah Wagner ein. Ich erschrak über ihre Hingabe, die sie Corvin entgegenbrachte, eine Liebe die tief verwurzelt schien. Obwohl er sie hinterging und niederträchtig verließ, konnte sie ihre Gefühle für Corvin nicht aus dem Herzen reißen.

Im Gegenteil da keimte Hoffnung, ja sogar ein Glaube, der durch nichts zu erschüttern war, auf eine gemeinsame Zukunft. „Ja“, meinte Corvin, „Kurz vor dem Anschlag, ich erzählte es dir bereits, meine Eifersucht entpuppte sich als Seifenblase und ich konnte ihr nichts mehr entgegensetzen. Ein Blick von dir reichte, um all meine Pläne mit Alischa über Bord zu werfen. Auch Dana musste es gewusst haben, vielleicht wartete sie auf genau diesen Augenblick, um dich und unser Kind zu vernichten, um ihre Rache zu vervollständigen.“

„Wer sich das ausdachte, ein ungeborenes Leben zu zerstören, muss absolut ohne Gewissen sein. Vielleicht sollte man den Anführer der Jäger aus dieser Perspektive suchen. Viele ohne jegliche Moral kann es doch nicht geben.“

Corvin packte mich an den Schultern und schaute mich perplex an, „Aus dieser Warte habe ich es noch nie gesehen. Himmel Sarah ich liebe dich und deine spontanen Gedanken! Dort hinten ist Henry, wir sollten es ihm sofort mitteilen.“ Steuerte Corvin uns tanzend auf Henry zu.

Unser Freund verstand sofort und zählte gleich eins und eins zusammen, „Da bleiben wahrlich nicht viele Vampire übrig, nicht mehr als eine Handvoll und diese werde ich gleich überprüfen. Wo ist Vlad ich benötige seine Hilfe.“

Wir sahen uns um, er tanzte gerade mit Muse, keiner von uns brachte es zustande, das selbstvergessene Paar zu stören. „Himmel sie lieben sich wirklich!“, konnte ich nicht glauben, was ich sah.

„Natürlich! Was dachtest du denn?“, fragte Henry pikiert.

„Naja, jedenfalls nicht diese entrückte Hingabe.“ Wusste ich es nicht besser auszudrücken, aber Henry verstand was ich meinte. Er seufzte, „Ja so sollte es sein. Ihr habt noch einen langen Weg bis ihr dazugehört.“

„Träumer!“, meinte ich lachend.

„Warte es ab, ich habe nicht vor, allzu lange auf diesen Augenblick zu warten.“ Sagte Corvin zuversichtlich.

Henry klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter, „Mit meiner Unterstützung kannst du rechnen!“, feixte er in meine Richtung, was ich völlig ignorierte und auf unser Gespräch zurückkam „Dann helfen wir dir!“

„Oh nein meine Kleine, lass du dich von deinem Mann entführen danach verführen. Auf ein paar Stunden kommt es nicht an.“ Schob er Corvin und mich auf die Tanzfläche zurück.

„Danke mein Freund“, schmunzelte Corvin mich an sich ziehend. „So du denkst also, wir werden niemals solch ein Paar?“ fragte er.

„So ist es! Es wäre einfach lachhaft, stell dir dich nur vor, du mit verklärten Ausdruck mich anhimmelnd, nein nicht auszudenken.“, lachte ich über diesen unsinnigen Gedanken.

Corvin dagegen lachte nicht, „Meinst du so?“, veränderte er seinen Ausdruck, in meinen Magen tanzten hunderte kleine Teufel Samba. „Das ist doch Blödsinn!“, meinte ich mit trockener Kehle seinen Blicken ausweichend.

„Sieh mich an Sarah!“, forderte er leise.

Hilfesuchend schaute ich mich um und schnappte den aufmerksamen Blick Matt´s auf, ein kurzes Nicken reichte und er kam zu uns.

Corvin mit sturmumwölkter Stirn fuhr ihn sofort an, „Verschwinde!“, knurrte er gefährlich, an mich gewandt, „Musst du deine Freunde hineinziehen? Dies ist eine Angelegenheit, die nur uns angeht, halte sie zukünftig heraus.“

„Ach ja?“, musste ich meine Stimme, unter Kontrolle halten, „Weißt du, du erzählst mir Geschichten, versicherst mir deine Liebe und ich soll all das schlucken. Wann fragtest du je nach meiner Meinung, meinen Gefühlen, meinen Wünschen? Wenn du wirklich etwas für mich empfindest, würdest du darauf Rücksicht nehmen. Ich werde eine gewisse Zeit dieses Theater mitspielen, aber dann Corvin Sardovan sind wir geschiedene Leute. So das ist alles und damit ist das Thema ein für allemal erledigt.“ Holte ich tief Luft.

„Ganz wie die Dame wünscht, hoffentlich sind deine schauspielerischen Fähigkeiten in Zukunft besser als deine momentane Vorstellung. Im Augenblick sind wir wieder einmal Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit.“

Wie er sagte, richteten sich die Blicke Anwesenden auf uns, sie sahen noch nicht einmal verlegen zur Seite. Nein sie schauten neugierig geradezu lüstern wartend auf Weiteres. Verfluchte Bande sollten sie doch erst einmal vor ihrer eigenen Tür kehren.

„Das Schauspiel ist vorbei!“, verbeugte sich Corvin theatralisch um mich sodann tanzend an den Rand der Tanzfläche zu führen. Direkt vor den besorgten Augen meines Vaters.

„Kannst du dich irgendwann einmal entscheiden Kind? Erst verlobst du dich, bist glücklich um im nächsten Moment über deinen zukünftigen Mann herzufallen.“ Sein leiser vorgetragener Vorwurf traf mich hart, ich konnte kein Wort entgegnen, durfte es nicht, verfluchter Corvin Sardovan das zahle ich dir heim, schwor ich mir.

Muse trat lächelnd vor, „Aber Vlad, in jeder Beziehung gibt es Streitigkeiten, gerade bei einem willensstarken Paar wird es häufig vorkommen, du solltest dich heraushalten.“ Legte sie ihre Hand in seine, völlig besänftigt nickte Vater, „Entschuldige mein Kind trotzdem solltest du dich besser anpassen, dein Verlobter ist Ratsmitglied und steht somit in der Öffentlichkeit. Allein aus diesem Grunde solltest du deine Meinung hinunterschlucken und fügsam an seiner Seite stehen.“

Mit großen Augen starrte ich Vater an, hörte ich gerade richtig? Bevor ich etwas entgegnen konnte, fiel mir Muses eingefrorenes Lächeln auf, mit liebreizender Stimme fragte sie, „Wie meintest du?“

Vater völlig unbedacht sagte, „Ich meine Sarah sollte ihren Ärger hinunterschlucken und ihrem zukünftigen Mann eine gute verständnisvolle Frau sein.“

„Ach ja?“ in Muses Augen tanzte ein Sturm, diesmal fiel es meinen Vater auf, er streckte sich zur vollen Größe und reckte sein Kinn vor, „Ja!“ bestätigte er fest.

„Nur damit ich dich richtig verstehe mein Lieber, du denkst eine Frau sollte fügsam alle Entscheidungen ihres Mannes kommentarlos hinnehmen?“

„In bestimmten Situationen, ja! Was Später hinter verschlossenen Türen geschieht ist eine andere Sache.“

„Gilt es nur für den weiblichen Part oder auch für den Männlichen?“, wollte Muse liebreizend wissen.

„Wie gesagt es kommt auf die Situation und den Vorfall an, meine Liebe. Ich verstehe deine Fragen nicht, worauf willst du hinaus?“

Bemerkte Vater die Stimmung Muses einfach nicht oder wollte er es nicht sehen? Jedenfalls stellte er sich auf eine Konfrontation ein, sein gesamtes Gebaren deutete darauf hin, ebenso wie Muse in ihrer Miene fehlte jegliche Wärme.

Führte mein Disput mit Corvin zwischen ihnen zum Streit? Das wollte ich nicht! „Vater! Muse!“, ein Blick von ihnen ließ mich schweigen und mein ach so bezaubernder Verlobter grunzte amüsiert.

„Lass sie“, meinte er, „man sollte niemals zwischen den Fronten eines streitenden Paares geraten.“ Zog er mich von ihnen fort.

„Aber sie streiten sich meinetwegen!“, stemmte ich mich gegen ihn.

„Kaum, dieser Disput war schon lange fällig. Dein Vater besitzt einige veraltete Vorstellungen die Muse bisher hinnahm, du warst lediglich der Auslöser.“

Beklommen blickte ich zurück, sie standen sich gegenüber und maßen sich wortlos. „Sarah es wird schon wieder, die Beiden lieben sich und werden ihren Konflikt schon beilegen.“

„Und wenn nicht?“, fragte ich beklommen nach.

Corvin schaute erst zu dem Paar dann zu mir, ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, „Du bist zu ängstlich Sarah, ein Streit bedeutet nicht das Ende einer Liebe. Ja sie werden sich fetzen, und zwar gewaltig, am Ende werden sie sich zusammenraufen, so ist es nun einmal.“

„Aus deinem Mund hört sich das an als wäre es das Normalste auf der Welt.“

„Ist es ja auch“, zuckte er mit den Schultern, „Bei Paaren gibt es Meinungsverschiedenheiten, wenn diese nie angesprochen werden, grollt einer innerlich und das ist für keine Beziehung gesund.“

„Richtig!“, stimmte eine leise Stimme zu, „Vlad und Muse werden in spätestens zwei Minuten die Halle verlassen. Ich wette sie gehen hinaus in den Park und suchen ein abgeschiedenes Örtchen auf.“, die Frau eine langhaarige Blondine mit Augen so Blau, die selbst Henrys in den Schatten stellten, lächelte Corvin betörend mit sinnlichen roten Lippen an. Selbst ich sah das sie keine künstliche Unterstreichung benötigte.

„Charly! Seit wann bist du denn hier?“, begrüßte Corvin sie überschwänglich und drückte ihr einen Kuss auf den Puppenmund. Umarmten sie sich einen Moment zu lang? Lag darin nicht eine intime Vertrautheit? Ich mochte sie nicht!

Corvins Kopf drehte sich ruckartig zu mir, er schaute mich mit einem seltsamen Blick an, während die Blonde antwortete, „Seit gestern und was erfahre ich, mein liebster Freund ist nicht da, sondern mit seiner Verlobten auf und davon. Wie soll ich das deuten du Schlawiner?“, streichelte sie ungeniert seine Brust.

„Genau so wie man es dir mitteilte, meine Schöne.“ Beäugte er sie eingehend, mit einem Blick der meine Nackenhaare pfeilspitz aufrichtete. Sie schienen selbstvergessen einander zu betrachten.

Na toll! Da kommt eine seiner Gespielinnen, sie flirteten ohne jegliche Scham und ich, ich stand nur dumm da. Sollte ich mir das Gefallen lassen? In dem Augenblick als ich mich fragte kannte ich bereits die Antwort. Ja! Wie konnte ich gegen solch eine Schönheit antreten? Alia, sie besaß die den gleichen Liebreiz, die Macht Männeraugen in solch einem Maß aufblitzen zu lassen. Nur zu gut wusste ich, wo meine Grenzen lagen.

„Wie sieht es aus Corvin, gönnst du mir einen Tanz?“, fragte die Schönheit mit samtiger Stimme. Allein für diese Stimme könnte ich sie töten.

„Nicht Heute, Darling, denn dieser Abend gehört meiner Verlobten Sarah.“, er wusste genau wo ich stand, ohne sich auch nur einmal umzudrehen, fasste er meine Hand und zog mich an sich, „Sarah, das ist Charly eine alte Freundin. Charly meine Verlobte.“

„Dann ist es also wahr? Kein Scherz? Corvin Sardovan hat sich einfangen lassen!“, zwinkerte sie ihm schelmisch zu, an mich gewandt, dabei studierte sie mich von oben bis unten, meinte sie, „Gratuliere du hast den Fang des Jahrhunderts gemacht. Viele Frauen, menschliche wie vampirische werden Trauer über den Verlust tragen.“

„Das kann ich mir vorstellen, er ist ja wirklich ein Leckerbissen!“, entgegnete ich spitz. Corvins Griff wurde fester, eine Warnung, die ich missachtete, „Willst du dich direkt umziehen? Schwarz wird deine sauerstoffblonden Haare besonders hervorheben.“

Charly reagierte ganz anders als ich dachte, sie lachte schallend auf, „Nein Schwarz lässt mich kalkweiß erscheinen, absolut nicht meine Farbe. Wir sehen uns noch und ich freue mich darauf. Corvin verzieh dein Gesicht nicht so, deine Verlobte hat mich in meine Schranken gewiesen und recht hat sie, wir sind zu weit gegangen in ihrer Gegenwart.“, fügte sie schmeichelnd hinzu, die versteckte Drohung dahinter ließ mich zusammenzucken.

Wortlos sah ich der schlanken Silhouette nach, so sie wollte also meinen Verlobten! Von mir aus konnte sie ihn haben, aber erst, nachdem ich die Verlobung aufhob.

„Hörst du dir gelegentlich beim Denken zu?“, grinste der Mann an meiner Seite süffisant.

„Aber ja! Eines will ich dir sagen, fängst du was mit der Blonden an, bevor ich mit dir fertig bin, schwöre ich dir dich zu entmannen.“, säuselte ich ihm Charlys kehligen Ton nachahmend ins Ohr.

„Höre ich da Eifersucht heraus?“, grunzte er zufrieden.

„Quatsch! Ich lasse mir nur nicht nachsagen, meinen Verlobten mit jedem dahergelaufenen Luder zu teilen.“

„Ach, bei Pierre tatest du es!“ stellte er sachlich fest.

„Pierre“, winkte ich ab, „ist was ganz anderes, jetzt sind wir in aller Augen verlobt, für dich bedeutet es, deine Gelüste unter Kontrolle zu halten. Jede Frau außer ich ist tabu, ansonsten löse ich die Verlobung schneller als du dich deiner Hose entledigst.“ Meinte ich jedes Wort ernst, einen Liebhaber konnte man teilen, einen Verlobten dagegen auf keinen Fall. Ansonsten geriet man sehr schnell in den Ruf keinen Mann halten zu können. In dieser frivolen Gesellschaft bedeutete ein Eheversprechen sehr viel.

„Wenn ich darauf eingehe, wirst du meine Liebe, dich ebenso entsprechend verhalten.“ Grollte Corvin leise.

„Schon klar, das setze ich voraus“, stimmte ich zu. Dabei kroch ein beklemmendes Gefühl der Beklemmung in mir hoch, noch während ich überlegte was es damit auf sich hatte, bekam ich meine Antwort.

„In jeder Hinsicht“, fügte Corvin hinzu und zog mich an sich, dabei glitt eine Hand sinnlich über meinen Rücken hinunter zum Po, seine Falle schnappte zu, „In jeder Hinsicht!“

„Solange wir beobachtet werden, sicher.“ Schlang ich meine Arme um seinen Hals, „Aber sobald wir allein sind, halte dich fern von mir, verstanden!“, schmiegte ich mich verheißungsvoll an ihn.

„Wir werden sehen, schließlich verlangst du von mir meine Triebe zu unterdrücken, einer wird sie Stillen müssen Sarah und da ich dir mein Wort gab kein anderes weibliches Wesen aufzusuchen, werde ich mich an das Einzige mir zugängliche halten.“

Kapitel 36

Mit einem lauten Knall schnappte die Falle, in die ich mich selbst hinein manövrierte, zu. Niemals sollte man mit diesem Vampir verhandeln oder Abkommen abschließen, jedenfalls nicht, ohne vorher alle erdenklichen Gefahren auszuloten. Ich stand zu meinem Wort, so nickte ich nur.

Corvin nahm seinen Sieg gelassen hin, er schlenderte mit mir an seiner Seite zu vielen Verbündeten und unterhielt sich mit ihnen. Die Unterhaltung drehte sich um alles, nur nicht um Politik.

Wieso fragte ich mich unwillkürlich, als Corvin zum nächsten Ratsmitglied ging, klärte er mich ungefragt auf. „Weil dies ein vergnügliches Beisammensein ist, Politik ist tabu.“

„Aber das ist doch lachhaft, ich habe genug Partys besucht, Politik gehörte zu den beliebtesten Gesprächsthemen.“

„Ja auf irgendeiner Party, aber nicht im Machtzentrum selbst. Ah da ist ja dein Bruder, diesmal ohne seine gestrenge Ahnherrin“, steuerte er direkt auf Livio zu, „Nun mein junger Freund wie gefällt dir die neue Behausung des Rates?“, fragte Corvin freundlich nach.

Livio lächelte kühl, „Ein altes Gemäuer mehr kann ich dazu nicht sagen, sie gleichen sich alle.“ Er konzentrierte sich ausschließlich auf Corvin, mich übersah er völlig.

„Mag sein Livio, aber wir Alten ziehen nun einmal die alten Gebäude vor.“

„Du sagst es mein Schatz, ich persönlich finde dieses Anwesen äußerst ansprechend und dann die Nähe der Alhambra. Meinst du, die Weisheit, die einst dort vorherrschte, färbt auf uns, den Rat ab?“ Alischa drängte sich an Corvins freie Seite, dabei streichelte sie ungeniert über seine Brust, er hielt ihre Hand fest, „Alischa du solltest derartige Anzüglichkeiten unterlassen, meine Verlobte kann äußerst schnell die Geduld verlieren. Zudem finde ich deine Unschicklichkeit unpassend.“

„Ach die Kleine wird es hinnehmen müssen“, winkte sie lässig ab, „Und wir wissen doch, wie sehr du meinen Körper begehrst.“

„So wissen wir das?“, hob Corvin fragend eine Braue hoch, in seinem Blick fehlte jegliche Wärme. „Es ist vorbei Alischa, schon lange, solltest du es nochmals wagen, mich in dieser Art zu belästigen, werde ich dich auch so behandeln.“

Alischa ließ sich weder durch sein Benehmen noch durch seine Worte einschüchtern, sie lächelte geringschätzig, „Du irrst dich, es ist erst vorbei, wenn ich es sage. Im Augenblick gestehe ich dir lediglich eine Auszeit mit der dahergelaufenen Person zu.“

Livos Grinsen gefror zu einer Maske als er die Stimme unseres Vaters vernahm, Corvin versteifte sich und Alischa zuckte merklich zusammen.

„Wie immer kannst du keine Tatsachen akzeptieren Mutter. Ich habe dich gewarnt meiner Tochter mit fehlenden Respekt zu begegnen. Willst du unbedingt eine erneute Familienfehde heraufbeschwören?“

Der gesamte Saal hielt inne, das augenblickliche Schweigen, die folgende Stille drückte einen nieder, wie von Zauberhand glitten einige Gestalten hinter Vater. Ich erkannte Kahlaf, Merkur sowie Ratsmitglieder und natürlich unsere Leibwächter, sogar Michelé stellte sich mit ernster Miene dazu, als würde er schon immer zu den Sardovans gehören.

Alischa blickte sich kurz um, keiner der ihren wagte sich vor, Livio sah demütig zu Boden, sie stand allein da. Kleine rote Flecken erschienen an Hals und Wangen, ihre Lippen pressten sich schmal aufeinander, die Augen sprühten Blitze, „Nicht doch mein Sohn, man darf doch berechtigte Zweifel äußern. Gerade du vertrittst die Auffassung ein jeder habe eine Stimme und Meinung, nur mir verwehrst du dieses Recht.“

„Ganz und gar nicht, Mutter“, erwiderte Vater kalt, „deine Äußerungen haben merkwürdigerweise einen schalen Beigeschmack, Verleugnung würde ich sagen.“

Alischa lächelte geziert, eine unschuldige Miene begleitete das Lächeln, „Ach was du nicht sagst mein geliebter Sohn“, schmeichelte ihre Stimme. Sie liebte Vlad wurde mir bewusst, sie liebte ihren Sohn, obwohl er sie unentwegt bekämpfte.

„Du kannst deine zauberhafte Stimme einpacken, niemand außerhalb dieses Kreises kann dich hören und wir sind alle immun gegen deine Manipulation, erspare uns deine mäßigen Schauspielkünste.“, gegen Alischas himmlischen Tönen wirkte Kahlafs ansonsten samtige Stimme misstönend.

Ein kalter Schauer spülte über mich hinweg, ich nahm Corvins festen Griff wahr, die Erkenntnis traf mich bis ins Mark. Kahlaf irrte sich, Alischa konnte mich beeinflussen.

„Nur ruhig, dafür bin ich ja da!“, raunte Corvin mir leise zu.

Was wenn er gerade mal nicht erreichbar war? Fröstelnd zog ich die Schultern ein, ich mochte mir gar nicht vorstellen, was Alischa mit mir anstellen konnte. Jedes Wort ihrer lügnerischen Stimme würde ich für bare Münze halten.

Die Ansammlung löste sich so schnell auf, wie sie sich bildete, lautlos geradezu gespenstisch. Alischa und Livio rührten sich nicht, wir standen wieder zu viert da. „Vielleicht änderst du ja deine Meinung über alte Bauten noch, Livio.“ Sagte Corvin als wäre nicht das Geringste geschehen.

„Kaum!“, nickte er Corvin zu, nahm seine Großmutter am Arm und führte sie fort.

„Damit rechnete sie nicht!“, rieb sich Corvin zufrieden die Hände.

Weder konnte ich seine Reaktion noch Alischas Vorgehen verstehen. Nur eines wurde mir deutlich bewusst, meine Unzulänglichkeit.

„Du gehst zu hart mit dir ins Gericht, meine Süße. Andere in deinem Alter hätten Alischa lautstark unterstützt.“

„Ja wieso tat ich es nicht? Ich glaubte wirklich sie liebt ihren Sohn!“ Corvin schaute mich ohne jegliche Regung an, „Wer weiß“, murmelte er mit unruhigen Blick.

„Du!“, sprach ich meinen spontanen Verdacht aus, „Du verdammter Bastard hast mich erneut manipuliert.“

„Was solls? Ich wollte die Situation so reibungslos wie möglich hinter uns bringen.“

„Ach ja? Warum gingst du dann auf Livio zu? Er versuchte, uns den gesamten Abend aus dem Weg zu gehen.“

Corvin grinste, „Dir entgeht auch nichts, ich musste etwas in Erfahrung bringen.“

„Was?“, wollte ich wissen.

„Nein meine Schöne, es bleibt mein Geheimnis. Wollen wir uns noch einmal auf die Tanzfläche stürzen?“

„Danke nein ich habe keine Lust mehr.“, drehte ich mich beleidigt von ihm weg.

„Ist mir auch lieber. Dann gehen wir also in unser heimeliges Bett!“, grunzte er brünstig.

Ich schnellte herum, „Du kannst wohin auch immer gehen, ich werde mich bei Henry einquartieren!“

„Meinst du, ja?“, grollte er leise, „aber daraus wird nichts! Du wirst in jeder Lage meines Lebens an meiner Seite bleiben. Dabei schätze ich die horizontale Lage besonders.“ Noch während er die unverschämten Worte sprach, bugsierte er mich auf das Treppenhaus zu.

Entweder ich wehrte mich mit aller Kraft, was wieder einmal die Aufmerksamkeit auf mich zog. Oder ich ließ mich abführen, damit ich hinter verschlossener Tür die Krallen ausfahren konnte. Ich entschied mich für einen Kampf unter vier Augen.

„Gut so!“, lobte Corvin, trotzdem lockerte er seinen Griff keine Sekunde. „Ich bekomme noch blaue Flecken“, versuchte ich es mit jammervollen Ton.

Er grinste, „Bestehst du neuerdings aus Zucker?“

Den Rest des Weges verbrachten wir schweigend, ich wagte noch nicht einmal, an eine Flucht zu denken, er bespitzelte mich unter Garantie. Deshalb beschimpfte ich ihn in allen Sprachen, derer ich mächtig war. Eine Sprache reichte keineswegs aus, nach meiner Meinung. Corvin zeigte keinerlei Reaktion, aber er verstellte sich mutmaßte ich, wollte mich in Sicherheit wiegen. Nicht mit mir!

In seinem Gemach ließ er mich abrupt los und setzte sich an seinen Schreibtisch. Wie er fiel nicht über mich her? Nein er ignorierte mich vollständig, was mir auch nicht passte. Ich wusste nicht, was mich wütender machte, stampfte ich hinüber in den anderen Raum.

Das riesige Bett verhöhnte mich, die durcheinandergewürfelte Kleidung tat es. Wie schaffte es der verfluchte Vampir, Ordnung zu halten? Nicht ein Stück seiner Sachen lag herum. Sogar die neuen Kleiderschränke beinhalteten bereits seine Garderobe. Unverzüglich begann ich, meine Klamotten einzuräumen.

Viele mir unbekannte Kleider, Hosen und Blusen räumte ich ein, gelegentlich fragte ich mich woher sie kamen. Alia suchte sie bestimmt nicht aus, zu einfach geschnitten würde sie wohl sagen. Im Grunde wusste ich, wer sie besorgte, verbot mir aber, den Gedanken weiter zu formen. Es kam keinesfalls infrage, an ihm etwas Positives zu sehen.

Wohin mit der Tasche mit den Videobändern? Sie machte unbeachtet den Umzug von oben hier herunter mit. Morgen frage ich Malech, vielleicht kann er mit den Bändern etwas anfangen, legte ich die Tasche auf das Bett, damit ich sie nicht wieder vergaß.

Endlich lichtete sich das Durcheinander, der Raum nahm langsam Gestalt an. Henry besorgte sogar ein kleines Schränkchen mit Spiegel, worin ich meine Bürsten, Haarnadeln und die Cremes und Tiegelchen von Muse, verstauen konnte. Vorher ging der Schrank in der Verwüstung unter, sowie die zwei Sessel mit Tisch. Das Zimmer wirkte beinahe behaglich, vielleicht sollte ich Kahlaf nach ein paar Bildern fragen, sah ich mich um und entdeckte Corvin, der in der nun offenen Tür stand.

„Schön das du anfängst, die Räume gemütlicher zu planen“, meinte er im versöhnlichen Ton.

„Wenn ich hier schon leben muss, möchte ich mich auch wohlfühlen. Andererseits denke ich, der Aufwand lohnt sich kaum, da wir die Verlobung so bald wie möglich lösen.“

Corvin beachtete meine Schroffheit nicht, noch ging er auf meine Worte ein, „Bilder allein werden kaum reichen, was denkst du, wir könnten dem Markt einen Besuch abstatten. Dort finden wir gewiss einiges.“

„Es sind deine Räume, gestalte sie wie du willst!“, sah ich hinaus, der Morgen kündete sich mit aller Macht an, in einer Stunde würde der Run auf die Duschen losgehen. Corvin den Rücken zukehrend, löste ich die Frisur und legte die verzierten Nadeln vorsichtig in das Kästchen. Wie seltsam dachte ich, der Strass glitzert trotz des geringen Lichteinfalls.

„Ich denke ich gehe jetzt duschen, wärest du so nett das Kleid zu öffnen, ich möchte um diese Uhrzeit niemanden stören.“

Sofort stand Corvin hinter mir, „Ist es nicht die Aufgabe eines Verlobten, seine Braut aus all den Bahnen zu schälen? Stück für Stück freizulegen, damit er sich an ihrer Pracht weiden kann? Zuerst der nackte Rücken“, öffnete er quälend langsam die Bänder, „die Linie des Nackens hinunter wird frei, der Ansatz einer Wölbung wird sichtbar. Man weiß was einem erwartet, ein fester Po, seidenweiche Haut. Man fragt sich, soll ich sie berühren? Einen Kuss riskieren? Dort im Nacken vielleicht, wo sich das Haar leicht kräuselt? Oder dort in der Beuge, die einem magisch anzieht. Nein ich warte, schaue der Geliebten verheißungsvoll in die Augen, ist sie bereit?“, sah er mich tatsächlich im Spiegel an.

„Willst du ein Buch über Verführungskünste schreiben? Dann solltest du mehr bieten.“ Meinte ich kaltschnäuzig.

Er grinste, „Keine schlechte Idee und ich nenne es, der Eisbrocken. Wie bekomme ich also diesen Eisklumpen zum Schmelzen? Ah ich habe es, schließlich kenne ich die geheimen Auslöser“, wirbelte er mich herum, „Dort am Hals, in der Nähe des Pulses, eine leichte Berührung, ein Hauch warmen Atem, vorher jedoch, vorher umschließe ich ihr Gesicht mit meinen Händen, sacht damit sie ihren Kopf hineinschmiegen kann“, tat er wie gesagt.

„Was für ein Blödsinn“, wollte ich ihn fortschieben, ohne Erfolg.

„Wirklich?“, fragte er herausfordernd, „Na dann versuche ich eine andere Methode, ich ziehe sie an mich heran und überwältige sie einfach mit meinem Ungestüm. Küsse dich bis deine Lippen wund werden, streichle dich, bis du vor Verlangen vergehst. Ich lasse dir nicht die geringste Chance, nein zu sagen“, wurde sein Blick dunkler.

„So was nennt man Vergewaltigung!“

„Aber nicht wenn du vor Verlangen mehr einforderst“, hatte er denn zu jeder Entgegnung eine Antwort?

„Ich bemühe mich“, lächelte er ungezwungen.

War dies der echte Corvin Sardovan, fragte ich mich unbeabsichtigt und verbot mir sofort den Gedankengang. Zu spät, nach seinem amüsierten Ausdruck, „In deiner Nähe bin ich immer ich selbst, ein Verdienst, der allein dir gebührt.“

„Ha das ich nicht lache! Was war denn vorhin?“

„Wenn du mich derart herausforderst! Aber nun genug der Worte, du zerstörst mit deiner Skepsis den romantischen Augenblick.“

„Ach, wo ist denn die Roman…“, weiter kam ich nicht, er verschloss mir einfach den Mund mit seinem Kuss. Wie er vorhersagte bestürmte er mich und bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, lagen wir im Bett und ich kraulte bereits hingebungsvoll sein Haar.

Wie brachte es der Vampir nur zustande, mich derart vergessen zu lassen, was ich nicht wollte, versuchte ich mich auf etwas anders zu konzentrieren, als seine Lippen, die meinen Busen liebkosten. Da sah ich es, die Tasche mit den Videobändern lag auf der Seite, wahrscheinlich umgekippt als wir im Bett landeten, das Pfefferspray lachte mich richtiggehend an.

Gesehen und getan, er bekam die volle Ladung ab. Corvin sprang vor Schreck aus dem Bett, aus tränenden Augen sah er mich anklagend an, „Du hinterhältiger kleiner Satansbraten, dafür bezahlst du!“, schrie er mich unter Hustenanfällen an.

Die Gelegenheit nutzte ich und bemächtigte mich des Teasers, sollte er nur kommen, mit seinen verquollenen Augen konnte er sowieso kaum etwas sehen, frohlockte ich. Heute Nacht siegte ich!

„Das werden wir ja sehen!“, wurde seine Stimme noch lauter, das Pfefferspray ließ bereits nach, ich konnte es kaum fassen. Kampfbereit sprang ich auf, sollte er nur kommen!

Corvin stand einem wütenden Eber gleich sprungbereit da, er lauerte auf eine Gelegenheit, die ich ihm keinesfalls zu geben gedachte. „Komm nur!“, forderte ich ihn heraus, den Teaser auf ihn gerichtet.

„Keine Sorge, mein Augenblick naht, nur ein bisschen Geduld, meine Schöne“, blitzten seine Zähne gefährlich auf.

Was dann geschah, lief in einem Bruchteil einer Sekunde ab, Corvin sprang auf mich zu, ich drückte den Teaser ab, der ihn verfehlte da Corvin eine Drehung in der Luft vollbrachte, trotzdem traf mein Schuss ein Ziel, Henry!

Er stand vibrierend im Eingang, vor Schreck drückte ich noch immer den Knopf, Henry sackte mit großen verwunderten unschuldigen blauen Augen nach hinten. Es geschah in Zeitlupe, er kippte einfach lautlos um.

Nur Augen für Henry, der zuckend zu Boden sank, wollte ich zu ihm eilen und sprang vom Bett. Ein Fehler, dachte ich noch, als ich mit Corvin zusammenkrachte, der gerade auf mich zusprang. Der Aufprall, der ungeschützte Sturz, ließen in der Stille ohrenbetäubend die Knochen brechen. Aufstöhnend versuchte ich, mich zu bewegen, „Rühr dich nicht!“, hörte ich Corvin leise hauchen, der unter mir lag, „Du drückst eine gebrochene Rippe in meine Lunge.“

Wieso lag ich auf ihm? Er musste meinen Fall abgefangen haben. Der Gedankenfetzen verflüchtigte sich, als ich Henry stöhnen hörte. Vorsichtig rollte ich mich von Corvin hinunter, dabei stellte ich fest, wie es um mich bestellt war. Ein Bein gebrochen, die Rippen stöhnten schmerzhaft auf, das Schultergelenk schien auch etwas abbekommen zu haben. Nichts Gravierendes, ein wenig Nahrung und in einer Stunde konnte alles verheilt sein.

Bein und Schultergelenk entlastend robbte ich zu Henry, der saß bereits, „Mein Gott welcher Elefant hat mich denn niedergetrampelt?“

„Es tut mir ja so Leid, du hast die Ladung für Corvin abbekommen.“

„Was für eine Ladung?“, begutachtete er seine Hände, die noch immer zitterten.

„Teaser!“, antwortete Corvin röchelnd, „Kannst du aufstehen und Blut besorgen? Eine Rippe will unbedingt meine Lunge durchbohren.“

„Teaser?“, fragte Henry begriffsstutzig, was natürlich an den Stromschlägen liegen konnte.

Er schüttelte sich, „Eine Frage, was für Spiele sind das? Wartet! Nicht antworten, ich will es gar nicht wissen“, wehrte er mit seinen Händen ab. „Mein Kopf brummt und ich fühle mich miserable, seht zu woher ihr Blut bekommt, von mir nicht!“, machte er sich mit wackligen Beine davon.

„Er wird schon jemanden schicken“, meinte Corvin zuversichtlich, „wie geht es dir?“

„Soweit ganz gut“, ich brachte es nicht fertig, ihn zu fragen, noch mich zu entschuldigen, ich wusste nur zu das ich weit ging.

„Angenommen! Und ich entschuldige mich auch, manchmal kann ich wirklich ein Arsch sein.“

„Gibst du mir das schriftlich?“

„Bestimmt nicht!“, lachte er unterdrückt, „Ich glaube da kommt jemand, Henry ist manchmal wirklich rachsüchtig.“, verzog er seine Miene, einen Moment später wusste ich, was er meinte.

Vater! Er stand schnaufend im Schlafzimmer, „Was ist mit euch? Ihr greift Henry mit einem Teaser an? Ja habt ihr denn den Verstand verloren?“

„Vlad bitte, rück uns später den Kopf zurecht, zuerst besorge uns Nahrung, wir erleiden Schmerzen“, nutzte Corvin die Gelegenheit als Vater Atem holte.

„Wie sehen eure Verletzungen aus?“, begann er gleich, uns zu untersuchen, „Alles halb so Schlimm“, diagnostizierte er, „ihr werdet als Strafe für euer ungebührliches Benehmen bis zur Nahrungsaufnahme warten. Die Zeit bis dahin, solltet ihr sinnvoll nutzen und eure Differenzen beilegen. Ich bin es Leid ständig zwischen zwei Stühlen zu jonglieren und nicht nur ich, auch die anderen wissen nicht mehr weiter.“

Er verfrachtete uns nicht gerade zärtlich ins Bett, „Viel Vergnügen! Ich werde den Rat über deinen Ausfall informieren Corvin.“ Dann schloss er mit einem lauten Knall die Tür.

Sprachlos sah ich hinter ihm her. Wo war der besorgte, liebende Vater geblieben? „Na toll!“, murmelte Corvin röchelnd.

„Ja ich kann mir auch etwas Besseres vorstellen, als mit dir hier eingesperrt zu sein.“

„Na danke auch, ich meinte den Rat, Alischa und ihre Verbündeten werden meine Abwesenheit zu ihrem Vorteil nutzen.“

„Ach so“, meinte ich lahm.

„Ja!“ seufzte er, ich wusste nicht ob vor Schmerzen oder über die zerfahrene Situation.

 

Kapitel 37

Zäh flossen die Stunden dahin, Corvin sagte kein Wort und ich wusste nichts zu sagen. Ab und an röchelte er angestrengt, rieb sich über die Augen und verlagerte vorsichtig seine Haltung.

Es musste bereits Mittag sein, als Peer mit zwei halbgefüllten Gläsern erschien. Ich lächelte ihn begrüßend an, Peer verzog keine Miene, selbst als Corvin ihn ansprach blieb er stumm, er reichte uns lediglich die Gläser und verschwand wie ein Geist, ohne ein Geräusch zu hinterlassen.

„Hier du kannst meine Nahrung haben“, bot ich Corvin an, der sein geleertes Glas bereits abstellte.

„Will ich nicht!“

„Nun nimm schon, je schneller du in den Rat zurückkehrst desto besser“, versuchte ich es nochmals, sonst sah er doch logische Schlüsse und handelte danach.

Seine Antwort sagte genug, er wandte mir den Rücken zu. Mir auch recht und ich gönnte ihm den Schmerz. In einem Zug trank ich das Glas leer. Verdammt wollten die mich verkohlen? Wein? Purer Wein!

Das Bett vibrierte, „Das Schlückchen gönnte ich dir von Herzen“, lachte er unterdrückt.

„Was soll das? Was bezwecken sie damit? Meinen sie wirklich auf diese Weise lassen sich Probleme lösen? Das sieht überhaupt nicht nach Vater aus, da steckt doch jemand anderes hinter.“

„Henry, Peer, Matt, Eric, Till habe ich jemanden vergessen? Vielleicht sogar Malech. Er war überhaupt nicht erbaut in seiner Rolle als angeblicher Kuppler. Unser neuer Freund Michelé kann auch dahinter stecken, wenn ich es mir richtig überlege, ist es genau seine Handschrift.“

„Michelé? Nein das glaube ich kaum, er sagt einem seine Meinung offen ins Gesicht. Überhaupt kommt keiner von ihnen infrage, da steckt eine Frau hinter, ich gehe jede Wette ein, die Idee kommt von Muse.“

„Durchaus möglich und was machen wir jetzt?“

Darauf wusste ich keine Antwort.

„Na gut, dann fange ich an, eigentlich weißt du ja, was ich anstrebe, ich möchte mit dir zusammensein. Immer Sarah, in jeder Beziehung, in guten wie in schlechten Zeiten.“

„Ich aber nicht!“, lautete meine spontane Antwort.

„Warum?“, die Frage lautete sachlich. Konnte ich mit ihm vernünftig reden? Ein scheuer Blick zu ihm überzeugte mich, in seiner Miene stand ehrliches Interesse.

Mit Bedacht setzte ich mich auf. Wo sollte ich anfangen? Die Worte blieben mir im Halse stecken, als Alischa schwungvoll den Raum betrat, „Ach Honey gerade eben habe ich es gehört!“, schwebte sie auf Corvin zu, dabei warf sie mir einen giftigen Blick zu, „Was macht die Verräterin da? Los packt sie, werft sie auf die Straße, genau dort gehört sie hin“, befahl sie ihren nichtvorhandenen Leuten.

Der Einzige der zuhörte war Vater und er zeigte keinerlei Anstalten ihrem Befehl nachzukommen, „Du wolltest dich selbst überzeugen wie es dem Boss geht, nun hast du ihn gesehen und jetzt raus hier!“

Alischa richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, ihr Ausdruck bekam einen warmen Glanz, „Vlad, mein teurer Sohn, verstehst du denn nicht wie schmerzlich es für mich ist, meinen Geliebten so zu sehen? Dazu dieses Weib“, zeigte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich, „Nein es ist zuviel, sie muss sofort entfernt werden.“

Vater schmunzelte, „Wieso versuchst du es immer wieder, Mutter? Langsam solltest du es kapiert haben, deine Stimme besitzt keinerlei Macht über mich.“

Na mich durfte er ausschließen, auf jeden Fall musste ich bestraft werden, ein Rauswurf genügte nicht. Nein man sollte mich vierteilen!

Mit schmalen Lippen rauschte Alischa hinaus, „Die Besucher stehen bereits Schlange, meine Ankündigung über eure Verletzungen schlug ein wie eine Bombe. Jeder will sich überzeugen. Der Rat tagt heute nicht, viel Spaß euch auch“, Vater lachte grimmig auf, als er Corvin röchelndes Schnaufen vernahm, „Geschieht euch nur Recht, heute seid ihr die Zooattraktion!“

Knurrend versuchte Corvin aufzustehen, ohne viel Erfolg mit einem unterdrückten Scherzenslaut sackte er zurück. Indessen erholte ich mich von Alischas verführerischen Worten. Warum konnte ich mich nicht dagegen schützen? Sollte die Kette mich nicht immun dagegen machen? Warum sonst musste ich dieses schwere Ding tragen? Bisher brachte es mir nur Scherereien ein!

Der nächste Besucher kam, natürlich eine Frau! Sie flog auf Corvin zu, ihr Entsetzen schien echt zu sein. Wie es sich gehörte, bekam ich einen bösen Blick zugeworfen. Weiber! Wie konnte ich denn nur? Ja wie konnte ich es wagen den charmanten, gut aussehenden, maskulinen Mann abzuweisen? Innerlich bereitete ich mich auf eine Abfolge bekümmerter Weiber vor. Und richtig in der nächsten Stunde gab sich die Weiblichkeit die Ehre.

„Wie viele Damen werden noch folgen?“, fragte ich Corvin während einer kurzen Ruhepause.

„Keine Ahnung, die meisten kenne ich nur flüchtig, noch habe ich mit ihnen ein intimes Verhältnis.“

„Na sicher!“, winkte ich ab, „Die Übersicht verloren, was? Du solltest dir ein Beispiel an Henry nehmen, er führt genau Buch.“, meinte ich ätzend.

Empört richtete er sich auf, „Jetzt höre mir genau zu, seitdem du zur Festung kamst, habe ich nur mit einer Frau geschlafen und das warst du.“

„Ja? Weißt du eigentlich schon das ich meine Hose mit der Kneifzange schließe?“, spöttelte ich voller Verachtung.

„Glaub doch, was du willst!“

„Oh das werde ich!“, meinte die nächste Besucherin, das blonde Biest trat ein. Charly! „Wie ich hörte, liegst du flach“, warf sie einen vorsichtigen Blick hinter sich. Diesmal richteten sich keine bösen Augen auf mich, eher amüsierte, „Ich habe etwas für dich hineingeschmuggelt. Wie wäre es mit ein bisschen heilendem Nass?“, zauberte sie aus ihrem ausnehmenden Dekolleté eine kleine Flasche hervor.

„Von dir hätte ich mehr erwartet!“, glitt ein verwegenes Lächeln über Corvins Züge.

„Wie gut du mich kennst!“, erwiderte die Schöne und setze ihren zierlichen Fuß auf das Bett. Ich glaubte kaum, was ich sah, aufreizend schob sie ihren sowieso viel zu kurzen Rock hoch, „Na wie wäre es damit?“, fragte sie mit betörender Stimme.

Ich wusste nicht genau, was sie meinte, den Beutel oder ihre kaum bedeckte Scham, wahrscheinlich Beides. Erst ein bisschen Nahrung zum Heilen und Antörnen danach die süße Frucht der Befriedigung.

„Du bist ein Schatz, Charly. Gib zuerst Sarah etwas.“

„Danke, aber nein Danke!“, sagte ich schroff, eher erlitt ich tagelang Schmerzen als von diesem Weib einen Tropfen anzunehmen.

„Wie du willst“, zuckte die Schöne gleichgültig die Schulter, „Ein stolzes Weib deine Sarah“, kommentierte sie meine Ablehnung.

„Stolz und Stur, ja“, seufzte Corvin ohne mich weiter zu beachten, seine Augen wanderten genüsslich über das ihm Dargebotene.

Gerade überlegte ich aus dem Bett zu fliehen, konnte mich aber noch rechtzeitig zurückhalten. Mit einer Hand über dem Boden robbend, erschien mir nun doch zu erniedrigend, besonders vor dieser traumhaften Erscheinung.

„Schöne Aussicht, bekomme ich davon mehr?“, fragte Corvin anzüglich.

„Aber sicher! Wie du weißt, ist es nicht meine Art nur Versprechungen zu machen.“

Erniedrigung hin oder her, ich sollte abhauen, bevor sie übereinander herfielen! Sie achteten sowieso nicht auf mich. Ich irrte mich, denn Corvin meinte, „Meine Verlobte trägt gerade den Gedanken an Flucht, du solltest dich auf das Blut beschränken, Charly.“

„Oh!“, riss sie ihre blauen Augen unschuldig auf, „Das hätte ich nicht erwartet, eine altertümliche Verbindung! Kennt sie deine Gedanken auch?“, dabei strich sie endlich ihren Rock glatt.

„Nein, soweit sind wir noch nicht“, murmelte Corvin. Hörte ich da Bedauern? Ha, als wenn er es je zuließe in seine Gedanken einzudringen. Niemals! Er schauspielerte mir und seiner Buhle etwas vor. Überhaupt was bildete sich das Weib ein? Was bildeten die Beiden sich ein?

Sprachen über mich als sei ich Luft!

Neben mir wurde Corvin unruhig, sicherlich schnüffelte er wieder, somit kannte er meine Empörung. Aber unternahm er etwas? Nein er flirtete mit der Buhle weiter!

Nun richtete ich meine Gedanken direkt an ihn. So also sieht deine angebliche Liebe zu mir aus. Verstehe, sie hält nur so lang, bis ein attraktiveres Weibchen auftaucht. Sag mir eines, warum spieltest du mir das alles vor? All die Mühen, die du auf dich nahmst, wofür?

Erwartete ich eine konkrete Antwort, nein eigentlich nicht.

Corvin brachte es wirklich fertig seine Augen von dem aufreizenden Wesen abzuwenden. Seine Hand glitt suchend über die Bettdecke, schnell entzog ich ihm meine Hand, „Vertrau mir Sarah, bitte!“, klang seine Stimme beschwörend.

Warum sollte ich? Sein Benehmen besagte alles!

„Es ist besser du gehst jetzt Charly“, forderte Herr Lügenbold.

„Aber du hast nicht einen Schluck zu dir genommen!“, meinte das liebreizende Wesen. Ob ich ihr die nun treuherzigen Augen auskratzen sollte? Sprang mich die Frage wie der Wunsch an. Nein zuerst dunkelbraune Verschlagene!

Das Weibchen kaum verschwunden, wandte sich der Herr falsche Schlange zu mir, „Ich weiß wie es aussah, aber du musst mir glauben, ich konnte nicht anders.“

„Jaja“, winkte ich ab, „welches männliche Wesen würde da wegschauen, ich verstehe schon“, meinte ich bitter. Warum es mich störte, wollte ich unter keinen Umständen erörtern. Jedenfalls nicht so lange er meine Gedanken anzapfte.

„Warum nicht? Ich könnte dir helfen dein Wirrwarr an Gefühlen zu entknoten.“

„Da friert wohl eher die Hölle ein!“, fauchte ich ihn an. Corvin lachte, was mich absolut aus der Fassung brachte. Eigentlich müsste er ein schlechtes Gewissen haben, wahrscheinlich besaß er so etwas Banales nicht, ich würde mich jedenfalls wundern, wenn er ein Gewissen sein eigen nennen würde.

Abrupt verstummte sein Lachen, „Danke auch Sarah!“, meinte er schmollend. Geschah ihm recht! Warum spukte er auch in meinen Gedanken herum.

Henry befreite mich, so dachte ich als ich die Flaschen in seinen Händen erspähte, „Na ihr Folterknechte, wie geht es euch?“, fragte er scheinbar freundlich nach.

Meine Erleichterung hielt sich in Grenzen als ich seine Miene sah. Richtig! Er klopfte ausgiebig die Matratze ab, jeder Schlag vibrierte schmerzhaft bis in die Haarwurzeln.

Weder Corvin noch ich verzogen eine Miene, enttäuscht kniete er sich mittig auf das Bett und robbte nicht gerade vorsichtig zwischen uns bis zur Hälfte hoch, „Nun!“, bemerkte er uns eingehend studierend, „Wie sehen eure Zukunftspläne aus?“

Bevor Corvin ein Wort erwidern konnte, was ihm durch die gebrochenen Rippe schwerfiel und mir den nötigen Vorteil verschaffte, ergriff ich die Gelegenheit, „Nach angemessener Zeit werden wir die Verlobung lösen. Bis dahin werden wir der Öffentlichkeit etwas vorspielen.“

„Ist das so?“, studierte mich Henry mit ernster Miene. „Corvin was sagst du dazu?“

„Was wohl! So sind wir übereingekommen.“ Antwortete ich.

Henry schaute seinen Freund an, sie sprachen ohne Worte miteinander. In diesem Moment fühlte ich mich ausgeschlossen und erkannte dieses Gefühl war mir keineswegs fremd.

Die menschliche Sarah beobachtete genau solch eine Situation und nicht nur einmal, auch mit Vlad. Machte diese stumme Zwiesprache das Trio unverwundbar? Lag darin ihr Geheimnis zu ihren Erfolgen?

„So ist das also!“, nickte Henry verstehend, „Ich verzeihe euch, aber nur unter einer Bedingung“, sah er uns gespannt an.

„Welche?“, wollte ich wissen.

„Ihr werdet euch zivilisiert verhalten, besonders wenn Vlad in der Nähe ist. Er glaubt tatsächlich zwischen euch ist alles in Ordnung…“

„Lächerlich!“ lachte ich auf, „Er hat uns hier ohne heilende Nahrung eingesperrt.“

„Ja, auf meinen Wunsch hin. Also noch einmal ihr benehmt euch! Keine Streitigkeiten, sondern ein frisch verliebtes Paar.“

Damit konnte ich keineswegs einverstanden sein, „Vater wird sowieso herausfinden, welcher Art die Verlobung ist. Ich möchte von ihm nicht erwischt werden, wenn ich ihm etwas vormache.“

„Dann solltest du überzeugend die Verlobte spielen, Sarah“, blieb Henry unversöhnlich.

„Ach und wie lange soll die Schauspielerei gehen?“

„Das liegt an euch, damit habe ich nicht das Geringste zu schaffen. Eines solltet ihr bedenken, da unten tanzt der Teufel, irgendetwas geht da vor und das seitdem eure Verlobung bekannt wurde. Wir müssen herausfinden, wer nervös geworden ist und wer könnte das besser als ihr. Je verliebter ihr seid, desto angespannter wird der Feind. Vielleicht unterlaufen ihm oder ihr Fehler, wir müssen jede Chance nutzen.“

Gegen seine Argumentation konnte ich nichts einwenden, deshalb nickte ich ergeben. Henry genügte es, er sah zu Corvin, „Also gut!“ stimmte Corvin zögernd zu.

Warum wog er ab? Ich verstand diesen Mann nicht! Erst arrangiert er die verdammte Verlobung, sprach von Liebe und nach einem Tag zeigte er Bedenken. Jedes Wort aus seinem Munde werde ich in Zukunft mit aller Vorsicht abwägen, schwor ich mir.

Henry grinste zufrieden, „Na denn lasst uns auf den Pakt anstoßen“, reichte er uns endlich die Flaschen.

Schon nach einer Stunde konnte ich mich problemlos bewegen, der Boss rieb sich ab und an den Rippenbogen saß aber schon wieder vor seinen Papierbergen.

„Was habt ihr über Pierres Mutter herausgefunden?“, befragte er die Anwesenden, die aus der üblichen Gruppe bestand.

Malech ergriff das Wort, „Diverse Konten der Einrichtung konnten wir mit ihr in Verbindung bringen, auch das ehemalige Konto von Sarah“, warf er mir einen kurzen Seitenblick zu. Aus meinen menschlichen Erinnerungen wusste ich, von welchem Konto er sprach. Was mir noch immer Unbehagen bereitete, wie viel wusste Corvin Sardovan von Sarah? Ich fragte mich ob es normal war mit all diesen Erinnerungen einer anderen Person verknüpft zu sein.

„Wir wissen nun definitiv das von dort die Gelder kamen. Dabei haben wir ähnliche Konten gefunden, große Beträge werden gelagert, um dann wiederum zu verschwinden. Daran arbeiten wir gerade.“

Corvin hörte ohne Regung zu, „Lydia?“, warf er die Frage in den Raum.

Nun räusperte sich Matt, „Lydia steht telefonisch mit Namine in Verbindung, wie wir befürchteten, gibt sie Lydia Anweisungen. Bisher sprachen sie nur zusammen, wenn Pierre im Rat sitzt, was Michelés Vermutung bestätigt, dass Pierre davon keine Ahnung hat.“

„Gut, bis auf Weiteres soll es so bleiben, Hauptsache wir bekommen jede Information mit.“

„Kein Problem, Malechs Leute haben alles im Griff“, bekräftigte Matt.

Corvin nickte bedächtig, er warf Vater einen beunruhigten Blick zu, dann meinte er zu mir, „Sarah würdest du bitte einen Moment draußen warten?“

Steif kam ich nach seiner Aufforderung nach, auf einen Wink des Bosses, folgte mir Eric. Er belog mich nicht nur, nun schloss er mich aus, langsam fragte ich mich, warum ich überhaupt blieb. Der Gedanke reifte heran, ja ich sollte so bald wie möglich den Dienst quittieren. Ganz und gar! Zur Abwechslung könnte ich einmal etwas tun, was mir Spaß bereitete. Es gab nur ein Problem, mein bisheriges Leben als Leibwächter gefiel mir.

Räuspernd verlangte Eric meine Aufmerksamkeit, „Was ist los, mit euch?“, fragte er mich geradeheraus.

„Ach nichts du kennst den Boss besser als ich, sag du es mir. Er belügt mich, flirtet ungeniert mit dieser Charly und nun kündigt er mir sein Vertrauen. Also ist rein gar nichts los!“, fuhr ich Eric schroffer an als ich beabsichtigte.

„Corvin hat sicherlich seine Gründe, Sarah. Eines kann ich dir versichern, er liebt dich, hat es immer getan und wenn er sich merkwürdig benimmt, steckt etwas dahinter. Sicherlich beschützt er dich vor etwas oder jemanden. Diese Charly ist alt, ich habe so manches über sie gehört.“

„Ach?“, fragte ich interessiert nach.

„Ja, früher arbeitete sie für Alischa, aus unbekannten Grunde ist sie in Ungnade gefallen. Alischa verbannte sie, deshalb wundern sich alle, warum sie auf einmal hier auftaucht. Vielleich hat es etwas mit Corvin zu tun, zu jener Zeit weilte er in Alischas Halle. Wer weiß, welche Intrigen Alischa gerade spinnt. Wir sollten vorsichtig sein und keine Disharmonie zwischen uns aufkommen lassen.“

„Na nach meiner heutigen Beobachtung kann ich mir denken, was vorgefallen ist, Charly und Corvin hatten etwas miteinander! Kein Wunder warum Alischa sie verbannte.“

Eric lächelte schief, „Ich glaube kaum, niemals würde sich unser Boss die Finger an so einer wie Charly die Finger verbrennen. Außerdem bevorzugte er immer menschliche Frauen, vor weiblichen Vampiren hielt er sich stets fern.“

„Warum?“

„Sie neigen dazu, allzu besitzergreifend zu werden, der Boss lässt sich nicht gern einfangen“, schmunzelte Eric vergnügt, „Dabei gab es eine beachtliche Anzahl von Damen, die es versuchten.“

„Ja das kann ich mir vorstellen!“, bemerkte ich abfällig. Eric seufzte, „Du bist unmöglich! Warum versuche ich überhaupt, dir etwas zu erklären?“

Die Tür wurde geöffnet, Corvin! „Es ist beinahe ein unmögliches Unterfangen, Eric. Trotzdem Danke! Ihr könnt nun wieder hinein.“

Ha ein unmögliches Unterfangen, als wäre ich geistig beschränkt!

„Das sagtest du!“, schob mich Corvin in den Raum. Als Erstes fiel mir Vaters betroffenes Gesicht auf, Muse hielt tröstend seine Hand. Was erzählte der verfluchte Vampir meinen Vater? Es musste etwas Schreckliches sein, er hielt sich nicht an unsere Abmachung.

„Tja das wäre es erst einmal alles, streckt weiterhin eure Fühler aus, Sarah und ich werden das unsere tun.“, verabschiedete Corvin sie. Indessen kam Vater auf mich zu, „Sarah“, sagte er ernst, schon wappnete ich mich innerlich vor seinen Vorwürfen, „Vertraue Corvin, egal was er sagt, denke immer nur an eines, er liebt dich und würde dich niemals verletzen oder betrügen.“

Erst dachte ich, mich zu verhören, kein Tadel, nein ein gut gemeinter Rat und dann solch einen. „Was er schon einmal tat!“, meinte ich zynisch grinsend, ich konnte mich allzu gut erinnern, spürte sogar den Schmerz, ihre Enttäuschung.

„Ach mein Kind, niemals wollte er diese Situation, er tat es für die Familie, den Clan, auf unser aller Drängen hin.“

„Gewiss! Und ich verstehe sogar seine Handlungsweise, aber als Partner versagte er, was ich nie vergessen werde.“ Vater zuckte leicht zusammen, für einen kurzen Moment schloss er die Augen, „Also gut!“, nickte er schließlich, „ …“, er wollte mir etwas wichtiges mitteilen, aber Muse hinderte ihn daran, „Nein Vlad!“, zog sie ihn fort, „Was auch immer geschieht, ihre Liebe wird am Ende siegen, du darfst dich nicht opfern!“

Was sollte das denn nun wieder bedeuten?

 

Kapitel 38

Grübelnd folgte ich Corvin als wir uns auf den Weg ins Bad machten, was wollte mir Vater mitteilen? Warum verhinderte Muse es und welches Opfer? Sollte ich den Mann an meiner Seite fragen?

Ein Blick genügte, sein abweisender Ausdruck besagte alles. Er kannte bereits meine Fragen und kein Wort der Erklärung kam über seine Lippen.

Also alles noch einmal von vorn, sortierte ich meine Gedanken. Erst die Verlobung, seine Beteuerungen und dann …, Charly! Ja es musste mit ihr zu tun haben!

Mir wurde zuerst gar nicht bewusst das ich mitten auf der Treppe stand, Corvin sah mich gespannt an, in seinen Zügen lag ein bestätigender Ausdruck, er nickte sogar leicht.

„Charly?“, fragte ich, „Was ist mit ihr?“

Sofort verschloss sich sein Ausdruck, ich verstand die Welt nicht mehr. Schweigend gingen wir weiter, überlegen durfte ich, aber Fragen nicht. Warum? Zähle die Fakten zusammen, Sarah. Corvin und sicherlich auch Vater haben etwas damit zu tun. Sie dürfen es nicht sagen, ansonsten müssen sie sich opfern oder etwas opfern. Aber was?

Ein heisser Kuss brachte meine Überlegungen ins Stocken, gar in den Hintergrund. „Du bist auf den richtigen Weg“, ließ Corvin mich genauso abrupt los und öffnete die Tür zur Umkleide.

Sein Verhalten ist äußerst seltsam, beäugte ich ihn misstrauisch, er lächelte mir zuversichtlich zu, welches erstarb als wir eintraten. Alischa, Livio und Charly kleideten sich gerade an.

Corvin nickte ihnen kurzangebunden zu, was ich ihm nachtat. Nur einige Sekunden später trat Charly an Corvins Seite. „Wusstest du, wie sehr ich mich sehnte das Bad mit dir zu teilen?“, stand sie splitterfasernackt da.

„Wusste ich?“, wieder betrachtete Corvin das Weib eingehend, wieder wurde ich übersehen! Das Schauspiel musste ich mir nicht ansehen! Ohne mich noch einmal umzusehen, wandte ich mich ab und stob aus dem Bad.

Aber so leicht entkam ich dem Trio nicht, es teilte sich auf, Livio folgte mir, „Auf ein Wort Schwesterherz!“, hielt er mich auf.

Schwesterherz! Er holte zum Schlag aus, das kannte ich zur Genüge, blieb ich auf der Hut. „Was willst du?“ hinter ihm konnte ich Corvin sehen, der noch immer mit Charly dastand, anscheinend selbstvergessend sie betrachtend.

„Ach wir haben uns schon lange nicht gesehen. Seitdem ich ankam, konnten wir noch keine zwei Worte in Ruhe wechseln. Wie geht es dir? Was macht dein Liebesleben?“

„Alles bestens!“, antwortete ich schnell, zu schnell, was ich sofort bedauerte.

„Wirklich? Na ja wenn ich mir deinen Verlobten und seine Umtriebe so anschaue, kann ich dir kaum glauben. Wie tapfer du bist, aber was willst ausgerechnet du einer Frau wie Charly entgegensetzen. Ja da ist Rückzug der beste Weg.“

„Wie du meinst“, wurde ich vorsichtiger, er führte etwas im Schilde, fragte sich nur was. „Wie geht es dir?“, erkundigte ich mich höflich.

„Eigentlich gibt es keinen Grund zu Klagen. Aber wenn ich sehe wie sehr du dich über das Verhalten deines Verlobten grämst …“, setzte er ein verbittertes Gesicht auf und deutete auf Charly und Corvin. Charly strich gerade auffordernd über ihre Brüste, etwas an der Darbietung stimmte nicht. „… jedenfalls stehe ich dir bei, Sarah, soll ich deinen abtrünnigen Verlobten in seine Schranken weisen? Als dein Bruder fühle ich mich geradezu verpflichtet.“

„Wie lieb von dir!“, warf ich ihm einen dankbaren Blick zu, in seinen Augen blitzte etwas auf, „nie hätte ich gedacht wie sehr du dich um mich sorgst.“, sah ich betreten zu Boden, die reine Verletzlichkeit, so hoffte ich wenigstens.

Livio schon immer von sich eingebildet sprang darauf ein. „Du bist meine Schwester!“, troff seine Stimme vor geheuchelter Überzeugung.

„Vater wird sehr glücklich sein, wenn ich ihm erzähle wie sehr dich mein Schicksal mitnimmt.“

„Vater“, meinte er ätzend, „Er hält zu seinem Freund, krümmt keinen Finger. Von ihm kannst du gar nichts erwarten.“

So lief also der Hase! Eric hatte recht, wir durften uns untereinander keinesfalls in Streitigkeiten verwickeln lassen. „Wie gesagt es ist nett von dir, Livio. Charly hingegen ist mein Problem, kein Vampir wird behaupten können, das ich meinen Verlobten nicht halten kann. Danke, das du mich daran erinnert hast. Entschuldige mich nun bitte, ich habe ein Wort mit Charly zu reden.“ Lächelte ich ihm zuversichtlich zu und schob mich an ihm vorbei, bevor ich mich in Bewegung setzte, schnappte ich einen erleichterten Blick Corvins auf.

Was zum Teufel wurde hier gespielt? Tat Corvin nur so als könne er Charlys weiblichen Attributen kaum widerstehen? Nach Alischas angesäuerten Miene zu schließen wahrscheinlich, ja.

Charly hingegen reckte sich kämpferisch auf, sie ignorierend wandte ich mich an Corvin, „Und findest du die alte Schachtel genauso nuttig wie ich?“, deutete ich auf Charly sie abschätzend studierend, „Sieh mal“, zeigte ich auf ihre vollkommenen Brüste, „langsam macht sich das Alter bemerkbar“, richtete ich nun das Wort direkt an die Blonde, „wie wirst du damit fertig? Deine Glanzzeiten gehören augenscheinlich der Vergangenheit an.“

„Was?“, starrte sie mich erstaunt an.

„Naja“, schlug ich einen vertraulichen Ton an, „Schönheit vergeht, du bist das beste Beispiel. Ich frage mich nur, worauf du deine zukünftigen Erfolge bauen willst. Einen Vampir wie Corvin wirst du nicht länger beeindrucken mit hängenden Brüsten und so“, schloss mein Blick ihre gesamte Figur ein.

Mit einem Male lächelte sie spöttisch, „Noch kann ich mit dir mithalten!“

„Sicher, aber ich weiß worauf mein Erfolg aufgebaut ist. Corvin liebt nicht nur meinen Körper, was er am meisten begehrt ist mein Geist. Von daher sehe ich dich nicht als Bedrohung an, denn du bist in diesem Sinne eine einfältige Eintagsfliege. Einmal genossen und schon vergessen, du verstehst was ich meine.“ Obwohl mir ihre Schönheit vor Augen stand, konnte ich meine eigene Unzulänglichkeit in diesem Moment untergraben. Ich wollte sie treffen, verunsichern, sie sollte sich vor Corvin fernhalten, schließlich war er mein zukünftiger Ehemann und je schneller es diese Schönheiten begriffen desto besser.

Charly behielt ihr Grinsen bei, nichts deutete auf eine Verunsicherung hin. Verloren dachte ich schon, Charly hingegen zog den Rückzug an, was mich verwunderte. Trug ich einen Sieg davon?

„Auf ganzer Linie!“, hob Corvin mich hoch und wirbelte mich ausgelassen durch die Luft. „Obwohl ich ehrlich gestehen muss deinen Körper leidenschaftlich zu begehren. Gerade jetzt könnte ich dich in eine dieser hervorragenden Kabinen entführen.“

„Was hindert dich daran?“, wusste ich gar nicht, was ich da eigentlich von mir gab, ihm genügte die kurze Schwäche meinerseits und nutzte sie zu unseren Kosten ausführlich aus.

 

Früh am anderen Morgen verließen wir Hand in Hand die Kabine, die letzte Nacht war unbeschreiblich schön. Vollkommen erfüllt von der erlebten Zweisamkeit, fühlte ich mich gewillt allen Widrigkeiten die Stirn zu bieten.

Corvin drückte mir einen Kuss auf die Stirn, bevor wir die Kabine verließen, „Bereit?“, fragte er in einem verschwörerischen Ton.

„Nein, aber lassen wir es angehen.“

„Vertrau mir Sarah, vertrau mir wie in den letzten Stunden dann wird alles gut“, zog er den Vorhang mit einem Ruck zur Seite.

In diesem Augenblick holte uns die Gegenwart mit all ihrem Schrecken in die Realität zurück, Alischas hasserfüllte Augen trafen mich. Instinktiv zog Corvin mich an sich, „Alischa!“, sagte er überrascht, „Was führt dich zu dieser frühen Stunde her?“

Sie gab ihm keine Antwort, sondern ging mit gefletschten Zähnen. „Das gefällt mir nicht, bleibe heute Morgen bei Peer, egal was auch geschieht, befolge seine Befehle.“

„Aber …“, wollte ich einwenden.

„Kein aber, Sarah!“, packte er mich an den Schultern und wartete mein Einverständnis ab, welches ich ihm zögernd gab.

Was auch immer Corvin befürchtete, trat nicht ein. Am nächsten Morgen holte uns der gewohnte Tagesablauf ein. Morgens tagte der Rat, in diesen Stunden saß ich mit den verheirateten Damen zusammen und langweilte mich zu Tode. Alte Geschichten, Mode, Tratsch gehörten nun einmal nicht zu meinen Themen.

Violett führte meistens die Gespräche an, zudem duldete sie keinerlei Streitigkeiten unter den Damen. Eine überwältigende Aufgabe, da die Damen beiden Fraktionen angehörten. Zudem konnte Lydia kaum ihre Zunge hüten, sobald sie mich sah.

Nun sie wetzte ihr Schandmaul in den darauffolgenden Stunden, erfuhr ich von Muse. Lydia eröffnete ganz Dame ihre private Gesellschaft, dorthin wurden nur auserwählte Ladys mitsamt Gatten eingeladen. Welches Thema Lydia bevorzugte musste man mir nicht erklären.

Ansonsten wurden die allabendlichen Feste ausschweifender, die Damen wurden eleganter, die Reden schärfer, nur im Rat tat sich nicht das Geringste.

Währenddessen sammelte das Trio unermüdlich Fakten, die mit jeden Tag brisanter wurden. Nachdem die Zuchtstation, wie sie allgemein genannt wurde, entdeckten, sowie Naminas Beteiligung daran, eröffneten sich dem Trio und den Herrscharen an Spionen die Corvin in jedem Land unterhielt neue Hinweise.

Auch Malechs Leute trugen Beweise zusammen, in ihrer einzigartigen Art, Gesetze als überflüssig anzusehen kamen sie jeden Tag mit neuen Mitteilungen.

All das sichtete das Trio, Muse, Kahlaf und Merkur, jede Einzelheit wurde nochmals überprüft. Sie gingen vorsichtig vor, denn der Hintermann all dieser Aktionen blieb bisher unsichtbar. Aber genau diesen wollten sie ausfindig machen.

Nun bekam auch der Geheimgang eine neue Bedeutung, während die Ratsmitglieder dachten Kahlaf male in seinen Gemächern, studierte er stattdessen bei Corvin die Akten. So verhielt es sich auch mit Merkur, Muse und Vlad, sogar Theodoric saß zusammengekrümmt vor einem Stapel Papiere in einer Ecke, während Nirfa mit Akten in der Hand von einer Zimmerecke in die nächste marschierte.

Jedes Zimmer der Eingeweihten besaß einen Zugang zum Geheimgang, ein wahres Labyrinth meinte Malech grinsend. Was mir zu der Frage brachte woher sie all die Geheimnisse des Palastes kannten, Matt klärte mich auf, „Marsé und ihr Gemahl ließen es erbauen, mitsamt eines Fluchtweges, der Sohn hingegen baute die Gänge mit einigen Vertrauten weiter aus.“

„Ach und du gehörtest dazu!“

„Bei einem kleinen Teil, Corvin vertraute mir damals nicht allzu viel an.“

„Ja das Problem kenne ich“, nickte ich verständnisvoll. Bei all den vertrauten Stunden, die wir gemeinsam verbrachten, seinen Liebesbeteuerungen blieb er bei seinen Plänen schweigsam. Weder durfte ich bei der Durchsicht helfen, noch wurde mir ein Wort gesagt.

Was sagte es über den Vampir aus, mit dem ich verlobt war, zwar sah ich noch immer keine gemeinsame Zukunft, dafür genoss ich unbefangen seine Liebeskünste. Dabei versuchte ich mich nicht allzu sehr, gefühlsmäßig an ihn zu binden.

Zwar passte es Corvin nicht, wie ich über dieses Arrangement dachte, er hielt jedoch seine Meinung meistens zurück oder ging einfach darüber hinweg und fantasierte über unsere gemeinsame Zukunft. Dann erzählte er mir von Orten, die er mit mir besuchen wollte. Manchmal ertappte ich mich dabei mir vorzustellen wie es wäre mit ihm auf Reisen zu gehen, mit ihm zusammenzuleben ohne Verpflichtung, ohne Rat, ohne Familie einfach nur wir zwei.

Sobald ich mich dabei erwischte, wies ich diese als Träumerei ab. Nie schnell genug, denn er bekam noch den leisesten Gedanken mit. Worauf ein Lächeln seinen Mund umspielte, welches ich nicht deuten konnte.

 

Da die Ratsmitglieder an den offiziellen Anlässen teilnehmen mussten, blieben die Berge an Akten oftmals liegen. Diese Anlässe genoss ich inzwischen, sie bedeuteten die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mannes an meiner Seite.

Obwohl gewisse Vorfälle mit Alischa, Livio und Charly mich jedes Mal an der Rand des Wahnsinns brachten. Corvins äußerliche Ruhe bewunderte ich, er ließ sich in keiner Weise provozieren.

Außer das blonde Luder trat an ihm heran, dann verwandelte sich mein Begleiter in einen monströsen notgeilen Schuft, seine Blicke zogen Charly praktisch aus. Nicht das es dafür viel benötigte, ihre Kleider wurden mit jedem Abend sparsamer.

Eines blieb mir rätselhaft, Charly deutete an, umgarnte ihn und doch berührte sie ihn niemals. Corvin ging auf ihre Taktiken ein, seine Antworten jedoch blieben vage. Immer wieder fragte ich mich, was dieses Benehmen bedeutete, ohne eine befriedigende Antwort zu erhalten.

In dieser eingespielten Lethargie vergingen die Wochen, die zu Monaten wurden, der Winter hielt Einzug, was nur an den kühlen Wind der manchmal auftauchte bemerkbar wurde.

Jede Stunde verlief wie am vorherigen Tag ab, mein beständiger Schatten Michelé, stets in meiner Nähe. Wir machten uns gerade auf den Weg in Corvins Gemächer, der Rat würde heute frühzeitig Enden da Monseigneur den Sitz innehatte.

Als plötzlich Pierre aus einer Nische trat, er wirkte blass und angespannt, „Ich muss mit euch reden, sofort!“, flüsterte er sich gehetzt umsehend.

Michelé und ich schauten uns überrascht an, seitdem Michelé in Corvins Dienst trat, übersah Pierre seinen einstigen Freund. Michelé fragte sofort alarmiert nach, „Was ist los?“

„Nicht hier! Treffen wir uns draußen. Nein im Bad! Verflixt dort auch nicht.“, redete er wirr.

„Wie wäre es du kommst einfach mit in Corvins Gemach, dort kannst sagen, was auch immer dir auf der Seele liegt.“, schlug ich vor.

Pierre schüttelte verächtlich den Kopf, „Damit dein Verlobter mich verhöhnen kann? Nein Sarah, Pierre und du ansonsten rede ich mit niemanden.“

Was sollte ich tun? Ihm zustimmen? Pierre verhielt sich seinen Verbündeten gegenüber oftmals falsch. Er stimmte für Alischa! Das Tiro stufte ihn als Risiko ein, sogar Michelé verteidigte ihn kaum noch.

Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, tauchte Corvin auf. Natürlich kannte er die Umstände, Pierre wollte sich abwenden aber Corvin hielt ihn auf, mit freundlicher aber bestimmter Stimme sagte er, „Du möchtest mit meiner Frau reden! Gut, im Grunde habe ich nicht das Geringste einzuwenden, doch zu meinen Bedingungen.“

Pierre nickte verhalten, „Dann ist es also wahr, du manipulierst sie!“

Corvin lachte schallend auf, „Weiß Gott, ich wünschte ich könnte“, was für ein Lügner, er konnte es jederzeit.

„Wirklich?“ hinterfragte Pierre zynisch, „Wieso tauchst du dann zu jeder passenden Gelegenheit an ihrer Seite auf?“

„Aus einem einfachen Grunde, nur die Sitzung hält mich von meiner Frau fern, sobald sie beendet ist, suche ich sie umgehend auf, egal wo sie sich gerade aufhält.“

„Ach und du kennst natürlich ihren jeweiligen Aufenthaltsort!“, ließ Pierre sich keineswegs täuschen.

Corvin nickte, „Tatsächlich ist es so, denn meine Leibwächter berichten mir sofort die wichtigsten Sachen, meine oberste Priorität ist Sarah, was allgemein bekannt ist.“

Pierre tauschte einen ungläubigen Blick mit Michelé aus, der wartete auf ein Zeichen Corvins, bevor er antwortete, „Es stimmt Pierre“, untermauerte er die Behauptung.

Meinte Michelé das etwa ernst? Sogar todernst nach seiner Miene zu urteilen. Dann befand ich mich also ständig unter Bewachung? Ich wusste nicht ob ich geschmeichelt oder sauer reagieren sollte.

Derweil wägte Pierre ab, „Wie lautet deine Bedingung?“

Corvin unerbittlich sagte, „In unserem Gemach, entweder mit mir oder Michelé.“

Wie erwartet forderte Pierre seinen ehemaligen Freund, „In Ordnung, ihr könnt unser Schlafzimmer nutzen, zur Zeit möchte ich dich nicht in mein Büro lassen.“

„Verstehe!“, meinte Pierre knapp, ohne einen Hauch beleidigt zu sein. Ahnte er endlich, welch intrigantes Spiel seine Ehefrau betrieb? Ich hoffte es für ihn, jahrelange Mühe und Geduld wurde durch Lydia und Namine vernichtet, das hatte er nicht verdient.

Anders als erwartet, fing Pierre sofort an, über Corvin zu schimpfen, „Er manipuliert euch! Seht ihr das nicht? Warum sonst steht ihr unter seiner Fuchtel?“

Betroffen wich ich zurück, Michelé hingegen wurde wütend, „Woher nimmst du denn deine Sachkenntnis? Oh beantworte mir die Frage nicht, ich weiß schon, wer dahintersteckt. Deine liebreizende Frau!“, höhnte Michelé, „Wenn das alles ist was du uns mitteilen wolltest, kannst du gehen. Ich habe keine Lust mir deine Verleugnungen anzuhören.“

„Du weißt ja nicht, was du redest, Michelé. Sie mich an, habe ich dich jemals belogen? Corvin Sardovan ist höchstwahrscheinlich der Sohn von Ambrosius oder gar selbst.“

Über die ungeheure Behauptung musste ich lachen, „Du spinnst ja Pierre!“

„Nein es gibt eindeutige Beweise!“

„Unter Garantie kamen die von Alischa, möchte ich wetten.“, mutmaßte ich, aber Pierre schüttelte den Kopf, „Nein dann wäre der Rat schon informiert. Meine Mutter fand Hinweise, sie ging ihnen nach, sie vertraute sie mir an. Deshalb kam ich zu euch um euch zu warnen, wenn der Rat davon erfährt, ist jeder in Corvins Nähe in Gefahr. Wer weiß wie er reagiert, wenn ihm die Maske heruntergerissen wird.“

„Schlau eingefädelt!“, nickte Michelé, „Woher hat deine Mutter denn die Hinweise? Auf ihr Wort habe ich mich noch  nie verlassen Pierre und soviel ich weiß, du auch nicht. Hast du ihre Anschuldigungen überprüft?“

„Nein, nein die Zeit drängt, auch Lydia sagte es, ich muss den Rat umgehend informieren, Morgen. Bis dahin müsst ihr Granada am besten Spanien verlassen. Geht nach Frankreich, Michelé du kennst jeden Unterschlupf, versteckt euch. Mutter wird sich darum kümmern das ihr nicht entdeckt werdet.“

Jetzt lachte Michelé, „Namine muss recht verzweifelt sein“, sagte er zu mir, „Wir müssen das Trio informieren, Corvin muss etwas gegen die Verleugnungen unternehmen und du mein treuer Freund nimmst bitte auf diesen Sessel dort Platz.“

Pierre wollte sich keineswegs setzen, gehetzt glitt sein Blick durch den Raum, „Du willst dich doch nicht mit mir anlegen, Pierre?“, baute sich Michelé vor ihm auf, „Denk daran ich war immer der bessere Krieger.“, warnte er Pierre.

„Sarah um unserer Liebe willen, du musst mir glauben, Corvin Sardovan strebt unsere Vernichtung an, er sieht sich als alleiniger Herrscher!“, rief er beschwörend.

„Du lässt dich von deiner Mutter irreleiten, Pierre. Niemals hatte sie ein gutes Wort für einen Sardovan übrig. Corvin bemüht sich seit Jahren und du Pierre verrätst ihn“, öffnete ich die Tür zum Büro, sofort kam Corvin herein, gefolgt von Peer und Henry.

„Nein du irrst dich, Sarah“, rief Pierre verzweifelt, danach sackte er in sich zusammen.

„Nun werden wir einige Worte wechseln!“, baute sich Corvin vor Pierre auf.

Obwohl Pierre in der Unterzahl war, von Sardovans umringt, setzte er sich kämpferisch auf, „Was du auch sagst Sardovan, mich wirst du nicht manipulieren!“

„Dabei lässt du dich so leicht manipulieren!“, konterte Corvin kalt, in seinen Zügen fehlte jegliches Mitgefühl. „Bevor wir irgendetwas sagen, höre dir die Aufnahmen genau an.“, trat Corvin zurück und ließ Peer vortreten.

„Das sind Mitschnitte, du wirst die Stimmen leicht erkennen. Wir haben in den letzten Wochen jedes Gespräch aufgezeichnet.“ Verkündete Peer.

Einen Augenblick herrschte Stille, dann erklang unverkennbar Lydia´s Stimme, ihr antwortete Namine. Zuerst lächelte Pierre spöttisch, je weiter er zuhörte, desto mehr fror sein Gesicht zu einer Maske ein. „Das kann nicht sein!“, sagte er ungläubig und hörte weiterhin zu.

Als Peer nach einigen Minuten die Aufnahme stoppte, sagte Corvin, „So nun kennst du einen Teil der Wahrheit. Willst du alles erfahren?“

„Falls diese Aufnahmen echt sind!“, erwiderte Pierre.

„Sie sind es!“, sagte Michelé, „Darauf gebe ich dir mein Wort! Lydia besitzt ein Handy, sobald du im Rat sitzt ruft sie deine Mutter an. Malech hat jedes Gespräch genau dokumentiert, du kannst die Unterlagen einsehen.“

„Ich kann es nicht glauben! Wer weiß wie ihr das bewerkstelligt habt, sogar du Michelé, versuchst mich zu täuschen.“, lag Enttäuschung in seiner Stimme.

Warum konnte er die Wahrheit nicht eingestehen? So verbohrt konnte kein Vampir sein. Henry setzte sich zu Pierre, „Du misstraust uns, das ist dein gutes Recht. Eine Ehefrau die ihren Mann hintergeht ist eine folgenschwere Anklage. Was hältst du davon wenn wir Lydia befragen? Sie mit den Aufnahmen konfrontieren?“

„Nein! Es hieße ich misstraue meiner Frau! Und meiner Mutter!“

„Aber irgendetwas musst du unternehmen Pierre!“, konnte ich nicht länger schweigen, „Lydia hat schon immer auf deine Mutter gehört und Namine war schon immer gegen die Neuerungen im Rat. Was willst du tun? Einfach so weitermachen als wäre nichts geschehen?“

„Als wenn ich hier so ohne Weiteres herauskommen würde!“, troff er vor Spott.

„Was denkst du dir eigentlich?“, baute ich mich vor ihm auf, „Du wagst es, meine Familie zu verdächtigen, und dann behauptest du noch wir seien Meuchelmörder! Den Schuh solltest du dir anziehen, deine verehrte Mutter ist ein …“

„Sarah!“, pfiff mich Corvin zurück, „Für Pierre ist es eine schwere Entscheidung, ich würde auch nicht glauben, wenn man mir Stimmen vorspielen würde. Also gut, du kannst gehen.“

Verblüfft starrte Pierre den Boss an, „Einfach so?“

Corvin grinste, „Natürlich hängt eine Bedingung daran, du wirst kein Wort sagen. Morgen früh wirst du dich wie gewohnt von deiner Frau verabschieden, stimme ihr zu den Rat über meine angebliche Verfehlung zu berichten. Lydia geht in den Wald, wenn sie deine Mutter anruft, du wirst ihr ohne Schwierigkeit folgen können.“

„Spionieren? Ich soll meine Frau bespitzeln?“

„Das oder ich hole sie umgehend zu einer Befragung her.“

Pierre überlegte einen Moment, schließlich stimmte er zu, „Na gut! Ich werde schweigen und ihr folgen, falls Lydia in den Wald geht!“

„Mehr kann ich nicht verlangen“, nickte Corvin ihm zu. Peer sprang sofort auf und bevor er die Tür erreichte, meinte Corvin, „Noch etwas Pierre, Sarah wird meine Frau! Appelliere nie wieder an eure vergangene Beziehung!“

„Noch ist sie es nicht! Eure Verlobung dient nur zu einem Zweck, damit du besser im Rat dastehst. Meinst du wirklich die Alten wollen einen zweiten Ambrosius? Die Zeiten sind schon lange vergangen, Despoten wie er werden heutzutage ausradiert.“

„Ist das eine Drohung?“, preschte Henry vor, verwundert bemerkte ich seine Erregtheit. Selten sah man Henry in diesem Zustand, noch mischte er sich in Corvins Gespräche.

„Ist schon gut, Henry!“, legte Corvin beruhigend die Hand auf die Schulter seines Freundes, „Pierre sagt nur offen, was er zu wissen meint.“

„Verleugnung! Mehr ist es nicht, ich möchte nur wissen, wer diesen Müll verbreitet. Vielleicht ist Pierre ja so offen und sagt es uns!“, provozierte Henry.

Pierre lächelte nichtssagend und verschwand ohne ein weiteres Wort. „Warum hieltest du mich zurück?“, wollte Henry von Corvin wissen.

„Weil Pierre mit eigenen Augen sehen muss wie die Frauen ihn steuern. Sobald er erkennt wird er uns alles andere freiwillig erzählen. Ansonsten ist Geduld deine Stärke, Henry. Was ist los?“

„Ach ich habe es satt! Jedes Wort muss auf die Goldwaage gelegt werden, dann die Lügereien, der Stillstand im Rat, das Getue, lange halte ich das nicht mehr aus.“, rieb sich Henry die Stirn.

„Möchtest du einige Wochen raus hier?“, fragte Corvin mitfühlend.

„Nein! Aber verspreche mir eines, eröffne den Rat bald unsere neuesten Erkenntnisse, ansonsten rollen Köpfe und deiner wird der Erste sein. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl, irgendetwas braut sich zusammen und wir sehen es nicht.“

„Bald!“, versprach er.

Irgendetwas verheimlichte er, er sprach mal wieder in Rätsel. Als ich Corvin danach befragte, bekam ich wie gewohnt keine hinreichende Antwort. Sauer wollte ich mich ihm entziehen, was er höchst amüsant fand, da platzte mir der Kragen. Wütend verließ ich das gemeinsame Schlafzimmer, wenn er mir keine Antwort lieferte, wollte ich eben Henry befragen.

Zu meiner Überraschung unternahm Corvin keinerlei Manöver, um mich aufzuhalten, noch schickte er mir einen Leibwächter hinter her. Also verlangsamte ich meine Schritte und stieg wie die Alten mit gemäßigten Schritt die Stufen hinauf.

Kaum das ich die Hälfte hinter mich brachte, kam mir Pierre entgegen, er wirkte aufgewühlt, erleichtert schnaufte er auf als er meiner ansichtig wurde. „Können wir irgendwo in Ruhe reden?“, fragte er leise, dabei sah er sich auffällig um.

Schnell zählte ich die Möglichkeiten ab, in diesem großen Anwesen gab es kaum eine Ecke die sicher vor Horchern war, mein Lauscher spitzte sicherlich gerade die Ohren.

Mir fiel kein geeigneter Platz ein, Pierre schon, er steuerte geradewegs auf sein Ziel zu, die Stufen hinaufnehmend in das oberste Stockwerk, zog er schließlich eine Deckenluke auf. Das Dach! Wie genial, dort oben konnte man jeden sehen, es gab keine Verstecke auf dem Flachdach.

Sobald Pierre die Luke sorgfältig verschloss, erwartete ich seine Gründe, warum er mich nochmals sprechen wollte. Aber er schwieg eine Weile setzte sich auf einen der vielen Hocker. Wie viele Vampire kamen hier herauf, es musste ein beliebter Ort sein.

„Was möchtest du von mir?“, fragte ich schließlich des Wartens müde.

„Corvin!“, zog er den Namen in die Länge, mich erwartungsvoll ansehend.

„Ja?“, wenn er meinte, ich würde über meinen derzeitigen Liebhaber herziehen, so irrte er sich gewaltig.

„Du vertraust ihm?“, vorsichtig nickte ich, mit einigen Einschränkungen, was ihn als Partner betraf, aber nicht seine Ziele als Ratsmitglied.

Über Pierres Züge glitt Bitterkeit, „Obwohl er dich hinterging! Verstehe! Dann ist eure Verlobung also echt? Wie konnte er dich derart beeinflussen, über welche Macht verfügt er?“

„Pierre du siehst Gespenster, außerdem geht dich meine Verlobung nicht das Geringste an.“

„Meinst du? Na ich weiß nicht, schließlich hast du mich wegen ihn verlassen! Da darf ich ja wohl die Gründe erfahren.“

„Ach darum geht es! Allein deine verletzte Eitelkeit ist es, die uns hierher verschlug.“ Er kam mir gerade recht! Zuerst der Herr, ich verschweige alles, nun der Herr, ich will alles wissen!

Sein Pech! An ihm ließ ich meinen aufgestauten Frust ab, zählte all die Dinge auf, die mir in den Jahren unserer Beziehung gegen den Strich gingen, besonders sein Verhältnis zu Lydia.

Er hörte stumm zu, zeigte keinerlei Regung, weder Bedauern noch Reue. Da wurde es mir auf einmal bewusst, er fand sein Benehmen vollkommen zulässig. Wie konnte ich in all den Jahren unserer Beziehung nur so blind sein?

Sogar jetzt da er verheiratet war, ging er seinen Neigungen weiterhin sorglos nach. Nun wurde mir auch Corvins Bemerkung klar, Pierre glaubte tatsächlich, ein Anrecht auf mich zu haben.

Seine nächsten Worte bestätigten meinen Verdacht, „Woher sollte ich wissen, was du von mir erwartest? Nie habe ich ein Geheimnis aus den Affären gemacht. Dir schien unser Arrangement recht angenehm zu sein und habe ich nicht immer allein dir meine Aufmerksamkeit geschenkt, sobald du mal Zeit für mich erübrigen konntest? Das tat ich, weil ich dich wirklich sehr mag Sarah, aber du wirst entschuldigen wir Vampire sind einfach nicht für die Monogamie geschaffen. Warum also nicht das Leben genießen? Wir hatten doch immer viel Spaß miteinander.“

Ich konnte noch nicht einmal sauer auf ihn sein, es gehörte einfach zu seiner Überzeugung, in diesem Sinne lebte er seit mehr als fünfhundert Jahren. Sollte ich mich deswegen aufregen? Ihn eines Besseren belehren? Nein! Er konnte leben, wie er wollte, in seinem Leben spielte ich keine Rolle mehr. Er ging mich nichts mehr an, stellte ich zufrieden ja geradezu befreiend fest.

Kapitel 39

 

Bei Corvin lag meine Zukunft, zumindest soweit er mich daran teilhaben ließ, für eine gewisse Zeit. Denn er gehörte wie Pierre zu jenen Vampiren, die keine feste Partnerin auf lange Zeit wollten. Ich sah die Realität seit langen ganz klar vor mir. Heute sagte Corvin, ich liebe dich, morgen konnte er sich bereits einem anderen Weib zuwenden.

Sollte ich mich solch einem Manne öffnen? Bestand nicht die Gefahr, am Ende verletzt und allein dazustehen? Oder sollte ich unsere gemeinsame Zeit in vollen Zügen auskosten? Noch schwankte ich, konnte ich eine Beziehung auf begrenzte Zeit akzeptieren?

Bisher sah ich unser Beisammensein als Affäre an, ich wusste wie Corvin darüber dachte, oft genug neckte er mich deshalb. Er versteckte seinen Ärger hinter ironischen Worten. Aber was erwartete er? Eine offizielle Heirat?

Nein solch lächerliche Attribute benötigte er nicht, er wollte von mir hören das ich ihn liebte. Vielleicht blieb er gerade deswegen bei mir, noch eroberte er nicht mein Herz. Noch konnte ich seinen süßen Worten widerstehen.

Aber was, wenn es geschah? Er las in mir wie in einem offenen Buch, behauptete gar, meine Gefühle zu kennen, die ich nach seinen Worten aus Angst unterdrückte. Konnte es stimmen? Ich wusste es nicht, wollte es nicht wissen, wie ich mir ehrlich gestand.

Zur Zeit genoss ich einfach seine Nähe, das Aufglimmen in seinen Augen, wenn er meiner ansichtig wurde, all die kurzen liebevollen Berührungen, eine Umarmung hier, eine dort. Warum sollte ich all das für drei kleine Worte aufs Spiel setzen?

„Sarah hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Pierre empört, er war es keinesfalls gewöhnt, einfach nicht beachtet zu werden.

Ich lächelte, „Nein hab ich nicht! Brauche ich auch nicht! Egal was du sagtest es interessiert mich nicht, außerdem solltest du deine Worte über Corvin mäßigen. Er will für unser Volk nur das Beste, dafür kämpft er seit Jahren. Schenkst du den Verleugnungen glauben, ist es allein deine Sache, mich lass mit diesen Schmutzkampanien in Ruhe.“

Er starrte mich ungläubig an, auch noch als ich die Luke öffnete und die Leiter hinunterkletterte. Irgendwie fühlte ich mich freier als jemals zuvor, sicherlich lag es an meiner Entscheidung, mit diesen unberechenbaren Vampir namens Corvin ein … ja was? Verhältnis einzugehen? Dies bestand bereits, was dann? Zumindest wollte ich die Verlobung als solche ansehen, auch wenn ich an einer weiteren Zukunft zweifelte, wollte ich jede Minute mit ihm auskosten.

„So willst du das?“, wurde ich von hinten umarmt. Natürlich! Er! Wer sonst!

„Ja!“, sagte ich mich zu ihm umdrehend, „und falls du dir nebenher eine Geliebte halten solltest, meiner Lieber, dann schwöre ich dir entmanne ich dich.“

„Wie reizend! Ich bange um meine Männlichkeit“, hob er mich hoch über seinen Kopf, „Es wird niemals eine andere für mich geben, du bist mein Herz, meine Seele, meine Liebe, vergiss das nie Sarah.“

Er sagte es voller Ernst, es lag keinerlei Spott in seinen Worten, beklommen wich ich seinem Blick aus, mit solch einem Geständnis rechnete ich nicht. Noch konnte ich damit umgehen.

Wie viele Male zuvor, überging er einfach meine Befangenheit und setzte mich ab, „Wir müssen uns wieder einmal für den Abend umziehen, heute lädt Kahlaf zum Fest ein.“, er umarmte mich als sei es das Natürlichste auf der Welt.

Dankbar über seine Nachsicht kuschelte ich mich an ihn, „Oh wieder ein neues Bild? Hoffentlich keines auf dem ich als Jüngling dargestellt werde.“

„Ich mag das Bild, dabei stelle ich mir vor wie ich dich in einem See vernasche. Schade, das das Bad ständig besetzt ist.“, grinste er lüstern. Obwohl ich mich langsam an seine lockere Redensart gewöhnte, konnte ich kein Wort darauf erwidern, so manches Mal verfluchte ich meine Hemmungen einfach auszusprechen, was ich dachte.

Genauso stumm blieb ich, wenn wir das Lager miteinander teilten, ich wagte noch nicht einmal einen Gedanken an Sex. Wusste ich nur zu gut wie er es ausnutzen würde, den Fehler beging ich nur einmal, als er unbedingt wissen wollte, welche Vorlieben ich hätte.

Nur ein Hauch eines Gedankens genügte ihm, schon grinste er und wollte mehr wissen. „Dann spioniere doch“, lautete meine Antwort. Nein er bevorzuge das ausgesprochene Wort. Ha! Striezen wollte er mich, mehr nicht.

Seitdem befragte er mich, „Ist es dir da recht? Vielleicht sollte ich dich dort küssen? Was hältst du davon?“, all die kleinen Fragen zielten nur auf eines hinaus, wogegen ich mich sträubte. Ich wollte einfach keinen intimen Gedankenaustausch zulassen.

Genau wie seine Zärtlichkeit in aller Öffentlichkeit, sicher ich genoss seine Berührungen, aber konnte er dies nicht in geschlossenen vier Wänden? Ohne Zuschauer?

Nein! Er musste seinen Besitzanspruch jeden zeigen, besonders schlimm zeigte er sie, sobald Pierre in der Nähe weilte. Deshalb wunderte es mich auch nicht das er hier lauerte, wer wusste schon, was er sich im Geiste einbildete.

Sein Lachen unterbrach meine Gedanken, „Würde ich dir misstrauen, mein Schatz, dann wäret ihr niemals auf das Dach gelangt.“

„Ach hör schon auf! Du wolltest wissen, was Pierre mir mitteilen wollte.“

„Nein! Es ist mir gleich, was er sich einbildet. Eigentlich wollte ich nur deine Worte hören. So manches Mal weiß ich nicht woran ich an dir bin, was deine Rede mal wieder aussagte. Als Clanoberhaupt und Ratsmitglied vertraust du mir, als dein Verlobter und späteren Ehemann schenkst du mir weder Vertrauen, noch siehst du irgendeine Zukunft. Ehrlich es verunsichert mich.“

Nun musste ich Lachen, „Du verunsichert? Wem willst du das erzählen? Nein es ist allein deine männliche Eitelkeit, weil ich dich nicht anschmachte, wie all die dummen Hühner, mit denen du dich abgegeben hast.“

Er zog die Stirn kraus, „Wenn du meinst, es ist egal, was ich sage, du glaubst mir sowieso kein Wort. Vielleicht reden wir, sagen wir in fünfhundert Jahren noch einmal darüber? Wer weiß, du könntest deine Meinung geändert haben.“

Meine Magengrube zog sich schmerzlich zusammen. Fünfhundert Jahre! Eine unvorstellbare Zeitspanne für mich, dachte er wirklich wir wären dann noch verlobt?

„Eher verheiratet! Zwei oder drei weitere Kinder falls uns dies gelingt, ein Häuschen im Grünen. Oder ein Gestüt? Mein Gott ich vermisse die täglichen Ausritte, du musst unbedingt das Reiten lernen. Unsere Pferde scheuen nicht vor dir, da musst du dir keine Gedanken machen.“, schwärmte er vor sich hin.

Doch ich hörte, hörte aufmerksam zu, kein Wort über meinen Job, kein Wort zu meinen Wünschen, dachte er wirklich ich werde ein stilles Hausmütterchen? Am Rocksaum die Kinder, den Kochlöffel schwingend?

Ansonsten reagierte Corvin auf meine Gedanken, besonders wenn sie nicht mit den seinen einhergingen. Diesmal schwieg er, „Welches Kleid ziehst du an?“, wollte er wissen. Denn inzwischen schaute ich durch die immense Auswahl. Fast jeden Tag kam ein neues Kleid, dazu Schuhe, Hosen, Jacken und vieles mehr. Der Raum bestand fast nur noch aus Kleiderständern auf denen gepresst die jeweiligen Outfits hingen.

Ein Labyrinth aus Kleidung, für die nächsten Jahre benötigte ich nichts mehr, „Willst du Alia nicht mal Einhalt gebieten? Sie schickt mir noch immer Sachen, obwohl ich bisher nur einen Bruchteil davon getragen habe.“

„Ja du hast recht, es wird wirklich voll hier drin. Ich werde Matt bitten einen Raum anzumieten, dort können die Sachen dann gelagert werden.“

Nicht gerade das was ich meinte, deshalb wies ich Corvin nochmals auf die bisher ungetragene Kleidung hin. Er seufzte, „Sarah es ist nur Kleidung, worauf willst du hinaus?“

„Nur Kleidung!“, blaffte ich ihn an, „Weißt du eigentlich, was das alles kostet? Wie viele ärmere Familien könnten davon leben?“

„Das ist es? Du machst dir Sorgen, wegen was? Die Zurschaustellung unseres Besitzes? So ist es nun einmal, es wird von uns erwartet und wir spielen mit einem höflichen Lächeln mit. Außerdem bezieht Alia unsere gesamte Kleidung von einer Familie, die vom Nähen lebt, ach was sage ich ein ganzes Dorf hängt von unseren Bestellungen ab. Sollen wir sie ins Unglück stürzen? Sie an den Bettelstab bringen? Also ich verstehe dich nicht …“, seine nächsten Worte gingen unter.

Vlad kam mit Muse hereingestürzt, „Etwas ist im Busch, Jäger haben einen Ring um das Anwesen gelegt. Wir können nicht ohne das sie es mitbekommen hinaus. Zur Festung bekomme ich keinen Kontakt. Zudem kommen stündlich Krieger in die Stadt, selbst Malechs Leute werden kontrolliert.“

„Was soll das heißen, wir bekommen keinen Kontakt zur Festung?“, das war typisch für Corvin zuerst dachte er an Prya.

„Seit gestern versuche ich Alia zu erreichen, nichts. Weder per Handy, Mail, noch sonst eine Möglichkeit.“

„Das sagst du mir erst jetzt?“, fragte er ungehalten nach.

„Es ist nicht das erste Mal das der Kontakt abbrach wie du weißt, aber jetzt mache ich mir ernsthaft Sorgen, denn anscheinend liegt es nicht an der Festung, sondern Malech bekommt kein Signal hinaus. Dazu die Jäger, wer weiß wie viele es inzwischen sind. Irgendwer plant ein mieses Ding.“

„Damit haben wir gerechnet, Vlad“, wurde Corvin sofort ruhig, als er erfuhr das die Festung keinerlei unmittelbarer Gefahr ausgesetzt war, „wir werden einfach zu den verfluchten Ball gehen und uns nichts anmerken lassen. Malech soll inzwischen versuchen die Blockade zu durchbrechen. Können wir Ross erreichen?“

„Erst heute Nacht, wie gesagt unsere Handys sind lahmgelegt.“

„Gut“, nickte der Boss, „bis dahin ist der Ball beendet, spekulieren können wir später.“, verabschiedete er meinen Vater und Muse. Über Muse wunderte ich mich, sie nahm die Situation sehr gelassen hin.

„Von wegen“, grinste Corvin als wir allein waren, „Muses Weiber sind ausgebildete Krieger und glaub mir sie lassen sie keinen Augenblick aus den Augen, zudem kann Muse sehr gut selbst auf sich aufpassen. Rosmerta und sie sind lange Jahre zusammen durch die Länder gezogen.“

„Muse und Rosmerta?“, welch ein Paar, dachte ich an die gravierenden Unterschiede der Frauen.

„Glaub mir, Muse ist weit mehr als das, was sie zur Zeit preisgibt. Trotzdem werden wir unseren Freunden eine Warnung zukommen lassen.“

Den Ball eröffnete Kahlaf wie gewohnt mit einem neuen Meisterwerk, diesmal kam ich ungeschoren davon. Vater als Jüngling mit zerrissenen Hosen und nackten Oberkörper, einem Streuner gleich wanderte er allein durch einen dunklen Wald. Die düstere Atmosphäre des Bildes passte ausgezeichnet zu meinen Befürchtungen eines baldigen Angriffes.

Leider teilte keiner meine Sorge, unsere Verbündeten nahmen die Neuigkeiten gelassen hin. Selbst mein Verlobter strotzte nur so von guter Laune, er ließ kaum einen Tanz aus. Alischas abfällige Bemerkungen über mich, die sie einfach kundtun musste, erregten mich kaum, irgendwann gewöhnte man sich an alles. Noch nicht einmal Corvin verzog seine Miene, ansonsten wenn Alischa den Mund auftat, verdüsterte sich seine Miene.

Da endlich kapierte ich, alles nur Show! Er ließ sich nicht das Geringste anmerken, genau wie alle anderen. Nur ich schaute mich ängstlich um, jederzeit damit rechnend das Leben des Bosses zu verteidigen.

Wir verließen den Ball kurz nach Mitternacht, von Henry keine Spur und Vater tanzte mit Muse, sie machten nicht den Eindruck bald zu gehen. Ebenfalls eine Absprache?

Matt und Eric drückten sich anscheinend betrunken in einer Ecke herum, Peer folgte uns, dann musste Till bei Henry sein, versuchten sie Ross zu erreichen? Ich konnte nur hoffen und fragte mich, wie sie es bewerkstelligen wollten.

Vor Monaten führte mich Ross auf der Alhambra zu der Stelle von wo aus man auf das Gelände des Anwesens schauen konnte. Sie mussten für eine Gefahrenlage wie diese Verabredungen getroffen haben.

Corvin setzte sich wie gewohnt an den Schreibtisch und arbeitete, diese Ruhe brachte ich nicht auf und marschierte auf jedes Geräusch horchend zwischen den Räumen hin und her.

„Sarah du machst mich verrückt!“, legte Corvin genervt die Papiere aus der Hand, „Bald bekommen wir Antworten, dein Umherstreifen bewirkt nur eines, du läufst Löcher in die Teppiche.“

„Na und!“, entgegnete ich, wie konnte er nur einfach am Schreibtisch sitzen und irgendwelche Schriften studieren? Akten, die Vater und Henry über Monate sammelten wieder und wieder das Gleiche.

Sich zurücklehnend, die Hände hinter den Kopf verschränkend grinste mich der Herr schief an, „Geduld Sarah ist eine Tugend, du solltest dich darin üben.“

„Ha ich habe Geduld …“

Er lachte laut auf, „Meinst du etwa deine Warterei? Lass mich überlegen, Livio und das Gesicht deines Mörders. Livio ist in Reichweite aber was tust du? Du wartest weiterhin.“

Mit großen Augen trat ich an den Schreibtisch, verhöhnte er mich gerade? „Livio!“, beugte ich mich zu ihm über den Schreibtisch hinweg, „wird bei passender Gelegenheit seine Abreibung bekommen. Hier darf ich ja nicht, schließlich geht der Rat vor.“, knurrte ich bissig.

„So einfach lässt du ihn davonkommen?“, streckte er sich gähnend, „Eigentlich hätte ich mehr von dir erwartet, wie zum Beispiel ein heimliches Treffen, um eure Differenzen endgültig zu klären.“

Er stachelte mich tatsächlich an, „Ist das dein Ernst?“

„Ja!“, nickte der Boss, „Du solltest endlich deine Altlasten entsorgen. Wie sieht es aus, ein kleiner Kampf unter Geschwistern?“

Skeptisch betrachtete ich ihn, irgendetwas führte er doch im Schilde. Eine Ablenkung! Na sicher, damit Henry ungehindert Kontakt zu Ross aufnehmen konnte. Warum sagte er es nicht gleich?

„Weil du in die falsche Richtung denkst“, grinste mein Verlobter frech.

„Na gut, du hüllst dich in Schweigen und ich werde Livio nicht herausfordern, schon gar nicht solange Vater in der Nähe ist.“

„Ach Angst? Dein Vater könnte einen Schlaganfall bekommen?“, vertiefte sich sein Grinsen.

„Corvin Sardovan!“, stemmte ich die Hände in die Hüften, „Such dir einen anderen Blöden! Von dir lasse ich mich nicht manipulieren.“

Er runzelte die Stirn, „Und wenn ich dir sage es ist wichtig, würdest du dann?“

„Natürlich ohne eine Begründung zu erhalten. Nicht wahr?“

„Natürlich!“, nickte er, „Was ist, wagst du es?“

„Ich weiß nicht“, siegten meine Bedenken, ich musste an Vater denken, er träumte von einer harmonischen Familie. Konnte, nein durfte ich seine Wünsche missachten? Gerade jetzt da er Muse gefunden hatte? Er seit langer Zeit glücklich war? Sollte ich da Livio herausfordern, den augenblicklichen Waffenstillstand brechen?

„Ach komm schon Sarah, Livio hackt auf dir herum, wie es ihm gerade passt. Sicher vor eurem Vater spielt er den Unschuldigen, doch im Grunde wissen es alle, er streut Vlad Salz in die Augen. Wie lange willst du dir das noch gefallen lassen?“

Wieder einmal verfolgte er jeden meiner Gedanken mühelos, „Aber Vater weis es nicht und ich will nicht diejenige sein, von der er etwas anderes hört. Nein Corvin, ich werde Livio nicht herausfordern.“

„Na gut“, widmete er sich seinen Papieren.

Wie das war alles? Keine Argumente, keine Versprechungen, keine Drohungen. Einfach na gut? Sollte ich ihn darauf ansprechen? Ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel verriet ihn. Dieser Schuft!

„Was denn?“ sah er auf, „wenigstens hörtest du auf die Teppiche zu ruinieren“, grinste er schalkhaft.

Das erinnerte mich wieder an Henry, konnte er Ross erreichen? Seufzend legte Corvin endgültig die Papiere zur Seite, „Was hältst du von einen kleinen Spaziergang? Eine Runde um den Wald?“

„Treffen wir da auf Henry?“, stürzte ich bereits zur Tür.

„Nein, aber wir können den Mondschein betrachten“, zwinkerte er mir zu, dabei öffnete bereits die Tür. Peer bekam seine Worte mit, der auf dem Flur seiner Aufgabe als Leibwächter nachkam. „Ja der Mondschein ist um diese Jahreszeit atemberaubend.“ Was auch immer die Beiden am Nachthimmel zu sehen erwarteten, konnte nur eine Nachricht von Ross sein.

Wir wanderten nun schon zum dritten Mal um den Wald herum, keinerlei Zeichen von Ross, stellte ich entmutigt fest. Meine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten.

Wenn Ross der unter Vampiren und Jägern unsichtbar blieb, uns keine Nachricht mitteilen konnte, musste der Ärger bald folgen. Doch nichts geschah in der Nacht, auch nicht in der Nächsten. Wir warteten auf das, was kommen würde. Eines Tages hieß es die Festung sei sicher, mehr erfuhr ich nicht.

Die Gemüter der Freunde und Verbündeten beruhigten sich, sie sahen keinen Anlass zur Sorge. Auch das die Handys keinen Empfang hatten, schien für sie nichts Besonderes zu sein.

 Der Rat tagte, der Vormittag verging mit seichten Geplauder. Überhaupt hörte man nur sinnloses Geschwätz, in der Halle am Nachmittag, am Abend während des Festes.

Noch nicht einmal, kleine Seitenhiebe wurden verteilt, außer natürlich Alischa, die es sich nicht nehmen ließ, über mich herzuziehen, dabei ihren Enkel einbezog und ihn anstachelte es ihr gleichzutun.

Mittlerweile konnte ich ihre Schmähreden mit einem Schulterzucken abtun. Ich wusste nicht, ob es sie verärgerte, jedenfalls verfolgte sie mich regelrecht. Erst als Michelé ihr wie unabsichtlich den Weg versperrte, bekam ich eine kurze Auszeit.

Corvin verhielt sich an dem Abend merkwürdig, er strebte von einer Gruppe zur Nächsten, unterhielt sich dort eine Weile und wandte sich der nächsten Gruppe zu.

Mir wurde die Enge zu viel, deshalb suchte ich eine ruhige Ecke auf und nutzte die Gelegenheit, um mit Michelé zu reden. „Hat Pierre mit dir geredet?“

Er schüttelte bedauernd den Kopf, „Lydia ist bisher nicht zu ihrem üblichen Telefonat gegangen. Wir nehmen an, auch sie hat keinen Handyempfang. Pierre bezichtigt uns der Lüge, er denkt wir wollten ihn gegen Lydia und seine Mutter aufbringen.“

„Das kann ich ihm noch nicht einmal Übel nehmen, er hörte nur unsere Anschuldigungen.“

„Ja“, seufzte Michelé, „Es ist als wäre sie gewarnt worden.“

„Aber bisher sagte er kein Wort! Weder zu Lydia noch im Rat, das ist doch schon mal was.“

Michelé verdrehte daraufhin die Augen, „Nicht genug! Am liebsten würde ich meinen verehrten Freund ein bisschen Verstand einprügeln“, setzte er grollend hinzu.

„Keine schlechte Idee!“, verstand ich Michelé nur zu gut, er lächelte mir verwegen zu, „Ich weiß gar nicht warum ich jemals gegen dich arbeitete. Wahrscheinlich bin ich genau so uneinsichtig wie mein sturer Freund, vielleicht sollte ich ein wenig nachsichtig mit ihm sein.“

„Ich weiß nicht“, meinte ich verdrossen mich an das letzte Gespräch mit Pierre erinnernd. Da war etwas was mich unbewusst beschäftigte, Pierre und seine Affären, „Sag mal Michelé warst du jemals verliebt?“

Er starrte mich einen Augenblick betroffen an, dann verschloss sich seine Miene.

Die Antwort stand ihm im Gesicht geschrieben, es gab einmal eine Frau, die sein Herz eroberte. „Das ist eine sehr persönliche Frage Sarah. Worauf willst du hinaus?“

„Ach es ist nur ein Gedanke, Pierre sagte, er mochte mich, sehr sogar. Aber mit Liebe hat es doch nichts zu tun, oder? Was ist mit Lydia? Liebt er sie? Hat er überhaupt jemals geliebt? Ist er dazu fähig? Sind wir Vampire imstande zu lieben?“

„Himmel, was für Gedankengänge!“, kniff er anschließend misstrauisch die Augen zu, „Ist das ein Test? Was bezweckst du damit?“

„Glaub mir ich habe keinerlei Hintergedanken, dabei“, verstand ich seine Skepsis in keiner Weise, erklärend versuchte ich die richtigen Worte zu finden. „Pierre, er wollte unsere Beziehung neu aufleben lassen. Ich glaube für ihn sind Frauen nur ein kurzzeitiges Vergnügen, ich habe viele Vampire beobachtet ob männlich oder weiblich, sie sind da wie Pierre. Deshalb frage ich mich, ob wir überhaupt fähig sind eine monogame Beziehung zu führen.“

Michelé schwieg eine Weile dann seufzte er auf, „Suchst du etwa Gründe, um mit Corvin die Verlobung zu lösen? Oder willst du dir deine eigenen Gefühle nicht eingestehen? Ich habe euch in den letzten Wochen beobachtet, du bist diejenige die ihn auf Abstand hält. Ich kenne Corvin schon eine geraume Zeit, seine Affären, wenn man sie überhaupt so nennen darf, dauerten nie lange. Bei dir verhält er sich anders, er ist verrückt nach dir. Selbst jetzt, im anderen Teil der Halle weiß er genau, wo du bist. Er ist um deine Sicherheit besorgt, ich weiß nicht wie ich es richtig ausdrücken kann“, sagte er zögernd, „jedenfalls bin ich fest davon überzeugt, dass er tiefe Gefühle für dich hegt.“

Schmunzelnd nickte ich, „Ja aber ist es …?“

Michelé grinste, „Liebe?“, meine Frage beendend, beugte er sich zu mir hinunter, „Liebe ist wie Hass! Kannst du hassen? Wenn ja, dann bist du fähig Liebe zu empfinden.“, richtete er sich auf, „Außerdem solltest du mit Corvin darüber reden, ich bin der falsche Ansprechpartner.“

„Warum?“, wollte ich wissen, er besaß einiges an Lebenserfahrung, da musste er sich doch ein Urteil gebildet haben.

Michelé verweigerte mir die Antwort, er schaute interessiert durch die Halle und trat ganz beflissener Leibwächter einen Schritt zurück.

Kein weiteres Wort würde er zu diesem Thema sagen. Wieso machte er solch einen Aufstand daraus? Über ihre Eroberungen sprachen sie! Aber Gefühle wurden gemieden!

„Warum fragst du nicht mich?“, trat Corvin heran, ein Blick in Michelés Richtung und er entfernte sich ein gutes Stück.

„Weil deine Worte zu leicht über deine Lippen kommen!“, entgegnete ich spitz, „Und hast du deine Ziele erreicht oder musst du weiterhin die Gruppen abklappern?“ verschob ich unser Gespräch auf unbefangene Angelegenheiten.

„Keineswegs so wie ich mir wünschte, alle sind nervös als warten sie auf etwas Unausweichliches, genau wie du.“ Umfing mich sein warmer Blick, was mich wiederum nervös werden ließ.

Wie immer bekam er jede Regung meinerseits mit, verärgert wandte ich mich ab und sah direkt in Alischas hasserfüllte Miene. Sofort spürte ich Corvin neben mir, beschützend schlang er seinen Arm um meine Taille. „Sie geht einfach zu weit!“, lautete sein Kommentar.

„Ist es ihr zu verdenken? Schließlich bist du ein hervorragender Liebhaber“, versuchte ich einen Scherz, der meine Nervosität entsprang, Alischa setzte mir mit jeden Tag mehr zu.

„So bin ich das? Was noch? Vielleicht dein Vertrauter? Geliebter? Der Mann deiner Träume?“

„Mach dich nicht lustig über mich, aber Alischa verfolgt mich geradezu mit ihrem Hass, wieso frage ich mich. Liegt es nur an dir? Oder liegt die Wahrheit woanders?“

Sein Stirnrunzeln nahm zu, „Ehrlich ich weiß es nicht. Meine Vermutung sie wolle dich auf ihre Seite ziehen hat sich nicht bestätigt und an mir liegt es ganz gewiss nicht. Alischa besitzt genug Liebhaber, dazu gehörte ich nie. Denn ich wollte schnellstmöglich die leidige Angelegenheit hinter mich bringen. Gefallen oder gar Vergnügen fand sie bestimmt nicht daran.“

„Ach? Aber ihr hattet ein Verhältnis!“

Nun lachte Corvin unschön auf, „Nein ein Abkommen! Ich wurde nur als Befruchter benötigt. Ab und an als Objekt womit man angab.“

Betroffen hörte ich seine Worte, darin lag eine Verletzlichkeit die ich ihm niemals zutraute.

„Vorsicht Sarah, du könntest deine Meinung über mich ändern, am Ende musst du gar zugeben, mich zu lieben.“, grinste er mich an.

„Keine Sorge das passiert niemals, dafür sorgst du ja schon!“, antwortete ich lieb lächelnd.

„Himmel! Wenn du mich so anschaust, könnte ich dir glatt auf der Stelle das verdammte Kleid vom Körper reißen. Lass uns diesen Hort der Verrückten den Rücken kehren, ich würde mich lieber an deiner milchigen Haut laben.“ Wurden seine Augen dunkel vor Leidenschaft, den ich mich kaum widersetzen konnte. Wusste ich doch, welch Vergnügen er mir bereitete.

Kapitel 40

Noch auf dem Weg, in unser gemeinsames Quartier wurde mir bewusst mit welcher Leichtigkeit er meine Lust zu wecken verstand. In einem Zwiespalt gefangen fieberte ich regelrecht unser Alleinsein entgegen, die andere Seite in mir, verfluchte meine Gier nach dieser Lust. Sie wies mich auf meine zunehmende Abhängigkeit nach diesem komplizierten Vampir hin.

„Wie anders kann es auch sein, schließlich gebe ich mir alle erdenkliche Mühe dich lustvolles Frauenzimmer zu befriedigen. Für einen Mann meines Alters eine immense Aufgabe, das kann ich dir versichern.“, er grinste mich schalkhaft an, so nahm ich seine Worte nicht besonders ernst.

Dafür aber Peers kurzes Zucken um so mehr, irgendetwas erregte seine Aufmerksamkeit. Sofort schaltete ich in den antrainierten Krieger, der Leibwächter in mir, stellte sich vor Corvin. Mit mäßigen Erfolg, er schob mich kurzerhand hinter sich, was ich keinesfalls dulden konnte.

So rangelten wir wertvolle Sekunden, „Es ist nichts! Wollte nur mal sehen, wie gut ihr aufpasst.“ Meinte Peer mit besorgter Miene.

„Wie bitte?“ fragte Corvin kühl nach.

Der Leibwächter streckte sich zur vollen Größe, „Du brauchst mich gar nicht so streng ansehen, Corvin. Gerade dein Verhalten bereitet mir Sorge. Wie kannst du dich vor Sarah stellen? Wäre dies ein Angriff, hätte sie dich schützen können.“

„Spinnst du? Sarah ist kein Leibwächter mehr, sondern meine Frau und ich verteidige sie mit meinen Leben“, ging er aufgebracht auf Peer zu, der keinen Schritt Zurückschritt, sie stierten sich unversöhnlich an.

„Ah ja? Und du bist derjenige den ich schützen muss! Willst du einen Leibwächter für deine Frau, beauftrage einen! Ich kann mich nicht zerteilen!“, klang Peers Stimme vor unterdrückter Wut.

„Ich brauche keinen!“, entgegnete ich nun ebenso gereizt, wie die beiden Herren.

„Brauchst du doch!“ Fuhren sie mich gleichzeitig an, mir verschlug es die Sprache über so viel Unverstand, schließlich gehörte ich zu den Besten, auch wenn es hier in diesem alten Gemäuer nicht viel zählte.

„Verstehe“, nickte mein Verlobter, „Ein unverzeihlicher Fehler, den ich beging. Peer kümmere dich darum. Wo ist Michelé überhaupt?“

„Keine Ahnung! Ich gehe ihn suchen, sobald ein Leibwächter für euch zur Verfügung steht.“

Ach darum ging es die gesamte Zeit! Michelé! Fingen sie an ihn zu verdächtigen? Nein ausgeschlossen, ansonsten hätte Corvin einen anderen Krieger beauftragt mich zu schützen.

Aber wo war er? Wann sah ich ihn das letzte Mal? „Meint ihr, er steckt in Schwierigkeiten?“, wurde mir mulmig. Vielleicht stellte er Lydia zur Rede? Die neuen Leibwächter Pierres schleppte Lydia an, die Anderen, die mit Michelé kamen wurden kurzerhand nach Hause geschickt.

Aus undefinierbaren Gründen musste ich mich sofort vergewissern das es Michelé gut ging. „Wo hat er sein Quartier?“ Fragte ich Peer, schon halb auf den Weg in das oberste Geschoss.

„Er wollte nicht hinauf, sondern ist bei den Wachen geblieben!“ hetzte Peer hinter mir her, gefolgt von Corvin, der meine Sorge zu teilen schien.

Die Stufen hinunter, die Halle, das Wiesenstück, der Waldstreifen und wieder eine Grasfläche. Der Weg kam mir unendlich lang vor und doch benötigte wir nur Sekunden bis ich auf eine Wache traf und nach Michelé befragte. „Ach der, muss oben sein, hat Dienst.“

„Das Gelände hat er definitiv nicht verlassen?“ hinterfragte Corvin, der Mann schüttelte vehement den Kopf, aus seinem Gesicht sprach Sorge.

Corvin wandte sich bereits ab, aber ich hinterfragte den Mann aus einem Gefühl heraus, „Wo wollte er hin?“

Der Wachmann warf einen vorsichtigen Blick auf den Rücken seines Bosses, ungeduldig fuhr ich ihn an, „Nun sag schon!“

„Michelé … naja er wollte mit einer Frau reden“, drückte er sich vage aus.

„Welche?“

Wieder ein Blick auf Corvin, der den Krieger nun interessiert ansah. „Also, ich denke nicht das Michelé gegen Regeln verstößt, er wollte lediglich mit der Frau reden.“, druckste der Mann herum.

„Lydia!“ vermutete ich laut aussprechend, die Miene des Kriegers verriet mir meinen richtigen Verdacht, ohne ihn weiter zu beachten, spurtete ich los.

Es war mir gleich, ob Corvin oder Peer mir folgten, in meinen Innern brodelte ein ungutes Gefühl. Michelé was hattest du vor? Welch eine Narretei gingst du nach? Wolltest du Lydia zur Rede stellen? Inmitten ihrer Leibwächter?

Grausige Bilder entsprangen meiner Fantasie. Michele gefoltert. Verstümmelt bis zur Unkenntlichkeit. Ein Kopf, der auf mich zurollte, blondes Haar blutverschmiert. Ich stoppte!

Nein, das konnte Michelé nicht sein, er besaß dunkles Haar. Wessen Schopf sah ich? Henry? Hendrik? Sollte es eine zukünftige Weissagung sein?

Corvin rüttelte mich, wie aus einer Trance erwachte ich, nahm meine Umwelt wahr. „Sarah!“, er hielt mich schmerzhaft an den Schultern gepackt, „Eine Erinnerung! Eine Erinnerung von Endris!“

„Aber wie kann das sein? Ich besitze keine Eigenen! Nur die, die du mir mitteiltest! Es sei denn du warst da.“

Entsetzt wich Corvin einen Schritt zurück, „Ja glaubst du denn, ich hätte den Jungen nicht beschützt? Glaubst du wirklich, ich hätte tatenlos zugesehen?“

„Nein!“ Konnte ich mir solch ein Vorgehen seitens Corvins niemals vorstellen.

„Danke!“ atmete er erleichtert auf, „Und nun sehen wir nach Michelé ohne uns vorher verrückt zu machen.“ Versuchte er beruhigend zu klingen.

Doch ich spürte es in meinen Eingeweiden, irgendetwas schreckliches musste vorgefallen sein. Fast zögernd trat ich hinter meinen Verlobten in die Halle, Peer schloss auffallend leise die Tür.

„Du meinst auch, es ist etwas geschehen. Nicht wahr?“ er nickte nur.

Obwohl wir leise sprachen, bekam Corvin jedes Wort mit, „Hört auf!“ befahl er in strengem Tonfall, „Außerdem könntet ihr eure Trauermienen ein bisschen verbergen. Ich habe keine Lust auf ein Heer neugieriger.“ Steuerte er direkt die Treppe an.

„Auf ein Wort“, versperrte Monseigneur ihm den Weg.

„Es tut mir leid, Monseigneur aber ich habe im Augenblick keine Zeit für dein verleumderisches Maul!“ schob er den salbungsvollen Vampir einfach zur Seite.

Dieser plusterte sich verärgert auf, „Eine Beleidigung!“ rief er aufgebracht, sich nach Publikum umsehend. Wie erwartet wandten sich ihm verschiedene Köpfe zu.

Zu unserem Glück verweilten zur Zeit nur Anhänger des Bosses in der Halle, die achselzuckend ihre Gespräche weiterführten. Da Monseigneur das geeignete Publikum fehlte, zudem Peers drohende Miene wahrnahm, verzog er sich schleunigst.

Derweil erreichte Corvin das oberste Geschoss, da von Monseigneur im Moment keine unmittelbare Gefahr ausging, nahmen Peer und ich zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe in Angriff.

Der Boss marschierte bereits auf den linken Flügel zu, bevor wir ihn erreichen konnten, donnerte seine Faust bereits gegen die Tür von Pierres und Lydias Gemach.

Gerade als wir die Tür erreichten, wurde sie von Pierre geöffnet, der uns erstaunt ansah. „Was …“

„Wo ist Lydia?“ fragte Corvin ohne jegliche Spur von Höflichkeit.

„Das würde ich auch gern wissen!“, trat Pierre zurück und deutete auf das Durcheinander im Raum, „Ich bin vor ein paar Minuten hereingekommen und habe genau dieses Schlachtfeld vorgefunden. Was soll das alles bedeuten? Weder von Lydia noch von einem Leibwächter eine Spur, nur eine Menge Blut. Was ist hier vorgefallen, Corvin?“

Der Boss schnellte an Pierre vorbei, er untersuchte bereits das Zimmer. Während Peer fragte, wo Pierre gewesen sei. „Im Bad, Michelé wollte mit mir reden, aber er kam nicht.“, antwortete er zerstreut.

„Das ist Blut von mehr als einer Person! Hier fand ein Kampf statt!“, stellte Corvin sich aufrichtend fest.

„Aber … wieso … was …?“, richtete Pierre fragend sein Blick abwechselnd auf uns. „Lydia? Ist sie … verletzt? Sie ist schwanger, bekommt unser Kind …“, brach er murmelnd ab, die Hände hilflos erhoben.

„Was auch immer hier geschehen sein mag, wir werden es herausfinden und deine Frau finden.“, versprach Corvin. Mir fiel sein kurzes Zögern auf als er sagte deine Frau. Er versuchte, es nicht allzu abwertend klingen zu lassen.

Corvin wusste etwas über Lydia, mehr als wir bis dahin annahmen. Ich fragte mich ob Michelé das gleiche Wissen besaß wie Corvin und er deshalb Lydia aufsuchte.

„Sarah“, hielt Pierre mich am Arm fest, „Du würdest mir doch sagen, wenn Lydia etwas geschehen wäre.“

„Aber ja!“, versuchte ich ihn zu beruhigen, indem ich meine Hand auf seine legte, die er sofort umklammerte.

„Sie trägt mein Kind in sich, Sarah …“, sagte er verzweifelt, „wenn ihr etwas zustößt …“, lag es an meiner Miene? Jedenfalls meinte er, „Ich weiß, ihr habt eure Schwierigkeiten miteinander. Aber ich weiß, Lydia respektiert dich, auf gewisse Art bewundert sie dich.“, sein Händedruck wurde immer fester, „Ihr müsst sie finden, unversehrt!“

Ich riss mich mit einem Ruck los, Pierre verlor für einen Moment das Gleichgewicht, so heftig stieß ich ihn von mir. „Warum suchst du sie nicht selbst? Anstatt hier herumzujammern?“, fuhr ich ihn an, die Geduld verlierend. „Ich sorge mich um Michelé, aber nicht um Lydia, sie hat ihre Leibwächter, Michelé ist auf sich allein gestellt. Also sag mir Pierre wohin kann deine Frau deinen einstigen Freund verschleppt haben?“, trat ich nun wieder einen Schritt näher.

Pierre wich zurück, ich sah ein Aufleuchten in seinen Augen, er wusste, wo Lydia sich aufhielt.

„Sag mir wo! Pierre!“, drückte ich ihn gegen die Wand. In diesem Augenblick bedeutete er mir nichts, hier galt es einem Freund zu helfen und zu dem wurde Michelé in den letzten Wochen.

„Draußen an der Felswand, dort wächst ein Gebüsch das mehrere Leute mühelos Unterschlupf gewährt.“

„Wo genau?“, hinterfragte Corvin.

„Zwischen Wald und Gebäude, es ist ein riesiges Gestrüpp, nicht zu verfehlen.“

Kaum das Pierre das letzte Wort aussprach, liefen wir los. Nun zum zweiten Mal durch die Halle, diesmal folgte uns Henry mit Matt. „Was ist los?“ wollten sie wissen.

Peer hinter mir klärte sie auf, ich achtete nicht weiter auf sie, sondern versuchte mit Corvin riesigen Schritten mitzuhalten. Er kam zuerst zum Busch, aus der Entfernung konnte ich keinerlei Durchgang entdecken, dafür hörte ich ein ersticktes Aufstöhnen.

„Michelé!“, rief ich, ohne das es mir bewusst wurde.

Corvin der bereits das Gebüsch untersuchte, duckte sich plötzlich. Einer von Lydias Leibwächtern trat an der Seite hervor, als er mich entdeckte, blitzten seine Augen triumphierend auf, höflich fragte er nach, ob ich Michelé Gesellschaft leisten wollte.

„Sehr gern“, nickte ich ihm zu, sein wölfisches Lächeln übersah ich geflissentlich.

„Dann folge mir!“, schob er einen dicht belaubten Zweig zur Seite, der Weg wurde sichtbar. Corvin schoss aus seiner Hocke empor und packte den übertölpelten Leibwächter an die Kehle, „Ein Ton und es ist das Letzte was du von dir gibst.“ Warnte Corvin.

Ich musste mich zurückhalten um nicht an Corvin und den fast erstarrten Leibwächter vorbeizurennen. „Wer war da?“, die Stimme gehörte eindeutig Lydia und sie hörte sich keinesfalls bedroht oder ängstlich an.

Corvin schob den Leibwächter vor, man hörte geradezu die Überraschung der dort Anwesenden. „Ich hoffe wir stören nicht?“, fragte er ironisch nach.

„Schnappt ihn euch!“, erklang Lydias hysterische Stimme.

Nun hielt mich nichts mehr! Bevor ich an meinen Verlobten vorbei huschen konnte, flog der gefangene Leibwächter auf einen anderen. Den Dritten nahm ich mir vor, der sofort die Hände hob, als ein Schatten zwischen uns Gestalt annahm.

„Brav so mein Junge!“, sagte der Schatten von dem eine ungeheure Macht ausging, die mich nötigte niederzuknien. Ambrosius, schoss es mir durch den Kopf, wagte aber nicht aufzusehen, seine beherrschende Aura verlangte absolute Unterwerfung.

„So!“, sagte die Stimme, die mir fremd in den Ohren klang, „Was haben wir denn hier? Verrat! Folter! Ungehorsam! Dazu Lug und Betrug, da kommen einige Anklagen auf dich zu, Lydia. Hoffentlich hält deine Schwiegermutter genauso zu dir, wie du zu ihr. Was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, da sie in Zukunft ihre eigene Verteidigung vorbereiten muss.“

Er sprach in einem Plauderton, fast hörte er sich entzückt an, so als freue er sich. Noch immer konnte ich nicht mich zu rühren, obwohl ich zu gern sein Gesicht sehen wollte.

„Corvin! Du darfst dich erheben.“ Also er auch! Wie groß die Macht in diesem Vampir wohnte, wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Sogar ein Corvin Sardovan sank in die Knie, kaum vorstellbar.

„Du?“ hörte ich meinen Verlobten erstaunt nachfragen.

„Dabei dachte ich, du würdest mich als Erster durchschauen. Doch nun zu dieser delikaten Angelegenheit, die Zeit drängt, ich habe mich nur eingemischt, weil meine tapfere Enkelin mal wieder ihrer hellseherischen Intuition folgte. Du solltest besser auf sie aufpassen, zuweilen kannst du sie ruhig ein wenig manipulieren.“

Ich glaubte mich zu verhören! Obwohl ich innerlich vor Wut kochte über diesen Vorschlag, blieb ich bewegungslos.

Corvin lachte amüsiert auf, „Ein verführerischer Gedanke, der Preis dafür ist mir allerdings zu hoch.“

Wie konnte er sich mit dem alten Vampir in aller Seelenruhe unterhalten, dazu auch noch Witze reißen?

„Verstehe! Nun zu dem verräterischen Weib, sie arbeitet für Namine, die Beweise liegen in Henrys Gemach. Des Weiteren und ich denke dies sollte privat abgeklärt werden, bekommt sie kein Kind. Der Franzose kann sich somit sein eigenes Bild über den Charakter der Dame machen. Auf ihn kommen sowieso schwierige Zeiten zu, da Mutter und Ehefrau mit den Jägern in Verbindung gebracht werden können. Nun zu einer weiteren bedachtsamen Obliegenheit, dafür benötigen wir keine weiteren Lauscher.“

In meinen Ohren setzte sofort ein Rauschen ein, das anschwoll, wollte ich mich auf die Stimme des unerkannten Vampirs konzentrieren. Welch eine Macht er verfügte. Durfte ein einzelner denn soviel besitzen? Brachte es das Gleichgewicht denn nicht durcheinander?

Wie immer denkst du nur an das Negative, Sarah! Sieh doch einmal die Kehrseite der Medaille, wir kommen der Auflösung des Rätsels immer näher. Ach noch etwas, mein Kind, überdenke deine Gefühle, schalte dabei deinen Stolz doch mal aus. Was bleibt mein Kind, ist Liebe.

Jetzt bekam ich sogar von einem Unbekannten Ratschläge erteilt? Ja dachten sie denn alle, ich sei unfähig mein eigenes Leben zu führen? Dachten sie, ich sei nicht in der Lage Gefühle zu erkennen?

Weder konnte ich meine Meinung äußern noch ihn in seine Schranken weisen. Tatenlos hockte ich auf den Boden und regte mich auf.

Wie er kam so verschwand er auch, der Druck der mich niederhielt, ließ von mir ab, als wäre nichts geschehen, konnte ich mich bewegen und nicht nur ich, Sondern auch die übrigen Anwesenden, außer natürlich Corvin, er reichte mir helfend die Hand, „Wer ist er?“, wollte ich sofort wissen.

Ich bekam ein Schulterzucken zur Antwort, „Ehrlich gesagt ich weiß es nicht, dabei dachte ich ihn erkannt zu haben. Vielleicht habe ich das auch, aber der Gedanke ist weg.“ Rieb Corvin sich zerstreut die Stirn, „Verdammt aber auch!“ fluchte er leise, „Ich sehe ihn und trotzdem kommt kein vernünftiges Bild zustande.“

„Was ist mit Lydia und ihre Spießgesellen?“

„Mit den Beweisen können wir sie vernehmen, Kahlaf wird Lydia einige Fragen stellen wollen.“ Warf er ihr einen düsteren Blick zu.

Ein unterdrücktes Röcheln ließ mich herumfahren. Michelé! In all der Aufruhr hatte ich ihn glatt vergessen. Sofort kniete ich mich zu ihm nieder und erlöste ihn von dem Knebel und Fesseln.

Keuchend und hustend versuchte Michelé sich aufzurichten, „Warte, gleich bekommst du Nahrung, dann wird es gehen.“, versuchte ich ihn daran zu hindern aufzustehen. Er sah schlimm aus, blutete aus mehrere Wunden, besonders ein scharfer Schnitt quer über sein Gesicht bereitete mir Sorge.

„Nein!“, schüttelte er meine Hand ab, „Das Weib soll augenblicklich bezahlen.“

„Das wird sie!“, Half Corvin ihn auf, „Aber nach unseren Gesetzen!“

Abermals knurrte Michelé, „Verdammt Sardovan ich möchte dich in meiner Situation erleben, sie hat den Tod verdient!“

„Sicher“, kam Henry wedelnd mit Papieren in der Hand auf uns zu, „Ein kleines Stimmchen hat mir geflüstert, ich solle auf meinen Schreibtisch schauen und siehe da, was ich fand. Das ist unfassbar, Namine und Lydia sind erledigt! Wir haben die Strippenzieher!“ hielt er Corvin die belastenden Schriftstücke unter die Nase.

Eines verstand ich nicht, kein Wort über Ambrosius, sie mussten doch seine Aura gespürt haben.

Indessen wies Corvin auf Michelé, „Gib sie ihm! Außerdem sind sie wie Dana ein Rädchen im großen Getriebe, ich will aber das Hirn!“

„Du bist aber auch mit nichts zufrieden“, seufzte Henry.

„Wärest du auch nicht, sie wollten Sarah …“, ließ er den Satz unvollendet, da in diesem Moment Inazinus und Monseigneur mitsamt ihren Leibwächtern die kleine Freifläche betraten. „Was ist hier los?“, ertönte Monseigneurs salbungsvolle Stimme.

Henry wandte sich sofort den Neuankömmlingen zu und erzählte ihnen von den neuen Beweisen. Über Michelé verlor er kein Wort, Inazinus erbleichte sichtlich, als er von Namine hörte.

Mir kam sein Verhalten verdächtig vor, unauffällig distanzierte er sich von Monseigneur, sofern es auf dieser geringen Fläche möglich war. Er betrachtete Lydia mit offensichtlicher Abscheu.

Während Monseigneur, die Anschuldigen gegen Namine und Lydia anzweifelte, „Ich kenne Namine, niemals würde sie ihrer eigene Rasse Schaden zufügen, nein das glaube ich nicht. Hiermit erkläre ich die Beweise als unzulässig. Wer weiß, welcher Vampir sie sammelte, bestimmt hegt er einen Groll gegen Namine.“ Forderte er mit ausgestreckter Hand die Papiere.

„Vorsicht, wen du beschuldigst Monseigneur, das Wort von Ambrosius wird dir sicher reichen.“ Meinte Henry die Schriftstücke demonstrativ einsteckend.

Derweil taumelte Monseigneur entsetzt zurück, „Du stehst mit ihm in Kontakt? Er lebt wirklich?“ Fragte er zu Tode erschrocken nach.

„Hegtest du einen Zweifel? Wer sonst schenkte Sarah die Kette?“ erkundigte sich Henry erstaunt.

Monseigneur erwiderte kein Wort darauf, sondern drehte sich auf der Hacke um, er floh regelrecht.

„Da hast du in ein Bienennest gestochen, Henry.“ Meinte Corvin, dabei stützte er Michelé der trotz seiner Versicherungen, es gehe ihm gut, schwankte.

 

Kapitel 41

 

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zurück zum Haus. Es ging langsam, da Michelé jedwede Hilfe ablehnte, was ich nur zu gut verstand. Ein Krieger wie Michelé wollte sich keine Blöße geben, es nagte an ihm, in Lydias Falle getappt zu sein.

Pierre kam uns aufgeregt entgegen, natürlich wollte er sofort wissen, warum seine Ehefrau unter der Obhut der Wachen stand.

„Folge uns!“, lautete Corvins kurzer Kommentar.

Pierre schnappte aufgebracht nach Luft, als er jedoch Michelés erbärmlichen Zustand wahrnahm, kam er der Aufforderung stumm nach.

Kein Mitglied des Rates hielt sich in der Halle auf. Hier und da standen Leibwächter, die so taten als sehen sie uns nicht, dabei wurden wir genauestens unter die Lupe genommen. Sicher mussten sie gleich einen Rapport abliefern, konnte ich mir denken.

Der Boss schlug den Weg zu Kahlaf ein, Merkur öffnete die Tür, schon bevor wir ankamen. Er gab den Wachen einen Wink, sie zogen kommentarlos ab. Lydia sah sich hilfesuchend nach ihrem Gemahl um, doch Pierre sah mit versteinerten Gesicht an ihr vorbei.

Ja das sah ihm ähnlich, erst einmal die Tatsachen hören, bevor ich mich für meine Frau einsetze, dachte ich, ihn verächtlich ansehend. Corvin würde niemals so handeln, wusste ich. Egal was seine Freunde auch taten, er stand immer hinter ihnen, bis die endgültigen Beweise vorlagen und er sich selbst ein Urteil bilden konnte.

„Vorsicht meine Liebe, Du hebst mich gerade auf ein Podest!“, blickte ich in zwei schelmisch grinsende Augen.

„Keineswegs! Ich vergleiche nur verschiedene Charaktere, gewöhnlich finde ich an Deinem, keine positiven Eigenschaften.“, erläuterte ich kratzbürstig.

Ein Räuspern von Merkur, der mir einen tadelnden Blick zuwarf, ließ mich verlegen erröten. Musste Corvin mir auch immer so auf die Nerven gehen? Schaute ich ihn böse an, er grinste nur frech.

„Schlimmer wie kleine Kinder!“, seufzte Merkur ergeben.

„In der Tat!“, vertauschte Henry die Rollen, obendrein wippte er angriffslustig auf den Fersen. „Sie lernen es nie!“ fügte er noch hinzu.

„Ich hoffe du schließt dich mit ein!“ konterte Merkur.

Inzwischen standen wir zwischen den Staffeleien, Kahlaf mit Pinsel und Farbpalette bewaffnet sah verstört auf. „Was ist denn hier los?“ Auch sie sagten kein Wort über Ambrosius, dabei musste seine Aura ganz Granada erschüttert haben.

Abwechselnd erzählten Corvin und Michelé die Ereignisse. Pierre ließ ab und an ein Schnaufen hören, Kahlaf hingegen hörte ruhig zu. Dann forderte er die Papiere, die Henry ihm unverzüglich reichte.

Während Kahlaf die Schriftstücke studierte, schaute ich mich um. Ein Bild halb verdeckt stach mir ins Auge. Ein Teil eines Gesichtes, das mir vertraut vorkam und doch fremd wirkte, forderte meine Aufmerksamkeit. Eindeutig Vaters Mimik und doch nicht.

Corvin trat zu mir, natürlich wusste er was mich beschäftigte, er sog vernehmlich die Luft ein. Irgendetwas musste er entdeckt haben. Was sagte der Schatten ihm? Welch ein Geheimnis teilte Ambrosius ihm mit?

Fragen über Fragen auf denen ich keine Antworten erhielt, die mich trotzdem unentwegt beschäftigten. Kahlaf erhob seine melodiöse Stimme, „Nun Lydia das sieht schlimm für dich aus. Bist du gewillt alles zu Offenbaren?“

Lydia erhob stolz ihren Kopf, „Nichts werde ich sagen! Überhaupt frage ich mich, warum ich abgeführt wurde? Nur wegen des verräterischen Leibwächters, der sich mit der Sardovanhure herumwälzt?“ tat sie im verächtlichen Ton kund.

Sie wirkte gelassen, so als ob man ihr nicht das Geringste antun könne. Verließ sie sich auf Pierre? In der nächsten Sekunde wurde sie diesbezüglich enttäuscht.

Kahlaf reichte Pierre die Papiere, bevor er Lydia ansprach, der stand wie angewurzelt da. Sein Gesicht bleich, warf er seiner Frau nun einen abschätzenden Blick zu. „Ist das wirklich wahr?“, richtete Pierre die Frage an Corvin.

Dieser nickte verhalten, abwartend wie Pierre reagierte. Diskret verschoben die Personen ihre Positionen, automatisch setzte ich mich in Bewegung, der Leibwächter in mir wollte das Trio schützen.

Natürlich bemerkte Pierre unser Verhalten, besonders da sich Corvin demonstrativ neben mir stellte. Wieder einmal gefährdete er seine Sicherheit, schüttelte ich unwillig den Kopf.

„Ich habe mich völlig in der Gewalt“, meinte Pierre die Hände mit den Papieren seitlich ausstreckend. Was mich aber überzeugte, war das traurige Lächeln in seinen Mundwinkeln, „Verfahrt mit Lydia, wie ihr meint. Eines Bitte ich mir aus“, sah er den Boss verständnisheischend an, „Lydia …“

Räuspernd unterbrach Corvin den Bittenden, „Auf ein vertrauliches Wort Pierre“, deutete er auf den hinteren Teil des Raumes.

Durch die Staffeleien verdeckt klärte unser Familienoberhaupt wahrscheinlich den Franzosen über Lydias Täuschung auf. Was wusste er noch? Ambrosius! Corvin erkannte ihn, demnach versteckte er sich nicht, sondern blieb unerkannt. Aber wer, ging ich alle möglichen Kandidaten in Gedanken durch.

Mir fiel nur ein Vampir ein, Ross. Konnte es so einfach sein? Was wusste ich über ihn? Als Vampir begegnete er mir einige Male, als Mensch war er mir vertrauter. Während meines Aufenthaltes im Dorf, als ich schwanger war, sah er täglich nach mir.

Mehr noch, er brachte mir das Backen bei, Himmel sogar Rezepte fielen mir ein. Woher wusste Corvin von unseren täglichen Naschereien?

Nein, all das blieb dem Boss verborgen! Woher kamen die Erinnerungen? Wer wusste noch davon? Henry! Konnte er Ambrosius sein? Lächerlich, weder Henry noch sein Sohn. Geirrod weilte ebenfalls im Dorf, er unser Vorfahr?

Verdammt noch mal, ich wollte wissen, wer er war, „Corvin kennt die wahre Identität Ambrosius“, platzte ich heraus.

Sie sahen mich an als wären mir plötzlich Hörner gewachsen, Corvin schaute hinter einer Staffelei hervor, „Hat ja lange gedauert“, lautete sein Kommentar.

Dann brach der Damm, Henry und Vlad nahmen den Boss in die Mangel. Ha jetzt erfährt er mal wie man sich fühlt bedrängt zu werden.

Zu meinen Leidwesen schlug er sich gut, zu gut denn Vater und Henry gaben einfach auf.

Was sollte denn das? Corvin Sardovan sieht seine Freunde beschwörend an und schon geben sie auf? Keinerlei Fragen? Keinerlei Drohungen? Keinerlei Versprechungen? Nichts! Einfach so! Ich konnte es nicht fassen.

Und was taten die Übrigen nichtsnutzende Leibwächter? Sie rührten sich keinen Millimeter, hinterfragten noch nicht einmal. Was für eine Bande von Feiglingen!

„Sie wissen nun einmal, wann man aufhört Fragen zu stellen. Eine Tugend, die dir abhandengekommen ist.“ Flötete der Herr ´ich weiß alles´leise in mein Ohr.

Laut genug damit die Anwesenden es mitbekamen, wie ein kurzer Rundblick mich überzeugte, sie sahen sich interessiert nach allen Seiten um, mich übersahen sie dabei vollkommen. Verräter! Allesamt Verräter, wütete ich innerlich.

In meinen Zorn bekam ich erst gar nicht mit, das Pierre das Gemach Kahlafs verließ. Lydia stand mit viel weniger Hochmut da, besonders als Kahlaf nochmals fragte, „Wirst du mir alles sagen?“

Wie ruhig er die Frage stellte, es lag keinerlei Drohung darin und doch zog ich fröstelnd die Schultern ein. Kahlaf benötigte keine warnende Äußerung, seine reine Erscheinung genügte.

In diesem Augenblick zollte ich Lydia Respekt, sie hob ihr Gesicht zu dem alten Vampir, stolz verkündete sie: „Alles was ich tat, tat ich aus Überzeugung! Ihr wollt mit den Menschen Seite an Seite leben, dabei sind sie für uns nur eine Nahrungsquelle und bevor sie das werden, dürfen sie uns als Sklaven dienen. Ihr seid es, die unser Volk in die Verdammnis führt. Paart euch mit Menschen auf das unser Blut immer dünner wird.“ Dabei betrachtete sie uns mit abfälligen Blicken.

„Verhöre mich Kahlaf, aber es wird dir und euch nichts nutzen, der Sturm bricht los, ehe ein Wort des Verrats über meine Lippen kommt. Ihr seid schon Asche und wisst es noch nicht.“ Lachte sie irre auf.

„Das gefällt mir nicht!“, raunte Henry seinen Freunden zu, „Das Weib ist mir zu selbstsicher.“

Merkur antwortete mit einem Nicken, „Ja und deshalb geht jetzt.“ Betrachtete er Lydia bedauernd, aber auch mit einem erbarmungslosen Ausdruck.

„In Lydias Haut möchte ich nicht stecken. Was werden sie mit ihr machen?“ die Frage stellte ich niemanden Bestimmten, deshalb wunderte ich mich das ich überhaupt eine Antwort bekam.

Dann auch noch von Muse, „Körperliche Gewalt benötigen sie nicht, sie werden ihren Geist bezwingen. Je nachdem wie stark ihre Gegenwehr ist, wird Lydia einen seelischen Schaden davontragen. Ich wünschte Ambrosius könnte das Verhör führen, allein seine Präsens, löst jede Zunge.“

Dazu konnte ich nur nicken, die Erfahrung seiner Macht vor nicht einmal einer Stunde noch körperlich spürbar. Ja ihm würde ich alles erzählen, Lydia bildete da bestimmt keine Ausnahme. Wer konnte überhaupt solch einer Autorität widerstehen?

„Wir müssen einfach abwarten, in der Zwischenzeit sollten wir die Beweise gegen Namine durcharbeiten.“ Schlug Henry vor.

„Ja macht das! Sarah wird euch helfen, ich muss etwas in Erfahrung bringen.“ Meinte Corvin geheimnisvoll und setzte sich sogleich in Bewegung, mit einem Wink lehnte er die Begleitung eines Leibwächters ab.

Er wirkte besorgt. Wen wollte er treffen? Unauffällig ließ ich mich zurückfallen, wartete auf einen günstigen Moment, damit ich Corvin folgen konnte. Weder Henry noch Vater achteten auf mich, sie beschäftigten sich bereits mit den Schriftstücken.

„Wo willst du denn hin?“ Erschrocken sah ich auf, Michelé!

„Das geht dich kaum etwas an“, erwiderte ich schroff.

Er lachte unfroh auf, „Mag sein, willst du jedoch hinter dem Boss her …“, ließ er den Satz unvollendet, da in diesem Augenblick Pierre den Flur betrat, bepackt mit Kleidung die augenscheinlich Lydia gehörte.

Verlegen sah er darauf hinunter, „Wie es aussieht, stehen meine ehemaligen Freunde Wache, um mir eine weitere Erniedrigung beizubringen.“ Sagte er verbittert.

„Ungerecht wie eh und je!“ fuhr ich ihn ungestüm an, „Hast du dich bei Michelé entschuldigt? Nein! Ein Ratsmitglied ist solcher Tat unwürdig, nicht wahr? Du verblendeter hochtrabender Hornochse, deinen einzigen wahren Freund verjagtest du und nun klagst du ihn auch noch an. Weißt du was Pierre, ich gönne dir deinen tiefen Fall, vielleicht lernst du daraus.“ Schnappte ich erregt nach Luft, so viel wollte ich ihm an den Kopf werfen, ich konnte nicht, er schaute mich mit verletzten Welpenaugen an.

Auf dem Absatz wendend wandte ich Pierre den Rücken zu. Mein Ausbruch wurde von Vater und Henry bemerkt, kein Wunder mit jedem Wort wurde ich lauter. Mir blieb keine andere Wahl, als mich ihnen anzuschließen.

Als ich zurückschaute standen sich Pierre und Michelé schweigend gegenüber, ich hoffte die Freundschaft zwischen den Beiden renkte sich wieder ein. Pierre benötigte einen Freund wie Michelé, der ihm hin und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Etwas fiel mir auf, eine vertraute Geste, die ich schon oftmals sah. Bei wem fragte ich mich beiläufig. Die Geste vergaß ich schnell, als Henry mir einen Packen Kontoauszüge in die Hände drückte, „Suche Einzahlungen mit gleichen Kontonummern heraus.“ Aufstöhnend suchte ich mir eine Ecke, in der ich mich auf dem Boden niederließ. Jeder der Leibwächter erhielt einen Stapel Papiere mit entsprechenden Instruktionen.

Matt und Till setzten sich rechts und links von mir, Eric grinste uns hämisch an als er zur Wache vor die Tür geschickt wurde. Malech wollte sich ihm schleunigst anschließen, wurde aber ebenso wie wir verdonnert, irgendwelche Dokumente zu durchsuchen.

Lange Zeit hörte man nur das leise Rascheln von Papier, ab und an ein Seufzen, ein verhaltenes Stöhnen, bis Till die Stille durchbrach, „Dafür bin ich einfach nicht geschaffen“, streckte er sich, dabei verschob er mit seinem Bein meine geordneten Auszüge.

„Pass auf!“, meinte ich spitz.

„Ist doch egal, wir wissen das Namine mit den Jägern im Bunde ist. Meint ihr etwa der Drahtzieher hinterlässt schriftliche Spuren? Wir sollten es besser wissen, der Typ geht, äußert vorsichtig und besonnen vor. Hier finden wir nicht das Geringste, man sollte Namine in die Mangel nehmen.“

Henry ließ geräuschvoll seinen Stapel fallen, „Tja wenn das so einfach wäre, nach unseren neusten Informationen ist Namine spurlos verschwunden.“

„Wie?“ fragte Matt fassungslos nach, „Genauso wie Dana?“

„So sieht es aus, keine Spur von ihr.“ Bestätigte Henry, dabei warf er Vlad einen tiefgründigen Blick zu, den Vater aufschnappte. „Wir gehen davon aus das unser Unbekannter hinter sich aufräumt.“

„Verdammt schlau und verdammt rücksichtslos, die eigene Art zu Eleminieren ist ganz schön verwerflich. Ohne jegliches Gewissen würde ich sagen.“ Sagte Matt erschüttert.

„Aber“, schüttelte Till den Kopf mit erhobenen Zeigefinger, „was ist mit den anderen Verbündeten? Werden sie sich nicht gegen denjenigen wenden? Schließlich kann dieser Unbekannte nicht jeden seiner Handlanger beseitigen.“

„Ja“, antwortete Vater, „Dies ist auch Corvins Meinung, er denkt Dana und Namine halten sich irgendwo versteckt.“

„Wenn das so wäre“, mischte sich Malech ein, „So müsste es ein privater Ort sein, der für uns unerreichbar ist. Davon gibt es nur eine Handvoll.“

„Du scherzt!“, lächelte Henry ungläubig, doch Malech blieb gelassen, „Nein, unser Clan ist auf dem gesamten Erdball verteilt, wir besitzen viel Verwandtschaft die in anderen Familien leben. Im großen und ganzen haben wir in jedem Clan einen Spion. Deshalb weiß ich genau das es nicht viele Orte gibt, in denen sich Dana und Namine verstecken können.“

„Und die wären?“ hinterfragte Henry nun höchst interessiert.

„Als erstes Mal eure Festung, Ciaran besitzt ein Anwesen in Frankreich sowie eines in der Nähe von Damaskus, Monseigneur ein Stadthaus in Rom, schließlich Alischa mit ihrem Herrenhaus in Athen, mein persönlicher Favorit.“

Vater meldete sich zu Wort, „Das Herrenhaus ist ihr offizieller Wohnsitz, dorthin lädt sie jeden ein. Kaum ein geeignetes Versteck für gesuchte Personen.“

„Auf den ersten Blick ja, aber kennst du den gesamten Umriss dieses Anwesens? In meinen Besitz gibt es eine alte Karte, demnach gehörte das Land in und um Athen deiner Mutter.“

„Das ist kein Geheimnis, sie verkaufte immer wieder Land, um ihren mondänen Lebenswandel zu finanzieren.“

„Schon“, widersprach Malech, „aber der Grundbesitz, auf dem das Herrenhaus steht, soll durchlöchert sein wie ein Schweizer Käse.“

„Ja das habe ich auch gehört, aber sei gewiss ich bin dort aufgewachsen und …“ Vater sprang wie von der Tarantel gestochen auf, „Das ich das Vergessen habe“, hetzte er hinaus, wohin sagte er nicht.

„Sollen wir ihm folgen?“, war Till bereits an der geöffneten Tür.

„Natürlich!“, sagte Henry unruhig, „Was ist nur los? Sie hauen einfach ab, ohne ein Wort. Ich versteh das nicht und es gefällt mir nicht.“ Widmete er sich widerwillig den Papieren.

Ich konnte ihm nur beipflichten, weder Vater noch Corvin sollten ungeschützt umherlaufen. Till kam nach wenigen Minuten zurück, aufgebracht meinte er, „Er ist weg! Ich habe Vlad nicht gefunden!“

Schon bei seinen ersten Worten sprangen wir Leibwächter auf, nur Henry blieb ruhig, „Dann solltest du dich wieder den Papieren widmen, wenn Vlad nicht gefunden werden will, wird ihn auch niemand aufspüren.“ Was er sich noch in den Bart murmelte, blieb unverständlich, es hörte sich allerdings nach einem derben Fluch an.

Zufällig sah ich Matt an der mich schelmisch angrinste, leise meinte, „Henry hat die Nase gestrichen voll!“

Till beugte sich vor, „Naja kein Wunder, seitdem wir hier sind, wälzt er Akten, dein Vater hat Muse und Corvin dich, Henry führt momentan ein Mönchsleben.“

„Was auch mit Merkur und Kahlaf zu tun hat!“, wusste ich zu sagen. Die Beiden grinsten nickend, „Ja“, sagte Matt, „Ihre Geduld besitzt Grenzen, ich habe das selbst erlebt als wir sie besuchten. Sogar Pierre und Michelé haben eins auf den Hinterkopf bekommen, hab ich jedenfalls gehört.“

„Ach sie haben Kahlaf und Merkur besucht?“ meine Neugier war geweckt, wie immer wenn von Pierre die Rede war.

„Soviel ich weiß besteht eine Freundschaft zwischen ihnen, wenn man überhaupt bei Kahlaf und Merkur den Ausdruck gebrauchen darf. Du solltest mal ihr Heim sehen, im orientalischen Stil gehalten, sowie ihre Gewänder sind auch die Räume geschmückt“, klärte Matt mich auf.

„Und die Frauen erst!“, schwärmte Till seufzend, „Eine hübscher als die andere und sie tragen durchsichtige Schleier, was natürlich die Fantasie anregt …“, hielt er träumend inne.

„Aber das ist auch schon alles. Die Frauen sind tabu, anschauen darf man sie, aber die Finger bleiben schön in den Taschen.“ Fügte Matt bedauernd hinzu.

„Meine Güte und dort ist Henry gewandelt worden? Ich frage mich wie viele Verbote er begangen hat.“

„Einige!“, grinsten sie mich an.

„Ihr irrt euch gewaltig!“, ließ Henry sich vernehmen, „Die Damen sind meine Ersatzmütter und glaubt mir, niemals käme ich auf die Idee mich ihnen sexuell zu nähern. Habt ihr nichts anderes zu tun als Märchen zu erzählen?“

Gramgebeugt senkten wir unsere Blicke, nur Malech räusperte sich, „So ganz …“

„Das reicht!“, hob Henry schroff seine Stimme an, die auch Malech verstummen ließ. Was meinte er? Welches Geheimnis wahrte Henry? Dem wollte ich auf den Grund gehen. Malech sollte mir bei nächster Gelegenheit die Antwort liefern.

Anscheinend sah Henry mir mein Vorhaben der Nasenspitze an, er warf mir zuweilen düstere Blicke zu. Die mich keineswegs einschüchterten, wer einmal Corvins kalte Wut zu spüren bekam und einigermaßen heil davon kam, dem verängstigte so leicht nichts mehr.

Nach Stunden mühevollen Arbeitens schien Henry endlich zufrieden, mit einer nachlässigen Geste verabschiedete er uns, „Einer bringt Sarah in ihre Gemächer, Corvin sollte inzwischen dort sein. Falls nicht bleibt bei ihr.“ Sagte er noch, bevor wir seine Räume verließen.

„Mist! Ich dachte wir könnten einen Abstecher machen.“, sagte Till bedauernd.

„Du hast ihn gehört, Befehl ist Befehl.“ Erinnerte Matt.

„Wohin wolltest du denn?“, überhörte ich, den tugendsamen Matt.

„Zur Wachmannschaft, dort kann man ein wenig entspannen.“

Genau das Richtige für eine kleine Rebellion, da Corvin und anschließend Henry über mich bestimmten wo ich mich aufzuhalten hatte.

Bevor ich Till zustimmte, stöhnte Matt schon auf, „Das gibt Ärger! Sarah überlege dir gut, was du machst!“

Aus unschuldigen Augen schaute ich ihn an, „Man wird ja wohl ein wenig entspannen dürfen, Matt.“, setzte ich mich in Bewegung.

Kapitel 42

Es wunderte mich keineswegs, einige Leibwächter bei den Wachsoldaten zu finden. In dem Aufenthaltsraum, der karg mit Tischen und Stühlen eingerichtet war, saßen Leibwächter sowie Soldaten einträchtig beieinander.

Einige spielten Karten, einzelne saßen einfach nur da, etliche unterhielten sich. Von ihnen wurde Till lautstark begrüßt, der sofort auf die Gruppe zusteuerte. Kurzerhand wurde Stühle herangerückt und schon saßen wir in der Runde.

Anders als im Hauptgebäude wurde unentwegt über die Beschlüsse im Rat gesprochen, die Jäger bildeten dabei das Hauptthema. „Na los Till, sag schon, stimmt es das Michelé angegriffen wurde?“ aller Augen richteten sich gespannt auf Till, selbst die Kartenspieler hielten inne.

„Ihr wisst doch, ich darf kein Wort sagen!“

„Schon gut, ich habe Michelé gesehen, sein Gesicht war übel zugerichtet. Na unser Boss wird keine Ruhe geben bis er den Schuldigen in seine kleinen niedlichen Finger bekommt.“, meinte einer amüsiert auflachend.

„Ach was, er muss sich an die Gesetze halten, nichts wird geschehen.“, kommentierte ein Leibwächter, den ich als einen von Inazinus erkannte. Was suchte dieser Leibwächter hier? Spitzeldienste nahm ich an.

Auf die Vermutung kam ich nicht allein, nach den Blicken der restlichen Anwesenden zu schließen. Sie beachteten ihn nicht weiter und rätselten, wer für Michelés Blessuren verantwortlich war.

Matt, Till und ich hielten uns zurück, stumm verfolgten wir die Hypothesen. Ein Neuankömmling brachte Schwung in die Diskussion, „Die Frau des Franzosen mit all ihren windigen Leibwächter wurden abgeführt und sie“, deutete er auf mich, „war dabei!“

Im allgemeinen Mittelpunkt hob ich ergeben die Hände, „Genau wie Till, darf ich über die Vorkommnisse nicht reden.“

Einige murrten, doch die meisten nahmen es hin, was mich keineswegs überraschte, Befehl war Befehl, woran sich Leibwächter wie Soldaten hielten. Was sie keineswegs hinderte, mit ihren Mutmaßungen fortzufahren. Einer kam der Sache sehr nahe, da er vermutete Lydia sei bei Kahlaf, da dieser Verhörmethoden besaß die kaum jemand widerstand.

Schlussendlich wurden sie der Debatte müde, worauf Till offenbar wartete, denn er begann sogleich mit einer seiner lustigen Anekdoten. Wir hörten gespannt zu, denn Till konnte seine Zuhörer im Bann halten. Er war der geborene Alleinunterhalten, so kullerten uns bald darauf die Lachtränen die Wangen herab.

Wir kringelten uns gerade vor Lachen über eine besonders derbe Geschichte, als ein leiser Pfiff uns erreichte. Sofort veränderte sich die Stimmung im Raum, verhaltenes Schweigen setzte ein. Nur Till und Matt lachten unbekümmert weiter.

Kurz darauf spürte ich die besondere Kälte die Corvin ausstrahlte, wenn er auf dem Siedepunkt seiner Wut stand. Also erhob ich mich, die kurze Auszeit endete, wusste ich bedauernd.

So sah ich dem Boss entgegen, als er hineinkam, er streifte mich mit einem seiner düsteren Blicke. Ringsum erhoben sich die Leute, sogar Inazinus kleiner Spion, dem Boss wurde unaufgeforderten Respekt gezollt.

Matt grinste dem Ankommenden anzüglich zu, „Was verschafft uns die seltene Ehre, in diesem einfachen Raum?“

Innerlich wand ich mich, musste Matt ihn auch noch reizen?

Ganz entgegen meiner Ahnung lächelte Corvin, „Allein mein Weib such ich! Ihre Leibwächter fressen ihr lammfromm aus der Hand, statt die meine zu fürchten.“

„Oder sie geben deinem Weibe einfach nach, weil ihre Hand keineswegs sanfter ist.“, entgegnete Matt ohne ein Anzeichen eines schlechten Gewissens.

„Was ich durchaus verstehe“, nickte Corvin zustimmend, „Was habe ich mir nur dabei gedacht, einen Leibwächter zur Frau zu nehmen?“, seufzte er schwermütig, was allgemein mit einem Grinsen zugunsten des Bosses ausfiel und mich als entsetzliches Weib auszeichnete.

Sollte ich ihn gleich erwürgen oder später, musste ich mich zügeln. Corvin ganz Herr der Lage, pflanzte sich auf meinen Stuhl nieder und zog mich augenblicklich auf seinen Schoss, kaum das ich dort saß, presste er mir einen Kuss auf den Mund. Wie zuvor, wenn er mich berührte, konnte ich mich seiner Nähe nicht erwehren, unweigerlich öffnete ich die Lippen und vergaß wo wir waren.

Als er mich endlich freiließ, glomm in seinen Augen eine Leidenschaft, die mich erzittern ließ, augenblicklich wollte ich ihn. Die Lust schnürte mir die Kehle zu.

„Nun Till amüsiere uns mit deinen Witz, die Welt um uns herum ist fad genug.“, sagte er als wäre unser Kuss nichts weiter. Nur der harte Widerstand an meinem Hinterteil, verriet seine Erregung.

Was ich unweigerlich ausnutzte, indem ich mich hin und her rückte, bis Corvin dem ein Ende bereitete, „Noch ein bisschen und wir liefern ein unvergessliches Spektakel, darauf zielst du doch ab, oder?“ raunte er mir leise ins Ohr.

Sofort blieb ich ruhig sitzen, ihm traute ich einiges zu, auch das er vor versammelter Mannschaft über mich herfiel. „Ganz recht!“ stimmte er zu, dabei brachte er Till mit seiner Erzählung durcheinander, was für eine allgemeine Erheiterung sorgte.

Wir blieben einige Stunden, die Soldaten bedauerten unseren Abzug, was ich ihnen sogar glaubte, denn Corvin wurde trotz seiner Stellung als einer der ihren angesehen. Wie machte er das? Wie kam dieser Vampir mit den Alten, den Ratsmitgliedern und den Soldaten in gleichem Maße zurecht?

„Sei einfach du selbst!“, lautete seine unerwünschte Antwort. „Nun komm schon, du weißt ich kann nicht anders. Wie lange willst du noch deswegen wüten?“

Ich sah hinüber zu Till und Matt, die voraus gingen, „Bis du endlich aus meinem Kopf verschwindest, meine Gedanken gehören mir allein! Wie wäre es, wenn ich jeden deiner obskuren Gedankengänge kennen würde?“

„Willst du? Ich habe da kein Problem damit, es würde einiges Erleichtern zum Beispiel könntest du dich davon überzeugen das ich dich liebe. Oder wie gerade, kaum an mich halten kann, um deinen verführerischen Körper an mich zu pressen.“ Zog er mich an sich. „Nein meine Süße keine Sekunde länger halte ich das mehr aus!“ schlug er sich, mich vom Boden hebend ins Dickicht des Waldstreifens.

„Lass mich runter! Till! Matt! Sie werden uns suchen!“

„Bestimmt nicht, sie sind alt genug um zu wissen, warum wir die Einsamkeit suchen.“, stoppte er jeden weiteren Einwand meinerseits, in einem nicht endenwollenden Kuss.

Trotz seiner Versicherung hörten wir Sekunden später Tills Rufen. „Verdammt sollten sie sein! Gönnen sie uns nicht einmal ein paar Minuten?“ fluchte mein Verlobter.

„Vielleicht ist etwas geschehen“, versuchte ich, ihn ein wenig zu beschwichtigen.

„Irgendwas passiert immer“, grollte Corvin, indessen näherten sich Schritte, „Tut mir echt leid, aber ich soll euch sofort ins Haus holen.“ Sagte Till sichtlich eingeschüchtert.

„Wir kommen“, antwortete ich schnell, bevor Corvin eine bittere Erwiderung über die Lippen kam, er verdrehte dramatisch die Augen, „Versuchst du gerade, den armen Till vor mir zu schützen?“

„Ja deine Launen sind sprunghaft wie bei einer Diva“, erklärte ich völlig davon eingenommen meine Kleidung in Ordnung zu bringen, dabei fragte ich mich wie schnell er eine Frau entkleiden konnte.

„Dich auf jeden Fall nicht schnell genug, ansonsten hättest du geschwiegen und Till weitersuchen lassen.“ Lautete seine Antwort.

 

Till wartete diskret am Waldrand, als wir auf ihn zukamen, setzte er gleich an, „Ich weiß auch nicht, was los ist, Eric sagte wir sollen sofort zu Kahlaf.“

„Das ging ja schneller als erwartet, bin gespannt, was Lydia ausgespuckt hat.“, schritt unser Boss nun eiliger aus.

In der Halle wartete nur Eric, ansonsten konnte ich keinen Vampir erspähen, was ich seltsam fand. Kaum erreichten wir das erste Geschoss kamen uns Muse mit Nirfa und Theodoric entgegen, „In deine Räume!“, sagte sie kurzangebunden.

Muses Erscheinung entging mir nicht, sie trug keines ihrer sonstigen Kleider, sondern eine Kampfmontur die ihresgleichen suchte, stellte ich mit Kennerblick fest. Indessen zog sich mein Magen ängstlich zusammen, etwas sagte mir, die Zeit des Wartens war vorüber.

Richtig! Als wir Corvins Gemach betraten herrschte eine angespannte Geschäftigkeit, aus Truhen, die mir unbekannt waren, holte Kahlaf sich gerade ein zweischneidiges Schwert, Merkur stand mit zwei Äxten bewaffnet da. Sogar Muses graue Maus, ebenfalls in Kampfmontur streichelte zärtlich ein blitzendes Messer.

Ungefragt wurde mir ein Sack zugeworfen, darin befand sich meine Montur. Woher kam sie? Till und Corvin zogen sich bereits um. „Was ist los?“, wollte der Boss wissen.

Malech trat vor, „Unser Freund warnte mich, wir sollen mit einer Überraschung rechnen.“

Corvin genügte die Aussage, wortlos streifte er sich die Hose über.

„Wer ist unser Freund?“, wollte Matt wissen.

„Das ist augenblicklich nebensächlich, Matt du gehst mit Eric voran und überprüfst unseren Fluchtweg. Malech, Till ihr bildet den Abschluss. Peer du kennst deinen Auftrag.“ Dieser verbeugte sich, „Ich werde sie mit meinem Leben beschützen.“ Trat er zu mir.

„Einen Moment, Sardovan! Glaub nicht ich lasse mich einfach so abführen und in Sicherheit bringen.“

„Sarah du verstehst nicht, wir sind alle in Gefahr. Ich gebe dir einen verlässlichen Partner an die Seite. Selbst, falls wir als Gruppe getrennt werden, musst du bei deinem Partner bleiben.“

„Da wir gerade davon reden, Corvin, mich bringst du nicht von Vlads Seite.“, baute sich Muse vor ihm auf.

Corvin lächelte, „Genau das erwarte ich von dir, denn du und deine Leibwächter werdet meinen Freund den Rücken decken. Henry geht mit Theodoric.“ Muse nickte knapp, vollkommen zufrieden.

„Was ist mit unseren anderen Verbündeten?“ Wandte sich mein Verlobter an Malech, „Sie wurden gewarnt und treffen ihrerseits ihre Vorbereitungen.“

„Gut, dann bleibt uns nichts weiter zu tun, Kahlaf, Merkur ihr geht als Nächstes, Henry“, sah Corvin ihn und Theodoric an, „Vlad, Muse und dann ihr Sarah, Peer.“, ordnete er an.

Das gefiel mir ganz und gar nicht, „Was ist mit dir? Wann gehst du und mit wem?“, forderte ich eine Antwort.

Corvin lächelte mir beruhigend zu, „Ich muss auf unseren Freund warten, er setzt seit Jahren sein Leben aufs Spiel, da hat er wohl ein Anrecht auf einen sicheren Fluchtweg.“

Aha ein Spion! Wer? Fragte ich mich unwillkürlich und ich nicht allein, nach den Fragen der Übrigen. Aber der Boss verschloss sein Gesicht, „ihr werdet es früh genug erfahren, denn falls er sich nicht in unmittelbarer Gefahr befindet, bleibt er dort.“

Ein leises Kratzen an der Tür forderte unsere Aufmerksamkeit, „Corvin?“ hörten wir, sofort deutete der Gesuchte auf unser Schlafzimmer, einer nach dem anderen verschwand darin.

Auf dem Flur entstand ein lauter werdender Disput, daraufhin wurde die Tür mit Schwung geöffnet, Selina und Ciaran stürmten regelrecht den Raum.

Augenblicklich wurden sie von uns umringt, die graue Maus hielt mit einem entzückenden Lächeln ihre blitzende Klinge an Selinas Kehle.

„Beruhigt euch!“ erhob sich Corvins Stimme in dem allgemeinen Tumult, geräuschlos schloss er die Tür, zuvor spähte er in den Flur.

Ciaran der von Kahlaf gepackt wurde, stand mit weitausgestreckten Händen da, „Soviel zu, du bist jederzeit Willkommen!“, meinte dieser spöttisch.

Er willkommen? Kaum! Dieser Vampir gehörte zur schlimmsten Sorte, mein Verlobter jedoch bestätigte seine Annahme, „Gebt sie frei, sie gehören zu uns.“

Weder Muse noch Kahlaf kamen der Aufforderung nach, „Das erkläre uns mal!“, forderte Muse resolut. Mein Gott, wunderte ich mich über die Geliebte meines Vaters, ich erkannte sie kaum wieder. Nichts erinnerte an die zuweilen zerstreute Person, die langatmig sprach.

Nun sollte Ciaran unser Verbündeter sein? Langsam stellte sich mein kleines Universum auf den Kopf.

„Dazu fehlt uns die Zeit, ich sage nur eines Ciaran ist vor einiger Zeit an mich herangetreten, bisher hat er mein Vertrauen nicht enttäuscht. Selina ist dir etwas aufgefallen?“ richtete er seinen Blick auf die Genannte.

Selina noch immer die Klinge an der Kehle, rührte sich keinen Millimeter, „Nichts!“, hauchte sie.

Selina stand in Corvins Diensten? Automatisch fragte ich mich wer noch? Vielleicht kam Alischa gleich herein geschwebt und verkündete ihre Freundschaft.

Derweil ließ die graue Maus auf einen Wink Muses die Kriegerin frei, Kahlaf tat es ihr nach, mit erstaunter Miene meinte er zu Corvin, „Du bist ein undurchschaubarer Verbündeter und verlangst viel von uns. Wer steht noch in deinen Diensten?“

„Da Corvin dir darauf keine Antwort geben kann, werde ich dich bitten ihm weiterhin zu vertrauen, Kahlaf.“, trat Henry vor.

„Ach du wusstest davon?“, beäugte der Riese seinen Ziehsohn bedächtig, als glaube er kein Wort.

„Ja! Und noch einiges mehr, aber davon später. Wir sollten Ciaran lieber nach der augenblicklichen Situation befragen.“, wandte er sich dem Neuzugang zu, dem ich keinerlei Vertrauen entgegen bringen konnte.

Ciaran ergriff das Wort, „Soviel ich mitbekommen habe, wurde Inazinus ausgeschaltet. Einer seiner Leibwächter konnte mich warnen, unser Feind räumt gründlich auf, wer sich gegen ihn stellt, ist so gut wie erledigt.“

„Aber wer ist es?“ fragte Kahlaf fast schon verzweifelt. Ciaran hob die Schultern, „Keine Ahnung, soweit stieg ich in der Riege nicht auf, selbst Inazinus wusste es nicht.“

„Da bleiben ja nicht mehr viele, Monseigneur und Alischa sind weiterhin meine Favoriten!“, mutmaßte Corvin.

„Wir werden es schnell genug herausfinden, wenn wir jetzt nicht verschwinden, wird es das Letzte sein, was wir erfahren.“, erinnerte Peer in seiner trockenen Art, worauf die Ersten im Geheimgang verschwanden.

Noch immer konnte ich mich nicht mit Ciaran Anwesenheit anfreunden, deshalb wandte ich mich an Selina, „Stimmt es wirklich?“, wollte ich von ihr wissen.

Selina zuckte gelangweilt ihre Schulter, „Ja doch, der Boss bat mich, ein Auge auf Ciaran zu haben. Es gab keinerlei Täuschung von seiner Seite, irgendetwas veränderte ihn. Was, blieb mir unbekannt.“

„Eine Frau?“, schrillten alle Alarmglocken in mir auf, Pryas Geliebter sollte doch wohl nicht dieser Vampir sein? Meine Gedanken ließen Corvin neben mir erscheinen, „Ist das dein Ernst?“, zog er mich zur Seite, dabei betrachtete er Ciaran mit umwölkter Stirn.

„Ich weiß nicht, es könnte durchaus sein, er ist aus guten Hause, ein Weiberheld und alt, all das wissen wir von Pryas Geliebten.“

„Geliebten!“, fauchte Corvin, „Sollte er seine dreckigen Finger auf meine Tochter gelegt haben, werde ich ihn eigenhändig …“

„Nichts dergleichen wirst du!“, schüttelte ich ihn, „Es ist allein Pryas Angelegenheit, halte du dich heraus.“

„Von wegen! Er ist ein alter draufgängerischer Vampir, der mehr Frauen besaß, als Sterne den Horizont bedecken und weißt du was, er bevorzugt menschliche Frauen!“, zischte er mir aufgebracht zu.

„Ah ja verstehe“, nickte ich ernsthaft, „und ein solcher Vampir kann sich natürlich niemals in eine junge Frau verlieben.“ Freute ich mich bereits auf seine Bestätigung.

„Ich weiß genau, worauf du hinaus willst, Frau! Nicht mit mir!“, stierte er mich böse an, schnaufend wandte er sich um, doch von Ciaran keine Spur, Selina schlüpfte gerade durch die Geheimtür.

„Nun dann werde ich das Gespräch eben vertagen und du kommst mir besser nicht in die Quere, Weib. Hier geht es um meine Tochter!“

Betroffen wich ich einen Schritt zurück. So sah es also aus! Bisher wusste ich nicht, wie weit ich mich bereits in all den kleinen Spitzen und Haken verstrickt hatte. Seine Aussage traf mich unvorbereitet mit voller Wucht.

„Sarah …“, trat er auf mich zu, „So war es nicht gemeint, ich …“

„Schon gut Boss! Ich verstehe, es ist deine Tochter! Schließlich kenne ich Prya ja kaum.“, meinte ich trocken, „Peer bist du bereit?“ Dieser nickte, Corvin einen anklagenden Blick zuwerfend. Das Letzte was ich sah, war Corvin, wie er gerade einen Stuhl voller Wut gegen die Wand schleuderte.

 

Kapitel 43

Innerlich betäubt schritt ich voran, so sah es also aus, wiederholte ich ständig. So sah es also aus! Das also bedeuteten seine Beteuerungen! Sein Lager konnte ich teilen. Damit aber genug! Mehr wurde nicht geduldet! Ja so sah es aus!

Noch immer benommen bemerkte ich wie Peer mich links durch einen schmaleren Gang führte, „Pass auf, der Boden ist uneben und glitschig.“ Wann überholte er mich, ich stolperte und fluchte über meine Unachtsamkeit. Reiße dich zusammen, Sarah! Du wusstest es, im Grunde war dir klar, was du für ihn bist. Weshalb aber taten seine Worte so weh?

Wieder übersah ich eine Unebenheit, diesmal setzte ich meinen Fuß ins Leere, dabei verlor ich das Gleichgewicht. An Peers ausgestreckten helfenden Arm hielt ich mich fest. „Sollen wir pausieren?“, fragte er mitfühlend nach.

Das fehlte mir auch noch, Mitleid konnte ich kaum ertragen, „Nein, es geht schon, bin wohl aus der Übung. Das leben in diesem Haus macht einen träge.“ Ob er meine Ausrede glaubte, konnte ich nicht sagen, wortlos ging er weiter.

Diesmal achtete ich darauf wohin ich meinen Fuß setzte, noch einmal wollte ich kein Bedauern aus Peers Mund hören. Mit der Zeit fiel mir auf das wir stetig bergauf gingen. „Wohin führt dieser Gang?“

„Alhambra!“, lautete seine knappe Antwort. So hielten sie demnach Kontakt miteinander, wie dumm von mir zu denken sie verständigten sich mit Zeichen. Ja wie dumm von mir überhaupt etwas zu glauben.

Der Weg nach oben wurde noch steiler, mit beiden Händen an den Wänden abstützend kletterten wir nun regelrecht hinauf. „Jetzt verstehe ich auch, warum wir in kleinen Gruppen gehen“, schnaufte ich außer Atem, wirklich die Ruhe in den letzten Monaten zehrte an meiner Kondition. Peer hingegen atmete weiterhin gleichmäßig, was mich ärgerte.

Über mir wurde Peer aus dem engen Tunnel gezogen, alles geschah, ohne ein Geräusch zu verursachen. Still stellte ich mich zu Muse und ihren Leibwächtern. Matt unterrichtete Peer über die Situation, ich spitzte die Ohren.

„Die Alhambra ist frei von Jägern, einige Vampire patrouillieren, um die sowie das Wachpersonal kümmern sich gerade Ross und Vlad. Der weitere Weg ist laut Ross frei.“

„Dann lasst uns zu den Tunneln gehen!“, ordnete Peer flüsternd an, er winkte mir zu und setzte sich in Bewegung. Gespannt auf welche weitere Tunnel er ansprach.

Kurz darauf dämmerte es mir, das leise Plätschern von Wasser lieferte mir die Antwort. Wasser, ein wichtiges Element in der orientalischen Baukunst, sie bauten damals ein Netz aus Kanälen so las ich einmal. Doch wie und wo sie lagen, wusste ich nicht, dafür Peer, der zielstrebig den Weg fand.

„Geht ungefähr zehn Meter bis ihr eine Art Halle vorfindet, wartet dort“, befahl Peer, der sich selbst am niedrigen Eingang hockte. Ein Gitter lag direkt daneben, sicherlich bereitete Ross den Fluchtweg vor. Alles sorgfältig geplant, es trug die Handschrift Corvins, nein des Bosses, distanziere dich von ihm, ansonsten erlebst du eine weitere Enttäuschung.

Der Anweisung folgend kniete ich neben Peer nieder, er grinste, „Sehr folgsam Krieger!“ ich ließ mich nicht provozieren, sondern achtete auf die Umgebung. Nach einiger Zeit, tauchte Vlad in gebückter Haltung auf, „Ross ist gleich hinter mir, er hilft Corvin und den anderen.“

Ich wollte es nicht, aber bei Corvins Namen krampfte sich mein Magen zusammen. Begegne ihm mit Höflichkeit, sagte ich mir. Gespannt auf die anderen, welche seine Spione waren. Wer? Ging ich all die Gesichter durch, denen ich Tag für Tag begegnete. Suchte nach verräterischen Anzeichen, die mir verrieten, wer diese Unbekannten sein konnten.

Leichte Schritte von links, Freund oder Feind? Peer entspannte sich, wie machte er das? Bei passender Gelegenheit wollte ich ihn danach fragen. Zuerst mussten wir aus der Falle entkommen und wir wussten immer noch nicht, wer die Jäger im geheimen anführte.

Dunkle Schatten huschten an uns vorbei, „Bisher läuft alles nach Plan, unseren Abzug bemerkte niemand. Wir haben ungefähr fünf Stunden Vorsprung.“, sagte der Boss zu Peer, dabei spürte ich deutlich seine Augen auf mich ruhen.

„Dann sollten wir die Zeit nutzen!“, stand Peer auf, „Ich gehe vor, wir sollten uns keinesfalls trennen, wer weiß, wer in den Kanälen auf uns lauert, es ist das reinste Labyrinth.“

„Gut du kennst dich am besten aus.“ stimmte unser Oberhaupt zu. Peer benötigte keine weitere Aufforderung und ich wollte ihm auf dem Fuße folgen.

„Sarah“, hielt mich Corvin am Arm fassend zurück, „Du …“

„Entschuldige Boss, mein Platz ist an Peers Seite.“, riss ich mich heftiger los als nötig.

„Ganz wie du willst, spiel die Beleidigte, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“ Darauf entgegnete ich nichts, er kannte sowieso meine Gedanken. Was schnellstens geändert werden musste. Doch wer konnte mir die heikle Frage beantworten?

Hinter Peer herjagend, der eilig voranschritt, verschob ich die unangenehmen Gedanken auf später. Den Kanal, den wir jetzt betraten, konnte nur in gebückter Haltung durchquert werden. Ratten fiepten in unmittelbarer Nähe, „Unsere nächste Nahrung!“, erklärte Peer.

Innerlich wand ich mich vor Grauen, sicherlich hörte ich davon; in Notzeiten Ratten eine verträgliche Nahrungsquelle boten. Bisher musste ich noch nie darauf zugreifen, denn meine Aufträge sicherten mir ständigen Blutzugang.

Der Kanal wurde niedriger, ein entsetztes Quieken ließ mich zusammenzucken, bei dem schmatzenden Geräusch, welches folgte, richtete sich jedes Härchen auf. Nein das konnte ich nicht. Niemals!

Als würde Peer meine Gedanken erraten meinte er: „Sobald der Hunger überwiegt, wirst du es gar nicht mehr so ekelig finden.“

„Darauf kannst du lange warten!“

„Wenn du überleben willst, musst du schon allein, um bei Kräften zu bleiben. Wie willst du sonst kämpfen, hm?“

Dagegen konnte ich nichts erwidern, doch noch musste ich keine Nahrung zu mir nehmen. Noch nicht! Das nächste Quieken hörte sich noch schauriger an. „Warum nimmst du jetzt schon Nahrung auf? Du bekamst wie alle anderen auch.“ Warf ich Peer vor.

„Damit ich jede Kraftreserve einsetzen kann, falls nötig, das solltest du wissen oder hat Geirrod vergessen, dir dies zu lehren?“

Nein! Gewiss nicht, nur musste ich solch drastische Maßnahmen noch nie anwenden. „Aber wie sollen wir Muse und ihre Leibwächter ernähren, sie werden sicherlich kein Rattenblut trinken.“

„Meinst du? Warum frage ich dich, trafen wir auf keine Ratten im anderen Tunnel? Ich werde es dir beantworten sie haben sich bereits sattgefressen.“

Muse? Nein! Undenkbar!

„Warum ausgerechnet Ratten?“, brach es aus mir hervor.

„Weil wir es vertragen, Pferde und Rinder besitzen ein fast identisches Blut wie Menschen, aber nähre dich davon und du kotzt dir die Seele aus dem Leib.“

Musste er es so schildern? Weiß Gott ich hatte mich an so manches gewöhnt, aber am Rattenblut sattfressen, wie er sich ausdrückte, nein daran konnte ich mich nicht arrangieren.

Zu meinem Glück beanspruchte der vor uns liegende Weg unsere volle Aufmerksamkeit. Bei jedem Geräusch welches wir nicht sofort zuordnen konnten, verharrten wir. Der Tunnel wurde zusehends enger und niedriger, bald konnten wir uns nur noch auf allen Vieren fortbewegen. Es schien kein Ende zu nehmen, wieder verfluchte ich meine lange Untätigkeit, jeder Muskel schmerzte.

Als wir endlich das Ende erreichten, streckte ich meine schmerzenden Glieder. „Du solltest Nahrung zu dir nehmen, der nächste Abschnitt wird von jedem seinen Tribut fordern.“, riet mir Peer.

„Wo sind wir?“ versuchte ich die Dunkelheit zu durchdringen, was ich sah, entmutigte mich. Aus der Ferne sah ich Lichter, kleine helle Pünktchen, das musste die Stadt sein. Aber an welchem Ort verweilten wir?

„Außerhalb von Granada“, meinte Peer, ja das war mir durchaus bewusst, wollte ich gerade Näheres in Erfahrung bringen, als die nächste Gruppe aus dem Tunnel kroch.

Ungefragt griff ich nach dem ausgestreckten Arm, der mir hilfesuchend entgegengestreckt wurde, als Erstes witterte ich Blut, dann begriff ich, wem die Hand gehörte, Henry! „Du auch?“, fragte ich entsetzt nach.

„Was denn?“ half er schon den Nachkommenden.

„Ratten“, lautete mein angewiderter Kommentar.

„Ach so, du solltest dich daran gewöhnen. In nächster Zukunft gibt es nichts anderes. Sind gar nicht mal so schlecht, nur das Fell“, verzog Henry seine Miene, „da musst du deine eigene Technik entwickeln.“

Sie stanken allesamt nach Ratte und Blut, am schlimmsten Malech, der offenbar den größten Fang erbeutete.

„Seid leise!“, erinnerte Peer uns an die gefährliche Situation, „Los dort ist der nächste Tunnel, Malech du gehst vor, einfach immer geradeaus.“, befahl Peer ruhig aber bestimmt.

Gruppe für Gruppe zeigten wir den weiteren Weg, einige beschwerten sich über die Gefräßigkeit der Vorangegangenen, „Nur Kadaver liegen dort!“, schnaufte Muse ungehalten.

„Keine Sorge mein Schatz, im nächsten Tunnel gibt es genug Nahrung“, hörte ich Vater, zwinkert meinte er zu mir, „Muse wird leicht ungehalten, wenn ihr der Magen knurrt. So sind die Alten, sie haben nie richtig gelernt, zu hungern, Nahrung gab es immer ausreichend.“

Abgründe taten sich vor mir auf, von denen ich dachte sie lägen längst hinter unserem Volk. Mitnichten sie verwandelten sich sofort zurück in die Bestien von einst. Was geschieht, wenn keine Ratten mehr zur Verfügung standen, mussten dann die Menschen herhalten, fragte ich mich beklommen.

Ross und Ciaran bildeten den Schluss, sie kamen mit Corvin, der nun mit Peer und mir durch den schwarzen Tunnel kroch. Hin und wieder griff ich in noch warmes blutverschmiertes Fell.

Corvin hinter mir fluchte leise, „So geht das nicht weiter, sie hinterlassen eine Spur, die sogar Blinde folgen können.“, schimpfte er vor sich hin.

Auf eine Art freute ich mich, keine Ratte mehr auf der Speisekarte, doch wovon sollten wir uns ernähren. Ich bangte um die Menschen, die unseren Weg kreuzen würden, wohin auch immer wir flohen, denn dies blieb bisher ungesagt.

Auch nachdem der Tunnel endlich hinter uns lag, sprach niemand ein Wort über unser Ziel. In mir keimte der Verdacht auf, das dies keiner genau wusste. Wir wurden einfach überrascht, niemand ahnte, was sich hinter unserem Rücken zusammenbraute.

„Du irrst dich, meine Liebe!“, raunte mir Corvin zu.

Ein irritierendes Gesicht aufsetzend rückte ich ein Stück von ihm fort, „Eines solltest du beachten, es gibt keine Verlobung, noch meine Liebe, die Zeiten sind unwiderrufbar vorbei. Einzig Prya, unser Kind“, betonte ich die letzten Worten, „lassen eine frühere Beziehung erahnen. Jetzt und heute bin ich Leibwächter, als dieser möchte ich auch behandelt und respektiert werden, genau wie ich dich als unser Familienoberhaupt anerkenne.“

Erst sah es so aus als wolle er protestieren, doch dann entspannte er sich, „Ganz wie du willst Krieger.“, erhob er sich, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.

An seiner Stelle setzten sich Matt und Till, „Das waren harte Worte Sarah, was ist denn geschehen?“, fragte Till ungewohnt ernsthaft nach. „Nichts von Belang, die Verlobung habe ich aufgelöst, sollte ja sowieso nur für den verdammten Rat sein.“

„So? Noch nie habe ich ein angebliches verlobtes Paar gesehen, welches die privaten Räume dermaßen gern aufsuchten.“ Meinte Matt gedankenverloren. „Aber was weiß ich auch schon davon, meine Kenntnisse in dieser Beziehung lassen zu wünschen übrig. Schließlich kenne ich nur das kurzweilige Vergnügen von wechselnder Gesellschaft. Ich kann nur eines sagen, ihr hattet es verdammt eilig.“

Till grunzte zustimmend, abrupt stand ich auf und ließ sie mit ihren tiefschürfenden Gedanken allein. Ein Baum abseits bot mir die passende Gesellschaft, von hier konnte ich die gesamte Gesellschaft übersehen. Nun fiel mir auf, wer fehlte, Ross und Malech.

Wohin gingen sie? Erkundeten sie unseren weiteren Fluchtweg? Ich spitzte die Ohren. „Nein Corvin das gefällt mir nicht, wir sollten uns auf keinen Fall trennen.“, sagte Kahlaf gerade, „Zusammen sind wir stark, in kleinen Gruppen einfach zu angreifbar.“

„Aber so hat eine jede Gruppe die Chance das Land zu verlassen, wir wären weniger auffällig.“

Kahlaf winkte ab, „Jeder Vampir wird auffallen, die Grenzen sind gut bewacht. Wie sollen sich da zwei oder drei durchschlagen? Nein wir bleiben zusammen und gehen vor wie verabredet.“

„Was meint ihr?“, befragte der Boss seine Freunde, Henry antwortete als erstes, „Kahlafs Vorschlag ist vernünftig“, mein Vater schloss sich dem an.

„Na gut!“, nickte Corvin, „Wir müssen unsere Spuren verwischen, es wird bis auf Weiteres keine Nahrung mehr zu sich genommen. Unser Feind muss nur dem verwesenden Geruch folgen um auf unsere Spur zu kommen. Till, Sarah ihr werdet im Tunnel die Kadaver beseitigen, Matt du gräbst ein tiefes Loch, Eric und ihr anderen entfernt jeden noch so kleinen Anhaltspunkt unseres Aufenthaltes.“

Sofort setzten sich alle in Bewegung, Till grinste mich schief an, „Als Verlobte müsstest du solch eine Drecksarbeit nicht erledigen.“

„Das ist mir allemal lieber!“, fuhr ich ihn an, innerlich musste ich mich vor Ekel schütteln, Ratten! Sie gehörten keineswegs zu jenen Tieren, denen ich etwas abgewinnen konnte und irgendwie beschlich mich der Verdacht, bestraft zu werden. Ja das sah ihm ähnlich, was der Boss damit bezweckte, blieb mir schleierhaft.

Nach vollendeter Arbeit stank ich wie Malech, als ich ihm das erste Mal begegnete. Selina reichte mir ungefragt ein feuchtes Tuch, damit konnte ich wenigstens notdürftig meine Hände reinigen. „Ist es wahr? Eure Verlobung hast du gelöst?“, fragte sie leise.

„Ja, woher weißt du das?“, wollte ich wissen.

„Er sagte es, als du im Tunnel warst. Demnach steht er wieder zur Verfügung?“, selbst in der Dunkelheit konnte ich Selinas schmachtenden Blicke erhaschen, die sie dem Boss zuwarf.

„Dann viel Glück!“, meinte ich und drehte ihr den Rücken zu, ich konnte und wollte mir nicht vorstellen wie sie miteinander … nein das war definitiv zu viel.

Selina setzte sich bereits in Bewegung, steuerte direkt ihr Ziel an, was sie zum Boss sagte, blieb mir verborgen, doch er nickte ihr anerkennend zu. Verärgert wandte ich mich ab.

Mich umsehend wunderte ich mich über die Ratsmitglieder, kaum wiederzuerkennen, dachte ich, während ich sie betrachtete. Muse und Nirfa ganz in Schwarz, ähnlich wie meine Kampfmontur, jedoch viel erlesener. Theodoric in seinem schäbigen Anzug, saß kriegerisch aufgerichtet da und sondierte aufmerksam die Umgebung.

Kahlaf und Merkur sah ich heute das erste Mal in Hosen, leichte weite Beinkleider und wie konnte es anders sein mit passenden Hemden, schmunzelte ich über ihre Eitelkeit.

Ciaran wie immer gepflegt im Anzug, stand abseits, auch er machte den Eindruck, wachsam seine Umgebung zu sondieren. Alle hatten etwas gemeinsam, ja sie warteten, sie warteten. Auf was? Wann es weiterging oder auf jemanden?

Meine Frage bekam ich bald darauf beantwortet, Ross trat aus der Dunkelheit hervor, sofort wandte sich das Tiro ihm zu. Kurz darauf erhoben sich alle auf einen Wink vom Boss.

Wieso ordneten sich all die Alten ihm unter? In ihren Augen gehörte unser Familienoberhaupt zu den Kindern. Überhaupt zollten sie ihm Respekt. Sollte es so einfach sein?

Aber nein! Lächerlich, Alischa würde doch ihren Vater erkennen. Oder konnte er, der unerkannte Sohn sein? Ja dies würde das Verhalten der Alten erklären. Doch wenn es so war, wie stand das verwandtschaftliche Verhältnis zu ihm? Demnach mussten Vater und er Cousins sein oder Onkel und Neffe. Jedenfalls eine Blutsverwandtschaft, eine Nahe! Zu nah, vielleicht um ein Kind mit ihm zu haben?

Bestand er deshalb darauf, Prya sein Kind zu nennen? Sarah du suchst Ausreden für sein Verhalten! Er will dich nun einmal nicht als die Mutter deines Kindes ansehen. Nein, seine Tochter sollte ihm allein gehören, noch nicht einmal seine angebliche Liebe zu mir, konnten seine Besitzansprüche unterbinden.

Langsam dämmerte es mir, mit welchem Charakter ich es mit Corvin Sardovan zu tun bekam. Meine erste Vermutung stimmte, despotisch und selbstherrlich, ja so war er. All die anderen Gesichter, die er zeigte, waren nur Masken um seinen Willen durchzusetzen.

„Na bist du fertig? Oder kommen noch einige negative Eigenschaften dazu?“ Wie konnte er sich so lautlos an mich heranschleichen?

„Dafür werde ich wohl oder übel noch einige Stunden brauchen, die ich wohl augenblicklich nicht habe.“, wandte ich mich ihm demonstrativ zu, „Welchen Befehl hast du nun für mich?“, reckte ich mich stolz, zur vollen Größe auf.

„Du wirst mit Peer die Spuren verwischen. Anscheinend seid ihr Experten darin.“, sagte er anordnend und trotzdem hörte es sich wie eine Beleidigung an.

„Wie du befiehlst!“, schaute ich mich suchend nach Peer um und entdeckte ihn wie er bereits einige Zweige eines Busches abschnitt. In Ermangelung an Decken oder sonstiges Gerät die beste Idee.

Irritierte bemerkte ich das der Boss noch genauso dastand wie zuvor, „Was noch?“, wollte ich wissen.

„Sei vorsichtig, obwohl wir einen Vorsprung besitzen, traue ich Alischa und Monseigneur einiges zu.“

„Alischa und Monseigneur? Bist du dir sicher?“, vergaß ich einen Moment unseren Disput.

„Wer sonst? Außerdem scheint Ambrosius die nötigen Beweise gefunden zu haben.“

Augenverdrehend meinte, „Ambrosius! Der große Unbekannte, langsam denke ich sein Name wird von jemanden benutzt, der augenscheinlich seinen Willen durchsetzen will.“

„Damit meinst du natürlich mich, nicht wahr.“, lächelte Corvin schmallippig. Darauf entgegnete ich nichts, warum auch, er kannte meine Gedanken allzu gut.

„Da ich sowieso der Bösewicht in deiner Geschichte bin, wird mein nächster Zug kaum deine Meinung relevant verändern.“ Sprach er in Rätsel und bevor ich wusste wie mir geschah, presste er mir seinen Mund auf die Lippen.

Auch diesmal konnte keinen Widerstand gegen seine Nähe aufbringen, vom Verstand geleitet ihn abzuwehren, reagierte mein Körper auf seine Art und erwiderte den unwillkommenen Kuss. „Nun besitzt du ein weiteres Argument mit dem du mich verdammen kannst.“, meinte Corvin, bevor er mich losließ um dann unverzüglich in das dunkle Dickicht einzutauchen.

Er gehörte zu den Letzten, die dort verschwanden, Selina und Ciaran bekamen das unwürdige Schauspiel mit. Die Kriegerin maß mich mit einem undefinierbaren Blick, während Ciaran abwechselnd unsere Mienen studierte, schließlich nickte er mir zu. Verspottete er mich oder wollte er mich trösten? Diesen Vampir konnte ich keineswegs einschätzen, genauso wie … ach vergiss ihn, schalt ich mich.

An Peers schweigsamen Seite zu arbeiten tat mir gut, mich auf meine Aufgabe konzentrierend, gewann ich meine innere Ruhe wieder. Stundenlang vernichteten wir verräterische Spuren. Es ging immer höher hinauf.

Das sollte unser Fluchtweg sein? Die Sierra Nevada? Im Schnee, der in den höheren Lagen lag, konnten selbst Peer und ich keine Spuren verwischen, es sei denn Neuschnee sagte sich an.

Selbst ein Corvin Sardovan konnte das Wetter nicht beeinflussen, zudem würde uns Vampiren bald der Atem ausgehen, im tiefen Schnee über die Berge zu stapfen.

Wieder einmal musste ich vor dem Boss und seinen Plänen den Hut ziehen, ungefähr auf halber Höhe wechselte er die Richtung. Er drang nicht tiefer in das Gebirge ein, sondern hielt abseits der menschlichen Siedlungen, auf das Mittelmeer zu.

So wollte er unseren Häschern entkommen! Das Mittelmeer bot uns die Gelegenheit, spurlos zu verschwinden, ein Boot sollte genügen. Des nachts ohne Zeugen kein Problem, vom Meer aus konnten wir jedes beliebige Festland erreichen. Möglichkeiten boten sich uns genug, Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten auf der einen Seite. Frankreich, Italien auf der anderen dahinter Griechenland und die Türkei von dort über Bulgarien und schon erreichten wir unser Heimatland.

Von dort aus konnten die Sardovans agieren, den Feind endlich niederzwingen. Ja, Rumänien gehörte zu unserer Domäne, viele Familien wohnten dort, waffenerprobte Krieger die vor einer Alischa, sei sie auch noch so alt, keineswegs fliehen würden.

Ich sah es direkt vor mir, Rosmerta mit ihrem Stock, den sie mit schwindelerregender Schnelligkeit einsetzte. Diederich, ein wahrer Hüne, der einem Berserker gleich dem Feind trotzte. Geirrod auch ein Riese, all die anderen die mir in den Jahren lieb und teuer wurden.

Doch halt wollte ich das? Wollte ich sie, meine Freunde in Gefahr bringen? Selbst meine Tochter, die schutzlos auf der Festung ausharren musste? Nein! Im eigenen Land zu nah an Prya, das durfte nicht sein.

Wo dann? Gab es einen Ort, an dem wir uns dem Feind stellen konnten? Ein für alle Mal die Machtverhältnisse klären, damit jeder Clan, jede Familie endlich in Ruhe leben konnte.

Oder träumte ich nur Hirngespinsten hinterher? Gab es jemals die ersehnte Ruhe? Frieden? Machten es uns die Menschen nicht vor? Sie töteten einander, wofür? Macht, Land, Glauben einzig aus diesen Gründen, welcher war ihnen gleich, Hauptsache irgendeiner konnte selbst aus einem Krieg noch Gewinn erzielen. Leider gab es davon genug Leute, sie die Drahtzieher, die Profitgeier, die Unruhestifter, ja sie sollten sich im Kampf stellen.

„Was machst du denn für ein Gesicht?“, fragte Peer belustigt, „Du siehst aus als wäre der Teufel persönlich hinter dir her. Dabei ist es ruhig, nach meinen Geschmack zu ruhig. Nach den Spuren zu urteilen müssten wir langsam auf unsere treffen.“

Welch ein Redefluss! Etwas stimmte nicht, ansonsten würde Peer schweigsamer sein, er wollte mich vor etwas warnen. „Wer weiß wo sie sind.“ Meinte ich gleichgültig, dabei spitzte ich die Ohren, nahm unauffällig Witterung auf, nach einem unbekannten Duft suchend. Nichts!

Peer hingegen blieb wachsam, ich sah es an seinem geraden Rücken, die Bedachtsamkeit, mit der er sich bewegte, jemand beobachtete uns. Wer? Und wo steckte dieser?

 

Kapitel 44

Da! Ein kurzes Aufglimmen von Augen im Gebüsch! Jetzt hab ich dich!

„Komm Peer, trödel nicht, ansonsten bekommen wir Ärger. Hast du dort alle Spuren beseitigt?“, deutete ich auf eine Stelle genau gegenüber des Gebüsches, wo unser heimlicher Beobachter hocken musste.

Ich wusste nicht ob Peer mich verstand, ansonsten würde er einen gewaltigen Schrecken bekommen, wenn ich mit einem Male auf ihn zusprang, er stand mir etwas im Wege. „Da war nichts, sie gehen hintereinander, das erleichtert und erschwert uns die Aufgabe zugleich.“ Dabei trat er einen Schritt zur Seite, ob mit Absicht oder Zufällig interessierte mich gerade nicht, ich sprang auf das Gebüsch zu.

Die Bewegung, die auf meinen Sprung folgte, war keine flüchtende, sondern vorwärts gerichtet. Entweder fehlte es dem Lauscher an Intelligenz oder er gehörte zu unseren Freunden. Zur dritten Möglichkeit eines Angriffes kam ich nicht, denn ich bekam die Person zu packen.

Ohne Gegenwehr ergab sie sich, auf ihr niederhockend, die Arme vorsichtshalber festhaltend fragte ich: „Wer bist du und was willst du?“

Auf dem unterdrückten Stöhnen folgte eine nichtssagende Antwort, die Stimme erkannte ich sofort. „Du hinterlistiger kleiner Lump, jetzt hab ich dich endlich da worauf ich seit Jahren warte.“ Setzte ich vor Vergnügen die Knie auf seine Oberarme. Das tat weh, wusste ich aus Erfahrung, da er das Gleiche mit mir machte als mir noch die Kraft fehlte, mich gegen ihn zu wehren.

„Das Beste, unser Vater ist außer Reichweite, kein Arsch wird sich darum kümmern, was aus dir geworden ist.“, lachte ich voller Hohn von Rachegelüsten überwältigt.

„Da irrst du dich“, Livio hörte sich keineswegs furchtsam an. Dachte er tatsächlich, gegen mich bestehen zu können. Nahm er etwa an, ich würde ihn verschonen?

Er sprach weiter, seine schmerzverzerrte Miene genoss ich mit wachsender Begeisterung, deshalb erschütterten mich seine Worte bis ins Mark. „Sag das noch einmal!“, forderte ich eisig.

„Corvin! Du musst ihn warnen, ihr lauft in eine Falle. Alischa kennt jeden eurer Schritte.“

Ein Spion in unserer Mitte? Ciaran! Oder sollte der Schnüffler gerade unter mir liegen? Vielleicht sollte er auskundschaften, wohin wir gingen. Weshalb versteckte er sich sonst?

„Himmel noch mal, Sarah! Ich bin nicht dein Feind, bin ich noch nie gewesen, doch Alischa forderte Beweise, nur aus diesem Grunde habe ich dich schlecht behandelt. Frag Vater, Henry oder deinen Verlobten, wirklich du, ihr müsst mir glauben.“, wandte er sich an Peer, der Livio stumm betrachtete.

Unsicher schaute ich Peer an, „Was meinst du?“, denn eine Warnung konnte ich nicht einfach abtun, auch wenn es sich um meinen verhassten Bruder handelte.

„Es könnte sein!“, hockte sich Peer vor Livio, „Wo habt ihr euch im Herrenhaus getroffen?“

Was sollte denn diese Frage, als mein Blutsverwandter antwortete, verstand ich es. „Im Schlafzimmer von Corvin oder im Geheimgang, ab und an auch bei Henry.“

Er kannte die Gänge, konnte er auch nach unserer Flucht gefunden haben, kein Beweis für mich. Peer schien anderer Meinung zu sein, zwar noch skeptisch nickte er, „Solltest du uns belügen, wird es deine Letzte sein, das versprech ich dir. Hoch mit ihm! Wir werden, ohne weitere Spuren zu vernichten, der Gruppe folgen. Wehe dir Livio, falls du einen Fluchtversuch wagst, dann werde ich dir deine Schwester auf dem Hals schicken und wie sie sagte man wird dich keineswegs vermissen oder jemals finden.“

„Ja, ja doch nun lasst uns sputen, wir haben bereits wertvolle Zeit verloren!“, lief er voran.

Woher kannte er den Weg? Selbst ein geübter Fährtenleser konnte einer Spur niemals so schnell folgen. Konnte es wirklich sein? Ähnlich sah es dem Boss. Im Grunde erkannte ich ohne Schwierigkeiten seine Handschrift.

Was, wenn es so sein sollte? Demnach belogen sie mich seit Jahren, sie ließen Livio in meinen Augen der Bösewicht sein. Ließen die Quälereien zu, unter denen ich litt. All die Schmähungen nur damit ein Spion in Alischas Umfeld agierte.

Wut und Verständnis haderten in mir. Wut über ihr fehlendes Vertrauen, Verständnis für die brisante Lage. Welche der Beiden schlussendlich siegte, wusste ich nicht zu sagen.

Schneller als mir lieb war, holten wir die Gruppe ein. Überrascht verfolgten meine Freunde unseren Einzug, abfällige Bemerkungen richteten sich gegen Livio, wir führten ihn zum Trio. Ich beobachtete jeden Einzelnen genau.

Wer kannte das ungeheuerliche Geheimnis? Die Leibwächter jedenfalls nicht, Merkur lächelte unseren Gefangenen erleichtert zu, selbst Ciaran der Neuzugang nickte Livio zu, schlussendlich das Trio.

Vater schloss seinen Sohn in die Arme, Henry klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, während der Boss sofort die Umstände erfahren wollte, warum er sein Spitzeldasein aufgab.

Livio, informierte die kleine Runde über die Gefahr in der wir schwebten. Abseits standen sie, ihre Stimmen gesenkt und beratschlagten sich.

So, mein Bruder sprach die Wahrheit! Demnach musste sich ein Spion in unserer Mitte verbergen. Wer? Selbst nachdem ich jeden in Augenschein nahm, all das abrief, was ich vom Einzelnen wusste, konnte ich keinen Verdacht auf eine bestimmte Person richten.

Das Trio beratschlagte sich weiterhin, dann wurden die Ratsmitglieder hinzugezogen. Auch ihre Augen schweiften schließlich misstrauisch über uns hinweg.

Wir Leibwächter, vertraten uns die Beine, einige setzten sich schließlich auf dem Waldboden. Frischer Wind kam mit der Morgenröte, mir wurde deutlich mein nagender Hunger bewusst. Nichts geschah, sie beratschlagten sich weiter.

Erinnerst du dich Sarah, damals als du Hendrik kennenlerntest? Wie habt ihr die Jäger getäuscht?

Das konnte doch nicht wahr sein! Sollte es so einfach sein? „Ein Sender!“, sagte ich laut, „Es ist ein verdammter Sender!“, schrie ich, auf die diskutierende Gruppe zuhaltend.

Vater erkannte sofort was ich meinte, über sein Gesicht glitt die Erkenntnis, „Aber natürlich!“, wandte er sich seinem Freund zu. „Die einzig logische Erklärung.“

„Aber wo?“, hinterfragte Henry.

„Ausziehen! Nur in unserer Kleidung können welche versteckt sein.“, begann der Boss bereits sich die Sachen vom Körper zu reißen.

Henry gluckste, „Ich hab ja nichts dagegen, nackt durch die Sierra Nevada zu wandern, besonders nicht bei diesen erbaulichen Anblicken“, deutete er auf uns Frauen. Was ihm sofort einen Klaps auf den Hinterkopf von Merkur einbrachte. „Beherrsche deine lüsternen Gedanken! Natürlich untersuchen wir jedes Wäschestück und ziehen uns wieder an.“

In der Kleidung eines jeden Ratsmitgliedes steckte ein Sender. „Wie kamen sie an unsere Kampfmonturen? Ich habe sie sicher zwischen meinen Bücherkisten verwahrt.“, rätselte Muse.

„Was mich beschäftigt ist, wie konnten sie wissen wessen Montur, wem gehört.“, murmelte Vater leise vor sich hin. Ich verstand ihn nur, weil ich neben ihm stand.

„Ja!“, nickte Corvin, seine Ohren mussten bei Weitem besser ausgebildet sein als meine. „Ich denke zudem gibt es einen Spitzel und dieser kann nur aus Muses Umfeld stammen.“

Sofort knieten sich die beiden Leibwächterinen Muses nieder, dabei versicherten bei ihrem Leben, keinen Verrat begangen zu haben.

„Ich glaube ihnen sogar“, schmunzelte Henry, sich vor der grauen Maus niederknieend, „Aber die Röcke hast du gern gehoben, wenn deine Herrin ihre Räume verließ. Gehörte zufällig einer deiner Liebhaber unseren Feinden an?“

Ihr Entsetzen bestätigte Henrys Verdacht, „Du ließest ihn allein?“, ein Nicken folgte, „Doch nur kurz als es an der Tür klopfte.“

„Lass mich raten, derjenige hielt dich auf?“, wiederum ein Nicken, Henry erhob sich, „Ein altbekanntes Spiel, selbst wir haben so etwas in der Art schon angewendet.“

„Trotzdem ein unverzeihlicher Fehler!“, trat Muse mit strenger Miene vor, „Geh!“ sagte sie hart. Die graue Maus sackte in sich zusammen, weinend um Verzeihung bittend schlug sie ihre Hände vor ihr Gesicht. Doch Muse hatte keinen weiteren Blick für sie übrig. Schließlich kramte die ertappte Kriegerin ihre Kleidung zusammen, wartend stand sie mit ausgestreckter Hand da.

Auf einen Wink Muses, nahm die andere Leibwächterin alle gefundenen Sender und übergab sie der grauen Maus. „Moment! Wusstest du von dem Treiben in meinem Gemach?“ Die Dichterin schnaufte empört, anscheinend las sie in den Mienen ihrer Leibwächter wie in einem Buch. Mit gleicher Härte wie sie die graue Maus verdammte, verstieß sie auch ihre andere Kriegerin.

Die graue Maus wandte sich Corvin zu. „Welche Richtung sollen wir einschlagen?“

„Hinauf bis an die Schneegrenze wendet euch dann dem Mittelmeer zu.“

Schweigend verließen sie unseren Rastplatz, schweigend sahen wir hinter ihnen her. Eine unheilvollschwangere Stimmung beherrschte uns, wussten wir doch, wen wir gerade in den sicheren Tod schickten.

Ich wagte einen Blick auf Muse, ihre Miene zeigte keinerlei Mitgefühl, die Härte, mit der sie ihre Leibwächter bestrafte verwunderte mich. Sie die empfindsame, dichtende Frau ahndete Verfehlungen eiskalt.

„Was nun?“, fragte Ciaran in die Stille hinein, „Weiter davonlaufen oder ein für allemal die Sache erledigen?, richtete er die Frage in die Runde.

Niemand sagte ein Wort, schauten sich fragend einander an, zum Schluss den Boss. Der blickte noch immer den Frauen hinterher, „Das könnte unser aller Ende sein.“, sagte er schließlich.

„So oder so, es wird zu einem Kampf kommen, wir sollten ihn uns stellen.“, stellte sich Kahlaf zu Ciaran.

Darauf lief es also hinaus eine Abstimmung, keiner wollte den Befehl erteilen. Die Fronten waren geklärt, die Entscheidung traf ein jeder für sich.

Merkur trat mit seinem „In der Tat!“, zu Kahlaf, ihm schloss sich Muse an, Theodoric und Nirfa folgten. Vater und Henry tauchten hinter Corvin auf, „Ich denke wir halten es wie unser Boss und schließen uns der Mehrheit an.“, sagte Vater für sich und seinen Freund sprechend.

Auffordernd blickte der Boss uns Leibwächter an. Wie wir sollten unsere Meinung kundtun? Eine Entscheidung treffen?

Malech rieb sich das Kinn, „Also wenn ich richtig überlege, ist die Gelegenheit günstig. Unser Feind denkt wir fliehen, was heißt er muss seine Truppen ausschicken. Hier in den Bergen kann keiner Hilfe rufen, da wir in einem Funkloch sind. Andererseits können wir unsere Leute versammeln und mit geballter Macht angreifen. Ja lassen wir uns nicht länger gängeln.“

„Gut gesprochen!“, nickte Selina, „Ich frage mich nur wie du unsere Leute versammeln willst, kannst du etwa zaubern?“

Malech lächelte maliziös, „Hab Vertrauen, denn wir besitzen etwas, was eine ganze Armee ausmacht.“

„Vertrauen ist gut, aber ich vertraue auf meinen Boss, der hat mich noch nie enttäuscht.“, gesellte sie sich zu Corvins Gruppe. Worauf Matt, Eric, Till und Peer folgten.

Nun standen nur Ross und ich da, sie sahen uns wartend an, „Meine Entscheidung stand von Anfang an fest, ich folge ohne weitere Bedenken Corvin, denn wie Rosmerta sagte, er ist der Garant für Frieden.“

Während er sprach, stellte ich mich zu meinen Freunden, es wurde genug gesagt. „Dann ist es entschieden“, nickte Kahlaf, „Was hast du vor, Corvin?“

„Wie geplant, wir sammeln uns auf der Festung, dort bestimmen wir wie und wo gekämpft wird.“

„Falls wir und all die Anderen durchkommen.“, zweifelte Ciaran, worin ich ihm im Grunde beipflichtete. Sicherlich trugen wir nicht als einzige Sender, woher sollten unsere Verbündeten wissen, dass jede Bewegung kontrolliert wurde.

„Sie werden! Sie müssen einfach! Denn irgendwann sollte auch Monseigneur und Alischa das Glück verlassen. Wir gehen von hier aus direkt zum Mittelmeer, in Malaga erwartet uns ein Boot.“

„Wahnsinn! Das ist Wahnsinn Corvin“, widersprach Ciaran aufgebracht, „Warum schickst du die Leibwächter mitsamt den Sendern dorthin, sollte es nicht eine Ablenkung sein, damit wir woandershin verschwinden können?“

„Oder“, hob Corvin den Finger, „um unsere Feinde vorangehen zulassen. Sie werden Spuren hinterlassen, auf denen die unseren nicht auffallen.“

„Ein gewagtes Spiel“, klatschte Theodoric in die Hände, „aber eines mit Aussicht auf Erfolg, besser als gejagt zu werden.“ Er wirkte geradezu lebhaft, bis Ciaran ein weiteres Mal das Wort ergriff, „Sie werden uns spüren, auch wenn ich nicht weiß ob ihr alle die Kunst beherrscht eure Aura zu unterdrücken, so weiß ich doch das ein Mitglied dies auf keinen Fall zustande bringt.“ Schaute er mich anklagend an.

Er hatte recht, dies verlangte jahrzehntelange Übung, „Kein Problem, das übernehme ich.“, hörte ich den Boss zuversichtlich sagen. Innerlich sträubte ich mich dagegen, sagte jedoch kein Wort. Hier galt es, dem Gegner zu täuschen, private Differenzen blieben außen vor.

„Ah ich verstehe, eine Blutsverbindung! Alt und äußerst interessant, sobald wir die Ruhe finden möchte ich euch einige Fragen stellen.“, beäugte Ciaran uns als wären Corvin und ich, seltene Geschöpfe.

„Himmel Ciaran, kannst du denn nur an dein Steckenpferd denken? Jetzt sollten wir uns lieber überlegen wo und wie wir uns verbergen.“, schlug Kahlaf ihm kameradschaftlich auf die Schulter, Ciaran bebte geradezu nach dem Schlag.

Wie immer besaß Corvin eine Idee, so folgten wir den Spuren der verbannten Leibwächterinnen ein gutes Stück um bald darauf auf den gleichen Fußabdrücken umzukehren.

An einer steinigen Fläche angelten wir uns von Ast zu Ast in den Wald. Dort kletterten wir auf Bäume und harrten aus. Eng an einem Stamm geschmiegt, lauschte ich auf außergewöhnliche Geräusche, dabei schloss ich die Augen. Was keinesfalls nötig war, aber ich wollte den Augenkontakt mit Corvin vermeiden, der auf der anderen Seite des Stammes stand und mich unentwegt anstierte.

Hoffentlich ließen die Jäger nicht zu lange auf sich warten, die Nähe Corvins verunsicherte mich. Was ihm sicherlich nicht verborgen blieb, da er nun ja auch noch mit meiner Erlaubnis in meinen Kopf herumschnüffelte.

Die Jäger enttäuschten mich nicht, kaum eine halbe Stunde später hörten wir sie. So nah waren sie uns auf den Fersen! Erst jetzt wurde mir ernsthafte Gefahr bewusst, in der wir schwebten.

Allein in unserer näheren Umgebung tauchten sieben Truppen mit je zehn Mann auf. Der Wald wimmelte regelrecht von Jägern und nicht nur von ihnen, Vampire begleiteten sie, traute ich meinen Augen kaum.

Woher kamen sie? Sicher, es hieß Granada platze bald von Jägern, aber mit diesem Ausmaß rechnete ich nicht.

Vor allem, wenn ich bedachte, dass sie nicht nur uns verfolgten, sondern all die anderen Ratsmitglieder mitsamt ihren Leuten. Unwillkürlich musste ich an Michelé und Pierre denken, hoffentlich entkamen sie der Übermacht.

Nach einigen Minuten endete der Spuk, die Jäger zogen unbeirrt weiter, der Plan glückte. Nun hieß es, den Gegner geschickt auszuweichen. Wie Corvin vorhersagte mussten wir uns um Spuren keine Sorgen mehr machen, unsere Verfolger hinterließ wahrhaft Trampelpfade, ihre oder unsere konnte man nicht mehr auseinanderhalten.

Bedachtsam schlugen wir den Weg zum Meer ein, auch hier wimmelte es nur so von Fußabdrücken, demnach verfolgten sie nicht nur die Sender, sondern patrouillierten das gesamte Gebirge.

Ross und Peer bildeten die Spitze, noch immer musste ich in Corvins Nähe bleiben, er begründete es wegen der Vampire, ich mutmaßte er wollte die Situation einfach ausnutzen, konnte jedoch an seinen Verhalten nichts aussetzen. Weder berührte er mich, noch machte er irgendwelche Anspielungen, worauf ich natürlich lauerte.

Nichts, er sagte kein privates Wort, noch berührte er mich, was mich umso mehr verärgerte. Weshalb, wollte ich nicht wissen, Hauptsache ich konnte ihm grollen.

 

Kapitel 45

Das Tempo, welches Peer und Ross anschlugen, glich einem hundert Metersprint. Zuerst ging es bergauf, was mich verwunderte, doch als ich die Stadt Pinos Genil unterhalb von uns sah, verstand ich. Sie versuchten, die Städte bis Malaga zu umgehen, was einige Umwege beinhaltete.

Zu meinen Verdruss warteten wir die Dunkelheit ab, um die karge Feldwand hinunterzuklettern. „Zu gefährlich“, hieß es, „Keine Deckung“, lautete es, deshalb lagen wir versteckt unter niedrigen Büschen und warteten auf die Nacht. Während unser Gegner die Sierra Nevada durchstreifte, die Menschen ahnungslos ihre täglichen Gewohnheiten nachgingen.

Menschen! Ich sah sie aus der Ferne, wie sie gehetzt mit ihren Autos dem Feierabend entgegenfuhren. Ahnungslos, wer über ihren Köpfen nach ihnen Ausschau hielt, die hungrigen Augen über sie hinweggleiten ließ.

Hunger! Ja Hunger nagte an mir, in mir. Noch nie musste ich während meines Vampirdaseins auf Nahrung verzichten. Sicher es gab Verzögerungen von einigen Stunden, doch einen Tag gänzlich ohne Nahrung lernte ich bisher nie kennen. Die knappen Rationen der letzten Monate taten ihr übriges dazu, jede Faser meines Körpers schrie regelrecht nach Blut.

Die Untätigkeit machte mich rasend, die Menschen die auf der Straße hin und her fuhren, nahmen meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch, sie zogen mich magisch an. Wie leicht wäre es, die Frau dort unten mit ihrem altersschwachen Wagen zu bewegen anzuhalten, oder den Mann auf dem Fahrrad der einen dieser obskuren hautengen Anzüge trug. So leicht und doch unerreichbar, im Augenblick.

„Lenk dich ab Sarah, denk nicht einmal daran, es würde deinen sofortigen Tod bedeuten.“, wisperte Matt beruhigend.

Unwirsch leugnete ich seinen Verdacht, „Na sicher, deshalb beobachtest du ja nur die Botanik mit ausgefahrenen Zähnen und schwarzen Augen.“, spöttelte er.

Beunruhigt fuhr ich mit der Zunge über die Zähne. Verdammt noch mal, erwischt. Ein Blick zur anderen Seite überzeugte mich, dort lag der Boss und ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Ihm konnte ich kaum ins Gesicht sehen, er wusste, wonach ich gierte.

Neben ihm lag Livio, bekam er meinen inneren Aufruhr ebenfalls mit? Bisher ging ich ihm aus dem Weg, er mein Bruder der mich quälte, sollte nun mein Bruder, der mich liebte sein? Nein, weigerte ich mich, das zu glauben, er fand Gefallen an den Misshandlungen, die er mir antat, oft genug las ich dies in seinen Augen. Egal was auch immer er und Vater beteuerten, Livio blieb mein Feind.

Endlich, endlich wurden die Schatten länger, kriechend langsam senkte sich die Dunkelheit über das Tal, unter uns. Doch kein Aufbruch, bewegungslos blieben wir, etwas anderes hinderte uns. Die Jäger! Sie nutzten den Tag, während wir tatenlos herumlagen.

Hinter uns schlichen sie den Berg hinauf, vor uns postierten sie Männer, die mit Ferngläsern den Abhang kontrollierten. Wir saßen in der Falle! Ohne uns zu rühren, harrten wir aus, die Nacht schritt unbarmherzig voran. Unsere Gegner blieben an Ort und Stelle, einer erleichterte sich direkt über Henry oder Merkur, genau wusste ich es nicht, aber einer von den Beiden lag dort.

Ungeduld brannte in meinen Herzen. Warum ergriffen wir sie nicht? Ihr warmes Blut das mit jeder Sekunde lauter in meinen Ohren rauschte, sollte uns Nahrung und Kraft genug geben, um durchzubrechen, damit wir auf dem schnellsten Weg Malaga erreichen konnten.

Tatenlos verbrachten wir die Nacht, den folgenden Tag. Inzwischen konnte ich meinen Hunger kaum noch beherrschen. Tausende Ideen rannen durch mein Hirn, nur auf ein Ergebnis zielend, den verlockenden Trommelwirbel des pumpenden Herzens Einhalt gebieten.

Ein kleiner Biss, stellte ich mir vor, in der Armbeuge, am Oberschenkel oder ohne störende Kleindung gleich neben der Kehle. Oh ja, ein Sprung und nahe wäre mein Ziel, verlangend könnte ich …, eine Berührung holte mich aus meinen süßen Träumen.

Matt! Warnendes Blickes schaute er mich an.

Ein gequältes Lächeln, das mir bewusst machte, wie nah ich daran war einen Menschen anzufallen. Obwohl ich mich entspannte, konnte ich die menschliche Miene nicht annehmen. Wie sehr ich mich auch bemühte das vampirische Erbe wog schwerer, zu nah, zu lockend die Nahrungsquelle.

Nun wünschte ich, unter dem Pinkelbusch zu liegen, selbst ein warmer Strahl Urin schien verlockend um meine Sinne auf andere Gedanken zu bringen.

Das Aufleuchten einer Taschenlampe weckte meine Aufmerksamkeit und nicht nur meine. Zwei der Jäger traten näher an den Abgrund heran, ich spürte wie Matt sich bewegte und hielt meinen Atem an.

Zum Glück richteten die Männer ihre Wachsamkeit auf das Leuchten. „Wurde auch Zeit, die verdammten Blutsauger sind bestimmt über alle Berge.“, meinte einer der Kerle.

„Ja, mit der Warterei in Granada haben wir unsere Chance das Pack loszuwerden vertan.“ Antwortete ein anderer.

„Sei ja vorsichtig was du sagst, ich habe keine Lust bei der Schwarzhaarigen zu enden.“ Fuhr der Erstere den Zweiten böse an.

„Ist doch alles Irrsinn, hast du das Blutbad gesehen? Mir graut es noch immer, das waren unsere Kumpel und diese Viecher schlitzen sie einfach auf. Aber nachher stolzieren sie wie Könige durch unsere Reihen. Irrsinn absoluter Irrsinn, wir sollten bei ihnen anfangen.“

„Halts Maul!“, knurrte sein Gefährte, „Die haben Ohren wie Fledermäuse.“

„Abhauen sollten wir! Das ganze Vergessen, sollen sie sich doch gegenseitig die Kehlen aufschlitzen.“

„Nun halt endlich die Fresse oder ich melde dich!“

Darauf herrschte Schweigen, sie entfernten sich und mit ihnen die gesamte Gruppe. Eine Weile blieben wir liegen, dann gab der Boss das Zeichen, „Wir steigen sofort hinab!“, lautete sein Befehl.

Ich kam kaum hoch, vor Schwäche schlotterten mir die Knie, dazu waren meine Glieder steif, kein Muskel gehorchte.

„Sarah!“, half Corvin mir auf, „Komm mit!“, entfernte er sich vom Abgrund. „Hier trink!“, hielt er mir sein Handgelenk entgegen.

Sofort kroch der verlockende Duft in meine Nase, erschrocken wich ich zurück. Er zog mich ohne Erbarmen an sich heran. „Trink du störrisches Frauenzimmer, etwas anderes gibt es bis Malaga nicht.“ Presste er die Wunde an meinen Mund vom Hunger überwältigt öffnete ich die Lippen, biss sogar zu, weil nicht genug köstliches Nass, meine Kehle hinunterdrang.

Augenblicklich spürte ich die Veränderung, warmes Blut wärmte meine Mundhöhle, von dort breitete sich die wohlige Wärme im gesamten Körper aus. Alles wurde schärfer, Sicht, Gehör, jeder Nerv vibrierte, meine Haut spürte den noch so leisesten Windhauch.

Dann wurde mir der Arm gewaltsam entrissen, „Das muss reichen!“, lispelte Corvin, ich roch geradezu seine Erregung, empfand sie körperlich, obwohl er nun drei Meter von mir entfernt dastand. Warum wandte er sich ab? Das konnte ich nicht zulassen, ich wollte ihn hier und jetzt, stürmte ich auf ihn zu.

Er wich mir aus, „Das bist nicht du, es ist mein Blut, das dich rasend vor Verlangen macht. Bald lässt es nach.“, hielt er mich fest umschlungen, was ich nutzte um mich an seinem Körper aufreizend zu reiben.

Ich fühlte mich als Sieger, als er mich verlangend küsste, seine Gier stand in meiner nichts nach. Küssend hob er mich hoch, innerlich frohlockend da ich dachte, er suche ein ruhiges Plätzchen überließ ich mich ganz seines Kusses.

Bis ich plötzlich durch die Luft geschleudert wurde, „Vlad! Henry! Fangt sie auf!“, ehe ich mich versah, landete ich in Vaters Armen, fuchsteufelswild befreite ich mich, dabei bekam er meinen Ellenbogen zu spüren.

Indessen kletterte der Verräter meiner Leidenschaft den Hang hinunter, „Haltet sie lieber fest, ich gab ihr mein Blut.“

Sofort stürzten sich seine Freunde auf mich, was ihnen einige Beulen einbrachte. So leicht ließ ich nicht von meiner Beute ab, verteilte ich großzügig Hiebe und Tritte, „Was ist, packt doch mit an!“, hörte ich Henry nach Hilfe rufen.

„Ihr werdet doch mit solch einer zarten Person fertig?“, spöttelte der Herr rühr mich nicht an. „Wir werden vorgehen, während ihr meine liebreizende Frau beruhigt.“

„Corvin das kannst du nicht machen, lass uns wenigstens noch einen Mann hier.“ Forderte Henry einen Hieb ausweichend.

„Ach wirklich? Ihr könnt verstehen, warum ich mich ein wenig schadlos an euch halte, Jahre habe ich auf eine passende Gelegenheit gewartet. Noch etwas, verletzt sie nicht, ansonsten könnte ich ungemütlich werden.“

So sehr ich mich auch wehrte, konnte ich keinen Sieg erringen, Vater und Henry im Gegenteil schon, auf mir liegend redeten sie auf mich ein. Schließlich hörte ich zu, die Gier, die mich erfasste, ließ nach, je weiter sich Corvin entfernte.

„Sarah, es ist sein Blut, wenn du dich jetzt mit ihm paarst, gehst du eine Verbindung ein, die lebenslang halten wird.“, sickerten Henrys Worte langsam in meinen Verstand, der noch logisch dachte. Nein das wollte ich nicht!

„Na hör mal Henry“, legte mein Vater los, „Sie sind verlobt, Corvin kann jeden ihrer Gedanken erfassen, dann ist es doch wohl gerecht, wenn meine Tochter die seinen kennt.“

„Wirklich? Vlad du bist ein Träumer, Corvin ist wie viele Jahre älter? Sarah Hirn würde zu Matsche, nichts blieb von deiner Tochter übrig, denk mal daran.“

Sie diskutierten, während sie auf mir lagen, „Okay, okay, ich bin ganz nüchtern! Also runter von mir und dann Henry erzählst du mir, was du darüber weißt.“

„Ich?“, stand er auf, „Eigentlich nicht viel, Ciaran erwähnte so etwas in der Art, ihn solltest du fragen.“

Unterschwellig brodelte die Lust, damit konnte ich umgehen, zumindest solange der Boss nicht in unmittelbarer Nähe weilte. „Kann er mir auch sagen wie Corvin die Bindung lösen kann?“

„Na hör mal Sarah, er ist dein Verlobter!“, ahndete mein Vater meine Worte.

„Jetzt höre mir mal genau zu, Vater. Ja Corvin ist ein äußerst attraktiver Mann, er ist kultiviert, intelligent und besitzt Eigenschaften, die ich anziehend finde. Aber!“, hob ich den Zeigefinger, „es gibt auch genügend, die ich keinesfalls tolerieren kann. Ich habe die Verlobung aufgelöst und will endlich wieder mein ruhiges Leben als Leibwächter aufnehmen, ohne die Komplikationen, die ein Corvin Sardovan mitbringt.“

„Ich versteh die Welt nicht mehr!“, raufte Vater sich die Haare, „Ihr liebt euch doch!“

„Verwechselst du da nicht Liebe mit Begehren?“, erwiderte ich prompt.

Mit großen Augen schaute er mich entsetzt an, „Das geht zu weit Sarah! Ich bin immerhin dein Vater, so was musst du mir nicht in den Kopf setzen.“, schüttelte er sich angewidert.

„Dann akzeptiere meine Entscheidungen und dränge nicht weiter auf die Verlobung.“

Geknickt meinte er, „Ich dachte, du seist glücklich. Deshalb habe ich zugestimmt.“

Gerade eben konnte ich meine Mimik und Erwiderung unter Kontrolle halten. Henry jedoch kannte kein Erbarmen mit Vater, „Vlad, als Vater darfst du den Schwiegersohn gnädig in die Familie aufnehmen. Sarah benötigt deine Erlaubnis nicht, auch wenn sie mit jedem Vampir, dem sie begegnet, schläft.“

Sofort sprang Vater auf, „Was sagst du da! Natürlich das ist deine Denkweise, aber meine Tochter wird niemals so werden. Halte dich von ihr fern!“, grollte Vater böse.

Henry lächelte nur, „Deine Besorgtheit ist völlig unbegründet, als wir uns küssten, sprang keinerlei Funke über, sexuell ist mir deine Tochter gleichgültig.“

„Als ihr euch küsstet?“, fragte Vater nach, dabei überschlug sich seine Stimme.

„In der Tat! Wir küssten uns und die Aufforderung kam nicht von mir, sondern von Sarah.“

„Tochter?“, forderte er eine Erklärung.

Kopfschüttelnd verneinte ich, „Nie habe ich Henry geküsst“, aber dann kam eine Erinnerung, aus weit entfernten Tagen, das Hotel, die Halle, die Anziehungskraft die Corvin auf mich ausübte, sein Kuss die Beleidigung, die darauf folgte. Meine Wut, ich wollte es ihm zeigen und bat Henry mich zu küssen. Wie konnte ich es vergessen und wieso erinnerte ich mich.

Fröstelnd zog ich die Schultern ein, ja ich erinnerte mich an jedes Wort, jede Geste als wäre es erst vor wenigen Minuten geschehen. Meine ständige Flucht vor Corvin, obwohl ich mich zu ihm hingezogen fühlte. Wie auch jetzt.

Henry hockte neben mir, „Fällt dir alles wieder ein?“, grinste er, „Gut! Dann lass dir eines sagen Sarah Sardovan, du und er, ihr könnt nicht anders als euch zu lieben. Das ist ein Fakt, umso schneller du es akzeptierst umso schneller kommt deine Seele zur Ruhe.“

„Blödsinn!“, wehrte ich ab, ihn fortstoßend, davon wollte ich nichts hören. Henry fiel nach hinten, was Vater ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Jetzt lass sie mal in Ruhe, du bedrängst sie ja regelrecht.“

„Ach hör doch auf!“, stand Henry auf, sich den Dreck abklopfend, „Du siehst nur dein kleines Töchterchen, das keinen Mann an sich heranlässt.“

Daraufhin klappte Vaters Mund auf, den er wortlos wieder schloss. „Siehst du ich habe recht! Du mein Fräulein gehst in dich, wäge meine Worte genau ab. So! Nun will ich nicht mehr das Geringste davon hören, ich komme mir vor wie im Kindergarten. Ihr Nachkommen Ambrosius seid allesamt Dickköpfe, ja sture wiehernde Esel, das seid ihr!“ schnaufte er ungehalten.

 

Die Aufholjagd gestaltete sich schweigend, ich folgte meinen Instinkt, der mir untrüglich Corvins Aufenthaltsort zeigte. Selbst aus der Entfernung nahm ich seine Witterung auf, spürte genau, wo er sich befand.

Als ich in eine schnellere Gangart wechselte, überholten mich meine Begleiter, „Ab hier nehmen wir dich in die Mitte, es ist besser du kommst Corvin nicht zu nahe.“, sagte Vater kein bisschen aus der Puste, insgeheim beneidete ich die Alten und ihre Ausdauer, die mir fehlte.

Abseits der Gruppe hielten wir an, ich musste mich mit aller Gewalt zusammenreißen, um das Objekt meiner Begierde nicht anzufallen. Vater stellte sich sicherheitshalber zwischen uns, so konnte ich Corvin nicht direkt sehen. Vielleicht auch gut so, dachte der vernünftigere Teil von mir.

Till kam näher, innerlich bereitete ich mich auf einen saloppen Spruch vor. Nichts dergleichen sagte er, sondern erkundigte sich artig nach meinem Gemütszustand. „Es geht“, antwortete ich ihm.

„Kein Zuckerschlecken, hab ich selbst einmal erlebt. In einigen Tagen ist es vorbei, kommt drauf an, wie viel du getrunken hast.“

Ja wie viel? Genug jedenfalls um vor Kraft zu strotzen, nicht genug um Vater oder Henry abzuschütteln, was ich durchaus erwägte. „Na ja wird schon wieder, bei dem was auf uns zukommt schneller als du ahnst. Der Boss will nach Griechenland, hat was mit dir zu tun, Vlad. Wir haben unterwegs eine alte Bekannte von euch getroffen.“

Vater runzelte die Stirn, „Bleib hier, ich muss mit Corvin reden, Henry!“ stiefelte Vater auch schon los.

„Welche Bekannte“, wollte ich von Till wissen.

„Charly!“

Wilde Eifersucht erfasste mich, „Wo ist sie?“

Till lachte, „Keine Sorge, sie hatte es extrem eilig. Wollte so weit wie möglich weg, bevor Alischa bemerkt, dass sie abgehauen ist.“

„Aber zuvor sprach sie mit Corvin, waren sie allein?“, stellte ich mir die wüstesten Fantasien vor.

„Keine Sekunde, Ciaran und Kahlaf blieben bei ihnen. Man dich hat es wirklich erwischt, da hilft nur eines …“

„Setz deiner Freundin keine Flausen in den Kopf!“, trat Ciaran näher, ihm traute ich nicht über den Weg, zu lange gehörte er zu den Feinden. „Denn sollten sie jetzt wirklich miteinander Verkehr haben, gibt es kein Zurück mehr. Ob das Sarah guttäte, ist eine andere Frage.“

Er kannte sich offensichtlich mit dieser Art der Verbindung aus, deshalb verbarg ich mein Misstrauen und erkundigte mich danach.

„Oh ich habe lediglich gewisse alte Schriftstücke studiert. Noch nie habe ich ein Paar getroffen, das auf diese Art gebunden ist. Ich zeuge Corvin Respekt, denn er muss stetig darum kämpfen dir deinen Willen zu lassen. Vor allem stelle ich es mir schwierig vor, unentwegt deine Gedanken zu hören. Wer kann schon sagen, wem wessen Gedanken gehören, wirklich äußerst verworren.“

„Kann man diese Verbindung lösen?“, fragte ich rundheraus.

„Man kann! Aber wie? Es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber. Einige Alte könnten es wissen, die sollte man befragen.“

„Kahlaf, Merkur!“

„Vielleicht, Alischa auf jeden Fall, dann die fürchterliche Alte mit dem Stock, Corvins Mutter, selbst Theodoric könnte solch ein Wissen besitzen. Soll ich ihn befragen?“

Ich schaute hinüber zu der Gruppe, die für mich augenblicklich unerreichbar erschien. „Frag ihn!“, entschied ich mich, trotz des fehlendens Vertrauens. Irgendetwas verbarg Ciaran, ich konnte es regelrecht riechen, die Frage lautete was. Verrat, vermutete ich.

Bevor Ciaran den unscheinbaren Alten erreichte, ging Corvin mit Theodoric ein Stück abseits. Der Gestik des Bosses sandte eine unmissverständliche Botschaft aus. Kein Schritt näher.

Ciaran drehte sich mit entschuldigender Miene zu mir, „Ich versuche es später, falls es überhaupt noch einen Sinn macht.“

Corvin verfluchend, wollte ich hören, was Theodoric zu sagen hatte. Keine zwei Schritte kam ich, da stellten sich mir meine Freunde in den Weg.

„Sarah, was auch immer Theodoric für ein Wissen haben mag. Befrage lieber Marsé und Rosmerta. Sie können dir bestimmt weiterhelfen, denn sie gehören zu jenen Frauen die sicherlich deine Fragen aus der Warte einer Frau beantworten können.“

Erstaunt schaute ich Eric an, „Auch wir haben unsere Vorbehalte“, sah er Unterstützung suchend Matt und Till an. Peer ergriff das Wort, „Richtig, wir haben es hingenommen, als du noch menschlich warst. Doch jetzt bist du ein Vampir, da sehen wir gewaltige Probleme, die unserm Boss über den Kopf wachsen können. Die er nicht wahrhaben will, weil er dich liebt.“

„Das sagt ihr erst jetzt?“

Verlegen wichen sie meinen Blick aus, „Es ist schwer, versteh uns. Der Boss könnte es Verrat nennen, er ist so vollkommen auf dich fixiert, da trauen wir ihm jeden Blödsinn zu.“, sagte Matt.

„Tja das Alter schützt vor Torheiten nicht! Gerade dann, wenn es um die einzige Liebe geht, die er jemals erfuhr.“, fügte Till belehrend hinzu.

Dagegen konnte ich nichts sagen, sondern bildete mir mein eigenes Urteil. Sie, seine loyalen Freunde zweifelten an der Richtigkeit seiner Einstellung, mir gegenüber. Wer weiß, wie oft sie ihn auf sein Fehlverhalten hinwiesen. Er aber, der Boss eines großen Imperiums, eines Clans überhörte die Sorgen und Ratschläge. Ja, das sah ihm ähnlich, in seinem Wahn dachte er natürlich, nur er könne wissen, was richtig sei.

Einige Minuten später kam er, in sicherem Abstand von uns, traf sein tadelnder Blick jeden einzelnen. Peer und Matt hielten mit mir den Blick stand. Er sagte kein Wort, schließlich senkte Matt die Augen und kurz darauf auch Peer und ich muss gestehen, dachte nur daran in auszuziehen, daraufhin warf er mir ein lüsternes Lächeln zu.

Hin und her gerissen von Gier und Wut, blieb mir nur eines, mich aufschnaufend abwenden. Verfluchter Kerl! Diese Runde gewann er! Aber die Schlacht und den endgültigen Sieg wollte ich davontragen.

„Nur zu!“, antwortete er auf meine Gedanken, was ich mit stolz erhobenen Kopf ignorierte. Zu sehr damit beschäftigt nicht an seinen Körper zu denken, seine Hände, seine Küsse. Verdammt Sarah das gibt seinem Ego nur Ansporn! Witterte ich gleichzeitig, nur um einen Hauch seines Duftes zu erhaschen.

 

Kapitel 46

 

Bald darauf zogen wir weiter, Jäger begegneten uns in diesem Teil der Reise keine. Trotzdem wurde jede mögliche Vorsichtsmaßnahme getroffen. Städte, kleine Dörfer umgingen wir, abseits der belebten Straßen kamen wir endlich in Malaga an.

Das Boot ein reiner Fischerkahn wartete und das Beste seine Ladung, frisches kühles Blut. Ich hoffte damit die Lust zu Eleminieren und wurde bitter enttäuscht.

Das Gegenteil traf ein, mit erneuter Kraft kam die inzwischen ertragbare Gier zurück. Diesmal konnte ich noch nicht einmal eine Distanz über mehrere Meter wahren.

Eingepfercht unter Deck musste ich nur zwei Schritte oder einen Sprung wagen. Till und Matt versuchten, mich auf andere Gedanken zu bringen. So bekamen wir die Diskussion um das Trio nicht mit, erst als Nirfa schrie und den Boss für verrückt erklärte, horchten wir auf.

Eric unterrichtete uns, worum es ging, „Das Trio will nach Athen und Alischas Rückzugsort zerstören beziehungsweise einnehmen. Sie denken es wäre von Vorteil, wenn wir sie aus Rumänien verjagen wird sie eine Heimatlose sein.“

„Keine schlechte Idee, ihr Haus wird wahrscheinlich nur eine minimale Bewachung aufweisen, da sie alles auf eine Karte setzte, als sie in Granada in die Offensive ging.“

„Genau meine Worte!“, bestätigte Corvin, „Denn Alischa später aus ihrem Anwesen zu vertreiben, ist geradezu unmöglich.“

„Das kann ja alles sein, Corvin“, meinte Theodoric, „aber selbst mit einer Handvoll Wachen kann man das Gelände leicht verteidigen.“

Vater nickte, dabei lächelte er spitzbübisch, „Wir versuchen ja nicht, von außen hineinzukommen.“

„Wie?“, wollten sie alle wissen, eingeschlossen meiner Person.

„Charly! Sie brachte mich auf die Idee.“ Als ich den Namen dieses Weibes hörte bekam ich Hitzewellen vor Eifersucht.

„Da muss ich etwas weiter ausholen und ich denke wir sind nun nicht mehr an unseren Eid gebunden“, dabei sah er den Boss fragend an, der keinerlei Miene verzog.

Vater genügte die ausdruckslose Maske, „Wie ihr alle wisst befreite Corvin mich damals aus dem Haus meiner Mutter, nachdem sie mich fast umbrachte. Jedenfalls verschwieg er wie er dies vollbrachte, ein weiteres verhängnisvolles Abkommen zwischen meiner Mutter und ihm. Er verpflichtete sich zu schweigen, wie ihm die Flucht glückte, dafür ließ Mutter mich in Ruhe. Aber das war nicht alles, denn Charly half Corvin damals, sie zeigte ihm den Fluchtweg, versorgte mich mit Blut. Als Alischa vor ein paar Jahren davon erfuhr erpresste sie Corvin und Charly. Kein Wort durften sie darüber verlieren und ich weiß nicht warum, aber ich denke, sie vermutete die Beziehung zwischen Sarah und Corvin würde neu aufleben. Deshalb mussten sie so tun, als ob sie einander begehren, sollten sie sich weigern würde meine Mutter mich verfolgen. Ihr könnt euch ausmalen wie das hätte enden können.“

Sie mussten so tun?

Sie mussten so tun?

Allein dieser Gedanke beherrschte mich. Sie mussten so tun!

Als ich endlich die Tragweite der Aussage begriff, verlor ein Großteil meiner Bedenken an Boden. Es war als wäre eine Bombe in meinen Schutzwall eingeschlagen.

Doch nach einer Schrecksekunde beruhigte ich mich. Wovor sollte ich Angst haben? Schließlich hegte ich keinerlei Gefühle für Corvin, ja mit ihm schlafen wollte ich, das war auch schon alles.

Das wissende Lächeln das seine Lippen umspielte machte mich rasend vor Wut. Ich konnte direkt seine Gedanken erahnen, ach die Kleine weiß nicht was sie fühlt denn sie liebt mich und nun ist es nur eine Frage der Zeit bis sie es einsieht.

Sollte er denken was er sollte, ich für meinen Teil fand ihn noch immer arrogant und herrschsüchtig, dazu kam seine Geheimniskrämerei und wenn ich noch ein bisschen tiefer grub, fand ich bestimmt weitere negative Eigenschaften.

Vaters Enthüllung entfesselte einen Sturm, Kahlaf schimpfte lauthals, die meisten nickten dazu die einzige Möglichkeit ihren Unwillen kundzutun, wenn der Riese einmal los legte.

Matt neben mir pfiff leise vor sich hin, „Ehrlich das habe ich nicht erwartet. Vergesse meine Vorbehalte gegen eine Beziehung zwischen euch.“

„Wie bitte?“, schnellte mein Kopf zu ihm herum. Er zuckte lediglich die Schulter, auch Peer nickte, „Ja, ich muss Matt zustimmen, Corvins Verhalten stieß mich ab aber nun spricht nichts mehr dagegen.“

„Aber ihr sagtet doch, Probleme seien unvermeidlich.“, hörte ich mich flehend an? Wenn ja so war es mir in diesem Moment egal. Ich wollte, musste mir ihre Unterstützung zurückholen. „Ihr könnt doch nicht einfach eure Meinung ändern! Nein das geht nicht!“

Peer lächelte, „Nachdem wir die neuen Fakten hörten, ist es nur natürlich. Mach dir nichts draus, im Grunde liegt die Entscheidung bei euch, wir sind Zuschauer und sicherlich auch Leidtragende.“, meinte er mit schicksalhafter Miene.

„Oh ja!“, klopfte Till dem Freund auf die Schulter, „Das werden wir!“ als ob er sich darauf freute.

Sie nacheinander ansehend, schüttelte ich schließlich den Kopf, „Die Sache ist so gut wie beendet, sobald sein Blut aus meinem Körper verschwindet, wird er das schon einsehen. Ich wüsste nicht warum ihr Leid ertragen müsstet.“

Sie lachten! Sie lachten mich aus, beleidigt suchte ich mir eine Ecke in der ich über sie schimpfen konnte, ohne gleich gehört zu werden. Was meine Freunde sicherlich zu einer erneuten Diskussion anregen würde.

Hier stank es noch übler nach Fisch, der Geruch übertünchte sogar die feine Note meiner Begierde, wenn ich die Augen schloss, konnte ich sogar denken, ohne mir gleich einen bestimmten Vampir nackt vorzustellen.

So dämmerte ich vor mich hin, die letzten Stunden der Flucht noch einmal durchgehend. Die Verwandlung Muses versetzte mich in Erstaunen, die Härte, mit der sie ihre Leibwächter verbannte, ließ mich frösteln.

Ciaran der Feind nun ein Freund? Der Zweifel nagte an mir, er ein Spion in Corvins Namen? Wie konnte ein Vampir sich derart verstellen? Genau wie Livio, auf eine Art mussten sie Alischas Vorgehen huldigen.

Alischa ließ sich nicht so leicht täuschen, ihr gesamter Plan basierte auf einer geduldigen, durchdachten und intelligenten Taktik. Geirrods Worte hörte ich fast, „Unterschätze niemals einen Feind, wäge alle Fakten ab, auch wenn sie noch so lächerlich erscheinen.“, er trichterte sie mir regelrecht ein.

Deshalb konnte ich weder Ciaran noch Livio uneingeschränkt Vertrauen entgegenbringen. Dieser Frontenwechsel geschah einfach zu abrupt. Oder irrte ich mich? Zweifelte ich an meinen Überlegungen.

Das Trio! Die Geheimnisse, die Anstrengungen, die sie seit Jahren unternahmen. Wie lange nun schon? So viel ich wusste, begannen die Jäger, einige Monate, bevor mein menschliches Ich in Rumänien ankam, ihr mörderisches Werk.

Aber weitaus früher begann Alischas Plan, schon mit meiner Zeugung, wer weiß wie lange sie schon daran feilte. Blieb das Trio ahnungslos? Der gesamte Rat? Ich konnte es mir nicht vorstellen, nein besonders Corvin Sardovan blieb kaum etwas verborgen.

Genauso wenig wie Malech, kam ihre Zusammenarbeit deshalb zustande? Reisten Vater und Henry aus diesem Grunde zu allen Familien? Durchaus denkbar.

Dann Ambrosius, lebte er oder wurde sein Name nur als Schachzug genutzt? Keiner auf dem Anwesen spürte seine Präsenz, nur die paar Personen innerhalb des Busches. Konnte das sein? Konnte ein Vampir seine Aura derartig ausdehnen und zugleich verkleinern?

Nein! Unmöglich entweder man unterdrückte sie oder gab sich zu erkennen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Doch wem gehörte die übermächtige Ausstrahlung. Welch unbekannter Vampir versteckte sich dahinter? Vielleicht gar nicht unbekannt, vielleicht einer der Alten? Kahlaf zum Beispiel, sogar Muse traute ich es jetzt zu. Ein kluger Schachzug der dem Gegner mit Ehrfurcht und Angst erfüllte, so sehr das ein Verbündeter wie Inazinus die Seite wechseln wollte und damit sein Todesurteil unterschrieb.

„Was schaust du denn so brummig? Immer noch die Nachwirkungen des Blutes?“, setzte sich Henry zu mir, „Puh hier stinkt es noch penetranter.“, rümpfte mein Freund angewidert die Nase.

„Nein, ich überlege gerade wie geschickt ihr Ambrosius Namen einsetzt.“ Dabei beobachtete ich ihn genau, ein verräterisches Zucken, vielleicht ein Zögern. Verriet ihn seine Stimme? Nichts dergleichen.

Mein Freund schaute mich perplex an, „Du meinst wir spielen eine Posse mit dem Namen?“, worauf ich nickte, „Ehrlich das wäre ein gewaltiges Risiko, welches wir niemals einsetzen würden.“

„Wirklich?“, erwiderte ich enttäuscht, so ganz überzeugte er mich nicht.

„Wirklich!“, wiederholte er nachdrücklich.

„Aber wieso spürten wir ihn im Gebüsch und sonst niemand?“

„Wer weiß über welche Macht er verfügt, wenn ich mir allein sein Alter vorstelle, er muss Zehntausende Jahre auf dem Buckel haben. Stell dir das vor, ein Einzelner der Augenzeuge der gesamten Evolution war. Sicherlich lacht er über Archäologen und ihre Rätsel, ihm ist all das bekannt.“

„Dir doch auch!“

Henry schmunzelte, „Meine paar hundert Jahre sind nichts dagegen.“

„Trotzdem zweifle ich, solch ein alter Vampir nimmt seinen Platz als Herrscher ein. Wer könnte ihn aufhalten?“

„Hm da magst du recht haben, aber ich denke es kommt immer auf die Persönlichkeit an. Vlad, Livio und auch du, euch fehlt es an Machthunger.“

„Du vergisst seine Tochter!“, merkte ich an.

„Tja Alischa, wer weiß, was sie antreibt. Ob sie wirklich die Vampire als ihre Untertanen sieht und die Menschen als Sklaven, bleibt abzuwarten. Im Grunde passt diese Anschauung auf Monseigneur, dieser Emporkömmling ist geradezu zerfressen von Ehrgeiz.“

„Dann meinst du Monseigneur steckt hinter den Jägern?“

„Ach Sarah, wenn ich es nur wüsste. Genau genommen vermute ich eine Allianz zwischen Alischa und Monseigneur. Jeder kocht sein Süppchen und hofft den anderen bei Gelegenheit auszuschalten. Aber das ist nur Wunschdenken, wir haben oft genug versucht, sie gegeneinander auszuspielen ohne Erfolg. Es kann durchaus sein, das ein Anderer die Fäden in der Hand hält. Bisher blieb er unsichtbar.“

„Aber wer?“

„Ja das kann jeder sein, der über genug Mittel verfügt, selbst Corvin.“

„Das glaubst du?“, ich fragte mich nicht warum ich den Boss sofort verdächtigte ich wusste es. Jede Möglichkeit, ihn im schlechten Licht dastehen zu lassen, half mir seine Tugenden auszuschließen.

„Nein!“, empörte sich der Freund, „Es sollte ein Beispiel sein.“

„Ja, ja“, winkte ich ab, als Beispiel nahm man keineswegs seinen Freund. Ohne Rauch kein Feuer, sagte ich mir.

Henry verließ mich, zuvor schnaubte er empört, dabei bedachte er mich mit bösen Blicken.

 

Zwei Tage schipperten wir durch das Mittelmeer, ein Schneckentempo das uns wertvolle Zeit kostete. Mir ging es nicht schnell genug, obwohl mein Verlangen nachließ, musste ich mich zusammenreißen, seine unmittelbare Nähe ließ mich einfach nicht zur Ruhe kommen.

Mitten in der Nacht erstarb der Motor, die ungewöhnliche Stille dröhnte in den Ohren. Ein Mann öffnete die Luke, flüsternd forderte er uns auf, an Deck zu kommen.

Dem kamen wir leise nach, geräuschlose Schatten bevölkerten bald darauf das Deck. Vater sprach mit dem Mann, unverkennbar ein Fischer, das wettergegerbtes Gesicht verriet es.

„Die Küste ist nahe, wir sind übereingekommen das wir den Rest schwimmen. Eine Vorsichtsmaßnahme, da wir nicht wissen, wer im Hafen herumlungert.“, verkündete Vater flüsternd, „Außerdem liegen vor der Küste ungewöhnlich viele Schiffe, also verhaltet euch ruhig.“

Einer nach dem anderen hangelte sich von der Bordwand ins kalte Wasser. Nach dem Fischgeruch der letzten Tage eine willkommene Erfrischung.

Die Küste erschien mir nicht allzu weit, kein Problem sie zu erreichen. Nur von den Booten, die mit Scheinwerfern patrouillierten, ging die unmittelbare Gefahr aus.

Zuerst sondierten wir die Lage und erkannten den genauen Verlauf, der Boote, schnell fanden wir einen Schwachpunkt heraus und nutzten die Lücke, ungesehen erreichten wir die steinige Küste.

Wo waren wir, versuchte ich mich zu orientieren, während ich mich umsah. Keinerlei Lichter einer Ortschaft, nichts bot mir einen Hinweis. Neben mir Peer, „Wo …“, weiter kam ich nicht, denn mein Nebenmann setzte sich in Bewegung und bedeutete mir, ihm zu folgen.

Es ging einen Hügel hinauf, nun verstand ich, denn auf dem Kamm der Erhebung tauchten die mir fehlenden Lichter auf. Sofort schlugen wir uns in die spärliche Vegetation. Leises Geflüster von unserer führenden Gruppe, zu gern würde ich nun Mäuschen spielen. Kurz darauf entfernten sich zwei Leute, wer konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen.

So harrten wir wieder einmal aus, immer warten, langsam ging es mir auf die Nerven. Warum gingen wir nicht offen durch die Straßen? Warum stellten wir uns nicht dem Feind? Ungeduld erfasste mich.

Peer neben mir grinste, „Du kommst schon früh genug zu deinem Kampf.“ Wisperte er leise.

Konnte man mich derart leicht durchschauen?

„Wer dich kennt schon, aber ich benötige keinen Gesichtsausdruck.“

Wie? Wandte ich mich ihm direkt zu. Corvin! Wann tauschten sie die Plätze? Innerlich fluchend ignorierte ich den Herrn.

„Schade, dabei wollte ich die Zeit nutzen, um mich zu entschuldigen, natürlich ist Prya auch deine Tochter.“

Auch das überhörte ich.

„Was erwartest du? Soll ich einen Bückling machen? Auf den Knien um Vergebung betteln?“, er wartete auf eine Antwort, die nicht kam.

Schweigend tröpfelten die Sekunden dahin, daraus wurden Minuten. Seine Blicke brannten inzwischen Löcher in meinen Nacken, doch ich schaltete seine Anwesenheit aus.

Erst jetzt fiel mir auf, seine Nähe versetzte mich nicht mehr in verlangende Rage. Erleichternd seufzte ich auf.

„Schade, mir gefiel dein Verlangen besser als deine angebliche Gleichgültigkeit.“, hörte ich von der Person neben mir.

„Von wegen angeblich!“, schnauzte ich ihn an, „Wenn mir eines bewusst geworden ist Corvin Sardovan, dann das du mit zwei unterschiedlichen Maßen rechnest. Auf der einen Seite ist deine Tochter“, betonte ich Tochter, „allein dir gehört jeglicher Anspruch. Auf der anderen Seite ist die Familie dort lässt du dich von deinen Freunden beraten. Aber!“, hob ich den Zeigefinger, „letztendlich triffst du die Entscheidung, alle anderen, seien es Freunde oder Bekannte laufen nebenher, kaum der Beachtung würdig.“

„Wieder einmal suchst du nur etwas Schlechtes an meinen Charakter, so einfach ist es nicht und das ist dir durchaus bewusst. Deshalb werde ich mich nicht verteidigen. Habe ich auch nicht nötig, glaub doch was du willst!“ ließ er mich stehen. Der unterschwellige Groll in seiner Stimme, bestätigten nur meine Worte, fand ich jedenfalls.

Sollte er doch grollen und zürnen! Aber ich durchschaute den Herrn und genau das passte ihm nicht in den Kram. Lieber sah er sich als gerechtes Oberhaupt der Familie, als Führer seines Clans. Ha das perfekte Ratsmitglied und sicherlich als übermächtiger Vater der seiner Tochter auch rein gar nichts zutraute. Ja nur er allein besaß das Wissen wie Prya leben sollte! Verdammter engstirniger alter vertrottelter Greis, brannten meine Blicke sich in seinen Rücken, so hoffte ich jedenfalls.

 

Bald darauf erscholl ein Pfiff, sofort setzte sich das Trio in Bewegung, ihnen folgten Ciaran und Selina, immer zu zweit verschwanden die Herrschaften in der Dunkelheit.

Einen Augenblick dachte ich einfach abzuhauen, mein Partner blieb unsichtbar und niemand achtete auf mich. Vielleicht sollte ich wirklich? Vielleicht wollte es unser Boss?

Bevor ich mich durchdringen konnte, erschien eine Silhouette, „Wo bleibst du denn? Wir verlieren noch den Anschluss!“, sagte Peer mit einer Spur von Vorwurf im Ton.

Widerstrebend ging ich auf ihn zu, „Wo sind wir?“, fragte ich ihn.

Obwohl die Nacht dunkel war, konnte ich Peers Grinsen erkennen, „Der Fischer hat uns beinahe bis zur Haustür gebracht, Athen liegt gute zwei Stunden Fußmarsch von hier entfernt. Wir werden morgen bei Anbruch der Dunkelheit aufbrechen für heute und den morgigen Tag haben Matt und ich ein hübsches Anwesen gefunden.“

„Und der Besitzer nimmt uns natürlich herzlich auf?“, spöttelte ich.

„Es ist eine Sommerresidenz und zur Zeit verwaist.“, meinte Peer ganz selbstverständlich.

Wie bedenkenlos sie fremden Besitz für sich vereinnahmten, begriff ich nicht. In meinen bisherigen Leben verhielt ich mich stets korrekt und hielt mich an die menschlichen Gesetze, eines der eisernen Regeln die Geirrod uns Jungvampire eintrichterte.

Nun die älteren Vampire hielten sich nicht an ihre eigenen Gesetze, wieder eine Lektion die ich lernte, während wir das Haus in Besitz nahmen.

Ein einfaches Einfamilienhaus, etwas abseits der Straße gelegen, zweckmäßig eingerichtet mit Küche und Wohnraum. Im oberen Geschoss zwei Schlafzimmer und ein Bad, welches sofort von Merkur in Beschlag genommen wurde.

Jedoch kam er postwendend wieder hinaus, „Kaltes Wasser!“, schimpfte er lauthals, „Nur kaltes Wasser! Wie soll ich denn das Salz abspülen?“, wurde er immer wütender.

Fasziniert beobachtete ich ihn, der stetig ruhige, ja ausgeglichene Merkur mutierte zu einem Zornenickel. Kahlafs beruhigende Stimme drang schließlich in seinen aufgeregten Gemütszustand.

„Wir werden dir heißes Wasser besorgen mein Lieber, nur ein wenig Geduld, ja?“ Merkur nickte gnädig, indessen befahl Kahlaf gebieterisch, herauszufinden warum kein heißes Wasser lief.

Alle sprangen wie von Sinnen auf, ein wütender Merkur war ja recht interessant, aber den Wünschen eines tobenden Kahlafs, kam man besser nach. Das sagte ich mir auch und verschwand mit gewichtiger Miene nach draußen.

Aufseufzend versteckte ich mich um die Hausecke. Na toll auf die Idee kam ich nicht allein, Till, Eric und Matt sahen mich erschrocken an als ich um die Ecke sauste.

„Verhalte dich ja ruhig!“, zischte Eric leise.

Na das musste er nicht extra betonen, indessen wandte sich Matt dem kleinen Holzhäuschen zu. „Ich habe mal gesehen das die Menschen einen solchen Ort errichteten, darin befanden sich die Strom und Wasserzufuhr, vielleicht auch hier. Till lass deine Zauberkünste walten, es ist abgeschlossen.“, rüttelte er an der niedrigen Holztür.

Keine Minute später öffnete Till die Tür, „Gott sei Dank, du hattest recht, ich weiß nur nicht, was man da einschalten muss.“, kratzte er sich fragend am Hinterkopf.

„Ich hol Vlad, der kennt sich mit solchen Dingen aus.“, erbot sich Eric und lief auch schon los.

Vater löste das Problem, indem er einige Schalter betätigte, nun stellte sich meine Neugier ein, „Wieso kennst du dich mit solchen Vorrichtungen aus?“

„Neugier und ich gestehe reine Selbstsucht, in den letzten Jahren reiste ich viel und nicht immer befand sich eine unserer Unterkünfte in der Nähe. Oft genug nistete ich mich in solche Wohnungen oder Häuser ein.“

Was sollte ich dazu sagen? Vater es ist verwerflich? So etwas tat man nicht? Nein ich schwieg, besondere Situationen bedurften besondere Handlungsweisen, so beruhigte ich mein Gewissen.

Auch bei der ausgiebigen Dusche, die ich genoss, nachdem ich endlich an der Reihe war. Corvins kleinen Scherz diesbezüglich überhörte ich, als er meinte wir könnten zusammen duschen.

Den Tag verschlief ich und tankte so Kraft. Die Alten so wurde mir gesagt vergnügten sich mit Kartenspielen. Sobald der Abend dämmerte, drängte das Trio zum Aufbruch.

Diesmal benutzten wir ganz offen die Straße, eine Gruppe von Touristen die anscheinend ziellos daherspazierten. Kein Mensch beachtete uns weiter und tat er es, so verzog er sich eilig.

Je weiter der Abend Fortschritt umso leerer wurden die dicht bewohnten Straßen. So konnten wir das langsame Tempo der Menschen aufheben und schneller voranschreiten.

Wie Peer vorhersagte erreichten wir drei Stunden später Athen. Die Anführer gingen zielstrebig auf die Altstadt zu. Konnte es wirklich sein? Alischa wohnte inmitten der Altstadt?

Ja! Wie sich bald herausstellte, ein vornehmes Haus mit Säulen am Eingang sollte Alischas Domizil sein. Ein schmiedeeiserner Zaun, mit goldenen Verzierungen grenzte das Grundstück von der belebten Hauptstraße ab.

Schließlich wandte sich das Trio von dem Gebäude ab und marschierte auf einen Park zu. Wer weiß, was sie nun wieder vorhatten, schloss ich mich den Anderen an.

Im Park übernahm der Boss die Führung, bald hielt er inne und untersuchte den Boden des Gehweges. Ein unscheinbarer Deckel beanspruchte seine Aufmerksamkeit.

Ein Wink genügte und wir schirmten ihn vor neugierigen Blicken ab. Sekunden später verschwand er in dem Loch, „Okay wir sind richtig!“, hörten wir.

Peer und ich bildeten wieder das Schlusslicht und schoben den Deckel an seinem angestammten Platz zurück. Nun ging es die morsche Holzleiter in dem engen Schacht hinunter. Als ich endlich, nach unendlichen Metern festen Boden unter den Füßen spürte, war ich von in einer undurchdringlichen Nacht umhüllt.

Tastend orientierte ich mich, nur grob behauene Wand im oberen Bereich. Hockend fand ich den weiteren Verlauf. Peer der nun ebenfalls in dem engen Schacht stand trat mir versehentlich auf die Hände. „Hast du den Weg gefunden?“, fragte er, während ich ihn beschimpfte.

Was ihn keineswegs besonders störte, „Stell dich nicht so an!“, lautete sein Kommentar und zwängte sich zusätzlich dazu. „Ah da geht es weiter!“, auch überflüssig fand ich, platt gedrückt an der rohen Wand.

Er kroch vor mir in das Loch, worauf ich wieder atmen konnte. Eine Frage stellte ich mir, machte er es mit Absicht? Jedenfalls fand er Vergnügen dabei, mich zu striezen, der Verdacht keimte auf, er handle auf Befehl eines gewissen Vampires.

Kriechend und zuweilen robbend folgte ich im sicheren Abstand, einen Tritt wollte ich nun doch vermeiden. Trotzdem bekam ich einen ab, da er plötzlich stoppte, auf mein schmerzvolles Aufstöhnen folgte ein weiterer Stoß, diesmal weniger heftig, sondern warnend.

Auf das leiseste Geräusch hörend, stellte ich mir einen Hinterhalt vor. Wer weiß, wo dieser Tunnel endete. Standen dort Wachen? Ein leichtes Spiel für sie da sie jeden von uns einzeln abschlachten konnten.

Endlich kam Bewegung in Peer, diesmal hielt ich den Abstand so gering wie möglich. Etwas stimmte nicht und war auf alles gefasst, dabei nahm dieser verflixte Tunnel kein Ende, sondern ging stetig abwärts. Er wurde zuweilen so eng das ich dachte Peer bliebe stecken. Wie kam Kahlafs gewaltiger Körper durch die engen Passagen?

Nach meiner Berechnung mussten wir eigentlich längst am Haus Alischas angekommen sein. Vielleicht wählte der Boss den falschen Eingang? Immer weiter ging es hinab, mal schneller, mal verharrten wir auf der Stelle.

Inzwischen sollte es Tag sein, wie viele Stunden robbten wir nun schon durch den Tunnel? Nahm es denn kein Ende? Warum sahen sie nicht ein welch einen Fehler der Boss beging. Wäre es nicht besser, den Weg zurückzugehen, vielmehr kriechend.

Aber nein es ging stetig weiter.

Wer weiß, vielleicht ging gerade die Sonne unter. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ohne Hoffnung weiterkriechend kam tatsächlich irgendwann das Ende der Odyssee, einfach so tauchte vor meiner Nase eine helfende Hand auf, die ich sofort ergriff.

„Na das war was!“, meinte Till mich festhaltend bis er überzeugt war das ich allein auf meinen Beinen stehen konnte.

Diffuses schimmerndes Licht erlaubte es uns, Konturen zu erkennen. Eine Höhle, deren Ausmaßen ich nicht bestimmen konnte und das mitten unter Athen.

„Du irrst dich“, lautete Corvins unaufgeforderte Antwort, „Wir sind im Gebirge, genauer gesagt der Berg Parnes, über uns erstreckt sich ein Nationalpark. Ein schlauer Schachzug Alischas, denn das Innere des Berges dient und diente ihr zu bestimmten Zwecken, die sicherlich unserer Rechtsprechung zuwiderlaufen.“

„Dann gibt es bestimmt Wachen, die sollten wir schleunigst ausschalten!“, mischte sich Henry ein.

„Soviel ich weiß ist dieser Teil ungenutzt, aber Vorsicht ist besser. Peer!“, nickte Corvin meinen Partner zu.

Dieser forderte sofort Till und Matt sowie Eric und Malech auf, die Umgebung zu erkunden. Ciaran folgte den Vieren unaufgefordert.

Mit Blicken versuchte ich, Peers Aufmerksamkeit zu erhaschen, ohne Erfolg, wie ich gestehen muss. Deshalb sprach ich ihn direkt an, „Was ist mit mir?“

„Du ruhst dich aus, da du das jüngste Mitglied bist. Ich möchte deine Kräfte nicht verbrauchen oder einen erneuten Wahnsinn riskieren. Der Letzte reichte mir.“, fügte er leise schimpfend hinzu.

„Ich bin durchaus in der Lage die Umgebung zu erkunden!“, sagte ich schroff, dabei fühlte ich mich ungerecht behandelt. Was konnte ich dafür das jüngste Mitglied in dieser Bande der Alten zu sein. Er tat ja so als wäre dies ein Verbrechen. Langsam ging er mir gewaltig auf die Nerven.

Doch Peer kümmerte sich keinen deut um meinen Einwand, er rollte lediglich die Augen. „Kümmere dich um Kahlaf, frag Merkur wie!“, meinte er dann hochtrabend.

Schnaufend suchte ich nach den Beiden, die ich weiter abwärts ausmachte. Kahlaf lag mit verbissenen Gesicht auf dem Bauch, während Merkur die zerrissene Kleidung auf seinem zerschundenen Rücken klaubte.

Ich musste an mich halten, um nicht erschrocken aufzustöhnen, stattdessen fragte ich im neutralen Ton: „Was kann ich tun?“

Merkur sah auf, „Hol mir sauberes Wasser, damit ich die Wunden auswaschen kann.“

Wasser! Woher sollte ich Wasser nehmen?

Ross trat dazu, „Hier meine Wasserflasche und weiter unten gibt es einen kleinen See.“

„Danke“, nickte ich ihm zu. Woher kannte er das unterirdische Gelände? Inzwischen kniete er Merkur gegenüber und half ihm. Wie seltsam, Kahlaf wendete keinerlei Einspruch ein.

Mit der Wasserflasche bewaffnet beging ich den steilen Abstieg. Ein unterirdischer Fluss musste die Höhle ausgespült haben. Zuweilen versperrten mir mannshohe Steine den Weg, sie mussten aus harten Gestein sein, da sie den nagenden Fluten widerstanden.

Einer Eingebung folgend schaute ich zur Decke, konnten diese Findlinge herabgestürzt sein? Wenn ja, so bot die Höhle keine Sicherheit. Eine Erklärung warum sie nicht bewacht wurde.

Ein stetes Plätschern erinnerte mich an meine Aufgabe, der See musste direkt unterhalb des Steilhanges liegen. Das wenige Licht nutzend suchte ich einen geeigneten Weg hinunter.

Da fiel mir eine Bewegung auf, jemand machte sich im Wasser zu schaffen. Freund oder Feind? Duckte ich mich hinter einem der Felsen. Hinunterspähend erkannte ich eine Gestalt, sie stand regungslos da.

Eine Wache? Schon wollte ich umkehren und die anderen warnen, da kam eine weitere Person. Das lange auffällige Haar erkannte ich sofort. Selina

Sofort meldete sich mein Misstrauen. Was tat sie dort? Informierte sie den Feind? Aber nein, ihr Kichern bedeutete nur eines, sie ging einem ganz anderen Verlangen nach. Nun das ging mich nichts an, sollte sie ihre Begierden frönen, wandte ich mich schon ab. Als ich jedoch die Antwort auf ihr albernes Lachen hörte, richteten sich alle Härchen auf meinen Körper auf. Corvin!

Dieser verfluchte Bastard tröstete sich ja schnell! Was trieben sie da? Auf den Steilhang zukriechend, wollte ich wissen, was da in aller Heimlichkeit geschah.

Soviel wie ich erkennen konnte, standen sie eng umschlungen da, aber irgendwie sah es grotesk aus. Verdammt aber auch, warum herrschte hier so wenig Licht? Was für Spielchen trieben sie dort?

Neben mir spürte ich eine weitere Person herankriechen, „Was ist los?“

Innerlich gefror ich. Was zum Teufel war hier los?

Selina schaute neugierig über den Steilhang. Aber wie konnte das sein? Wer war dann das Weib da unten? Muse oder Nirfa auf keinen Fall.

„Wer ist das?“, rätselte Selina nun auch.

„Keine Ahnung aber wir werden es bald wissen!“, erhob ich mich, schließlich besaß ich eine gute Begründung hinunter zugehen, mich an der Wasserflasche festhaltend.

„Warte! Ich komme mit, das Weib, das mir den Leckerbissen abluchsen will, begutachte ich erst einmal.“

Wortlos schloss ich den Mund, das fehlte auch noch, Corvin Sardovan von zwei Weibern umworben; ich sah ihn direkt mit angeschwollener Brust daherstolzieren. Natürlich sah ich in diesen Gedankengängen keinerlei Eifersucht, meinerseits. Das wäre einfach lächerlich!

„Sag mal“, meinte Selina als wir den beschwerlichen Weg zum See hinunter einschlugen, „was sind eigentlich Corvins Vorlieben?“

Das durfte ja nicht wahr sein, blieb ich stehen. „Ich frage dich, weil ich annehme es macht dir nichts aus, schließlich hast du ihn abserviert. Was ich allerdings kaum verstehe. Er ist eine ausnehmend gute Partie, ihr ward immerhin verlobt, Sorgen um deine Zukunft hättest du dir keine machen brauchen, so wie er dich verwöhnte.“

„Mich verwöhnte?“, fragte ich ungehalten nach.

„Sicher! Allein deine Kleidung, der Schmuck und all das.“

„Alia!“, winkte ich ab, „Kennst du sie?“, Selina schüttelte den Kopf, also fuhr ich fort, „Alia ist ein wahres Modemonster, sie orderte all die Kleidung. Mir gehörte nicht ein einziges Teil persönlich, sondern dem Clan. Sowie der Schmuck, nehme ich an, ich denke der kam von der Festung.“

Nun schüttelte die Kriegerin vehement den Kopf, „Da irrst du dich! Ich weiß zufällig das der Boss persönlich deinen Schmuck bestellte.“

Lachend verneinte ich, „Da unterliegst du einen Irrtum, er hat nie das Gelände verlassen.“

Selinas Augen blitzten auf, „Nein! Du irrst dich! Als ich einen Bericht im Überwachungsraum verfasste, wurde ich Zeuge. Corvin selbst bestellte den Haarkamm, den du oft trugst.“

Ach der, erinnerte ich mich, er lag einfach bei den anderen Utensilien, ich trug ihn gern, „Modeschmuck!“, winkte ich ab.

„Von wegen, jedes Steinchen war echt!“, behauptete sie.

„Dann eben eine Geldanlage! Über eines solltest du dir bewusst sein, deine Beute ist keinesfalls selbstlos, immer trägt er einen Hintergedanken. Wie zum bespiel der Kamm, einerseits galt ich als seine Verlobte ergo musste ich entsprechend ausgestattet werden. Was besorgt man? Kostspielige Schmuckstücke, die nicht an Wert verlieren.“

„Mein Gott! Wie nüchtern du bist! Besitzt du da eigentlich irgendwo ein Herz oder Gefühle?“

Die Worte saßen, innerlich verletzt sagte ich kein Wort dazu.

Doch Selina fing erst an sich laut über meine Person zu äußern, „Dann bist du wirklich so? Ich meine damals als wir zusammen diesen lächerlichen Auftrag absolvierten, wirktest du immer kalt, reserviert naja eigentlich total gefühllos. Ich dachte es lag an mir, weil ich dich im Auftrag vom Boss im Auge behalten sollte. Jedenfalls kam ich zu dem Schluss, das du dahinter gekommen bist und dich deshalb mir gegenüber so verhieltest. Aber das war ein Irrtum, nicht wahr?“

Was sollte ich darauf sagen? Sie irrte sich? Sollte ich mich verteidigen, ihr gestehen wie sehr mich ihre Worte trafen? Nein! Sie kannte mich eben nicht! Wozu sollte ich mich verteidigen? „Wie du meinst!“

Kapitel 47

Inzwischen gelangten wir an den See. Keine fünf Meter entfernt standen sie, Corvin und die Unbekannte, die sich als Charly entpuppte.

Was tat sie hier? Und fragte auch schon laut.

„Du überschreitest deine Grenzen, Krieger!“, wurde ich gemaßregelt, „Was willst du hier?“, fragte Corvin streng nach.

„Merkur bat mich, für Kahlafs Wunden Wasser zu holen.“, informierte ich den Boss kalt. „Ich hoffe er überschritt mit seiner Bitte nicht seine Kompetenzen.“, musste ich hinzufügen.

„Dann sieh zu das du den Auftrag erledigst!“, erwiderte er schroff, seine Augenbrauen stachen steil vor. Na und sagte ich mir, wenn er sich in seiner Privatsphäre gestört fühlte, dann sollte er seine amourösen Abenteuer auch abseits verbringen!

Demonstrativ an Ort und Stelle, füllte ich in aller Seelenruhe die Wasserflasche, dabei sah ich zu den drei Vampiren hoch. Selina und Charly sondierten sich, wer von den Zweien den Sieg davontrug, konnte ich nicht einschätzen. Auf jeden Fall tat mir diejenige jetzt schon Leid, niemals ließ sich der Clanführer einfangen, er bestimmte wer und wann sein Lager teilte.

Im Augenblick sah es so aus als würde keine der Damen einen Sieg davontragen, denn der Boss ließ sie stehen, er stürmte geradezu vor Wut schäumend davon.

Die Masken der holden Weiblichkeit fielen mit jedem Meter den Corvin sich entfernte, als kein Schritt von ihm mehr zu hören war, standen sich die beiden Rivalinen offen feindlich gegenüber.

„Was willst du Speichelleckerin von Alischa hier? Spionieren!“, setzte Selina zum ersten Schlagabtausch an.

Charly spöttisches Lachen folgte, „Was für ein Geheul, du kleine Hure Ciarans!“, dann wandte sie sich mir zu, „Und willst du nicht auch ein paar abfällige Bemerkungen loswerden? Schließlich buhlen wir alle um die gleiche Beute.“

Mit der gefüllten Wasserflasche erhob ich mich, „Nur fürs Protokoll, mit eurer Jagd habe ich nichts zu schaffen.“, damit sollte mein Standpunkt ja festliegen, so dachte ich.

Falsch! Wie es sich sofort herausstellte, denn Charly kam provozierend auf mich zu, „Meinst du, eine Verlobung hält ihn auf?“ Zeigte sie mir ihr ebenmäßiges Gebiss. „Er gehört zu jenen Männern die sich holen, was sie begehren, so sicher ist dein Platz an seiner Seite nicht.“

„Danke!“, rief ich begeistert aus, „Endlich jemand mit Verstand, ich stimme dir vollkommen zu, deshalb habe ich die Verlobung gelöst. Ihr könnt ihn haben, viel Vergnügen mit ihm.“

Charly einen Augenblick unsicher blickte Selina fragend an, diese bestätigte unsere Trennung. „Du gibst ihn auf? Freiwillig? Warum?“, fragte sie biestig nach. „Ha ich verstehe, du bist abgefeimter als ich dir zutraute. Du lässt ihn schmoren und denkst er kommt zurück. Das wird er nicht, denn sobald ich ihn habe, wird er jedes andere Weibsbild vergessen!“

„Ja träum schön weiter!“, mischte sich Selina ein, „Was willst du ihm denn bieten? Auf Schmeicheleien fällt Corvin nicht rein!“

„Und auf harte Kriegermuskeln erst recht nicht!“, bohrten sich ihre Blicke aneinander fest.

Sollten sie! Mir war es gleich, dabei erinnerte ich mich meines Auftrages und wollte mich abwenden. Lag es an der Bewegung? Ein Knirschen unter meinen Sohlen? Jedenfalls stand ich mit einem Male im Fokus der Beiden. Sie fixierten mich regelrecht.

„Wie konntest ausgerechnet du ihn dir schnappen?“, fragte Selina entrüstet nach, während Charly ganz ihrer Meinung nickte.

„Wer weiß, vielleicht liegt es an meinen unwiderstehlichen Charme!“, frotzelte ich, die waren ja nicht ganz dicht die Beiden. Mit diesen Worten verabschiedete ich mich ihnen zunickend.

 

Als ich die Steilkante erreichte, traten Till, Matt und Eric hinter einem der Findlinge vor. „Wie kannst du nur?“, fragte Till im tadelnden Ton.

„Was?“

„Na einfach aufgeben! So etwas Ungehöriges macht kein Krieger!“, klärte er mich auf. Seine Begleiter stimmten ihm einhellig zu.

„Ach! Ihr meint die Hündinen dort unten? Nein sollen sie sich ihre Pfoten wund laufen, damit habe ich nichts zu schaffen.“ Ging ich weiter.

So leicht entkam ich ihnen nicht, „Das bedeutet also, du bist raus“, liefen sie hinter mir her.

„Genau!“, bekräftigte ich, ein leises Stimmchen sagte mir es ging wieder einmal um eine Wette. Meine Vermutung bestätigte sich sofort.

„Na gut! Dann müssen wir den Pott anders verteilen, Henry wird verdammt sauer sein.“

„Was meinst du, wer den Sieg erringt?“, wollte Eric wissen.

„Keine! Denn wer auch immer meint, zu gewinnen, wird doch nur bitter enttäuscht. Ihr solltet auf keine der Beiden eine Wette eingehen, es ist schon traurig genug, das sie sich überhaupt irgendeine Hoffnung machen.“

Einen Moment starrten sie mich verständnislos an, dann lachten sie, „Sie wollen unseren attraktiven Corvin auf die Matratze holen und keinen Lebensbund schließen, Sarah.“

„Wenn ihr meint“, zuckte ich äußerst gelangweilt die Achseln. Stimmte es wirklich? Nein ich glaubte kaum, sie wollten sich ein Nest bauen.

Merkur riss mir die Flasche mit einem zornigen Blick aus der Hand, „Da ist ja eine Oma schneller. Seit wann trödelst du?“

Ross antwortete, „Sarah musste gerade feststellen, ihr Ex besitzt auch Chancen bei anderen, sei ein bisschen nachsichtiger.“, schmunzelte er. Was von Merkur erwidert wurde, „Ah will sich der Herr seine Wunden lecken lassen, die du ihm zufügtest, Sarah?“

„Habt ihr keine anderen Probleme?“, deutete ich auf Kahlafs Rücken, der von tiefen Schürfwunden überzogen war. „Er muss unbedingt Nahrung zu sich nehmen.“, folgerte ich.

„Sarah ich bin zwar verletzt, aber hören kann ich dich immer noch.“

„Entschuldige“, meinte ich zerknirscht, wie oft schimpfte ich, wenn man über meinen Kopf hinweg über mich sprach und nun tat ich selbst. „Das wollte ich nicht“, fügte ich hinzu, „Kann ich etwas für dich tun?“, sprach mein schlechtes Gewissen.

„Ja“, sagte Kahlaf leise, „Gib mir doch mal deinen Arm.“

Was ich sofort tat, als ich die mächtigen Reißzähne sah, starrte ich fasziniert darauf. Kahlafs Mund befand sich nun unmittelbar vor meinen Arm.

Er zögerte, „Wie keine Angst? Ich könnte dich auf der Stelle töten.“ Merkur und Ross hielten in ihrer Arbeit inne, gespannt harrten sie aus.

„Wenn es so ist“, versuchte ich ruhig zu bleiben, „Dann ist es so! Ich bin entbehrlich, du nicht!“

„So! Wie kommst du auf diese absurde Idee?“, wollte er eher amüsiert wissen.

„Geirrod lehrte es uns. Wir Jungvampire sind nichts, sobald wir die Grenze zu Einhundert Jahren überschreiten besitzen wir vielleicht ein kleines Anrecht auf Leben. Solange ist es unsere Pflicht einen Alten unser Leben darzubieten.“, rasselte ich das Erlernte herunter.

Merkur schaute mich neugierig an, „Interessant und würdest du danach handeln?“

„Ja!“, lautete meine knappe Antwort. „Willst du nun Nahrung oder nicht?“, stupste ich Kahlaf an, dabei riss meine Haut an seinen scharfen Zähnen auf, ein Tröpfchen Blut trat hervor.

Kahlafs Augen wurden tiefschwarz und ich wurde von den Beinen gerissen. Als ich mich auf dem nackten Felsboden wiederfand sah ich auch, wer mich umwarf. Corvin, der knurrend zwischen mir und Kahlaf hockte.

„Was soll denn das?“, rappelte ich mich hoch.

Ross und Merkur waren ebenfalls aufgesprungen, sie verteidigten ihren liegenden Freund, der noch immer so dalag wie zuvor. „Leute!Leute! Immer mit der Ruhe!“, sagte er völlig entspannt, „Wir wollen uns doch nicht gegenseitig umbringen, spart eure Kräfte für den Feind.“

Niemand rührte sich, ich schon gar nicht, denn die Aura die von den drei lauernden Vampiren ausging, hielt mich auf eine Art von kranker, neugieriger Faszination gefangen.

„Merkur! Ross!“, sagte Kahlaf nun schärfer, sie entspannten sich blieben jedoch wachsam.

„Corvin, mein Junge“, forderte Kahlaf schmeichelnd, auch er gab nach, „Na da wir uns alle beruhigt haben, erkläre uns dein Verhalten, Corvin.“

„Du … du …“, lispelte der Boss, da ich nur seinen Rücken sah, erstaunte es mich schon das er die Drei ernsthaft angreifen wollte. Warum fragte ich mich unwillkürlich.

„Warum?“, schleuderte er mir das Wort entgegen, er drehte sich so schnell, ich fand noch nicht einmal die Zeit zurückzuweichen. „Warum wohl du einfältiges Frauenzimmer!“, dabei versprühte er seine Spucke in alle Himmelsrichtungen, hauptsächlich in mein Gesicht.

Einen Schritt zurücktretend wischte ich mir mit dem Ärmel das Gesicht ab. „Ja warum?“, fragte ich ruhig nach, auf die Beleidigung ging ich nicht näher ein, merkte sie mir wohlweislich.

„Typisch für dich!“, meinte mein Gegenüber verächtlich, „Du kannst mir ruhig sagen, wenn dir etwas nicht passt. Außerdem habe ich recht, du bietest dich Kahlaf als Nahrung an? Ja glaubst du denn ich lasse dies zu?“

„Da du ja so genau Bescheid weißt, kennst du die Antwort. Außerdem ist es allein meine Sache, wem ich mein Blut anbiete!“, reckte ich mich auf.

„Darin irrst du, denn immerhin bin ich dein Boss und nur ich allein entscheide über dich.“

„Davon träumst du ja wohl! Denn ich unterstehe nur Vlad und erst in zweiter Linie dir. Außerdem kann ich mich noch immer einem anderen Clan anschließen. Da kannst du rein gar nichts machen!“, fauchte ich ihn an.

Er lächelte, „So wohin willst du denn? Vielleicht zu Pierre, in das noch warme Ehebett.“, verhöhnte er mich.

„Wer weiß, mir stehen ja alle Möglichkeiten offen!“, konterte ich bissig.

„Das wirst du nicht!“, und fasste mich gleichzeitig am Arm, seine nächsten Worte blieben ungesagt, denn Vater kam im Laufschritt näher. Sofort beendeten wir unseren Disput, was Kahlaf dröhnend auflachen ließ, „Na wenigstens seid ihr in einem Punkt einer Meinung!“

„Was ist los?“, fragte Vater sofort als er näherkam, seine Blicke huschten misstrauisch über Corvin und mich hinweg. Seine Frage richtete er an den vergnügt lachenden Kahlaf.

Dieser antwortete mit einem Schulterzucken, Merkur nahm sofort den schmerzvollen Zug um Kahlafs Mund wahr. „Da habt ihr es!“, schimpfte der Blonde, „Haut ja ab und lasst euch erst wieder sehen bis Kahlafs Wunden geheilt sind.“

Räuspernd meinte der Boss, „Die Zeit wird er kaum haben. Wir gehen weiter, das Haus ist wie vermutet kaum bewacht.“

„Gut!“, nickte Merkur, „Dann benötigt ihr unsere Hilfe nicht!“, und wandte dem Boss den Rücken zu, als wäre alles beschlossene Sache. Merkur rechnete weder mit seinem Freund noch mit Corvin, die beide protestierten.

Doch unbeirrt hob der Sture den Zeigefinger, „Du wirst nirgendwo hingehen, solange keine Nahrung zur Hand ist oder deine Wunden geschlossen!“ mit zornesblitzenden Augen fügte sich Kahlaf.

Was ich belustigt registrierte, der Boss hingegen wagte einen weiteren Einwand, „Alischa besitzt bestimmt einen ausreichenden Vorrat an Nahrung, deine Sorge ist völlig unbegründet. Außerdem trugen wir alle Abschürfungen davon und keiner wird behandelt wie ein Baby!“

Mit einer katzenhaften Bewegung sprang Merkur den Boss an, „Du wagst es, an meinem Urteil zu zweifeln?“, saß er auf Corvins Brust, der sich geschlagen gab. Auch Vater zeigte keinerlei Reaktion wie sonst alle anderen auch nicht. Ross hielt mich mit einer sanften Berührung zurück.

„In gewissen Maß, ja!“, antwortete der Boss ganz Herr der Lage, obwohl er auf dem Rücken liegend die schwächere Position innehatte.

„Begreifst du denn nicht, er ist verletzt!“, nun hörte sich Merkur verzweifelnd an, jämmerlich wagte ich keineswegs, laut zu denken.

„Sicher Merkur“, der Boss sprach mit ihm wie zu einem kleinen Kind. "Dein Freund ist ein starker Vampir, er wird es überleben und sobald wir die Blutvorräte unser eigen nennen, bekommt Kahlaf als Erster seine Ration.“

„Versprochen?“, hinterfragte Merkur, worauf der Boss ernsthaft nickte, „Na dann“, erhob er sich und reichte Corvin helfend die Hand.

Ich glaubte kaum was ich gerade erlebte, Merkur drehte vollkommen durch, wenn Kahlaf sich verletzte. Steckte dahinter eine tiefere Bedeutung? Anscheinend ja, denn so wie sich alle verhielten, musste es nicht erste Vorfall dieser Art gewesen sein.

 

Als wäre nicht das Geringste geschehen machten wir uns auf, die Höhle entpuppte sich größer als ich anfangs dachte. Eine viertel Stunde marschierten wir durch unwegsames Gelände, dabei mussten wir aufpassen, das kleinste Geräusch konnte uns verraten.

Endlich gelangten wir in eine Art Keller, hier lagen Vorräte. Wofür benötigte Alischa Lebensmittel? Die Frage beantwortete sich bald selbst, als wir auf den ersten Jäger trafen. Erschrocken wollte er einen Warnruf ausstoßen, er kam nie dazu.

Matt tauchte hinter ihm auf und packte ihn an die Kehle. Voller Entsetzen starrte der Jäger uns an, vielmehr Merkur der Kahlaf am Arm festhaltend auf den Jäger zuhielt, es sah grotesk aus wie der zierliche Merkur den Riesen zerrte.

Was dann geschah, brachte meine bisherige Welt ins Schwanken. Merkur forderte den Jäger für Kahlaf, auf einen Wink Corvins ließ Matt den Mann frei.

Ich sah die Erleichterung in den Augen des Jägers, er irrte sich wie auch ich mich täuschte. Merkur packte ihn mit zurückgebogenen Kopf und Kahlaf ließ sich nicht lange bitten, er riss dem Manne die Kehle auf und trank sich satt.

Meine Zeit verlangsamte sich, ich sah meine Freunde und Begleiter, die gierig das Geschehen verfolgten, mit schwarzen Augen und ausgefahrenen Zähnen schauten sie zu.

Jeder auf seine Weise, Ciaran zum Beispiel biss sich heftig auf die Kiefer, sein Gesicht wirkte verkrampft, Nirfa sank auf die Knie und hielt sich selbst umschlungen.

Muse stierte voller Verlangen auf den Jäger, dabei krallte sie sich an Vaters Arm fest, der mit dunklen Augen dem Schauspiel folgte.

Ross wandte der Situation den Rücken zu, Eric, Till und Corvin sahen fast gelangweilt zu, während Theodoric mit Charly kämpfte.

Langsam tröpfelte ein Duft; der himmlisch verführend in meine Nase stieg. Nahrung, verhieß er. Lockende verheißende Quelle der Versuchung.

Peer erschien in mein Blickfeld, mit einem leichten Kopfschütteln warnte er mich. Wovor? Bewegte ich mich? Ja, wurde mir bewusst, sowie auch auf meine Eckzähne, die gegen meine Lippen drückten.

Erschüttert zuckte ich zusammen, meine Umgebung wahrnehmend, der Jäger lag bereits tot auf dem Boden, Kahlaf klopfte seinem Freund dankbar auf die Schulter. Der Boss gab Anweisung den Toten zu verscharren. Nirfa stand inzwischen und Charly und Theodoric rangelten nicht mehr miteinander.

Angstvoll fragte ich mich, was mit mir geschehen war, Peer der meine Not sah, erklärte, „Eine ganz normale Reaktion, Sarah. Du kennst es nicht, wenn das Jagdfieber uns packt, wir sehen dann alles langsamer, so können wir die Lage sondieren uns ein Opfer aussuchen und zuschlagen.“

Mit seiner emotionslosen Erklärung brachte er mich wieder zurück in die Realität, „Er tötete einen Jäger, Peer. Müssen wir Kahlaf denn nicht ausliefern?“ sprang mich der Gedanke an, den ich unüberlegt aussprach.

Peer grinste kalt, „Wo es keine Ankläger gibt, gibt es auch keine Klage, so einfach ist das. Vergesse es einfach.“, riet er mir.

So einfach ist das? Ich konnte den Anblick nicht vergessen, zu tief wühlte er mich auf. War es Entsetzen, Abscheu? Nein, sondern der pure Neid nicht an Kahlafs Stelle zu sein, meinen Hunger nicht stillen zu können.

Warum er? Schrie meine Gier innerlich auf. Warum gerade er? Was sollte der alte Vampir mit Blut, wir Nachkommen bedeuteten die Zukunft, die Alten waren Relikte, längst verstaubt, ja sie sollten zu Staub verfallen!

„Sarah!“, wurde ich grob geschüttelt, „Gib dich nicht derartigen Gedanken hin, sie vergiften deine Seele. Oder willst du wie Alischa werden, indem Irrglauben etwas Besseres zu sein?“

Der Name Alischa ernüchterte mich augenblicklich. So wollte ich niemals werden. Mit zusammengepressten Zähnen dankte ich Corvin und war das erste Mal froh, das er meine Gedanken hörte.

„Das werde ich mir merken!“, grinste er süffisant.

Sofort verflog meine Dankbarkeit und die Wut hielt wieder Einzug. Konnte er denn niemals aufhören mich zu striezen?

„Kaum“, erhielt ich unaufgefordert Antwort, „Deine Gedanken reizen mich immerzu etwas zu entgegnen, es ist eine Sucht. Eine angenehme befriedigende Sucht, möchte ich anmerken. Denn dein wütendes Gesicht ist meine Belohnung. Außerdem beschäftigst du dich dann mit mir, auch das gefällt mir. Obwohl du nur negative Eigenschaften herauspickst. Aber ich bin auch mit dem zufrieden.“, vertiefte sich sein Grinsen.

Da ich darauf nichts zu sagen wusste, wandte ich mich einfach um. Wie sollte man auch einen derartig verbohrten Charakter mit Vernunft beikommen?

Sein lautes Lachen hallte im Keller wieder, Vater strafte den Boss mit einem bösen Blick, was der Freund mit einem nichtssagenden Schulterzucken quittierte.

„Wir sollten weitergehen!“, drängte Henry, was wir auch kurz darauf taten.

Nachdem wir den Kellerraum hinter uns ließen kamen wir in ein Treppenhaus. Erstaunt registrierte ich weitere Türen. Wohin führen die, fragte ich mich, dabei sah ich, wie Peer den Eingang markierte, aus dem wir gerade traten. Auf meinen fragenden Blick meinte er, „Für mich sieht das alles gleich aus. Falls wir fliehen müssen will ich in keiner Sackgasse enden.“

„Aber der Boss und Charly kennen den Weg.“, entgegnete ich.

„Sicher, aber können wir auch davon ausgehen das sie uns den Weg weisen? Wir gehen einer unbekannten Gefahr entgegen, wer von uns zurückkommt, weiß ich nicht.“

Seine Worte hinterließen einen kalten Schauer, der mich so schnell nicht verließ. Mit beklemmenden Gefühl folgte ich den vorangehenden Vampiren und diesmal umfasste ich mein Schwert fester auf alles gefasst. Wild entschlossen wenigstens meinen Vater zu schützen, deshalb mogelte ich mich auch an die Anderen vorbei und landete bei Livio, der direkt hinter unseren Vater ging.

Er schaute mich verdutzt an, mein Blick heftete sich kurz auf Vlads Rücken, er verstand und ein verstehendes Lächeln huschte über seine Züge. Eine Premiere, wir verfolgten das erste Mal ein gemeinsames Ziel.

An dem nächsten Treppenabsatz gingen wir achtlos vorüber, Charly erklärte kurz da sei nur altes Gerümpel untergebracht. Hinter mir bemerkte ich Matt und Till, die schnell in die Räume schauten und kurz darauf zu uns aufschlossen. Peer nutzte die Gelegenheit und tippte mir auf die Schulter, ich deutete lediglich auf Vater, was er mit einem Nicken akzeptierte.

Nun ging Charly vorsichtiger, man musste uns nicht erst die Lage erklären. Das Treppenhaus endete mit einer Tür, diese wurde geräuschlos geöffnet.

Wir schlichen hinein, rechts und links an den Wänden flankiert, bis alle den Raum betraten. Hier zeigte sich eine karge Ausstattung, ein Wachraum schätzte ich. Rechts und links entlang der Wände standen jeweils vier Etagenbetten. In der Mitte ein Tisch mit acht Stühlen, die auf einem abgetretenen Teppich standen.

Charly durchschritt den Raum eilig und horchte an der gegenüberliegenden Tür. Sie winkte uns heran, doch zuerst vergewisserte sich der Boss, was weder Eric noch Matt passte. Sie wollten Corvin zurückhalten, doch dieser uneinsichtig wie immer wehrte sie mit einer Handbewegung ab. Was Eric und Matt keineswegs abhielt, ihm zu folgen. Diese kleine Auseinandersetzung geschah, ohne ein Geräusch zu verursachen, allein Blicke und sparsame Gesten genügten.

In mir wuchs die Anspannung, denn wir mussten bereits im Haus sein, oder sollten es jetzt erreichen, der Wachraum bestätigte meine Vermutung.

Richtig denn wir betraten nun keinen Raum, sondern einen Flur, welch ein Unterschied zu den zweckdienlich eingerichteten Wachraum. Der Gang indem wir uns nun befanden, war mit roten Fliesen bestückt, Wände und Boden bestanden aus dem gleichen Material.

Auf Zehenspitzen ging es weiter, auch hier gab es Türen, jede wurde geöffnet, doch hinter keiner wartete eine Gefahr. Nachdem wir mehrmals abbogen und ich mich fragte wie groß dieser fensterlose Irrgarten sei, kamen wir zu einer weiteren Treppe.

Von oben hörten wir eindeutig Schritte, jemand wanderte gemächlich hin und her, er ahnte wahrscheinlich nichts von der Bedrohung unter ihm.

Diesmal ließ Corvin Eric und Matt vorgehen, nicht ein Geräusch gelang an mein Ohr, nur die wandernden Schritte hörten bald auf. Ein weiterer Gang tat sich vor uns auf. Wie viele denn noch?

Till blieb zurück und imitierte die Schritte, wieder Stufen hinauf, wieder Schritte, diesmal von zwei Personen. Eric und Matt verrichteten ihre Arbeit und schon ging es weiter, eine weitere Etage hinauf.

Till schloss sich uns an, inzwischen gehörte ich wieder zum Schlusslicht, Vater wies Peer an mich nach hinten zu bringen als er mich entdeckte.

Was sich vor uns abspielte, bekam ich deshalb nicht genau mit. Es hieß warten und weiter in die Höhe, die Stufen waren nun mit Teppich ausgelegt, die Wände mit Bildern, hauptsächlich starrte mich Alischa an.

Welch eine Eitelkeit, Alischa in wallenden Gewändern, Alischa fast nackt, Alischa in Kriegsmontur, Alischa, Alischa und nochmals Alischa! Ich musste an mich halten um die unzähligen Bilder nicht herunterzureißen.

„Da wird man ja verrückt!“, spie Peer auf eines der Bilder, „Das Weib leidet eindeutig unter Größenwahn, wird Zeit das wir sie aufhalten.“, er sprach mir aus der Seele.

„Das werden wir! Und mit ihrem Mausoleum fangen wir an!“, sagte Ciaran sich umsehend, „Doch zuerst sollten wir die verräterischen Frauenzimmer finden. Sicherlich sind sie oben im Salon und lassen es sich gut gehen. Ich kenne Namine sie liebt den Luxus. Wie sieht es mit dieser Dana aus?“, stellte er die Frage Peer.

Der hob die Schultern, „Sie tat immer sehr Bescheiden.“

„Ja!“, nickte Ciaran, „Obwohl wir die Gedanken der Menschen kennen, gelingt es uns selten, den Feind in den eigenen Reihen zu entlarven.“

Das hörte sich nach einer schmerzvollen Erfahrung an, „Ist dir das geschehen? Bist du deshalb in Corvins Lager gewechselt?“

„Sehr scharfsinnig!“, sah er mich verblüfft an, „Du besitzt den wachen Verstand deines Vaters. Dein loses Mundwerk allerdings erinnert mich an sie!“, deutete er hinter sich auf eines der Bilder zeigend.

„Das ist nicht wahr! Ich habe keinerlei Ähnlichkeit mit ihr!“, wehrte ich mich vehement.

"Geht es vielleicht noch lauter? Oder wolltet ihr lediglich unser Kommen ankündigen?“, wollte Eric wissen.

„Wenn ich mich richtig erinnere, liegt der Salon drei Stockwerke höher, wer sollte uns schon hören?“ fragte Ciaran arrogant.

Von einem Leibwächter ließ es sich also nicht maßregeln, stellte ich ernüchternd fest. Die wenige Sympathie, die ich inzwischen aufbrachte, verschwand. Wer so mit einem Krieger umging, verdiente sie nicht, wer weiß wie er das einfache Volk unserer Spezies behandelte.

Dabei dachte ich an Malech, seine Leute lebten unter den schwersten Entbehrungen, wieso er sich dem Boss anschloss, konnte ich nachempfinden. Was trieb Ciaran an?

Jedenfalls musste er eine Enttäuschung erlebt haben, die ihn umdenken ließ. Welche blieb mir verborgen. Noch!

Immerhin behielt Ciaran recht, wir mussten nochmals zwei Etagen hinter uns bringen und mit jeder änderte sich das Aussehen, jedes Stockwerk bestach durch eine andere Farbe. Zudem wurden die Rahmen prachtvoller, die Teppiche dicker, das spärliche Mobiliar kostbarer. Eines blieb gleich aus jedem Rahmen sah uns Alischa entgegen.

Nun hockten wir auf den Stufen, über uns gab es keinerlei Geräusch. Sollte Alischa wirklich das Haus mit dem geringen Schutz zurückgelassen habe? Das grenzte schon an Größenwahnsinn, was die Bilder ja bestätigten.

Während wir horchten, klingelte es auf einmal Sturm, nicht genug damit wurde auch noch resolut an die Eingangstür geklopft. Eine Tür öffnete sich knarrend.

„Faules Miststück!“ hörte ich eine Frau. „Erst vergreift sie sich an die Jäger und dann soll ich auch noch die Bedienstete spielen.“, schritt sie eilig voran, „Ja, ja ich komme ja schon!“, schimpfte sie.

Anscheinend öffnete sie die Tür, „Na das ist eine Überraschung!“, sie klang erfreut, „Kommt tretet ein, deine Mutter findest du dort! Wir sollten das Familientreffen keineswegs stören, junger Mann. Wie wäre es mit einer Erfrischung?“, während sich die Frau unterhielt, entfernten sich Schritte.

„Nein danke, ich diesem Hause würde ich keinen Schluck hinunterbekommen!“

Michelé! Wie? Wo? Woher kam er, dachte ich erleichtert. Er lebte, entkam Alischas Häscher.

Und wer war die andere Person? Konnte es Pierre sein? Ich hoffte es, nein glaubte fest daran.

„Ganz wie du willst. Wie seid ihr darauf gekommen das sich Namine hier befindet?“, bestätigte die Frau meine Vermutung.

Michelé lachte verächtlich auf, „Nachdem wir eins und eins zusammenzählten, fügte sich alles zusammen. Ich darf annehmen du bist Dana, das verräterische Frauenzimmer?“

„Ganz recht, Michelé! Dann geben wir also die Höflichkeit auf, nun denn ergib dich und folge mir brav hinunter. Dort gibt es eine schöne Zelle für dich.“, sagte sie freundlich.

„Nur über meine Leiche“, antwortete er verächtlich.

„Wie du willst! Die Wachen werden dich …“, Kampfgeräusche unterbrachen Danas Rede. Corvin deutete uns, uns ruhig zu verhalten. „…was?“, meinte die Frau, sie und Michelé liefen los.

„Jetzt!“, erhob sich der Boss.

Ich stürmte voran, von Angst um meine Freunde getrieben, von Neugier auf Dana die meinen Tod plante. Viel erfuhr ich von der Frau nun sollte ich ihr gleich gegenüberstehen. Mein Wunsch sie zu töten, wie sie mich umbringen wollte, blieb zunächst im Hintergrund. Ich wollte aus ihrem Mund das Warum hören.

Wir drängelten uns durch den schmalen Durchgang und landeten sofort in einem erbitterten Kampf. Hier versammelten sich also die Vampire, Wachen die halb angezogen auf Michelé und Pierre einhackten.

Sie verteidigten sich mit dem, was ihnen in die Hände fiel. Vasen, Teller, Stühle, Tische flogen gegen ihre Gegner. Namine schrie lauthals sich die Haare raufend, Dana feuerte die Wachen an.

Als Namine, die Ratsmitglieder ansichtig wurde, brach sie jammernd zusammen. Dana hingegen nahm selbst ein Schwert in die Hand, sie schubste die zurückweichenden Wachen nach vorn. „Los ihr Feiglinge!“, schwang sie ihr Schwert, „Auf den Sardovanbastard ist der hin fliehen die andern wie kopflose Hühner!“

In ihren Augen stand der blanke unversöhnliche Hass gegen unseren Boss. „Na los Dana, komm und hol mich!“, stichelte Corvin die Frau auch noch an.

Aber diese hielt sich im Hintergrund, die Wachen vorschickend. „Feige wie eh und je!“, mokierte sich unser Boss, dabei griff er den nächststehenden Gegner an.

Ein Startschuss für uns alle, auf dem engen Raum mussten wir aufpassen uns nicht gegenseitig zu verletzen. Besonders in Kahlafs Reichweite und die war wirklich groß, bedeutete mit dem Tod zu spielen. Bei seinen gewaltigen Hieben zersplitterte sein Schwert alles auf seinem Weg, seien es Knochen oder Möbel.

Wie Merkur ungeschoren davonkam, blieb mir ein Rätsel, da er an der Seite seines Schützlings blieb. Ich selbst, bekam es mit einem grobschlächtigen Kerl zu tun. Er bewegte sich langsam aber mit enormer Kraft. Wahrscheinlich suchte er mich aus, weil ich in seinen Augen ein leichtes Ziel darstellte. Ich belehrte ihn eines Besseren.

Mit einem Male stand ich Dana gegenüber, die vorerst fünfzehn Gegner schrumpften in sich zusammen. Sie griff mich mit einem verzweifelten Sprung an. Dachte sie ich tötete sie? Da irrte sie sich, denn ich sprang zur Seite.

Schneller als ich erwartete schlug sie wieder zu, ein hinterlistig geführter Hieb gegen die Beine, den ich im letzten Moment ausweichen konnte. Ihr Schwert streifte mich nur, dafür erhielt sie einen Schlag in den Rücken mit der breiten Seite meines Schwertes.

Nach Luft röchelnd erhob sie sich langsam, die Arme weit von sich gestreckt. Einmal täuschte sie mich, einen Fehler, den ich bei einem Feind kein zweites Mal beging. Richtig ein Kurzes zucken in ihrer Miene verriet sie, mit einer Drehung ihres Körpers versuchte sie, mir den Kopf abzuschlagen.

Aus den Augenwinkel nahm ich Michelé wahr, die Bestie in mir schrie auf und übernahm die Führung. Es geschah einfach ohne Vorwarnung, seit Monaten dachte ich, sie sei fort und nun wirbelte ich nach Blut und Vergeltung dürstend durch den engen Raum. Jeder der sich mir in den Weg stellte, lehrte seine Lektion.

Dann auf einmal überkam mich Ruhe, die Bestie verschwand in irgendwelche Tiefen. Wo sie, wie ich nun wusste, lauerte. Peer hielt mich fragend anschauend am Arm fest, „Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte er besorgt nach.

Mich orientierend nickte ich, „Michelé?“, sah ich mich um und erinnerte mich, er wurde hinterrücks von Namine angegriffen in diesem Augenblick übernahm die Bestie die Führung.

„Er ist in Ordnung, dank dir.“, meinte Peer zögernd, in seinem Benehmen lag etwas Unbekanntes. War es Mitleid, Sorge oder Respekt? Vielleicht von jedem etwas. Da ich seinen Ausdruck nicht mehr sehen wollte, wandte ich mich Till zu, der eine starkblutende Wunde an der Stirn hatte.

„Lass mich mal sehen“, riss ich ein Stück Stoff entzwei das einmal einen Tisch zierte. Till zuckte zurück, „Stell dich nicht so an!“, nahm ich seine Hand herunter.

„Da hat dir jemand eine tiefe Wunde verpasst!“, stellte ich nüchtern fest, „ein bisschen Nahrung und dann wird’s schon wieder.“

Er lachte nüchtern auf, „Jemand ist gut!“, nahm er mir das Tuch aus der Hand, „Das nächste Mal mein Schatz, verwechselst du mich nicht mit einer reifen Melone.“

„Ich?“, fragte ich schockiert nach.

„Klar du! Oder wer ist wie ein Berserker quer durch den Raum? Michelé kam mit Namine ganz gut allein zurecht.“

„Ja? Das sah ich aber anders!“, verteidigte ich mich, dabei schaute ich zu der Stelle an dem Namine den Franzosen anging. Dort hockte Pierre den verrenkten toten Körper seiner Mutter an die Brust gepresst.

Himmel das war ich! Ich habe die Mutter eines Freundes umgebracht, geschockt verließ ich den Raum. Pierre wird mir nie wieder in die Augen schauen können, denn jedes Mal würde er den Mörder sehen.

Till, auch ihn verletzte ich. Du bist eine Gefahr für alle!

Man sollte dich einsperren!

Deshalb sah Peer dich so seltsam an, er weiß es, man konnte mir niemals vertrauen. Die Bestie steckt viel zu fest in mir. Du solltest dich schnellstens vom Acker machen, bevor sie dich verstoßen.

 

Kapitel 48

 

„Das wirst du schön bleiben lassen, mein Fräulein!“, stand Corvin unversehens vor mir. Natürlich der Schnüffler!

„Du hast es gesehen! Till! Namine! Wer wird der Nächste sein?“

Er achtete überhaupt nicht auf meine Worte, sondern schob mich einfach den Flur entlang. Nachdem er zwei Türen öffnete und sie mit einem lauten krachen ins Schloss fallen ließ, schien der dritte Raum seinen Erwartungen zu entsprechen dort schubste mich unsanft hinein.

„Jetzt will ich dir mal was sagen!“, baute er sich vor mir auf. „Du kamst einem Freund zu Hilfe, der es nicht fertig brachte, eine Verräterin in ihre Schranken zu verweisen. Nein er ließ sich sogar verletzen von dem Frauenzimmer. Till kam dir in die Quere. Ja und! Die Hälfte unserer Blessuren stammen von Kahlaf und siehst du ihn herumheulen?“

„Ich heule nicht!“, widersprach ich bockig.

Ein leises Lächeln erhellte seine finsteren Züge, „Du hast mich schon verstanden!“

„Aber ich habe keine Kontrolle darüber, wer weiß was geschieht, wenn es wieder passiert. Nein, ich muss mich von den Freunden, die mir lieb und teuer sind, fernhalten.“

„Wie lieb und teuer bin ich dir?“, trat er näher heran.

„Jetzt hör schon auf den Verführer zu spielen! Ich meine es durchaus ernst!“

„Ich auch!“, hob er mein Kinn an.

Wann war er mir so nahe gekommen? Versuchte ich, ein wenig Abstand von ihm zu gewinnen. Vergeblich, er hielt mich fest. „Nun ich warte!“

Er kannte jede meiner Regungen.

Dann plötzlich wurden seine Augen groß, „Du blutest! Wo bist du verletzt?“, blähte er seine Nasenflügel und kniete schon vor mir, mein Bein antastend, „Da!“, sagte er völlig unnötig und zog ein Messer aus seinem Stiefel.

Schnell entzog ich ihm mein Bein, „Was soll das werden?“, fragte ich entsetzt nach.

„Na ganz einfach ich will mir deine Wunde ansehen“, antwortete der Herr höflich.

„Du willst meine Hose zerschneiden!“, sagte ich empört, er konnte sich vielleicht dutzende maßgeschneiderte Kampfmonturen leisten. Ich jedoch nicht!

„Dann herunter damit!“, forderte er mit gestrengen Ausdruck. Den kannte ich und wusste wann ich auf verlorenen Posten stand. Trotzdem versuchte ich einen Einwand, „Es ist nichts und schmerzt noch nicht einmal.“

„Na dann kannst du es mir ja zeigen!“, blieb er stur.

Ergeben zog ich meine Hose herunter, Corvin schnürte mir indessen den Schuh auf, um anschließend das Hosenbein auszuziehen. „Siehst du nur ein kleiner Schnitt!“

„Es blutet, der Schnitt ist tief ins Muskelfleisch gedrungen. Ich werde ihn verbinden.“ Kramte er auch schon eine Kompresse aus eine seiner Taschen.

„Was bist du der rettende Samariter?“, witzelte ich, bevor mir die Luft wegblieb da er und ich schwöre extra fest verband.

„Bin ich das?“ hinterfragte er mit unschuldiger Miene. „So das wäre geschafft und sollte schnell verheilen.“ Blieb er auf den Knien sitzen, dabei wanderten seine Finger vorwitzig mein Bein hinauf.

„Danke!“, konnte ich herauspressen.

Er reagierte nicht, mit geschlossenen Augen streichelte er sanft weiter. Sekunden verstrichen, bewegungslos verharrte ich, gefangen von der Intensität die er ausstrahlte.

„Sagte ich dir jemals“

„Nein!“, rief ich, von Panik ergriffen, „Ich will nichts davon hören!“, stieß ich ihm mein Knie gegen die Brust, er fiel nach hinten. Die Chance nutzte ich und sprang über ihn hinweg. Zu meinem Entsetzen kam ich nicht weit, er hielt mein Hosenbein fest und lachte.

„Wirklich Sarah, du bist der einzige weibliche Vampir, der solch eine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lässt. Mann könnte glatt an deiner Lust zweifeln, die unserer Spezies so eigen ist.“

„Es kommt immer darauf an, mit wem man diese Lust teilen will!“, zog ich vergebens an dem Stück Stoff.

„Ach?“, verflog der amüsierte Ausdruck aus seinem Gesicht, „Wem würdest du denn deine Aufmerksamkeit schenken?“

„Auf jeden Fall, nicht dir!“

„Das habe ich schon kapiert. Meine Frage lautete auch anders.“

Die eisige Kälte die mein nacktes Bein entlangstrich sollte mir Warnung genug sein, doch ich ignorierte sie, „Schnüffel doch, das kannst du doch am Besten. Was hat dir Theodoric gesagt? Wie kann man die Verbindung aufheben?“, wollte ich stattdessen wissen.

„Nur das interessiert dich?“, erhob er sich langsam, mein Hosenbein noch immer festhaltend.

Mir blieben zwei Möglichkeit, einerseits könnte ich die Hose ganz ausziehen oder einfach fliehen, was bedeutete die kostbare Anfertigung entzweien. Die Erste würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, wer wusste schon, was er inzwischen tat. Ich traute ihm alles Mögliche zu. Die Zweite verwarf ich ebenfalls, denn ohne Beinkleid wollte ich die Reise keineswegs fortsetzen und etwas aus den Beständen Alischas zu nehmen, dagegen sträubte ich mich.

Corvin nutzte die Gelegenheit und schlang den Saum meiner Hose um seine Hand, „Damit wärst du gefangen“, kommentierte er sein Tun. „Was nun?“

Eine gute Frage auf die ich keine Antwort geben konnte.

„Ich schlage dir einen Handel vor.“

Argwöhnisch nickte ich, sei auf der Hut, Sarah! Er verdreht die Worte nach seinem Gutdünken.

„Ein einfaches Abkommen, du antwortest mir ehrlich und ich gebe dich frei.“ Lockte er schmeichelnd, dabei trat er einen Schritt näher, zugleich wickelte er das Ende weiter um seine Hand.

Aus der Not heraus nickte ich abermals, „Gut!“, antwortete er darauf, „Dann lasse uns den Handel besiegeln.“, hielt er mir seine freie Hand entgegen, die ich ahnungslos ergriff.

Sofort schlossen sich seine Finger fest darum, „Gefangen!“ Der Triumph in seiner Stimme, klang in meinen Ohren wie Hohn.

„Aber nicht doch, verhöhnen wollte ich dich nie. Es ist nur unglaublich mühselig, dich einzufangen.“

„Was willst du?“, überhörte ich seine Worte.

„Dich!“, presste er mich an sich, dabei spürte ich seine Erregung deutlich. „Immer habe ich mich zurückgehalten. Nie wusste ich wieso, ich konnte einfach nicht anders. Zumal die Erinnerung mich warnte, denn einmal nur einmal verlor ich für einen Sekundenbruchteil meine Beherrschung, damals band ich mich an dich.“

Die Ernsthaftigkeit seiner Miene, seiner Sprache fesselten mich, atemlos hörte ich zu.

„Seitdem halte ich mich zurück, versteh mich richtig, ich genieße durchaus, auch erlange ich einen Höhepunkt. Doch niemals, niemals gab ich mich., wie soll ich es ausdrücken ohne das es sich kitschig anhört. Mich dir hingab? Uns hingab? Besser weiß ich es nicht zu beschreiben.“

„Das ist doch ein Trick! Was bezweckst du damit? Auf einmal willst du mir sagen du ließest dich niemals fallen?“

„Du verstehst es! Ich habe eine Weile benötigt, als Theodoric versuchte, es mir zu erklären, fand ich seine Beschreibungen, sagen wir hirnrissig. Aber genau das ist es und laut Theodoric hat es einen bestimmten Sinn.“

„Du verkohlst mich doch!“, konnte ich nicht glauben, was er da von sich gab.

„Nein, es ist durchaus Ernst gemeint. Sieh mal, ich bekomme jedes Gespräch mit, welches du führst, meine engsten Freunde zweifeln an unserer Verbindung und wie du richtig erkanntest halte nur ich daran fest. Verbeiße mich sozusagen darin. All das regte mich zu Nachdenken an und als Theodoric mir erklärte warum ich mich außerstande sah, mich vollkommen auf uns, unserer Intimität einzulassen, da weigerte ich mich, es zu akzeptieren.“

„Was hat er denn gesagt?“, am liebsten wollte ich ihn schütteln, er redete nur um den heißen Brei herum.

„Er sagte, sobald eine Verbindung besteht und man diese vollkommen ausschöpfte, könnten zweierlei Dinge geschehen. Zu einem die Bestätigung der Liebe für den Partner, zum anderen die Ernüchterung, das alles nur Verlangen war. Ganz einfach!“

„So einfach? Nun willst du herausfinden, wie es mit dir bestellt ist. Sehe ich das richtig?“, zweifelte ich das Wissen Theodorics an.

„Genau! Ein Versuch ist es wert.“

„Das bedeutet also, wir sollen miteinander schlafen. Einfach so?“

Er nickte, „Ja ohne große Worte, ohne all die Komplikationen, einfach die pure Lust erleben.“

„Und danach die Ernüchterung!“, setzte ich seine Überlegungen fort.

„Ja!“

„Jetzt und hier?“, konnte ich einen leisen Zweifel nicht unterdrücken.

„Ist Zeitpunkt und Ort nicht egal? Stell dir vor, wir könnten als freie Leute aus diesem Raum marschieren. Du brauchtest keine Angst mehr zu haben, das ich deine Gedanken erschnüffel oder dich manipuliere. Ich könnte mich wieder entspannt meiner Arbeit widmen ohne dich ständig in meinen Kopf zu haben.“

Verlockend, zu verlockend, endlich wieder frei von ihm zu sein.

„Was sagst du?“, wollte er wissen.

„Eine Frage noch, du wolltest mich demnach gerade verführen und ausprobieren ob Theodorics Vorhersage eintritt?“

„Ja!“, nickte er, „Weißt du, von dem Ganzen zu reden“, verdrehte er die Augen, „kommt mir vor wie in einer Schnulze, wie ihn die Menschen sich gern ansehen.“

Ich wusste wovon er sprach, da flossen Tränen bei den Damen, die Herrn taten verständnisvoll je nachdem, was sie für den laufenden Abend planten. Was häufiger vorkam die Herren reichten mit spöttischen Worten die Taschentücher. „Also gut“, willigte ich ein, „Schließ aber vorher die Tür ab, ich habe keine Lust auf unerwünschte Zuschauer.“

„Sicherlich“, marschierte er sofort los und drehte den Schlüssel herum, „Obwohl das niemanden aufhält.“

Dies Risiko mussten wir in Kauf nehmen, zuckte ich die Achsel. Als er zurückkam wollte ich wissen, ob ich mich ausziehen solle.

„Nein ich mach das schon“, stellte er sich vor mir.

Als ich ihn ansah ergriff mich eine Verlegenheit, die ich bisher so nicht kannte. Was sollte ich tun? Schlang ich einfach meine Arme um seinen Hals. „Gut so?“, fragte ich vorsichtshalber nach.

„Ist schwieriger als ich dachte“, lächelte er gezwungen, „bei einer Verführung weiß ich was ich tun muss. Wir können uns dies ganze Prozedere ersparen.“

Hörte ich da eine Unsicherheit? Er wirkte direkt sympathisch.

„Vorsicht noch kann ich deine Gedanken vernehmen, fängst du jetzt an, positiv von mir zu denken, könnte ich meine Meinung glatt ändern.“

„Lieber nicht!“, witzelte ich, „Wie fangen wir an?“ überspielte ich meine Unsicherheit.

„Ich denke ich, wir könnten uns Küssen.“, schlug er sachlich vor.

Der Kuss endete, von Erregung keine Spur. Angenehm aber keine Lust.

„Dann noch einmal!“, meldete sich anscheinend sein Ehrgeiz, diesmal umfasste er mein Gesicht mit beiden Händen, die er im Laufe des Kusses an Hals und Nacken verweilen ließ.

Schon besser, drängte ich mich an ihn.

Diese kleine Geste, ermunterte Corvin, überall spürte ich seine fahrenden, streichelnden Finger, die warme Spuren hinterließen. Es klappt, dachte ich.

„Du denkst zu viel“, knabberte er an meinem Ohr.

Sicher! Denn ich konnte es nicht abstellen, wartete sekündlich darauf, endlich frei von ihm zu sein. Dann diese absurde Situation; hm das gefiel mir, liebkosend küsste er meinen Hals.

Wo war ich? Ah ja diese absurde Situation, sei jetzt mal gerade empfänglich für Sex, so leicht konnte ich das nicht steuern.

„Sarah!“, blickte er mir genervt in die Augen.

„Ich mach doch nichts!“

„Eben! Wie wäre es, wenn du auch mal Hand anlegst?“

„Und was wünscht sich der Herr?“, dachte ich an gebratenes Hähnchen, lecker mit Pommes und Mayo.

„Bekommst du!“, versprach Corvin, „Doch zuerst könntest du mir mein Hemd ausziehen, wäre doch mal ein Anfang.“, spottete er.

Klar, mit Ironie und Spott, verführt man ja auch, dieser Depp!

„Bitte! Konzentriere dich!“, das hörte sich ja schon wie ein Befehl an. Los strammstehen, Brust und Nippel raus, Beine breit, empfang den Feind!

Leises Lachen an meinen Hals, „Du bist unmöglich!“

„Ich kann nichts dagegen tun, die Gedanken kommen einfach.“

„Ja kommen wollen wir auch!“, drückte er seinen Unterleib gegen mich, die Reaktion meines Körpers bekam er auch gleich mit. „Das gefällt dir also!“

Wem nicht? Wieder kicherte er leise, dann schaute er auf. „Vielleicht kannst du dich im Liegen entspannen?“, hob er mich hoch und setzte mich auf die Kante eines Tisches ab, dann platzierte er sich zwischen meinen Beinen.

„Soweit bin ich noch lange nicht.“

„Ich weiß, vertrau mir“, und den Schatz deiner Jahrhunderten langen Erfahrung, klar doch. Mit wie viel Frauen er wohl schon schlief?

„Das überhöre ich wohlweislich, ich möchte jetzt keine Diskussion führen. Leg dich hin!“ schlang er meine Beine um sich. „Bequem genug?“, öffnete er meine Bluse.

„Es geht, bist du sicher das wir das hier fortführen sollen?“

„Ganz sicher!“, beugte er sich zu mir hinunter, „Du benötigst nur eine kleine Anlaufzeit, vergiss nicht ich sammelte reichlich Erfahrung.“, verschloss er mir den Mund mit einem Kuss.

Erst wehrte ich mich dagegen, wollte ihn fortstoßen, aber er hielt meine Hände fest. Erforschte mit seiner Zunge ungeniert meine Mundhöhle, reizte, zog sich zurück, um dann wieder ungehemmt vorzustoßen.

Der Kuss wurde leidenschaftlicher, geradezu wild, seine Hände gingen auf Wanderschaft, während ich ungestüm versuchte, ihn aus dem Hemd zu zehren. Stoff riss entzwei, meiner oder seiner mir war es gleich. Ich wollte, nein musste ihn spüren, auf mir, in mir, schob ich mich ihm entgegen.

Erlöst, zufrieden tauchte ich aus dem Wahn auf, Corvin über mir betrachtete mich voller Triumph, „Und?“, fragte ich mich, ob der Spuk endlich vorbei sei.

„Und das fragst du mich? Nachdem ich dich gerade zu der beinahe höchsten Wonne führte. Nein meine Füchsin, das gehörte zum Auftakt. Bisher war es ja ganz nett, aber nun lieben wir uns wie es unsere Spezies nur noch selten tut.“, kam er mit dunklen leidenschaftlichen Augen näher.

„Sieh mich an meine Schöne, sieh mich an.“, forderte er mit samtiger Stimme, der ich mich nicht entziehen konnte.

„Küss mich! Als wäre es dein letzter Kuss auf Erden.“, hauchte er die letzten Worte schon in meinen Mund.

Die Arme um mich schlingend hob mich an, bereitwillig schlang ich meine Beine um ihn, den Drang nachgebend jeden Zentimeter seiner Haut zu spüren. Langsam im Takt wiegend, entzündete sich mein Verlangen erneut.

Fieberhaft kam ich ihm entgegen, „Sieh mich an!“, befahl er erneut als ich meine Augen schloss. „Ich will dir in die Augen sehen.“

Seinem Wunsch erst widerstrebend nachkommend, fand ich selbst daran Vergnügen, die Zeichen der Lust in seinem Angesicht zu betrachten.

Jegliche Scham legten wir nieder, rissen Mauern ein, die unter dem Deckmantel der Gehemmtheit dahinvegetierte. Sein Gesicht kam mir überirdisch schön vor, seine Stärke, seine Dominanz, selbst seine Arroganz, spiegelte sich in seiner Miene wieder. Schön und gefährlich zugleich.

Mit offenen Augen küssend tanzten wir dem Höhepunkt entgegen, der leise schleichend von uns Besitz ergriff und sich einer Explosion gleich entfaltete.

Corvin sank auf die Knie, ich wollte mich kraftlos wie ich mich fühlte einfach einen Augenblick hinlegen. „Nicht“, bat er mich, „Ich möchte dich noch einen Moment spüren.“, hielt er mich fest umschlungen.

Diesmal interessierte mich die Frage nicht, ob er noch meine Gedanken lesen konnte. Das eben Erlebte, dieser Wahn, das Gefühl des Einsseins, die Vollkommenheit des Augenblicks hielt mich gefangen.

Wie konnte ich jemals wieder an Sex Freude finden? Würde ich nicht versuchen, genau diese Ektase wieder heraufzubeschwören? Selbst jetzt in seiner Umarmung fühlte ich mich geborgener, zufriedener als jemals zuvor. Vor ihm hatte ich keine Geheimnisse, er kannte mich bis in die tiefste Seele.

Und ich? Ja auch ich erkannte seinen Charakter, seine Intelligenz, seine Aufopferung, seine Führungskraft, auch all die negativen Seiten seines schwierigen Wesens.

Vor mich hinträumend, vernahm ich unruhige Schritte von draußen auf dem Flur. Corvin seufzte, „Ich glaube unsere kleine Auszeit ist vorüber, wir sollten uns anziehen, bevor sie die Tür stürmen.“, drückte er mir einen letzten Kuss auf die Lippen.

Als ich mich anzog, beherrschte mich eine Frage, gehörten mir meine Gedanken wieder allein? Bevor Corvin die Tür öffnete, hielt ich ihn auf, „Du sagst kein Wort! Was ist denn nun?“, fragte ich schroffer als beabsichtigt.

Er schaute mich einen Moment lang an, undefinierbar wirkte sein Ausdruck, ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit, dann lächelte er, „Nichts! Absolut nichts! Denkst du gerade überhaupt?“, wurde sein Grinsen breiter, „Was für eine Frage, sogar während sich der Mann abmüht, kommen deine Gedanken nicht zur Ruhe.“

„Wirklich? Du kannst da oben nicht mehr herumschnüffeln?“, tippte ich mir auf die Stirn.

„Keine Spur von einem Hauch eines fremden Gedankens.“ Versicherte er.

Erleichtert sprang ich ihm an den Hals und drückte ihm fest einen Kuss auf den Mund, „Endlich wieder frei!“, wiederholte ich den Vorgang.

„Ja endlich“, nickte Corvin, seine Begeisterung hielt sich in Grenzen.

Beschwingt öffnete ich die Tür, sofort stürmte Henry gefolgt von Vater an mir vorbei. „Na endlich! Ihr habt Nerven euch einfach davonzuschleichen! Wir sind im Feindesland und ihr kommt euren Begierden nach!“, tadelte uns Henry aufgebracht. „Vlad nun sag doch was!“, forderte er meinen Vater auf.

„Ich? Oh nein! Damit du mir wieder vorhalten kannst ich mische mich in das Leben meiner Tochter ein. Wie du schon sagtest, Sarah ist alt genug um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. So ist es doch?“, richtete er die Frage an mich.

„Ja Vater und wir können euch auch erklären, warum.“

Sie hörten zuerst erstaunt zu, abwechselnd erzählten wir, natürlich gingen wir nicht ins Detail, sondern beschränkten uns auf die Aussage von Theodoric. „Dann vernimmst du Sarahs Gedanken nicht mehr?“, hinterfragten Vater und Henry zugleich.

„Keine fremde Gedanken“, nickte Corvin.

„Einfach so?“, zweifelte Henry, „Das überrascht mich, vor allem weil ich Sarah noch immer als deine Frau ansehe.“

„Wirklich? Aber dafür kann ich nichts!“, zuckte der Boss die Schulter.

„Wie meinst du das, Henry?“, wollte ich wissen.

„So wie ich es sage, für mich seid ihr noch immer gebunden, so empfinde ich nun einmal.“

Unsicher wandte ich mich an Vater, der sann eine Weile nach, bevor er antwortete, „Vielleicht braucht es seine Zeit, vielleicht ist es auch Henrys persönlicher Wunsch. Warten wir ab und sehen, was geschieht.“

Ein guter Rat so fand ich jedenfalls, auch Corvin nickte. „Wenn das geklärte ist“, sah er sich in der Runde um, die jetzt wesentlich größer war als zu Anfang des Gesprächs.

Erst störte es mich, dass sie alle es mitbekamen, doch dann sagte ich mir, entging ich der Fragerei.

Derweil erkundigte sich der Boss nach den Blutreserven. „Es ist viel weniger als wir annahmen, doch reicht es für jeden von uns, wenigstens bekommt jeder einmal eine ordentliche Mahlzeit.“, erläuterte Ciaran.

„Dana haben wir eingesperrt, ich nehme an du wirst persönlich mit ihr reden wollen.“, sagte Peer.

„Was ist mit Pierre?“, erkundigte sich der Boss. Richtig weder er noch Michelé waren anwesend.

Eric antwortete, „Sie verbrennen Naomi, Pierre will ihre Asche mitnehmen und zu Haus bestatten.“

„Schließen sie sich uns an?“

Darauf konnte keiner antworten, Muse ergriff das Wort, „Pierre trauert, deshalb ließen wir ihn in Ruhe.“

„Ja“, nickte Corvin, „Ich möchte so bald wie möglich aufbrechen, schickt Pierre und Michelé zu mir, sobald sie ihre Angelegenheiten erledigt haben. Ciaran du verteilst das Blut, ihr anderen durchstöbert Alischas Privaträume, sucht nach belastbaren Material. Ich gehe derweil Dana einen Besuch abstatten, Vlad, Henry“, forderte er seine Freunde auf, ihn zu begleiten.

Ein wenig verloren sah ich mich um, den Blick nutzten Eric und Matt sogleich. Sie nahmen mich in ihrer Mitte und bugsierten mich in einen anderen leeren Raum. Till und Peer schlossen die Gruppe ab und als Till gerade die Tür schließen wollte, drängte sich Ross hinein. „Ihr werdet mich auf keinen Fall außen vor lassen, das sag ich euch!“

„Nun?“, fragte Eric sich vor mich aufbauend, „Erzähle!“

„Ihr habt es doch gehört! Mehr gibt es nicht!“

„So?“, schob sich Till zwischen uns, „Wir sind ja nicht taub, die Geräusche die da aus dem Raum kamen, hörten sich an als fielen wilde Tiere übereinander her. Ihr habt miteinander gekämpft!“

„Nein!“, lief ich puterrot an.

„Ah, dann willst du uns erzählen, es waren einfache Lustschreie!“

Noch immer vor Scham gerötet nickte ich nur.

„Falls sie sich ohne jegliche Hemmungen geliebt haben, durchaus möglich.“, kam Ross mir zu Hilfe und stand sofort im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

„Woher willst du das denn wissen?“, kannte Till keinerlei Skrupel.

„Rosmerta! Sie kennt in diesen Dingen keine Grenzen. Ich habe lange genug in ihrem Haus gelebt und sag euch da kann jeder von uns noch etwas lernen.“

„Rosmerta? Wirklich unsere Rosmerta?“, schaute Matt ungläubig aus der Wäsche.

„Ja und nochmals ja!“ bestätigte Ross die Frage.

„Du auch?“, wollte er wissen.

Ross wehrte ab, „Nein! Wahrscheinlich bin ich nicht ihr Typ, aber frage Till doch mal.“

Aller Augen richteten sich auf ihn, „Was denn? Die Frau ist unbarmherzig bei der Jagd, wo hätte ich mich in Fenils verstecken können? Sie lauerte an jeder Ecke.“

„Aber sie ist … halt Rosmerta!“, wandte Eric ein.

„Ja ich weiß, ihre Stimme geht einem durch Mark und Bein, ihr Gesicht ist alt aber ihr Körper, ihr Körper man ich sag euch …“, verstummte er.

„Was denn?“, wollten wir wissen.

„Nichts! Ich sage kein Wort mehr! Danke auch Ross, so was sagt man einfach nicht!“, wandte er sich beleidigt ab. „Ach noch etwas, ich würde jederzeit noch mal in ihr Bettchen hüpfen, nur damit ihr es wisst.“

„Ja das sagten all die liebestollen Vampirchen auch die sie vernaschte.“, kommentierte Ross den Abgang Tills.

„Beileibe wie konnte Till das all die Jahre geheimhalten? Warum haben wir es nie bemerkt? Schließlich hockten wir in Fenils meistens zusammen.“

„Darüber können wir noch stundenlang diskutieren, lasst uns lieber unseren Auftrag erledigen, bevor uns der Boss aufs Dach steigt. Ihr fangt unten an“, zeigte er auf Eric und mich, „wir fangen hier oben an!"

Kapitel 49

 

Eric und ich liefen die Stufen hinab, unterwegs begegnete uns Selina, „Jeden Raum den wir durchsucht haben kennzeichnen wir.“, informierte sie uns.

Als wir weiter gehen wollten, legte Selina eine Hand auf meine Schulter. „Einen Moment Sarah“, sah sie Eric auffordernd an, der ging wortlos weiter. „Ich frage dich nochmals. Corvin steht zur freien Verfügung?“

„Ja das sagte ich dir schon.“

„Gewiss und trotzdem amüsierst du dich mit ihm, ich würde durchaus verstehen, wenn du deine Meinung änderst.“

„Habe ich nicht.“

„Gut dann ist es eine Sache zwischen dem Püppchen und mir.“

„Ach Charly schließt sich uns an?“, vernahm ich mit gemischten Gefühlen die Nachricht.

„Ja auf seinem persönlichen Wunsch hin, sagt Charly jedenfalls.“, ihre Skepsis überwog anscheinend.

„Na dann, wünsch ich dir Glück!“, wusste ich nicht mehr zu sagen. Diese Buhlen, konnten sie denn an nichts anderes denken? Schließlich war Corvin kein Gegenstand, den man weiterreichte, verflog meine Erleichterung zu Staub. Kannten sie ihn überhaupt? Nein sie sahen nur das Äußere, die Macht die er innehatte aber seine eigentliche Essenz blieb ihnen verborgen.

„Sarah?“, rief Eric.

„Bin schon unterwegs!“, rannte ich los. Was ging es mich an? Corvin Sardovan konnte sich selbst ganz gut behaupten, dachte ich an seine heißen Küsse.

Einige Stunden durchkämmten wir Raum für Raum, Eric und ich fanden nichts Weltbewegendes. Ross und Malech hingegen fanden einen geheimen Raum und dort lagen die Beweise.

Ich hörte wie Merkur mit Kahlaf sprach, „Das bricht ihr endgültig das Genick.“

„Ja daraus kann sie sich nicht winden. Will Corvin wirklich alles den Offiziellen überlassen? Auch Dana?“

Die Offiziellen also! So nannten sich die Jäger neuerdings, die sich an die Gesetze hielten.

„Er will keinen Verdacht erregen, noch irgendwelches Gerede über Vertuschung aufkommen lassen.“, sagte Ross.

„Der Junge ist schlauer als wir jemals waren, er sichert sich nach allen Seiten ab.“, klang Kahlafs melodiöse Stimme amüsiert.

„Wir haben andere Zeiten erlebt. Damals gehörten wir zur regierenden Klasse und wer hätte es gewagt sich gegen uns zu stellen.“ Hörte ich Ross sagen.

Ich zog mich leise zurück und wusste es einfach. So klar stand es mir vor Augen, ganz einfach und doch verrückt. Ross war Ambrosius!

Bevor ich meine Gedanken zu Ende führte, tauchte er auch schon auf. Sein strenges Gesicht ängstigte mich, „Da rein!“, befahl er kurzerhand.

Mein erster Gedanke war Flucht, ich sah mich schon in meiner Blutlache daliegen. Wer könnte ihn aufhalten? Steif setzte ich einen Fuß vor dem anderen. Fort! Nur fort!

Aber ich bewegte mich, gegen meinen Willen auf den Raum zu, den er mir anwies. Mit ganzer Macht versuchte ich mich, dagegen zu wehren, ohne Erfolg.

Konnte ich mit Hilfe rechnen? Corvin dachte ich, er hörte mich nicht mehr, brach aus meinen Inneren ein Lachen hervor. Einfach verrückt, jetzt da seine Schnüffelei einmal einen Zweck erfüllen könnte, vernahm er meine Rufe nicht mehr.

Sarah, nun gehe schon, meinst du wirklich ich töte dich? Nach all den Mühen, die ich mir machte. Nein mein Kind, deine Angst ist unbegründet.

Sprach er die Wahrheit? Egal was ich auch dachte, so oder so ich konnte nichts gegen ihn unternehmen, also fügte ich mich. Hinter mir wurde die Tür leise geschlossen, mir kam es wie ein Todesstoß vor.

„Nun können wir ungestört reden!“, sagte er, sich gemütlich auf das Sofa setzend, das in dem überladenen Raum stand. Er sah mich freundlich, geradezu auffordernd an.

„Dann ist es also wahr!“, wagte ich zu sagen.

„Ja und nein!“

Das verstand ich nicht.

„Ambrosius!“, sagte er verächtlich, „war ein zügelloser, machthungriger, egoistischer, blutrünstiger Gesell, aber der bin ich nicht mehr. Nachdem Intha mich weckte, kam ich zu Rosmerta. Keine leichte Zeit für mich, das Weib kann einem verdammt auf die Nerven gehen. Jedenfalls lehrte sie mich, auf eine ziemlich brutale Weise, meine Vergehen einzusehen.“

Das konnte ich nicht glauben.

„Doch das solltest du, denn so war es, weder das verwöhnte Balg noch die alte Krähe gaben mir genug Nahrung. Sie verpassten mir einen Maulkorb, ketteten mich an und hielten mich über fünfzig Jahre gefangen. Diese Weiber sind die Hölle!“

„Aber du hättest sie täuschen können.“

Er grinste, „Habe ich auch! Doch dann kam das nächste Weib, Nirfa! Eine einzige Berührung von Nirfa und mein Plan löste sich in Wohlgefallen auf. Nochmals wagte ich keine Täuschung. Die Krähe kennt keinerlei Gnade, wenn es um euch geht, das heißt, damals machte sie sich Sorgen um Vlad und Livio, sowie um meinen anderen Enkel.“

„Ach und der ist?“

„Später, du solltest ja auch mein kleines Geheimnis noch nicht erfahren. Inzwischen kennen einige Leute meine Identität, lange lässt es sich nicht mehr verheimlichen.“

„Wer weiß es denn schon?“

„Corvin schon eine ganze Weile ihn zu täuschen ist beinahe unmöglich, dann Malech, Peer, Eric obwohl er unsicher ist. Ciaran vermutet es, doch er hat noch einen anderen Verdächtigen.“

„Was ist mit Vater? Henry?“

„Ah, durch Corvins Hilfe denken sie mein Name wurde als Täuschung benutzt, daran sollte sich bis auf Weiteres nichts ändern.“

„Was ist mit den anderen Ratsmitgliedern?“

„Du meinst Muse und Theodoric? Ja sie wissen es und noch einige alte Freunde.“

„Du erzählst mir das alles, einfach so? Was ist, wenn ich es ausplaudere?“

„Sarah, mein Kind“, lächelte er, „Du wirst mein Geheimnis bewahren, eines darfst du nicht vergessen. Dank Rosmertas strengen Unterrichtes kann ich in die Gedanken eines jeden Vampirs schlüpfen. Dich kannte ich bereits als Mensch. Die wenigen Wochen in denen ich dich kennenlernen durfte, gehören zu den schönsten Erinnerungen. Schon damals hattest du einen loyalen Charakter. Prya ist dir da ähnlich, obwohl sie wie Corvin gewisse Dinge nach ihrem Gutdünken verdrehen kann.“

„Aber willst du nicht wieder deine Vormachtstellung einnehmen?“

„Nein“, schüttelte er den Kopf, „Ich habe genug Schrecken verbreitet, meine eigene Tochter ist ein Monster geworden, auch daran trage ich Schuld. Nein Sarah, ich freue mich auf meine Enkel und weitere Nachkommen.“

„Ah so und die sollen dann, die herrschende Kaste bilden!“, vermutete ich laut aussprechend.

„Mein Gott, welch ein Misstrauen! Nein, ich stehe da ganz hinter Corvin und seine zukunftsorientierten Ideen. Er ist der richtige Mann für diese Aufgabe, konnte ich dich überzeugen?“, seine entspannte Art, so wie er sich gab, sprach von Verständnis. Doch glaubte er wirklich daran? Es konnte auch gespielt sein.

Ambrosius lachte herzhaft auf, „Wenn du mir kein Vertrauen schenken kannst, dann solltest du dem Urteil einiger älterer Vampire glauben schenken. Wie zum Beispiel, Corvin, Rosmerta, Intha, Kahlaf und Merkur. Soll ich Weitere aufzählen?“

„Nein nicht nötig, ich bilde mir mein eigenes Urteil!“, entgegnete ich.

Seufzend meinte er, „Ich weiß!“

„Ich habe da noch eine Frage, immer heißt es wir haben einige unverwechselbare Attribute geerbt, wie die Augenfarbe und das dunkle Haar. Du besitzt weder das eine noch das andere.“

„Ah ja, da kommt der Erfindungsreichtum der menschlichen Rasse ins Spiel. Gefärbte Kontaktlinsen, Haarfarbe, sowie diese Wangenpolster die ich immer tragen muss, wenn ich diese Dinger nur schon los wäre.“ Befühlte er seine Wangen. „Zuweilen rutschen sie hinunter, ein unangenehmes Gefühl, aber wir sollten nun unsere kleine Unterhaltung beenden, Eric wird langsam wach und wird sicher gleich Alarm schlagen.“

„Eric? Was ist mit ihm?“, wandte ich mich besorgt ab.

„Oh er wird nur eine Beule zurückbehalten, wird er schon verkraften.“, meinte mein Ahnherr gleichgültig.

„Du schlugst ihn nieder?“

„Aber ja!“, erhob er sich, „Schließlich musste ich mit dir reden, ohne Zeugen natürlich. Ah es geht los!“, ging er hinaus.

Auf dem Flur erklangen schnelle Schritte, aufgeregte wie besorgte Stimmen. Es wurde nachgefragt, wo sich die einzelnen Mitglieder unserer Gruppe sich aufhielten.

Noch benommen von dem Gespräch und der Erkenntnis, trat ich nun ebenfalls auf den Flur.

„Wo sind Pierre und Michelé, Nirfa, Ross?“, wurde von der Etage unter mir gefragt. Ich hörte Eric, „Nein ich habe niemanden gesehen!“, sagte er ungehalten.

„Schwärmt aus und durchsucht nochmals jeden Raum!“, kam der Befehl von Kahlaf. Ich sah die Treppe hinab, am unteren Ende erspähte ich Ambrosius. Wie kam er an Eric vorbei, der seinen Hinterkopf reibend auf einer Stufe saß.

„Ich habe eine Küche entdeckt, vielleicht gibt es dort Eis für deine Beule.“, meinte Ross mitfühlend und verschwand aus meinem Blickfeld.

Wo steckte der Boss? Weder er, noch Vater und Henry konnte ich ausmachen.“ Als ich mich nach ihnen erkundigte, erfuhr ich das sie sich mit den Offiziellen treffen wollten.

„Sie werden bald eintreffen! Vorher sollten wir den Angreifer finden!“, mahnte Peer. Wozu? Der suchte Eis, vielleicht eine Regung von einem schlechten Gewissen?

„Sarah!“, schaute mich Peer tadelnd an, so machte ich mich lustlos auf den imaginären Angreifer aufzuspüren.

Natürlich blieb die Suche erfolglos, die Menschen trafen ein. Sie warfen uns skeptische Blicke zu, hielten ihre versteckten Waffen unter ihren Jacken fest in der Hand. So viel zu Vertrauen, zeigte ich einem ängstlichen Menschlein meine Beißerchen, worauf dieser aschfahl wurde.

„Sarah!“, hörte ich Peer wieder in tadelnden Ton, „Das solltest du unterlassen!“, knurrte er mich an.

„Ja aber an ihre Waffen dürfen sie sich festhalten! Ich glaube, sie stecken mit den Jägern unter einer Decke, sieh dir die Gestalten doch mal an.“

„Behalte deine Meinung für dich, die interessiert niemanden!“, wurde ich nochmals gemaßregelt.

Als ich mich von den Menschen abwandte, bemerkte ich Matt und Till die mir heimlich Zeichen gaben. So verduftete ich lieber aus Peers Reichweite.

Matt und Till zogen mich in eine Ecke, „Sie wollen Dana fortbringen, willst du sie noch einmal sehen?“

Und ob ich das wollte! Vor allem wollte ich wissen, warum sie meinen Tod plante. Was veranlasste sie dazu?

So schlichen wir uns hinunter bis zum ersten Kellergeschoss. „Warte!“, zischte Till leise und ging in einem der Gänge. Von dort hörten wir ihn mit jemanden reden, „Nun stell dich nicht so an, Malech. Würdest du nicht auch wissen wollen, warum man dich abmurksen will.“

„Natürlich! Aber ich habe klare Befehle und drei beinhalten ganz genau deine Bitte. Ich kann Sarah nicht vorlassen, aber du könntest das irre Weib da drin fragen, es ist nicht verboten.“

„Na gut du Weichei, ich versuche es.“

Schlüssel klirrten, Matt hielt mich fest, „Bleib! Ansonsten erfährst du rein gar nichts. Sie haben Malech nicht umsonst dahin gesetzt, sieht er auch nur einen Zipfel von dir ruft er den Boss.“

Zähneknirschend gab ich nach, mir kam es wie Stunden vor bis Till zurückkam. „Die ist wirklich irre, faselt was von ihrem Vater, den der Boss abgeschlachtet haben soll.“, schüttelte er bedauernd den Kopf.

„Das hat er wirklich und zurecht! Der Typ bevorzugte warmes Blut und hielt sich nicht an das Abkommen. Als Corvin dahinter kam warnte er ihn, doch er tötete munter weiter. Mit besonderer Vorliebe in der Umgebung der Festung. Da blieb dem Boss nichts weiter übrig, als ihn festzunehmen. Dies geschah nicht ohne Kampf, den Ausgang könnt ihr euch denken. Dana sagte damals der Boss habe richtig gehandelt, deshalb verstehe ich ihre heutige Meinung nicht.“, rieb Matt sich nachdenklich das Kinn.

„An was denkst du?“, kannte ich Matt gut genug, irgendetwas beschäftigte ihn.

„Ich weiß nicht, muss mit dem Trio reden.“, verschwand er eilig.

„Komm ich weiß wo sie sich aufhalten, vielleicht erfahren wir ja was.“, eilte Till voran, „Schade auch, wenn du jetzt noch mit ihm verlobt wärest, würdest du alles aus erster Hand erfahren.“

Als wir auch nur Anstalten machten, Stellung zu beziehen, jagte Peer uns fort, was war denn mit ihm los, fragte ich mich. „Geht zu Ciaran und holt euch eure Portion ab. Sarah gerade du solltest dich ausruhen, wir brechen bald auf.“

 

Ciaran übergab mir mit einem Grinsen eine halbe Flasche, „Hab dir ein paar extra Schlückchen reingetan.“, verkündete er stolz. Na sicher reitet alle schön darauf rum das ich das jüngste Mitglied in dieser Gruppe bin, bedankte ich mich artig.

Eric und Till hielten mir ungefragt ihre Flaschen entgegen, „Du wirst es gebrauchen“, meinte Eric, „ich kenne die Route die Corvin einschlagen will, das werden mörderische zwanzig Stunden.“

„Nee, lass mal, unser Neuzugang“, deutete ich auf Ciaran, „hat mir sowieso mehr gegeben, will sich wohl einschleimen. Wohin geht’s denn?“

„Festung!“

„Geht doch, über Bulgarien und schon sind wir da. Was nehmen wir Flugzeug oder Auto?“, fand ich die Vorstellung gar nicht schlimm.

„Unsere Füße!“, machte er sich lustig über mein dummes Gesicht.

„Das ist nicht dein Ernst?“ konnte ich nur nachfragen.

„Und ob! Michelé sagte es mir, sie schließen sich uns übrigens an.“

Mit aufgeplusterten Wangen spielte ich die Strecke im Kopf durch, zwanzig Stunden, wenn alles reibungslos lief. Unter Garantie würde es nicht so sein.

Pierre und Michelé kamen also mit, „Wo sind sie?“, irgendwann musste ich Pierre gegenübertreten besser jetzt als unterwegs. Bange fragte ich mich wie er dem Mörder seiner Mutter empfing.

„Ich weiß nicht, sie wollten sich ausruhen. So viel weiß wurden sie in Kämpfe verwickelt, muss eine harte Reise gewesen sein, sehen aus wie ein paar Strauchdiebe.“

„Ich suche sie!“, trank ich den letzten Schluck.

Schon im übernächsten Zimmer fand ich sie. Pierre lag lang auf dem Boden und Michelé in einem Sessel, die Beine ausgestreckt, schlief mit dem Kopf auf der Brust. Leise wollte ich die Tür wieder schließen damit sie in Ruhe schlafen konnten, da hob Michelé den Kopf.

Als er meiner ansichtig wurde, grinste er mir zuwinkend zu. Ich deutete auf Pierre, „Der pennt nicht!“, sagte er laut.

In diesem Moment schlug Pierre die Augen auf, der gefürchtete Moment war gekommen, blickte ich nun einem Freund oder Feind ins Angesicht.

Er lächelte, mir fielen tonnenweise Steine von der Seele. „Es tut mir leid!“, konnte ich nur sagen.

„Ja mir auch! Meine Mutter hat sich mit ihrem Hass und Neid selbst die Grube gegraben. Ich hätte ihr Einhalt gebieten sollen, hätte wissen müssen, was sie plante, war aber blind. Blind vor Stolz!“, klagte er sich selbst an.

„Sag das nicht!“, flog ich auf ihn zu und schloss ihn in meine Arme. „Woher solltest du wissen, in welche Machenschaften sie sich einließ.“, versuchte ich ihn zu trösten.

„Alles habe ich falsch gemacht! Alles! Meine Ehe mit Lydia! Meine Mutter und der schwerste Fehler den ich beging war, als ich dich gehen ließ. Sarah!“, schaute er mir tief in die Augen, „Ich liebe dich!“

Perplex konnte ich ihn nur anstarren.

„Schon gut, ich weiß es ist unpassend. Ich wollte dir nur sagen, was ich empfinde, eigentlich wollte ich dir sagen, dass ich dir nicht zürne. Du hast lediglich einen Freund verteidigt. Sie hat ihn praktisch großgezogen, wie ihren eigenen Sohn. Ich verstehe es nicht, sie liebte Michelé und trotzdem trachtete sie ihm nach dem Leben.“, klammerte er sich fest in meine Schultern.

„Sarah, als ich zu ihr in den Raum ging, da schlug mir ein Hass entgegen, ich kann es nicht begreifen. Sie griff mich ohne Vorwarnung an, wollte mich töten, mich ihren leiblichen Sohn. Das war nicht meine Mutter, wie ich sie kannte.“, griff er noch fester zu, das ich befürchtete meine Knochen gaben unter dem Druck nach.

Was konnte ich sagen? Für mich stand er unter Schock, deshalb schwieg ich und blieb einfach bei ihm sitzen. Nach einer Weile rührte er sich, „Was musst du von mir denken? Ich halte mich an dir fest wie ein kleiner Junge.“ Befreite er sich auf meiner Umarmung.

„Jeder braucht das Mal!“, lächelte ich ihm aufmunternd zu.

Verschämt winkte er ab, „Selbst Michelé ist geflüchtet!“

Gerade saß er noch dort, demnach musste er erst gegangen sein, „Sicherlich holt er eure Nahrung, danach wird es dir besser gehen. Ich habe gehört ihr seid in Kämpfe verwickelt worden?“

„Ja, den Geheimgang konnten wir nicht mehr benutzen. Sie waren direkt hinter euch her. Wir flohen über die Mauer und suchten Schutz in den engen Gassen der Altstadt. Einige Wachen schlossen sich uns an, Michelé kannte sie, aus diesem Grunde akzeptierten sie mich. Nun ja wir schlugen uns mehr oder weniger durch Granada, stahlen zwei Autos und raus aus der Stadt. Die Wachen wollten zur Festung, aber ich musste hierher, nachdem ich erfuhr das meine Mutter höchstwahrscheinlich hier sei.“

Wortlos reichte Michelé seinem Freund eine halb volle Flasche, Pierre leerte sie gierig in einem Zug. „Unterwegs trafen wir auf ein paar verstreute Jäger, wir nehmen an es waren Deserteure.“

„Wie kommst du darauf?“

Michelé gluckste vor sich hin, „Weil sie keinerlei Anstalten machten, uns anzugreifen, sie nahmen die Beine in die Hände und ergriffen die Flucht. Einen schnappten wir uns, er dachte wir gehörten zu Alischa und ließen ihn in den Glauben. So erfuhren wir, wer sich im Haus befand und das Namine die Jäger als Nahrung ansah.“

„Manchmal hegte ich einen Verdacht, doch konnte und wollte ich nicht glauben, dass sie gegen die Gesetze verstieß. Sie so zu sehen …“, schließlich schüttelte er sich widerwillig.

„Was ist mit euch? Euer Boss war wie immer sparsam mit seinen Auskünften. Ihr seid auf einem Schiff nach Griechenland gekommen?“

„Ein Fischerboot, von Malaga aus“, nickte ich.

„Das sieht ihm ähnlich, immer einen Schritt voraus! Ihm wäre das mit seiner Mutter aufgefallen!“

Da klang Neid und Verachtung heraus, was auch immer Corvin war, Pierre hatte keinen Grund so über ihn zu denken. „Du solltest nicht so …“

Er hob eine Hand, „Und wieder nimmst du ihn in Schutz! Ist es da ein Wunder das ich so über ihn denke? Er bekommt alles, den Ruhm, die Anerkennung, dich!“, zog er angewidert die Oberlippe hoch.

„Wenn du so über Corvin denkst wird es das Beste sein, du gehst einen anderen Weg, Pierre. Wir benötigen keine Querulanten die Unruhe in unsere Reihen bringen.“

Er schloss einen Moment die Augen, „Es ist schon vorbei! Es ist die Bitternis, die mich erfasste. Ich bewundere deinen Verlobten und ja ich beneide ihn, weil er schlauer war als ich. Er konnte dich einfangen, was mir niemals gelang.“

„Wir brechen in fünf Minuten auf!“, erscholl es durch das gesamte Haus. Der Ruf befreite mich vor einer Antwort, den ich nur zu gern wahrnahm.

Sofort erhob ich mich, „Dann werde ich mal Peer suchen. Wurde euch gesagt, dass wir jeweils bei einen Partner verbleiben sollen?“, schaute ich sie abwechselnd an.

„Ja!“, antwortete Michelé, der sich in die Höhe reckte, „Hoffentlich ist es bald vorbei, ich sehne mich nach Ruhe und Frieden.“

„Wer nicht!“, lachte ich, mich verabschiedend, Peer erwartete mich bereits, als ich das Zimmer verließ.

„Alte Freundschaften wiederbelebt?“, fragte er mit missmutigen Blick.

„Ja, ich dachte du magst Michelé?“

„Ihn ja, aber der andere ist fragwürdig.“

„Was du wieder hast!“, folgte ich ihm zur Haustür, Peer schnaufte lediglich.

„Wie wir gehen vorn hinaus?“, fragte ich ihn, als ich einen Teil der restlichen Gruppe erspähte.

„Kein Verstecken mehr! Wer uns in die Quere kommt, wird festgenommen, oder erledigt“, fügte er leise hinzu.

Als das Trio die versammelte Gruppe inspizierte, klärte uns Vater auf, „Wir nehmen den direkten Weg nach Haus, das heißt zur Festung. Unsere Verbündeten, damit meine ich die offiziellen Jäger und wir sind übereingekommen, diesen Krieg ein für allemal zu beenden. Die Anführer sind entlarvt, somit können wir ihre Komplizen und Helfer gefangen nehmen.“

„Sollten wir in Kämpfe verwickelt werden, dürfen wir uns ohne nachteilige Konsequenzen für uns, mit aller Macht wehren.“, erklärte uns Henry, ein zustimmendes Raunen folgte.

„Deshalb werden wir uns nicht weiter verstecken! Zudem werden alle Clans über unsere Vorgehensweise informiert. Die Stunde der Entscheidung ist gekommen, jede Familie wird die ihre treffen müssen.“, bildete der Boss den Schlusssatz und öffnete schwungvoll die Tür.

Das sein Blick dabei Pierre streifte, der neben mir stand, kam mir merkwürdig vor. Zweifelte das Trio an seiner Loyalität? Ich konnte es mir kaum vorstellen, schließlich war er für das Vorgehen Namines keineswegs verantwortlich.

Kapitel 50

Am helllichten Tag marschierten wir los, quer durch Athens Straßen. Der Boss nahm seine Worte sehr genau, denn uns wurden von Einheimischen, wie Touristen ängstliche Blicke zugeworfen. Zuweilen wechselten die Passanten sogar die Straßenseite, falls ihnen dies möglich war.

„Warum fahren wir nicht mit einem Auto?“, murrte Till, „Das wäre um einiges unauffälliger.“

Peer schnaufte, überhaupt bemäkelte er jede Kleinigkeit seitdem wir in Athen ankamen mit seinem Schnaufen. „Überlege doch mal!“, fuhr er Till an, „Wir nutzen kein Verkehrsmittel, damit die Clans informiert werden können. So haben sie genug Zeit, um ihre Truppen in Stellung zu bringen.“

„Als ob das so gut wäre!“, widersprach Till, „Wer weiß schon, wie viele Gegner wir vor uns haben?“

„Nicht nur das, auch unsere Verbündeten werden ihre Leute mobilisieren.“, fügte Matt hinzu.

„Demnach läuft es also auf eine endgültige Schlacht hinaus!“, folgerte Till.

„Der Schnelldenker hat es kapiert!“, lachte Matt, ihn auf die Schulter klopfend.

„Was denn? Davon rede ich seit Jahren! Aber nein, lasst uns abwarten, verhätschelt die Jäger, krümmt ihnen ja kein Haar! Und auf einmal geht es? Wer soll sich da noch auskennen?“

„Spart eure Puste!“, brummte Peer übellaunig, dabei beschleunigte er seine Schritte, als kämen wir nicht schnell genug voran.

„Was ist mit dir los?“, sprach ich ihn direkt an.

„Was wohl? Auf zur Festung! Genau, diesem Aufruf wird jeder Vampir folgen. Was wird uns erwarten, wenn wir dort eintreffen? Alischa und ihre Komplizen könnten sie eingenommen haben, denn das würde ich, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Gefangene!“, sah er mich erbost an.

Zurecht! Nicht einen Moment dachte ich an Prya, Alia, Rosmerta, Diederich, all die Freunde, die wir zurückließen. „Du machst dir Sorgen wegen Alia, stimmts?“

Sein schmerzvoller Blick besagte mehr als tausend Worte. Meine Frage was er für sie empfand, erübrigte sich somit. „Sie werden die Festung verteidigen!“, etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen. Denn sie alle in Alischas Händen, bedeutete nur eines, unser Scheitern.

 

Athen lag seit einigen Stunden hinter uns, inzwischen liefen wir an der Küste entlang. Bisher trafen wir auf keinen Gegner, als ob die Jäger vom Erdboden verschwunden wären.

Oder, und dies wollte ich mir auf keinen Fall ausmalen, sie formierten sich vor der Festung. Unser Zug kam ins Stocken, warum konnte ich nicht sagen, einige Sekunden später kamen zwei abgerissene Gestalten aus der Deckung hervor.

Sie sprachen mit dem Trio und Muse, kurze Zeit später reihten sie sich hinter Muse in unsere Reihen ein. „Sind das Muses Leibwächter?“, wollte ich von Peer wissen, der allein durch seine Größen einen Überblick hatte.

„Ja! Ein Wunder das sie noch Leben.“

„Oder es sind gute Krieger!“

„Davon solltest du ausgehen, denn Muse besitzt ein ausgezeichnetes Trainingslager, das von hervorragenden Kriegern geführt wird.“

„Davon habe ich noch nie gehört.“

„Was beweist, das ihr Plan aufging!“

„Ach und woher kommen deine Informationen?“

„Weil ich selbst zu den Trainern gehörte, bis Henry mich zurückbeorderte.“

Überrascht schaute ich ihn an, „Du? Aber?“, seine verstockte Miene ließ mich verstummen.

Schweigend trottete ich dahin, viele Gedanken beschäftigten mich. Ross, Pierre, die Erleichterung von Corvin getrennt zu sein und das im wahrsten Sinne des Wortes. Muses Leibwächter und ja auch die Stunde intimer Zärtlichkeit, die mich innerlich noch immer aufwühlte.

So verging der Tag, mit Einbruch der Dunkelheit, beschleunigte sich unser Tempo. Entlang des Küstenstrichs liefen wir abseits der Straßen, kaum jemand begegnete uns und falls doch so verlangsamten wir unsere Schritte.

Oft schaute ich zu Ross, er gliederte sich vollkommen ein, nichts deutete auf seinen Status hin, er befolgte jeden Befehl des Trios, wandte sich leutselig Vater zu.

Wie er wohl reagiert, wenn er erfährt das Ross sein Großvater ist? Lächelnd stellte ich mir sein Gesicht vor, das wird ein ganz schöner Schock, wie ich selbst am eigenen Leib erfuhr.

Ambrosius und Ross ein und dieselbe Person! Kaum zu glauben, der bescheidene wortkarge Vampir unser aller Urahn. Rosmerta und Intha, dachte ich, sie steckten unter einer Decke. Als ich auf der Festung weilte, regte sich keinerlei Verdacht.

Einfach nichts! Und doch durchschaute der Boss den alten Vampir. Wusste es Corvin schon, als Intha unerwartet auftauchte? Wie kam Malech dahinter? Eine weitere Frage, die vorerst unbeantwortet blieb.

„Wir legen eine Pause ein!“, durchbrach Peer meine Gedanken, „Du ruhst dich aus, wir Älteren übernehmen die Wache.“, sagte er mir.

Dagegen wandte ich nichts ein, die letzte Strecke zehrte an meinen Kräften, wie ich mir ehrlich eingestand. Dabei wirkten die anderen frisch und ausgeruht, was mich wiederum wurmte. Dagegen konnte ich leider nichts tun, es fehlte mir einfach an Jahren.

So setzte ich mich ein wenig abseits und schloss die Augen, eine Bewegung neben mir erschreckte mich, als ich aufsah, stand der Boss da. „Wirst du die restliche Strecke in diesem Tempo schaffen?“, wollte er wissen.

„Sicher!“Zweifelte er etwa daran?

„Gut, ich würde unsere Gruppe ungern trennen.“

„Keine Sorge, Boss!“

„Falls es dir zu anstrengend wird, sage es, es ist keine Schande.“

In deinen Augen vielleicht nicht, in meinen schon, nickte ich und wusste, niemals würde ich zugeben, dass das Tempo zu schnell sei, dann ging er endlich. Warum musste er gerade mich fragen und dabei auch noch so gut aussehen?

Ruhe konnte ich nicht finden, denn kurz darauf setzte sich Pierre zu mir, „Ihr seid nicht mehr zusammen, was wollte er dann von dir?“

Hörte ich richtig? „Was willst du dann hier? Schließlich haben wir auch nichts mehr miteinander zu schaffen!“

„Bei uns ist es natürlich etwas anderes!“, behauptete Pierre.

„Natürlich, wenn du meinst! Aber ich sehe keinen Unterschied zwischen dir und Corvin. Außer einen Gravierenden würde ich sagen, bei Corvin wusste ich immer woran ich war.“

„Mein Gott Sarah! Bedenke wir hatten eine lose Beziehung, mit ihm warst du verlobt! Er hat sein Wort nicht gehalten und sich von dir getrennt.“

„Woher beziehst du dein Wissen?“

„Warum?“

„Weil ich die Verlobung löste, als Erstes! Zum Zweiten geht es dich nichts an.“, stand ich nun auf, von Ausruhen keine Spur. Im Gegenteil ich freute mich direkt darauf wenn es weiterging.

Gegen Pierre und seine Anmaßung grollend, setzte ich mich zu Vater und Muse, zwar saß auch Livio dort, doch ihn empfand ich momentan als das kleinere Übel.

„Schwesterherz!“, strahlte er mich an.

Was sollte denn das nun wieder? Sprach er mich nur noch einmal so an, dann kratze ich ihm die Augen aus.

„Livio“, wandte sich Muse an ihn, „Gib Sarah ein wenig Zeit, sie kennt dich nur als Arschloch.“

Besser konnte man es nicht ausdrücken, unterdrückte ich mein Lachen. Vor allem da Vater seine geliebte Muse ungläubig anstarrte.

„Du kannst mich ruhig in den Boden starren Vlad Sardovan, ich habe nun einmal recht. Versetzt euch doch nur einmal in ihre Lage, ein bisschen Mitgefühl täte euch ganz gut.“

Muse erstaunte ich immerzu, in Granada tat ich sie als Sonderling ab, mit ihren langatmigen Gedichten, nun verteidigte sie mich zum zweiten Male vor Vater.

Welch Wunder, Vater lenkte ein! Ebenso wirkte Livio ganz zerknirscht, ah die Frau wusste die richtigen Worte zu sagen und nahm mir vor ihre Gedichte in Zukunft mit mehr Aufmerksamkeit zu lauschen.

„Was wollte Corvin? Ich sah euch miteinander reden.“, fragte Vater beunruhigt nach.

Eigentlich wollte ich ihn anfahren, das es ihn nichts anging, doch ein warnender Blick Muses änderte meine Meinung. „Er wollte wissen, ob ich mit dem Tempo mithalten kann.“, antwortete ich artig.

„Ja, so ist er!“, nickte Vater, „Gönnt sich selbst keine Ruhe und fragt bei allen nach, ein echter Anführer.“, klang unverkennbar Stolz in seiner Rede mit.

„Will er die Gruppe trennen, falls einigen die Kraft fehlt?“, fragte Muse.

Vater sah sich nach Corvin um, automatisch folgte ich seinem Blick, tatsächlich er wanderte von Grüppchen zu Grüppchen und unterhielt sich mit ihnen.

„Kaum“, meinte Vater, „Eher drosselt er das Tempo. Was nicht verkehrt wäre, denn so können sich uns andere Vampire anschließen.“

„Aber die Festung!“, dachte ich an Peers Sorge.

„Ist in guten Händen, wir müssen daran glauben, Sarah. Jetzt in Panik zu verfallen und zur Festung zu stürmen, könnte alles zunichtemachen. Alischa besitzt einen Vorsprung den wir niemals aufholen können, sie mobilisierte ihre Handlanger vor Wochen, wir fangen gerade erst an.“

„Warum erst jetzt? Standen euch nicht genug Spione zur Verfügung?“, streifte ich Livio mit einem vorwerfenden Blick, „oder wurdet ihr nicht rechtzeitig informiert?“

Livio verstand meinen versteckten Vorwurf sofort, „Alischa zu durchschauen ist fast unmöglich. Bist du immerzu in ihrer Nähe, kämpfst du jede Sekunde um deinen freien Willen. Sie manipuliert allein durch ihre Stimme, du glaubst ihr jedes Wort, falls du nicht höllisch aufpasst. Da entgehen einem wichtige Dinge, darin liegt ihre Macht.“

„Ja“, stimmte Vater zu. „Bevor Corvin damals bei Mutter auftauchte, hinterfragte ich nie, stimmte ihr in allem zu, auch wenn es eigentlich wider meiner Natur war.“, seufzte er verhalten gefangen in seiner Erinnerung.

„Naja es ist lange vorbei!“, erhob er sich, „Ich will Corvin mal …“, brummelte er vor sich hin ohne den Satz zu beenden.

Wir schauten ihm nach, „Es muss schlimm für ihn gewesen sein, die wahre Natur seiner Mutter zu erkennen.“ Sagte ich laut.

„Ja“, antwortete Muse, „Er leidet noch heute darunter. Er sagt er habe Verbrechen begangen, die er sich niemals verzeihen kann.“

„Heute kann ich sein Entsetzen verstehen, als er erfuhr das ich mich freiwillig als Spion bei Alischa meldete. Sehr gut sogar, auch ich beging Taten, die ich zutiefst bereue. Gerade bei dir Sarah, sie beauftragte mich, dich zu quälen, Zwietracht zwischen dir und Vater zu säen. Scheußliche Dinge verlangte sie und oftmals enttäuschte ich sie, was sie hart bestrafte.“, lachte er humorlos. „Doch ich hielt durch, sagte mir, es wird sich lohnen um dann schlussendlich doch zu scheitern, denn Alischa vertraut niemanden, ich fand im Grunde nichts Wesentliches heraus. Was für eine Zeitverschwendung.“

Allmählich wurden mir all die Geständnisse zuviel, es brachte meine gesamte Anschauung der Dinge durcheinander. Weder Muse, Ross, Livio, Vater, Rosmerta, Intha waren das, was sie vorgaben zu sein.

Wer noch? Fragte ich mich, den Blick schweifend lassend, Ciaran ein Verbündeter, Selina in Corvins Namen seine Aufpasserin, Peer der Alia liebte und zudem in einem geheimen Trainingslager arbeitete. Was erfuhr ich noch? Blieben Eric, Matt und Till, Henry und wahrscheinlich auch sein Sohn, mein bester Freund. Kannte ich sie überhaupt wirklich, oder sah ich nur das was sie vorgaben zu sein?

Musste ich jeden auf ein Neues kennenlernen? Nein nicht jeden, fiel mir auf, einen gab es, der trotz aller Geheimnisse er selbst blieb, Corvin Sardovan. Wie seltsam, gerade von ihm erwartete ich es.

Die Anzeichen für unseren baldigen Aufbruch begannen, es wurde sich gestreckt und gerekelt. Nach Peer Ausschau haltend begab ich mich auf die Suche.

„Das wird eine verdammte Schinderei!“, bemerkte Eric als ich mich nach Peer erkundigte, „Er ist soviel ich weiß mit Ross vorausgegangen. Frage den Boss, mit wem du gehst, ich suche Till, der hat sich vorhin mit der grauen Maus ins Dickicht verkrümelt. Ich hoffe doch mal sie werden ihre Triebe zurückhalten, ansonsten gibt es Ärger.“, meinte er entrüstet.

Also ließ ich Eric mitsamt seines Verdrusses stehen, den Boss fand ich schnell. Ihn aber anzusprechen schien unmöglich, jeder wollte etwas von ihm.

„Welchen Weg schlagen wir ein?“

„Stoßen weitere Vampire dazu?“

„Sollten wir kein Verkehrsmittel nehmen?“

Fragen über Fragen, Vorschläge sowie Forderungen hörte ich und jeder bekam eine Auskunft. Er beruhigte und strahlte Zuversicht aus, bis Henry sich durch die Leute drängelte. „He!“, rief er laut, „Ihr kennt die Gefahren, daran hat sich in den letzten Stunden nichts geändert. Ihr benehmt euch wir aufgeschreckte Hühner. Jeder der zweifelt kann gehen, wir halten niemanden auf.“

Daraufhin verstummten sie alle, Blicke huschten umher auf der Suche nach dem ersten Wankelmütigen, aber keiner wollte der Erste sein.

„Na also!“, lächelte Henry, „Solange wir zusammenhalten, schaffen wir alles.“

„Ja solange sie keine Fahnenflucht begehen!“, raunte Malech leise hinter mir. Ich drehte mich um, „Wie kannst du so was sagen?“

„Weil es die Wahrheit ist! Mit uns steht oder stirbt die Hoffnung. All die verweichlichen Typen mit ihren Jobs und dem weißen Gartenzaun, machen sich vor Angst in die Hose. Sie stecken lieber den Kopf in den Sand und warten das der Sturm an ihnen vorüberzieht.“, bemerkte er abfällig.

„Bisher rührte sich kein Arsch! Sie haben Schiss und warten lieber ab!“, spuckte er voller Abscheu auf den Boden.

„Griechenland gehört zu Alischas Einflussgebiet, warte doch erst einmal ab.“

„Behalte deinen Optimismus, Sarah, wir können ihn gut gebrauchen.“, lachte er, als er davonging.

Sah es wirklich so düster aus? Es stimmte schon kein weiterer Vampir stieß bisher zu uns. Dies erwartete ich auch nicht, sie lebten schon zu lange unter Alischas Herrschaft. Wer wusste auch schon wie viele Vampire sie zwangsrekrutierte, die verbliebenden Angehörigen saßen in der Zwickmühle. In Bulgarien werden die Ersten zu uns stoßen! Davon war ich fest überzeugt.

„Was ist mit dir?“, holte der Boss mich aus meinen Gedanken.

„Mit wem soll ich gehen, da Peer vorausmarschiert.“, informierte ich ihn schnell und so unpersönlich wie es nur ging.

Einen Moment schaute er mich vorwurfsvoll an, so als belästigte ich ihn mit der Frage, „Ciaran!“, rief er befehlend, „Nimm du Sarah, derweil kann Selina mir als Partnerin dienen.“

Ciaran verbeugte sich leicht, dabei lächelte er hintergründig, „Wie du meinst!“

Selina stellte sich sogleich neben Corvin, innerlich kochte ich, wandte mich jedoch meinen neuen Partner zu, dem ich nach wie vor misstraute. „Wir werden uns schon verstehen!“, bemerkte Ciaran süffisant, während ich Selina und dem Boss nachblickte.

„Träum weiter!“, fuhr ich ihn an, „Für mich gehörst du zum Feind!“, machte ich ihn deutlich.

Daraufhin lachte er mir frech ins Gesicht, „Wie erfrischend ehrlich du doch bist! Warum schickte dich Corvin nicht als mein Wachhund, es wäre weitaus amüsanter gewesen. Sage mir Sarah, bin ich in ernsthafter Gefahr, oder schaltest du zuerst deine Konkurrentinen aus?“

„Ich weiß gar nicht, was du meinst?“

Aus zusammengekniffenen Augen musterte er mich von oben bis unten, „Doch nicht so ehrlich, hm? Ich komme noch dahinter! Nach dir meine Liebe, wir sollten den Anschluss nicht verpassen.“, deutete er auf die Vorangehenden.

 

Für die nächste Etappe unserer Reise benötigte ich all meine Kraft, nachdem wir den stark besiedelten Küstenbereich hinter uns ließen, ging es fortan querfeldein. Jede Art von Ortschaft wurde umgangen, Straßen so gut es ging ausgelassen, allenfalls schnell überquert.

Es ging stetig bergauf, für mich ein sicheres Zeichen bald Bulgarien zu betreten, dies hielt ich mir ständig vor Augen, ein Ziel ich benötigte unbedingt ein Ziel.

Bevor es so weit war, musste die Grenze passiert werden. Dies bedeutete eine zusätzliche Gefahr, denn Jäger konnten diese patrouillieren. An für sich stellte die Grenze zu Bulgarien kein Problem dar, es gab für uns genügend Stellen, die wir unbemerkt von den Menschen überschreiten konnten.

Schließlich legten wir eine Pause ein, ein guter Gedanke zuvor noch einmal eine Rast einzulegen, ließ ich mich erschöpft auf den Waldboden fallen. Was bei meinen Begleiter Ciaran ein spöttisches Lächeln auslöste.

„So langsam verschwindet deine hochnäsige Miene!“, bemerkte er.

„Das war ich noch nie!“, behauptete ich entrüstet, sogar das strengte mich an.

„Wie du meinst!“, erklärte er, als ob er es besser wüsste.

Mit dem gab ich mich erst gar nicht ab, drehte ich ihm den Rücken zu. Der sollte sich mal selbst unter die Lupe nehmen, in Arroganz stand er dem Boss nicht im Geringste nach. Wo steckte unser Oberhaupt überhaupt? Sah ich mich um und erblickte ihn. Ha! Woher nahmen sie die Kraft, jetzt auch noch zu scherzen?

Nein kein Scherzen, Selina und Corvin flirteten ganz ungeniert. Weder Vater noch Henry nahmen daran Anstoß. Noch sonst jemand, wie ich mit einem schnellen Rundblick feststellte.

Wo war Charly? Ah auch sie beobachtete! Gut! Sie gehörte keineswegs zu den Weibchen, die sich leicht geschlagen gaben, freute ich mich bereits, auf den baldigen Clinch.

„Du siehst aus wie eine Katze vor ihrem Milchtopf. Was amüsiert dich denn?“, fragte Ciaran verschlagen nach.

„Ich freue mich lediglich, bald meine Tochter wiederzusehen.“, täuschte ich ihn und wurde sogleich erwischt. „Lügnerin!“, vertiefte sich sein Grinsen, „Du solltest Unterricht bei Prya nehmen, denn sie beherrscht diese kleine Untugend. Wahrscheinlich schlägt sie in dieser Beziehung ganz nach dem Vater.“

„Du kennst Prya?“

„Sicher und sehr gut sogar. Marsé ist eine alte Freundin, sie besuchten mich oft. Seitdem ich mich mit dem Hause Sardovan verbündete sogar mit dem Wissen eures Bosses. Das erstaunt dich?“

Und wie es mich überraschte, Prya in seinem Hause, da hätte alles Mögliche geschehen können. Vielleicht gar eine Liebe zu einem älteren Vampir? Ciaran kam auf meiner Liste der möglichen Kandidaten ganz nach oben.

Aber würde Ross einer solchen Liebelei billigen? Denn für mich stand es außer Frage wer Pryas Vertrauter war, das konnte nur er sein. Der Großvater der sich mit der gesamten Familiengeschichte auskannte, der genau wusste, dass ich lebte. Ross der Strippenzieher im Hintergrund, ja er musste Prya, die entscheidenden Hinweise gegeben haben.

Charlys wiegender Gang unterbrach meine Gedanken. Jetzt geht es los, setzte ich mich gespannt auf. Richtig Selina bemerkte sie, bevor es der Boss tat.

Sie drängte sich zwischen Vater und Corvin. Keine gute Idee, das Trio war und blieb ein Verband, entweder mit ihnen oder rausfliegen. Selinas Fehler rächte sich sofort, der Boss maßregelte sie mit einem seiner Teufelsblicke.

Was Selina nur teilweise beeindruckte, sie blieb gleich hinter ihm stehen, legte wie zufällig ihre Hand auf seinem Arm. Anstatt ihn sofort abzuschütteln, ließ Corvin es sich gefallen.

Inzwischen trat Charly dazu, ein lautloser subtiler Machtkampf begann. Mit Blicken versuchten sich die Konkurrentinen einzuschüchtern. Das Trio selbst diskutierte weiter, ob sie etwas von dem giftigen Blickwechsel mitbekamen, wusste ich nicht zu sagen.

Jedenfalls sah Vater sich nach Muse um, als er sie entdeckte, ging ein bezauberndes Lächeln über sein Gesicht, welches Muse mit gleicher Hingabe erwiderte.

Wie anders, sie sich doch verhielten, ein wenig eifersüchtig wandte ich mich ab. Sollten die Buhlen dich doch zerfleischen, mich ging es nichts mehr an. Ja sie passten zu ihm, jagte er nicht genauso gern hinter Abenteuern her? Nun fiel er einmal in der Gattung des Gejagten, geschah ihm recht.

„Was meinst du, wer macht das Rennen?“, wollte Ciaran wissen.

„Ist doch egal!“, zuckte ich desinteressiert die Schulter, „Warum begibst du dich eigentlich nicht auf die Jagd?“, vielleicht kam ich meiner Vermutung näher.

„Charly und Selina?“, kräuselte er die Nase, „Nein zu anstrengend, momentan ziehe ich eine verlässliche und gesicherte Beziehung vor.“

„Ah und mit wem?“, klopfte mein Herz wild. Er war es! Er verdrehte Prya den Kopf!

Ciaran lächelte spitzbübisch, „Die Dame meines Herzens zaudert, deshalb will ich sie keinerlei Spekulationen preisgeben.“

Enttäuscht sank ich in mich zusammen, demnach konnte Prya es nicht sein, sie kannte keine Bedenken.

„Darf ich dir aufhelfen?“, fragte Ciaran artig, mit Blick auf den allgemeinen Aufbruch deutend.

„Das kann ich auch allein!“

„Hochnäsig wie immer, Kriegerin! Du solltest Schwäche und Höflichkeit unterscheiden lernen.“

Er und seine spitzfindigen Bemerkungen, auch etwas was mich an den Boss erinnerte, zielte mein Blick auch gleich auf ihn, er amüsierte sich ja prächtig. Kein Wunder gleich zwei schöne Weiber, die ihn hofierten, dachte ich verächtlich.

Mein Ärger wuchs mit jeder Stunde, wir gingen langsam voran. Der Wald, in dem wir uns befanden lag nahe der Grenze, hier konnten wir jederzeit auf Mensch und Jäger treffen. Deshalb blieb mir das Getue Selinas und Charly nicht erspart, ebenso wenig wie Corvins Reaktionen.

Mit knirschenden Zähnen verfolgte ich jede Geste. Warum eilte Ciaran nur so voran? Mir wäre es lieber, als Letzter zu gehen, aber nein er bestand auf seinen Anspruch als Ratsmitglied und Verbündeter direkt hinter der führenden Gruppe zu gehen.

So fand ich mich bei Pierre und Michelé wieder. Direkt hinter uns gingen Kahlaf und Merkur. Auch Pierre beobachtete das Gebaren meiner schlechten Laune und kommentierte dies auch noch.

Schließlich stieß Michelé ihn rüde an, „Du solltest es lassen!“, warf Michelé einen kläglichen Blick auf mich.

„Sarah mag kein Mitleid, mein Freund und besser sie sieht was für ein treuloser Vagabund ihr ehemaliger Verlobter ist.“, meinte Pierre eiskalt.

„In der Tat!“, mischte Merkur sich ein, „Unsere Sarah besitzt das unglückliche Händchen sich immer die falschen Partner auszusuchen, Pierre!“

Daraufhin hielt er beleidigt den Mund, ich warf Merkur ein dankbares Lächeln zu. Pierres wettern gegen Corvin regte mich allmählich auf.

 

Kapitel 51

Endlich erreichten wir die Grenze, geduckt schleichend sondierte eine Gruppe das Gelände. Wartend lag ich neben Ciaran, der aufmerksam das vor uns liegende Gebiet beobachtete.

Nichts das Geringste rührte sich, ich schloss die Augen jede Pause nutzend. Wie lange hielt ich es noch ohne Nahrung aus? Die Anstrengung des Marsches zerrte an meine Kräfte, bald würde sich auch bei den anderen die Erschöpfung zeigen. Blut! Wir mussten an Blut kommen!

Eine sichere Nahrungsquelle schob sich ein gierig trinkender Kahlaf vor mein inneres Auge. Die Gier ließ mich unruhig werden, Ciaran neben mir bemerkte es. „Was ist los?“, inspizierte er das Gelände intensiver.

„Nichts!“, entgegnete ich, doch ich irrte mich, da kam Peer hoch aufgerichtet, schlenderte er völlig entspannt auf das Trio zu. Sofort erhoben sie sich, „Alles in Ordnung!“, rief Peer schon von Weitem, „Wir bekommen Zuwachs“, grinste er befreit.

Hinter ihm erschien eine Gruppe stark bewaffneter Krieger, sie trugen Rucksäcke auf ihren Schultern, zusammengerollte Decken unter den Armen, ein Karren wurde durch das unebene Gelände gezogen. Wollten die etwa ein Picknick veranstalten?

So in der Art stellte ich bald darauf fest, denn Flaschen mit Nahrung wurden herumgereicht. Endlich! Konnte ich es kaum erwarten, eine zu ergattern. Zuerst das Trio, dann die Ratsmitglieder wurde meine Gier auf eine harte Probe gestellt. Ciaran kam mit einer geöffneten Flasche zurück, am liebsten hätte ich sie ihm aus den Händen gerissen. „Hier“, hielt er mir das ersehnte Stück entgegen, „Bevor du mich anfällst!“, grinste er zynisch.

„Ich kann warten!“, entgegnete ich schroff.

Er hielt mir das köstliche Nass weiterhin unter die Nase, „Nun nimm schon! Ich weiß, was zehrender Hunger anrichten kann“, verlor er sein Grinsen.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, gierig schnappte ich danach und trank die Flasche restlos leer. Ohne Bedauern ließ ich die Flasche sinken.

„So schlimm!“, nickte er bedeutungsvoll, „Du solltest dir nochmals eine Portion holen, wer weiß, wann wir wieder etwas bekommen“, riet er mir.

„Die werde ich mit dir teilen!“, sagte ich großzügig, worauf er lachte, „Nein, denn ich habe Vorsorge getroffen!“, holte er eine weitere Portion aus seiner inzwischen verschmutzte Designerjacke.

„Ist es nicht ungerecht?“, kam nun da mein Hunger gestillt wurde das schlechte Gewissen.

Er zuckte nachlässig die Schultern, „Lange können wir die Nahrung nicht aufbewahren. Weshalb also die falsche Scham? Sauf, soviel du kannst, jeder Tropfen bedeutet Leben.“

Ich sah hinüber zum Karren, anscheinend dachte jeder so. Selbst Vater zog mit mehreren Flaschen davon. Nun kam er direkt auf mich zu, „Sarah hier!“ Überreichte er mir zwei Flaschen, „Sie sind seit gestern unterwegs, lange hält sich der Vorrat nicht mehr, deshalb sättigen wir uns jetzt vollkommen.“

„Eine reicht völlig aus, Ciaran gab mir schon eine“, nahm ich ihm dankbar eine ab.

„Ach ja?“, verdüsterte sich Vaters Miene, während er Ciaran anschaute. Dieser lachte Vater ins Gesicht, „So bin ich nun einmal!“

„Seit wann?“, wollte Vater wissen.

„Seitdem ich bemerkte, dass die Kleine bald ihre Fassung verliert. Wir sollen doch auf unseren Partner achten, nicht wahr? Ich halte mich nur an eure Befehle!“

Vater erwiderte kein Wort, was sollte er auch sagen, so lautete nun einmal die Direktive, trotzdem beäugte Vlad den Vampir misstrauisch. Ich verstand, auch er zweifelte an Ciarans Loyalität. „Wer sind die Leute, die gekommen sind?“, fragte ich Vater, damit er vor Ciaran abließ, irgendwann würde er einen Fehler begehen und ich wollte ihn überführen.

„Ein kleiner Clan, der verdeckt hier in Griechenland lebt. Alischa hatte kein Interesse an ihnen, es sind hauptsächlich Familien, die in Ruhe leben wollen.“

Ciaran schnaufte verächtlich, „Bürokraten! Sesselpupser! Nenne sie beim Namen, kaum die Verstärkung, die wir benötigen.“

„Sie helfen!“, erwiderte Vlad streng, „Hinter der Grenze haben sie ein Lager aufgeschlagen, dort werden wir rasten“, teilte Vater uns reserviert mit.

„Ein Lager“, zischte Ciaran ungehalten, „Was sollen wir damit? Krieger benötigen wir!“

„Wo sind denn die deinen?“, wollte ich wissen.

Er sah mich erstaunt an, „Ich gehöre keiner Familie an, noch schare ich Domestiken um mich.“

„Ach? Ich dachte, jedes Ratsmitglied besitzt einen eigenen Clan.“, so viel ich wusste auch Ciaran, dessen Familie in den nördlichen Breiten lag.

„Nun weißt du es!“, fauchte er mich ungehalten an, missgelaunt erhob er sich und ließ mich allein zurück. Was sollte dieser Ausbruch? Lag es an der Enttäuschung, die er erlebte? Wen konnte ich danach befragen, stach mir Henry ins Auge, der gerade bewaffnet mit mehreren Flaschen einen ruhigen Ort aufsuchte.

Ich wartete, bis er an einem Baum gelehnt, die ersten Schlucke tat, dann setzte ich mich in Bewegung. Lächelnd klopfte er neben sich auf den Boden, „Komm her mein schönes Kind und leiste mir bei einem guten Tropfen Gesellschaft“, schob er mir mit dem Fuß eine Flasche entgegen.

„Hab schon!“, hob ich meine Hand.

„Nur keine Scheu, es ist genug da, muss sowieso alles weg“, genehmigte er sich einen weiteren Schluck, „Ah das tut gut! Langsam fühle ich mich wieder stark genug für einen kleinen ritt“, säuselte er die Augen umherschweifend lassend auf der Suche nach der passenden Gesellschaft.

Nun nach den Vorräten zu schließen gab es genug Auswahl, musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Bevor er jedoch auf Freiersfüße ging, wollte ich einige Antworten.

„Ciaran! Woher kommt das Interesse an ihm? Du willst doch keine Beziehung zu ihm? Denn davon würde ich abraten, meine Schöne“, säuselte er den Blick auf einen der Neuzugänge gerichtet. „Sie sieht bezaubernd aus. Findest du nicht auch?“

„Ciaran und seine Familie!“, erinnerte ich Henry.

„Davon weiß ich nicht viel, er trat eines Tages an Corvin heran, sagte er habe mit seinem Clan gebrochen und wolle sich uns anschließen. Seitdem spioniert er für uns. Was genau vorgefallen ist, kann dir nur dein Verlobter beantworten“, flirtete er unterdessen mit der Bezaubernden. Von ihm bekam ich keine weiteren Antworten, das Blut verlangte sein Recht, dem er hilflos ausgeliefert war, erkannte ich.

Unbeachtet ließ er seine Vorräte zurück und marschierte auf die Auserkorene zu, schon bald verschwanden sie im Wald. Na denn öffnete ich eine weitere Flasche, zu Schade um sie verderben zu lassen.

Von meinen Beobachtungsposten schaute ich dem Treiben zu, kaum ein Vampir verschwand allein im Wald. Der Karren inzwischen verwaist blieb allein zurück. Einige Krieger unterhielten sich, sogar von Vater und Muse fehlte jede Spur, stellte ich verwundert fest.

Auf einmal setzte sich jemand seufzend neben mich. Eric, der mich strahlend anlachte, „Wenigstens einer der einen kühlen Kopf bewahrt! Ich sah dich, als ich mich vor der grauen Maus versteckte, sollte sie mich auffordern wirst du mich beschützen müssen. Sie sind alle außer Rand und Band.“

„Du nicht?“, zweifelte ich, als ich ihn mir so ansah.

Er grinste, „Glaub mir wäre meine Frau in der Nähe …“, träumte er sinnend vor sich hin. Wir bekamen weitere Gesellschaft, Peer und Matt.

„Was ist mit euch los?“, wollte Eric wissen: „Die graue Maus sucht noch einen passenden Partner.“

„Kein Interesse!“, erwiderte Peer kalt, Matt nickte, was Eric reizte, „Peers Verhalten kann ich nachvollziehen, doch deines? Was ist mit dir los?“

Matt zog seinen Kopf ein, „Irgendwann geht einem das ganze Getue gegen den Strich.“

„Das ganze Getue?“, hinterfragte Eric spitzbübisch grinsend, „Ich glaube eher, du liebäugelst nach einer bestimmten Person, du bist verliebt! Wer ist sie denn?“, schaute er sich um. Selbst mir viel sein Seitenblick auf mich auf.

„Nein!“, riefen wir drei gleichzeitig aus. Während ich heftig den Kopf schüttelte, meinte Eric maliziös, „Oh Gott, noch ein Drama!“

Matt blieb bei unserem Ausruf stumm, mit gesenktem Kopf saß er da, doch Eric piesackte ihn mit Fragen. „Lasst mich ja in Ruhe!“, fuhr er uns wie der Derwisch an, „Was kann ich dafür? Es ist nun einmal geschehen! Wie kann sie sich auch so verwandeln? All ihr Gebaren, wie weiblich sie sein kann, habt ihr keine Augen im Kopf? Außerdem ist Sarah frei und ich bin nicht die schlechteste Partie!“, grunzte er ungehalten. Während seiner Rede schaute Matt mich nicht einmal an, bekümmert hörte ich zu, wie sollte ich mit seinem Geständnis umgehen?

„Ich verstehe dich durchaus“, meinte Peer, „als ich Sarah kennenlernte verliebte ich mich auch in sie“, gestand er, „aber da war sie mit Corvin liiert.“

„Ach deshalb benahmst du dich ihr gegenüber wie ein Arschloch!“, nickte Eric verstehend. Während ich einen nackten Peer vor Augen heraufbeschwor, die Erinnerungen flossen mir einfach zu. Lachend erzählte ich unsere erste Begegnung, sie sahen mich mit einem seltsamen Ausdruck an. „Was ist?“, wollte ich wissen. Dankbar bemerkte ich, wie Matt ebenso wie Eric und Peer das Geständnis von Matt in den Hintergrund schoben.

„Woher kennst du die Begebenheiten? Es sollte nach deiner Wandlung, eigentlich unmöglich!“

Selbst als ich ihnen schilderte als Corvin mich in seine Gedanken und Erinnerungen Anteil nehmen ließ, wechselte ihr Ausdruck nicht. Peer sprach als Erster, „Sarah, auch wenn Corvin dich an seinen Erinnerungen teilnehmen ließ, solltest du alles aus seiner Warte sehen. Als wir uns das erste Mal begegneten, waren wir allein, woher sollte er die genauen Geschehnisse kennen? Du kannst mir sagen, was du willst, es sind deine Erinnerungen!“

„Ja und dann sind es eben, meine!“, zuckte ich die Schultern.

„Aber es ist unmöglich!“, meinte Eric leise, sich vorsichtig umsehend, „und du solltest es niemanden verraten.“

„Ganz recht“, stimmte Peer zu, „Wer weiß noch davon?“

„Corvin“, bekam ich eine Gänsehaut.

„Wie kann das sein?“, wollte Matt wissen.

Wir sahen uns fragend an, keiner wusste eine Antwort darauf. Schließlich meinte Eric, „Kein Wort darüber!“, sah er uns beschwörend an. Was war so ungewöhnlich daran? Hendrik kannte jedes Detail seines Menschseins, er notierte sich jede Kleinigkeit, konnte ich nicht umhin dieses wichtige Detail anzumerken.

Woher kamen die Informationen? Wenn sie nicht von mir stammten und nun drehst du durch, ermahnte ich mich. Wie könnte ein anderer meine Gefühle, Einsichten und Erlebtes einfangen? Bleib in der Realität und sauge dir nichts aus den Fingern. Wie also konnte ich meine Erinnerungen behalten?

Eine Antwort könnte mir Corvin geben, doch ihn zu fragen kam zurzeit nicht in Betracht. Ich wollte ihn auf keinen Fall zu Nahe treten, die Auflösung der Verlobung lag war erst ein paar Tage her.

Närrin, du willst ihn nicht fragen, weil du dich nach ihm sehnst!

„Sarah?“, stupste mich Eric an, tief aus meinen Gedanken gerissen schaute ich ihn an. „Wir brechen zum Lager auf, jedenfalls diejenigen, die sich versammelt haben.“

Die anderen waren schon fort, so erhob ich mich und sammelte die restlichen Flaschen ein, „Was meinst du, wie lange sind sie noch haltbar?“

„Keine Ahnung, nimm sie mit und verzehre, was du kannst“, schlug er vor.

„Was ist mit dir?“, lächelnd schüttelte er den Kopf. „Noch einen Tropfen und ich verrate mein Gelübde, dies könnte ich meiner Frau niemals antun.“

„Eric?“, fragte ich zögernd, „wie soll ich mit Matt umgehen?“

„So wie immer, er kommt schon darüber hinweg. Eine Schwärmerei, ja und“, zuckte er die Schultern.

Ich hoffte, er behielt recht, ich wollte Matt keinesfalls als Freund verlieren. Zu zweit folgten wir den Vorangehenden in das Lager. An der Grenze mussten wir zwar aufpassen aber diese überquerten wir ohne Probleme. „Die Leute haben ganze Arbeit geleistet“, meinte Eric respektvoll, „für Bürokraten gar nicht mal so schlecht, ich bin auf das Lager gespannt.“

Gerade dieses Lager konnte sich sehen lassen, es gab genügend Zelte, Nahrung und was für das Trio am wichtigsten war, Computer und Handys mit denen sie die Festung und Verbündete erreichen konnten.

Geschäftig gingen das Trio und die Ratsmitglieder an die Arbeit. Ich hörte Muse und Kahlaf bestellten ihre Truppen zur Festung. Theodoric quartierte die seinen bereits vor Monaten in das Dorf unterhalb der Burg ein.

Ross übernahm wieder die kleinen Botengänge innerhalb der Gemeinschaft. Ich fragte mich, ob ihm diese Arbeit nicht zuwider sei, er der einstige Herrscher verrichtete nun eine geringe Tätigkeit.

Als die Kunde umging, auf der Festung sei alles in Ordnung, fühlte ich eine unglaubliche Erleichterung. Peer grinste den ganzen Tag vor sich hin. Irgendwer besorgte Wein sowie stärkere Getränke, es kam eine richtige Feierstimmung auf. Wohin man sich auch wandte, man musste mit jeden anstoßen.

Bald schwirrte mir der Kopf, so zog ich mich in eines der Badezelte zurück. Dort erwarteten mich drei Frauen, die mir zu Diensten seien, so meinten sie es jedenfalls, was ich ablehnte.

Leider ohne Erfolg, „Es ist unsere Aufgabe!“, versicherte mir die resolute Frau, die Jüngere nickte heftig, während die Ältere fast blind nach mir tastete. Nachdem sie meinen Arm ergriff, sprach sie in eine mir unbekannte Sprache, die Resolute lachte, dabei schüttelte sich ihr gesamter Körper besonders ihre enorme Oberweite.

„Mathilda“, wies sie auf die Ältere, „sagt du seist ein Krieger. Ein Krieger, der unbedingt ein Bad, einen Drink und einen Mann benötigt.“

„Ein Bad reicht mir völlig“, musste ich lachen.

„Dann wollen wir mal!“, krempelte sich die Resolute die Ärmel hoch. Zuerst überschütteten sie mich mit heißem Wasser, dann seiften sie mich ein, als sie vollkommen von ihrer Arbeit eingenommen die Intimzone erreichten, nahm ich die Sache selbst in die Hand. Worauf die Alte wieder etwas sagte.

„Was meinte sie?“, wollte ich wissen.

„Sie vergleicht dich mit einem scheuen Reh. Möchtest du gleich ins Schwitzzelt? Ansonsten trocknen wir dich ab?“

„Nein, ein bisschen Schwitzen wäre gut, damit kann ich den Alkohol loswerden. Ich habe ein bisschen viel getrunken“, entschuldigte ich mich.

„Das haben heute wahrscheinlich alle“, nickte die Resolute verständnisvoll, dann sagte die Alte wieder etwas. „Möchtest du einen Entspannungstrunk? Wir stellen ihn selbst aus Kräutern her. Mathilda bietet ihn nicht jeden an.“

„Gern!“, wollte ich niemanden beleidigen. Die Alte lachte freudig auf und klatschte in die Hände, die Jüngere verschwand aus dem Zelt, indessen spülte die Andere die Seife ab. „Da ist eine Verletzung am Bein, soll ich sie behandeln?“

Erstaunt schaute ich nach, sie müsste längst verheilt sein, besonders nach dem hohen Blutkonsum, den ich trank. „Nein das wird schon“, strich ich darüber, sie fühlte sich frisch an. Weiter dachte ich nicht darüber nach, da die Jüngere, bisher kein Wort sagte, mir einen Becher reichte.

„Trink nur“, sagte die Resolute, während sie mich in ein Handtuch wickelte. Der Sud schmeckte angenehm und hinterließ ein warmes Gefühl in der Bauchgegend.

„So nun ab in die Schwitzhütte …“, die Alte sagte etwas und die Frau kräuselte ihre Stirn, während sie antwortete. Ein kurzer Disput entstand, so glaubte ich jedenfalls, da die Alte aufgebracht schnatterte.

„Mathilda meint, du solltest zuerst ruhen und Kraft sammeln. Sie ist manchmal eigenartig, aber man kann sich auf ihr Urteil verlassen, bist du irgendwie krank?“

„Nein, kaum möglich oder?“

„An für sich ja, was willst du tun?“

„Ich höre auf die Erfahrung einer alten Frau und suche mir ein ruhiges Plätzchen.“ dabei schnappte ich nach meiner Kleidung.

„Aber nicht doch!“, schritt die Resolute ein, „Zuerst waschen wir dein Zeug, du kannst dich im Zelt nebenan hinlegen, dort liegen bereits einige, sei deshalb besonders leise, ja.“

Die Jüngere hielt mir die Plane auf und führte mich in das nächste Zelt, „Danke“, sagte ich, als sie mir ein Feldbett zuwies, sie lächelte nur. Während ich mich so bequem wie möglich machte, wunderte ich mich über die Wärme, die im Zelt herrschte, doch dann sah ich einen Ofen, der mit Holzspänen beheizt wurde. Die denken wirklich an alles, gähnte ich bereits. Was wohl in dem Kräutertrank war, schlummerte ich bereits ein.

Als ich aufwachte, fühlte ich mich erfrischt und ausgeruht. Wie lange hatte ich geschlafen, setzte ich mich auf. Bis auf ein besetztes Bett waren alle anderen leer. Wie seltsam dachte ich, so fest schlief ich ansonsten nie, schlug ich das inzwischen gelöste Handtuch fest um mich.

„Ah du bist wach!“, sagte eine mir wohlbekannte Stimme, im besetzten Bett richtete sich Ciaran auf. „Ich muss schon sagen für einen Krieger besitzt du einen unglaublich tiefen Schlaf.“

„Sie haben mir einen Trunk gegeben“, stand ich auf. Hatte er mich beobachtet? Was ich als unangenehm empfand.

„Du wurdest vermisst, deshalb machte ich mich auf die Suche. Als ich dich fand, wollte ich deinen Schlaf nicht stören. Du siehst sehr verletzlich aus, wenn du schläfst“, fügte er hinzu.

„Tatsächlich!“ wusste ich darauf keine Erwiderung.

„Tatsächlich“, wiederholte er, dabei schaute er mich unentwegt an, „Du sprichst auch im Schlaf!“

„So was soll vorkommen“, wurde ich ungehalten.

„Keine Sorge dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben“, grinste er mich an.

„Ich wüsste nicht welches!“

„Na sicher!“, erhob er sich nun auch, „Willst du gar nicht wissen, worüber du sprachst?“

„Weshalb? Ein Traum, an dem ich mich noch nicht einmal erinnere, was solls.“

„Wenn du meinst! Ich kann dir nur eines sagen, solange man nicht über seine Sorgen spricht, verfolgen sie einen.“

„Ich werde es mir merken, sobald mich ein Schuh drückt“, wandte ich mich den Ausgang zu.

„Corvin …“, sagte Ciaran, ich drehte mich ruckartig um, „Was du auch sagen willst, behalte es für dich!“ Grinsend hob er die Hände, „Einer muss es dir sagen, wenn deine Freunde zu feige sind, dann bitte, aber ich habe gelernt, ein ehrliches Wort, ist besser als eine süße Lüge.“

„Was auch immer der Boss treibt, sagt oder unternimmt, es geht weder dich noch mich etwas an. Es sei denn er gibt mir einen direkten Befehl, haben wir uns verstanden!“

„Ah, ich wünschte, deine Verletzlichkeit käme auch im Wachzustand zutage. Er leidet“, fügte er schnell hinzu, flüchtend verließ ich das Zelt. Was ging es mich an?

„Oh Lala!“, wurde ich angerufen, „Suchst du einen Kavalier?“, fragte irgendein Witzbold. Verdammt, wo waren meine Klamotten? In das Zelt zu Ciaran wollte ich nicht zurück. Also außen herum!

Als ich zum Badezelt gelangte, staunte ich nicht schlecht, als ich die lange Schlange davor sah. Wie kam ich an meine Montur? Sollte ich mich einfach vorbeidrängeln? Da sah ich Ciaran, der in die andere Richtung ging, also zurück, besser als mir den Unmut von den Wartenden anzuhören.

Schon drehte ich mich um die eigene Achse, nur um in Merkurs Arme zu laufen. „Wen habe ich denn da?“, hielt er mich fest umschlungen, „Was meinst du, mein Freund, ist das nicht ein beachtlicher Fang?“

Kahlaf hielt sich an einer Zeltstange fest, die jeden Moment unter seinem Gewicht nachgeben wollte, er nuschelte unwirsches Zeug. Jetzt bemerkte ich auch Merkurs Fahne, sie sind betrunken, wurde mir bewusst.

„Merkur“, versuchte ich vernünftig mit ihm zu reden.

„So ein hübsches Frauenzimmer! So weich, so duftend, wohin sollen wir verschwinden meine Schöne?“

Erkannte er mich denn nicht? „Merkur ich bin es Sarah!“, klopfte ich gegen seine Brust.

Er hörte gar nicht zu, „So was wie dich verdient ein angenehmes Lager!“, schaute er sich um, dabei zog er mich enger an sich heran. Mir blieb keine andere Wahl, so fest ich konnte, schlug ich mit der freien Hand zu.

„Na was denn? Ich beeil mich ja schon mein ungeduldiger Käfer, nur wohin?“

„Du betrunkener Holzkopf lass mich endlich frei!“, schnauzte ich ihn laut an. Dann verdrehte er die Augen und sackte in sich zusammen. Die Schweigsame stand mit einem Holzprügel erstarrt da, entsetzt stierte sie auf den ausgeknockten Merkur.

Mein Handtuch aufnehmend stieg ich über Merkur hinweg, indem kam die Resolute herbei, „Was …“, in einem Augenblick übersah sie die Situation, „Auch das noch!“, sagte sie mit schreckgeweiteten Augen.

„Ist halb so schlimm!“, versuchte ich die Damen zu beruhigen aber sie umarmten sich ängstlich. „Das ist unser Ende!“, wiederholte die Resolute immerfort.

Was tun? Mit den Damen konnte ich nicht reden, Kahlaf schaute begriffsstutzig auf seinen Freund. Zuerst die Frauen entschied ich mich. „Na los ab ins Zelt!“, scheuchte ich sie, der Jüngeren den Prügel aus der Hand nehmend den ich achtlos wegwarf, bevor ich ihnen folgte.

Bibbernd standen die Damen beieinander, „Das ist unser Ende!“, weinte die Resolute vor sich hin.

„Redet keinen Quatsch, Merkur hat es mehr als verdient! Danke“, sagte ich zu meiner Retterin.

„Du verstehst es nicht! Wir sind nichts weiter als Diener …“, konnte sie nicht weiterreden.

„Ja und?“, verstand ich nicht, worauf sie hinauswollte.

„Was sie dir sagen will, unsere freundlichen Helfer halten an ihre uralten Sitten fest. Diener sind nichts weiter als Leibeigene, die nach Gutdünken bestraft werden können“, informierte mich Corvin.

„Das ist ja barbarisch!“, wunderte ich mich nicht, woher er kam oder wieso er auftauchte. An die Frauen gewendet meinte ich, „Niemand wird davon erfahren.“, die Resolute schluchzte heftig auf.

„Ihr Herr und Meister verfügt über sie und ihre Gedanken.“

„Das kann doch nicht wahr sein! Wir müssen etwas unternehmen, die Kleine wollte mir doch nur helfen. Ich spreche mit diesem Herrn!“

„Willst du ihrer Hinrichtung beiwohnen? Denn genau das wird er tun!“

Die beiden Frauen hielten sich noch fester. „Hör auf damit, du machst ihnen Angst.“

„So sind die Sitten“, meinte er.

„Nein! Ich kann sie doch nicht einfach sterben lassen, weil sie mir half. Corvin du musst etwas unternehmen, bitte.“

„Na klar! Aber du bist für sie dann verantwortlich.“

„Alles, was du willst, nur sie entkommen dieser Grausamkeit.“

„Das wird teuer, verdammt teuer!“

„Egal, ich zahle dir alles zurück.“, er würde schon mit diesem Herrn fertig werden, was zählte da schon ein bisschen Geld.

„Wartet hier und beruhige die Damen!“, verschwand er.

Leichter gesagt als getan, die Frauen weinten leise vor sich hin. Die Resolute meinte, sie müsse bleiben, da sie ihre blinde Mutter nicht allein lassen könne. „Na dann nehmen wir sie auch mit!“, musste ich meine Stimme drosseln, wie konnte man nur so hilflos sein? Warum verließen sie nicht einfach den Dienst dieses Herrn? Ich verstand sie nicht.

Corvin ließ uns eine Stunde warten, als er endlich zurückkam, war ich am Ende meiner Nerven. Solch unfähige Frauen lernte ich noch nie kennen, weder konnte ich sie trösten, noch empfanden sie ihre baldige Freiheit als Glück. Jeder Vorschlag endete in einen erneuten Weinkrampf.

„So du bist glücklicher Besitzer von drei Dienerinnen, der Typ wollte sie nur als Komplettpaket verkaufen.“

„Du sprichst, als seien sie eine Ware!“, meinte ich zornig.

„So werden sie angesehen. Was willst du nun mit ihnen tun?“

„Natürlich in ihre Freiheit entlassen!“, sagte ich pikiert.

„Das wäre ihr sicherer Untergang, diese Frauen kennen nur Leibeigenschaft, sie haben nie gelernt, sich selbst zu versorgen.“

Ein Mann kam herein und schubste die Alte in das Zelt. „Die Kleider wurden nicht gekauft!“, erklärte der Mann abfällig.

Außer mir vor Wut schnauzte ich den Kerl an, „Sollen sie etwa nackt herumlaufen?“

Der Typ schaute mich feixend an, „Ist dir ja wohl nicht fremd!“

Jetzt erst wurde mir mein Aussehen bewusst. „Wie viel?“, fragte Corvin genervt.

„Fünfhundert!“

„Das ist ja Wucher! Nicht mehr als dreißig Euro sind die Kleider wert.“

„Dollar!“, verbesserte mich der Kerl, „Der Preis steht fest!“

„Ja das habe ich heute schon gehört“, seufzte der Boss, „Der Betrag wird mit dem Kauferlös überwiesen.“

„So sei es!“, ging der eingebildete Kerl.

„Warum gibst du solch einer haltlosen Forderung nach?“, schimpfte ich Corvin aus.

„Weil ich keinen Zwist heraufbeschwören will. Wir sind auf diese Leute angewiesen. Warte erst einmal ab, wenn du den Kaufpreis hörst“, grinste er mich an.

„Gleich!“, inzwischen wusste ich, wie die Resolute hieß, „Gerlinde du kannst mit deiner Tochter und Mutter dahin gehen, wohin du willst, ihr seid frei“, sprach ich so sanft wie möglich. Ein erneuter Weinkrampf schien sich anzubahnen.

„Wie gesagt Sarah, du kannst sie nicht einfach sich selbst überlassen, sie gehören nun dir.“

Die Worte verstanden die Frauen, sofort knieten sie vor mir. „Himmel“, sprang ich entsetzt zurück, „Ich bin doch kein Sklavenhalter!“

„Jetzt schon!“, amüsierte sich der Herr königlich, „Was willst du mit ihnen anfangen?“

„Woher soll ich das wissen?“, fuhr ich ihn an.

„Naja, du musst für ihre Verpflegung und so weiter aufkommen. Das wird dich einiges kosten. Nicht zu vergessen, wie willst du ihnen die kommenden Strapazen ersparen? Ich glaube kaum, dass die Alte den Weg schafft. Die Junge sieht auch nicht so gesund aus, ist sie krank?“

„Nein, sie kann nur nicht reden, weil ihr die Zunge entfernt wurde.“

„Verdammt noch mal!“, fluchte Corvin laut.

Die Drei, umarmten sich ängstlich, „Beherrsche dich ja, sie haben Angst!“

„Das sehe ich auch! Nun was willst du tun?“

Ja was? Ich war mit meinem Latein am Ende. Die Drei sich selbst überlassen konnte ich ja wohl schlecht. Mitnehmen ging auch nicht. Ein Heim besaß ich nicht, wohin also mit ihnen?

Ich wandte mich an den Einzigen, der mir helfen konnte, er saß lauernd da, ein Wolf, der auf sein unschuldiges Opfer wartete. „Kannst du mir helfen?“, fragte ich geradeheraus.

„Sicher, aber es wird dich etwas kosten“, grinste er sich erhebend.

„Davon gehe ich aus, wie viel?“

„Oh darüber reden wir später, jetzt ist es erst einmal wichtiger die Damen ordentlich unterzubringen“, kniete er vor den Damen, die sich ängstlich zurückzogen. Nur die alte Mathilda wagte es, den Boss mit ihren blinden Augen anzuschauen.

Sie sagte etwas in ihrer Sprache, zu meiner Verwunderung antwortete ihr Corvin. „Was ist? Was sagte sie? Was du?“, trat ich näher.

„Sie will unsere Gesichter erkunden“, antwortete Corvin ihre Hand zu seinem Kopf führend.

„Wie seltsam!“, schaute ich der Alten zu, wie sie das Gesicht des Bosses abtastete, ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf ihrer Miene aus. Sie sprachen miteinander und ich stand nur wartend da.

„Jetzt du!“, meinte er, „und versuche einmal ein bisschen Freundlichkeit auszustrahlen. Sie haben genug gelitten.“ Redete er wieder mit der alten Mathilda.

Ihre alten von Gicht verknöcherten Hände fuhren sorgsam über Stirn, Augen, Nase und Mund, dabei kommentierte sie jede Bewegung. „Was sagt sie?“, nuschelte ich um keine Miene zu verziehen.

Eine Antwort blieb aus, dafür lachte der Boss herzlich auf, sogar die beiden ängstlichen Frauen zeigten ein Lächeln. „Was?“

„Sie meint, du seist ungeheuer neugierig, aber alles zusammen wohl ein guter Blutsauger. Sie werden in deinen Diensten bleiben.“

Die Resolute schaute verblüfft auf, in diesem Moment wusste ich, er sagte mir nicht die Wahrheit. Deshalb richtete ich das Wort an sie, verschämt senkte sie die Augen. Na toll auch! Dieser verdammte Kerl ließ einmal ein bisschen Charme spielen und schon verzauberte er die armen Seelen. Sollte ich sie aufklären, welch ein Despot er war? Nein! Entschied ich mich, zuerst sollten sie eine angenehme Unterkunft erhalten.

„Nun dann werde ich mal veranlassen, dass sie sicher in dein Heim kommen“, wollte der Boss hinausgehen.

„Ich besitze kein Heim, wovon redest du?“

Erstaunt schaute er mich an, „Wie vergesslich du bist! Ich hoffe nur, deine Schulden behältst du im Hinterkopf! In unserem Dorf besitzt du ein Haus, dorthin schicke ich sie.“

„Aber das ist zu gefährlich! Die Festung ist umzingelt, willst du sie in den sicheren Tod schicken? Wie sollen sie dorthin kommen?“

„Für was für ein Monster hältst du mich eigentlich? Dort droht ihnen keine Gefahr. Die graue Maus reist morgen früh ab, sie wird die drei Damen mitnehmen und sicher abliefern“, erklärte er beleidigt.

Bevor er endgültig das Zelt verließ, rief ich ihm ein Danke hinterher. Er stockte einen Augenblick, dann fluchte er gewaltig. Mit großen Augen starrte ich die leere Zeltwand an. Was sollte das nun wieder, fluchte ich meinerseits.

Die Alte griff nach meiner Hand, hätschelte sie tröstend, sprach Worte, deren Sinn ich nicht verstand. „Was meint sie?“, wandte ich mich an Gerlinde.

„Sie sagt, es kommt alles in Ordnung, der Herr ist zwar hart aber gerecht. Du sollst keine Angst vor ihm haben.“

„Habe ich nicht!“, was die Alte sich nur dachte, entzog ich ihr meine Hand. Was nun? Bis zur Abreise dauerte es noch Stunden, sollte ich sie einfach hier im Zelt lassen? Ich wusste nicht, was ich mit ihnen anfangen sollte.

„Hallo meine Damen! Ich hörte, da hat jemand Hunger?“, riss Henry die Zeltwand zur Seite, „Na los Jungs, bevor alles kalt wird“, kamen Matt, Eric und Till bepackt ins Zelt.

Matt balancierte geschickt ein Tablett mit Tellern, während Eric und Till je einen Sack auf den Schultern trugen. Innerhalb von Sekunden löffelten die Frauen eine dicke Suppe.

Henry redete ohne Unterlass, mal so das ich ihn verstand mal mit der Alten, die anscheinend jede Scheu verlor. Dabei konnte sie den schönen Schlawiner noch nicht einmal sehen.

Nachdem sie gesättigt jede weitere Portion ablehnten, forderte die Alte die Gesichter meiner Freunde. Henry übersetze in vorwitzigen Worten. Selbst die Jüngere lachte sich den Bauch haltend.

Im Stillen dankte ich Corvin, niemals hätte ich die Frauen in dieser Art ablenken können, noch an ihr Wohl oder an die fehlende Kleidung gedacht. Die Frauen trugen weder Schuhe noch warme Hosen, weder Mäntel oder Jacken, sondern abgewetzte Kleider die der Kälte, die jetzt in Rumänien herrschte, niemals standhalten konnten.

Bevor ich mich versah, brachen die Frauen mit der grauen Maus in einem altersschwachen Auto auf. „Wird der Wagen die Fahrt überstehen?“, fragte Henry nach.

Ich zuckte unwissend die Schultern, dachte an meine alte Karre, die ich als Mensch besaß. Erschrocken zuckte ich zusammen, woher kamen die Erinnerungen?

„Es wird halten, schließlich gaben wir uns alle Mühe es so aussehen zu lassen. Vier alte harmlose Weiber auf einen Trip, wer wird schon einen zweiten Blick auf sie werfen?“, antwortete der Boss. „Nun da sie fort sind, habe ich etwas Geschäftliches mit dir zu bereden Sarah.“

Na klar nun kam die Rechnung, im Geiste zählte ich mein Erspartes zusammen. Wird schon nicht so schlimm, dachte ich, dem Boss zuversichtlich folgend. Er ging zu einem abseits gelegenen Zelt, ich wusste, darin waren die Computer untergebracht.

Das Trio sowie die Ratsmitglieder gingen dort ein und aus, um ihre jeweiligen Clans zu benachrichtigen. Nun weilte keine Seele dort. Corvin setzte sich geschäftig an einem der Laptops. „Hier kannst du die Überweisung sehen, zusammengerechnet mit den Kleidern, die Fahrt rechne ich nicht mit an, da sie der grauen Maus Sicherheit verspricht, beläuft die Summe, die du mir schuldest“, er schaute noch mal genau auf den Bildschirm, dabei wettete ich, er kannte die Zahl ganz genau, „neunhunderttausendundfünfhundert Dollar“, lächelte er mich jovial an.

Sprachlos ließ ich mir die Summe auf der Zunge zergehen und verschluckte mich daran. „Das ist Wahnsinn!“, keuchte ich entsetzt auf.

„Wie willst du es zurückzahlen? Ein Betrag? Oder ziehst du einen Kredit vor?“, wartete er auf eine Antwort.

„Kredit!“, jagten meine Gedanken voraus, wie viel konnte ich jeden Monat abzweigen? Ich musste an meine Waffen und Kleidung denken, um den Betrag abzuzahlen, brauchte ich Jahre. Viele Jahre wurden meine Knie ganz weich.

„Natürlich kannst du auch auf dein Vermögen zurückgreifen, Vlad hat es mir überlassen und ich habe es gewinnbringend eingelegt.“ Blieb er die Freundlichkeit in Person. Wickelte er so seine Geschäfte ab?

„Nein! Dieses Geld gehört mir nicht, damit kannst du machen, was du willst“, wehrte ich ab, „In welchen Raten soll ich dem Clan die Summe zurückzahlen?“ ein Nebenjob zu meinen üblichen Verpflichtungen musste her.

„Dem Clan? Nein Sarah, du schuldest mir persönlich die Summe. Ich verwalte den Besitz der Familie doch nicht nach meinen Gutdünken! Vlad und Henry würden mir die Hölle heißmachen, wenn ich so viel Kapital aus dem Unternehmen ziehen würde.“

„Dir persönlich!“, wich ich einen Schritt zurück, es war schlimmer als ich dachte.

„Na sicher!“, nickte er lächelnd. Lag darin etwas, was ich übersah? Jedenfalls schrillten alle Alarmglocken in mir auf. „Du batest mich um einen persönlichen Gefallen, dem ich nachging. Ergo eine Angelegenheit zwischen uns ganz allein.“

„Dann sage mir, wie viel ich dir jeden Monat zurückzahlen soll!“, ging ich auf seinen kameradschaftlichen Ton nicht ein.

Er krauste die Stirn, „Da ich natürlich dein monatliches Einkommen kenne, wenn ich die laufenden Kosten für die Frauen berücksichtige, deine Ausgaben für das Haus und dann deine persönlichen Auslagen. Tja, alles zusammen, schließlich will ich dich ja nicht ohne einen Cent herumlaufen lassen …“

„Nun spuck es schon aus!“, verlor ich die Geduld.

„Wirst du einige Jahrhunderte an den Schulden knabbern“, vertiefte sich sein Grinsen. „Natürlich erwarte ich einige Sicherheiten, was du bei einer solchen Summe verstehen musst. Nun was bietest du mir an?“

„Ich habe nicht mehr als ich auf dem Leib trage!“, raunzte ich ihn an.

Er lachte, lachte mich aus, „Willst du mir sagen, mehr als ein Handtuch nennst du nicht dein Eigen?“

Verflixt, das hatte ich ganz vergessen! Meine Montur und die Frauen waren weg, meine Sachen sah ich bestimmt nie wieder, fluchte ich leise vor mich hin. Sich die Tränen aus den Augen wischend erwartete der Herr eine Antwort.

„Was willst du? Soll ich betteln? Ich habe nichts, was ich dir geben kann.“

„Ah du beginnst, die richtigen Fragen zu stellen! Was ich will, sollte dir klar sein!“, musterte er mich von oben bis unten.

„Nein!“, rief ich entsetzt aus, „Das kannst du nicht verlangen, ich bin keine deiner Schlampen die sich bezahlen lassen.“

Er riss verblüfft die Augen auf, „Was du nur von mir denkst!“, ermahnte er mich voller Entrüstung, „Ich sprach von der regelmäßigen Bezahlung deiner Schulden! Aber das du gewillt bist deinen Körper anzubieten, besitzt natürlich einen besonderen Anreiz. Wer weiß, vielleicht komme ich eines Tages auf dein großzügiges Angebot zurück.“

„So habe ich es nie gesagt!“, stampfte ich tatsächlich mit dem Fuß auf.

„Naja darüber können wir noch reden, momentan habe ich sowieso keinen Bedarf an deinem Körper“, wedelte er verächtlich mit der Hand.

„Verstehe, deine beiden Buhlen fordern sicherlich deine gesamten Kräfte. Pass auf das du dich nicht übernimmst!“, zahlte ich ihm die Beleidigung mit gleicher Münze heim.

Aber er grinste nur, „Keine Sorge, meine Potenz reicht durchaus. Selbst für dich, falls ich Interesse bekunden sollte.“ Versetzte er mir den nächsten verbalen Schlag. „Nun ich denke, so kommen wir nicht weiter. Gehen wir die Sachlage realistisch an! Du beziehst als Krieger ein regelmäßiges Gehalt, deshalb erwarte ich, dass du diesen Job weiterhin ausführst. Meine Bedingung daran, du wechselst nicht den Clan, so garantierst du mir die monatliche Rückzahlung.“

Ich nickte, seine Gründe konnte ich nachvollziehen.

„Gut! Ferner werde ich dich für bestimmte Aufträge engagieren, die du neben deinen normalen Aufträgen erledigen kannst. Die Bezahlung richtet sich nach dem jeweiligen Job. Bist du damit einverstanden?“

Das Angebot konnte ich nur als großzügig bezeichnen, so willigte ich sofort ein. Er hielt mir die Hand entgegen, „Oder willst du ein schriftliches Dokument?“

„Wenn du mir vertraust, kann ich darauf verzichten.“, schließlich ging er ein Risiko ein, schlug ich ein.

„Damit wäre es besiegelt“, nickte er mir zu, „Wenn du hinausgehst, dann bitte doch Henry und Vlad zu mir. Wir haben heute schon genug Zeit vertrödelt“, wandte er sich dem Laptop zu.

„Eine Frage habe ich noch“, raffte ich das Handtuch fester, „Weißt du, wo sie die Kleidung zum Waschen aufbewahren?“

Langsam drehte er sich zu mir um, „Sehe ich so aus, als ob mir solcherlei Kleinigkeiten interessieren? Wenn du nicht auf deine Sachen achtest, dann ist es dein Problem!“, umwölkte sich sein Haupt grollend.

„Dann laufe ich eben so rum!“, stapfte ich aus dem Zelt, sein Lachen verfolgte mich verhöhnend. Trotzdem wurde mir innerhalb von wenigen Minuten meine frisch gewaschene Montur überreicht. Der Mann entschuldigte sich mehrmals für die Verspätung.

 

Kapitel 52

Ordentlich gekleidet versuchte ich, etwas über unseren weiteren Weg herauszufinden. Bisher wurde noch nichts Konkretes bekannt gegeben. Nur eines wusste man mit Bestimmtheit, Muses Krieger marschierten auf die Festung zu, die graue Maus sollte sie anführen.

Ansonsten ging es ihm Lager ruhig zu, die meisten verarbeiteten den Alkoholgenuss. Teilweise sahen mich müde rote Augen an, verkaterte Mienen mit eingezogenen Köpfen rührten sich kaum. Dazu gehörte Merkur, der mit einem Beutel am Hinterkopf von Kahlaf liebevoll gepflegt wurde.

Ein kleiner Teufel riet mir, Merkur ein wenig zu piesacken, schließlich war es seine Verantwortung, dass ich nun in der Schuld von Corvin Sardovan steckte. „Na wie geht es dir?“, fragte ich mitfühlend.

„Als ob ich eins über den Kopf bekommen hätte. Da ist sogar eine Beule!“, warf er seinem Freund einen vorwerfenden Blick zu.

Kahlaf zog entsprechend ein schuldbewusstes Gesicht, „Manchmal rede ich mit Händen und Füßen, ich glaube die Beule verdankt er mir“, meinte er zerknirscht.

„Ach ja?“, musste ich mein Lachen unterdrücken. „Als ich euch das letzte Mal sah, lag Merkur niedergestreckt auf den Boden und du hieltest dich an einer Zeltstange fest.“

„Siehst du!“, erhob sich der Blonde leicht, um sich gleich wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht niederlegte.

Kahlaf sprang sofort auf, „Verzeih, mein Freund. Soll ich dir etwas holen?“, rang er die Hände.

„Nein“, hauchte Merkur stöhnend.

So fest war der Schlag der Kleinen auch nicht, ich vermutete Merkur nutzte die Situation aus. „Doch vorher“, wartete ich, bis ich ihre volle Aufmerksamkeit besaß, „vorher wolltest du mich entführen! Wozu muss ich ja nicht extra betonen“, ließ ich die Worte langsam über meine Lippen kommen.

Merkur erblasste leicht, „Ich? Oder dieser Schlawiner?“

„Du!“, zeigte ich deutlich in seine Richtung.

„Oh!“

„Ja, du warst recht besitzergreifend, dazu sehr uneinsichtig“, hielt ich ihm milde vor.

„Aber es ist doch nichts passiert, oder? Ich habe dir keine Gewalt angetan?“, richtete er sich nun mühelos auf, was von Kahlaf sehr wohl bemerkt wurde.

Ich lachte, „Nein, dazu kam es zu meinen Glück nicht! Ein nettes Mädchen half mir, indem sie einen Holzprügel auf deinen sturen Kopf parkte.“

„Oh!“, sah er mich mit riesigen blauen Augen an.

„Na denn will ich mal wieder, dein Freund kümmert sich ja rührend um dich“, lächelte ich ihn anzüglich an.

„Das werde ich, darauf kannst du dich verlassen, Sarah! Wie kannst du das Kind bedrängen? Du weißt es genau, sie ist tabu! Du Lüstling! Kein Wunder, das dein Enkel so missraten ist! Es sind deine verwerflichen Gene, die du munter in der Weltgeschichte verteiltest. Deine Gene!“, redete sich Kahlaf in Rage, während Merkur sehr munter die Flucht ergriff.

Zufrieden setzte ich meinen Weg fort, ich suchte meine Freunde, die ich bald darauf unter einem Baum liegend fand. „Wir haben gerade Merkur gesehen, er flitzte wie der Teufel und Kahlaf wütend hinter ihm her.“ Informierten sie mich gleich.

„Ich weiß“, erzählte ich ihnen die Geschichte, Matt grinste, „Gut zu wissen! Was meint ihr, wann verzeiht Kahlaf den Armen?“

„Ein paar Tage wird er ihn schmoren lassen“, meinte Till.

„Nee“, schüttelte Eric den Kopf, „Mehr als ein paar Stunden kann Kahlaf seinen Merkur nicht böse sein.“

„Wetten?“, forderte Till, sogleich begann ihre Lieblingsbeschäftigung.

„Wieso bin ich für Kahlaf und Merkur tabu?“, fragte ich in ihre Wettabschlüsse hinein. Sofort kamen ihre Geschäfte zum Stillstand, betretenes Schweigen breitete sich aus.

Matt ließ sich mit einem Seufzen nach hinten fallen. „Erzählt es ihr ruhig!“, beanspruchte der Himmel seine gesamte Aufmerksamkeit.

„Peer!“, forderte Eric den Freund auf.

„Warum immer ich?“, der Blick von Eric ließ Peer antworten, „Also gut, ich möchte vorausschicken, ich war Zeuge. Da du nun ungebunden bist, wollte Matt sein Glück versuchen. Deshalb ging er zu Vlad, das Trio stand beisammen und Vlad forderte Matt auf zureden. Das tat er denn auch, gerade erklärte Vlad er solle sich an dich wenden, da rastete der Boss vollkommen aus. Das Ende vom Lied, jeder der es auch nur wagt dich als Frau zu sehen … so waren doch seine Worte?“, sah Peer zu Matt hinüber, dieser nickte, „… ja also, der bekommt es mit Corvin zu tun.“

„Was bildet er sich ein? Ich kann mit wem auch immer …“

„Eben nicht!“, unterbrach mich Peer, „Kein Vampir wird es wagen!“

„Das werden wir ja sehen!“, erklärte ich kampfbereit.

„Sarah“, meinte Eric beruhigend, „es kann ja sein, das er dich schützen möchte. Oft genug geschieht es, dass man sich nach einer beendeten Partnerschaft den Falschen an den Hals wirft. Die Gefühle sind verwirrt, man ist verletzt, da kann so etwas geschehen.“

„Ach! Bin ich verwirrt oder verletzt?“, musste ich an mich halten, um nicht zu schreien. „Habe ich mich jemals Hals über Kopf in eine Affäre gestürzt? Nein! Er kann es einfach nicht ertragen!“

„Was denn?“, fragte Peer, worauf meine Wut verrauchte. Ja warum sollte er es nicht ertragen können? Darauf wollte ich, weder mir noch meinen Freunden eine Antwort geben, denn es hieße, ich müsste seine Worte glauben schenken und das wollte ich nun einmal nicht. Basta! „Ach, was weiß ich!“, murrte ich ungehalten. „Wo ist eigentlich Pierre?“, fragte ich leutselig nach.

„Wie berechenbar! Darauf lohnte sich noch nicht mal ne Wette“, unkte Till, „Er ist auf den Weg nach Frankreich und sieht sich die Scherben an, die seine Mutter ihm hinterlassen hat. Er erfuhr von dem Desaster innerhalb der Familie, die bringen sich gerade gegenseitig um.“

„Ist Michelé dabei?“

„Wieso willst du ihn nun an die Wäsche?“, witzelte Till, auf meinen Blick meinte er, „Sicher, meinst du er lässt seinen hochtrabenden Freund allein gehen?“

„Gut!“, nickte ich erleichtert. Zwar fehlte jetzt die französische Kampfkraft, denn Pierre ließ seine Krieger gut ausbilden. Er hielt sich da an Vaters Vorgaben, so lernten wir uns kennen, das war, als er ein Lager besuchte. Wie vorkommend und höflich er war, zuerst dachte ich, er wolle mich veralbern. Aber nein, damals meinte er jedes Wort ernst.

„Ich hoffe nur, seine Krieger stehen hinter ihm. Wer ist sein Gegenspieler?“

„Keine Ahnung, der Franzose hielt es nicht für notwendig uns aufzuklären“, meinte Peer.

Typisch für ihn, dachte ich, seine Arroganz konnte mit der von Corvin mithalten. Langsam brach der Abend hinein, aus der Dämmerung tauchte Ross auf, „Peer das Trio erwartet dich.“

Sofort stand Peer auf, „Dann geht es bald los!“, grinste er erleichtert. Wie ihm viel uns das Warten schwer. Wir bereiteten uns auf den baldigen Abzug vor, in der Nähe des abseits gelegenen Zeltes harrten wir aus.

Als Peer heraustrat, winkte er uns zu. „In einer Stunde!“, teilte er uns mit, „Wo ist Malech? Er soll die Führung übernehmen.“ Niemand kannte seinen Aufenthaltsort.

„Er wird rechtzeitig zugegen sein!“, sagte Ross der wie ein Geist in unserer Mitte auftauchte. „Verdammich Ross, eines Tages erschlage ich dich noch“, murrte Till erschrocken.

„Daran zweifle ich!“, zwinkerte er mir zu, „Sarah darf ich dich kurz sprechen?“, ging er bereits ein Stück weiter.

„Du sollst die Nachhut übernehmen, passe dort besonders gut auf. Ich glaube, wir haben einen Spion dabei.“

„Du glaubst? Bei deinen Fähigkeiten solltest du besser informiert sein.“

„Es ist schwer, hundert Gedanken fliegen auf mich zu, ein Hauch spricht von Verrat. Woher er kommt, an wen gerichtet, ist schwierig herauszufinden. Das Trio ist informiert, deshalb stellen sie dich nach hinten.“

„Warum gerade mich?“, ich wusste sehr wohl, falls ein Verräter unter uns weilte, suchte er die Spitze, wo er etwas erfahren konnte. Ich wurde auf das Abstellgleis verwiesen.

„Falls er uns entwischt, denn seitwärts kann er nicht, da bleibt nur das Ende und dort bist du.“

Das Trio gefolgt von den Ratsmitgliedern trat aus dem Zelt, der Aufbruch begann, mit den Neuankömmlingen wuchs unsere Anzahl beträchtlich. Zudem kamen bereits einige zerstreute Krieger aus Granada dazu, viel zu wenige, gerade mal die Hälfte. Ich hoffte, die anderen wurden nicht erwischt, denn viele gute Krieger waren unter ihnen.

Wie Ross weissagte, kam Malech pünktlich zum Abmarsch. Auf die Fragen, wo er gewesen sei, schwieg er. Ein Räuspern des Bosses ließ jede weitere Frage verstummen.

So sah ich zu, wie die Gruppe langsam am See entlangwanderte. Eine Schlange, die sich raschelnd durch das feindliche Gelände wagte. Wie feindlich mussten wir herausfinden.

Es ging langsamer vorwärts als gedacht, ein ruhiger Spaziergang könnte man sagen. Worauf warteten sie, fragte ich mich, allein auf den Spuren der Vorangehenden. Die gesamte Nacht blieb ruhig, die vor mir Laufenden trotteten ruhig weiter. Keine Anzeichen von Unruhe.

Als am Morgen die Sonne aufging, sammelte sich der Trupp zu einer Pause, als ich endlich das notdürftige Lager erreichte, lagen die meisten Vampire bereits in Decken gehüllt. Seid wann mussten wir uns nach einer Nacht schlafen legen? Wunderte ich mich.

Ross schlenderte auf mich zu, „Na wie sieht es aus, die lange Wanderung gut überstanden?“

Die lange Wanderung? Wollte ich ihm schon das Passende entgegnen, hielt jedoch meinen Mund, vielleicht sollte dies den Spion täuschen. Obwohl ich dies kaum glaubte. „Ja“, antwortete ich deshalb gähnend, „Wo sind Peer und Konsorte?“

„Sie liegen dort drüben, haben sich abgesondert, weil die Schnarcher sie stören.“

„Oh gut, dann lege ich mich zu ihnen“, kam mir das Gespräch hölzern vor, weder Ross noch ich galten als besonders gute Schauspieler, grinste ich ihn an.

„Dein Vater möchte dich sehen. Du weißt doch wie besorgt er ist, auch wenn ich ihm mitteile, dir geht es gut, will er sich selbst überzeugen.“

„Ja, ja!“, das musste ich noch nicht einmal spielen. So suchte ich Vater auf, der in der Scharade weitermachte, „Mein Schatz!“, nahm er mich in die Arme, „Wie habe ich dich vermisst!“

„Ich dich auch!“, erwiderte ich die Umarmung, wenn jetzt noch Henry kam und dasselbe tat, drehe ich durch. Es kam noch schlimmer, „Dein Verlobter wartet bereits auf dich. Ich will ihm ja die Überraschung nicht verderben, aber oh Lala er hat sich etwas einfallen lassen“, lächelte Vater gutmütig. Wer sollte denn darauf hereinfallen? Ein Idiot?

Mit neugierigem Blick, so hoffte ich, ging ich auf das Zelt zu. Sie mussten ein Zelt mitgenommen haben. Als ich in das dunkle Innere trat, wurde ich sogleich von hinten umschlungen. „Rat mal, wer ich bin?!“

„Du hirnverbrannter Depp!“, rammte ich Henry meinen Ellbogen in die Rippen.

„Was ist hier los?“, stemmte ich die Rippen in die Hüften.

„Corvin! Er ist vergiftet worden“, wurde Henry schlagartig ernst.

„Wo ist er?“, fragte ich erschrocken nach, ihn bereits in den letzten Zügen liegend sehend.

„Keine Sorge, soweit ist er in Ordnung, aber das Gift hat ihn geschwächt, deshalb kriechen wir so. Es wird noch einige Tage anhalten, ich wollte es dir ohne Zuschauer mitteilen.“

„Warum denn das? Als ob ich durchdrehen könnte!“

„Naja bei dem, was du für ihn empfindest, wäre es kein Wunder. Ich habe dich selten dermaßen besorgt gesehen“, erahnte ich ein Lächeln in seiner Miene, da er sich wegdrehte, konnte ich es nicht mit Bestimmtheit sagen.

„Er ist der Boss, natürlich sind wir alle entsprechend besorgt“, verteidigte ich mich.

„Himmel noch mal! Kann ich noch nicht einmal in Ruhe schlafen?“, hörte ich den Boss aus der dunkelsten Ecke, nun nahm ich auch eine Bewegung wahr. Er setzte sich auf.

„Wir haben dir eine zuverlässige Krankenschwester besorgt, mit ihr wirst du dich prima verstehen“, sagte Henry schnell und verschwand noch eiliger.

„Oh nein!“, wollte ich hinter ihm her, doch er hielt die Plane geschlossen.

„Sarah?“, hörte ich den Boss mit brüchiger Stimme rufen.

Ging es ihm so schlecht? Trat ich zögernd an sein Lager. „Ja?“, hauchte ich leise.

Ein kehliges Lachen antwortete mir, „Noch sterbe ich nicht, deine Schulden bleiben dir erhalten.“

„Als ob es mir darum ginge!“, antwortete ich beleidigt.

„Kannst du mir einen Becher Wasser bringen? Bitte!“

„Ja sicher, wo …“, tastete ich den Bereich ab, „Verflucht warum ist es hier so dunkel?“ fand ich einen Becher mit warmem Wasser. „Warte ich hole dir Frisches das ist abgestanden.“

„Nein nein ist schon gut, nur abgekocht.“

Seine Hand berührte mich nur kurz, trotzdem konnte ich mir eins und eins zusammenzählen, er glühte vor Fieber. Ohne groß nachzudenken, befühlte ich seine Stirn, mein Verdacht bestätigte sich. „Fieber!“, sagte ich laut.

„Halb so schlimm! Ich muss das Zeug ausschwitzen.“

„Kann ja sein, aber Fieber, hat nichts mit schwitzen zu tun, die Temperatur muss runter!“ suchte ich bereits nach einem Tuch, indessen murmelte der Boss irgendwelches Zeug der Abwehr.

Ich hörte nicht zu! Sondern marschierte zum Ausgang, der noch immer verschlossen war. „Wenn ihr nicht wollt, dass ich das Ding zerschneide, dann öffnet die Plane!“, grollte ich.

Sofort steckte Henry seinen Kopf hinein, „Du musst …“

„Kaltes Wasser! Tücher! Licht!“, fuhr ich ihm über den Mund.

„Alles klar, kommt sofort!“, verschwand er augenblicklich.

Der Boss zürnte in seiner dunklen Ecke, ich ließ ihn. Solange er dermaßen fluchen konnte, ging es ihm ganz gut. „Hier! Wenn du mehr benötigst, rufe Ross, ich muss die Leute ablenken.“

Zuerst das Licht, eine Kerze! Ja wo waren wir denn im Mittelalter? Eine Kerze schimpfte ich leise. Als ich mit dem Licht näher trat, verstand ich ihre Handlung, Corvin stöhnte vor Schmerz auf und verdeckte seine Augen. Überhaupt sah er erbärmlich aus, rote entzündete Flecken auf der Haut, aufgeplatzte blutende Lippen.

Himmel was für ein Gift, verabreichte man ihm? Um mich von meinen Schrecken abzulenken, tauchte ich das Tuch in den Eimer mit Wasser, das legte ich ihm auf die Stirn und zog dann seine Hände weg. Das Tuch würde das Licht abschirmen.

Dann sah ich mir den Mann an, er lag in seiner Montur unter einer dicken Decke. Kopfschüttelnd über so viel Unverstand, warf ich als Erstes die verschwitzte Decke auf den Boden. Dann begann ich ihn auszuziehen, „Kannst du mir verraten, was du da treibst? Kaum die richtige Zeit für ein Stelldichein, mein Schätzchen“, scherzte er.

„Halt die Klappe und helfe mir lieber, du bist schwerer als ein nasser Sack Sand!“, schimpfte ich. Nachdem er ausgezogen vor mir lag, erkannte ich, um wie viel schlimmer die Vergiftung war. Ohne medizinische Hilfe nur eine Frage der Zeit stellte ich beklommen fest.

Zum Glück schlief Corvin nach der Prozedur ein, „Ross!“, flüsterte ich leise, ich wusste ihn in unmittelbarer Nähe. Die Plane klappte ein Stück auf, „Was ist los?“, kam er näher.

„Er braucht einen Arzt!“, unterdrückte ich ein Schluchzen.

Ross schüttelte den Kopf, „Wir können keinen erreichen, sie haben es die gesamte Nacht versucht.“

„Aber irgendetwas müssen wir doch tun. Irgendetwas!“, sah ich ihn flehentlich an.

„Es gibt da was, aber es wird dir keinesfalls gefallen und ihm auch nicht.“

Ich wusste sofort, worauf er ansprach, deshalb holten sie mich her. „Kann denn niemand anderes …?“, konnte ich es nicht weiter aussprechen.

„Er würde sich weigern, deinem Blut wird er nicht widerstehen können, glaub mir ich spreche aus Erfahrung.“

 „Also gut!“, schaute ich den Boss an. Ich tat es für unser Volk, sein Überleben bedeutete das Überleben einer Spezies. „Wie soll ich es anstellen?“

„Eine kleine Wunde, einige Tropfen ins Wasser. Ich hoffe, es reicht.“

„Glaubst du?“, zweifelte ich.

„Ehrlich gesagt nein! Für eine Heilung wird er viel mehr benötigen.“

„Besitzen wir noch Nahrung?“

„Matt und Peer sind unterwegs, ob sie etwas bekommen …“

„Verstehe, also gut! Gib mir dein Messer und verschwinde.“

„Sollte ich nicht lieber bleiben, falls er sich nicht beherrschen kann?“

Ich wusste nur zu gut, was das Blut eines Vampirs mit einem anstellte, meine Erfahrung damit lag noch nicht allzu lange zurück. „Geh, bevor ich es mir anders überlege.“

Ross hatte das Zelt schon längst verlassen, während ich zögerte. Es half nichts, ich musste es tun, bevor es zu spät war. Schon wollte ich einen Schnitt am Handgelenk machen, da viel mir ein, wie er darauf reagieren würde.

Auf zerfetzte Kleidung konnte ich verzichten und zog mich aus. Nackt legte ich mich zu dem fiebernden Körper. Du arroganter Mistkerl, deine Buhlen würden sich um meinen Platz zerfleischen, vollführte ich einen Schnitt über das Handgelenk.

Schon bei den ersten Tropfen wurde er unruhig. Leise mit ihm redend legte ich die Wunde an seinen Mund. Erschrocken zuckte ich zusammen, als er den Arm an seinen Mund presste, mit seiner schneller Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

Noch während er trank, reagierte sein Körper mit der von mir erwartenden Lust. Seine Fangzähne drückten mir tief ins Fleisch, ein leises Fauchen entrang sich seiner Kehle. Schon schob er mir seinen Körper entgegen.

Alles eine ganz normale Reaktion sagte ich mir, es hat nicht das Geringste mit dir zu tun. Du bist nur eine Nahrungsquelle, sagte ich mir immer wieder.

„So süß, unvergesslich“, murmelte er mein Handgelenk küssend, dann schaute er mich mit offenen schwarzen Augen an, „Verrückt wie eh und je“, schmiegte er sich zwischen meinen Beinen, um dann auf mir zusammenzusacken.

Erst wusste ich nicht, was los war, bis ich leises regelmäßiges Atmen hörte. Vor Erleichterung musste ich kichern, kein Akt! Naja fast keiner seinen Weg hatte er gefunden.

Vorsichtig zwängte ich mich Stück für Stück unter ihm weg. Endlich war es geschafft, er rührte sich während meiner Befreiung keinen Zentimeter, sondern schlief munter weiter. Nun hatte mein Blut genügend Zeit, das Gift zu bekämpfen zog ich mich schnell an. Versorgte dann die tiefe Bisswunde, und huschte nach draußen.

Helllichter Sonnenschein erwartete mich, Ross schaute mich gespannt an, ich nickte ihm lächelnd zu. Erleichtert grinste er zurück, „Jetzt brauche ich unbedingt ein paar Stunden Ruhe“, fühlte ich mich seltsam leicht.

Sofort war Ross neben mir, „Ich bringe dich zu Kahlaf und Merkur, sie können sich um dich kümmern.“

„Woher kam das Gift, von solcherlei habe ich noch nie gelesen.“

„Wir werden es herausfinden, nun ruhe dich aus.“ Trug er mich mehr als das ich lief. Weder Kahlaf noch Merkur benötigten eine Erklärung, sofort warfen sie mir eine Decke über. Kahlaf drückte mich an seinen massigen warmen Körper, an dem ich mich wohlig seufzend kuschelte.

Unsanft wurde ich aus dem Schlaf gerissen, irgendwer zerrte an meine Gliedmaßen. „Sie gehört allein mir!“, knurrte der Boss gefährlich.

Sofort wurde mir klar, was hier los war, das Blut forderte sein Recht. Warum entfernte ich mich nicht so weit wie möglich von ihm? Daran hätte ich denken müssen.

„Corvin!“, versuchte Vater, auf den Boss einzureden, unsere Umgebung gefror zu eisiger Luft, jeder Atemzug hinterließ eine aufsteigende Wolke.

„Lass mich los!“, forderte ich streng. Kahlaf ließ meinen Arm frei, ich flog an eine harte nackte Brust, von der ich annahm, sie gehörte den unter meinen Blut beeinflussten Vampir.

Mit aller Gewalt stemmte ich mich gegen Corvins Brust, er lockerte seine stahlharte Umarmung. Ich sah in schwarze erregte Augen, die Kahlaf fixierten. „Corvin!“, streichelte ich seine Wange, er ließ seinen mörderischen Blick von Kahlaf ab. „Komm gehen wir ein Stück!“, dabei fiel mir auf, dass er nackt herumlief.

„Nein!“, verharrte er auf der Stelle, „Was treibst du bei ihm?“, richtete sich seine Wut gegen mich.

Himmel wie verstockt! Was konnte ich ihm sagen ohne das er gleich den Hünen angriff? „Ich bat ihn mich zu trösten, er ist doch wie ein Vater für mich.“

„Warum sollte er dich trösten?“, ging er wenigstens auf meine Worte ein.

„Weil du krank warst! Wir waren alle besorgt.“ Bevor ich die Worte zu Ende sprach, wusste ich, es war ein Fehler.

„Ach! Und dann weichst du von meiner Seite? Wirklich sehr besorgt, Weib! Wollen wir doch mal sehen wie besorgt du warst, griff er wieder fester zu und zog mich unweigerlich zum Zelt. Was dort geschehen würde, konnte ich mir ausmalen.

„Sarah!“, rief Vater, ich schüttelte nur den Kopf. Mein Fehler, dachte ich ergeben, ich hätte abhauen sollen, so weit es nur ging. Dabei konnte ich Corvin noch nicht einmal die Schuld geben, er handelte aus reinem Instinkt, war ihm hilflos ausgeliefert.

Kaum das wir das Zelt betraten, zerrte er bereits an meiner Kleidung, „Warte!“, bat ich.

Die Kälte nahm wieder zu, „Suchst du nach Ausreden?“

„Nein, aber ich besitze nur diese eine Montur“, zog ich das Hemd über den Kopf.

„Das ist alles? Ich besorge dir hundert Neue“, zerriss er voller Wut das Hemd. Es ist das Blut, sagte ich mir. In ein paar Tagen ist es vorbei, ließ ich mich von ihm zum Bett tragen. „Du gehörst mir, mir allein!“, knurrte er nochmals, bevor er mich ungeduldig küsste.

Weder konnte ich mich seiner Zärtlichkeit entziehen, noch den Akt unbeteiligt über mich ergehen lassen. Er kannte all die kleinen Reize, die meine Lust anfachten. Unter seinen kundigen Händen wurde ich zu Wachs, welches immer mehr forderte.

„Na gut Füchsin“, bedeckte er meinen Körper mit Küssen, „ich verzeihe dir und Kahlaf, aber sei gewarnt, noch einen Ausrutscher vergebe ich dir nicht. Und damit dies nicht geschieht, wirst du immer in meiner Nähe bleiben.“

Na sicher, rekelte ich mich gähnend, seinen Kopf streichelnd wartete ich auf darauf, dass er einschlief. Die dunklen Ringe, die hellen Flecken an seinen Körper verrieten mir, die Vergiftung tobte noch in seinem Körper.

Und richtig, bald wurden seine Lider schwer und schließlich atmete er tief und regelmäßig. Wieder schlich ich mich davon, doch diesmal wollte ich so viel Abstand wie nur möglich zwischen uns bringen.

Vater stürmte mit bekümmerter Miene auf mich zu, „Sarah es tut mir so leid!“

„Sei ja leise!“, raunte Henry, „Unter Garantie spitzt er noch im Schlaf die Ohren.“, dann sah er mich skeptisch an, „Er schläft doch? Oder?“

„Na sicher! Glaubst du, ich schlitze seine Kehle auf?“, stemmte ich empört die Hände in die Hüften.

„Sarah muss so schnell wie möglich fort!“, kam Kahlaf ermahnend, „Ross, du wirst sie begleiten!“, bestimmte der Riese, „Und wir legen los, um ein paar mächtig strapazierfähige Fesseln herzustellen.“

„Wie willst du das anstellen?“, kratzte Henry sich den Hinterkopf.

„Dann pass auf und lerne!“, wandte er sich mir und Ross zu der neben mir stand, „Wir werden euch benachrichtigen, sobald er wieder Herr seiner Sinne ist.“

Ross nickte, ich warf einen letzten Blick auf das noch ruhige Zelt. In ihrer Haut wollte ich keineswegs stecken, sobald er aufwachte. Mein Begleiter legte ein zügiges Tempo an den Tag, bald schnaufte ich aus jedem Loch.

„Meinst du nicht, der Abstand, ist groß genug?“, inzwischen gelangten wir an dem See, an dem wir Vortags rasteten.

Er schüttelte den Kopf, „Falls sie ihn nicht bändigen können, wird er dich systematisch suchen. Deshalb sind wir auch hierher zurückgekehrt, ich hoffe, du kannst schwimmen beziehungsweise tauchen“, grinste er, „Im Wasser wird er deine Spur verlieren.“

Meine Stiefel ausziehend fragte ich, „Wie lange wird es dauern, was meinst du?“

„Es kommt darauf an, wie viel er zu sich nahm. Einige Tage, eine Woche, ein Monat, natürlich muss man das Gift bedenken …“, runzelte er die Stirn, „wir werden einfach auf Nachricht warten müssen.“

„Wie konnte er vergiftet werden und wer?“, stellte ich mir die Frage laut.

„Ja, daran denke ich die gesamte Zeit. Es muss im Lager passiert sein, vielleicht eine Flasche, die ihm gereicht wurde.“, er schüttelte den Kopf, „Doch soviel ich mich erinnere, reichte er jede Flasche weiter. Nein! Das Gift kam woanders her, doch wie …“, vertiefte sich sein Runzeln.

„Du sagtest, es sei ein Spion im Lager, vielleicht war er oder sie es!“, ich tendierte zu seiner Frau und sagte es Ross auch.

„Er flirtet, aber er nutzte keine Gelegenheit, um mit einer Frau allein zu sein.“

„Da kannst du dir nicht sicher sein!“, zweifelte ich.

„Oh doch, nie habe ich ihn aus den Augen gelassen. Jedenfalls nicht so lang, dass er sich mit einer Frau zurückziehen konnte. Außerdem gibt es viele verschiedene Arten, ein Brief, ein Schreiben mit Kontaktgift zählt zu meinen Favoriten. Vielleicht die Tasten der Tastatur des Laptops, ein Handy, ach es gibt genügend Möglichkeiten.“

Während er sprach, suchte er mit den Augen den Boden des einstigen Lagers ab. „Du suchst nach Beweisen!“, rief ich erstaunt aus, darauf hätte ich auch kommen müssen, warf ich mir vor.

„Leider ohne Erfolg! Und allzu lang möchte ich nicht bleiben, wer weiß, ob sie ihn bändigen können.“

„Gegen Kahlaf?“, lachte ich bei der Vorstellung.

„Unterschätzte niemals unseren Instinkt, er entwickelt außergewöhnliche Kräfte.“

„Warum bist du dann nicht bei ihm geblieben? Für dich müsste es ein Leichtes sein.“

„Stimmt!“, lächelte er, „deshalb bin ich ja hier!“, ging er ins Wasser, „Hier finden wir keine Spur“, als er bis zu den Hüften im Wasser stand, meinte er, „Spring auf mich zu, ich werde dich dann weiter in den See werfen.“

„Ist es nicht ein wenig übertrieben?“

„Na los mach schon, ich diskutiere nicht gern“, befahl er.

Auch noch empfindlich! Nahm ich Anlauf und sprang direkt auf ihn zu, durch die Luft fliegend landete ich unsanft ein gutes Stück vom Ufer entfernt. Ross kraulte bereits an mir vorbei auf die gegenüberliegende Seite zu.

Auch nicht gerade klug dachte ich, als wir die Mitte des Sees erreichten, ich würde als Erstes dort suchen. Das dachte sich Ross auch, denn nun schwamm er auf die sich verjüngende Spitze zu. Dort lag meines Wissens, die Stadt Sarnista. Wollte er etwa die Stadt aufsuchen? Fragte ich auch sogleich.

„Nein, werden sie umgehen! Denk doch mal nach! Wie lange werden sie benötigen, um zur Festung zu kommen?“

„Etwa vier Tage schätze ich, falls sie ohne Schwierigkeiten durchkommen.“

„Genau! Und wir werden auf eine andere Route die Festung ansteuern, sollte dein Mann bis dahin …“

„Er ist nicht mein Mann!“, verbesserte ich ihn.

„Corvin, bis dahin normal sein, können wir zu ihnen stoßen. Wenn nicht so halten wir uns in der Nähe der Festung auf. Ich möchte auf jeden Fall dort sein, denn meine Tochter will die Sardovans vernichten, jeden Einzelnen von diesem Blute.“

„Aber warum?“, ein Verdacht keimte auf, „Dein Sohn! Ist er Corvins Vater?“

„Um Gottes willen, nein! Inzucht Sarah, weder Marsé noch …“, er hielt inne, „… hätten es zugelassen.“ Wen meinte er? Wessen Namen verschwieg er?

Dieser Vampir hüllte sich weiterhin in Schweigen. Überhaupt sprach er nur das Nötigste, wenn ich ihn in den kurzen Rasten nach seinen damaligen Leben befragte, schwieg er. Erkundigte ich mich nach der Zeit, als er aufgeweckt wurde, schwieg er. Ich wusste noch nicht einmal, wer ihn aus seinem langen Schlaf holte. Und warum!

Als nach zwei Tagen meine Kraft nachließ, sollte ich mich an Ratten halten, was ich strikt verweigerte. „Du musst! Bedenke den Verlust, als du Corvin nährtest …“

Weiter ließ ich ihn nicht reden, „Ratten sind tabu!“, reckte ich mein Kinn.

Er grinste, ein kaltes kontrolliertes Lächeln, welches mich frösteln ließ, „Dann besorge ich dir einen Menschen! Ich könnte auch einen gebrauchen“, erhob er sich schon.

„Nein!“, rief ich aufschnellend, ihn am Arm packend.

„Dann doch Ratten?“, fragte er leutselig.

„Gibt es denn keine andere Möglichkeit?“, verzog ich mein Gesicht vor Ekel.

„Es ist gar nicht so schlimm, du gewöhnst dich schon daran. Das hat bisher jeder!“, meinte er kaltschnäuzig.

In diesem Moment verachtete ich Ross, so musste er als damals als Herrscher gewesen sein. Was ich ihm auch unter die Nase rieb. Darauf hin lachte er, „Noch nicht einmal annähernd!“, hielt er sich den Bauch.

Bevor wir die Grenze zu Rumänien überschritten, bestand Ross auf die Nahrungsaufnahme. Auf Jagd gehend, fing ich schnell eine, doch ich konnte nicht, das fiepende ängstliche Ding in meiner Hand wand sich in Todesangst. Vorsichtig setzte ich sie auf den Boden, wo sie dann schnell in der Dunkelheit verschwand.

„Was machst du denn?“, schimpfte Ross mit mir.

Mich auf den Boden sinkend lassend meinte ich schwach, „Ich kann es nicht!“

„Du hast doch schon getötet, oder?“, kniete er vor mir.

„Jäger!“, zog ich meine Lippe vor Verachtung hoch, „Verräter!“

„Nun dann speisen wir bald ein bisschen Jägerblut. Ist mir auch lieber und es gibt uns mehr Kraft.“

„Moment! Es ist uns verboten, uns von Menschen zu nähren.“

Wieder dieses Lächeln, „Wir haben die Genehmigung der Offiziellen mit aller Härte gegen die Jäger vorzugehen, wenn wir uns ein Mahl gönnen, wen interessierst.“

„Du besitzt keinerlei Moral!“, warf ich ihm vor.

„Nun höre mir genau zu, Sarah Sardovan! Es ist Krieg, dort gibt es keine Moral, sondern nur Kampf und Überleben. Ich sorge dafür, dass du zu den Letzteren gehörst. Und wenn deshalb ein paar Jäger draufgehen, dann ist es eben so, sind doch sowieso nur Laborratten.“

„Wie meinst du das?“

„Es sind weder Menschen noch Vampire! Ja was denkst du, wie die Offiziellen mit ihnen verfahren? Hallo ihr Menschen da ist eine neue Rasse, euch zwar körperlich überlegen, da sie mit Vampiren gekreuzt wurden. Aber was macht das schon! Nein sie werden jeden Einzelnen jagen und beseitigen! So sieht die Realität aus, es ist besser, du begreifst es schnell. Denn niemals werden sie zugeben das wir, unsere Spezies unter Menschen leben.“

„Selbst wenn wir uns an ihnen nähren, vergiss eines nicht, es sind auch Vampire! Was macht ihr Blut aus uns?“

„Kahlaf meint, das Blut sei in Ordnung, Alischa muss lange Jahre mit Experten gearbeitet haben. So schuf sie eine Rasse, die körperlich widerstandsfähiger ist und trotzdem als Nahrung dient. Typisch für meine Tochter“, meinte er verächtlich.

„Alischa! Meinst du sie wartet auf der Festung?“, hoffte ich auf ein anderes Thema und vielleicht bestand er dann nicht auf solch eine Nahrungsaufnahme.

„Unter Garantie und ich werde sie persönlich in die Hölle schicken“, sprach er nun voller Hass.

„Kannst du es? Sie ist schließlich deine Tochter.“

„Wir werden sehen, ansonsten habe ich dich an meiner Seite. Denn du wirst sie töten müssen, falls ich versage. Deshalb trägst du dieses Kleinod, Sarah.“

„Als ob ich eine Chance gegen sie habe. Ich kann mich noch nicht einmal ihrer Stimme entziehen.“

„Das wirst du! Glaube an dich denke an deine Tochter, deinen Vater, selbst an Livio, an den Fortbestand unserer Rasse. Nimm all deine Liebe mit in den Kampf, denn das ist es, was dich starkmacht. Und nun werden wir uns Nahrung besorgen, damit du stärker wirst als jemals zuvor.“

„Das ist eine schwere Bürde! Und ich verstehe, warum du mich aussuchtest.“

„Ach ja? Warum meinst du?“

„Weil ich ersetzbar bin, ganz einfach. Weder Vater, noch Livio kommen infrage, sie werden später noch benötigt.“

„Du irrst dich! Ich suchte dich aus, weil du Sarah die Stärkste meiner Nachkommenschaft bist. In dir sitzt eine Kraft, dessen du dir nicht bewusst bist, der meinen ebenbürtig“, hob er mein Kinn an, „Du meine Enkelin kommst ganz nach mir! Deshalb verspottete Alischa dich, sie schlotterte vor Angst vor dir, sie sah, wer du bist.“

„Lächerlich“, entzog ich ihm mein Kinn.

„Dann sieh mich an! Es wird allmählich Zeit, dass unsere Rasse erfährt, wer unter ihnen lebt“, stand er auf und zog mich mit hoch. Er war nun größer, mit ungläubigen Augen sah ich zu, wie er zwei ovale Stücke ausspie. Er griff sich an die Augen, vorsichtig entfernte er Kontaktlinsen und ich sah in mein Spiegelbild. Nur das dieses die männliche Ausgabe war.

Erstaunt trat ich zurück, ich sah Vater in ihm, Livio und doch ähnelte er mir mehr. Ich verbesserte mich, ich ihm aufs Haar, das jetzt noch immer heller als meines war.

„Aber ich spüre deine Aura nicht.“

„Später, wir wollen unseren Feind doch nicht warnen, nicht wahr. So und nun ab über die Grenze machen wir Jagd auf ein paar Jäger“, lachte er befreit auf.

Mit dem Tempo, welches er nun anschlug, kam ich nicht mit. Es dauerte nicht lang, bis ich ihn aus den Augen verlor, doch nicht so ganz geändert, dachte ich zynisch.

Ich irrte mich, denn er wartete auf mich, vor uns lag offenes Gelände. Da wir bisher quer durch Bulgarien einen Wald nach dem anderen zur Deckung nutzten, erschien mir das freie Feld unendlich groß.

 

Kapitel 53

„Da müssen wir drüber“, sagte Ross besorgt.

„Meinst du, es wird überwacht?“, suchte ich nach Anzeichen.

„Ich würde es“, inspizierte er das Gelände. „Warten wir, bis es Dunkel wird“, entschied er, dabei legte er sich auf den Bauch, um ungesehen die abgeernteten Felder zu beobachten.

Nichts rührte sich, es gab keinerlei verdächtige Bewegungen. Als die Dunkelheit hereinbrach, rümpfte mein Begleiter die Nase, „Warum ist ausgerechnet heute Nacht sternenklarer Himmel? Bist du bereit?“

Ich nickte, „Na gut, wir laufen schnurstracks geradeaus. Am Ende sollten uns die Büsche genügend Deckung liefern. Dort orientieren wir uns neu.“

Bevor ich antworten konnte, sprang Ross auf, er zog mich mit in einer unglaublichen Geschwindigkeit, ich glaube, meine Füße berührten kaum den Boden. Ehe ich mich versah, landete ich in einem blattlosen Gestrüpp. „Na ging doch!“, schien Ross erfreut zu sein, „So weit sind wir gar nicht vom Weg abgekommen, ich befürchtete schon, wir müssten am Ufer entlang laufen.“

„Wo sind wir?“, streckte ich meine Nase aus dem Busch.

„Westlich von Archar. Vor uns liegen zwei Inseln, ich denke, es ist der bessere Weg die Donau zu durchqueren, die Strömung ist selbst für uns eine Herausforderung.“

Zweifellos stimmte ich ihm zu, „Wie breit ist der Fluss an dieser Stelle?“

„Bis zur ersten Insel etwa dreihundert Meter, dann bis zur nächsten eintausend, schätze ich und wieder ungefähr dreihundert. Deine erste Überquerung dieser Art?“, erkundigte er sich lächelnd.

„Ja!“, pustete ich meine Wangen auf, „Brücken oder Fähren ziehe ich vor.“

„Wird schon, halte dich an meiner Seite“, klopfte er mir ermutigend auf den Rücken.

Wird schon! Die Strömung riss mich direkt von den Füßen, kein Wunder bei dem Regen in der letzten Zeit. Ab und an änderte Ross unsere Richtung, ansonsten kamen wir gut voran. Die erste Insel bestand aus einem Waldgebiet, welche wir tropfend durchliefen.

„Willst du dich erst ausruhen?“, fragte mein Ahnherr besorgt.

„Nein lassen wir es hinter uns bringen“, stürzte ich mich ins kalte Nass.

Als wir die nächste Insel erreichten, schnaufte ich außer Atem, während Ross keinerlei Anzeichen der Erschöpfung zeigte. Auch hier befragte er mich, doch ich wollte weiter, dachte die paar hundert Meter schaffte ich.

Hätte ich gewusst, was auf uns zukam, wir wären erst geblieben. Denn als wir nahe an das Ufer kamen, wurden wir angerufen. Sofort zog mich Ross unter Wasser, tauchend ließen wir uns mit der Strömung treiben.

Ich dachte ich würde ertrinken, jedes Mal wenn ich auftauchen wollte, zog mich Ross wieder hinunter und schüttelte den Kopf. Kurz darauf konnte ich nicht mehr, ich musste atmen, sofort! Schon öffnete ich den Mund, wollte den Drang nachgeben, als Ross mich zur Wasseroberfläche katapultierte.

Meine Lungen brannten, hustend japste ich nach Sauerstoff und schon schlugen Kugeln in meiner Nähe ein. Verflixt tauchte ich unter. Hatte ich es mir nur eingebildet oder kamen die Kugeln von einem Boot?

Verfolgten sie unseren Weg? Die Annahme schien auch Ross zu haben, denn er wendete sich gegen die Strömung, mich wieder in Schlepptau nehmend. Diesmal stieg er langsam auf, ohne ein Geräusch zu verursachen, durchstießen wir die Wasseroberfläche.

Richtig, etwas weiter die Strömung hinunter, ein Boot. Mit starken Lampen suchten sie den Fluss ab. Rufe vom Ufer lenkten meine Aufmerksamkeit darauf. „Jäger!“, flüsterte Ross, „Es sind zu viele, einige Vampire sind auch darunter. Zurück zur Insel?“

„Sie suchen flussabwärts, dort drüben ist alles ruhig“, schlug ich vor.

„Genau das wollte ich von dir hören! Ganz leise, vielleicht verstecken sich ja ein Paar.“

Wir kamen ungesehen näher, manchmal verharrte Ross, es war schwer gegen die Strömung anzukämpfen, dabei das Boot zu beobachten und gleichzeitig auf etwaige Angreifer zu achten.

Als ich Boden unter den Füßen spürte, atmete ich erleichtert auf. Zum Schluss krochen wir auf den Kienen an das Ufer. Alles blieb ruhig. Ross vor mir steuerte auf ein überhängendes Gebüsch zu. Als er sicher war, dass ich mich halten konnte, zog er sich vorsichtig aus dem Wasser.

Mehrere Minuten geschah nichts, das Boot fuhr nun mit lauten Motorengeräuschen auf der Donau hin und her, noch gaben sie ihre Suche nicht auf. Wenn sie zurückkommen und den Busch anleuchten saß ich in der Falle, wollte ich mich gerade hochziehen.

Da packte eine Hand fest zu, „Ich bin´s!“, wurde ich vom Busch weg gezogen. Zum Glück nicht wieder in die Mitte des Flusses, sondern ein Stück flussaufwärts in eine Mulde.

„Weiter!“, hauchte Ross mir ins Ohr, auf dem Bauch liegend, robbten wir Stück für Stück weiter, bis wir einen Waldsaum erreichten. Hier bedeutete mir Ross leise zu sein, er zeigte nach oben.

Ich verstand, sie versteckten sich in den Bäumen, wenn es ausgebildete Vampire waren, mussten sie uns zumindest spüren. Doch kein Rufen oder Unruhe entstand, bisher entdeckten sie uns noch nicht.

Weiter ging es, diesmal erschwerte uns kleines Astwerk den Weg. Selbst ein ungewöhnliches Rascheln könnte uns verraten. Wie lange wir so den Waldboden küssten, konnte ich nicht sagen, irgendwann richtete sich Ross auf und winkte mir zu, ihm zu folgen. Matt versuchte ich mit ihm Schritt zu halten, bis ich strauchelte, erst dann hielt er inne. „Noch ein kurzes Stück Sarah, dann kannst du dich ausruhen.“

Mit schweren Beinen folgte ich ihm, spürte die Kälte, die mir sonst nicht das Geringste ausmachte, nun schlotterte ich regelrecht. Mit klappernden Zähnen schob mein Begleiter mich in eine Erdhöhle. „Hier warten wir bis morgen Nacht, ich möchte nicht unbedingt bei Tage in eine Falle stolpern.“ Zog er mich an sich und rubbelte mir den Rücken.

Es half nichts! Die nassen Sachen entzogen mir jede Wärme, im Laufe der Nacht konnte ich meine Glieder nicht mehr unter Kontrolle halten. Selbst als der Tag voranschritt und ein bisschen Sonne die Wipfel durchbrach, blieb der Zustand. Schließlich meinte Ross, „Ich werde dir Nahrung besorgen!“

„Zu gefährlich!“, denn den ganzen Tag hörten wir Schritte. Sie mussten uns noch immer suchen und es waren ihrer viele. „Du wirst mit jeder Stunde schwächer, du brauchst Nahrung.“

„Ich weiß, du gehst und lässt mich …“

„Auf keinen Fall!“, unterbrach er mich empört.

„Die einzige Möglichkeit“, bibberte ich vor mich hin, denn ich wollte keinesfalls, dass er in Gefangenschaft geriet. Das wäre für Alischa ein Freudentag und für uns der Untergang, denn wer außer er könnte es mit ihr aufnehmen.

„Versuche zu schlafen“, murmelte er.

Hastige Schritte ließen uns aufhorchen. Ich spürte, wie Ross sich anspannte, sein Messer lag bereits in seiner Hand. Dann eine Stimme, „Sie bilden eine Linie, durchbrecht sie, tötet sie alle.“

Dann Stille, kein Geräusch drang an unsere Ohren, bis aus der Ferne Schüsse fielen, „Sie müssen auf unsere Leute gestoßen sein“, meinte Ross.

Er klang erleichtert, während ich an meine Freunde dachte, die vielleicht in diesem Augenblick um ihr Leben kämpften. „Wir verschwinden!“, schob er das Dickicht welches uns vor neugierigen Blicken schützte zur Seite.

Schlotternd versuchte ich mich aufzurichten, meine Beine knickten einfach unter mein Gewicht weg. Stirnrunzelnd schaute mein Ahnherr sich um, „Na gut!“, meinte er, „Bleib hier, ich werde dir Nahrung besorgen, sollte nicht allzu schwer sein“, grinste er diabolisch.

Ächzend schüttelte ich den Kopf, „Keinen lebendigen Menschen Ross, bitte.“ Ob er mich hörte, konnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich lief er mit Absicht so schnell fort, fielen mir immer wieder die Augen zu. Die Erschöpfung sagte ich mir, ich bin nur Müde, schlafen; einfach nur schlafen, dann ging es mir sicherlich bald besser.

Ich wusste, ich belog mich selbst, ich benötigte Nahrung, und zwar bald. Mein Körper fühlte sich schwer und taub an. Dagegen fühlte sich mein Kopf sonderlich leicht an, lächelte ich grimmig vor mich hin.

So ist es also, wenn man hungert, kein Instinkt der einen trieb, sich eine Beute zu holen. Bei der Vorstellung in eine Ratte zu beißen kräuselten sich meine Zehennägel vor Ekel auf. Man gibt einfach auf, ließ ich mich nach hinten fallen. War doch egal, wer mich fand, Gegenwehr konnte ich sowieso nicht mehr leisten, schloss ich die Augen.

Irgendwer störte meinen wundervollen Traum, ein herrlicher Sandstrand mit einer leichten Brise, die kühlend über meine Haut strich. Diesmal klatschten mir Wellen gegen die Wangen, das mochte ich nicht, drehte ich meinen Kopf zur Seite.

Nun kam auch noch eine misstönende Stimme hinzu, die mich beim Namen rief. Herr Gott noch mal, konnte man mich denn nicht einmal in Ruhe lassen? Nur einmal! Verlangte ich etwa zu viel?

„Sarah nun öffne deinen verdammten Mund, ansonsten breche ich dir den Kiefer!“, klatschten schon wieder Wellen gegen meine Wangen. Nein! Da ohrfeigte mich jemand!

Wer wagte es, mich zu ohrfeigen? Schlug ich die Augen auf, um den Unverschämten zu tadeln. „Na also geht doch!“, wurde mir eine Flasche in den Mund gesteckt, „Das sollte dich …“

Ich hörte nicht, schmeckte nur das köstliche Nass, welches mir in den Mund floss. Gierig trank ich die Flasche festhaltend bis auf den letzten Tropfen leer.

Ross lächelte, „So das reicht erst einmal, frisches Blut ist viel effektiver als das kalte Zeug“, jede Vene in meinen Körper pulsierte, ich fühlte mich stark, lebendig, unangreifbar, dabei schielte ich voll Verlangen, auf die andere Flasche neben ihm.

Er bemerkte meinen Blick, „Die willst du haben, was? Ja, der Hunger ist gestillt, nun kommt die Lust auf mehr. Verständlich, doch es gibt erst später etwas, jetzt sollten wir von hier abhauen. Ich weiß nicht, was geschehen ist, jedenfalls wurde der Kampf beendet, alles ist ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack.“

Seine Worte lenkten mich ab, mir wurde bewusst, wo wir waren, in welcher gefährlichen Lage wir schwebten. Meine Schwäche, der nagende Hunger, alles fiel mir ein. Wie konnte ich es vergessen? Ich fragte Ross, ob es normal sei.

„Ich weiß von einer Person, die solch ein Szenario erlebte. Nur bekam sie mehrere Wochen keine Nahrung.“

„Wer?“, wollte ich wissen, dabei streckte ich meine Glieder, stand vorsichtig auf. Erleichtert stellte ich fest, dass meine Beine mich trugen. Sogar das Zittern hörte gänzlich auf, mir war noch nicht einmal kalt, obwohl die Montur noch immer feucht war und schrecklich nach kaltem nassen Hund stank.

„Wohin geht’s?“, fragte ich voller Tatendrang.

„Raus aus diesem verflixten Waldstück! Wir gehen nach Desa, vielleicht erfahren wir dort, was los ist.“

„In eine Stadt?“, fragte ich entsetzt, „Viel zu gefährlich!“

„Jetzt sind wir in Rumänien! Die Heimat der Sardovans, es gibt viele angesehene Bürger in jeder Ortschaft, die mit den Sardovans verwandt, verbrüdert oder verschwägert sind. Die Spielregeln haben sich geändert. Deshalb weiß ich nicht, wer den Angriff auf die Jäger unternahm und warum.“

„Willst du damit sagen, Menschen griffen die Jäger an?“, konnte ich kaum glauben, was er da von sich gab. Er nickte und zu meiner Verwunderung versteckten wir uns nicht mehr. „Wir haben nichts zu befürchten, sollten wir jetzt auf die Mörderbande treffen, töten wir jeden, der uns begegnet.“

„Aber warum erst dieses Versteckspiel?“

„Ja, denkst du denn, ich bringe dich in Gefahr? Nie würde ich mir verzeihen, sollte dir etwas zustoßen. Außerdem hänge ich an mein jetziges Leben, die würden mir die Hölle auf Erden bereiten, mit Corvin angefangen.“

„Na sicher!“, nuschelte ich vor mich hin, „Gerade der Boss!“

Ross blieb stehen, „Was ist das eigentlich zwischen euch, eine Art Hassliebe? Noch nie habe ich ein Paar wie euch erlebt. Ziemlich ermüdend euer hin und her, doch auch amüsant.“

„Wir sind kein Paar!“

„Wenn du es sagst!“, grinste er spöttisch.

„Die Verlobung war nur ein Trick, mehr nicht!“

„So? Nun da habt ihr wirklich schauspielerisch Talent entwickelt. Ich bin stolz auf dich Sarah, hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wirklich nicht!“

Verkohlte er mich? So hörte es sich jedenfalls an und mit Ironie konnte ich noch nie etwas anfangen.

„Sag mal“, störte er sich keineswegs an mein Schweigen zu diesem Thema, ging er gemütlich weiter als spazierten wir auf einer Promenade, „Als Corvin vergiftet dalag, weintest du!“

„Hab ich gar nicht!“, fuhr ich ihn laut an, wie konnte er etwas derartig Ungeheuerliches behaupten.

„Du weintest, was dachtest du in diesem Augenblick? Würde mich interessieren.“

„Na was wohl! Er ist der Boss! Von ihm hängt unsere gesamte Spezies ab!“

„Ah ja! Natürlich können Vlad, Henry und all die anderen nicht in Corvins Namen weitermachen. Verstehe, er ist sozusagen der Auserkorene! Was für ein Blödsinn, ohne seine Freunde ist er nicht weiter als ein despotischer, herrschsüchtiger Industrieller, der sich überschätzte.“

„Wie blind bist du eigentlich? Seit wie vielen Jahren lebst du auf der Festung? Du musst doch gesehen haben, was er ist, wie er ist, seinen Freunden gegenüber loyal, ein fürsorglicher Vater, ein gerechter Clanführer …“, holte ich Atem, dabei fiel mir sein spöttisches Grinsen auf.

„Wirklich sehr interessant, wie du ihn verteidigst, gut zu wissen.“

„Denk doch, was du willst!“

„Oh das tue ich, tue ich wirklich!“, ließ er sein Lachen über die karge Winterlandschaft erschallen. Ich zuckte zusammen, schaute mich um, doch kein Jäger sprang auf.

„Keine Sorge, es ist niemand in der Nähe. Es sei denn, du erwartest einen bestimmten Vampir zu sehen“, kicherte er vor sich hin.

„Dort ist Desa!“, zeigte ich auf die Ortschaft, die in mein Blickfeld kam.

„Ja, ich sehe es. Wir halten uns links!“, ging er ohne zu zögern weiter, während ich zweifelte, „Wir sehen aus wie Landstreicher, meinst du es ist so gut …“

„Keine Sorge“, winkte er nachlässig ab, „wir gehen durch den Garten. Niemand in dem Städtchen wird uns bemerken.“

Abgedeckte Felder ließen wir rechts liegen, zielstrebig ging Ross voran. Er muss die Gegend sehr gut kennen, dachte ich noch, als er über einen niedrigen Zaun sprang. Die Hintertür wurde unaufgefordert geöffnet, ein älterer Mann sah uns grinsend entgegen. „Ross du alter Halunke, was treibst du denn hier?“, wurde mein Begleiter herzlich begrüßt, „Wen bringst du mir denn da mit?“, glitten seine Augen neugierig über mich hinweg.

„Sarah darf ich vorstellen, der alte Gockel nennt sich Frederik“, schüttelten sich die beiden herzhaft die Hände.

„Sarah! Die …“, musterte er mich eingehender, als er mir in die Augen sah, nickte er grinsend, „Eindeutig! Willkommen in mein Haus, Sarah Sardovan. Es ist mir eine Ehre. Ja wohl eine Ehre!“, verbeugte er sich tief vor mir.

„Danke“, murmelte ich, wie immer argwöhnisch, wenn ich direkt mit einem Menschen in Kontakt kam. Fasziniert beobachtete ich, wie sein langes graues Haar nach vorn fiel. Mühsam richtete er sich auf, ordnete das Haar und band es zu einem Knoten. „Immer nur hereinspaziert“, zog er seinen immensen Bauch ein, damit wir durch die Türöffnung passten.

„Nach dir, Frederik!“, schmunzelte Ross. „Nun was gibt es Neues?“, traten wir in einem Raum, der vollgestopft mit Truhen und Schränken war.

„Bevor ich euch darauf antworte. Raus aus den Klamotten! Ihr verseucht mein Haus mit eurem stinkenden Parfüm!“, öffnete er einen Schrank, indem verschiedene Bademäntel hingen, je einen reichte er uns, mitsamt verwaschener Handtücher, die herrlich sauber dufteten. „Die Dusche ist gleich da“, zeigte er hinter sich.

Die Einladung ließ ich mir nicht zweimal sagen und marschierte direkt darauf zu. Endlich heißes Wasser schrubbte ich mich mehrmals gründlich ab. Als ich aus dem Bad kam, schlüpfte Ross sofort an mir vorbei.

„Unterwäsche findest du dort, die obere Schublade und wirf nichts durcheinander!“, lehnte sich Frederik an einer niedrigen Kommode.

„Wo kann ich meine Montur waschen?“, fragte ich das Bündel in der Hand haltend. „Da ist eine Waschmaschine, aber warte auf Ross seine Sachen. Wie ich euch Blutsauger kenne, wollt ihr schnellstens weiter“, runzelte er die Stirn.

Ich nickte, weiter wusste ich nichts zu sagen.

„Dann ist also in Granada alles schiefgelaufen, ja? Kein Wunder hab ja immer gesagt, dass die vom Rat nichts taugen. Verdammtes Pack sollten zu Staub verfallen.“, leise schimpfend ging es in einem fort.

Ich wusste nicht, sprach er zu mir oder zu sich. Sehnsüchtig wartete ich auf Ross, dieser Alte mochte keine Vampire. Warum half er uns dann? Endlich kam Ross, während Frederik weiter murrte, stellte mein Ahnherr geübt die Maschine an. „Nun hör schon auf! Wie sieht es mit Neuigkeiten aus?“

„Von der Festung höre ich seit ein paar Tagen nichts. Jäger haben sich entlang der Grenze festgesetzt. Einige Blutsauger kamen in die Stadt, verhielten sich aber sehr vorsichtig, es gab keinerlei Vorfälle, auch keine Vermissten“, ging er ächzend in den anschließenden Raum.

Hier wirkte es wohnlich, eine gute Stube nannten es wohl die Menschen. Indessen fuhr Frederik fort, „Einige Jungs machen es den verdammten Jägern schwer, greifen sie von Zeit zu Zeit an“, lachte er höhnisch, „führen einen Guerillakrieg gegen diese Deppen. Naja viel bringt es nicht, die schießen wild in der Gegend herum und verschwinden dann wieder, verdammtes Pack diese Jugend“, maulte er vor sich hin.

Ja, konnte denn niemand es ihm recht machen? Fand in seinen Augen irgendjemand Gnade? Was für ein Murrkopf!

Ross überhörte das Geschimpfe, „Eine Nachricht vom Boss?“

„Nee, kein Ton! Der Junge ist gewieft, so schnell wird er sich nicht erwischen lassen. Nun erzählt ihr, so viel ich weiß ward ihr in Granada, bei den verteufelten alten Relikten.“

Aha, das erste freundliche Wort und ausgerechnet über Corvin. Der ist verrückt!

Ross erzählte in der Kurzfassung, dabei ließ er einige wichtige Details aus, wie zum Beispiel, Inazinus ableben, wer die Jäger kontrollierte, einfach alles, was die Jäger betraf.

Frederik schien damit zufrieden, als Ross endete, meinte der Alte, „Ja, ja, erzählt dem alten Frederik nur kleine Häppchen“, nahmen seine Züge einen gewitzten Ausdruck an, „Aber ich habe sie gesehen! Wie sie mit ihren Domestiken dahermarschierte …“

„Wann?“, fragte Ross scharf nach.

„Vor ein paar Tagen sahen gar nicht glücklich aus“, lachte er sardonisch, „haben versucht an eine eurer Nahrungsquellen zu kommen“, grunzte er zufrieden, „Fanden aber nur leere Beutelchen vor“, klopfte er sich vor Vergnügen auf die Oberschenkel.

„Wie?“, zeigte Ross gerade kein intelligentes Gesicht. Nur gut das kein Spiegel den Raum zierte, ich durfte wohl nicht anders aussehen.

„Naja, der Kämpe und sein süßes Weibchen, erschienen mit einem Haufen Blutsauger! Sie haben alle Blutbanken in Rumänien geschlossen, die Vorräte wurden mitgenommen. Frag mich nicht wohin, mir sagt ja niemand, was“, erklärte er verschnupft.

„Ein gefährliches Spiel, sie könnten sich an der Bevölkerung schadlos halten“, schüttelte Ross den Kopf.

„So einfach ist das nicht!“, begehrte Frederik auf. „Kein fremder Vampir wird aus den Augen gelassen, weder von unserer Sippe noch von den Offiziellen, wie sie sich jetzt nennen.“

„Ja meinst du, davon lässt Alischa sich abhalten?“, fuhr Ross aufgeregt den Alten an.

„Bis jetzt, ja!“, kicherte er, „Ist ja auch kein Wunder, rund um die Festung wimmelt es von Vampiren, die seltsamsten Gestalten, hab ich gehört.“

„Freund oder Feind?“

„Na was wohl? Die kommen seit Monaten an, immer kleine Grüppchen, hausen in den Bergen rund um die Festung. Na, wer versucht da reinzukommen, ohne eingeladen worden zu sein, der kann einem Leidtun.“

„Muss man dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen? Was noch?“, wurde der Älteste langsam ungehalten.

„Na hör mal du Jungspund!“, blaffte der Alte zurück, ich musste mein Lachen unterdrücken, er nannte Ross tatsächlich Jungspund, das wahrscheinlich älteste Wesen auf Erden, drehte ich mich grinsend weg. „Meinst du mir gefällt es, nur einen Happen zu erfahren, ihr solltet nur eure eigene Medizin schmecken. Na gut! Es sind Späher ausgeschickt worden, um all die Flüchtenden aus Granada einzufangen. Bisher kam nur ein Bruchteil, einige Krieger, doch weder vom Trio oder ihrer Leibwächter eine Spur. Bis auf euch zwei!“

„Das sagst du erst jetzt? Wo kann ich einen dieser Späher finden?“

„Wird wohl gleich da sein, mein Alter ist unterwegs um ihn zu benachrichtigen.“ Sein Alter? Wer konnte denn älter werden als der Mann vor uns? Es gab nur eine Möglichkeit, ein Vampir.

„Frederik!“, baute sich Ross vor ihm auf, „Manchmal könnte ich dir den Hals umdrehen!“

„Was du schön bleiben lässt, denk an meine ganz spezielle kleine Freundin“, grinste der Alte süffisant, als Ross seine drohende Haltung aufgab, meinte Frederik, „Na also, wusste ich es doch!“

Wie auf Verabredung öffnete sich die Vordertür, „Ich bin`s!“, wurde gerufen, herein kamen zwei Vampire, einer davon eindeutig ein Krieger, obwohl er keinerlei Waffen bei sich trug, erkannte ich es an seinen Bewegungen. Der andere in mittleren Jahren, er musste nach seiner Aura in etwa Erics Kategorie liegen.

Sofort überschüttete der Krieger Ross mit Fragen nach dem Verbleib von dem Trio. „Ihr habt also nicht von ihnen gehört?“, fragte Ross, anstatt zu antworten. Da erst schaute der Krieger sein Gegenüber genauer an, „Irgendetwas ist anders an dir!“, trat er einen Schritt zurück.

Ihm fiel die Kinnlade hinab, „Was?“, schaute er mich an, „Wie?“, nach einer Pause, „Vlad?“, hörte er sich ungläubig an, „Das verstehe ich nicht!“, kratzte er sich rätselnd den Hinterkopf.

Frederik lachte vor sich hin, „Der kapiert aber auch gar nichts!“

„Ruhig mein Sohn!“, legte der Vater eine Hand auf die Schulter des Alten.

Auch ich rätselte, wieso kannten sie Ross Identität? Wer war die kleine Freundin, die Frederik ansprach? Konnte es Intha sein?

Der Krieger schüttelte den Kopf, „Was auch immer hier vorgeht, ich werde euch zu unserem Lager bringen, sollen die Chefs sich den Kopf zermartern“, wollte er los.

„Geduld, ich laufe bestimmt nicht im Bademantel durch die Straßen“, hielt Ross den eifrigen Krieger auf. Mich interessierte eines, er kannte Vater, woher kam er und wieso wollte Ross ihn ohne Weiteres folgen, witterte ich eine Falle.

„Kommst du von der Festung?“, fragte ich ihn.

„Nein! Wir sind im Dorf stationiert, meine Herrin ist Muse. Ihr habt nichts von ihr gehört?“, zeigte er eine betroffene Miene.

„Sie ist mit dem Trio unterwegs!“, antwortete Ross.

„Ja, das wissen wir auch! Vigga sagte es uns.“

„Vigga?“, trat ich näher an den Vampir.

„Na ja sicher, Muse schickte Vigga, um uns anzuführen. Sie kam mit drei verrückten Weibern.“ Die graue Maus, verstand ich nun, „die uns in die Badewanne locken wollen. Verrückt sag ich euch, die Blinde verständigt sich mit gutturalen Lauten. Wir halten uns von ihnen fern, obwohl Vigga sie wohl mag.“

Mein Grinsen unterdrückend wollte ich etwas über die Festung wissen. Er behauptete, seines Wissens sei dort alles in Ordnung. Persönlich war er nie dort. „Woher willst du dann wissen, dass alles in Ordnung ist?“, reizte mich seine Aussage.

„Naja, Diederich sagte es und vor ihm habe ich die größte Hochachtung. Zweifelst du an seinen Worten?“

„Nein“, winkte ich ab. Trotzdem blieb ein mulmiges Gefühl zurück, welches mich beunruhigte.

Während wir auf unsere Monturen warteten, sprach mich Ross an. „Du machst dir zu viele Sorgen, deiner Tochter und Freunden geht es gut. Wenn ich eines über die Bewohner der Festung gelernt habe, dann das sie durchaus imstande sind, sich zu verteidigen.“

„Ja, aber es ist Alischa und ganz ehrlich wie vorbereitet sie sind, Alischa ist unberechenbar.“ Ross nickte mir zustimmend zu, „Doch du vergisst, Rosmerta, Intha und Marsé von Diederich gar nicht zu reden. Selbst Alischa kennt ihre Grenzen.“ Sprach er mir Mut zu.

 

Kapitel 54

Bald darauf verabschiedeten wir uns von Vater und Sohn, leider konnte ich nicht herausfinden, wen Frederik mit seiner kleinen Freundin meinte. Unterwegs erkundigte ich mich bei Ross.

Der lachte, „Oh ja, Frauke! Sie ist eine Kriegerin, die ihresgleichen sucht, dazu intelligent, hartnäckig, liebenswert“, schwärmte er, „mit ihren Freunden legt man sich besser nicht an.“

Frauke, noch nie hörte ich etwas über diese Kriegerin und löcherte Ross mit weiteren Fragen. „Sie lebt mit ihrem kleinen aber erlesenen Clan zurückgezogen und widmet sich seit einigen Hundert Jahren nur ihrer Familie. Das Trio wollte ihre Unterstützung, aber sie ist vorsichtig, sagte, sobald sie der Meinung sei, das Trio könne etwas ausrichten, sei die dabei.“

„Sie bezog also keine Stellung!“

„Ich habe mich falsch ausgedrückt, Frauke unterstützte das Trio, warb bei anderen Familien für das Trio, führte Vlad und Henry in verschiedene Familien ein. Aber sie schickte keine Krieger, die will ich anmerken an die der Sardovans herankommen.“

„Bisher ließ sie sich nicht blicken, schöne Verbündete!“, merkte ich an.

„Du ziehst voreilige Schlüsse, ich gehe jede Wette ein, dass sie mit ihren Kriegern in Rumänien ist.“

„Wie kommst du darauf?“

„Frederik!“, schmunzelte er, „Er war mir allzu sicher! Vielleicht werden wir gerade von ihren Kriegern beschattet, oder sie sind auf der Suche nach Corvins Trupp.“

„Also kann man sich auf sie verlassen?“, wollte ich wissen, denn nach dem was Ross berichtete, schien diese Frauke kein verlässlicher Partner zu sein. Er nickte nur, da seine Aufmerksamkeit die vor uns liegende Landschaft beanspruchte. „Was ist?“, suchte ich die Gegend ab, wir marschierten gerade durch offenes Gelände, so weit das Auge reichte nur abgeerntete Felder.

„Dort“, wies Ross auf einen Punkt vor uns. „Eine Bewegung!“

„Vielleicht ein Tier“, vermutete der Krieger Muses, beobachtete er weiterhin aufmerksam den Horizont.

„Egal was dort ist, man sah uns, also gehen wir weiter“, entschied Ross. Der Krieger fügte sich ohne Widerspruch. Wer führte hier noch unsere kleine Dreiergruppe an? Wie ich bereits am eigenen Leib feststellte, ordnete man sich Ross ohne zu fragen unter.

Der Krieger atmete auf einmal erleichtert auf, „Das sind meine Leute! Seht ihr die Fahne? Unser Zeichen“, schwenkte er bereits ein kleines blaues Tuch über seinen Kopf. „Zwar habe ich keine Ahnung, warum sie hier in der Gegend weilen, aber wir werden es gleich herausfinden.“ Lief er los.

Während wir hinter dem Krieger herliefen, zeigte sich eine Gruppe, die still verharrend auf uns warteten. Der Anführer des Trupps, verschwendete keine Zeit mit Höflichkeit, „Wir können zur Festung zurückkehren, der Haupttrupp aus Granada ist in Giurgiu, dort überquerten sie einfach die Brücke. Es sollen Hunderte sein! Jeder Vampir, der kämpfen kann, soll sich zur Festung begeben oder sich der Truppe des Clanoberhauptes Corvin Sardovan anschließen. Die Meldung kam gerade durch. Es ist soweit, kein Verstecken mehr!“, sagte der Krieger voller Inbrunst.

Erleichtert nahm ich die Neuigkeit auf, sie kamen sicher über die Grenze, nur dies zählte, alles andere konnte warten.

Ross zeigte keinerlei Emotionen, „Demnach habt ihr direkten Kontakt zu der Gruppe?“, fragte Ross, er strahlte Ruhe aus, ließ sich nicht von der aufgeheizten Stimmung der Neuankömmlinge anstecken.

„Ja!“, nickte der Wortführende, „Wieso?“, musterte er uns zurückhaltend.

„Wie?“, überging Ross gelassen der Begutachtung.

„Ich habe ein Handy, darf es aber nur im Notfall benutzen“, warf er Ross einen distanzierten Blick zu. Freiwillig würde er das Handy nicht herausrücken, dessen war ich mir sicher.

Zu dem Schluss kam auch Ross, denn er änderte seine Haltung, erschien größer und setzte ganz allmählich seine uralte Aura ein, bis sein Gegenüber ohne ein weiteres Wort die Augen niederschlugen. „Dann sei so nett und gib mir das Handy“, bat Ross freundlich aber bestimmt.

Zwar warf der Krieger seinen Begleitern um Hilfe suchende Blicke zu, doch ohne Erfolg. Sie unterwarfen sich Ross ohne zu Zögern oder Bedenken. Einerseits amüsierte mich die Zurschaustellung seiner Macht, anderseits begriff ich, wie gefährlich ein alter Vampir war.

Was, wenn Alischa auf solcherlei Weise ihre Kampfkräfte verstärkte? Wer konnte dann noch Feind von Freund unterscheiden?

Ross ergriff das Handy, fragte nach der Nummer und ging dann etwas abseits. Einige Minuten telefonierte er, danach teilte er mir mit, wo wir uns mit dem Trio treffen, in Orsava! „Ihr werdet uns begleiten!“, bestimmte er, sich an die Krieger wendend, das Handy in seine Tasche verstauend.

Ergeben nahmen sie den neuen Befehl hin. „Ist das nicht ein Umweg? Ich wusste, ungefähr wo Orsova lag, anhand unserer Position konnte es nur ein Umweg sein.

„So ist es, aber so lautet die Anordnung“, ließ er mich stehen. Die Krieger folgten ihm ohne ein Wort des Widerspruchs.

Missmutig setzte ich mich in Bewegung. Wieso dieser Zickzackkurs quer durch das Land, musste ich mich beeilen, um mit dem Tempo, welches Ross nun anschlug, mitzuhalten.

Nur kurz hielt Ross ab und an inne, zielstrebig setzte er seinen Weg fort. Ortschaften umgingen wir oft, lag eine direkt auf unserer Route, so marschierten wir einfach hindurch.

Indessen wurde unsere Gruppe immer größer, jeden Vampir, den wir unterwegs trafen, rekrutierte unser Ahnherr kurzerhand. Als wir eine Pause einlegten, teilte ich Ross meine Bedenken auf Alischa mit. „Deshalb will ich ja so schnell wie möglich zur Festung, gegen meine Fähigkeiten kommt sie nicht an“, grinste er verhalten, „wer weiß, wie viele ihrer Leute sich auf unsere Seite schlagen.“

„Ich frage mich, warum Corvin dir vertraut? Du könntest dich einfach zu erkennen geben. Wer kann sich deiner schon entziehen?“

„Ach meine misstrauische Enkelin“, bekam seine Miene einen liebevollen Ausdruck, der mich an Vater erinnerte, „ich wünschte auch, ich wäre in meiner Jugend ein wenig skeptischer gewesen.“

„Behandle mich nicht wie ein Kind!“, ermahnte ich ihn streng.

„Ja, ja, kehre nur den Krieger heraus, werde wieder unpersönlich und kalt! Aber bedenke eines mein Kind, ich kenne all deine Ängste, Träume und Gefühle. Selbst die, die du dir verweigerst. Und ja, in meinen Augen bist du ein Kind! Also belehre mich nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll“, blaffte er mich an. „Außerdem kannst du älteren Vampiren vertrauen, die wissen, wer sie sind und wo sie stehen. Dazu gehört auch dein geliebter Corvin!“

„Er ist nicht mein gelie …“, rüde winkte er ab, „Na sicher! Frage dich doch nur einmal, warum Selina und Charly auf deiner persönlichen Abschussliste stehen? Eifersucht, lässt sich nicht so leicht verdrängen noch herunterspielen.“

Wutentbrannt marschierte ich davon, was glaubte er denn, wer er war? Mein Gewissen? Besaß er irgendein Recht über mich zu urteilen? Er verfügte weder Einsicht in meinen Leben, noch verstand er, was mich antrieb.

Laufe ruhig davon, laufe vor deinen Gefühlen davon, nähre deine Wut, irgendwann verraucht sie, was bleibt, ist Asche, mein Kind. Ich wünsche dir nur, du siehst vorher, auf welchem Irrweg du dich befindest.

„Raus aus meinen Gedanken!“, schrie ich wild durch die Gegend. Die Wache sprang überrascht auf, „Alles in Ordnung?“, sah er mich an, als sei ich irre.

„Sieht es so aus?“, fuhr ich ihn an, er hob beruhigend die Hände, „Schon gut, schon gut!“, blieb sein Blick unverwandt auf mich gerichtet. Langsam atmete ich durch, „Entschuldige“, ging ich zurück ins Lager.

Ross beobachtete mich mit Argusaugen, während ich ihn geflissentlich ignorierte, schließlich streckte er sich lachend neben mir aus, „Ja, ja die Wahrheit ist oftmals unangenehm!“

Heimlich streckte ich ihm die Zunge heraus und legte mich ebenfalls hin. Bereits nach einer Stunde wurde ich geweckt, erschrocken richtete ich mich auf. Tatsächlich ich schlief tief und fest. „Es liegt an deiner Jugend, sie fordert ihren Tribut, die letzten Tage waren hart“, reichte mir Ross einen kleinen Trinkbecher. „Mehr gibt es nicht, für alle die gleiche Ration.“

„Haben die Männer nichts bei sich?“, schmeckte ich den Unterschied zwischen Plasma und frisches Blut.

„Nein, sie waren ausgehungert, deshalb gab ich ihnen mehr, damit sie den Marsch durchhalten. Was wir erwarten, wenn wir die Truppe erreichen, kann ich freilich nicht sagen. Ich glaube kaum, dass sie irgendwo Nahrung besorgen konnten.“

„Doch!“, wusste ich es besser, niemals würde Corvin ohne ausreichende Nahrung durch feindliches Gebiet marschieren.

Die nächste Etappe legten wir in dem gleichen rasanten Tempo hinter uns. Ross trieb uns unbarmherzig an. Ja kannte er denn keine Gnade? „Wer ist dieser Leuteschinder? Zuerst dachte ich, er sei Vlad und Livio ist er auch nicht. Wer zum Teufel ist er?“, wandte sich ein Krieger an mich.

Was sollte ich antworten? Außer Atem zuckte ich die Schultern. „Von wegen!“, entgegnete der Krieger, „Du gehörst zur gleichen Sippe! Ich traue euch nicht und werde entsprechend Meldung machen.

„Nur zu, du wirst sicher überrascht sein.“

„Kaum!“, schritt er nun schneller aus.

Je weiter wir vorankamen, desto mehr verdüsterte sich die Stimmung zwischen uns und den Kriegern. Sie bedachten uns mit skeptischen Blicken, die immer feindseliger wurden.

„Ross!“, machte ich ihn auf die Krieger aufmerksam, der sah gleichgültig über die Schulter, „Sie sollen gehorchen, mehr verlange ich nicht!“, schritt er unberührt weiter.

„Sie werden versuchen, uns zu überwältigen! Wir sind Fremde für sie und gehören nicht ihrem Clan an“, versuchte ich ihm die Situation begreiflich zu machen.

„Ihr Krieger!“, spuckte Ross mir vor die Füße, „Misstrauisch! Skeptisch! Voller Argwohn! Zu meiner Zeit schuldete man dem Älteren gehorsam und führte ohne zu Fragen die Befehle aus. Das fehlt euch! Gehorsam!“, blickte er mich mit schwarzen Augen an.

Mir stockte der Atem, er sah mich voller Wut an, nichts erinnerte an den ausgeglichenen Vampir, den ich kennenlernte. „Was ist mit dir los?“, wagte ich es, ihn am Arm zu fassen.

Was ich sofort bereute, ich flog, ohne dass ich es kommen sah, durch die Gegend. Fünf Meter von Ross entfernt, der mich in angriffsbereiter Position anstierte. Hilfe konnte ich von den Kriegern keine erwarten, abseits standen sie gleichgültig da.

„Zum Teufel mit dir!“, erhob ich mich langsam, meine Brust schmerzte, er musste mir mindestens eine Rippe gebrochen haben. „So sieht also dein wahres Gesicht aus“, stand ich endlich auf wackligen Beinen.

„Ja!“, knurrte er, „Und du rührst dich lieber nicht vom Fleck“, bleckte er seine immensen Reißzähne, „Sonst noch jemand, dem etwas nicht passt?“, stand er im gleichen Augenblick vor den Kriegern, die stumm ihre Köpfe schüttelten, „Dann los!“, kam der Befehl.

Die nächsten Stunden schlug Ross ein Tempo an, welches mich an meine körperlichen Grenzen brachte, selbst die taffen Krieger schnauften aus dem letzten Loch. Ich fragte mich nicht mehr, was Ross, nein Ambrosius antrieb, dafür fehlte mir ganz einfach die Kraft.

Dann endlich hielt er ohne jeden weiteren Grund an, kletterte geschwind auf einen Baum. Unentschlossen schauten wir hinauf zum Vampir, der dort Ausschau hielt.

Die Krieger warfen mir fragende Blicke zu, als wüsste ich, was dies bedeutete. Da ich meinen Mund benötigte, um Atem zu holen, zuckte ich lediglich leicht die Schultern, das Äußerste an Anstrengung, was ich bewerkstelligen konnte. Dort wo ich stand, kniete ich nieder und wenn er mich auspeitschten sollte, so schnell konnte ich mich nicht vom Fleck rühren.

Nichts dergleichen geschah. Der alte Vampir blieb dort oben im Geäst, die Krieger erholten sich schneller und bald sah ich auch warum. Sie besaßen ihre eigene kleine Notration an Nahrung. Zwar lechzte ich danach, da sie mir aber keinen Schluck anboten, versuchte ich sie und ihre Flaschen zu ignorieren.

Bitter fragte ich mich, welche Bedeutung solch ein Verhalten heraufbeschwor. War dies die Allianz unter den Völkern, die unser Clanoberhaupt anstrebte? Nein gewiss nicht! Vor dem Trio lag noch viel, sehr viel Arbeit, Gesetze allein genügten bei Weitem nicht.

Die Nacht wich bereits, als Ross sich endlich rührte, langsam als zögere er, kletterte er den Baum hinunter. Bevor unser Peiniger den Boden erreichte wappnete ich mich innerlich auf eine Auseinandersetzung. In diesem Tempo konnte ich nicht weiter, wie sehr es mich auch schmerzte meine Unfähigkeit einzugestehen, ihm musste ich diesen erniedrigenden Grund mitteilen. Wie er allerdings darauf reagieren würde, darüber wollte ich nicht nachdenken, denn der Ross, den ich kennenlernte, war verschwunden.

Ein Geräusch beanspruchte meine Aufmerksamkeit, leise schnelle Schritte, ein knacken eines Zweiges. Der Näherkommende versuchte erst gar nicht, sein Kommen zu verheimlichen.

Dann brach eine Silhouette aus der Dämmerung, „Sarah?“, hörte ich und erkannte, wer dort auf mich zukam. „Vater!“, lachte ich erleichtert. All die Anspannung fiel von mir ab. Vater war da, er würde mich vor diesem Monster befreien, lag ich bereits an seine schmale aber feste Brust.

Als Vater mich losließ, war Ross verschwunden, die Krieger näherten sich behutsam meinen Vater, „Muse? Ist sie wohlauf?“, wollten sie wissen, was Vater bejahte. Mir fiel auf, wie ehrerbietig sie Vlad behandelten.

„Dann ist diese Frau wirklich deine Tochter?“, wagte einer zu fragen.

„Woher kommt der Zweifel?“, wollte Vater freundlich wissen.

„Naja wir dachten der Andere und sie seien Doppelgänger. Sie sehen dir zwar ähnlich …“

„Ross?“, fragte Vater ungläubig. Na klar, er trug keine Kontaktlinsen mehr, keine Wangenpolster und das gefärbte Haar, wuchs langsam heraus. Kein Wunder, das sie misstrauisch wurden. „Ja seid ihr denn mit Blindheit geschlagen?“, wurde Vater ungehalten, „Was ist hier vorgefallen?“, meldete sich sein untrüglicher Instinkt.

Weder die Krieger noch ich antworteten auf seine Frage, sondern Ross selbst „Vlad, ich glaube, wir müssen miteinander reden“, wartete er die Antwort auf der plötzlich wieder erschien.

Vater folgte ihm mit reservierter Miene, ich setzte mich ebenfalls in Bewegung. Ross sollte nicht ungeschoren davonkommen, noch durfte er Vater beeinflussen.

Ich kannte inzwischen sein wahres Gesicht. „Du bleibst hier!“, tauchte Muse in mein Blickfeld, diesmal lag eine Strenge in ihren Zügen, die ich schon einmal sah, als sie ihre Leibwächterinnen davonjagte. „Er möchte mit deinem Vater allein reden“, meinte sie versöhnlicher. Aha, er holte sich Unterstützung!

„Aber er ist ganz anders! Er spielte uns etwas vor!“, erwiderte ich, dabei wollte ich an ihr vorbei, ich musste Vater vor Ross warnen.

„Davon hörte ich bereits!“, nahm sie ihre Krieger streng in Augenschein, mich hielt sie fest am Arm gepackt. „Was dachtet ihr euch dabei? Verbündete zu ermorden? Ist es das, was ich euch lehrte? Nun?“

Nun verstand ich gar nichts mehr, mein Blick huschte von Muse zu ihren Kriegern, die ergeben ihr Haupt sinken ließen. Schließlich antwortete ihr der Wortführer, „Sie sahen ihnen ähnlich, doch waren sie es nicht! Was sollten wir tun? Ihnen vertrauen und folgen? In den sicheren Tod?“

„Ihr seht recht lebendig aus!“, stellte Muse amüsiert fest, dann schaute sie zu dem Punkt, an dem Ross und Vater verschwanden, „Na gut, ich kann mir denken, wie es ablief. Eines sage ich euch, wenn Ross euch einen Befehl erteilt, so folgt diesem, als käme er von mir. Verstanden?“

Muse wartete ihre Antwort nicht ab, sie zog mich mit sich, „Da gibt es ein paar Burschen, die dich unbedingt sehen wollen.“

„Warte!“, blieb ich bockig stehen, „Ross …“

„Du willst es bis auf dem Punkt wissen. Meine Krieger wollten dich und Ross bei der nächsten Gelegenheit töten. Ross kehrte den Wilden heraus und es tut ihm leid, das er dich dabei verletzte, das ist schon alles.“

„Das ist schon alles?“, konnte ich nicht Glauben, wie leichtfertig sie damit umging. Schließlich zeigte Ross sein wahres Gesicht, wer weiß, was er beabsichtigte.

„Sarah, was sollte Ross tun? Seine wahre Identität preisgeben? Er griff zu dem einzigen Mittel, mit welchem er sture Krieger unter Kontrolle halten konnte, das des Stärkeren. Er meldete uns sofort seine Vorgehensweise und ihm war klar, das du ihm kein Wort glauben würdest. Er erreichte sein Ziel, nur dies zählt.“

Zu einer Entgegnung kam ich nicht, da wir getrennt wurden. Till, Eric und Matt stürmten auf uns zu. Sie erzählten von ihren Erlebnissen, fragten nach Meinen und hörten überhaupt nicht mehr auf. Dabei entgingen mir einige Informationen, die mich vorbereitet hätten, auf das, was bald folgte.

Auf meine Frage, ob der Boss wieder Herr seiner Sinne sei, meinten sie er sei wieder ganz der Alte, was ich beruhigt aufnahm. Nun konnte ich mich ihm ohne Gefahr nähern, ohne das er mich gleich ansprang. Noch zögerte ich ein Wiedersehen heraus, all die Fragen, die Ross mir stellte, all die ungefragten Antworten, die er mir unter die Nase rieb, all die gut gemeinten Vorwürfe und Anregungen zeigten ein verblüffendes Ergebnis, wie ich mir eingestehen musste.

Doch zuerst musste ich mir selbst darüber im Klaren sein. Was empfand ich für Corvin Sardovan? Ich ließ all seine Beteuerungen außer Acht, sondern fragte mich. Dabei wurde mir eines schmerzlich bewusst, die gesamte Zeit, verleugnete ich meine Gefühle, ja ich liebte ihn. Ja ich sah seine Fehler und trotzdem liebte ich ihn oder gerade deswegen? Ich wusste es nicht, doch eines wusste ich, ich wollte ihn und nur ihn.

Zeit für ein Gespräch! So machte ich mich auf, die Gelegenheit schien günstig, ein Lager wurde aufgeschlagen, was bedeutete, wir blieben mindestens eine Nacht. Eine Nacht, die wir miteinander verbringen konnten, schlug mein Herz höher, als ich mich dem Zelt näherte, indem ich ihn vermutete.

„Sarah!“, kam Henry mir lächelnd entgegen, „Wo warst du denn? Ich habe dich gesucht.“

„Musste nachdenken, alles in Ordnung mit dir?“

„Oh ja, auf meine alten Tage komme ich tatsächlich noch ins Schwitzen. Es war schwer und manchmal verdammt riskant doch nun stehen wir hier, kurz vor dem Ziel und die Aussichten sind besser als wir uns je erträumten.“

Er untertrieb, die dunklen Ringe unter seinen Augen verrieten es mir und trotzdem wirkte er wie berauscht. „Wo ist Corvin?“, wollte ich so schnell wie möglich zu ihm. Jetzt konnte ich es kaum erwarten, ihn zu sehen.

Henry drehte sich um, deutete auf das Zelt, „Wird gleich wohl rauskommen, wie ist es euch ergangen? Seid ihr wirklich durch die Donau geschwommen?“

„Ja, und uns erwarteten ein paar Jäger.“

„Wie seid ihr ihnen entkommen?“

„Frage Ross, bin nur hinter ihm hergekrochen, er erledigte den Rest, ohne ihn hätte ich es nie geschafft.“

„So schlimm!“, nickte Henry sich umsehend, flüsternd fuhr er fort. „Ich weiß jetzt, wer er ist, und kann es kaum glauben.“

„Warte, bis du ihn siehst!“

„Wieso? Was hat sich verändert, ist er nun arrogant, herrschsüchtig oder was?“, fragte mein Freund drängend nach.

Ich grinste, „Lass dich überraschen!“

„Du kleines Luder …, ah da kommt unser Herr und Meister, er gehört ganz dir!“

Sofort schaute ich auf, er kam nicht aus dem Zelt, wie Henry sagte, sondern dahinter hervor, „Sarah!“, sprach mich Corvin sofort an, „Ich freue mich dich unbeschadet zu sehen und ich möchte dir danken. Ohne deine Hilfe hätte ich es wahrscheinlich nicht überlebt.“

„Ach, nichts zu danken“, wusste ich nicht, wie ich anfangen sollte. Vor Verlegenheit wurde ich ganz nervös.

„Spiele dein beherztes Eingreifen nicht herunter. Ich muss mich bei dir auch entschuldigen, was soll ich sagen? Es tut mir leid, das ich …“

„Schon gut!“, wiegelte ich ab. Warum behandelte er mich so distanziert?

„Corvin? Wo bleibst du denn? Wir warten auf dich!“, kam eine mir unbekannte Kriegerin aus der gleichen Richtung, wie zuvor Corvin.

„Bin auf dem Weg! Nochmals danke Sarah …“, sagte er, schon halb abgewandt.

„Sarah? Die Sarah? Vlads Tochter?“, kam die Frau mich musternd näher, in ihrer Miene lag eindeutig Abneigung.

„Ach ihr kennt euch ja nicht, Frauke – Sarah“, stellte Corvin uns zögernd vor.

Also das war Frauke! Schön auf ihre Art, eine herbe Erscheinung, mutwilliger Mund, ungewöhnliche hellbraune Augen, eher bernsteinfarben. Ihr langes dunkelblondes Haar gebändigt zu einem Zopf, den sie nach vorn über die Schulter trug, er wippte mit jedem Schritt, während sie näherkam.

Sie nahm mich ebenso in Augenschein, „Endlich lernen wir uns kennen“, streckte sie mir die Hand entgegen, „Ich habe schon viel von dir gehört, Sarah.“

Automatisch schlug ich ein, „Da bin ich wohl im Nachteil, von dir hörte ich noch nicht so viel.“

Sie schmunzelte, „Aber ganz unbekannt bin ich dir nicht, was mich ehrlich gesagt verwundert. Wer hielt denn sein Plappermaul nicht?“

In kurzen Worten erzählte ich die Begegnung mit Vater und Sohn. Sie lachte, „Typisch Frederik, es geht ihm demnach gut“, nickte sie zufrieden.

„Ja“, erlahmte das Gespräch.

Nach einer kleinen unbehaglichen Pause, meinte Corvin sie müssten nun wieder ihren Geschäften nachgehen. „Natürlich!“, erwiderte ich darauf, sie gingen, während Frauke sich ganz natürlich bei dem Boss einhakte.

So war das also! Beklommen suchte ich ein ruhiges Plätzchen. Sie sind ein Paar! Anders konnte es nicht sein, brach aus mir eine Tränenflut heraus. Das hast du davon! Immer wehrtest du ihn ab und er orientiert sich neu.

Moment mal! Erst gesteht er dir seine Liebe ein, um gleich darauf eine neue Liebschaft einzugehen? Typisch für ihn! Stieg die Wut in mir auf, ihn übel beschimpfend. Soviel ich auch fluchte und ihn verdammte, es tat weh, verdammt weh.

Schließlich erhob ich mich mit einem festen Entschluss. Niemals, nie wieder glaubst du irgendwelche Typen! Schon gar nicht Corvin Sardovan!

Mir über das Gesicht wischend um die letzten Tränen zu beseitigen, ging ich ins Lager. Als Krieger der Sardovans musste ich mir meine Befehle abholen. Auf wen musste ich natürlich als Erstes treffen, Livio.

„He, Schwesterherz …“, er stockte, „Hast du geweint?“, klang er ehrlich besorgt. Zweifle jedes Wort an, was aus diesem trügerischen Maul kommt, blieb ich auf der Hut.

„Von wegen!“, meinte ich kaltschnäuzig, „Was willst du?“

„Endlich das Kriegsbeil zwischen uns begraben.“

„Ach ist unser Streit nicht schon längst beigelegt? Nun, von mir aus schon. Mehr habe ich dir nicht zu sagen“, ließ ich ihn stehen auf der Suche nach Peer.

Ich wunderte mich, er begrüßte mich nicht mit den anderen. Wo war er? Da Livio noch immer hinter mir her dackelte, fragte ich ihn. „Peer späht die Umgebung aus. Wieso?“

„Wer vertritt Peer?“, wollte ich wissen.

„Das bin dann wohl ich!“, grinste er mich an. Diesmal unternahm er keinen Versuch mich zu fragen, er sah mich wartend an.

Tief Atem holend, mir blieb anscheinend nichts erspart, fragte ich schließlich, was mein nächster Job wäre. Bestimmt teilt er mich ein, Latrinen auszuschaufeln oder eine sonstige niedrige Arbeit.

„Du gehörst zu den Leibwächtern“, runzelte er die Stirn, „Da sie momentan nicht benötigt werden, helfen sie bei der Wache aus. Melde dich zum Wachwechsel bei Matt, er teilt die Schichten ein.“

„Ist gut!“, wollte ich Matt suchen, als Livio mich nochmals ansprach, „Sarah, ist wirklich alles in Ordnung mit dir, du siehst traurig aus. Ist es wegen Ross? Habe gehört, welchen Maßnahmen er anwenden musste, wahrscheinlich blieb ihm nur diese Möglichkeit, du solltest es dir nicht zu Herzen nehmen.“

„Seit wann bist du Therapeut?“, fragte ich bissig nach.

„Ich sorge mich nur …“

Anscheinend wurde ich ihn nicht so einfach los. In diesem Moment erinnerte er mich stark an Vater, deshalb wandte ich meine übliche Taktik an, „Es ist nichts, bin nur geschafft“, murmelte ich mit niedergeschlagenen Augen.

„Ja“, es funktionierte auch bei meinem doppelzüngigen Bruder, frohlockte ich, „Dann solltest du dir ein wenig Ruhe gönnen, Sarah.“

„Wir sind alle erschöpft“, dachte ich an Henry, „soll ich mich deswegen in ein Mauseloch verstecken? Nein ich verrichtete meinen Dienst, wie alle anderen auch.“ Dagegen konnte er nichts sagen, schließlich konnte ich ohne brüderlichen Schatten, Matt suchen.

Den fand ich auch bald darauf, als ich mich bei ihm meldete, schüttelte er den Kopf, „Wir sollen uns ausruhen, es geht bald weiter. Da wir momentan keinen direkten persönlichen Schutz vollziehen können, decken wir das Trio von vorn und seitwärts. Peer geht voraus, demnach bleiben uns die Seiten. Du kannst, sobald es losgeht mit mir gehen, dann verstehst du schon“, legte er sich wieder hin und schloss die Augen.

Ich machte es ihm nach, sobald ich die Augen schloss, tauchte ein Bild eines bestimmten Vampirs auf. Fluchend drehte ich mich um, denke an etwas anderes.

 

Kapitel 55

Das Trio schützen! Wie fragte ich mich zum hundertsten Male. Eine Gruppe, die aus Ratsmitgliedern und ihren engen Vertrauten bestand und das Trio mittendrin. Da sie nicht wollten, dass wir ständig an ihren Fersen hingen, schirmten wir die gesamte Gruppe ab. Na sicher, einfach für die restlichen Ratsmitglieder, denn Selina zum Beispiel blieb in Ciarans Nähe, genauso verhielt es sich mit Merkur. Muse dagegen ging mit Vater, man sah ihnen an, wie sehr sie ihre gemeinsame Zeit genossen.

Henry hielt sich meistens an Corvins rechte Seite, links davon sah man nur eine dunkelblonde Person, Frauke. Immer wieder sagte ich mir, es geht dich nichts an, du wolltest nicht, er suchte sich eine andere, so einfach.

Nur einen Wermutstropfen konnte ich verbuchen, weder Selina noch Charly kamen nah genug an ihre Beute, was ich mit Schadenfreude verfolgte. Frauke hielt die beiden Damen mit Erfolg auf Abstand.

Als wir aufbrachen und ich mit Matt zu der Gruppe kam, begrüßte mich Selina herzlich, danach wies sie auf Frauke, „Seitdem sie auftauchte, kommen wir nicht mehr an ihm ran. Was ist, willst du dich uns anschließen? Es muss doch eine Möglichkeit geben, das Weibsstück von seiner Seite zu verbannen.“

„Demnach habt ihr euch verbündet?“, konnte ich mein Grinsen kaum verbergen.

„Was denn sonst?“, warf Selina ihrer Kontrahentin einen niederschmetternden Blick zu.

„Danke, aber nein danke!“, lehnte ich höflich ab.

„Aber du bist zu ihm gegangen! Gabst von deinem Blut, ich verstehe es immer noch nicht, warum du anschließend das Weite suchtest. Eine bessere Gelegenheit gab es doch nicht.“

„Ganz einfach, ich suche keinen Liebhaber.“

„Ach du“, schüttelte sie den Kopf, „Er wollte dich, nur dich, nun ist es zu spät.“

Mein Lächeln gefror zu einer Maske, das musste sie mir nicht unter die Nase reiben. „Jedenfalls habe ich jetzt meine Ruhe“, sagte ich unfreundlicher als ich beabsichtigte. Selina runzelte ihre Stirn, „Naja Ciaran ist nach wie vor an dir interessiert.“

„Kein Bedarf!“, ging ich zu Matt, der sich königlich amüsierte.

„Willst du dich an die Wetten beteiligen? Wer wird letztendlich den Sieg davontragen? Es stehen vier Frauen zur Auswahl … ah vielleicht solltest du dich doch nicht daran beteiligen, du könntest den Ausgang beeinflussen.“

„Ihr wettet darauf?“, warum wunderte es mich? „Vier?“, überlegte ich einen Moment, „demnach gehöre ich dazu oder ist eine weitere Dame auf ihn scharf?“ Matt schüttelte den Kopf, „Na mich könnt ihr außen vor lassen!“, winkte ich ab. Worauf Matt lachend meinte: „Du bist und bleibst mein Favorit!“

Nun durfte ich zusehen wie Selina und Charly versuchten, die Aufmerksamkeit von Corvin auf sich ziehen. Frauke, die sich vollkommen sicher an seiner Seite befand und dort blieb. Er schien ihre Nähe geradezu zu suchen, ständig schauten sie sich an. Fehlte nur noch das sie selbstvergessen Hand in Hand daher gingen.

Das bewaldete Gebirge erschwerte unsere Aufgabe, zudem ging der gesamte Trupp offen über Straßen. Die Devise lautete, kein Verstecken mehr. Sobald wir Ortschaften durchquerten, zogen sich die Einwohner ängstlich zurück. Einige Neugierige fragten uns, ob dies eine Art von Karneval sei, darunter hörte ich diverse deutsche Stimmen.

Wir kamen ohne Zwischenfälle weiter, noch immer schlossen sich Vampire an, eine größere Gruppe kam kurz, nachdem wir aufbrachen, dazu. Anscheinend wurde sie erwartet. „Wer sind sie?“, fragte ich Matt.

„Na wer wohl? Da hat ein Clanführer beschlossen, sich lieber auf die Seite der Sardovans zu stellen. Ich wette, gestern beteuerten sie Alischa ihre Loyalität. Dieses Gelump darf man nicht vertrauen“, spuckte er verächtlich in ihre Richtung.

„Gibt es viele von ihnen?“

„Ja, am Ende unseres Zuges, sie werden überwacht. Was meiner Meinung nach Verschwendung ist, man sollte sie aus dem Land entfernen, die können einem doch nur in den Rücken fallen.“

„Ah ihr Sardovans seit einfach zu misstrauisch. Viele Familien standen unter Druck, Alischa strickte ihr Netzwerk mit Geschick und Drohung“, sagte Frauke mit milden Tadel in der Stimme. Matt grunzte etwas vor sich hin. „Aber ich bin nicht gekommen, um über Politik zu reden“, sah sie mich an, „mit dir wollte ich sprechen.“

„Augenblicklich verrichte ich meinen Dienst, wenn du etwas von mir willst, dann wende dich während meiner Pausen an mich“, ließ ich sie stehen.

„Aber es ist wegen Corvin“, rief sie hinter mir her.

„Ist er in unmittelbarer Gefahr?“, sie schüttelte den Kopf, „Dann haben wir nichts zu bereden.“

„Wirklich?“, kam sie hinter mir her.

„Soll ich mich wiederholen?“, fauchte ich sie an, sie strapazierte meine Geduld.

„Nein wirklich nicht, entschuldige die Störung.“, sie sah ehrlich betroffen aus. Bemerkte sie bereits, auf welch wackligen Füßen eine Beziehung mit Corvin Sardovan stand. Es geht dich nichts an, stapfte ich in Gedanken verloren neben Matt weiter.

„Sarah pass auf!“, deutete Matt auf einige Menschen. Jäger! Wusste ich sofort, oder nein sie nannten sich ja jetzt Offizielle. Was wollten die denn?

„Falls das Trio hingeht, schließen wir uns an.“, er sprach kaum aus, da lösten sich die Drei von der Gruppe. Schnell schlossen wir auf, Till und Eric kamen von der anderen Seite. Peer stand zwischen dem Trio und den Offiziellen.

Henry und Vater schauten uns zufrieden an. Nur der Boss konzentrierte sich auf die Offiziellen vor ihm, er sprach leise mit seinen Freunden. Sicherlich bespitzelte er gerade die Menschen und informierte Henry und Vlad.

Leider konnten wir unsere Sinne nicht auf die Menschen richten, zu gern hätte ich erfahren, was sie wollten. Ich musste gar nicht lange warten, Henry trat zu uns, „Diese Dummköpfe wollen bei den Kämpfen dabei sein. Die glauben tatsächlich, es sei ein Spaziergang, Narren, die sie sind.“

„Und was nun?“, stellte Eric die Frage.

„Noch ist nichts entschieden, Corvin versucht ihnen den Plan auszureden. Die wollen Alischa lebendig, was für ein Schwachsinn. Zehn Minuten mit ihr allein und sie fressen Alischa aus den Händen. Außerdem sollen wir für ihre Sicherheit sorgen, ich frage mich, was der Blödsinn soll. Da steckt doch was anderes dahinter.“

„Alischa!“, sprach Till aus, was wir alle dachten.

„Ja, das befürchte ich auch. Bisher konnte kein Kundschafter sie ausmachen, es ist verzwickt, wir wissen sie ist in diesem Land, die Frage lautet, wo.“

„Vielleicht versteckt sie sich bei den Offiziellen? Sind sie beeinflusst worden? Könnt ihr es feststellen?“, mutmaßte ich laut.

„Ja, es wäre ein geschickter Schachzug und trägt ihre Handschrift. Holt Ross, er soll sich die Leute vornehmen. Ich sage es Corvin.“

Ross musste man nicht rufen, kaum das Henry endete, kam er bereits und stellte sich zu dem Trio. Nach einigen Minuten zog er ohne ein Wort ab, Vater folgte ihm, um kurz darauf zurückzukehren.

„Was meint ihr?“, fragte Eric nach unserer Meinung.

„Schwer zu sagen, ich konnte weder aus Ross noch Vlads Miene etwas ablesen. Und ihr?“, erkundigte sich Matt, keiner kannte die Antwort. „Dann müssen wir eben warten.“

Die Gespräche dauerten an, Kahlaf wies irgendwann an, das Lager aufzuschlagen. Während die Vampire sich ausgehungert und müde niederlegten, blieben wir Leibwächter auf unsere Posten.

Merkur kam ein paar Mal und erkundigte sich nach den Fortschritten bei uns. Muse ließ sich ganz in unserer Nähe nieder, beobachtete mit Argusaugen die Menschen, dabei ließ sie Vater keine Sekunde aus ihren Augen. „Sie misstraut ihnen“, meinte Matt, „Muss Liebe schön sein!“, frotzelte er.

„Oder der Albtraum schlechthin!“, bemerkte ich spitz.

Die Nacht brach bereits heran, als die Menschen sich endlich zurückzogen, Muse sprang sofort auf und eilte an Vaters Seite. Kahlaf, Ciaran und Frauke kamen herbeigeeilt. So hörten wir, was die Menschen aushandelten. „Sie halten sich aus den Kämpfen heraus. Alischa soll nach Möglichkeit lebend gefangen werden. Sie wollen an ihr ein Exempel statuieren, zur Abschreckung. Aber bevor ihr anfangt zu lamentieren, falls sie gefangen genommen wird, bleibt sie in unserer Obhut. Das ist alles, was wir herausschlagen konnten. Sie befürchten wir könnten der Bevölkerung schaden.“

„Als wären wir Monster!“, spie Ciaran aus, „Naja eines lebt derzeit auf deiner Festung, hoffentlich bekommen sie die besondere Vorliebe Inthas nicht heraus. Du kannst nach den Kämpfen mit ihrer Anwesenheit rechnen, Corvin. Sei vorsichtig, nicht das sie dir daraus einen Strick drehen.“

„Intha hält ihr Wort, was sollte ich befürchten?“, erwiderte der Boss gelassen.

„Was ist mit all den anderen Familien? Sie werden auf deinem Land sein, dich wird man zur Verantwortung ziehen. Ich traue den Jägern nicht, wenn sie einen von uns töten können, werden sie es, ohne mit der Wimper zu zucken. Außerdem ist allgemein bekannt, wie reich zu bist, ein willkommener Zuschuss für ihre leere Kassen.“

Hörte ich da richtig? Ciaran sorgte sich, ausgerechnet um Corvin Sardovan? Nicht nur ich schaute den Vampir erstaunt an, alle anderen auch, was er bemerkte. „Was glotzt ihr? Wir wissen es alle, er ist derjenige, der unsere Zukunft sichert. Warum bin ich denn mit dabei? Damit genau dies geschieht! Ansonsten könnte ich mir zu Haus den Arsch wärmen“, fletschte er gereizt die Zähne.

„Wir haben dies bereits bedacht, Ciaran. Deshalb ist jedes Clanoberhaupt für seine Familie verantwortlich. Hättest du Krieger dabei, würdest du das Schreiben kennen.“ Informierte Henry den aufgebrachten Vampir.

„Ich habe Leute dabei!“, knurrte er ungehalten.

„Ja“, lächelte Henry, „Aber sie gehören nun einmal den Sardovans an, zwar bist du ihr Dienstherr, doch mehr auch nicht.“

„Wenn es so ist, entlasse ich sie! Ich will einen anderen Krieger!“, forderte er sich aufrichtend.

„Es ist gerade ungünstig, darüber reden wir später, Ciaran“, mischte sich der Boss ein, „wir gehen weiter, ich möchte so schnell wie möglich zur Festung“, Ciaran schnaufte auf, Corvin gab nach, „Also gut, an wen dachtest du? Dir stehen ausgezeichnete Krieger zur Verfügung.“

„Sie!“, deutete Ciaran auf mich.

Ich schüttelte eifrig den Kopf, der Boss sah mich einen Augenblick an, „Gut!“, nickte er schließlich.

Vater und ich protestierten gleichzeitig, Ciaran schlich gleich an meine Seite, während Merkur und Henry bereits Wetten abschlossen. Schöne Freunde! Ein Machtwort des Bosses und wir schwiegen, „Es reicht!“ sagte er unversöhnlich, „Gehe deinen Job nach, Krieger!“, blaffte er mich an, Vater warf er einen undefinierbaren Blick zu, der ihn verstummen ließ.

„Nun gehörst du mir!“, flötete Ciaran mir ins Ohr.

„Na sicher als Krieger! Solltest du dich mir anderweitig nähern, breche ich dir sämtliche Knochen“, lächelte ich eisig.

„Ah, wir werden uns verstehen meine Süße. Genau darauf fahre ich ab“, begutachtete er mich lüstern.

Ich sah mich schon angekettet als seine Spielgefährtin, den Schauer unterdrückend der mir den Rücken herauf kriechen wollte.

„Ich erwarte persönlichen Schutz, rund um die Uhr. Du darfst mir ruhig nahekommen“, feixte er vergnügt.

Selina warf mir einen bedauernden Blick zu, den ich lieber nicht entgegnete, ansonsten würde ich schreiend fortlaufen, wusste ich nur zu gut. Diesen widerwärtigen Typen konnte ich einfach nicht ertragen.

Doch ich musste, die nächste Stunde verlangte bereits alles von mir. Wir gingen inmitten der Traube, mein neuer Dienstherr verlangte meine gesamte Aufmerksamkeit. Weder durfte ich mich zurückfallen lassen, noch ein Stück von ihm abrücken. Und dann seine vorwitzigen Hände, die mich abtasteten, als sei ich ein Stück feine Seide, die begutachtet wurde.

Mehr als einmal schlug ich nach ihm, was ihn auch noch anspornte. Seine Fragen nach meinen sexuellen Vorlieben reizten mich außerdem. Als ich nicht darauf antwortete, durfte ich mir seine Praktiken anhören, die er sehr anschaulich beschrieb, Fantasie wurde dabei absolut überflüssig.

Während einer Pause suchte er eine für ihn passende Stelle, dort entfernte er sorgfältig jeden einzelnen Stein. Als er endlich lag, klopfte er auffordernd neben sich, „Ein bisschen Kuscheln?“

Was ich überhörte, trotzdem setzte ich mich in seiner Nähe, weit genug von ihm entfernt. Er lachte leise in sich hinein, bevor er die Augen schloss. Als ich sicher war, dass er schlief, legte ich mich lang hin, nur ein wenig dösen, sagte ich mir und schlief schon ein.

Kundige Finger, leicht wie Federn fuhren sanft mein Bein hinauf, wohlig reckend spürte ich im Rücken die Wärme eines Körpers, „Corvin“, nuschelte ich gefangen in der Erinnerung, so weckte er mich meistens in Granada, als ich seine Verlobte spielte.

Doch die Zeiten waren vorbei! Schreckte ich hoch, um in zwar braune Augen zu blicken, die aber Ciaran gehörten. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf, „Du lüsterner Bock!“, beschimpfte ich ihn.

„Rege dich nicht so auf, es gefiel dir doch!“, legte sich dieser Pfau auf den Rücken. Ich konnte ihn vor Wut nur anstarren, seine Frechheit machte mich sprachlos.

„Also, wenn ich es recht bedenke, könnte ich auf ein Rollenspiel eingehen. Wie wäre es? Mir wird nachgesagt ein guter Schauspieler zu sein und von gewissen Damen erfuhr ich, wie Corvin vorgeht. Es wird ein Leichtes sein, ihn zu imitieren.“

„Das ist krank! Du bist krank!“

„Aber nicht doch! Ich bemühe mich lediglich um deine Gunst“, erhob er sich nun auch.

„Darauf kann ich verzichten! Such dir eine andere Gespielin!“

„Ach ja, dein Standardspruch. Ich hörte schon davon, doch mich wirst du so schnell nicht los. Ich wette, du bist eine Tigerin im Bett, heiß, lüstern, sexy … „, schloss er die Augen, „oh ja! Bald werde ich es wissen.“ In seiner Hose regte es sich, fluchend suchte ich das Weite.

Auf den musste man aufpassen! Ich musste aufpassen!

„Was ist denn mit dir los?“, fragte Henry, als ich blind an ihm vorbeilief, völlig eingenommen von den Verrückten.

„Du musst mir einen anderen Job besorgen! Weißt du, was er getan hat? Er … er … befummelte mich, als ich schlief“, holte ich tief Luft, damit ich mich beruhigte, „Dann bot mir ein Rollenspiel an, dabei geilte er sich auf. Unter Garantie benötigt er eine saubere Unterhose.“

„Falls er eine trägt!“, zog Henry angewidert die Oberlippe hoch, „Dem gebe ich keine Hand mehr.“

„Nun hör doch auf, zu spaßen! Es ist mein Ernst! Ich will einen anderen Job“, musste ich mich zurückhalten, um Henry nicht zu schütteln.

„Meiner auch! Weißt du eigentlich, wie lange wir keine Dusche mehr gesehen haben?“, schüttelte er sich jetzt tatsächlich, ganz ohne mein Eingreifen. Bei seinen Worten setzte bei mir sofort das Kopfkino ein. Weißes Pferd auf grüner Wiese sagte ich mir immer wieder vor.

Als ich Henry nochmals ansprechen wollte, war er verschwunden. Auf der Suche nach ihm lief mir Ciaran über den Weg, sofort fiel mein Blick auf seinen Schritt, was er natürlich bemerkte. „Doch nicht so abgeneigt!“, grinste er lüstern.

Schrei! Schrei dir einfach die Seele aus dem Leib. Natürlich blieb ich stumm, Henry herbeisehnend. Dieser Wunsch blieb mir verwehrt, nicht jedoch der brünstige Bock, der sich den anderen Ratsmitgliedern anschloss, als es weiterging und ich musste wohl oder übel für seine Sicherheit sorgen.

Wo war Vater, wenn man ihn brauchte? Überhaupt sah ich meine Freunde nirgendwo, selbst Livio glänzte durch Abwesenheit. Ich schaute mich um, Merkur und Kahlaf hielten sich außergewöhnlich abseits der Gruppe. Hier stimmte etwas nicht!

„Gehe ganz ruhig weiter!“, legte Ciaran tatsächlich seine Hand auf meine Schulter, vor Ekel schubste ich ihn weg, ein Reflex, den ich nicht unterbinden konnte.

„He, alles in Ordnung mit dir?“, fragte er erstaunt, dabei hielt er sich an meinen Arm fest. „Fasse mich nur nicht an!“, spürte ich echte Panik in mir aufsteigen. Dabei fixierte ich seine ungewaschenen Hände, die nicht anders als meine oder die aller anderen aussahen. „Was ist hier los?“, überspielte ich meinen Ekel.

„Wir werden beobachtet!“, erteilte er mir Auskunft, hielt dabei zu meiner Erleichterung ausreichenden Abstand.

„Freund oder Feind?“, schickte ich sogleich meine Sinne auf Wanderschaft. Menschen! Jäger oder Offizielle? „Die angeblich Offiziellen! Ha, die reden von Vertrauen und bei nächster Gelegenheit bespitzeln sie uns. Wetten sie suchen nach Vergehen? Die glauben tatsächlich wir rotten jede Ortschaft aus, auf unseren Weg.“

„Ganz ruhig, Ciaran, wir wussten, was auf uns zukommt. Beachtet sie nicht weiter, je länger sie glauben sie seien unentdeckt, desto besser kann das Trio agieren“, sagte Kahlaf beruhigend, er ging nun zwischen uns.

Auch seine Kleidung, sein gesamtes Aussehen sprach von Entbehrungen und Schmutz. Kein Wunder, das die Leute in den Dörfern uns anstarrten, Obdachlose auf Wanderung.

„Was haben sie vor?“, wollte ich von Kahlaf wissen, „und wo ist Vater?“, sah ich mich nochmals um. Muse ging allein, ein ungewöhnlicher Anblick.

„Immer diese Neugier der Jugend, alles wollen sie wissen“, grunzte er vor sich hin. Von ihm erfuhr ich keine Neuigkeit. Dann blickte er hinauf in den Himmel, „Sobald es dunkel wird, werden wir vermutlich auf unsere ersten Gegner stoßen. Hoffentlich geben sie auf, ansonsten …“, blickte er hinter sich, die lange Schlange musternd, „werden viele gute Männer und Frauen den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr erleben. Schärft eure Klingen, reinigt eure Seelen, geht ohne Reue in den Kampf.“ Klopfte er uns auf die Schultern.

„Seit wann ist unser Maler gläubig?“, grinste Ciaran mich an.

Entweder ließen ihn Kahlafs Worte kalt, oder er ließ es sich nicht anmerken. Mir war es einerlei, doch in einem Punkt musste ich Kahlaf recht geben, wenn man in einen Kampf zog, sollte man mit sich im Reinen sein. Davon war ich weit entfernt.

Ein Blick nach vorn auf den Rücken Corvins, der Stich in meiner Magengrube sagte mir genug. Ich musste vorher mit ihm sprechen. Egal was er auch für mich empfand, er sollte wissen, dass ich ihn liebte.

Unzählige Male unternahm ich einen Anlauf, doch im letzten Moment zögerte ich. Frauke blieb unentwegt an seiner Seite, vor ihr wollte ich mein Gewissen bestimmt nicht erleichtern.

Und genau das war der Punkt. Wollte ich nur mein Gewissen erleichtern? Der Zweifel saß tief, besonders da die Frage berechtigt war. Welchen Nutzen konnte Corvin aus diesem Wissen ziehen? Keinen!

Er ging bereits eine neue Liaison ein. Warum ihn quälen? Ich wusste es, denn ganz tief in mir, glomm ein kleiner Hoffnungsschimmer. Du handelst nicht anders als jene andere Frauen, die ihm nachliefen.

Weder besitzt du ein Anrecht auf ihn, noch ist er an dir interessiert. Eines wollte ich ihm doch mitteilen und dies ging uns beide an, Prya. Egal wie die Nacht ausging, sie sollte wissen, dass ich sie gern näher kennengelernt hätte. Genau dies sollte der Vater ihr mitteilen.

Diesmal zögerte ich nicht, Frauke sah mich zuerst, ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, sie stupste Corvin an, wie immer wachsam schaute er sofort auf. „Ich möchte dich kurz sprechen“, sagte ich.

„Bitte!“, ging er ruhig weiter.

„Allein!“

Seine Miene zeigte keinerlei Verständnis. „Da fällt mir ein“, sagte Frauke, „ich wollte mit Muse ein paar Worte wechseln. Henry, Ciaran?“, forderte sie die beiden Vampire auf, ihr zu folgen.

„Nun was willst du?“

„Sage Prya, das ich sie mag, wirklich mag. Das war es schon.“

„Deshalb dieser Aufstand? Das kannst du ihr selbst mitteilen.“

„Vielleicht, ich wollte nur sicher sein …“

„Falls du während des Kampfes umkommst?“, sah er mich mit großen Augen an.

„Ja!“, bestätigte ich seine Vermutung.

„Mehr nicht?“, bannten mich seine Augen.

Ein schriller Pfiff enthob mich einer Antwort. Corvin fluchte, „Ciaran!“, rief er, mich an sich ziehend, „Dein Timing ist schlecht gewählt“, lächelte er und übergab mich den herbeigerufenen Vampir.

„Was soll das?“, wehrte ich mich gegen die Hände, die mich festhielten.

Eine Hand umfasste mein Kinn und zwang mich den Boss anzusehen, „Glaubtest du tatsächlich, ich ließe zu, dass dir etwas geschieht? Bring sie weg!“, drückte er mir seine Lippen auf den Mund.

„Du hirnverbrannter Idiot!“, rief ich hinter ihm her, er hörte mich bereits nicht mehr, verschwand in der Traube von Vampiren, die sich nach vorn in den Kampf stürzten.

Ciaran kämpfte gegen die Entgegenkommenden und mich an, ihn beschimpfend, bittend, zuletzt flehend, schritt er ungebrochen weiter vom Kampf weg.

„Warum?“, fragte ich ihn nun zum tausendsten Male.

„Ist es dir wirklich nicht bewusst? Er liebt dich, mehr Gründe benötigt er nicht.“

„Aber Frauke?“

„Sie sind befreundet, schon lange, Marsé zog Frauke auf, nachdem man ihre Mutter tot auffand.“

Mit aller Kraft stemmte ich die Beine in den Boden, „Ciaran, dann lasse mich an seiner Seite kämpfen, bitte.“

„Wenn ich dich gehen lasse, dann breche ich mein Wort und das tat ich noch niemals“, beschleunigte er sogar seine Schritte. Egal wie sehr ich mich wehrte, es war nutzlos.

„Du kannst mich nicht ewig festhalten!“, drohte ich nun.

„Ist mir durchaus bewusst!“ Kam sein Atem flacher? Kein Zweifel, die Erschöpfung nagte an ihm. „Ich halte noch eine ganze Weile durch, sollte ich eigentlich“, runzelte er die Stirn, „doch irgendwer, versucht mich zu beeinflussen.“

„Wer, der Feind? Alischa?“, fragte ich aufgeregt nach.

„Nein, viel mächtiger …, ja ich glaub es kaum! Es ist Ross, was hat der verrückte Kerl vor? Corvin hat ihm klipp und klar gesagt, was er von seinem Plan hält.“ Ciaran wurde langsamer, mühsam setzte er ein Bein vor dem anderen. „Verflucht!“, gab er endlich auf.

Einige Sekunden später kamen drei Gestalten auf uns zu. Ross führte sie an, Vater und Livio hinter ihm. „Dann können wir ja loslegen!“, nickte Ross mir zufrieden zu.

„Du vertraust dem da, wirklich?“, fragte Livio, „er ging bei Alischa ein und aus, ich weiß nicht, aber ich glaube, du begehst einen Fehler.“

„Ist das so?“, kniete unser Ahnherr vor Ciaran, „würdest du uns verraten?“

Ciaran robbte ein Stück von Ross fort, „Nein, ich habe Corvin die Treue geschworen. Man kann mir so manches nachsagen, aber niemals habe ich einen Eid gebrochen und der Letzte bezog sich auf Sarah. Sie in Sicherheit zu bringen, lautete mein Auftrag. Den du gerade vereitelst“, wandte er sich an Vater, „auch dich verstehe ich nicht, Vlad. Willst du deine Tochter wirklich opfern?“

„Deshalb sind wir hier! Ross benötigt Hilfe gegen Alischa und Sarah ist nicht die Einzige, die gegen meine Mutter antreten muss.“

„Nein, nein!“, trat ich dazwischen, „Du darfst dich nicht einmischen, es ist zu gefährlich, Vater! Bedenke sie ist deine Mutter, sie wird dies ausnutzen.“

„Welch eine Fürsorge!“, meinte Ross süffisant, „Keiner will den anderen in Gefahr bringen. Wie sollen wir gegen Alischa antreten, wenn ihr alle zögert? Ihr solltet euch bewusst sein, dass wir alle wahrscheinlich bei dem Versuch sie zu töten draufgehen. Sie umgibt sich mit einer Leibgarde, sie ist stark, gewitzt, erbarmungslos wahrscheinlich ihre größte Stärke. Wollt ihr nun diskutieren, wer mir folgt oder können wir endlich los?“

„Ich bin bereit!“, sagte Livio als Erster. Vater nickte verhalten, ich stellte mich neben ihn.

„Und was ist mit dir?“, sah Ross den fluchenden Ciaran fragend an.

„Ich dachte die Teeparty, sei eine familiäre Angelegenheit. Bin ich eingeladen?“

„Nun ich sehe schon, ein weiteres Geheimnis ist zu lüften. Du Ciaran gehörst zur Familie!“

Nach den Worten folgte erst Stille, dann ging es los, Ungläubigkeit, Fragen, Fassungslosigkeit. Ross sprach beruhigend auf uns ein, „Wollt ihr Details dann hört mir zu“, seufzte er verhalten, „Also zu meiner Zeit, galt mein Wort als Gesetz, manchmal vermisse ich es.“

„Nun rede schon!“, sagte Ciaran aufgebracht.

„Dazu muss ich weiter ausholen“, setzte sich Ross, auffordernd klopfte er auf den Boden vor sich, als wir saßen, begann er, „Intha erzählte euch bereits von meinem Sohn“, während Vater und ich davon wussten, fragten Livio und Ciaran nach.

„Tai streifte oft monatelang umher, oft nahm sie Alischa mit. Während dieser Zeit zeugte ich einen Sohn. Nun muss ich auf die Erzählungen einiger treuen Seelen zurückgreifen. Meine Frau und Tochter verübten einen Anschlag auf die Frau, die mir den Sohn gebar. Sie wurde getötet, während mein Sohn dank der Umsicht des Kindermädchens gerettet wurde.

Kurz darauf erfuhr ich von Tais ableben, Alischa zog aus, um sie zu rächen. Damals vertraute ich ihr blind, doch dann wurden mir die Augen geöffnet. Was soll ich sagen, ich war betäubt vor Schmerz, mir kamen Bedenken, ob ich wirklich richtig handelte, als ich Vampire erschuf. Schuldgefühle, Trauer, Wut all dies beherrschte mich. Schließlich nahm mich ein Freund zur Seite, riet mir mich schlafen zu legen, er wolle alles tun, was ich seiner Macht stünde. Ich nahm ihm das Versprechen ab, mich zu wecken sobald er den Schuldigen das heißt Alischa zur Rechenschaft ziehen konnte.“

Er grinste verhalten, „Niemand rechnete mit diesem Zeitraum! Meine Tochter war geschickt, Kahlaf konnte ihr nie etwas nachweisen. Doch nun weiter zu deiner Geschichte Ciaran, mein Sohn geriet in Gefahr, es wurden weitere Anschläge auf ihn verübt“, stockte Ross einen Moment.

„Alischa!“, sagte Livio.

„Ja, aber wieder verwischte sie ihre Spuren. Das Kindermädchen tauchte mit meinem Sohn unter. Zog ihn unter den größten Entbehrungen groß, bis sie eine sichere Zuflucht fand. Wo, möchte ich im Moment nicht sagen. Jedenfalls wuchs mein Sohn auf, gründete eine Familie, ließ sich wandeln und kam auf die verrückte Idee, seine Halbschwester einen Besuch abzustatten. Er verschwand spurlos, neue Attentate begannen.

Wieder hütete jenes Kindermädchen meinen Nachwuchs, dich Ciaran! Sie sah nur eine Möglichkeit dein Leben zu retten, sie verschwieg, wer du warst. Brachte dich in eine Familie unter und verließ dich. Sie tat recht daran, denn sie wurde von Alischas Häschern über Jahre gejagt, bis sie schließlich einen sicheren Hort fand. Da kommt nun Corvin Sardovan ins Spiel“, grinste er.

„Er ist ein charakterstarker Vampir. Alischa versuchte über ihn an jenes Kindermädchen zu kommen, und ohne das sie ihm verriet, wer sie war und wen er schützte, nahm Corvin die Herausforderung an. Sie gehörte zu den Ersten, die seine Familie beitrat.“

Vater atmete hörbar auf, was Ross ablenkte, er lächelte Vlad zu, „Du ahnst, wer sie ist!“, nickte er, was Vater bejahte, „Behalte dies für dich, im Augenblick ist es unerheblich. Du lerntest Corvin damals kennen, nicht wahr Vlad? Während Alischa ihn umgarnte, versuchte ihn zu manipulieren, schmiedete er den Plan dich zu befreien. Welch eine Ironie! Und heute ist Corvin mein Garant um meine größenwahnsinnige Tochter aufzuhalten. So das ist alles! Ciaran du bist mein Enkel genau wie Vlad, entsprechend gehörst du zur Familie. Können wir nun los? Wir haben bereits genug Zeit verschleudert!“, erhob er sich.

„Moment mal! Wieso bist du sicher, dass ich dein Enkel bin? Dieses Kindermädchen verließ mich doch. Wer weiß, wo sie mich …“

„In all den langen Jahren verlor sie dich niemals aus den Augen. Es gibt keinen Zweifel.“

„Den gibt es!“, trumpfte Ciaran auf, „mir fehlt ein sehr wichtiges Element, die grünen Augen!“

„Oh ja, die Augen!“, schmunzelte er, „und du hörst nicht richtig zu! Ich sagte, zuerst er gründete eine Familie, danach wandelte er sich. Deine Mutter nannte braune sanfte Augen ihr eigen. Ich hörte, sie war eine schöne Südländerin, dir sehr ähnlich, obwohl bei dir die Sanftmut fehlt. Findet ihr nicht auch?“

„Hör auf zu scherzen, es ist mir verdammt ernst!“

„Mir auch! Du kannst es bestreiten, anzweifeln, sogar verdrängen, doch die Tatsache bleibt bestehen, du bist mein Enkel. So und nun müssen wir wirklich los, die Kämpfe dauern an und jede Sekunde, die wir hier vertrödeln, kostet guten Männern und Frauen das Leben.“

„Was habt ihr vor?“, wollte ich wissen.

„Ganz einfach, Alischa finden und ausschalten. Unterwegs werden ein paar Freunde dazukommen. Ich hoffe, sie konnten ein wenig von dem labbrigen kalten Zeug ergattern, den ihr Nahrung nennt. Ansonsten werden wir uns an die Jäger halten, denen wir begegnen.“ Sah er mich streng an. „Diesmal keine Sonderwünsche, Sarah!“

Hinter seinem Rücken zog ich eine Grimasse, Sonderwünsche! Ha, wahrscheinlich hoffte er sogar darauf, dass seine Freunde keine Nahrung mitbringen würden.

„Das habe ich gehört!“, sagte Ross ohne sich umzudrehen, er deutete in eine Richtung, die weiter von Kampf wegführte, „Dort werden wir auf unsere Verstärkung treffen.“ Schon rannte er los.

Noch nicht einmal Vater kam mit seinem Tempo mit, er lief uns weit voraus. Ciaran bildete das Schlusslicht, ab und an hörten wir ihn fluchen. Als wir kurz verschnauften, kam er näher. „Vlad glaubst du ihm? Wir müssten doch spüren, wenn wir verwandt sind, aber da ist nichts. Rein gar nichts!“

„Darauf solltest du nichts geben, Ciaran. Ich weiß, wer dein Kindermädchen war und ehrlich gesagt, sehe ich sie heute mit ganz anderen Augen, verstehe nun endlich. Die Alten verfügen über Eigenschaften, die für uns unvorstellbar sind. Glaub mir, ich wundere mich noch immer.“

„Was meinst du?“, fragten Livio und ich gleichzeitig.

„Lasst uns weitergehen, dabei erzähle ich euch, was ich erfuhr“, setzte er sich in Bewegung, „Da bist zu einem du“, sah er mich an, „all deine Erinnerungen deines Menschseins, verdankst du Ross.“

„Wie kann es möglich sein?“

„Das weiß ich nicht. Ich kann dir nur sagen, er kannte dich vor dem Anschlag auf dein Leben. Womöglich gab er sie dir nach und nach zurück. Ich schätze, genauso verhielt es sich mit Ereignissen, die du einfach wusstest, vermutlich teilte er sie dir mit. Anders kann ich es nicht erklären.“

„Was noch?“, wollte Ciaran wissen.

Vater hob die Schultern, „Kleinigkeiten, die mir auffielen und nicht nur an Ross, sondern auch an Muse. Zwar versteckt sie es, aber manchmal benahm sie sich merkwürdig, so als wisse sie etwas, bevor man es uns mitteilte. Genau kann ich es nicht fassen, es ist wie ein Blick durch den Nebel, indem kurz der Schleier zerreißt. Noch etwas, ist euch eigentlich aufgefallen das Ross nun ohne Kontaktlinsen und plötzlich größer herumläuft? Aber niemand, absolut niemand zeigte mit dem Finger auf ihn und rief Ambrosius! Wie ist dies möglich?“

Stimmt, mir kam noch nicht einmal der Gedanke wie unsere Verbündeten und Krieger, auf Ross äußere Veränderung reagierten. Anscheinend dachten wir alle dasselbe, Livio pfiff leise vor sich hin. „Das erklärt einiges! Als ich in Athen bei Alischa lebte, hegte ich oft den Verdacht, sie durchschaue mich und ließ mich nur Wissen, was sie wollte. Da lagen wichtige Papiere, ein heimliches Gespräch, ein unbesonnenes Wort. Alles nur damit ich hier und dort Brotkrummen fand.“

„Ja“, stimmte Vater zu, „die Alten verfügen über mehr Macht, als sie uns wissen lassen.“

„Zu eurer eigenen Sicherheit!“, stand Ross mit einem Male unter uns. „Vlad, ich bitte dich, rege dich gleich nicht auf, sie kann äußerst stur sein.“

Vater runzelte fragend die Stirn, ehe er etwas sagen konnte, kamen drei Gestalten auf uns zu. Darunter Muse, die auf Vater zuflog, „Vlad Sardovan, was denkst du dir eigentlich?“, baute sie sich vor ihm auf, „Du lässt mich in die Nachhut stecken? Damit ich die Versorgung organisiere?“ Ihr Zorn auf Vater konnte man direkt fühlen.

Mein Erzeuger zog vorsichtig den Kopf ein, „Muse, ich wollte …“

„Ja, ich kenne deine Beweggründe! Aber eines lass dir gesagt sein, ich bin keines deiner Kinder, die deiner Ansicht nach, behütet werden müssen“, fuchtelte sie wild mit dem Finger vor Vaters Nase herum.

„In der Tat!“, nickte Merkur seinen Senf dazugebend. Der Dritte im Bunde, wen wundert es, war Kahlaf.

Ross kümmerte sich nicht weiter um das streitende Paar, „Habt ihr Nahrung?“, fragte er den bärtigen Riesen. Dieser zog einen Rucksack vom Rücken, „Soviel ihr wollt!“ Auch Merkur trug einen Beutel bei sich, den er uns reichte, „Wir haben soviel wie möglich mitgenommen, Alia wollte uns noch mehr aufdrängen.“

„Alia? Ihr ward auf der Festung? Wie geht es ihnen? Sind sie in Gefahr?“, rief ich dazwischen.

„Sie halten sich tapfer, natürlich wurde versucht die Festung einzunehmen. Einmal!“, grinste Merkur, „Ach Alia“, schwärmte er, „Ich muss schon sagen, sie würde unseren Harem wirklich bereichern. Kahlaf du musst noch mal mit Corvin reden.“

„Das habe ich ohne Erfolg! Er sagt, es sind seine Freunde und keine Sklaven!“, erklärte er seinem Freund bedauernd.

„Und mit Recht!“, sagte Ross, „Auch ihr solltet euch den Begebenheiten dieser Zeiten anpassen.“

Merkur und Kahlaf sahen sich an und schüttelten gleichzeitig ihre Köpfe, „Niemals!“, meinte Kahlaf entrüstet.

„Ihr müsst es wissen!“, gab Ross auf, „Na los, nährt euch!“, forderte er uns auf.

„Was ist mit dir?“, reichte Vater ihm einen Beutel, mit angeekelter Miene nahm unser Ahnherr, einen. „Frisches Blut wäre mir lieber“, in Kahlafs Bart erschien eine weiß blitzende Zahnreihe, „Du musst dich den Zeiten anpassen, mein Herr“, grunzte er hämisch.

Wie natürlich sie mit Ross umgingen. Nichts bestätigte sich von dem, was wir zu glauben wussten. Ambrosius der Alleinherrscher, der Diktator, nein es schien, als seien sie befreundet.

„Falsch und richtig zugleich“, teilte mir Ross unaufgefordert mit, „Vieles, was mir nachgesagt wird, ist rein erfunden, vieles entspricht der Wahrheit. Eines sei dir gewiss, meine Freunde konnten sich auf mich verlassen, sowie ich mich auf sie.“

„Leider hattest du nicht viele davon!“, meinte Muse, „denn es musste immer nach deinem Willen geschehen. Soweit sind die Geschichten wahr, versuche nicht deiner Enkelin den weißen Ritter vorzuspielen.“

„Du änderst dich wohl nie?“, fragte Ross gereizt.

„Warum sollte ich?“, lächelte sie ihn frech an, „Außerdem mussten wir dem Herrn erst Benehmen beibringen. Intha hatte alle Hände voll mit ihm zu tun. Manchmal verzweifelte sie sogar, aber Gott sei Dank besaß sie eine hilfsbereite Freundin, die dem arroganten Kerl in den Allerwertesten trat.“

„Erinnere mich nur nicht daran!“, stimmten die alten Vampire gemeinsam in Muses Lachen ein.

Während wir Frischlinge dumm zuschauten, diesmal gehörte mein lieber Vater dazu. Was ihn so gar nicht in den Kram passte, stellte ich mit ein wenig Schadenfreude mit.

„Nun genug davon, vor uns liegt eine schwierige Aufgabe“, wurde Ross ernst. „Wir werden einfach einen direkten Angriff starten. Ein heimliches Vorgehen wäre Zeitverschwendung, sie wird wissen, weshalb wir kommen. Nur mit mir rechnet sie nicht, deshalb werde ich mich weiterhin gedeckt halten und mich aus den Kämpfen, die vor uns liegen weitestgehend heraushalten. Noch Fragen?“

„Welche Richtung?“, zückte Merkur ein Messer.

Ohne zu antworten spurtete Ross los.

Einfach einen direkten Angriff! Wenn ich könnte, würde ich lachen, doch dazu fehlte mir die Zeit. Weder hielt sich Ross aus den Kämpfen heraus, noch kamen wir besonders schnell voran.

Es war, als ob wir eine Mauer nach der Nächsten niedermähen mussten. Zuerst standen uns Jäger gegenüber, geübte Schützen, die auf alles schossen, was sich bewegte.

Das kurze Gemetzel kam mir wie ein Trainingslauf vor, besonders da Kahlaf und Merkur vorpreschten und die Kugeln auf sich lenkten. Die paar Jäger, die blieben, wurden schnell beseitigt, die die mit schreckgeweiteten Augen flohen, sollten wir ziehen lassen.

„Bald weiß Alischa, wer sie angreift! Hoffentlich wird sie die Herausforderung annehmen“, sagte Kahlaf breit grinsend.

„Das wird sie, schließlich gehört ihr zu jenen, die ihr gefährlich werden können“, antwortete Ross, seinen Kumpel versorgend, der einige Kugeln abbekam. „Das wird wieder, alles halb so schlimm“, entschied Ross. Merkur völlig aus dem Häuschen, zog einen noch lebenden Jäger heran. Ohne ein Wort trat unser Ahnherr zur Seite und überließ den Platz Merkur, mitsamt des verängstigten Opfers.

Da ich mich an das letzte Mal zu gut erinnerte, wandte ich mich ab und schaute direkt in Livios gierigen Blick, der das Opfer fixierte. „Livio!“, stieß ich ihn in die Seite, widerstrebend sah er mich an.

Ein Zittern durchlief seinen Körper, „Kampf und Blut! Es berauscht mich jedes Mal“, bekamen seine Augen den grünen Glanz zurück. „Ich muss dir danken, Schwesterherz, noch immer leide ich unter dem Entzug.“

„Wie meinst du das?“, das schmatzende Geräusch von Kahlaf sowie das klägliche Wimmern des Jägers weit von mir schiebend.

„Alischa bevorzugte diese Art der Nahrungsaufnahme, wer an ihrer Tafel eingeladen wurde, durfte sich geehrt fühlen. Sie kannte die Schwächen ihrer Gäste nur zu gut, man besaß nicht den Hauch einer Chance abzulehnen“, erklärte er bitter.

Ich fragte nochmals nach, „Du willst alles haarklein erklärt haben, nicht wahr. Also gut, jeder Vampir besitzt seinen eigenen Geschmack. Der eine bevorzugt eine bestimmte Blutgruppe, ein Anderer, Junge oder Mädchen, Mann oder Frau, blond, rothaarig, egal was, Alischa erfüllte jeden Wunsch. Es gab kein Tabu an ihrer Tafel, ich gehörte zu ihren Favoriten, durfte jeden Tag all meine Triebe nachgehen. Bist du jetzt zufrieden?“

Hörte ich bedauern in seiner Stimme? Meine Skepsis sagte mir, er trauerte dieser Zeit hinterher.

Livio lachte verächtlich auf, „Deine Gedanken erkenne ich an deiner Nasenspitze! Nein, niemals fand ich Gefallen daran! Danach schlich ich mich davon, würgte jeden einzelnen Tropfen heraus und trotzdem sehne ich mich danach. Es ist verrückt, ich weiß.“

„Du wirst dich immer daran erinnern, den Geschmack frischen Blutes wirst du niemals vergessen, an die Wärme, die dich durchflutet, Livio. Diese Last tragen wir alle in uns, jeden Tag bekämpfen wir unsere niederen Triebe“, meinte Muse mit sehnsuchtsvoller Stimme. „Aber lasse dir eines gesagt sein, du warst auf einer Mission, dir blieb keine andere Möglichkeit. Wie sonst konntest du Alischas Vertrauen erringen?“

„Schöner Spion war ich! All die Mühe zwecklos, sie durchschaute mich vom ersten Tag.“

„Was dir sehr wohl bewusst war, Livio. Ein Versuch war es wert, und auch wenn du ihr keine Geheimnisse entlocken konntest, halfst du dem Trio …“

„Ja, ja Corvin sagte schon so etwas in der Art. Er aber und ich weiß es, weil ich selbst dabei gewesen bin, widerstand ihren Tafelfreuden.“

Hellhörig verfolgte ich das Gespräch nun aufmerksamer, die Schmatzgeräusche drangen nun vollkommen in den Hintergrund. „Corvin war dank deiner ausführlichen Beschreibung gewappnet. Alischa besaß kein weiteres Druckmittel, welches sie gegen ihn anwenden konnte. Denke weiter Livio! Ohne sein Leben in Gefahr zu bringen und seinen Ruf als Vorzeigevampir zu zerstören, wäre es ihm niemals geglückt, einigen Mitgliedern des Rates auf seine Seite zu ziehen. Mich eingeschlossen.“

Corvin in Athen? Und dann lehnte er das verführerische Angebot ab? Welcher Vampir konnte dem widerstehen? Musste ich Corvin Respekt zollen und auch Livio, der sich unentwegt mit offenen Augen in diese gefährliche Situation begab.

Ross forderte uns auf weiterzugehen, Kahlaf stand bereits an seiner Seite, während Merkur die Leiche beseitigte. Welch ein seltsames Paar dachte ich wieder einmal.

Bald darauf standen wir Vampiren gegenüber, ausgebildete Krieger, die uns mit Gespött erwarteten. Ihnen fehlte es an Erfahrung, einen Kampf auf Leben und Tod kannten sie nicht. Diese Schlacht konnten wir ohne größere Verletzungen für uns entscheiden.

Danach kamen erfahrene Kämpfer, die versteckt im Wald lauerten. Inzwischen musste Alischa wissen, auf was unsere kleine Gruppe ihr Augenmerk legte. Sie konterte geschickt, denn diese Krieger hielten uns länger auf. Ein Kampf um Leben und Tod begann.

Bevor es dazu kam, riet mir Ross mein angebliches Monster freizulassen. „Ansonsten wirst du hier und jetzt eine Niederlage erleben und das wollen wir doch nicht“, schritt er ungestüm auf den erstbesten Gegner zu, den er ohne viel Anstrengung niederkämpfte.

In den wenigen Sekunden beobachtete ich Ross, Livio und Vater, die in Zweikämpfe verstrickt wurden. Später dachte ich an Livios präzisen Kampfstil, mir wurde bewusst, auch da schauspielerte er, denn er führte jeden Schlag und Hieb mit größter Perfektion aus. Seine bisherige mir bekannte Überheblichkeit fehlte gänzlich.

Ein Krieger tauchte vor mir auf, den Blick abwendend verteidigte ich mich. Schnell bekam er die Oberhand, ich musste zurückweichen. Die Worte von Ross fielen mir ein, konnte ich einfach so die Bestie rufen?

Eine Unachtsamkeit meinerseits ließ mich taumeln, mein Gegner trug eine siegesgewisse Miene zur Schau. Jetzt wäre wirklich der beste Zeitpunkt um die Bestie auf den Kerl loszulassen, sagte ich mir, doch nicht das Geringste geschah.

Weiter zurückweichend in echter Bedrängnis, sah ich mich schon mit verrenkten toten Knochen daliegen. Wieder traf mich ein mächtiger Schlag, diesmal schlug er eine offene Wunde in mein Bein, welches ich nicht rechtzeitig aus seiner Reichweite schaffte.

Aufschreiend starrte ich ihn wütend an, „So, du willst meinen Tod!“, giftete ich ihn schnaubend vor Wut an, „Dann solltest du dich mal ins Zeug legen“, griff ich ihn blindlings an.

Ich sah seinen erstaunten Ausdruck, die Siegermiene schwand, wandelte sich zuerst in Erstaunen, dann in nackte Angst.

Diesmal ließ ich der Bestie ihren freien Lauf, mit einer Klarsicht, die ich nie für möglich hielt, überschaute das blutrünstige Monster, das ich war, das Kampfgeschehen. Jeder Gegner, den sie oder ich erspähte, lag bald darauf am Boden. Zu meinen Entsetzen schrumpfte die Anzahl der Feinde, vielleicht sollte ich anfangen, das Biest in mir zu zügeln. Nun nahm sie gerade Merkur ins Visier. Nein, schrie ich innerlich auf, sie wandte sich tatsächlich ab, einen Gegner zu.

 

Kapitel 56

Meine ärgsten Befürchtungen verrauchten, als der letzte gegnerische Vampir leblos in sich zusammensackte. Mit hängenden Armen schaute ich mich um, Vater versorgte eine Wunde an Muses Arm. Merkur untersuchte hektisch seinen riesigen Freund und Livio hockte schnaufend am Boden. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, ging ich auf ihn zu.

Grinsend sah er auf, „Bin nur ein wenig außer Atem. Was ist mit deinem Bein?“

„Halb so schlimm“, wiegelte ich ab, einen Blick auf Ciaran werfend der gerade die Taschen eines leblosen Vampir durchsuchte. „Was treibst du da?“, wollte ich wissen, von Leichenfledderei hielt ich nicht allzu viel.

„Nichts!“, stellte er enttäuscht fest, „Na los, sucht mit!“, forderte er uns auf, „Auf irgendeine Weise muss Alischa ihre Leute instruieren, ein Handy oder ein Funkgerät …“, leerte er bereits die Taschen des Nächsten.

„Wozu sollten wir uns eines bemächtigen?“, fragte Ross nach.

„Vielleicht können wir damit ihren Standort herausfinden“, erklärte Ciaran unwirsch.

„Ich weiß genau, wo sich meine Tochter aufhält, genau fünfhundert Meter in diese Richtung“, deutete unser Ahnherr auf einen bestimmten Punkt.

„Es ist unmöglich! Selbst du bist dazu nicht imstande!“, schüttelte Ciaran ungläubig den Kopf.

Ross grinste, „Sie erwartet ihren verräterischen Sohn, mitsamt seiner Brut, die sie ein für alle Mal vernichten will“, er starrte weiterhin konzentriert in die Richtung. „Alischa gab Anweisungen nur Vlad mit seinen Kindern vorzulassen, demnach werden ihre Häscher versuchen uns zu trennen. Kahlaf“, wandte er sich an den Freund, „Ihr werdet euch zurückziehen …“, dabei sah er Ciaran auffordernd an, dieser nickte verhalten.

Worauf Kahlaf heftig protestierte, „Warte!“, hob Ross beruhigend die Hände, „scheinbar, soll sie sich ruhig in Sicherheit wiegen. Vorher möchte ich ihr die Chance geben, ihre Taten zu bereuen.“

„Dein Optimismus in Ehren Ross, aber wir …“, hielt Kahlaf inmitten seiner Rede inne, „Also gut!“, nickte er schließlich, „Ich hoffe, du weißt, worauf du dich einlässt.“

Weshalb stimmte der Riese zu, rätselte ich, während Ross nun auf den Punkt zuging, den er uns deutete. Vater und Livio schlossen sich ihm an. Die sind verrückt und gehen mit offenen Augen in eine Falle, schimpfte ich vor mich hin, während ich ihnen folgte.

Hinter uns schritten Merkur und Kahlaf, die heftig miteinander diskutierten, „Ross hat seine Gründe!“, bemerkte Kahlaf eben, als wir angegriffen wurden.

Wie unser Ahnherr voraussagte, wurden wir von unserer Gruppe getrennt, abrupt zogen sich die Gegner zurück und bildeten eine Passage. Ein Krieger trat vor, „Wir erwarten drei Nachkommen, da ist einer zu viel!“ studierte der Vampir unsere Gesichter.

Vater trat vor, „Raul, noch immer der Bluthund meiner Mutter! Bist du der Aufgabe nicht langsam müde?“

„Vlad, du verräterischer Bastard. Wer ist der da?“

Vater wandte sich Ross zu, „Wie du unschwer erkennen kannst, mein Sohn.“

„Na sicher“, grinste Raul hämisch, „er kann auch der Nachkomme dieser Hure sein, die sich ins Bett vom Ersten schlich.“

„Davon habe ich keine Ahnung. Demnach gibt es weitere Verwandte? Kennst du sie oder verbreitest du weitere Gerüchte?“

„Gib dir keine Mühe Bastard, deine Lügen sind durchschaut. Wir besitzen genügend Kenntnisse über diesen Hurensohn, sein erbärmlicher Vater trällerte wie ein Vogel. Er kann passieren!“, trat Raul zur Seite. „Mit denen wird unsere Herrin schnell fertig. Nehmt ihnen die Waffen ab.“

„So ist das also! Wir sollen zur Schlachtbank geführt werden, rührt auch nur einer unsere Waffen an, wird er es bereuen“, drohte Vater sich umblickend.

Einige Vampire zögerten, schauten ihren Anführer fragend an, der schäumte vor Wut. „Soll ich dich sofort niederstrecken, Vlad?“

Vater lachte auf, „Nur zu, dann sehen wir uns gleich in der Hölle wieder. Alischa wird dich vierteilen lassen, wir kennen sie doch“, setzte er vertraulich hinzu.

Raul, wie Vater diesen Vampir nannte, gab nach, mit einem geringschätzigen Lächeln ging Vater an dem Krieger vorbei, „Gutes Hündchen!“, spottete mein Erzeuger.

Auf ein Zeichen von Raul traten seine Krieger zur Seite, eine Bresche tat sich vor uns auf. Ross direkt hinter Vater mit gesenktem Haupt, Livio und ich bildeten den Abschluss. Von Ciaran fehlte jede Spur, schlau eingefädelt dachte ich den Blick auf Ross Rücken gerichtet, Alischa erwartete alle Nachkommen ihres Vaters.

Weiter kam ich nicht mit meinen Überlegungen, denn auf einmal preschte mit lautem Gebrüll jemand durch das Dickicht, die Krieger dir dort standen sprangen erschrocken auseinander. „Ihr verfluchtes Pack!“, stürmte der Wütende auf Ross und Vater zu, „lernt ihr es denn niemals? Gemeinsam sind wir stark!“

Ich traute meinen Augen kaum, Corvin Sardovan baute sich gerade vor Vater auf, die ihn umzingelnden Krieger interessierten ihn nicht im Geringsten. „Es ist eine familiäre Angelegenheit, halte dich daraus“, antwortete Vlad.

Die Reißzähne verschwanden, ein Lächeln umspielte die Mundwinkel unseres Clanoberhauptes, „Schon vergessen, ich gehöre dazu, schließlich sind wir eine Familie“, erklärte er einfach, sich zwischen Livio und mich stellend, „Auf was wartet ihr?“

Raul gestikulierte wild, dabei schimpfte er ohne Unterlass, Corvin wandte sich zu ihm, „Halt deine Klappe! Vor mir wird sich deine Herrin ja wohl nicht fürchten.“

„Und vor mir sowieso nicht!“, trat Henry aus dem Gebüsch, „Ich muss schon sagen, ihr wollt mich einfach außen vor lassen, wirklich das hätte ich niemals von euch erwartet“, zupfte er sich einige Zweige und Blätter aus dem blonden Haar.

Raul einem Nervenzusammenbruch nahe, griff zum Handy, aufgeregt teilte er wahrscheinlich Alischa die Neuigkeiten mit. Jedenfalls nickte er, wir konnten weiter.

„Sie ist nach wie vor von sich überzeugt“, meinte Livio leise.

„Gut für uns“, erwiderte Corvin, den ich einfach nur sprachlos anstieren konnte, was ihn natürlich auffiel, er grinste mich an, auf dass mein Magen einige Hüpfer vollführte. „Wo ist Ciaran?“, fragte er mich mit gerunzelten Brauen.

Livio antwortete für mich, der Boss hörte schweigend zu, indessen schaute er mich immer wieder an. Ohne das Livio ins Detail ging, da Raul direkt hinter uns ging, meinte Corvin „Verstehe!“

Schon machte ich den Mund auf, meine Gefühle schwemmten einfach über, ich wollte ihm sagen, was ich empfand. Bevor ich einen Ton herausbringen konnte, legte Corvin mir die Hand auf die Schulter, „Sage jetzt nichts, was du später bereust, Sarah.“

Sofort schloss ich meinen Mund, er wollte es nicht wissen. Mir fielen Ross seine Worte ein, es war zu spät, nun stand ich vor meinen eigenen Scherbenhaufen. Den Blick stur geradeaus gerichtet ging ich blind weiter, innerlich taub vor Schmerz.

Der Weg vor uns wurde breiter, wir traten in eine Lichtung und deren Mitte wartete Alischa, umgeben von acht Leibwächtern, die schwer bewaffnet uns mit Argusaugen anschauten.

„Vlad!“, rief Alischa erfreut aus, als ob sie sich freue, ihren Sohn zu sehen. „Du siehst schrecklich aus. Darf ich dir etwas anbieten? Einen Lakaien, ganz nach deinem Geschmack?“, lächelte sie besorgt.

„Nur dein Blut interessiert mich, Mutter“, erwiderte Vlad kalt.

„Nachtragend wie eh und je, wir sollten unsere Differenzen beenden, mein Sohn. An meiner Seite wirst du ein Prinz sein …“

Mit einem Handstreich beendete Vater ihre Rede, „Niemanden von uns kannst du mit deiner Stimme manipulieren, du solltest dir etwas Neues einfallen lassen. Ergebe dich und du wirst ein ordentliches Verfahren bekommen, mehr als du jemals anderen zugestanden hast.“

Alischa lachte geziert auf, „Rachsüchtiger kleiner Tölpel! Meinst du dein Freund, kann dir helfen? Ich weiß, was er mit den Offiziellen aushandelte. Reines Wunschdenken, ihr werdet mich niemals bekommen.“

„Es ist vorbei!“, sagte nun Corvin, „deine Truppen sind tot, fliehen oder schließen sich uns an.“

„Tatsächlich? Nun ich sehe euch vor mir, das unbestechliche Trio, die Hoffnung unserer Spezies! Dass ich nicht lache, ihr seid meine Gefangenen, wenn ihr nett bittet, werde ich euch schnell töten lassen. Zuvor werdet ihr natürlich meine alleinige Herrschaft bekunden.“

„Natürlich“, meinte Henry, „Die ist ja total übergeschnappt!“, tippte er sich an die Stirn.

„Mit dir werde ich beginnen!“, zeigte Alischa mit ausgestrecktem Arm auf den Blonden, „Vor Goldlöckchen werde ich dich massakrieren, das wird ihm den Verstand rauben“, kicherte sie in sich hinein.

„Du kannst einem nur leidtun, dein Wahnsinn raubt dir jede Realität, Mutter“, sagte Vater traurig, „Sieh dich doch um, deine eigenen Leute sind unsicher, sie werden dir nicht weiter beistehen. Du bist ganz allein auf dich gestellt.“

Nun zweifelte ich an Vaters Verstand, die Krieger sahen ganz und gar nicht danach aus, nahm ich sie erneut in Augenschein, ein abwesender Ausdruck beherrschte ihre Mienen.

Ross verstand ich nun. Die Unterhaltung diente nur dazu, um die Krieger manipulieren zu können. Auch Alischa schien den Verdacht zu hegen, sie lachte nur auf, „Niemand von euch besitzt die Macht zu ihnen zu dringen, sie gehören ganz mir.“

Vater wandte sich zu Ross um, „Geschafft!“, trat Ross vor, „Außer mir meine Tochter!“

Erschrocken wich Alischa zurück, „Du!“, fasste sie sich ans Herz, einen kurzen Augenblick verlor sie ihre hochmütige Miene, um gleich darauf ihre Beherrschung wiederzugewinnen, was ich ehrlich bewunderte. „Du! Ein abgehalfterter Versager! Der Verzweiflung nachgebend, als seine ach so geliebte Frau getötet wurde. Für dich habe ich nur Verachtung übrig, niemals wirst du das Blut deiner Brut opfern, mein geliebter Vater“, endete sie höhnisch. „Genauso wenig wie mein Sohn und sein missratener Abkömmling! Sie haben mir bei ihrem Blute die Treue geschworen. Sie können mir kein Haar krümmen, so einfach ist es. Nicht wahr Vlad?“

„So ist es, Mutter. Du vergisst nur ein paar Kleinigkeiten, weder Sarah noch mein Cousin schworen diesen Eid. Außerdem sind wir nicht gekommen um dich zu töten, sondern vor ein Gericht zu stellen, damit du für all deine Verbrechen bestraft wirst.“

„Oh klug ausgedacht, ist es auf dem Mist deines Freundes gewachsen? So will er den Schwur umgehen, ganz nett, aber ich werde mich niemals einfach so inhaftieren lassen. Wie wollt ihr mich überwältigen?“

Vater und Ross sahen mich an, das konnte wohl kaum ihr Ernst sein. „Niemals!“, trat Corvin dazwischen, „Das werde ich nicht zulassen!“

„Es ist unsere einzige Chance“, sagte Ross, „Sarah muss sich ihr stellen, bei jedem anderen würden wir eingreifen, der Eid zwingt uns dazu.“

„Nein!“, schüttelte sich der Boss wie ein nasser Hund.

„Ist gut!“, trat ich um ihn herum vor. Warum wollte er mich schützen? Sicherlich wegen Prya, er liebte seine Tochter, für sie würde er alles tun, auch mich schützen. „Sarah nicht“, versuchte er mich aufzuhalten.

Ich schüttelte seine Hand ab, „Es ist allein meine Entscheidung, du weißt, was du Prya sagen sollst.“

„Ich kann dich nicht in dein Verderben gehen lassen. Ich verbiete es dir.“

Seine Sorge raubte mir die Sinne, doch nur kurz, ich musste mich Alischa stellen. „Verstehe! Und ich als Mitglied der Familie muss dir Gehorsam leisten“, nickte ich, „Hiermit trete ich ganz offiziell aus dem Clan der Sardovans aus. Genügt das Henry?“, der an der Seite von Corvin auftauchte, „Ja“, antwortete er mir bedrückt.

„Na also! Somit bist du von allen Pflichten entbunden. Niemand wird sagen können, du hättest einen Krieger in den sicheren Tod geschickt.“

Seine Betroffenheit machte mich unsicher, und immer wenn ich es wurde, griff ich zu der einzigen Möglichkeit, mich zu schützen. Kalt und abweisend betrachtete ich ihn, „damit entbinde ich dich von jeglicher Entscheidung. Du kannst deiner Tochter offen ins Auge blicken und sei ehrlich du atmest sicher nun befreit auf, mich endlich los zu sein. Ach noch etwas, mein Vorfahr besitzt genügend Vertrauen in mich, er glaubt an meinen Erfolg. Anders als du!“ wandte ich mich von ihm ab auf Alischa zu.

Diese lachte, „Welch eine Tragik! Ein Opferlamm, dich vernasche ich zum Frühstück. Ist das alles, was ihr aufbieten könnt? Ein Baby?“, zückte Alischa ihr Schwert in der anderen Hand lag ein Dolch. „Ich werde auf dich keinerlei Rücksicht nehmen, im Gegenteil es wird mir Vergnügen bereiten, dich zu zerstückeln.“

„Versuch es ruhig, ist ja nicht das erste Mal“, wusste ich auf einmal mit Bestimmtheit, wer damals Endris tötete. „Selbst ein unerfahrener Krieger wie Endris konnte dich aufhalten, so gefährlich kannst du gar nicht sein.“

In ihren Augen glomm Hass auf, den ich schon aus Granada kannte. Zum Glück dachte ich, als ich mich an die ersten Schauer entsann, da mir ihre gesamte Rachsucht bewusst wurde.

Sie griff mich unversehens an, damit rechnete ich nicht. Meine Unvorsichtigkeit brachte mir eine oberflächliche Schnittwunde ein, die Erste von vielen. Mit dem nächsten Wimpernschlag traf sie den Oberarm, auch eine leichte Verletzung.

Alischa zögerte bei jedem Schlag, dabei wurde mir wieder einmal bewusst, wie unerfahren ich im Grunde war. Meine Großmutter spielte mit mir, die Verletzungen die sie verursachte, waren kleine Wunden, aus denen kaum Blut sickerte.

Was bezweckte sie damit? Die Bestie in mir tobte mit jeden Handbreit, den ich an Boden verlor, ihre Schläge kamen geschickt und für mich unvorhersehbar. Arm, Bein, Schulter sogar den Rücken traf sie ohne ein Anzeichen von Anstrengung.

Außer Atem versuchte ich endlich einen Treffer zu landen. Nur einen, einen Kratzer wollte ich ihr zufügen, ich scheiterte kläglich. Alischa startete mit einem Lächeln auf den Lippen die nächste Attacke, diesmal schlug sie mit der flachen Seite ihres Schwertes hart zu, ich strauchelte mein Versagen endlich eingestehend.

Niemals! Niemals konnte ich gegen solch einen Gegner bestehen, Bestie hin oder her, Alischa war mir haushoch überlegen. Warum dachte Ross, ich könnte gegen sie bestehen? Wollte er es vielleicht gar nicht? Der Zweifel nagte an mir und trotzdem konnte ich den Kampf nicht beenden, denn das Einzige, was mir blieb, konnte selbst sie mir nicht nehmen, meine Ehre.

Unbeholfen wich ich den nächsten Schlag aus, um in eine weitere Finte zu laufen, der Dolch drang tief in meinen Oberschenkel ein, meine Gegnerin lachte irre auf, „Willst du nicht aufgeben Kindchen? Ich töte dich schnell und schmerzlos“, lockte sie mit ihrer verführerischen Stimme, die mich geradezu sehnsüchtig auf mein Ende hoffen ließ.

Fall nicht auf ihre Stimme herein, schüttelte ich mich und bleckte die Zähne, „Nie“, schrie ich hinaus, nur ein Flüstern entrang sich meiner Kehle.

„Wie du willst!“, frohlockte sie, „deinen Tod werde ich besonders genießen“, griff sie erneut an.

Nun hagelte es von Schlägen, denen ich nur teilweise ausweichen konnte, Beine, Arme wurden schwerer, ein scheinbar undurchdringlicher Schleier tanzte vor meinen Augen. Ein Ruf, jemand rief meinen Namen, verzweifelt – hoffnungslos.

Wieder ein Angriff, heftiger als zuvor, der Nebel vor meinen Augen nahm zu, mein Ende nahte. Ich wusste es, wusste gleich würde sie mir den Todesstoß versetzen, das Spiel langweilte Alischa, man sah es ihr an, ich sah es ihr an.

Einen letzten Blick hinter mich werfend, Vater, Bruder, Urgroßvater, Henry, meine Familie, meine Blutsverwandten, die mit entsetzt aufgerissenen Augen zuschauten und schlussendlich Corvin, die Liebe die ich mir nie zugestand, dann sackte ich zusammen, Dunkelheit fing mich auf, den Aufschlag spürte ich schon nicht mehr.

 

Kapitel 57

 

Helles Tageslicht, leise Geräusche, Stimmen, die aus der Ferne kamen, ein besonders ohrenschmerzendes Krächzen. Rosmerta! Wo war ich? Tod? Nein der Tod bedeutete Auslöschung, danach gab es nicht das Geringste. Was blieb, war Asche und ich fühlte mich recht fleischig an, musste ich kichern.

„Oje, sie hat einen Dachschaden!“, beugte sich das alte faltige Gesicht von Rosmerta über mich. „Nun mach schon die Augen auf oder brauchst du einen kleinen Anstupser?“

„Gewalt ist keine Lösung, nun lass sie sich erst einmal besinnen.“ Eindeutig Alia. Ja ich lebte! Wie? Blieb mir im Augenblick ein Rätsel, aber ich lebte, tat ich der alten Krähe den Gefallen.

„Was ist geschehen? Alischa?“, sah ich die beiden Frauen fragend an.

„Schnee von gestern“, streichelte mir Rosmerta unendlich sanft über die Wange, „Ihre Asche wird bereits vom Wind verteilt und ich sage es nicht ungern, möge ihre Seele auf immer in der Hölle schmorren.“

„Abergläubische Krähe“, schüttelte Alia den Kopf, „Wie geht es dir? Kannst du dich bewegen?“

Vorsichtig hob ich Arme und Beine, „Alles in Ordnung, aber wie …“, die Ältere gackerte belustigt, „Dieser intrigante Kerl! Er spielte mit deinem Leben, momentan erholt er sich gerade von seinen Verletzungen. Später erzählt er dir sicherlich von seinem ungeheuren Vorgehen. Na, ich bin jedenfalls mächtig sauer auf ihn, der darf erst mal einige Jahrhunderte zu Kreuze kriechen, bevor ich ihm verzeihe.“

„Dann hat er Alischa besiegt?“

„Nee, der doch nicht! Wir haben sie ins Jenseits befördert“, Alia stupste Rosmerta an, worauf sie sofort den Mund hielt.

Aus den beiden bekam ich kein Wort mehr heraus, „Wie geht es Vater und den anderen?“, hoffte ich mehr Informationen zu bekommen.

„Wie immer unterwegs, es gibt einige Getreue Alischas, die noch auf der Flucht sind.“, während sie sprach, sah ich mich um, der Raum kam mir bekannt vor, konnte ihn jedoch nicht einordnen. „Wo bin ich?“

„In deinem Haus! Ist mit deinem Verstand alles in Ordnung? Du hattest eine mächtige Beule an deinem Oberstübchen.“

„Mein Haus? Das im Dorf?“, sie nickten, dabei schauten sie mich sonderlich an, „Die Möbel kenn ich nicht“, begründete ich meine Fragen, aus Furcht, dass sie mich gleich festbanden.

Alia atmete erleichtert auf, „Ach die, die habe ich besorgt, gefallen sie dir? Ich fand, eine weibliche Hand könnte das Haus verschönern, es sah ja wie die reinste Räuberhöhle aus. Was habt ihr eigentlich hier getrieben, ich dachte, mich trifft der Schlag, nachdem ihr aufbracht.“

Jetzt erinnerte ich mich wieder, ich bat Alia nach dem Haus zu sehen, bevor ich als Leibwächter, mit dem Trio abreiste. Sollte ich mich wundern? Nein eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, Alia musste alles nach ihrer Fasson gestalten.

Die eigentliche Frage schob ich hinaus, ging es meinen Freunden gut, was war mit Corvin. Deshalb tauschte ich höfliche Floskeln aus, zwang mich an alles Mögliche zu denken, nur nicht an etwaige Verluste.

Die folgende Stille lastete schwer auf mein Gemüt, „Also“, richtete ich mich auf, „Wie sehen die Verluste aus?“

„Nicht so schlimm wie wir befürchtet haben. Natürlich gab es Tote, die wir betrauern werden, sobald die Lage sich beruhigt. Momentan machen uns die Offiziellen das Leben zur Hölle …“, holte Rosmerta Atem, was ich sofort ausnutzte, „Meine Freunde, Familie“, unterbrach ich sie.

„Oh! Eric war ernsthaft verletzt und auch Matt, ansonsten kamen alle mit leichten Blessuren davon. Außer deinem Urahn, dem wird der Kopf noch einige Zeit dröhnen“, teilte sie mir mit einem teuflischen Lächeln mit.

Irgendetwas musste zwischen Ross und Rosmerta vorgefallen sein. Was sollte ich nicht nachfragen, nach Alias kurzen Wink. „Na denn, dann kann ich mich ja wieder meinen Pflichten widmen“, wollte ich dem Krankenbett so schnell wie möglich entfliehen.

„Nicht so schnell, meine Dame“, drückte mich Rosmerta zurück ins Kissen, „zuerst wirst du dich erholen, tüchtig Nahrung zu dir nehmen und erst danach darfst du nachfragen, wann du ein halbes Stündchen an die Luft darfst.“

Protestierend wollte ich aufstehen, ließ es jedoch, da die Alte bereits mit ihrem Stock drohte, „Na also!“, stellte sie zufrieden fest, „Nun wirst du ein Schlückchen zu dir nehmen und schlafen“, hielt sie mir bereits einen Becher an die Lippen.

„Ich werde den anderen sagen, dass Sarah aufgewacht ist. Sie werden sie sicherlich besuchen wollen“, ging Alia bereits zur Tür.

Gurgelnd wollte ich sie aufhalten, doch Rosmerta schüttete mir unbarmherzig einen weiteren Schuss in den Mund. „Bist du ein Baby? Trink vernünftig!“, schimpfte die Alte mit mir, ergeben überließ ich mich ihrer Pflege.

Tatsächlich durfte ich am nächsten Tag für eine halbe Stunde aufstehen, aber nicht dass ich mich frei bewegen durfte. Nein Rosmerta stützte mich, als sei ich ein Invalide, egal was ich auch sagte und wie ich aufbegehrte, sie lächelte mich sanft an, den Stock drohend in der Hand.

Nach einem weiteren Tag dachte ich nur noch an Flucht. Oft genug versicherte ich meiner Pflegerin, es ginge mir gut, wovon sie nichts wissen wollte. „Sieh dich an!“, baute sie sich resolut vor mich auf, „Dein Haar stumpf, ausgemergelt dein Körper, dunkle Ringe unter den Augen. Du wirst weiterhin schön Nahrung zu dir nehmen, bis ein rosiger Hauch auf deine Wangen erblüht. Sonst noch was?“

„Ich dachte, Vater wolle mich besuchen“, erwiderte ich zerknirscht, spiel ja mit dachte ich, ansonsten behält sie dich noch länger an das Krankenlager gefesselt.

„Er wird dich besuchen, sobald ich mein Einverständnis gebe“, antwortete sie mir knapp.

Meine letzte Hoffnung zerstob zu Staub, selbst Vater hielt sich an ihre Anordnung, ich konnte es nicht fassen. „Sag mir Rosmerta, warum bestehst du auf diese Behandlung?“

„Sieh mich an! Willst du so aussehen? Einst rühmte man meine Schönheit, jaja schau nicht so verdutzt, meine Stimme klang seidig, andächtig hörte man mir zu, sobald ich sang. Dann erlebte ich Zeiten voller Entbehrungen, deshalb bestehe ich auf diese Behandlung. Ich will nicht, dass du so endest wie ich. Eine verrückte alte Krähe in dieser Familie reicht, auf Konkurrenz habe ich keinen Bock. So und nun trinkst du wieder einen Becher voll“, reichte sie ihn mir.

Gehorsam nahm ich ihn entgegen. Was war ihr geschehen? Wie viel musste sie erlitten haben? Sicher fragte ich mich, wie ein Vampir aussehen konnte wie Rosmerta, nachgedacht hatte ich nie, sondern angenommen sie sei bereits als Mensch kein Augenschmaus.

Als ich nachfragte, was geschehen sei, antwortete sie es wäre lange her, zu lange um alte Geschichten heraufzubeschwören. Dies mochte ihre Meinung sein, ich wollte mehr darüber erfahren.

Da ich sowieso nichts anderes zu tun hatte, befragte ich sie nach ihrem Leben. Ja sie erzählte von Fenils, indem sie lange Zeit wohnte, die ersten Tage dieses Dorfes, ihren immerwährenden Disput mit dem selbst ernannten Bürgermeister, den Leuten, den Kindern, die einen sicheren Zufluchtsort suchten.

An Fenils erinnerte ich mich gern, ich sah direkt den verschneiten Ort vor mir. Das Küchenzelt, indem sich das tägliche Leben abspielte, die Freunde, die ich dort gewann, ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit verband mich mit diesem Ort. Darüber hinaus erfuhr ich kein Wort über Rosmertas Leben.

Geschickt lenkte sie das Gespräch um, reichte mir immerzu einen Becher mit Nahrung, streichelte mir sanft über die Stirn, dann sprach sie leise mit monotoner Stimme, worauf ich meistens einschlief.

Sobald ich aufwachte, saß sie an meiner Seite, „Wachst du ständig über mich?“, streckte ich mich ausführlich.

„Na sicher, man darf dich nicht aus den Augen lassen. Wer weiß, was du dann wieder anstellst“, rollte sie dramatisch ihre Augen.

„Wie ist es, kann ich mich duschen?“, schnüffelte ich angewidert an mir.

„Kein Problem, indessen wechsle ich das Bettzeug. Du schwitzt, während du schläfst, als wenn du einen Marathon läufst. Träumst du?“

„Nicht dass ich wüsste“, antwortete ich ehrlich mich aus dem Bett schwingend.

Als ich mich wieder gehorsam ins Bett legen wollte, meinte Rosmerta: „Zieh dich an, wir gehen ein Stück.“

„Wirklich?“, konnte ich mein Glück kaum glauben, mich schnell anziehend, bevor sie es sich anders überlegte.

Kurz darauf betraten wir die Straße, das helle Sonnenlicht blendete mich zunächst, blinzelnd schaute ich mich um. Keine Seele ließ sich sehen. „Was ist denn hier los? Es ist helllichter Tag, wo sind denn alle?“

„Wahrscheinlich oben in der Festung, die Offiziellen leisten ganze Arbeit, jedes Familienmitglied, sei es Vampir oder Mensch muss sich registrieren lassen. Es ist, wie Corvin befürchtete, sie wollen uns mit harter Hand führen“, dann ließ sie ihr schauerliches Lachen hören, „aber nicht mit unserem Boss, der wird sie noch eines Besseren lehren“, fuchtelte sie erbost mit ihrem Stock herum.

Heute erwähnte sie Corvin das erste Mal, seinen Namen laut ausgesprochen zu hören ließ meinen Magen hüpfen. Sollte ich mich nach ihm erkundigen? Nein, denn die Angst saß mir im Nacken, ich wollte nicht hören was er trieb, sei es mit Selina, Frauke, Charlie oder sonst wem.

„Wer ist denn alles auf der Festung?“, fragte ich stattdessen.

„Die übrig gebliebenen Ratsmitglieder, dieser Vagabund namens Malech, obwohl er muss, ich gestehen gute Dienste verrichtete. Er beschäftigte mit seiner Guerillataktik Alischas Heer, so konnten sie die Festung nicht überrollen. Ah und dein Exverlobter Pierre, kam auch mit seinen Kriegern, zwar erst als die Kämpfe fast vorbei waren, doch er kassierte einige Flüchtende ein, die jetzt auf ihr Urteil warten.“

„Pierre ist hier? Michelé auch?“, fragte ich aufgeregt nach.

Rosmerta runzelte die Stirn, „Willst du etwa wieder mit ihm anbändeln? Glaub mir, er ist nichts für dich“, blieb sie stehen.

„Es ist vorbei und trotzdem sind wir Freunde geblieben, besonders mit Michelé.“ Erzählte ich ihr von den Begebenheiten in Granada.

„Ah deshalb löchert Michelé jeden. Ich fragte mich schon, woher er sein neues Ansehen hat, selbst Corvin behandelt ihn zuvorkommend, ganz anders als Pierre“, kicherte sie amüsiert.

„Was ist denn daran so lustig?“, wollte ich wissen.

„Ach, als die Franzosen ankamen, stürmten gewisse Herrn auf Michelé zu und begrüßten ihn herzlich. Für Pierre wohl ein ganz neues Gefühl nicht die erste Geige zu spielen. In seiner gesamten Ratsmitgliederpracht pumpte er sich noch mehr auf, das ist schon alles. Solch ein ehrwürdiges Ratsmitglied hatten wir noch nie“, lachte sie nun lauthals, dabei imitierte sie Pierre naturgetreu.

„Ich kann es mir vorstellen“, stimmte ich in ihr Lachen ein, dabei hoffte ich, Pierre hätte dazugelernt.

„Was ist eigentlich jetzt mit dem Rat? Wer wird die anderen Mitglieder ersetzen?“

Rosmerta wurde schlagartig ernst, „Bevor diese Frage geklärt wird, müssen sich die Ratsmitglieder mit den Offiziellen auseinandersetzen. Diese Typen wollen doch tatsächlich das letzte Wort im Rat haben. Wie gesagt sie mischen sich überall ein, sie meinen doch tatsächlich es wäre ihr Recht und Pflicht den Rat zu überwachen.“

„Wie stellen sie sich das vor?“

„Ganz einfach, jede Entscheidung, die der Rat beschließt, muss von den Offiziellen abgesegnet werden. Ferner sollen mindestens sechs Offizielle im Rat sitzen …“

„Aber dann besäßen sie ja die Stimmmehrheit!“

„Genau!“, nickte Rosmerta betrübt, „Wie gesagt, sie wollen uns unter ihre Knute halten. Selbst in die privaten Geschäfte und Finanzen eines jeden Vampirs wollen sie Einblick haben. Das Beste zum Schluss, jeder Vampir, der sich jemals vom Menschen nährte, soll bestraft werden.“

„Sie wollen uns ausrotten!“

„Ja!“, nickte Rosmerta, „und mittendrin sitzt das Trio, derweil suchen sie nach Möglichkeiten“, wieder sauste der Stock durch die Luft, ich konnte mir gut vorstellen, welche imaginären Feinde Rosmerta gerade zur Strecke brachte.

„Das sieht schlimm aus. Welche Überlebenschancen hätten wir noch?“

„Keine! Denn jeder ältere Vampir nährte sich an Menschen, selbst die Jungen wie du, musstet euch von ihnen nähren. Ja sie haben es sich gut ausgedacht, von wegen ihr könnt die abtrünnigen Jäger töten, jetzt sind es fehlgeleitete Kameraden.“

„Hört denn dieser Kampf nie auf? Ich dachte, wir könnten jetzt in Frieden leben!“, rief ich aus. Der Ausbruch kam für mich selbst überraschend, Rosmerta sah mich erstaunt an, dann verzog sie grimmig ihre Miene, „Schöne Träume!“, meinte sie düster, „Für heute reicht es, wir gehen zurück du siehst erschöpft aus.“

Zwar fühlte ich mich keineswegs so, wagte es aber nicht gegen Rosmerta aufzubegehren. Sie machte sich wirklich Sorgen um mich, denn so liebevoll hatte ich sie noch nie erlebt.

Die Tage vergingen ereignislos, jeden Tag unternahmen wir einen Spaziergang, den wir langsam ausdehnten und immer wirkte das Dorf leer gefegt. Obwohl man fünf Minuten vorher Kinderlachen, schimpfende Mütter oder Unterhaltungen vernahm.

„Warum verschwinden die Leute, wenn wir Spazierengehen?“, fragte ich meine Begleiterin.

„Auf meinen Wunsch hin, du benötigst Ruhe und sollst dich nicht aufregen.“

„Rosmerta, verschweigst du mir etwas?“

„Nein“, log sie mir direkt ins Gesicht.

Ich blieb stehen, „Heraus mit der Sprache! Was ist los?“

„Es ist nichts, glaube mir“, wich sie meinen fragenden Blick aus. „In ein paar Tagen kannst du dich selbst überzeugen“, lächelte sie mir aufmunternd zu.

„Ah ja?“, zweifelte ich ihre Aussage an.

Und richtig, nach zwei Wochen behandelte mich Rosmerta noch immer wie eine gebrechliche alte Frau. Meine Geduld endete mit jeder Minute, die verstrich. Keine Ermahnung, keine Androhung hielt mich zurück, ich fühlte mich gut, ausgeruht und schmachtete nach Bewegung. Richtiger Bewegung! Ein Lauf durch den Wald, ein Training mit Diederich sogar mit Rosmerta würde ich dem langweiligen Tagesablauf im Bett vorziehen.

Unruhig wälzte ich mich von einer Seite auf die andere, meine Aufpasserin ließ mich keine Sekunde aus den Augen, „Hab Geduld Sarah“, ermahnte sie mich.

„Warum? Weshalb? Ich halte dieses Nichtstun nicht mehr aus! Ich will Leute sehen, mich unterhalten, laufen …“, stockte ich erschrocken, als mir Rosmerta einen Spiegel unter die Nase hielt.

Ein ausgemergeltes, faltiges Gesicht starrte mich erschrocken an, „Deshalb! Noch bist du nicht soweit, mit jedem Tag wird es besser, alles braucht seine Zeit“, ließ Rosmerta den Spiegel in ihrer Tasche verschwinden.

„Wie ist das geschehen? Wann?“

„Wann? Kann ich dir nicht sagen. Wie, Entbehrung, Erschöpfung, Nahrungsmangel dann die Gewissheit zu sterben, all dies zusammen und ich denke noch viel mehr. Wir haben keine Erfahrungen für diesen Zustand, ich glaube, ich bin die Einzige, der so etwas geschehen ist und überlegte. Während ich über Jahre enorme Strapazen ausgesetzt war, sind es bei dir einige Wochen. Zum Glück, denn ich konnte es aufhalten, du regenerierst dich. Dein Körper ist so gut wie wieder hergestellt, dein Haar bekommt die Farbe zurück, nur dein Gesicht benötigt noch Zeit.“

„Warum hieltest du es vor mir geheim?“

Traurig lachte sie leise, „Weil ich mich zu gut erinnere, den Schock wollte ich dir ersparen“, nahm sie meine Hand, „Mit jedem Tag siehst du besser aus, bald bist du wieder so schön, als ob nichts gewesen wäre.“

„Ich war noch nie schön!“, musste ich anmerken.

„Na sicher mein hässliches Entlein“, schmunzelte sie, „Ich kenne da Einige, die dir da widersprechen werden. Nimm dir die Zeit, gönn dir die Ruhe, dann wird alles wieder gut“, sprach sie mir sanft zu.

„Deshalb hältst du mich von an all meinen Freunden fern?“

Sie nickte, „Sollen sie dich etwa in diesem Zustand sehen? Nur Alia ließ sich nicht abwimmeln, der Schock sitzt tief, deshalb kam sie dich nicht mehr besuchen“, teilte sie mir mit.

Ich befühlte mein Gesicht, konnte noch immer nicht glauben, was mir der Spiegel verriet. Aus diesem Grunde befand sich keiner im Bad und Rosmerta bestand darauf mir das Haar zu bürsten, welches sie dann fest zu einem Zopf band.

„Noch irgendetwas?“, fragte ich nach.

„Ja, reicht das denn nicht?“, schnauzte sie mich an.

Warum sie mich dermaßen anraunzte, blieb mir ein Rätsel, na gut mein Aussehen entsprach dem einer alten Frau, aber da ich noch nie besonders auf mein Äußeres achtete beziehungsweise darauf Wert legte, konnte ich damit umgehen.

Corvin huschte der Gedanke auf und blieb leider fest verankert. Doch sagte ich mir, ob ich jemals wieder mit ihm ins Gespräch kam, ihn je wiedersah, jemals mit ihm allein einen Raum teilte, dies stand in ferner Zukunft, falls überhaupt, überdachte ich die Sachlage realistisch.

Weitere drei Wochen vergingen, Rosmerta verwehrte mir weiterhin den Spiegel, doch sie schien zufrieden mit dem Fortschritt zu sein. Eines Nachmittages kam Alia, zuerst entschuldigte sie sich unentwegt, bestaunte mein Aussehen und schloss mich lächelnd in ihre Arme, „Du hast ein Wunder bewirkt Rosmerta, niemals hätte ich es gedacht“, drückte sie auch die Alte an sich. Worauf Rosmerta die Schöne mit verlegenen Worten brüsk von sich schob. Na sieh mal einer an, auch Rosmerta besaß ihre Schwachstellen, grinste ich in mich hinein.

Voller Tatendrang schmiedete Alia nun meine siegreiche Rückkehr, wogegen ich mich wehrte, „Ich will nur meinen Dienst aufnehmen!“

„Da wirst du warten müssen, momentan verhindern die Offiziellen alles. Wir versuchen eine gewisse Ordnung herzustellen und diese unangenehmen Menschen sabotieren uns, wo es nur geht“, informierte uns Alia.

„Auf der Festung droht eine Meuterei, selbst unsere ausgeglichene Muse, die alles in schönen rosafarbenen Tönen sieht, beginnt sich gegen die Offiziellen aufzulehnen. Ihr müsst sie mal in Fahrt erleben, na das ist ein Anblick“, grinste meine Freundin.

„Ich kann es mir denken, habe auch nie gedacht, dass sie so sein könnte“, stimmte ich Alia zu.

„Ihr habt ja keine Ahnung!“, meinte Rosmerta, „Diese Frau einmal in Rage gebracht, kann sie kaum einer Bremsen. Die Menschlein sollten in ihrer Nähe recht leise auftreten, ansonsten bekommen sie echte Schwierigkeiten.“

„Sie wird sie doch nicht etwa angreifen?“, fragte Alia bestürzt nach.

„Mit Worten!“, antworteten Rosmerta und ich gleichzeitig. „Scharf wie ein Messer!“, setzte die krächzende Stimme mit erhobenem Zeigefinger hinzu.

Alia wollte mit großen Kinderaugen mehr wissen, was ich nur zu gut verstand, Muse einzuschätzen, gelang auf keinen Fall im ersten Augenblick. Nachdem ich von unserer Reise erzählte, wobei ich auch vom Erlebten mit Muse sprach, brach Alia schließlich bedauernd auf, „Wie ich euch beneide, drüben hält man es kaum noch aus.“

„Dann besuche uns, so oft es nur geht“, schlug ich vor, froh endlich ein anderes Gesicht zu sehen. Rosmerta stimmte sehr schnell meinen Vorschlag zu, auch ihr ging unser Gefängnis auf die Nerven.

„Dann werde ich mal deine nächste Ration holen“, stand die Alte umständlich auf, nachdem Alia schon eine Weile fort war.

„Das kann ich doch auch“, wollte ich schon los.

„Nein!“, hielt sie mich schroff auf, dann fuhr sie ruhiger fort, „Da möchte dich noch jemand sprechen, auch wenn ich ihm zürne. Solltest du dir anhören, was er zu sagen hat. Versprichst du es mir?“

Während ich nickte, verschwand Rosmerta. Wer wollte mit mir reden? Insgeheim hoffte ich, es sei Corvin, doch was sollte ich ihm sagen? Aufgeregt wanderte ich hin und her, wenn er es nun ist, wie willst du dich verhalten, wurden meine Knie ganz weich.

„Sarah?“, wurde die Tür leise aufgeschoben.

Erleichtert und zugleich enttäuscht sah ich Ross entgegen. „Schön zu sehen, dass es dir besser geht“, kam er zögernd näher.

„Ross!“, lächelte ich ihm entgegen, er sah an mir vorbei, wirkte verlegen, entsprach überhaupt nicht jenen Vampir, den ich gut zu kennen glaubte.

„Sei nicht so freundlich zu mir, das habe ich nicht verdient“, meinte er, mitten im Raum stehen bleibend. „Rosmerta erlaubte mir, mit dir zu reden.“

Verwundert bat ich ihn sich zu setzen, was er ablehnte, „Solange will ich gar nicht bleiben“, sah er mich nun an, Erleichterung glitt über seine Miene, „Dann will ich es kurz machen. Mir hast du deine Situation zu verdanken, durch meine Schuld wurdest du schwer verletzt. Das ist auch schon alles!“, erklärte er in kurzen abgehackten Worten.

„Wieso sagst du so etwas? Alischa fügte mir die Wunden zu …“

„Die Körperlichen, ja!“, unterbrach er mich, „Aber ich schickte dich, mit berechnendem Kalkül in den Kampf, den du nur verlieren konntest. In der Hoffnung, dass sich jene in den Kampf einschalteten, die gegen meine Tochter bestehen konnten.“

„Was sie dann ja auch taten“, rätselte ich, warum er sich selbst anklagte.

„Ach du“, lächelte er, „Dann will ich es dir genauer erklären. Ich wurde zu einem Zweck geweckt, um gegen Alischa zu kämpfen. Zuerst spielte ich damals mit, ich war schwach vom langen Schlaf. Sobald ich wieder zu Kräften kam, wollte ich meine alte Position einnehmen. Was wusste ich schon von der Welt da draußen, nichts! Dessen belehrten mich Kahlaf und Intha. So verschob ich meinen Plan, aber der liebe Kahlaf durchschaute mich und schickte mir eine Frau, unbeugsam und stark. Eine Frau, der ich verpflichtet war. Kannst du dir denken, wen ich meine?“

„Nein“, schüttelte ich den Kopf.

„Rosmerta!“, nun kam ich aus dem Staunen nicht heraus.

„Ja Rosmerta“, bekräftigte er noch einmal, „Und glaub mir, mit mir ging sie keineswegs so liebevoll um. Sie und Intha wagten es tatsächlich, mich zu erniedrigen. Auf eine Weise, die ich niemals für möglich hielt, fast fünfzig Jahre lernte ich unter ihrer Knute, oder sollte ich Stock sagen“, ein schmerzhafter Zug umspielte seine Lippen, unbewusst kratzte er sich den Hinterkopf.

Ich konnte mir seine Pein lebhaft vorstellen, musste ich ein Grinsen unterdrücken.

„Was sie mir auch antaten, ich schwor Rache, sie ließen sich zu meinen Leidwesen nicht täuschen. Natürlich erzählten sie mir von Alischa, ihren Anmaßungen, ihren berechtigten Verdacht, dass sie den Tod ihrer Mutter herbeiführte. Der Annahme, dass sie etwas plante, wie die Weltherrschaft.

Aber dieses Recht gehörte allein mir! So dachte ich damals! Als sie ihr Versagen eingestanden, glaubte ich mein letztes Stündlein habe geschlagen. Ich bekam es wirklich mit der Angst zu tun.

Schwach, wie ich war, angekettet in dieser kalten Höhle, wurde mir meine Sterblichkeit bewusst, aber ich wollte leben. So versprach ich alles, schwor bei meinen Leben, was sie wollten, ohne es jemals einzuhalten. Denn noch immer gärte mein Stolz, mein Anrecht als Erster in mir, sie sollten zu Kreuze kriechen, sich mir unterwerfen. Dann eines Tages kam Rosmerta, an ihr haftete ein Duft, fremd und doch vertraut“, lächelte er verträumt.

„Vlad!“, sah er mich an, „Wir erkennen unsere Kinder. Nun ja, als ich Rosmerta befragte, antwortete sie mir, ich glaube, in diesem Moment erkannte sie, die Möglichkeit in mich zu dringen. Von diesem Tage erzählte sie mir unentwegt von Vlad, Ciaran und Livio. Vlads Bestreben aus unserer Spezies eine Einheit zu bilden, die es uns ermöglichte mit den Menschen zu leben. Was ich zuerst als Schwachsinn abtat.

Allmählich wurde mir die Entwicklung meiner einstigen Nahrung bewusst, das waren keine tumben Wilden mehr. Nein laut Rosmerta starke Individuen, die Zivilisationen aufbauten, das Land, auf dem sie lebten, kultivierten.

Nun sah ich das Bestreben meines Enkels mit anderen Augen. Rosmerta zeigte mir Fotografien von Vlad und Livio. Zauberei dachte ich als Erstes und Menschen entwickelten dies. Was blieb uns? Wo passte unsere Stärke, Schnelligkeit da hinein? Unsere Überlegenheit schwand, sie war nichts mehr wert, selbst ich musste dies eingestehen.

Eines Tages kam Rosmerta, inzwischen konnte ich mich in meiner Zelle frei bewegen und trotzdem traute sie mir noch immer nicht. Sie gab mir gerade genug Nahrung, um zu überleben. Aber an diesem Tag schien sie aufgeregt zu sein, dann erzählte sie mir von dir, Sarah.

Deinem plötzlichen Auftauchen, um nach deinem Vater zu suchen. Ich hörte zu, begierig mehr über meinen menschlichen Nachwuchs zu erfahren. Geschickt floss in ihren Erzählungen das Bestreben der Familie Sardovan ein. Die Jäger, die unsere Spezies bedrohte, Alischa, die im Rat untätig blieb, Vlad der versuchte die einzelnen Clans zu vereinen. Ja auch von Corvin, Henry, der gesamten Familie Sardovan.

Dann eines Nachts hörte ich Geräusche, Stimmen hallten leise wispernd durch die Gewölbe der Höhle. Schritte die näherkamen, ganz automatisch erkundete ich, wer die Neuankömmlinge waren. Es traf mich wie ein Schlag, da war sie, meine menschliche Enkelin, einfach so, konnte ich in ihre Gedanken eintauchen.“

„Wie bitte?“, fuhr ich von meinem Bett hoch, „Wann war das? Wo?“

„Wie ich später erfuhr in Fenils, doch als ich dich entdeckte, wusste ich nichts davon.“

In Fenils? Dann hielt ihn Rosmerta dort gefangen, direkt unter der Nase von Corvin und Vater? Ich musste lachen, wie unverfroren typisch Rosmerta.

„Hörst du mir weiter zu?“, fragte mein Ahnherr ungeduldig, als er sicher war meine Aufmerksamkeit zu haben, fuhr er fort: „Jeden einzelnen Gedanken konnte ich mühelos erkennen. Mehr noch stellte ich zu meiner Überraschung fest, deine Erinnerungen, Erfahrungen, Gefühle, Schmerz und davon gab es viel, flogen mir nur so zu. Mich imponierte dein Mut, deine positive Lebenseinstellung, deine Herzlichkeit, du warst von meinen Blute, ich konnte es kaum glauben.

In dieser kurzen Zeit lernte ich mehr als in den vergangenen Jahren meiner Gefangenschaft. Jeden Augenblick deines Lebens in Fenils saugte ich auf, nahm jede Begebenheit wahr, lebte und litt mit dir, bis ihr schlussendlich aufbracht.

Düsternis umgab mich, nachdem du fort warst, ich wollte mehr, wollte leben, in deiner Nähe. Rosmerta meinte, ich sei besessen, genauso wie es damals mit Tai war. Aber ich wusste es besser, dein Glück lag mir am Herzen, deine Zukunft solltest du in Sicherheit, mit Liebe erleben.

Die alte Krähe nutzte meine Wünsche und Gefühle für dich aus. Sie ließ mich auf dein Leben schwören mich niemals wieder als Herrscher der Vampire aufzuschwingen. Ferner musste ich meine Loyalität dem Hause Sardovan geloben.

All dies tat ich, mit der Gewissheit dich bald auf der Festung wiederzusehen. Du meine Enkelin, du brachtest mich dazu ein besserer Vampir zu werden, als ich jemals war.

Und doch wusste ich eines, niemals konnte ich gegen Alischa antreten, damals ahnte ich bereits, worauf es hinauslief. Eine Konfrontation zwischen dir und meiner Tochter.

Ich war gewillt dieses Risiko einzugehen, weder Vlad, Livio, Ciaran noch ich waren in der Lage unsere Blutsverwandte zu töten, es liegt am Blut, weißt du …“

„Aber Alischa konnte Tai töten“, warf ich ein.

„Nicht selbst, sie lockte Tai in eine Falle, ihre Verbündeten, besser gesagt die Speichellecker an ihren Sohlen verrichteten ihr unheiliges Werk. Auch dich konnte sie nicht töten, ernsthaft verletzen ja, aber nicht zum tödlichen Schlag ausholen.

Darauf baute ich, denn ich lernte eines über dich. Du besitzt Freunde, die treu zu dir stehen. Mit Corvin angefangen, der niemals tatenlos zusehen würde, wenn du einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wärest. Mein Plan funktionierte, deine Freunde tauchten auf, Marsé, Kahlaf, Merkur, Malech und Muse, dann all die anderen, deine Freunde mitsamt deines Exverlobten´s, die sich kopfüber in den Kampf stürzten. Ich sorgte dafür, dass sie deine Gedanke empfingen, sie sollten wissen, in welcher Gefahr du schwebtest. So weit, so gut, sie beendeten Alischas Leben, aber eines bedachte ich nicht, die letzten Wochen, die Entbehrungen, deine Gewissheit zu sterben, all dies forderte ihren Tribut. Deshalb sagte ich, es ist meine Schuld, denn ich schickte mit mit einer geringen Chance auf den Sieg in den Kampf.“

„Mit einer guten Absicht, Ross“, stand ich auf und ging zu ihm, „Und selbst wenn du mich vorher eingeweiht hättest, wäre ich gegangen. Ich wusste, dass ich Alischa niemals besiegen konnte. Nun sage mir, was ist geschehen, als ich bewusstlos wurde?“

„Als du zu Boden sankst, hielten es Henry und Corvin nicht mehr aus, sie griffen Alischa an. Im gleichen Augenblick kamen Kahlaf, Merkur und Ciaran aus den Büschen. Dann deine Freunde, sie griffen Alischa gleichzeitig an. Vlad hielt Livio zurück, denn er stand zu lange unter Alischas Einfluss. Sie ließ täglich jeden schwören ihr Leben zu schützen und Livio war dahin gehend noch sehr anfällig.“

„Vater konnte dem Drang widerstehen?“, wunderte ich mich.

„Er liebt dich Sarah, du bist seine Tochter, für dich und Livio würde er sein Leben mit Freude opfern.“

„Und du?“

„Auch ich!“

„Nur das Ende zählt doch, oder? Alischa ist tot, sie kann unserem Volk nichts mehr anhaben. Mir geht es gut, ich bin gesund und munter …“

„Ich werde dir Blutsauger nicht so leicht verzeihen“, versetzte Rosmerta dem Hinterkopf meines Ahnen einen schweren Hieb. Dieser stöhnte schmerzhaft auf, „Ich weiß, ich weiß, Rosmerta und ich werde alles tun, was du verlangst, damit du mir wieder vertraust.“

„Dann manipuliere diese Offiziellen!“, forderte sie ungehalten.

„Nichts lieber als das, aber euer Boss will davon nichts wissen. Er setzt auf Diplomatie.“

„Der grüne Junge weiß doch gar nicht, was er will! Manchmal muss man eben ein wenig nachhelfen.“

„Es tut mir leid, Rosmerta ich werde mich nicht gegen die Anordnungen unseres Familienoberhauptes stellen. Ich habe ihm persönlich Gehorsam gelobt und werde ihn keineswegs enttäuschen.“

„Noch so ein Weichei!“, schimpfte die Alte, „Ich sage es ja, Alter schützt vor Torheit nicht! Dem Jungspund sollten mal die Augen geöffnet werden, was die von uns verlangen ist doch absurd.“

„Er will Kämpfe verhindern, was ich durchaus verstehe …“

„Papperlapapp! Sie nutzen unsere momentane Schwäche aus. Unsere Spezies muss sich, neu ordnen aber die Offiziellen wollen dies verhindern. So einfach ist das!“, sie trat näher auf Ross zu, „Habe ich richtig gehört, sie stellen unseren Weibern nach?“

Ross wich einen Schritt zurück, „Es sind Männer, so viele schöne Frauen haben sie noch niemals auf einen Haufen gesehen. Ist doch verständlich!“

Rosmerta kniff ihre Augen zusammen, „Wartet hier! Du windiger Hund bist für ihre Sicherheit verantwortlich“, bekam Ross einen Hieb in den Magen.

„Ist gut“, murmelte unser Ahnherr, sich den Bauch haltend. Rosmerta verschwand mit einem strengen letzten Blick auf mich.

Zwar amüsierte es mich, wie Rosmerta mit Ross umsprang, mich interessierte jedoch viel mehr, wieso er sich dieses Verhalten gefallen ließ. „Ich bin ihr zutiefst dankbar und stehe in ihrer Schuld“, antwortete Ross ausweichend.

„Wieso genau?“, ließ ich mich von seiner vagen Antwort keineswegs abspeisen.

„Ich erzählte euch von meinem Sohn.“

„Ja, der einem Anschlag von Alischa entkam.“

„Genau, dies verdanke ich Rosmerta, sie war sein Kindermädchen.“

Jetzt verstand ich endlich, pfiff ich leise vor mich hin, alles ergab einen Sinn. „Daher kennen sich Marsé und Rosmerta, sie brachte Ciaran zu Marsé“, sprach ich laut meine Gedanken aus.

„Nein, meinen Sohn zu ihren Eltern, er und Marsé wuchsen zusammen auf. Als sie erwachsen wurden, waren sie lange Jahre befreundet, bis er sich entschloss, seine Schwester aufzusuchen, danach hörte man nie wieder von ihm.“

Ein Verdacht keimte in mir auf, „Wie viele Kinder zeugte dein Sohn, denn?“

Er lächelte kurz, „Du verspekulierst dich, Corvin ist nicht von meinem Blute. Marsé und mein Sohn waren wie Geschwister und die Frau meines Sohnes, ihr eine gute Freundin bis zum Ende ihres Lebens.“

„Dann war sie kein Vampir?“

„Nein, laut Marsé wollte sie nicht gewandelt werden. Nachdem mein Sohn verschwand, übergab sie Rosmerta Ciaran. Wie sich bald darauf herausstellte eine weise Entscheidung. Alischa tat noch einiges, sie dranglasierte die Familie Sardovan, der Mann von Marsé verschwand ebenso spurlos. Marsé war sich der Gefahr bewusst, indem sie und ihr Sohn schwebten, sie wandte sich an Freunde, die zu dieser Zeit ebenso mächtig waren wie Alischa.“

„Kahlaf!“, sprach ich meine Vermutung laut aus.

„Ja, Kahlaf und Merkur, unter ihren Schutz wuchs Corvin auf, später kam Henry dazu.“

„Verstehe, so lernten sie sich kennen.“

„Kennen ja, aber der Altersunterschied zwischen den beiden war zur damaligen Zeit zu groß. Corvin kam gerade von seiner Wandlung zurück und Henry war ein Kind. Soviel ich weiß, ging Corvin auf Wanderschaft, nach Jahren kam er mit Peer zurück. Den Kopf voll von verrückten Ideen, von denen er sich nicht abbringen ließ. Den Rest solltest du kennen, er verwirklichte seine Ideen, irgendwann suchte er Alischa auf, befreite Vlad so nahm alles seinen Lauf. Wann Henry genau dazu stieß, kann ich dir nicht sagen. Ich glaube, bis heute denkt er, er sei nur auf einen kurzen Besuch bei Corvin.“

„Aber wann lernte er Ciaran kennen? Die beiden vertrauen sich wie alte Freunde.“

„Bisher weigert sich Ciaran seine Familie anzuerkennen, deshalb kann ich nichts über seinen Werdegang erzählen oder wann die beiden aufeinandertrafen.“

„Demnach spielt er weiterhin den einsamen Wolf!“, war ich gar nicht mal besonders überrascht. Es passte zu Ciaran, den Außenseiter zu mimen.

Die Tür unten wurde geräuschvoll geöffnet, gleich danach ein unverwechselbares Krächzen. Ross und ich schauten uns an, „Meine Schinderin kehrt zurück!“, stellte er dramatisch fest.

„Ewig kann sie dir ja nicht böse sein“, stupste ich ihn leicht an, gleich darauf stürmte Rosmerta ins Zimmer, im Schlepptau eine Frau, die mir zwar bekannt vorkam, aber die ich nicht einordnen konnte.

„Na los Gerlinde, schnapp dir die Kleine!“, zeigte Rosmerta auf mich.

Die Frau schaute mich verunsichert an, „Herrin, wenn ich bitten darf?“, deutete sie auf das Badezimmer.

„Ich bin keine Herrin und was soll das Rosmerta? Wer ist …“

„Keine Zeit für lange Erklärungen“, ließ die Alte mich nicht ausreden, „Wir müssen etwas unternehmen und du wirst mir dabei helfen. Außerdem solltest du deine Sklaven ja wohl kennen.“

Meine Sklaven musterte ich Gerlinde nun genauer. Richtig, daher kannte ich sie und schlagartig fielen mir meine Schulden wieder ein. Wie viel war es noch einmal? Ich wusste es nicht mehr, verdrängte die Summe. Naja eines Tages werden sie beglichen sein, verließ ich mich ganz auf Corvins Abrechnung.

Inzwischen drängte mich Rosmerta ins Bad, Ross wurde hinausgeworfen und Gerlinde hielt mir die Dusche auf. Zu meinen Entsetzen sah ich jemanden, der in mir die nackte Panik auslöste, die graue Maus mitsamt des Köfferchens.

„Rosmerta!“, rief ich, leutselig kam sie ins Bad, „Wobei genau soll ich dir helfen?“

„Ross brachte mich auf die Idee, die Offiziellen machen sich doch an die Weiber heran und du wirst ihnen schöne Augen machen“, grinste sie zufrieden, „dein Vater wird ausrasten, wenn die notgeilen Böcke hinter dir her sind. Das rückt doch alles in ein neues Licht, nicht wahr. Dann noch Pierre, der anscheinend auf Brautschau ist, gar nicht zu reden von Kahlaf und Merkur und dein Bruder erst. Ciaran hat sein Interesse an dir ebenfalls bekundet, was bei dem Franzosen und ihm schon eine Debatte auslöste. Wollen wir die Offiziellen loswerden, benötigen wir einen Anstoß und dieser wirst du sein. Basta!“

„Wenn der Schuss nicht nach hinten losgeht, es gibt bestimmt Hübschere als mich.“ Worauf Gerlinde heftig den Kopf schüttelte.

Bei all dem Tumult kam ich trotzdem dazu, sie nach ihrer Mutter und Tochter zu fragen. „Oh denen geht es gut, meine Mutter hilft in der Küche aus und Frieda meine Tochter, dort wo sie kann“, sagte Gerlinde, bis sie von Rosmerta zur Seite geschoben wurde.

„Ihr könnt später euer Pläuschchen halten, zurück zu den Kerlen! Bisher haben sie dich noch nicht zu Gesicht bekommen, Frischfleisch sozusagen. Verstehst du? Männer stürzen sich immer auf alles Neues!“, kicherte sie, was einem kalte Schauer über den Rücken jagten.

„Nun steh nicht dumm herum, lass dich ausstaffieren“, drehte sie das kalte Wasser an. Fluchend sprang ich aus dem eisigen Strahl, sie lachte meckernd, „Regt den Kreislauf an, was einen hübschen rosigen Teint gibt.“

Unbarmherzig trieb sie mich an, ihr Plan konnte ja nur scheitern, dann überlegte ich bald meine Freunde sehen zu können, also wehrte ich mich nicht mehr gegen ihre Zugriffe.

Erst als die graue Maus mitsamt ihres Folterwerkzeugs in den Vordergrund trat, protestierte ich. „Du wirst aufs Ganze gehen müssen. Da sind einige gut aussehende Böcke dabei, zier dich ja nicht, schließlich müssen wir etwas handfestes Vorweisen können.“

Schließlich stieß sie mich in die Dunkelheit der dörflichen Straße, „Beeilung!“, schubste sie mich, „Die sitzen jetzt bestimmt bei Tisch, schlagen sich auf unsere Kosten die Wänste voll, dieses Natterngezücht. Na denen wird gleich die Luft wegbleiben, wenn sie dich sehen. Wer weiß vielleicht bekommen sie Blähungen, richtig schöne Krämpfe“, rieb sich die rachsüchtige Alte vor Vergnügen die Hände.

Kapitel 58

Schneller als mir lieb war, erreichten wir den Speisesaal, ohne weiteres Zögern öffnete Rosmerta die Tür, „Lächel!“, drückte sie mir die Faust in den Rücken.

Alle Köpfe wandten sich um, „Sarah!“, riefen Vater und Henry gleichzeitig, der eine erfreut, der andere missbilligend. Der Erfreute stand sogleich auf und kam auf mich zu, „Ross bitte einen Stuhl für unseren Überraschungsgast, gleich hier neben mir“, flötete Henry vergnügt, meine Hand hielt er inzwischen fest in seiner. „Darf ich vorstellen, Sarah Sardovan, die Tochter unseres verehrten Vlad Sardovan“, machte er mich bekannt mit den Menschen und jeder Einzelne ein Mann, grüßend neigten sie leicht ihre Häupter, was ich erwiderte.

„Sarah litt an einer Krankheit, deshalb blieb sie unserer Gesellschaft fern.“ Seit wann schwafelte er so daher? Die Ratsmitglieder nickten mir einhellig zu, besonders Muse lächelte mich an, während mein ungehaltener Vater die Lippen fest zusammenpresste.

„So nimm hier Platz“, manövrierte er mich an das Tischende, zu meinen Entsetzen direkt neben Corvin, der sich gezwungen sah ein Stück weiter zu rücken, „Na bestens, in jeder Hütte findet sich ein Plätzchen“, grinste Henry zufrieden.

„Corvin“, grüßte ich, da er bisher keine Miene verzog, noch sich rührte. Die anderen anwesenden Ratsmitglieder lächelten mir freundlich zu.

„Sarah“, bekam ich eine knappe Antwort.

Die Gespräche an der Tafel zogen sich schleppend dahin, meistens sprachen die Menschen, während die Vampire nur auf direkte Fragen antworteten.

„Darf ich fragen, an welcher Krankheit sie litten?“, richtete sich einer der Offiziellen an mich.

Blutmangel, schoss es mir durch den Kopf, „Grippe“, antwortete Henry für mich, „Es hat sie schrecklich erwischt.“

Der Offizielle drückte sein Verständnis aus, „Ja eine Grippe darf man niemals auf die leichte Schulter nehmen.“

Dann erlosch das mühsame Gespräch, hier und da flammten Fragen auf, die wiederum knapp beantwortet wurden. Die Stimmung an der Tafel konnte nicht tiefer sinken.

In der eisigen Stille wurde die Tür wieder geöffnet, die Räder des Tablettwagens rollten fast lautlos über das Parkett. Die stumme Tochter von Gerlinde erkannte ich sofort wieder, sie sah nach wie vor schrecklich abgemagert aus.

Zwar nun gepflegt doch glich sie einem Hungerhaken. Wieso fragte ich mich? Bekamen sie nicht genug zu essen? Warf ich meinem Tischnachbarn und Boss einen skeptischen Blick zu, den er sofort erwiderte. Mit großen Augen wehrte er meine stumme Frage ab, zu mir herübergebeugt meinte er, „Sie nimmt einfach nichts zu, eine Heilerin hat Frieda untersucht. Was ihr auch fehlt, wir können es nicht herausfinden.“ Raunte er mir leise zu.

„Dann sollte sie mal Urlaub machen!“, flüsterte ich schnippisch, „anstatt hier Dienstbotengänge zu verrichten.“

„Oh ja sicher! Urlaub hört sich gut an, ich nehme an, du willst deinen Kredit erweitern? Wie willst du ihn je zurückzahlen?“

Bevor ich antworten konnte, fragte Vater höflich nach, ob wir alle Anwesenden an unserem intensiven Gespräch teilhaben ließen?

„Es ist privat Vlad. Entschuldigt bitte“, antwortete Corvin jovial in die Runde blickend. „Darüber reden wir später noch!“, raunte er mir mit gerunzelter Stirn zu, „Bin ich etwa ein Goldesel?“, setzte er noch mürrisch hinzu.

„Das wäre ja mal eine Verbesserung!“, wandte ich mich demonstrativ an Henry.

Inzwischen verteilte Frieda den Nachtisch, da ich eigentlich nicht eingerechnet wurde, fehlte ein Gedeck, „Macht doch nichts!“, wiegelte ich ab.

„Hier du kannst meines essen“, bot mir Henry sein Eis an, welch großherzige Geste, lehnte ich ab, da ich genau wusste, wie gern er Eis mochte. „Nein, nein, iss ruhig“, schob er mir den Teller wieder zu und ich zurück, „Iss du ruhig“

„Das ist ja nicht zum Aushalten, hier nimm meines!“, schob nun Corvin mir sein Dessert zu. Henry bestand nicht länger auf seine Bitte und ich sagte kurzerhand, „Danke!“

Vaters düsteren Blick übersah ich geflissentlich, ebenso wie die der Offiziellen, anscheinend völlig vertieft löffelte ich mein Eis. Dabei musterte ich jeden einzelnen der Menschen.

Zwei sahen recht nett aus, einer stach mir sofort ins Auge, ein älterer Mann mit strengen Zügen, der seine Blicke abwertend über die Vampire schweifen ließ. Er musste der Wortführer der Offiziellen sein, die anderen vier versuchten so wenig wie möglich aufzufallen, besonders wenn der Ältere in ihre Richtung schaute.

„Nun können wir ja fortfahren, da alle gesättigt sind!“, ließ der Ältere seine näselnde Stimme hören, nachlässig schob er den Dessertteller in die Tischmitte. „Gehört die junge Dame zu deinen Beratern? Wenn nicht, dann kann sie jetzt gehen!“, schielte er mich auffordernd an.

Noch den Löffel im Mund nahm ich den Dreisten ins Visier. Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter, „diese Dame besitzt einen Namen, außerdem wird sie wie alle anderen ihr Mahl beenden“, drückte Corvin sanft meine Schulter.

Der Anführer der Offiziellen erhob sich beleidigt, sofort schoss der Boss in die Höhe, „Beendete ich als Hausherr das Mahl? Gab ich dir die Erlaubnis aufzustehen?“

„Welch neue Töne!“, grinste der Kerl mit einem Seitenblick auf mich, „hat die Holde deinen Mut gestärkt?“

„Kaum, aber ich kann unhöfliches Benehmen nicht ab! Bisher konnte ich mich darüber kaum beschweren. Wie gesagt bisher!“, lag darin eine offene Drohung? Gar eine Aufforderung?

Ich wusste es nicht, schaute ich mich um, jeder einzelne Vampir stellte eine höfliche distanzierte Miene zur Schau. Die anderen Männer verhielten sich abwartend, auf den Befehl ihres Anführers wartend. Dieser setzte sich mit einem freundlich aufgesetzten Lächeln hin.

Corvin ließ den Mann nicht aus den Augen, bis dieser sich unwohl fühlte, erst dann ließ er von ihm ab, „Dein Eis, es schmilzt!“, machte er mich höflich auf den Brei vor mir aufmerksam.

Lustlos stocherte ich darin herum, dieses zerlaufene Zeug mochte ich nicht, schließlich legte ich den Löffel beiseite. Wie von Zauberhand erschien Frieda, die den Tisch abräumte, Ross stand auf und half ihr abzuräumen.

Als er bei dem Anführer ankam, reckte er sich, um an den fortgeschobenen Teller zu kommen. Der Mann blieb bewegungslos sitzen, er wurde mir mit jeder Sekunde unsympathischer.

Konnte er den Teller Ross nicht reichen? Nein er wollte es nicht, verfolgte ich das Bemühen mit Argusaugen, der Teller schwebte über den Kopf des Mannes, platsch und landete genau darauf, mitsamt der übrig gebliebenen Masse, die sich über das Gesicht des Offiziellen verbreitete.

Mit der Hand vor dem Mund sah ich zu, wie der anmaßende Kerl hochschnellte und dabei wie zufällig einen vampirischen Ellenbogen in die Rippen bekam. Ross entschuldigte sich ohne Punkt und Komma, versuchte den Mann abzutupfen, wobei er empfindlich die Nase traf. Blut spritzte aus der Besagten und vermischte sich mit dem geschmolzenen Eis.

Inzwischen biss ich mir auf die Finger, krallte mich in das Tischtuch, um nicht laut herauszulachen, das hatte er mehr als verdient. Der Offizielle suchte sein Heil in der Flucht, seine Kompagnons unsicher blieben sitzen.

Nochmals entschuldigte sich Ross vor der versammelten Gesellschaft, „Ich schaue nach, wie es dem ehrenwerten Herrn geht. Ich glaube, ich habe tatsächlich seine Nase gebrochen“, meinte er tief betrübt.

Corvin nutzte die folgende Stille und erkundigte sich höflich, wer ein Glas Wein vertragen könne. Die Mehrzahl der Vampire wollte, die Menschen nahmen das Angebot nur zu gern an.

„Wenn du deine Krallen aus meinem Oberschenkel entfernen würdest, könnte ich den Wein holen.“

Schamrot zog ich meine Hand zurück. Kein Tischtuch! Sackte ich in mich zusammen. Humpelnd sich über den Oberschenkel streichend ging Corvin in den hinteren Teil des Saales. Dort so wusste ich, standen die Gläser und Weinflaschen.

Allein mein schlechtes Gewissen nötigte mich dazu aufzustehen, um ihm zu helfen. „Danke“, meinte er höflich.

„Selbstverständlich, das wollte ich nicht“, deutete ich auf sein Bein.

„Es war doch zu komisch, nicht wahr?“, grinste er, kichernd versuchte ich, nicht laut herauszulachen. „Sein Gesicht war zu köstlich, als die Suppe über seine feisten Wangen lief“, hielt ich mich am Tisch fest.

„Dann erst die Nase! Hast du gesehen, wie das Blut herausschoss?“

„Ja und dann vermischte …“, ein Räuspern unterbrach mich, „Amüsiert ihr euch schön? Da warten Gäste auf ein Glas Wein!“, tadelte Vater uns.

„Vlad sei nicht so streng, kannst du keinen Spaß mehr verstehen?“

„Oh doch, aber Ross handelte unvorsichtig. Was ist, wenn dieser Kerl es gegen uns verwendet? Dem traue ich alles zu.“

„Ein Missgeschick mit Folgen? Was kann er da schon unternehmen? Seine Leute konnten sehen, wie leid es Ross tat.“

„Jeden einzelnen dieser Offiziellen sollte solch ein Missgeschick passieren, der Mann ist furchtbar und führt sich auf, als sei ein König“, regte ich mich auf, „Diese Kerle wollen doch nur eines, unsere Unterwerfung!“

„Da schau mal einer, meine Tochter interessiert sich für Politik. Dann sag mir doch mal, wie sollen wir mit ihnen verfahren?“

„Rauswerfen!“, erklärte ich bitter.

„Deine Tochter! Irgendwie erinnert sie mich an jemanden, der vor vielen Jahren genauso ungestüm redete, Vlad.“

Vater überhörte den Kommentar seines Freundes, „Was dann? Sie werden uns jagen, wo sie nur können.“

„Tatsächlich? Wie wollen sie es der Bevölkerung verkaufen, ein Großindustrieller wird von einer geheimen Bruderschaft verfolgt? Die Presse würde sich daran hochziehen. Die Offiziellen werden ja wohl nicht mit dem Finger auf uns zeigen und Vampir schreien“, meinte ich kaltschnäuzig, einige Gläser schnappend, kehrte ich meinen aufgebrachten Vater den Rücken zu.

Als Corvin sich später neben mir setzte, meinte er, „In einem gewissen Punkt hast du recht, sie werden sicherlich niemals an die Öffentlichkeit gehen. Wir werden daran arbeiten, ich muss dir danken, Sarah.“

„Gern geschehen, ganz kostenlos!“, erwiderte ich spitz.

„Musst du dich immer mit mir streiten? Können wir nicht einmal, nur ein Glas Wein miteinander trinken?“

„Ich wusste nicht, dass du darauf Wert legst. Wo ist denn deine momentane Gefährtin? Wer ist es gerade? Ah lass mich raten weder Frauke, Charly noch Selina. Richtig?“

Er nickte, „Wer dann?“, fragte ich nach.

„Im Augenblick habe ich eine schöne, intelligente Frau im Visier, noch sträubt sie sich, doch ich hoffe sie erbarmt sich bald meiner. Es ist mühselig um eine Frau zu werben, weißt du.“

Innerlich gefror alles in mir, „Wer ist denn die Glückliche oder sollte ich Unglückliche sagen?“

„Weiß nicht, was meinst du? Gehörst du den Glücklichen oder zu den bedauernswerten Geschöpfen?“

„Ich denke zu der ersten Sorte, schließlich war ich nicht so dumm, mich in dich zu verlieben.“

Er lachte, „Na dann darfst du als einzige Frau beide Sorten in Anspruch nehmen, deine menschliche Seele liebte mich.“

„Wenn du meinst, ich denke, es fehlte ihr an Erfahrung.“

„Erfahrung hat nichts mit Liebe zu tun.“

„Liebe?“, beugte sich Henry vor, „Ist ein Ammenmärchen! Seht euch Matt an, seit Monaten lebt er in Enthaltsamkeit, nur weil er in Sarah verliebt ist. Total irre, sage ich euch!“

Unterm Tisch trat ich Henry, wieso erzählte er von Matts Geheimnis? Henry warf mir einen bösen Blick zu, „Inzwischen pfeift es jeder vom Dach, er läuft ja mit einer Jammermiene herum, besonders seitdem der Franzose auftauchte. Er ist übrigens wieder auf Brautschau, soviel wie ich hörte. Übrigens ist Ciaran auch ganz wild hinter dir her. Wer wird denn dein nächster Liebhaber sein? Schon irgendwelche Tipps für mich?“

„Ich werde dir bestimmt nicht helfen, Wetten zu gewinnen. Dagegen solltest du einmal vorgehen, Boss!“, versuchte ich mich aus Henrys Schusslinie zu manövrieren.

„Ach, lass ihnen doch den Spaß“, wedelte Corvin mit der Hand, „Matt?“, nahm er mich in Augenschein, „ist er dein bevorzugter Kandidat?“

Henry lachte aufreizend auf, „Willst du selbst eine kleine Wette abschließen, Corvin?“

„Wer weiß, ich muss einige finanzielle Einbußen ausgleichen. Es könnte mich schon reizen, mit den entsprechenden Informationen, auf jeden Fall.“

Sex und Wetten! Hatten sie denn nichts anderes im Kopf? Was war mit den Offiziellen? „Wie geht es Prya?“, fragte ich, bevor es mir bewusst wurde, ich selbst staunte über mich.

„Prya?“, warf mir Corvin einen rätselhaften Blick zu, „Meine Mutter empfand unsere augenblicklichen Gäste als Bedrohung, sie sind abgereist.“

Wieso antwortete er ausweichend, was bedeutete dieser Blick? Da stimmte doch etwas nicht und Henry fand sein Weinglas auf einmal sehr interessant. „Ich verstehe, du willst mir nicht sagen, was los ist.“

„Später, es ist kein Thema für diese Runde“, vertröstete er mich, dabei blickte er auf, ich folgte seinem Blick, Ross setzte sich unauffällig an den Tisch. Kurz darauf erschien der Offizielle. „Ich wünschte, er wäre in seinem Zimmer geblieben!“

„Mir ist es lieber ihn unter Kontrolle zu halten, er ist verschlagender alter Fuchs. Jetzt bin ich gespannt, was uns das kleine Intermezzo kostet“, richtete er sich kaum merklich auf. „Hast du das kleine Missgeschick gut überstanden?“

Zornesröte stieg in die Wangen des Mannes, „Danke der Nachfrage“, antwortete er einsilbig. Die Spannung im Raum nahm zu.

„Nun denn“, nickte Corvin, „dann können wir mit den Verhandlungen fortfahren. Mein Stichwort, ich erhob mich und zu meiner Verwunderung ebenso Henry und Vlad.

Vater nahm mich sofort am Arm und zog mich in den gegenüberliegenden Raum. „Was machst du auf der Festung? Du solltest im Dorf bleiben!“

„Wie du siehst, bin ich wieder ganz die Alte, danke der Nachfrage, Vater“, erwiderte ich beleidigt.

„Versuche nicht vom Thema abzulenken, ich war über deinen Gesundheitszustand bestens informiert. Also warum kreuzt du hier auf?“

„Bin ich etwa kein Krieger der Familie Sardovan? Schließlich muss ich meinen Dienst aufnehmen.“

Er grinste bitter, „Momentan sind wir nur Privatpersonen ohne jegliche Befugnis.“

„Wie bitte?“, glaubte ich mich zu verhören.

„Diese Kerle die sich Offizielle nennen, versuchen uns den Gar auszumachen, besonders auf unsere Familie haben sie es abgesehen.“

„Ja und was tut unser Boss? Er arrangiert sich, von ihm kommt keinerlei Gegenwehr, es ist, als hätten sie ihn in der Hand, so habe ich ihn noch nie erlebt“, meinte Henry niedergeschlagen.

Vater kratzte sich über das Kinn, „Bis auf vorhin …“, sah er seinen blonden Freund bedeutungsvoll an. Henry grinste, „stimmt“, vertiefte sich sein Lächeln, „du könntest recht haben, Vlad“

Sie sprachen in Rätseln, ich weiß gar nicht, wie oft ich diesen Zustand schon ertragen musste. Jeden Moment rechnete ich mit meinem Rauswurf, zurück ins Dorf Sarah, es ist zu gefährlich für dich auf der Festung, hörte ich direkt Vaters Worte.

„Da du nun einmal hier bist, kannst du Hendrik und Alia unterstützen“, sagte Vater für mich völlig überraschend.

„Aber ich …“, was sagte er? Bevor er es sich anders überlegte, verzog ich mich. Erst wollte ich nachfragen, wo ich die Beiden finden konnte, überlegte es mir aber, da Vater und Henry gerade die Köpfe zusammensteckten.

Was heckten sie aus? Etwa eine Meuterei gegen den Boss? Nein, lächerlich! So etwas würden sie nie … obwohl sie sich heute das erste Mal über Corvin beschwerten. Konnte es sein das die Offiziellen ihn auf irgendeine Weise unter Druck setzten? Prya! Vielleicht hielten sie sie fest? Die ausweichende Antwort des Bosses noch gut im Ohr. Starrte ich die geschlossene Tür des Speisesaales an.

Da fiel mir noch ein Detail auf, Ross! Er blieb sitzen, warum? Schließlich gehörte er nicht dem Rat an. Schon wollte ich Vater und Henry befragen, wandte ich mich um und sah gerade noch, wie Henry die Tür schloss.

Mit ungutem Gefühl betrat ich die Halle, durch Corvins Büro wollte ich nicht, also nahm ich den Umweg über die Rezeption. Hier sah alles Verlassen aus, wenn ich ehrlich war, wirkte alles heruntergekommen.

Die hellen Fliesen auf dem Boden zeigten unendlich viele Fußspuren, grau und abgenutzt standen die gemütlichen Sessel wild durcheinander, warf ich einen Blick in den Frühstücksraum, auch hier das Gleiche.

Staub bedeckte die Rezeption, die Flyer der Umgebung lagen zerstreut herum, einige sogar zerrissen hinter der Theke, warf ich einen Blick nach draußen. Was ich dort sah, schockte mich, der gesamte Hof war übersät mit Zelten, dazwischen zwängten sich Vampire, die mich stark an Malech und unsere erste Begegnung erinnerte.

Ganz automatisch trat ich hinaus, auf einen Blick erkannte ich, allesamt waren es Krieger. Wieso pferchte man sie in den Hof?

„Oh man, ich glaub es nicht!“, kam einer dieser Vampire die Stufen hoch, auf mich zu, „Bist du es wirklich oder nur eine Ausgeburt meiner Fantasie?“

„Michelé?“, erkannte ich den sonst gepflegten Freund kaum.

„Ja! Ich wage es gar nicht dich zu umarmen“, sah er an sich herunter.

„Aber wieso …“, weiter kam ich nicht, da ein Weiterer auf mich zuschoss, der keine Bedenken wie Michelé besaß. Nur an der Stimme erkannte ich den Stürmischen, Matt. „Was bin ich froh, dich gesund und munter zu sehen, von Rosmerta bekam man ja keine Auskunft, von Vlad gar nicht zu reden. Nur ihre betrübten Gesichter sprachen Bände. Was hattest du denn?“, hielt er mich an den Schultern fest und schaute mich fragend an.

„Durch die Entbehrungen sah ich aus wie Rosmerta“, erzählte ich ihnen.

Verständnislos starrte er mich an, „Aber jetzt, siehst du wieder normal aus, das verstehe ich nicht.“

„Ich auch nicht, aber ich durfte nichts tun, außer schlafen und Nahrung zu mir nehmen“, zuckte ich die Schultern, „Was ist hier los? Warum wohnt ihr nicht im Hotel oder im Dorf?“

„Die Offiziellen! Sie überprüfen jeden Einzelnen, die gesamte Lebensgeschichte und versuchen dann dir etwas anzuhängen. Der reinste Spießrutenlauf sag ich dir. Was du jetzt siehst, ist harmlos, vor ein paar Wochen hausten fünfmal so viele Vampire hier. Wir werden wie Vieh gehalten, dürfen die Festung nicht betreten, es sei denn, man wird zum Verhör geholt.“

„Wo sind denn diejenigen, die bereits überprüft wurden? Warum ziehen sie nicht in das Hotel?“

„Weil man dann die Festung verlassen muss, im Hotel wohnen nur die Offiziellen. Schließlich kann man ihnen nicht zumuten, unter einem Dach mit einem Vampir zu leben. Glaub mir, nicht mehr lange, dann gibt es ein Blutbad, irgendwann ist eine Grenze erreicht“, erklärte er düster.

„Aber der Boss tut doch alles …“

„Hör ja auf! Corvin ist wie ausgewechselt, seit dem Kampf mit Alischa …, Sarah ich denke er ist ausgebrannt, handlungsunfähig. Ja er funktioniert, doch er läuft wie ein Nachtwandler herum, es scheint ihm alles egal zu sein. Er regt sich noch nicht einmal mehr auf, sieh dich doch um! Die Festung verkommt, wir hausen hier und was macht er? Er schaut tatenlos zu, wir warten und warten …“, ich legte ihm einen Finger auf den Mund und wollte ihn in die Halle ziehen, wogegen er sich wehrte, „Kein Zutritt!“, meinte er spöttisch.

„Ich glaube, sie halten Prya gefangen“, raunte ich ihm zu.

Matt sah mich mit großen Augen an, dann schüttelte er den Kopf, „Nein, Marsé hat Prya mit sich genommen, sie leben in der Nähe auf einem Anwesen. Dort sind auch Eric und Peer, sobald ich hier fertig bin, gehe ich auch dorthin. Zwischen Marsé und Corvin gab es einen riesigen Krach, auch sie erkannte ihren Sohn nicht mehr. Die Einzigen, die noch hinter Corvin stehen, sind dein Vater und Henry.“

„Das passt alles nicht zu ihm“, schüttelte ich den Kopf, „vorhin kam er mir gar nicht so vor. Im Gegenteil, er maßregelte den Anführer der Offiziellen“, sagte ich Matt.

„Du verteidigst ihn, wie immer“, meinte er niedergeschlagen, „Du solltest dich nicht von deinen Gefühlen leiten lassen, Sarah“, warf er mir mit einem entschuldigenden Lächeln vor. Was ich sofort abstritt, er glaubte mir nicht, wie auch Michelé der unserer Unterhaltung stumm verfolgte.

Etwas frostig verabschiedeten wir uns. Aufgebracht stand ich in der Halle. Wer ließ sich hier von seinen Gefühlen leiten? Matt! Nur er, was konnte ich dafür, wenn er für mich schwärmte, hatte ich ihn jemals ermuntert? Nein! Er gehörte zu meinen Freunden, besser er kapierte es. Besser für ihn!

Entschlossen marschierte ich in Alias Büro, sie saß telefonierend an ihrem Schreibtisch und winkte mir zu. Bewundernd beobachtete ich wie sie mit den Hörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt auf die Tastatur vor sich einhämmerte und mir trotzdem zulächelte.

„Nun, was verschafft mir die Ehre deines Besuches?“, sah sie mich groß an, nachdem sie das Gespräch beendete. Als Erstes erzählte ich von Rosmerta wahnhafter Idee, der sie positiv zustimmte, „Gar nicht mal so dumm, die Alte“, arbeitete sie den Plan bereits im Kopf aus.

Dann teilte ich ihr Vaters Befehl mit, „Das passt ja! Gut ich weiß auch schon wie und wo ich dich einsetzen werde. Die Offiziellen benutzen mich als ihre persönliche Schreibkraft, Alia das hier muss sofort abgeschickt werden, tippe das ab, kopiere jenes, bringe mir Kaffee“, beschwerte sie sich, „dich werde ich als Puffer einsetzen, du wirst all das notieren, was sie verlangen. In dieser Zeit kannst du ja persönliche Bande knüpfen“, grinste sie zufrieden.

„Das ist nicht dein Ernst?“

„Oh doch! Es ist geradezu perfekt“, lehnte sie sich zurück, die Stirn krausgezogen, dabei musterte sie mich eingehend. „So und nun sag mir, warum du verärgert bist.“

„Matt!“

„Oh!“

„Was oh? Mehr hast du dazu nicht zu sagen? Du weißt es doch auch oder nicht?“

Sie blinzelte, „Was genau meinst du?“

„Na was wohl? Er schwärmt für mich, schimpft über Corvin und dann behauptet er noch, ich verteidige den Boss“, ließ ich Dampf ab.

„Ach das“, winkte meine Freundin ab, „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, er beruhigt sich schon noch. Warte erst mal, bis er auf dem Anwesen ist, Diederich spuckte genauso große Töne. Nun ist er ganz friedlich und genießt die Dreisamkeit mit Frau und Sohn.“

„Isabel! Das Kind ist da! Ein Sohn, wie heißt er denn?“, freute ich mich für den Kämpen, dabei schob ich mein schlechtes Gewissen ganz weit fort, ich hatte es schlichtweg vergessen.

„Halt dich fest!“, säuselte Alia, „Diederich der Zweite, gerufen wird er Dede, dabei ist er ein wirklich süßer Fratz.“

„Sobald ich Zeit habe, werde ich sie besuchen, du musst mir nur sagen, wo das Anwesen liegt.“

„Als Erstes kennst du es, angeblich besitzt du all deine Erinnerungen, es ist das Haus in dem Corvin mich und meinen Mann wohnen ließ. Als Zweites wird nichts daraus, wir dürfen die Festung nicht verlassen.“

„Was ist mit dem Dorf? Zählt das dazu?“

„Soweit ich weiß wurde es nie speziell erwähnt“, meinte sie Augenzwinkernd.

„Dann sollte es auch so bleiben …“

„Was soll so bleiben?“, klatschte mir Hendrik einen auf den Allerwertesten, „Wann wolltest du mich aufsuchen? Erst die Ratsmitglieder, dann Matt, nun Alia! Was ist mit mir? Ich muss hinter dir herlaufen!“, drückte er mich nicht gerade zärtlich.

„Seit wann bist du so brutal?“, rieb ich mir mein Hinterteil.

„Jedem, was er verdient. Gut siehst du aus, bist nur um einige Jahre gealtert, so um die fünfzig, schätze ich mal“, grinste er frech.

„Oh Gott sei Dank, ich dachte, es wäre hundert!“, streckte ich ihm die Zunge heraus.

„Bevor ihr weitermacht, möchte ich eines anmerken, die kommen gleich wieder aus dem Saal. Hendrik ist alles vorbereitet?“

„Alles erledigt!“, salutierte er scherzhaft vor Alia, „Wenn die mit ihren Ansprüchen so weitermachen, wird das Hotel zugrunde gehen.

„Ich befürchte, genau dies ist ihre Absicht. Was sollen wir machen, solange der Besitzer untätig zusieht, müssen wir diesen Herren den Arsch pudern.“ Meinte Alia gereizt, dabei warf sie in einer wütenden Geste ihr langes Haar zurück.

„Was stellen sie denn für Ansprüche?“, allein diese Frage, die ich wagte, zu stellen bescherten mir zwei böse Blicke, dann brach der Unmut aus ihnen heraus.

Von privaten Massagen über besondere Matratzen zu wärmenden Decken sprachen sie. Ferner eine Vierundzwanzigstundenküche, Reinigung ihrer Kleidung, nicht zu vergessen den Friseur, ärztliche Versorgung und andere erdenkliche Forderungen. „Gerade habe ich die Bar aufgefüllt, manchmal glaube ich, die schütten den gesamten Sprit in den Ausguss. So viel können sie gar nicht saufen“, beendete Hendrik den Ausbruch.

„Aber wir können auch unsere kleinen Erfolge verbuchen“, grinste sie hinterhältig, „In ihren Zimmern müssen sie selbst für Ordnung sorgen, da die hohen Herren kein Personal gestatten. Naja man sieht es ja, überall verkommt alles“, setzte sie niedergeschlagen hinzu.

„Du sagst es, das Wasser im Pool ist mittlerweile grün“, fügte mein blonder bedauernd Freund hinzu.

Langsam verstand ich den Unmut, den sie auf Corvin hatten. Aus ihrer Sicht ließ er ihr zu Hause von Fremden regieren und zerstören. Die Vorgehensweise des Bosses blieb mir verschlossen, wie wahrscheinlich all den anderen aus der Familie.

Alia schaute auf die Uhr, „Gleich ist es soweit!“, stand sie auf, „Noch so eine Unsinnigkeit, eine Stunde beraten sie, danach benötigen die armen Menschlein eine Pause. Natürlich ist für heute Feierabend, schließlich muss man sich den Vergnügungen widmen. Was liegt heute an?“, richtete sie die Frage an Hendrik.

„Da sie sich weder in der Halle, noch im Frühstücksraum wohlfühlen, ist für heute Abend eine Filmnacht geplant. Sie weiten sich jetzt im dritten Geschoss aus.“

„Demnach haben sie das Zweite durch!“, nickte Alia, „Bin gespannt was sie in ein paar Tagen machen wollen, wenn es keine sauberen Zimmer mehr gibt.“

„Vielleicht geschieht ein Wunder und sie verlangen Putzzeug“, witzelte Hendrik.

Inzwischen betrat Alia den Gang, auf ihren Wink folgte ich ihr. Wir gingen durch Corvins Büro, hier sah es nicht viel besser aus. Der Schreibtisch quoll über von Papier, überall lag Abfall herum, leere Flaschen, Verpackungen von Snacks sogar Tassen und Teller, die achtlos weggestellt wurden.

„Nett nicht wahr! Diesen Raum haben sie als Erstes verwüstet. Bisher hielten sich dem Turm fern, bin gespannt wie lange noch. Wenn das geschieht, bin ich weg!“, ließ Alia das Büro hinter sich.

Nun verstand ich gar nichts mehr. Wieso ließ Corvin das alles zu?

„Wo wohnen eigentlich die Ratsmitglieder?“

„Im Turm! Wo denn sonst? Da es für die Offiziellen unzumutbar ist, mit einem Vampir Tür an Tür zu leben.“

„In den paar Räumen?“, sah ich die Treppe hinauf. Alia zuckte lediglich die Schultern, „Willkommen auf der Festung“, sagte sie bitter.

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, die Offiziellen stürmten grußlos an uns vorbei. Verwundert verfolgten wir ihren Abgang, „Nanu?“, meinte Alia, „ansonsten stolzieren sie heraus!“, näherte sie sich dem Speisesaal.

Dort herrschte Hochstimmung, meine Freundin stürzte sich in die Traube der Ratsmitglieder, während ich abwartend am Eingang stehen blieb. Da sah ich Ross, der abseits sitzend die laute Gruppe beobachtete.

Ich winkte ihm zu, worauf er aufstand und sich zu mir gesellte, „Was ist los?“, fragte ich ihn direkt.

„Laut Kahlaf ist ein Wunder geschehen, Corvin war heute wie ausgewechselt, er lief zur Hochform auf. Damit haben die Kerle nicht gerechnet, der Boss stellte ihnen ein Ultimatum, innerhalb von drei Tagen sollen sie mit dem was auch immer sie tun fertig werden. Ferner duldet er keine Einmischung in unserer Politik. Die alten Abmachungen gelten nach wie vor, sie dürfen uns aus der Ferne überwachen und eventuelle Überschreitungen ahnden.“

„Auf einmal geht es? Warum dann die endlosen Verhandlungen?“, fragte Hendrik hinter mir, er stellte die Fragen, die mir auf der Zunge lagen.

„Wer weiß“, meinte Ross rätselhaft, „Manchmal geschieht es, das man vor lauter Sorge nicht klar denken kann.“

„Oh!“, meinte Hendrik, dabei grinste er mich an, was auch Ross tat.

„Ihr spinnt ja!“, konnte ich mir denken, worauf sie anspielten, „Es hat nichts mit mir zu tun!“

„Na, ich weiß nicht“, widersprach mein Ahnherr, „es ist naheliegend, du tauchst auf und Schwupps erwacht der alte Corvin.“

„Seit wann benutzt du solche Wörter? Schwupps? Es passt nicht zu dir.“ Musterte ich meinen Ahnherrn kritisch, natürlich versuchte ich von mir abzulenken.

„Das alte Spiel geht wieder los“, schüttelte Hendrik den Kopf, „Manchmal möchte ich die Beiden in einen Sack stecken und darauf einprügeln.“

„Stell dich in der Reihe hinten an, Hendrik“, lachte Ross vergnügt.

Die Beiden an meiner Seite den Rücken kehrend, sowie ihre Kommentare überhörend, lauschte ich der Traube um den Boss herum. Vaters Blick kreuzte den meinen, er löste sich aus der Gruppe und kam auf mich zu. „Komm mit!“, befahl er kurz angebunden an mir vorbeigehend.

Was nun wieder? Wollte er mich wie ein kleines Kind nach Hause schicken, setzte ich mich in Bewegung. „Na da bin ich aber gespannt!“, legte Henry mir seinen Arm um die Schultern. Gemeinsam folgten wir Vater in einen Raum, der neben Corvins Büro lag, mit Ausgang in einen kleinen Garten, der umschlossen von Mauern, nur von diesem Raum erreichbar war.

„Ich will mit meiner Tochter allein reden!“, forderte Vlad streng.

„Ach mein Freund, sie ist in gewisser Weise auch meine Tochter …“, lächelte der Blondschopf treuherzig.

Vater schnaufte, dabei murmelte er etwas vor sich hin, „Geht doch!“, raunte mir Henry augenzwinkernd zu.

Bevor Vater ein Wort äußern konnte, sprach ich auch schon, „Mit geht es gut! Rosmerta schickte mich! Sie und Alia beauftragten mich die Offiziellen auszuspionieren und freundschaftliche Bande zu knüpfen. Ich habe den Job angenommen“, erklärte ich in kurzen knappen Sätzen.

So dagegen konnte Vater sich nicht auflehnen! Er reagierte ganz anders, als ich erwartete. „Ich bin enttäuscht! Wieso lässt du mich über deinen Gesundheitszustand im Unklaren? Konntest oder wolltest du dich nicht bei mir melden? Nein mein Fräulein Tochter taucht einfach in eine brisante Situation auf und meint damit wäre es getan! Verdammt noch mal, Sarah! Ist dir nie der Gedanke gekommen das ich mich um dich Sorge?“

„Aber … aber … ich dachte Rosmerta informiert dich …“, stotterte ich völlig überrumpelt.

„Von deiner rasanten Genesung erzählte sie kein Wort! Ich dachte …“

Henry mischte sich ein, „Wir!“, stellte er sich an Vaters Seite, dieser nickte ergeben, „Ja wir! Dachten du …“, sein Ausdruck bekam einen quälenden Anstrich, die Worte kamen nicht über die Lippen.

Henry dagegen hielt sich nicht zurück, „wir erwarteten eine zweite Rosmerta! Aber nein, du tauchst strahlend schön auf, als ob nichts geschehen wäre. Selbst für mich ein Schock, dein armer Vater erst, er stand kurz vor einem Infarkt.“

Zwei alte Vampire, die mir die Leviten lasen, selbst für mich ein wenig viel, „Rosmerta!“, konnte ich nur erwidern, gerade kam ich mir wirklich wie ein kleines Kind vor, welches bei dem Versuch ein Bonbon zu stehlen erwischt wurde.

„Rosmerta“, äffte Vater mir nach, „Sie ließ dich einfach so gehen? Schickte dich gleich zu uns in den Speisesaal, ja?“

„Ja!“

Henry grinste, „Sähe ihr ähnlich!“, stupste er Vater an, „Typisch für sie“, stimmte er seinem Freund zu, „Na denn“, wurde ich auch schon von Vater umarmt, „Schön dich gesund und munter zu sehen, mein Kind“

„Dabei dieses jugendliche Aussehen“, umrundete Henry uns schleichend.

Zuerst überrumpelnd dann völlig erstarrt über ihre Reaktionen benötigte ich einen Moment um den luftleeren Raum in meinen Oberstübchen zu füllen. „Soll das Heißen ihr bekamt keine Informationen über meinen Zustand?“

Vater ließ mich los, „Doch schon“, dabei hielt er meine Hand fest in der Seinen.

„Unzureichende“, meinte Henry, „vage“, fügte er bedenklich hinzu.

„Du kannst dir unsere Überraschung vorstellen. Über was für einen Job sprachst du eigentlich?“

„Einen Moment!“, ganz erfüllt von Misstrauen, „Warum habt ihr denn vorhin kein Wort gesagt?“

„Der Schock!“, behauptete Henry, Vater nickte zustimmend.

Von wegen! Ich glaubte ihnen kein Wort!

„Nun erzähle ganz genau, was Rosmerta im Kopf herumgeistert“, forderte der Blondschopf mit unschuldiger Miene.

Nochmals erklärte ich ihnen kurz von Rosmertas Plan. Vater schüttelte den Kopf, während ich sprach, in Henrys Miene zeigte sich Vorfreude, „Ideal!“, rief er begeistert, bevor sein Freund antworten konnte.

Wieder bekam mein Erzeuger einen Rippenstoß ab, „Überlege doch mal! Welche Informationen sie aus den Menschen herausholen könnte, unser Boss wäre sicherlich hocherfreut davon zu hören. Pierre könnte ihr behilflich sein!“, starrte Henry seinen Freund gebannt an.

Vaters Miene zeigte keinerlei Regung. Jedenfalls sah ich keine, Henry anscheinend doch, er nickte sich die Hände reibend, „Es wird eine ausgezeichnete Zusammenarbeit!“

Etwas ratlos was ihr Benehmen bedeutete, wurde ich hinausmanövriert, „Hefte dich an ihre Fersen, Sarah!“, schob mich Henry zur Tür, die er gleich darauf hinter sich verschloss.

Sind die jetzt vollkommen durchgedreht, fragte ich mich besorgt. Weiter kam ich nicht mit meinen Überlegungen, da Alia mir andeutete ihr zu folgen. „Laut Kahlaf denken die Offiziellen du seist ein Mensch, bestärke sie in dem Glauben. Der Augenblick ist günstig ihnen einen Spion unter die Nase zu setzen, sie dachten, alles läuft nach ihren Gutdünken. Mit der Frist die Corvin ihnen setzte, begreifen die allmählich, dass sie uns nicht so einfach loswerden, wie sie dachten. Sie werden nach jedem Halm greifen, den sie erwischen können. Halte die Augen auf, jede Kleinigkeit ist wichtig“, redete sie schnell auf den Weg in den Gästetrakt.

Alia stellte mich nochmals vor, der unsympathische Anführer verwies uns an einen seiner Untergebenen, man sah ihm förmlich an, das er mit seinen Gedanken woanders weilte.

Der Untergebene ein Mann namens Maurice blies seine Wangen auf, als wüsste er nicht, was er mit mir anfangen sollte. Bevor er sich versah war Alia hinaus und ich blieb da, nun musste er notgedrungen eine Entscheidung fällen.

„Ja also …“, wirkte er ein wenig verunsichert. Eindeutig, Alias Schönheit brachte den armen Mann total aus der Fassung. „Für heute habe ich nichts mehr, aber morgen früh setzen wir unsere Verhöre fort. Du kannst die Antworten der Verdächtigen aufnehmen und sie dann weitergeben. Für jedes Protokoll benötigen wir die dreifache Ausfertigung, eines für uns, eines für unser Hauptquartier und eines für diese widernatürlichen Vampiren bereitgestellt. Der Ablauf ist recht einfach, du wirst es in den nächsten Tagen schnell kapieren.“

„In den nächsten Tagen? Ich dachte, ihr wurdet …“

Maurice lachte verneinend, „Was dieser Vampir forderte, ist unerheblich, wir werden erst abziehen, bis wir jeden Abnormen erfasst haben. Dann stehen noch gewisse Neuerungen an, die alten Abmachungen sind überholt, wir müssen uns den Zeiten anpassen. Es geht doch nicht das Vampire Besitztümer erlangen, gar Reichtum anhäufen oder erfolgreiche Geschäftsleute sind. Nein nein, morgen wird dieser Sprecher der Vampire einknicken, unser Anführer kann sehr überzeugend sein, du wirst schon sehen.“

Welch einen Irrtum ihr begeht, werdet ihr noch früh genug erfahren, dachte ich, unschuldig nickend. Maurice schien zufrieden mit meiner Antwort zu sein. „Wo wohnst du?“, wollte er wissen.

Das Dorf erwähnte ich mit Bedacht nicht, deshalb ließ ich ihn in dem Glauben, ich lebe im Turm. „Eingepfercht mit den Abnormen? Hast du keine Angst? Sie könnten Jederzeit über dich herfallen.“

„So blutrünstig sind sie nicht, außerdem ist mein Vater ja in meiner Nähe“, winkte ich ab.

„Verstehe! Dein Vater lässt dich nicht aus den Augen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, was?“, lachte er gackernd.

„Was meinst du?“, fragte ich nach, ich wusste wirklich nicht, worauf er hinaus wollte.

„Na hör mal, so unschuldig kannst du gar nicht sein. Wir wissen, wie sie es treiben, immerzu und dabei vergreifen sie sich an alle Frauen, vor nichts und niemanden machen die Halt. Wir haben genug Beweise gefunden, Vergewaltigungen an menschlichen Frauen, sie wurden regelrecht als Gebärmaschinen genutzt. Die armen Kinder … verzeih, sicher bist du auch ein solches, aber die Wahrheit muss gesagt werden. Wieso bist du eigentlich noch menschlich?“

Bevor ich antworten konnte, tat es dieser Verblendete schon, „Verstehe, dein Vater will dich zur Nachzucht. Gottlose Kreaturen sind sie, doch nun besitzt du die Chance davor zu fliehen, lehne dich auf, es gibt auch ein anderes Leben für dich.“

„Mein Vater würde mich niemals für so etwas Schändliches hergeben. Er liebte meine Mutter aufrichtig, mich liebt er, und wie auch immer ich mein Leben gestalten will, er wird mich unterstützen.“ Konnte ich nicht anders, dieser hirnverbrannte Idiot regte mich auf. Glaubte er wirklich, was er da sagte?

Anscheinend ja, denn er klopfte mir mitleidig auf den Arm, „Ich sehe, man muss dich einer Gehirnwäsche unterzogen haben. Liebe! Dieses Wort kennen die Abnormen überhaupt nicht!“

Fragte sich nur, wer einer Gehirnwäsche unterzogen wurde, die Anschauungen dieses Offiziellen waren gelinde gesagt ein reines Lügengebilde. Als ich Alia später davon unterrichtete, zuckte sie lediglich mit den Schultern, „So in der Art habe ich es schon tausendmal gehört, ist nichts Neues.“

„Man sollte sie aufklären!“, erwiderte ich aufgebracht, Alia lachte humorlos auf, „Viel Vergnügen! Sonst noch etwas?“

„Nein nichts, er wollte noch wissen, wo ich lebe. Habe ihm gesagt im Turm, das Dorf habe ich nicht erwähnt.“

Sie stöhnte auf, „Auch das noch! Im Grunde hätte ich daran denken sollen. Na gut, wir werden dich irgendwo unterbringen.“

Was sich als gar nicht so einfach entpuppte, denn auch Rosmerta zog in den Turm. Sie bestand darauf, dass ich ein ruhiges Lager bekäme, da ich in der Nacht mindestens sieben Stunden schlafen sollte.

Niemand widersprach ihr, so fügte ich mich ihren Anordnungen, obwohl ich bezweifelte überhaupt zu schlafen, denn der Turm platzte aus allen Nähten. Alle Zimmer waren überfüllt mit Vampiren, nebst ihren privaten Eigentums. Es gab keinerlei Privatsphäre, die Stimmung war angespannt und da sollte ich schlafen, einfach lachhaft.

 

Kapitel 59

 

Ich irrte mich, Rosmerta musste mir ein Mittel unter die Nahrung gemischt haben, es war bereits hell, als sie mich weckte. „Heraus aus den Federn, du kannst als nächste unter die Dusche springen. Geh hoch und lasse dich ja nicht von Merkur einlullen, der Kahlaf an dir vorbeischmuggeln will. Sag ihm, Rosmerta fragt nach, dann wird er dich in Ruhe lassen.“

Wie meine alte Freundin vorhersagte, versuchte Merkur mich zu überreden den Platz mit Kahlaf zu tauschen. „Er ist nur ein halber Mensch ohne Dusche. Sieh ihn dir an, sieht er nicht bemitleidenswert aus? Kannst du so hartherzig sein, Sarah?“, schaute er mich mit treuherzigen blauen Augen an.

Ich dankte Henry und Hendrik im Stillen, so konnte ich dem Hundeblick Merkurs standhalten, denn zu oft bettelten sie mich mit dem gleichen Blick an. „Rosmerta fragt nach!“, teilte ich ihm unumwunden mit.

„Du musst ihr ja nicht gleich alles erzählen, eine kleine Abmachung unter Freunden. Wen interessiert es schon?“

„Zu einem mich“, schlenderte Corvin auf uns zu, „da Rosmerta mich bat Sarah mit reinzunehmen. Sagte man dir, wie die Vorgänge ablaufen?“

Ich wusste, dass ich ihm begegnen würde, bereitete mich innerlich darauf vor und doch konnte ich ihn nur bewundernd anstarren. Als ich bemerkte, was ich tat, versuchte ich unbeteiligt zu wirken. Aus und vorbei, schmachte ihm nicht hinterher, sagte ich mir immer wieder.

Dadurch entging mir das folgende Gespräch, sie sahen mich fragend an. „Wie bitte? Ich habe nicht zugehört, entschuldigt.“ Musste ich eingestehen.

„Etwas abgelenkt?“, mutmaßte Merkur, sein Grinsen breitete sich über sein gesamtes Gesicht aus.

„Ja“, kam nun auch noch Pierre dazu, „ist mir gestern schon aufgefallen. Stimmt etwas nicht? Ist dir der Trubel zu viel? Ich weiß doch, wie sehr du große Ansammlungen scheust.“

„Nein …“, wurde ich überhört.

„Es sind die Offiziellen, nicht wahr?“, fragte Merkur weiter nach.

„Oder die Sorge wie die Festung aussieht, kann ich verstehen, ich war auch geschockt“, sprach wieder Pierre.

Wieder versuchte ich mein Veto einzulegen, aber die beiden mutmaßten unbeirrt weiter. Der Boss stand mit verschränkten Armen vor der Brust da und hörte aufmerksam zu.

Muse kam mit Vater aus dem Bad, „Die Nächsten“, lachte Muse vergnügt, „Oh Sarah, wie schön das es dir wieder gut geht. Ich bin besorgt, weil du sofort einen Auftrag angenommen hast. Bist du sicher, du schaffst es?“

„Ja …“, versuchte ich zu antworten, vergebens Muse plapperte munter weiter, „aber Rosmerta meinte, du seist in der Lage dazu, nun musst du dich sicherlich sputen. Ich möchte wirklich nicht mit dir tauschen, den ganzen Tag die Offiziellen am Halse! Nein zu nervenaufreibend, ihr könnt jetzt und beeilt euch“, sah sie mich und den Boss auffordernd an.

Vor Schreck erstarrte ich zur Salzsäule. Verstand ich Muse richtig? Ich … wir … sollten zusammen … Duschen? Ein Albtraum schlechthin!

„Nun, was ist?“, schaute mich Muse fragend an und nicht nur sie! Nein auch Merkur und Pierre. Was sollte ich antworten?

Ich sagte keinen Ton, Pierre warf einen kritischen Blick auf Corvin, bevor er seinen Mund öffnete, wusste ich was er sagen würde. Nichts konnte ich dagegen unternehmen, daher musste ich mir die Vermutung anhören, innerlich voller Seelenqual. „Vielleicht mag Sarah nicht mit Corvin zusammen duschen. Die letzten Ereignisse liegen ja noch nicht lange zurück.“

Typisch für Pierre so zu reden, der Boss zog eine unbeteiligte Miene, Muse und Vater schüttelten aufgebracht die Köpfe und Merkur sagte: „Quatsch! Sarah handelte aus Pflichtgefühl und Corvin musste sich seiner Natur beugen. Auf welche Gedanken du nur kommst, Pierre!“, nahm der blonde Vorfahr meiner Freunde, meinen ehemaligen Verlobten ins Visier, „Kann es sein das du lieber an Corvin Stelle wärest? Schwebt dir ein kleiner Nahkampf unter der Dusche vor?“

Vater schnaufte ungehalten, während Pierre sich mit salbungsvollen Worten verteidigte, aber Merkur einmal auf die Spur gebracht hörte nicht auf, „Nun sag schon, gesteh es ruhig, du bist scharf auf das Mädel, nicht wahr.“

Mit jedem Wort, welches Merkur äußerte, wurde Vater aufgebrachter, selbst Muse kniff verärgert die Augen zusammen. „Nein ehrlich!“, behauptete Pierre, „Natürlich habe ich Pläne mit Sarah …“

„Aha!“, triumphierte Merkur auf, „Wusste ich es doch!“, trat er einen drohenden Schritt auf Pierre zu.

„Nein! Du … ihr versteht es falsch, ich will sie heiraten!“, geriet Pierre in Panik, da drei verstimmte Vampire ihn mit ihren Blicken traktierten.

„Heiraten? Du! Meine Tochter? Niemals!“, erklärte mein Vater ruhig, viel zu ruhig. Muse legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm, „Vlad“, beschwor sie ihn sanft.

Er schüttelte sie ab, „Damit die Sachlage klar ist, Sarah wird in nächster Zukunft niemanden heiraten, eine Affäre beginnen oder Sonstiges in dieser Art! Zunächst einmal muss sie zur Ruhe kommen, wir alle müssen es. Die letzten Monaten waren hart, körperlich und emotional. Zuerst sollten wir beginnen, das Erlebte zu verarbeiten. Was danach geschieht, ist allein die Entscheidung meiner Tochter. Aber niemand absolut niemand, wird ihr vorher zu Nahe treten, ansonsten bekommt er es mit mir zu tun.“

Pierre nickte, „Sicher wie unüberlegt von mir“, verbeugte er sich leicht vor Vlad.

Wieder einmal dachte ich typisch für ihn, gab einfach nach, ja keinen Staub aufwirbeln. Du änderst dich nie Pierre, suchst immer den goldenen Mittelweg. Wann zeigst du endlich einmal Rückgrat?

Hinter uns rief jemand, wann es endlich weiterging, Vater und Muse gaben den Weg frei. Was gab es auch noch zu sagen, setzte ich mich in Bewegung. Automatisch schloss ich die Tür hinter mir, die sich jedoch nicht rührte, „So schnell bin ich auch wieder nicht“, schlenderte Corvin mit einem Handtuch bewaffnet hinter mir ins Bad.

Wie gut er aussah! Senkte ich sofort den Blick, „Gemeinsam oder hintereinander?“, wollte der Boss wissen, ich wählte die zweite Option. „Dann geh du als Erste!“, lehnte er sich an das Waschbecken. Wollte er mich etwa beobachten, während ich mich entkleidete?

Ja! Stellte ich kurz darauf fest, ungeniert glitten seine Augen über meinen Körper, „Du hast abgenommen“, stellte er sachlich fest.

„Rosmerta meint, mit ausreichender Nahrung habe ich bald mein altes Gewicht“, wusste ich nichts anderes darauf zu sagen.

Mein Gegenüber zog die Stirn kraus, „Hoffentlich, ein alter Klepper hat mehr auf den Rippen als du!“

Entsetzt sah ich an mir herunter, sah ich wirklich so schlimm aus? Ausgerechnet er musste mich in diesem Zustand sehen!

„Zum Glück warst du schon immer flach wie ein Brett …“, hielt er inne. Was wollte er damit sagen? Etwa das meine Brüste hingen? „Na ja, deine jungenhafte Gestalt kommt deiner abgezehrten Figur im Augenblick zugute, inspizierte er mich nun genauer, „Ja wirklich! Man könnte meinen, du seist ein Jüngling.“

So sah er mich also, stellte ich mich unter die Dusche. Eigentlich wollte ich meine Haare waschen, aber bei diesen Kommentaren sah ich zu, so schnell wie möglich fertig zu werden. Kaum trat ich aus der Dusche, da zwängte Corvin sich auch schon an mir vorbei. „Das nächste Mal solltest du dir das Haar waschen, wird Zeit!“, rümpfte der Herr die Nase.

Stank es etwa, nahm ich eine Strähne und roch daran. „Kannst du mir den Rücken waschen?“

„Mit meinen knöchernen Griffeln?“, fragte ich ohne Überlegung nach.

„Ich verlange ja keine Streicheleinheiten, die kannst du dir für Pierre aufsparen. Wann verkündet ihr eure Verlobung? Du hältst dich doch sicherlich nicht an Vlads Anweisungen.“

Ich weiß nicht was mich ritt, aber er sollte begreifen das andere Männer in mir durchaus etwas Weibliches sahen. „Pierre ist nicht der Einzige, da ist auch noch Matt, außerdem gibt es einige Vampire, welche bereits Interesse bekundeten, mal sehen …“, zuckte ich die Schultern, „dank dir ist mir bewusst geworden, was mir alles entgangen ist“, fügte ich noch hinzu.

Er lachte kurz auf, „So ist das! Ich dachte immer, dein Job geht vor allem anderen und du auf über unsere leidenschaftliche Natur dein Näslein rümpfst.“

„Wie kommst du denn darauf?“, seifte ich besonders fest seinen Rücken ein, deshalb spürte ich, wie er sich anspannte, was mich vorsichtig werden ließ.

Richtig! In einer schnellen Drehung schauten wir uns Aug in Aug an, „Dein Vater will nur dein Bestes, du solltest dich daran halten.“

„Was geht es dich an?“, ließ ich die Seife fallen, was ein dumpfes Geräusch verursachte.

„Die hebst du wieder auf! Und ja, es geht mich etwas an, schließlich muss ich an meine Investitionen denken, du schuldest mir viel Geld. Falls du dich nach Frankreich abseilst, sehe ich mein Geld nie wieder …“

„Ich bezahle meine Schulden!“, unterbrach ich ihn brüsk.

Unbeirrt fuhr er mit seinen Ausführungen fort, „… Matt, ist ein guter ehrlicher Kerl, aber kaum in der Lage deine Schulden zu begleichen. Was für ein Leben, zwei Krieger die einzig für den Kredit der Ehefrau arbeiten. Willst du ihm dies antun? Wer kommt noch infrage, Ciaran? Na ich weiß nicht, einfangen lässt er sich nicht. Natürlich könntest du eine heiße Affäre mit ihm beginnen“, wieder glitt sein Blick abschätzend über mich hinweg, „aber bei deinem jetzigen Aussehen, wird diese, die Nacht kaum überdauern“, erklärte er kalt.

„Danke für deine Einschätzungen, die ich bestimmt keineswegs in Erwägung ziehen werde. Außerdem kannst du die Seife selbst aufheben, schließlich muss ich mich schonen.“ Bedeckte ich meinen unvollkommenen Körper.

Bevor ich das Bad verlassen konnte, hielt der Boss mich auf, „Willst du deine Schulden nebenbei abarbeiten?“, schaute er mich über die Duschwand hinweg an.

„Wie?“, wollte ich seinen Vorschlag eigentlich gar nicht hören.

„Ich sagte ja bereits, dass ich mich für eine Frau interessiere“, hielt er inne, da ich ihn abwartend ansah, fuhr er fort, „nun ja diese Dame ziert sich ein wenig, dann die familiären Verhältnisse, dabei muss ich vorsichtig vorgehen. Ihre Familie besitzt Einfluss, zudem sind sie ungeheuer reich. All das muss ich beachten, bevor ich mich ihr nähern kann. Du weißt ja, wie es ist, Absprachen müssen getroffen werden, der Vater muss einverstanden sein, selbst meine Mutter wird in diesem Punkt ein Wort mitsprechen wollen …“

„Kommst du mal zum Punkt!“, meinte ich ungeduldig, er plante eine Heirat. So hörte es sich für mich an. Aus welchen Gründen? Liebe oder Politik? Oder ging es nur um Geld?

„Es ist allgemein bekannt, das wir einmal ein Paar waren. Für mich wäre es von Nutzen, wenn wir ein freundschaftliches Verhältnis demonstrieren können. Natürlich solltest du meine Vorzüge als Ehemann erwähnen, welch ein guter Vater ich bin und all so was.“

Ich musste lachen, „Glaub mir, deine zukünftigen Schwiegereltern samt Braut kennen all deine Vorzüge sowie Vorlieben, dazu bist du viel zu bekannt.“

„Im Grunde stimme ich dir zu, doch ich kenne den Vater der Braut, er verlässt sich nicht auf Gerüchte, sondern bildet sich sein Urteil selbst.“

„Wenn es so ist, dann sag mir, wer er ist und ich erzähle ihm, was du willst.“

„Du willst mich anbiedern? Nein, nein so läuft es nicht, Sarah. Er trifft in den nächsten Tagen ein, ich möchte ihm einfach zeigen, in welcher Harmonie wir leben.“

„Du verkohlst mich doch!“

„Mir war noch nie etwas so ernst, ich erlasse dir die Hälfte der Schulden, wenn wir friedlich miteinander auskommen.“

„Die Hälfte?“, musste ich nachfragen. Wer war die Frau?

„Abgemacht?“

„Moment mal!“, hob ich die Hand, „Was genau verlangst du von mir?“

„Wie gesagt, wir zeigen unseren Besucher eine Familie, die in all den unterschiedlichen Facetten der Persönlichkeiten in Liebe und Freundschaft miteinander verbunden sind.“

Nun trat ich näher an die Duschwand und schaute ihn genau an, „Hat man dir eins über die Rübe gezogen? Bist du ausgetauscht worden?“

Er lachte, er lachte mich einfach an, „Nichts dergleichen! Ich bin verliebt, Sarah wie ein Jüngling verliebt.“

„Aha! Und was sagen Marsé und Prya dazu?“

„Sie gönnen mir mein Glück von Herzen“, lächelte er mich strahlend an, „davon gehe ich aus“, schränkte er ein.

Demnach sprach er mal wieder mit niemanden über seine Pläne, „Dann ist es abgemacht, die Hälfte der Schulden Sardovan und komme mir später nicht mit Ausreden, ansonsten kannst du was erleben.“

„Ich gebe dir mein Wort!“, versprach er voller Ernst.

Auf sein Wort konnte ich mich verlassen, deshalb nickte ich nur, bevor ich endgültig das Bad verließ. Nachdenklich stieg ich langsam die Stufen hinab, „Welch ein Anblick! Eine Nymphe fast nackt im zugigen Treppenhaus …“

Aus den trüben Gedanken gerissen sah ich auf, Henry stand am Absatz und begutachtete gerade voller Genuss meine Beine. „Glotz nicht so!“, fuhr ich ihn an.

„Au weia, was ist dir denn über die Leber gelaufen?“

„Corvin!“, war mein Mundwerk schneller als mein Verstand.

„Was hat er denn jetzt wieder angestellt?“, hinterfragte Henry lächelnd.

„Er will mir die Hälfte der Schulden erlassen, wenn ich heile Familie spiele, sobald sein zukünftiger Schwiegervater eintrifft.“

„Häh?“, schaute mich der Blonde entgeistert an.

„Du wusstest es nicht!“, glaubte ich in seiner verdatterten Miene zu lesen.

„Erzähl!“, sah er sich um, „Warte“, um mich dann die Stufen hinunter zu zerren und gleichzeitig in sein Handy brüllte: „Alias Büro, sag es allen!“

„Darf ich mich erst mal anziehen?“, stemmte ich mich gegen ihn.

„Nein!“, ging Henry zügig auf das Büro zu.

Alia erwartete uns bereits, „Die anderen sind gleich da. Was ist denn los?“

„Es wird dich umhauen!“, meinte Henry, sich das Haar raufend.

Alia sah von Henry zu mir, sagte aber kein Wort. Kurz darauf kam Vater mit Muse, Merkur und Kahlaf im Schlepptau, Hendrik schloss als Letzter die Tür hinter sich, die dann mit Wucht aufgestoßen wurde, „Ohne mich geht hier gar nichts!“, erklärte Rosmerta, „Also, was ist los? Vermöbeln wir die Offiziellen endlich?“

„Nichts dergleichen!“, antwortete Henry, „Sarah wiederhole jedes Wort, welches ihr gewechselt habt!“, forderte er mich auf.

So wiederholte ich, was Corvin und ich besprachen, samt der Abmachung die Hälfte meiner Schulden zu erlassen. Fassungsloses Schweigen folgte, „Das glaube ich nicht!“, sagte Alia als Erste, „Bist du sicher Sarah? Corvin sprach nicht von dir?“

„Wieso von mir?“, wollte ich verblüfft wissen.

„Ganz einfach, weil wir hofften, zwischen euch renkt sich alles wieder ein“, erklärte Hendrik.

Abwehrend hob ich die Hände, „Niemals! Mit Corvin Sardovan bin ich schon lange fertig!“

„Ist das so?“, schaute mich Muse sanft lächelnd an. Sie glaubte meinen Behauptungen nicht, auch Alia sah mich mit seltsamen Blick an. Die Höhe war Rosmerta, sie gackerte lauthals los, „Lügen war noch nie dein Ding!“

Worauf die Herrn weise mit ihren Köpfen nickten. Angriff ist die beste Verteidigung, so legte ich los. Beschimpfte meine Freunde, als hoffnungslose Romantiker und Trottel, schließlich wusste ich, und nicht sie, wie es in mir aussah.

Als all mein Geschimpfe nichts half, suchte ich mein Glück in der Flucht. „He, willst du etwa bei seinem idiotischen Plan mitmachen?“, rief Hendrik fragend hinter mir her.

„Die Hälfte meiner Schulden!“, antwortete ich prompt, mein Handtuch raffend, das in diesem Augenblick der Initiator der Versammlung um die Ecke kam, ließ mich tief erröten. Auf frischer Tat ertappt, so fühlte ich mich. Warum eigentlich, mit keinem Wort erwähnte er Stillschweigen!

Corvin grinste mich maliziös an, dann schaute er den Flur entlang auf Alias Büro, „Ihr könnt ruhig rauskommen!“, sagte er mich am Arm festhaltend, „Sie haben dich ausgequetscht!“, keine Frage, eine reine Feststellung.

Er wartete, bis einer nach dem anderen das Büro verließ, „Da ihr nun meine Zukunftspläne kennt, bleiben mir ja weitere Erklärungen erspart. Na dann, ab an die Arbeit!“, zog er mich mit sich, fort in sein Büro.

Dort blieb er wie angewurzelt stehen, stirnrunzelnd schaute er sich um, „Was bin ich froh, wenn hier wieder Ordnung herrscht! So nun zu dir, die Offiziellen haben über jeden Einzelnen von uns Akten angelegt“, ach darum ging es, atmete ich erleichtert auf, „bisher konnten wir verhindern, dass diese verschickt werden und so soll es auch bleiben. Finde heraus, wo sie die Akten lagern und sage es mir dann.“

„Meinst du nicht sie haben sie längst per mail oder so verschickt?“

Er lächelte boshaft, „Ohne Internet? Alia hat rund um die Festung alles im Griff. Sie können höchstens per Festnetz miteinander telefonieren und dann auch nur einige Minuten am Tage. Ich nehme an, sie wollen die Akten mitnehmen, zumindest die von den Ratsmitgliedern.“

„Was ist denn so schlimm daran? Sicherlich haben sie euch über Jahrzehnte ausspioniert.“

„Sicher haben sie es, doch dieser Kerl, der das Sagen hat, ist voller Vorurteile. Zudem gingen sie jedes meiner Geschäfte sowie die der Familie nach, was ihnen bisher verborgen blieb. Meinst du, ich sehe tatenlos zu wie sie unsere Existenzgrundlagen nehmen, damit sie sich an unserem Vermögen bereichern?“, trat er voller Zorn vor einem Stapel Abfall, der daherflog.

„Ich glaube kaum, dass dort etwas Wahres steht“, beruhigte er sich sichtlich, „und um Verwicklungen vorzugreifen, verbleiben die Akten auf der Festung. Leider kann ich keine Leibesvisiten vornehmen, ich verlasse mich auf dich.“ Mit dem Fuß stieß er nochmals gegen einen Müllhaufen, „Sobald sie weg sind, wird hier gründlich renoviert“, knurrte er leise vor sich hin.

Da ich mich als entlassen ansah, wollte ich mich endlich anziehen, kaum hatte ich mich dem Ausgang zugewandt, sprach er mich erneut an, „Wo willst du hin?“

„Anziehen, dann zu den Jä … Offiziellen“, verbesserte ich mich schnell.

„Du hast gar nicht mal unrecht, auch sie sollten ihre Reihen überprüfen. Ich wette, unter ihnen gibt es einige Jäger. Na gut, dann gehe, wir sehen uns zum Essen und ziehe dir endlich etwas an.“

Na das wollte ich schon die ganze Zeit, aber ich wurde ja von einem Raum in den anderen verfrachtet, schimpfte ich laut über die Ungerechtigkeiten, die mir widerfuhren.

Kapitel 60

 

„Du kommst spät!“, begrüßte mich Maurice auf einen Stuhl deutend, „Ein Verhör verpasstest du bereits! Hier das muss zu Alia.“ Aha nicht zu der Abnormen, dachte ich.

„Dreifache Ausfertigung!“, betonte er nochmals.

„Soll ich es direkt zu Alia bringen oder später nach den Verhören?“

„Sofort!“, antwortete der Wortführer von gestern, „Wir vertrödeln unsere Zeit nicht mit sinnlosem Abwarten!“

Mit sinnlosen Hin und Herlaufen schon! Hielt ich meinen Mund.

„Die Kopien übergibst du mir persönlich!“, befahl der Typ streng. Wahrscheinlich sollte mich sein Ton einschüchtern, ich tat ihm den Gefallen und huschte eilig davon, um noch schneller wiederzukehren. Was der Kerl mit einem selbstgefälligen Grinsen bemerkte. Er ging zu Zimmer vier, dort holte er umständlich einen Schlüssel heraus und verschwand dort für einige Minuten. Als er herauskam, fragte er mich barsch, was ich noch hier treibe.

Völlig aus der Fassung stammelte ich eine Entschuldigung. Unwissenheit heischend, wohin ich nun solle, erteilte er mir gnädig Auskunft. Demnach deponierte er die Akten in Zimmer vier, dies hätte der Boss auch ohne mich mit Leichtigkeit herausfinden können.

Als ich das Verhörzimmer betrat, kam ich mir wie in einem schlechten Krimi vor. In dem Raum stand ein Tisch auf der einen Seite ein Stuhl, auf dem zu meiner Überraschung Matt saß. Gegenüber von ihm saßen zwei Offizielle, die mit strengen Gesichtern in eine Akte blickten.

Damit nicht genug, eine Lampe strahlte den zu Verhörenden direkt an. Ansonsten lag der Raum im Dunkeln, ich näherte mich dem Tisch, bemerkte, wie Matt einen kurzen Moment schneller einatmete, ansonsten zeigte er keine Reaktion.

Maurice drehte sich zu mir um, „Dort steht ein weiterer Stuhl, ziehe ihn heran dann kannst du das Verhör mitschreiben“, meinte er freundlich, zu Matt gewandt fragte er in strenger Stimme, „Name?“

„Eduardo Markese“, lautete die Antwort.

„Wann wurdest du gewandelt?“

„Keine Ahnung“

„Du musst mitarbeiten, ansonsten kannst du gleich wieder in den Hof.“

„Höre mal, ich arbeite mit, aber ich habe keine Ahnung, wann ich gewandelt wurde. Übrigens wann wurdest du geboren?“

Maurice lehnte sich zurück, mit vor der Brust verschränkten Armen, starrte er Matt an. Was sollte das? Wollte er Matt tatsächlich einschüchtern? Lachhaft!

„Es steht dir weder zu, mich zu befragen noch mich zu duzen!“, sagte er leise voll unterdrückter Wut.

„Dann bitte ich mir aus, genauso respektvoll behandelt zu werden“, erwiderte Matt ungerührt.

„Du bittest dir aus …, du besitzt keinerlei Rechte …, du bist nichts weiter als Ungeziefer, welches beseitigt werden muss“, ich schrieb eifrig jedes Wort mit, was der Erzürnte bemerkte.

„Was machst du da?“, zielte sein Zorn nun auf mich.

Eingeschüchtert meinte ich leise, „Mitschreiben“, Maurices Hand schnellte vor das Papier an sich nehmend, kurz studierte er es, „Persönliche Äußerungen kannst du weglassen“, zerknüllte er das Blatt, „Notiere nur die Fragen und Antworten.“

Ungeziefer und beseitigt, passte demnach nicht zu den Akten, tat ich wie geheißen, schöne Befragung, wartete ich ab. Dabei bemerkte ich, wie Matt mich unter dem Tisch sacht mit dem Fuß anstupste, was ich erwiderte.

„Nun da die Sachverhalte geklärt sind“, setzte sich Maurice auf, „beginnen wir noch mal!“

„Einen Moment!“, erwiderte Matt, „Bevor ich etwas über mich preisgebe, möchte ich wissen, wer mich verhört.“

„Soll ich mich etwa vorstellen? Wir sind die offizielle Behörde für Vampirangelegenheiten, was dir genügen muss.“

Matt schüttelte den Kopf, „Eben darin irrst du dich! Wer bist du? Ich nehme einmal an, der Spross eines Vampirs. Wer Vater oder Mutter?“

Maurice zeigte keinerlei Regung, Matt hingegen lächelte ihn an, „Also die Mutter! Lebt sie noch? Oh sie verließ euch, dich und deinen armen Vater, verstehe.“

„Du sollst mich nicht analysieren! Es spielt keine Rolle, wer ich bin oder wer meine Eltern waren.“

„Doch! Denn du verabscheust uns, dein Hass gegen deine Mutter lässt du an jeden Vampir aus. Frage dich doch einmal, warum deine Mutter dich verließ? Es ist ungewöhnlich, kein Vampir kehrt seinem Kind den Rücken zu“, Matt schaute mich kurz an, „Wurdest von von fremden großgezogen? Erzählten sie dir, wer deine Mutter war, dass sie dich im Stich ließ? Na nun sag schon, wir sind unter uns, die Kleine da schreibt nicht mit.“

Tat ich tatsächlich nicht. Worauf wollte Matt hinaus? Glaubte er tatsächlich, es gab noch mehr Kinder, die so aufwuchsen wie ich? Wer, so fragte ich mich, tat Kindern so etwas absichtlich an?

„Meine Eltern waren Menschen!“ Maurice log, das war klar. Aber warum?

„Na sicher!“, nickte Matt, „und ich bin kein Vampir! Du verkennst die Tatsachen, denn wir erkennen unsereins“, Wirklich? Denn ich spürte nichts derartiges!

„Ihr alle besitzt ein Elternteil unserer Spezies. Ich frage mich nur, woher der Hass kommt. Vampire lieben ihre Brut bis zur Selbstaufgabe. Was ist euch widerfahren? Wurdet ihr gewaltsam getrennt? Verstehe!“, setzte Matt seinen einsamen Dialog fort, er las in Maurice Mimik, wie in einem Buch, was mir seltsam bekannt vorkam.

„Demnach wurdest du von fremden Leuten großgezogen, die dich lehrten die Vampire zu hassen“, nickte er bedachtsam, „Dann vermute ich mal, du kennst deine Mutter überhaupt nicht! Weißt du, du könntest sie bereits verhört haben … aber nein, sie hätte dich sofort erkannt. Wie gesagt wir erkennen unsere Brut.“

„Höre auf damit!“, schrie Maurice ihn an, „Ich weiß, was du versuchst, man hat uns bestens auf solche Manipulationen vorbereitet.“

„Aber nicht doch“, wehrte Matt lächelnd ab, „wenn wir euch manipulieren wollten, hättet ihr nichts davon mitbekommen. Ich stelle hier nur eine These auf, weil ich verstehen will, warum du … ihr alle uns dermaßen verabscheut. Langsam begreife ich“, Matt sah mich kurz an, „wir haben noch lange nicht gesiegt, Alischa oder wer auch immer dahinter steckt, ging viel weiter als wir bisher dachten.“

„Was redest du da?“, fragte Maurice verstört, „Wen wollt ihr besiegen? Diese Alischa war doch diejenige, die unsere Jäger manipulierte …“

Matt lachte spöttisch auf, „Eure Jäger! Mörder unschuldiger Kinder! Diebe, du gehörst zu ihnen! Ich sage kein Wort mehr, denn euch erkenne ich nicht an. Ihr seid nichts weiter als Handlanger jener Mörder, die unsere Siedlungen angriffen.“

Wie viele Fragen Maurice auch stellte, Matt schwieg beharrlich, als der Fragende einsah, wie aussichtslos sein Unterfangen war, entließ er den Vampir. „Soll ich die Befragung Alia bringen?“, fragte ich, nachdem Matt von zwei Offiziellen hinausbegleitet wurde.

„Wie?“, schreckte Maurice aus seinen Gedanken aus, „Ja, ja jedes Wort muss genau analysiert werden. Dahinter steckte eindeutig eine Drohung, was haben die Vampire vor?“, er sah mich mit durchdringendem Blick an, „Hörtest du etwas über Angriffe, irgendwas?“

Ich schüttelte den Kopf, „Hör zu Sarah, diese Vampire sind gefährlich, egal was sie dir auch sagen, sie wollen uns vernichten … uns Menschen“, betonte er, „damit sie die Herrschaft übernehmen können. Aber wir sind auf der Hut, informiere mich, sobald du etwas hörst.“

Ich nickte, die waren ja komplett paranoid! Am liebsten wäre ich sofort aufgesprungen um Alia zu informieren, ließ es jedoch, weil ich hoffte, mehr von Maurice zu erfahren.

Aussichtslos, er schickte mich fort, tief in seine eigenen Brütereien verhaftet. Alia nahm die Neuigkeiten gelassen auf, „Wie wir bereits vermuteten“, meinte sie ruhig.

Ich dagegen nahm die Nachrichten weniger ruhig auf. Der Kampf war mit Alischa nicht beendet! Dieser Satz ging mir unentwegt durch den Kopf, meine Freundin versuchte, mich zu beruhigen.

„Das ist es, was wir seit erdenklichen Zeiten durchmachen. Immer gibt es einen Feind, der unsere Vernichtung anstrebt. Wir müssen wachsam sein, den Feind erkennen und gegen ihn arbeiten, bis hin zu seiner Niederlage. So ist es nun einmal. Momentan sind wir im Vorteil, unser unbekannter Gegner wiegt sich in Sicherheit, er denkt, mit Alischa Ableben ist es vorbei.“

„Wie lange verdächtigt ihr schon die Offiziellen?“

„Sagen wir so, wir misstrauen jeden, die neu benannte Gruppe der Jäger bot sich an. Meinen sie wirklich, nur weil sie ihren Namen ändern, unterscheiden sie sich von ihnen? Die Drahtzieher, die unter Alischa dienten, wurden nicht ausgewechselt. Anscheinend halten sie uns für dumm und degeneriert. Sollen sie! Wir ziehen daraus unseren Vorteil.“

„Aber hat Matt dann nicht unvorsichtig gehandelt?“

„Nein, er fühlte ihnen lediglich auf den Zahn und bekam bestätigt, was wir vermuteten.“

„Dann handelte er im Auftrag! Wieso wurde ich nicht eingeweiht?“

„Ach Sarah, du bist eine miserable Schauspielerin, selbst die Menschen können deine Lüge an deiner Nasenspitze ablesen.“

„Wirklich? Und wieso glauben sie noch immer ich bin ein Mensch?“, fragte ich beleidigt nach.

Alia hob den Zeigefinger, danach drückte sie einige Tasten auf ihren Laptop, „Schau dir das an!“

Sie öffnete ein Video, zu sehen war das Zimmer mit den Computern, der Anführer, Maurice und noch einer der Offiziellen unterhielten sich. „Wieso schicken sie uns solch einen Tölpel? Denken die tatsächlich, wir erkennen keinen Vampir, wenn er vor uns steht?“, das sagte Maurice.

Der Anführer antwortete, „Lassen wir sie in den Glauben! Sicherlich sind sie hinter unseren Akten her, wir nehmen irgendein Zimmer und machen ein Geheimnis daraus und du speicherst wie bisher alles ab. Wer fragt schon, ob ein paar Festplatten fehlen“, lachte er heuchlerisch.

Ich hatte genug gesehen! Benutzt! Genauso fühlte ich mich, von meinen angeblichen Freunden sowie von den Offiziellen. „Wem ist denn die glanzvolle Idee eingefallen?“, wollte ich wissen.

Alia war auf der Hut, sie zog leicht ihren Kopf ein, „Weiß nicht genau“, meinte sie ausweichend.

„Nun spuck es schon aus!“, forderte ich.

„Ist doch egal! Wir wissen jetzt wie sie die Informationen, die sie sammelten herausschmuggeln wollen, ist doch die Hauptsache.“

„Verstehe!“, murrte ich vor mich hin, „Die gutgläubige Sarah kann man ja hintergehen. Wie nett von meinen Freunden, wirklich nett!“

„Sarah so darfst du es nicht sehen! Seit Wochen versuchen wir herauszufinden, wo sie …“

„Schon gut!“, winkte ich ab, „Ich hab´s verstanden! Soll ich weiterhin die Dumme spielen? Ach nein, die lausige Schauspielerin wird ja gleich alles verraten! Dann gehe ich ins Dorf, solltet ihr jemanden für die grobe Arbeit benötigen, wisst ihr, wo ihr mich findet, könnt.“

Wütend verließ ich die Festung, schimpfte über meine Freunde, Vater und die Offiziellen. So, man sah mir an der Nasenspitze an, ob ich log! Eigentlich sollte man annehmen, es sei ein Kompliment. Aber nein! Es wurde als Mangel angesehen. Jawohl ein Mangel!

Noch immer voller Wut, betrat ich mein Haus, falls es überhaupt meines war, konnte ja sein das ich auch in dieser Beziehung belogen wurde. Ein Geräusch aus der oberen Etage ließ mich aufhorchen. Wer machte sich dort zu schaffen?

Leise schlich ich mich die Treppe hoch, nicht leise genug, denn jemand fragte, wer da sei. Ein mühevolles Schlurfen mit unterdrücktem Ächzen näherte sich. Die blinde Alte, der ich meine Schulden verdankte, kam an der Wand orientierend auf mich zu. Ich machte mich bemerkbar, „Oh unsere Retterin!“, sagte sie erleichtert, dabei lächelte sie über meinen Kopf hinweg.

Sie vermutete mich weiter oben, „Wo ist denn deine Tochter?“, wollte ich wissen, dabei versuchte ich mich, an ihren Namen zu erinnern.

„Gerlinde und Frieda sind in der Festung, sie bereiten das Essen vor. Möchtest du mir Gesellschaft leisten, die Tage sind recht einsam“, ging sie zurück. Wie ich schnell feststellte zu dem Raum, den ich vor unserer Abreise nach Granada bewohnte.

Hier lagen drei Matratzen auf dem Boden, es gab eine Truhe, mehr nicht. „Wohnt ihr hier?“, unterdrückte ich mein Entsetzen über die kahle Einrichtung.

„Ja, ist es nicht wundervoll? Ein eigenes Reich nur für uns allein, ich kann es immer noch nicht fassen.“

„Du nennst es wundervoll? Aber es ist …“

Sie legte mir ihre alte knöcherne Hand auf den Arm, „Niemals haben wir mehr besessen, mein Kind. Wir leben in Frieden, haben keine Angst, was will man mehr als Sklave?“

„Ihr seid keine Sklaven!“, erwiderte ich prompt, „Ihr könnt dort leben, wo ihr wollt …“

„Willst du uns loswerden?“, fragte die Alte entsetzt nach.

„Nein, nein! So habe ich es nicht gemeint! Natürlich könnt ihr hier wohnen, aber warum nehmt ihr nicht das große Zimmer? Dort könnt ihr Betten aufstellen, es euch gemütlich einrichten.“

„Die Dienerschaft kann doch nicht ein größeres Zimmer beanspruchen, es gehört sich nicht“, widersprach sie mir.

„Ihr seid keine Diener, noch Sklaven!“

„Sarah?“, wurde unten die Tür aufgerissen und sofort wieder krachend zugeworfen.

„Ja?“, fragte ich mich, wer da so ungestüm in mein Haus kam.

„Du verdammtes Frauenzimmer, wer hat dir erlaubt, deinen Posten zu verlassen?“

Oh die Stimme erkannte ich, die Alte drückte mir ängstlich den Arm, „Er ist sehr wütend, verstecke dich lieber“, riet sie mir.

„Von wegen!“, schüttelte ich ihre Hand ab, keine Sekunde später stürmte Corvin hinauf, er schaute die Alte verblüfft an, „Oh Mathilda“, dann sprach er in der unbekannten Sprache mit ihr.

Ah ja! Der Herr ich weis alles kannte ihren Namen! Dieser Streber höhnte ich im Stillen.

Ein Lächeln ging über ihre eingefallenen Wangen, als der Herr mich ansah, runzelte er böse die Stirn, als ob mir das Angst einjagen würde, reckte ich mein Kinn vor. Was er mit zusammengepressten Lippen registrierte, „Komm mit runter!“, befahl er kurz angebunden.

„Du kannst ruhig vor Mathilda sprechen“, erwiderte ich, mit ihm wollte ich keinesfalls allein sein, eine Stimme in mir warnte mich davor.

Er schnappte mich am Arm, „Noch befehle ich, Krieger!“, zog er mich hinter sich her, die Stufen hinunter. Sollte dies eine schlechte Angewohnheit werden? An diesem Tage wurde ich nun mehrmals eine Treppe hinuntergezerrt.

Unten angekommen wählte er den Weg zur Küche, er kannte sich ja bestens aus. „So!“, schubste er mich hinein und verstellte mit seinem Körper den Ausgang, „Was fällt dir, ein einfach abzuhauen? Du hattest einen Auftrag!“

„Der ist doch erfüllt! Die Akten sind auf Festplatten, die blöde Marionette hat somit die Aufgabe erledigt.“

„Ah ja, Alia erwähnte bereits, wie angesäuert du warst. Nichts für ungut, du bist nicht in der Lage jemanden zu täuschen, es liegt einfach nicht in deinem Naturell.“

„Was für eine Schande auch!“, erklärte ich.

„Sarkasmus steht dir übrigens auch nicht! Und nun sehe zu, dass du zurück zu den Offiziellen kommst, die fragen schon nach dir.“

„Was soll ich da? Die wissen, wer ich bin, nenne mir einen vernünftigen Grund.“

„Deine Schulden! Ansonsten muss ich annehmen du legst keinen Wert auf die Begleichung.“

„Willst du mich erpressen?“

„Hässlich ausgedrückt, doch im Grunde richtig“, grinste er unverhohlen, „um ehrlich zu sein, sie werden Verdacht schöpfen, wenn du auf einmal verschwindest.“

„Ach und du traust mir zu, sie an der Nase herumzuführen?“, fragte ich spitz nach.

„Nein!“, sagte er mir frech ins Gesicht, „Wir spielen miteinander, jeder meint alles zu wissen, wer am Ende wirklich alles weiß, wird sich herausstellen. Momentan sind wir gezwungen mitzumachen.“

„Warum wirfst du sie nicht einfach hinaus? Schließlich gehört dir die Festung!“

„Falls ich den starken Mann markiere, kann der Schuss für unsere Spezies nach hinten losgehen. Wir wissen nicht, wer momentan die Offiziellen anführt, eine Folgeerscheinung von Alischas Treiben, sie trauen sich selbst nicht über den Weg, jeder verdächtigt jeden und insbesondere uns.“

„Was ist, mit der Frist?“

„Sie werden übermorgen die Festung verlassen, was nicht heißt das sie sich aus der Umgebung zurückziehen. Der Gastwirt aus der nächsten Ortschaft hat bereits zugesagt sie aufzunehmen, obwohl er nur ein Gästezimmer im Notfall vermietet.“

„Wie immer bestens informiert!“

„Gehört zu meinem Job, außerdem ist jener Gastwirt ein Freund.“

„Ja sicher! Und ich soll nun wieder zurück, wozu?“

„Beobachtete sie, mehr verlange ich nicht.“

„Alia hat doch ihre kleinen Spione versteckt, wozu benötigt ihr mich?“, wehrte ich mich innerlich nochmals zu den Offiziellen zu gehen. Ich dachte wirklich sie zu täuschen und sie stellten sich als gerissener heraus, genau dies nagte an mir. Von Freund und Feind wurde ich benutzt, ohne es zu bemerken.

„Glaube mir, ich verstehe dein Zögern …“

„Ach wirklich?“, soviel ich von Corvin Sardovan wusste, würde er sich niemals von jemandem benutzen, noch täuschen lassen. Nein er war derjenige, der die Fäden in Händen hielt!

„Ja!“, behauptete der Herr der Festung und ich wusste im Grunde, dass ich zu den Offiziellen gehen würde, noch zögerte ich. Warum fragte ich mich, die Erklärung stand mir gegenüber, Corvin! Ich genoss seine ungeteilte Aufmerksamkeit, wie erbärmlich du doch bist Sarah Sardovan, sagte ich mir.

„Dann sollte ich mal los.“ Schmachtete ich ihn an? Schaute ich ihn bewundernd an? Setzte ich Signale, für die ich mich später schämen musste? Ließ ich die letzten Minuten Revue passieren.

Der Boss bemerkte meine plötzliche Unruhe, „Auf einmal so eilig? Was ist los?“

„Nichts!“, kehrte ich den unnahbaren Krieger heraus.

Er nickte bedächtig und machte mir den Weg frei, sofort stürzte ich hinaus, fort aus seiner Nähe. Du musst dich von ihm fernhalten Sarah, ansonsten bettelst du ihn eines Tages an, dich zurückzunehmen.

Ha das fehlte mir auch noch! Eingebildet, wie er ist, wird er dir einen abschätzenden Blick zuwerfen und dich hinauswerfen, nebenher wird er mein Klappergestell erwähnen. Natürlich wird er sofort darauf dringen, dass ich meine Schulden begleiche.

Sobald es geht nehme ich einen Job an, der mich so weit weg wie möglich von der Festung bringt. Überhaupt war es eine blöde Idee hierherzukommen. Was dachtest du dir nur dabei?

Seitdem ich die Festung betrat, wurde mir das Zepter aus der Hand genommen, ich wurde ein Spielball ohne Aussicht auf eigene Entscheidungen. Ja! So ist es, du bist nur ein kleiner Hampelmann, der nach der Pfeife der Alten tanzen muss.

Selbst jetzt noch, für die Offiziellen die mich mit Leichtigkeit durchschauten. Sicher sollte ich wieder an ein Verhör teilnehmen, durfte dann wieder zu Alia laufen und dann das Gleiche von vorn.

Meine düstere Vorhersage gestaltete sich genauso, die Offiziellen nahmen meine Anwesenheit als gegeben hin. Sie hielten mich in dem Raum fest, danach schickten mich fort, dass sie nicht sagten, ich solle mir bei Alia Zeit lassen fehlte noch.

Gegen Abend wurde ich entlassen, zum letzten Mal betrat ich an diesem Tag in Alias Büro, „Sie bereiten sich jetzt für das Essen vor“, sagte ich kurz angebunden, noch war ich sauer auf Alia, sie wusste wie ich es verabscheute angelogen zu werden.

„Das solltest du auch“, erwiderte Alia konzentriert auf den Bildschirm vor sich starrend.

„Was ist los?“, siegte meine Neugier, Alia in diesem Zustand bedeutete immer etwas.

Bevor ich um den Schreibtisch herum war, beendete sie was auch immer. „Verstehe!“, meinte ich verschnupft.

Alia lachte mich an, „Nein verstehst du nicht, du Dummerchen! Es ist eine Überraschung und ich habe nicht vor sie dir zu verraten. Wo bliebe denn dann die Pointe?“

„Ich mag keine Überraschungen!“

„Ich weiß, ich weiß aber du wirst es wohl oder übel über dich ergehen lassen müssen. Morgen werden wir die anmaßenden Kerle noch mal ertragen müssen, und übermorgen wird uns die Festung wieder ganz uns gehören.“ Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme im Nacken, „Ja dann werde ich Peer wiedersehen. Meinst du er freut sich auch?“, der unsichere Blick in ihren Augen ließ mich meine schlechte Laune vergessen.

„Auf jeden Fall! Er liebt dich, davon bin ich überzeugt.“

„Ach ich wünschte, wir könnten eine Weile verreisen. Einfach einige Tage nur für uns“, träumte sie vor sich hin.

„Was hält dich auf?“

Alia seufzte, „Corvin! Er will die Festung in Ordnung bringen, dafür benötigt er meine Hilfe, denn im Turm stehen auch einige Arbeiten an. Dann erwartet er diesen wichtigen Gast.“ Ich nickte, der zukünftige Schwiegervater.

„Seltsam! Nur dir kündete er den Gast an“, dann grinste sie zufrieden, „Wer weiß, vielleicht ist er doch nicht so dumm, wie wir dachten“.

„Was soll dieser Ausspruch wieder bedeuten?“

„Liegt doch auf der Hand, du Dummerchen. Corvin hält um deine Hand an!“

Mir blieb im ersten Moment die Luft weg, dann lachte ich meine fantasierende Freundin aus. „Du liegst völlig falsch und ich weiß es, weil ich den Grund kenne weshalb der Unbekannte die Festung besucht und warum der Herr des Hauses die Festung renovieren will und du auch“, tippte ich den Zeigefinger gegen ihre Brust.

„Ach ja?“, zweifelte die Schöne, „Wir werden sehen, wer am Ende recht behält“, sie sah auf die Uhr, „Aber jetzt sollten wir uns umziehen, wie immer verlangt unser Herr entsprechende Kleidung.“

Gemeinsam gingen wir hinauf, die meisten der Vampire waren bereits umgezogen, Rosmerta wartete ungeduldig, sofort schimpfte sie mit mir, „Du solltest den Kerlen den Kopf verdrehen! Aber nein dazu bist du nicht imstande!“, sah ich mich vor ihren Stock vor, der gefährlich in ihrer Hand zuckte.

„Keine Sorge“, meinte Alia zynisch, „noch wagt sie es nicht dich ihren Stock spüren zu lassen, anscheinend schont sie dich noch.“

„Dich aber nicht!“, gackerte Rosmerta und ließ eben dieses Stück Holz auf Alia niederfahren.

Fluchend schimpfte meine Freundin, sich in Sicherheit bringend, „Heute kannst du einen alten Fetzen anziehen!“, drohte Alia, was sich jedoch als leere Drohung herausstellte.

Muse, Rosmerta und auch ich wurden aus Alias enormen Fundus entsprechend ausgestattet. Wie gewohnt betrat der Boss als Erstes den Saal, gefolgt von seinen Freunden und Ratsmitgliedern, dann die Menschen.

Rosmerta blieb neben mir, was mich erst verwunderte, als wir dann den Speisesaal betraten, versuchte Rosmerta mich zu den Offiziellen zu setzen. Aus diesem Grunde wartete sie also ab!

Henry verhinderte zu meinem Glück ihren kleines Vorhaben, „Komm setzte dich zu mir und Pierre“, winkte er mir zu, „wie ich hörte, wurde der Arme heute Morgen von Merkur ganz schön dranglasiert. Da verdient er doch ein hübsches Trostpflaster.“

„Von wegen hübsch! Flachbrüstig und ausgemergelt meinst du wohl!“, entschlüpften mir die Worte unbedacht.

Henry sah mich verständnislos an, „Wie bitte?“, fragte er nach.

„Ach nichts!“, konnte ich nicht umhin einen Blick auf Corvin zu werfen. Worauf mein blonder Freund meinte, „Verstehe, da hat unser Boss mal wieder seinen berühmten Charme spielen lassen“, kicherte er, seinen grollenden Freund ignorierend, mir den Stuhl zurechtrückend.

Nachdem ich saß, beugte sich Henry vor, er musterte mich eingehend, „Also ich finde und da spreche ich natürlich von meiner Meinung!“, hob er den Zeigefinger, „Du siehst sehr gut aus. Was meinst du Pierre?“

Dieser zuckte erst zusammen, dann warf er Vater, der auf der gegenüberliegenden Seite saß, einen unsicheren Blick zu. Mein lieber Erzeuger wirkte völlig gelöst, ich nahm an, deshalb wagte Pierre eine Antwort, „Sarah sah als Mensch schon hübsch aus, als Vampir sticht sie hervor. Allein ihre Augen, ihr schlanker Körper …“

Henry unterbrach ihn rüde, „Ja, ja das sind ja alles nette Fakten, doch was ich meine, man schwärmt doch insgeheim, feuchte Träume sind da doch vorprogrammiert.“

„Henry!“, stieß ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite.

„Na was denn?“, rieb er sich die Rippen, „Ist doch die Wahrheit! Oder Pierre?“

Wieder einen Blick zu Vlad, dann antwortete Pierre, „Zwar drastisch ausgedrückt, doch im Grunde richtig, ich verzehre mich geradezu nach …“, ein vernehmbares Räuspern ließ Pierre verstummen.

„Vlad willst du diese Art der Unterhaltung nicht unterbinden?“, fragte der räuspernde Boss.

„Nee!“, meinte Vater amüsiert, „ich finde die Unterhaltung recht interessant. Was meint ihr?“, fragte er in die Runde.

Die Vampire stimmten meinen Vater mit Begeisterung zu, nach meiner Meinung mit viel zu viel Enthusiasmus, was meinen Argwohn anregte. Oh sie irrten sich gewaltig, ja man konnte mich mit Lug und Trug hintergehen, aber ihr derzeitiges Verhalten erkannte ich dennoch. Welche Intrige gingen sie gerade nach?

Deshalb spielte ich mit und forderte Pierre auf offen seine Meinung über mein Äußeres abzugeben. Dieser hielt sich nach der Aufforderung nicht länger zurück. Er schwärmte regelrecht, jedes einzelne Detail sprach er an, was mir die Röte in die Wangen trieb.

Mehrmals wollte ich ihn unterbrechen, Henry hielt mich mehrmals davon ab und nicht nur dies, er hinterfragte sogar, „Wirklich? Am Hals ist unsere Sarah empfindlich? Sehr interessant und dann so leicht zugänglich, eine immerwährende Versuchung. Wo denn genau?“

„Hier!“, deutete Pierre auf die Stelle, „genau dort wo der Puls …“

„Mir reicht es für den heutigen Abend“, erhob sich unser Familienoberhaupt abrupt, „wenn ich irgendwelche derartige Hilfe benötige, schaue ich mir einen Porno an!“, knurrte er gefährlich und verschwand in Sekundenschnelle aus dem Saal.

Sie lachten, als er fluchtartig den Raum verließ, besonders Vater und Henry kringelten sich. „Das wird ihm den Abend vermiesen!“, klopfte Kahlaf auf den Tisch, auf das das Geschirr darüber hüpfte. Die Offiziellen erschraken über diesen amüsierten Gewaltausbruch, auch sie suchten ihr Heil in der Flucht.

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte Pierre betroffen.

„Nein gewiss nicht“, wischte sich Henry die Augen, „es war absolut perfekt! Erzähle doch mal, wo ist Sarah noch empfindlich?“

„Ich denke, ich habe bereits genug gesagt!“, meinte Pierre, wofür ich ihm dankbar war, auch mir ging dieses Fragespiel zu weit.

„Dann werden wir es eben herausfinden müssen“, sagte Merkur mich anstierend, als ob er mich geradewegs auf den Tisch legen wollte um mich zu studieren.

„Gemach, gemach mein kleiner heißblütiger Freund, so verführt man doch keine Frau“, ermahnte ihn Kahlaf.

„Ja das interessiert mich auch, wie verführt ihr eine Frau? Da hat doch jeder sein eigenes Vorgehen“, wollte Henry wissen.

„Ich höre immer nur die männliche Seite, aber was ist mit uns?“, warf Muse ein, „Wisst ihr eigentlich, wie schwer es ist, euch Deppen dazu zu bewegen endlich den ersten Schritt zu tun? Es ist die reinste Schwerarbeit!“

Darauf folgte einen Moment der Stille, Vater gewann als Erstes seine Stimme wieder, „Wenn ich dich recht verstehe mein Schatz“, betonte er die letzten Worte, „dann agiert ihr Damen als Erstes und wir unterbelichteten Herrn reagieren nur?“

„Dies ist ja die Kunst! Man muss euch Männern immer in den Glauben lassen, es wäre eure fabelhafte Idee“, prostete sie ihm zu.

„Wirklich? Demnach bin ich nur auf deine dezenten Anzeichen eingegangen?“

„So einfach ist es auch nicht, natürlich war es bei uns etwas anderes. Wir sprachen doch von einmaligen Affären, oder nicht?“, fragte Muse ehrlich betroffen.

„Guter Versuch Muse, doch ein wenig fehlgeschlagen“, grinste Rosmerta.

Vater heute sehr versöhnlich, stimmte seiner Geliebten zu. Dies katapultierte ihn in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, denn nun wollten sie von ihm wissen, wie er trotz seines jugendlichen Aussehens eine Frau verführen konnte.

Vlad nahm es gelassen, er lehnte sich feixend zurück, die Arme vor der Brust verschränkt, „Ihr seid gegen mich die reinsten Anfänger“, ließ er den Widerspruch stoisch über sich ergehen, „Jawohl Anfänger!“, wiederholte er überzeugend, „denn ich Jüngling, muss meinen gesamten Intellekt aufbieten, die meisten Frauen scheuen davor zurück, sich mit einem jugendlichen Liebhaber einzulassen …“

Diederich lachte dröhnend, „Kann auch von Vorteil sein, ein ungestümer Anfänger, der seine ersten Lektionen lernen will.“

Vater schüttelte den Kopf, „Anfangs recht amüsant, aber was wenn die Dame deines Begehren bemerkt wie erfahren du bist, solch eine Situation tötet jede Stimmung“, meinte er mit tragischer Miene.

So hatte ich meinen Vater noch nie erlebt, völlig gelöst scherzte er mit seinen Freunden, sprach dem Wein zu und warf zynische zuweilen sogar sarkastische Sprüche in den Raum.

Henry neben mir bemerkte mein Erstaunen, „Dies ist der Vlad, den wir kennen, bei der Erziehung seiner Kinder versteht er keinen Spaß. Dein Bruder schaute genauso überrascht drein“, meinte er, mir auf die Schulter klopfend.

Trotz des Spaßes, den wir hatten, beendeten Vater und Henry die Runde, „Noch ist es zu früh, um zu feiern, lasst uns die nächsten zwei Tage überstehen“, erinnerte uns Henry.

Zwar murrend hoben wir die gemütliche Runde auf, ich überlegte, ob ich ins Dorf schleichen konnte, ich wollte allein sein und bei dem Gedränge im Turm ein unmögliches Unterfangen.

Pierre hielt mich auf, „Ich habe noch keine Lust nach oben zu gehen und wollte eine Weile hinaus. Kommst du mit?“

„In den überfüllten Hof?“

Er schüttelte den Kopf, „Ich dachte eher an das Dorf, einfach eine Runde spazieren gehen.“ Aus Erfahrung wusste ich, dass auch Pierre manchmal die Einsamkeit suchte, also stimmte ich zu.

Die nächsten Stunden erinnerten mich an unsere gemeinsame Anfangszeit, damals bemühte er sich mir zu gefallen. Viel zu leicht ging ich auf seinen leichten Tonfall ein, flirtete mit ihm und ließ mir die Komplimente gefallen, die mir besonders nach Corvins harten Worten gut taten.

Was folgte, konnte ich, sofern nicht Pierre allein vorwerfen, er küsste mich. Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, was ich hier tat, welche Hoffnungen ich in Pierre weckte.

Als er meine Zurückhaltung bemerkte, nickte er bedächtig, „Verstehe, du kannst mir meine Heirat mit Lydia nicht verzeihen. Ich weiß, welche Schuld ich mir aufgeladen habe, nicht nur bei dir, sondern auch bei Michelé und kann nur hoffen, dass ihr mir eines Tages vergebt. Trotzdem sollst du wissen, das ich …“

„Warte!“, unterbrach ich ihn, er schüttelte den Kopf, legte mir einen Finger auf die Lippen, „Bevor du etwas sagst, will ich ganz offen mit dir reden Sarah. Du hast dich verändert“, ein humorloses Lachen brach aus seiner Kehle, „wir alle haben uns bei diesem Krieg verändert. Aber du Sarah hast eine ungewöhnliche Wandlung vollzogen. Wie soll ich es ausdrücken, du bist weicher, nachgiebiger geworden, kein harter Krieger mehr der nur darauf aus ist, der Beste zu werden. Woran es liegt, daran hege ich keinen Zweifel, es ist Corvin zu verdanken, er weckte in dir die Frau, wo ich schmählich versagte, wie ich zu meinen Leidwesen eingestehen muss.“

Wieder wollte ich etwas erwidern, „Nicht!“, bat er mich, „Mir ist vieles in den letzten Wochen durch den Kopf gegangen, meine Mutter, ihre geschickte Einflussnahme auf mich. Dann Lydia, der verlängerte Arm meiner Mutter. Michelé, der mich warnte und auf dem ich nicht hörte. Du Sarah! Als niemand zu dir durfte, bin ich halb wahnsinnig geworden vor Sorge. Gerüchte kursierten; Rosmerta, wenn man sie sah, sprach sie kein Wort über deinen Zustand. Alia, die dich nicht mehr besuchte, da wurde mir klar, wie viel du mir bedeutest. Alles, was ich möchte, ist, dein Glück“, wieder lachte er auf, „Wie kitschig es sich anhört, aber es ist die Wahrheit. Ich liebe dich, Sarah! Die Einsicht kommt zwar ein wenig spät, dennoch hoffe ich“, drückte er mich kurz an sich.

„Nun will ich dich nicht weiter bedrängen, du musst jetzt nichts sagen. Ich erwarte keine Antwort, lass uns einfach die herrliche Nacht bewundern, ja?“

Ich nickte, zu keinem Wort fähig. Warum, fragte ich mich, warum breitete er jetzt seine Gefühle vor mir aus? Jahre wartete ich, war mir immer bewusst, dass er mich zwar mochte, doch von Liebe keine Spur.

Nein sei ehrlich, hätte er jemals in diesem Ton mit mir gesprochen, wäre ich fortgelaufen und die Beziehung beendet. Es stimmte, was er sagte, in den letzten Monaten veränderte ich mich. Lag es an Corvin, wie Pierre vermutete, ich wusste es nicht.

Eines jedoch konnte ich ihm mit Gewissheit sagen: „Pierre, du solltest mit Michelé reden, so schnell wie möglich.“

Er seufzte, „Ich weiß, oft genug habe ich es versucht. Er will sich, deiner Familie anschließen“, blickte er in den dunklen Wald.

„Rede mit ihm, so wie du gerade mit mir sprachst. Vergesse doch mal deinen …, wie soll ich sagen? Hochmut? Arroganz? Diese konservative Einstellung, die du ständig an den Tag legst.“

„Was mache ich?“, fragte er lachend.

„Du verstehst mich genau! Dieses ehrbare Gehabe, ich bin Ratsmitglied! Dann dein unentwegtes Einlenken sag doch einfach, was du denkst, egal was dir danach an den Kopf geworfen wird. Ich weiß, dass du dem standhalten kannst, zeige Rückgrat und schwenke dein Fähnlein nicht nach der Brise.“

„Wie immer gehst du streng mit mir ins Gericht, Sarah. Habe ich mich wirklich so verhalten?“

„Und noch schlimmer!“, grinste ich ihn an.

„Wenn das so ist, fange ich gleich bei dir an“, ergriff er mich an den Schultern. „Sarah Sardovan, ich liebe dich und will dich heiraten. Vergesse Corvin Sardovan oder all die anderen, die um dich herumscharwenzeln, denn ich bin derjenige, der dich glücklich machen kann. Werde die Frau an meiner Seite, helfe mir die Familie zu führen, trete mir in den Hintern, wenn ich es mal wieder verdiene. Vor allen Dingen aber, lass uns ein glückliches Leben führen.“

Der Ausbruch kam für mich überraschend, auf diese Weise wollte ich ihn auf keinen Fall ermuntern. Meine Antwort stand bereits fest, ich konnte seine Liebe nicht erwidern, es wäre falsch mich darauf einzulassen, so gern ich ihn auch hatte.

Er sah es in meiner Miene, „Okay, dann später, ich werde nicht aufgeben, denn mich wirst du so schnell nicht los“, umarmte er mich lachend.

Ich sagte kein Wort, was auch? So gut kannte ich Pierre, kein Argument würde er gelten lassen. Wir gingen schweigend weiter, ein Umstand, der schwer auf meine Seele lastete, was sollte ich sagen.

Schließlich meinte Pierre, er wolle nochmals versuchen mit Michelé zu reden, worin ich ihn sofort bestärkte, nur froh diesen Spaziergang beenden zu können. Pierre machte sich sofort auf, während ich in mein Haus ging.

Was ich dort eigentlich wollte blieb mir schleierhaft, so setzte ich mich einfach in die Küche und kochte nur um meine Hände zu beschäftigten, einen Kaffee. In Gedanken bei Pierre verweilend lassend. Ich hoffte inständig, die Freunde versöhnten sich und Michelé überlegte sich seinen Wechsel zur Familie.

Erst als der Morgen graute, machte ich mich auf zur Festung, seit Langem wachte ich eine Nacht, was ich zum meinen Verwundern mit Erschöpfung bemerkte. Sicherlich schimpfte Rosmerta gleich mit mir.

Zu meinen Glück, lief ich ihr überhaupt nicht über den Weg und blieb fast den gesamten Tag bei den Offiziellen, die so taten, als reisten sie am nächsten Tag nicht ab.

Als ich dies Alia erzählte, lachte sie, „Sie werden abreisen! Morgen früh Punkt neun Uhr, steigen sie in die bestellten Taxis und wenn ich sie persönlich dort hineinbefördern muss!“

Wie der Vortag verging dieser ohne irgendwelche Ereignisse, am Abend wurde ich wie erwartet fortgeschickt. Lustlos machte ich mich auf in Alias Büro, für heute hatte ich genug von den Kerlen, vielleicht konnte ich mich vor dem gemeinsamen Abendessen drücken.

Meine Freundin nahm mir den geringsten Hoffnungsschimmer, „Wir werden alle erscheinen!“, sagte sie bestimmt, „aber du kannst deine Montur tragen. Heute Abend zeigen wir denen, wer wir sind, die werden kaum einen Bissen herunterbekommen, sag ich dir.“

„Na toll auch!“, rief ich aus, „wenn ich nur wüsste, wo meine Montur ist …“

„Aber dafür hast du mich doch. Deine alten Sachen habe ich entsorgt“, mein entgeistertes Gesicht ließ sie einen Augenblick verstummen, „Sarah“, meinte sie beruhigend, „Die konntest du nicht mehr tragen, total zerschlissen!“, behauptete Misses Neunmalklug.

„Egal wie sie auch aussah, ich hänge an meine Sachen.“

„Ich weiß ja, aber willst du mit abgewetzten und geflickten Beinkleidern herumlaufen?“, stand sie auf, nachdem wir in den Flur traten, schloss sie ihre Bürotür ab, was mich wunderte.

„Die schnüffeln überall herum!“, lautete ihr Kommentar. Wen sie meinte musste Alia nicht extra erwähnen.

An der Montur, die sie mir besorgte, konnte ich nicht das Geringste aussetzen. Der Stoff, der Schnitt, die Funktionalität alles wurde auf die Bedürfnisse eines Kriegers abgestimmt. Sogar neue Stiefel holte meine Freundin aus den überbevölkerten Räumen.

„Manchmal frage ich mich, ob du zaubern kannst“, schaute ich Alia an, die zufrieden grinste.

„Ein schöner Gedanke, manchmal wäre solch ein kleiner Trick echt hilfreich. Aber das Lob gebührt leider nicht mir allein, der Boss wollte es so. Die auf der Festung verbliebenden Freunde haben alle eine neue Garderobe erhalten.“

Wovon ich mich kurze Zeit später überzeugen konnte, Rosmerta lief mit einem scharlachroten Kleid herum, Muse trug ein feines Gewebe, welches sich bei dem leisesten Luftzug aufbauschte.

Vater trug einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Fliege, zudem ließ er sich einen Oberlippenbart wachsen. Ich schluckte mir einen Kommentar hinunter, da er sich anscheinend damit wohlfühlte.

Muse hingegen, kräuselte unentwegt angewidert die Lippen, „Rasier dir das Ding da weg!“, raunte sie ihm unentwegt zu.

Worauf mein Vater lächelnd erwiderte: „Sieht doch gut aus.“ Ob das Thema des gestrigen Abends zu diesem Entschluss führte blieb sein Geheimnis, er reagierte auf keine Frage.

Eine Angelegenheit unter Verliebten, da wollte ich mich nicht einmischen. „Kluger Kopf“, wurde ich von hinten umarmt, allein das Rasierwasser sagte mir, wer da stand, Henry.

„Irgendwann muss man seinen Vater ja loslassen“, grinste ich, mich an ihn lehnend.

Er drückte mich fester an sich, was ich mir gefallen ließ, „Wirklich du kannst weich und fraulich sein, mein Enkel hat völlig recht. Willst du uns begleiten, in unserem Harem, wärest du gut aufgehoben.“

„Merkur!“, rief ich erschrocken, mich von ihm lösend. Bei Henry konnte ich mich anschmiegen, er deutete keine Hintergedanken hinein, was bei seinem Großvater keineswegs hieß. „Wieso trägst du Henrys Rasierwasser?“, konnte ich nur fragen.

„Wie? Gefällt dir der Duft nicht?“, überging er meine Frage. Mit gutem Grund dachte ich, denn Henry teilte mit niemandem, seinen Duft, den er speziell für sich anfertigen ließ. Merkur lachte leichtsinnig, sein Grinsen sollte ihm bald vergehen, denn ich sah Henry mit Sturm umwölbter Stirn, der nach dem Dreisten suchte.

„Da bin ich gespannt, wie du dich herausredest“, winkte ich Henry zu.

„Verräterin!“, schalt mich der freche Dieb und suchte das Weite.

„Er hat es tatsächlich gewagt“, meinte mein Freund, seine Miene zeigte einen bedauerlichen Ausdruck, „Die Flasche ist leer!“, setzte er betrübt hinzu, „aber das wird er mir bezahlen und wenn ich eines seiner kostbaren Gewänder als Putzlappen benutze.“

„Ach du putzt?“, wollte ein gut gelaunter Boss wissen, „Gut zu wissen, mein Freund, gut zu wissen“, klopfte er Henry auf den Rücken.

„So war es nicht gemeint Corvin“, wollte der Blonde seinen Kommentar erklären. Erfolglos, denn der Herr der Festung suchte bereits die nächste Gruppe auf.

In diesem Moment betraten die Offiziellen die Halle, wenn man den Flur mit Treppe so nennen durfte. Für mich war es die kleine Halle, denn der Empfangsbereich mit den Sitzmöglichkeiten und den Zugängen zum Turm sowie zu den Hotelzimmern war doppelt so groß wie dieser Treffpunkt vor der Abendmahlzeit.

Selbstbewusst gingen die Menschen auf den Speisesaal zu. Wollten sie tatsächlich vor dem Oberhaupt der Familie eintreten? Nein sie stoppten kurz vor der Flügeltür.

„Sie sind auf Ärger auf!“, meinte Henry leise an meiner Seite, „Ein weiterer Abend, an dem wir Gelassenheit zeigen müssen. Kommst du damit zurecht?“, fragte er mich.

„Kein Problem“, winkte ich ab.

„Wirklich? Denn soviel ich gehört habe, erkundigten sie sich über dich. Wir haben solche verbalen Angriffe bereits hinter uns. Nicht das sie es wieder und wieder versuchen, doch ich glaube, heute Abend bist du ihr bevorzugtes Ziel.“

„Wie gesagt kein Problem.“ Warum fragte er nach? Schätzte er mich etwa als wildes Tier ein, welches gleich die Fassung verlor? Während ich ihn ansah, grinste er unverschämt. Genau das tat er! Natürlich musste ich ihm gleich meine Meinung sagen.

„Siehst du!“, unterbrach er mich, „Du kannst noch nicht einmal meine Andeutungen locker übergehen“, hob er den Zeigefinger, als ich etwas erwidern wollte. „Spar dir deinen Atem, den wirst du noch gebrauchen“, beendete er kurzerhand unser Gespräch, indem er sich abwandte.

Dafür kam ein anderes Gesicht in mein Blickfeld, der Boss persönlich, aller Augen richteten sich auf ihn. Er lächelte in die Runde, sofort wurde jedes Gespräch beendet, als sei es verabredet worden.

Und darauf würde ich ein Monatsgehalt verwetten, denn jeder anwesende Vampir widmete sich ausschließlich dem Herrn der Festung, der weiterhin blöde grinsend dastand. Erst als die Offiziellen ihre Aufmerksamkeit auf ihn lenkten, begann er zu sprechen.

„Meine Lieben Freunde und Gäste!“ Ach eine Ansprache und das vor dem abendlichen Mahl!

„Heute Abend bewirten wir unsere neuen Freunde das letzte Mal …“, schaute er zu den Menschen, die keine begeisterten Mienen zeigten, dafür huschte über so manches Vampirgesicht ein schadenfrohes Feixen.

„… denn Morgen verabschieden wir unsere hochverehrten Besucher“, na sicher, die bekamen einen Tritt in den Allerwertesten.

„Ich bin euch eine Erklärung schuldig, die die überraschende Abreise unserer Gäste erklärt. In einigen Tagen werde ich hoffentlich meine Verlobung bekannt geben. Ich weiß, ich weiß, ihr wollt natürlich wissen, wer die Glückliche ist, momentan wünscht die Braut, ungenannt zu bleiben. Beherzigt die Bitte meiner künftigen Frau.“

Das Gemurmel, welches während seiner Ankündigung anschwoll, wurde durch seine nächsten Worte gestoppt. „Natürlich möchte ich meine Braut mit allem Pomp begrüßen, deshalb wird der Turm sowie das Hotel renoviert. Im gleichen Zug werde ich einige bauliche Änderungen im Turm vornehmen lassen. Deshalb werde ich jede erdenkliche Hilfe benötigen. Wer also bereit ist die Ärmel hochzukrempeln, kann gern auf der Festung verbleiben. Wer dies nicht möchte, den bitte ich, mit den Offiziellen am morgigen Tag abzureisen. Danke!“, nickte er allen Anwesenden knapp zu. „Übrigens, unser lieber Henry hier, sucht noch weitere Helfer, die ihm beim Putzen helfen!“, worauf ein empörter Henry laut protestierte.

Inzwischen ging Corvin ganz Herr des Hauses auf die Doppeltür des Speisesaals zu. Henry folgte ihm mit grüblerischer Miene, Vater folgte ihm schweigend mit Muse an seiner Seite.

Das Trio betrat wie gewohnt als Erstes den Saal, indessen formierten sich die Verweilenden. Neben mir tauchte Pierre auf, „Na das war eine Ankündigung! Bist du sehr geschockt?“, fragte er mich mitfühlend.

„Ich? Wieso?“

„Na hör mal! Jeder auf der Burg dachte, du und er …“

„Blödsinn! Außerdem informierte der Boss mich bereits über seine Pläne.“

„Ach? Wie vorausschauend!“, nickte mein einstiger Verlobter bedeutsam.

Was mich aufregte, „Und natürlich auch den Rest der engeren Familie!“, sagte ich schroff, „Was ist mit dir? Reist du Morgen ab?“

„Nein! Ich sagte es dir schon, mich wirst du so bald nicht los. Außerdem bin ich viel zu neugierig, muss ich gestehen. Ich gehe jede Wette ein, nicht ein Vampir wird sich die Ankunft der neuen Frau in Corvins Leben entgehen lassen.“

„Wer weiß, der Vater der Braut wird als Erstes eintreffen. So ganz sicher scheint die Heirat noch nicht zu sein.“

Pierre lachte, „Nein du Dummerchen, die Heirat steht unter Dach und Fach, es werden lediglich einige Formalitäten besprochen werden. So ist es üblich.“

„Verstehe ich nicht“.

„Ach Sarah, darüber wundere ich mich nicht. Wir sind Vampire, irgendwann lebt man sich auseinander, da müssen die Eigentumsrechte vorher genau geklärt sein. Des Weiteren, viele kleine Nebensächlichkeiten, wo wird der Hausstand gebildet, welchen Lebensstandard kann er jeweilige Partner erwarten und noch so vieles mehr.“

„Wie blöd ist das denn? Wenn ein Paar beschließt, zu heiraten sollte all das keine Rolle spielen.“

„So denkst du, aber da bist du die Ausnahme. In den meisten Fällen sind geschäftliche Abmachungen die Regel, dabei kommt es vor, dass eine Ehe überhaupt nicht geschlossen wird.“

„Hattest du auch so was mit Lydia?“

„Gewiss! Sie kam aus einem wohlhabenden Hause, so musste ich sicherstellen, dass sie unter dem gewohnten Luxus leben konnte. Ihre Mutter bestand auf eine Mitgift, was ich persönlich ablehnte. Die Verhandlungen führte meine Mutter, was schlussendlich verabredet wurde, kann ich nicht sagen.“

„Jedenfalls hinterließ sie dir ein wunderschönes Anwesen in Griechenland“, meinte jemand hinter uns. Pierre wandte sich um, der Sprecher blieb unerkannt. In mir erweckte diese Stimme eine unangenehme Erinnerung. Woher konnte ich nicht sagen.

Die vor uns Stehenden rückten vor, worauf ich mich erinnerte, wo mein Platz war; am Ende der Reihe. So verabschiedete ich mich von Pierre. Als ich den Weg nach hinten ging, sah ich mir jedes Gesicht an, genau an. Keines entsprach der unbehaglichen Erinnerung, vielleicht irrte ich mich ja auch.

Bevor ich den Saal erreichte, schob Ross bereits den Wagen mit den Speisen heran, „Soll ich dir helfen?“, fragte ich ihn.

Er sah mich mit seinen grünen Augen an, die den meinen so ähnlich waren, „Von wegen! Lasse dich schön verwöhnen“, zwinkerte er mir zu.

„Warum nahmst du diese Arbeit, wieder auf?“

Nun lächelte mein Ahnherr, „Warum nicht, frage ich dich. Du meinst, es sei eine erniedrigende Aufgabe, nicht wahr?“, er zuckte mit den Schultern, „Mir macht es Spaß, vor allen Dingen, weil die Meisten inzwischen wissen, wer ich bin. Vielleicht gerade deshalb, ich habe schon immer gern provoziert. Du musst mal sehen wie gern und schnell sie mir zur Hand gehen. Außerdem geht es der kleinen Stummen nicht besonders gut.“

Da sie bei mir wohnten, fühlte ich mich für das Mädchen verantwortlich, „Soll ich einen Arzt rufen?“, fragte ich beunruhigt nach.

„Nein“, wiegelte Ross ab, „Ich glaube, es liegt eher an den Kerlen, die ihr beständig zusetzen, sich gegen die Vampire zu wenden. Sie kann sich einfach nicht wehren.“

Nochmals warf ich einen Blick auf den Servierwagen, doch Ross erriet meine Gedanken, „Kein Problem ich schaffe es schon trotz meines hohen Alters. Halte neben dir einen Platz frei, dann können wir zusammen essen.“

„Falls noch ein Platz übrig ist“, zweifelte ich und nicht ohne Grund, an den Tischen gab es genau zwei freie Sitzgelegenheiten. Einmal mittig der Tafel, gegenüber den Offiziellen, die Zweite am Kopf der Tafel, neben Pierre, der mir mit blinzelnden Augen zuwinkte.

Ross hinter mir schob mir die Karre in die Knie, „Nun geh schon! Der Junge ist ja ganz wild auf deine Gesellschaft.“

Zum Glück herrschte eine gewisse Unruhe, so bekamen die Leute seinen vorwitzigen Kommentar nicht mit. Also setzte ich mich neben Pierre, der gleich aufsprang und mir den Stuhl zurechtrückte.

Verlegen bedankte ich mich artig. Er wusste es, wusste, wie sehr ich diese Art der Aufmerksamkeit verabscheute. Manche Frau, genoss diesen kleinen Kavalierdienst, ich dagegen nicht, besonders da ich meine neue Kampfmontur trug, fand es total überflüssig.

„Tut mir Leid, ich konnte nicht anders“, raunte Pierre mir leise zu.

„Bei Gelegenheit werde ich mich rächen“, erwiderte ich kalt lächelnd.

„Worauf ich mich freue!“, drückte er kurz meine Hand, die ich sofort wegzog und unter dem Tisch versteckte. Nur keine weiteren Hoffnungen wecken, ermahnte ich mich.

„Konntest du mit Michelé reden?“, fragte ich ihn, worauf ich eine ausweichende Antwort erhielt. Keine Versöhnung schloss ich daraus.

Derweil teilte Ross mithilfe einiger Vampire die Mahlzeit aus. Zu meiner Überraschung gab es eine übel riechende Pampe, in giftgrüner Farbe, dazu wurde graues Brot gereicht.

Ich mochte sowieso nicht unbedingt menschliches Essen, aber das hier schob ich mit gerümpfter Nase von mir fort. „Magst du die Kohlsuppe nicht?“, fragte mich Vater über den Tisch hinweg, worauf ich den Kopf schüttelte, „dann gib her“, streckte er den Arm aus, was ich nur zu gern tat.

Gerade die älteren Vampire aßen mit offensichtlichem Genuss, die Offiziellen schlürften das Zeug mit miesepetrigen Mienen. Selbst Pierre, den ich als Feinschmecker kannte, löffelte eifrig mit viel Brot.

„Schnell runter damit, das ist das Geheimnis“, klärte er mich auf, als er meinen überraschten Blick bemerkte.

„Wenn du meinst!“, meinte ich angewidert, was meinen Sitznachbarn auf der anderen Seite ein Lachen entlockte. Nun sah ich ihn mir genauer an und sofort beschlich mich dieses seltsame Gefühl. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich nach meiner Waffe tastete, die natürlich wohlbehalten im Haus lag.

„Wie ich sehe, sind die Gerüchte wahr, du erinnerst dich an mich“, sah er auf meine suchende Hand, „Keine Sorge kleine Sarah, ich werde dir nichts tun, nun gehörst du ja zur Familie“, warf er einen skeptischen Blick auf das Trio.

„Du bist im Vorteil, deinen Namen kenne ich nicht“, bemerkte ich nebenher.

„Vadim! Mein Name ist Vadim …“

„Alias Bruder!“, rief ich lauter, als ich wollte.

„Derselbe“, nickte er, ein Blick auf Alia, der mir besagte, dass es ihr nicht passte, dass wir nebeneinandersaßen. „So gut scheint dein Gedächtnis nicht zu sein“, bemerkte er.

„Es ist gut genug, um zu wissen, was für ein Ekel du bist.“

„Wie herrlich, eine Frau die sagt, was sie denkt“, lehnte er sich zurück, „Wir werden viel Spaß miteinander haben.“

„Was ich bezweifle, denn solche Typen wie dich sehe ich lieber von hinten. Was du Alia antatest, werde ich dir nie verzeihen und ein gut gemeinter Rat von mir. Halte dich von ihr fern, ansonsten wirst du erleben, wie viel Spaß ich mit dir haben werde“, ich spürte, wie meine Reißzähne gegen meine Lippen drückten, was mich keinesfalls wunderte, dieser Vampir war gefährlich, jede Pore meines Körpers sagte es mir.

„Du nimmst den Mund ganz schön voll. Wir werden sehen, wer am Ende lacht“, dies fasste ich als Drohung auf.

„Darf ich den Teller abräumen?“, fragte Ross höflich, wenn nicht sogar ehrerbietig.

„Nimm ihn doch! Kannst du dich noch nicht einmal ein wenig vorbeugen?“, sagte Vadim ruppig, dabei versperrte er Ross mit Absicht den Weg zum Teller.

„Natürlich“, entschuldigte sich unser Ahnherr mit niedergeschlagenen Augen, was mich richtig wütend machte. Aber Ross warf mir einen warnenden Blick zu, so hielt ich meinen Mund. „Hoppla“, bekam er eine Kopfnuss, „Welch ein Missgeschick, Entschuldigung der Herr“, meinte er spöttisch.

Die meisten, die den Vorfall mitbekamen, lachten hinter vorgehaltener Hand, was Vadim auch bemerkte, brüskiert hielt er Ross am Arm fest, „He Alterchen, so einfach kommst du mir nicht davon, das wirst du bereuen.“

Ross sah auf die Hand, die ihn festhielt, dann glitt sein Blick ganz langsam auf Vadims Gesicht, „Du bekamst nur, was du verdientest, in netter Form möchte ich betonen.“

Vadim, seiner sehr sicher, grinste meinen Ahnherrn an, „Was habe ich dir getan? Wenn du nicht in der Lage bist, vernünftig zu servieren, dann miste den Stall aus oder reinige die Toiletten.“

„Solche Arbeit überlasse ich dann doch Subjekte deiner Kategorie, ihr watet doch gern durch Scheiße.“

„Das reicht, so etwas muss ich mir nicht gefallen lassen!“, schnellte Vadim hoch, „Alter du hast dir eine Menge Ärger eingefahren, wir sehen uns in einer Stunde unten.“

„Tut mir leid, aber ich habe dem Boss versprochen keinen Kampf auszutragen“, erwiderte Ross ruhig.

Vadims Kopf schnellte zum Boss, der ruhig die Auseinandersetzung verfolgte, „In diesem Falle, erteile ich dir die Erlaubnis, Ross. Bringe ihn nicht um … bitte!“

„Was kein Verlust wäre, ich halte mich daran, obwohl ich glaube, es ist ein Fehler. Der Herr drohte meiner Enkelin“, worauf Vadim sehr blass wurde, als er dies hörte, „zudem verfolgt er eine gute Freundin mit seiner Geschmacklosigkeit, außerdem spionierte er in deinem Büro.“

„Alles sehr interessant, aber trotzdem bitte ich dich, ihn am Leben zu lassen. Gerade diese Freundin könnte es uns niemals verzeihen, falls er durch die Hand eines Sardovans zu Tode käme.“

„Es ist verboten, Duelle bis zum Tode zu führen! Wir werden Morgen nicht abreisen, dies ist gegen die Abmachungen“, spielte sich der Offizielle auf.

„Wenn das so ist, kann ich auf einen Kampf verzichten“, sagte Vadim, niemand hörte ihm zu.

„Wie gesagt, es wird ein Kampf der Ehre sein, aber nicht mehr heute Abend! Morgen sobald unsere Gäste fort sind, denn ihr werdet morgen die Festung verlassen und wenn ich euch mit eigener Hand hinauswerfe.“ Erklärte der Boss mühsam um Höflichkeit ringend, „Langsam strapaziert auch jeder meine Geduld! Bin ich etwa zu nachsichtig geworden?“, die Frage stand wie eine Drohung im Raum.

Selbst der Anführer der Menschen kapierte dies, den Mund schließend setzte er sich. Corvin Sardovan grummelte eine Weile vor sich hin, die Anspannung lag schwer im Saal. Schließlich schaute der Boss auf, „Das war´s für heute“, wedelte er nachlässig mit der Hand, wir waren entlassen.

Erst außerhalb des Speisesaales fand Mensch wie Vampir ihre Sprache zurück. Hendrik stand auf einmal neben mir und hielt mich zurück. Unauffällig zog er mich in eine Ecke, als ich mich beschwerte, da ich zu Ross wollte, zischte er mir zu, leise zu sein.

Die Ratsmitglieder sowie das Trio blieben zurück, ebenso Alia und Rosmerta, sobald die kleine Halle sich leerte, strömten wir wieder zum Boss. Er werkelte im hinteren Teil des Saales, Glas klirrte aneinander, „Kann mir mal jemand helfen?“

Sofort gingen Vlad und Henry, „Was soll das alles?“, wollte ich von Hendrik wissen.

„Das fragst du mich? Du warst überhaupt nicht überrascht, als er seine baldige Heirat ankündigte. Was weißt du?“

„Nur was er bereits sagte“, antwortete ich, inzwischen kam das Trio bewaffnet mit Flaschen und Gläsern zurück.

„Na sicher!“, glaubte er mir nicht, „Erst informiert er dich vor allen anderen und nun spielst du die Unwissende. Wer ist sie? Mir kannst du es ruhig sagen“, schmeichelte er.

„Keine Ahnung und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. Soll er doch heiraten, wen er will!“, antwortete ich lauter als gewollt.

Bevor die Gläser gefüllt wurden, fragte Kahlaf als Erster, was dieser Abend bedeutete. Der Boss wenig überrascht, zeigte sich maulfaul, er wiederholte im Grunde nur seine Ankündigung vor dem Mahl.

Die Spekulationen gingen munter weiter, ein jeder versuchte eine Reaktion bei dem Boss hervorzulocken, vergebens. Sobald wie möglich zog ich mich zurück in mein Haus. Ich wollte allein sein, wollte für mich prüfen, was seine bevorstehende Heirat für mich bedeutete.

Konnte ich weiterhin auf der Festung leben? Mit ansehen, wie diese fremde Frau glücklich an seiner Seite lebte. Nein! Da war ich mir ganz sicher. Was auch immer ich für Corvin Sardovan empfand, ob Liebe, Zuneigung, Wut und manchmal sogar Hass, dies wollte ich mir unter keinen Umständen antun.

Bis tief in der Nacht saß ich allein am Küchentisch, eine kalte Tasse Kaffee in den Händen. Nein sagte ich mir nochmals, „Nie und nimmer tust du dir das an!“

„Was? Wenn ich fragen darf?“

Kapitel 61

 

Der Ursprung meiner Grübeleien stand urplötzlich in meiner Küche. „Was willst du hier?“

„Verstecken!“, lautete seine Antwort, „Bitte, verrate mich nicht, ich wusste nicht mehr wohin.“

„Vor …“, ein verlangendes Klopfen an meiner Tür, ließ mich innehalten, „Sarah!“, wurde laut von draußen gerufen, dabei wurde das Klopfen zu einem wüsten Schlagen.

„Wollt ihr mir die Tür eintreten?“, rief ich, schon auf den Weg dorthin.

Merkur und Vater mit erhobenen Fäusten bereit, erneut auf das Holz einzuschlagen, „Was wollt ihr?“, fragte ich nicht gerade sanftmütig.

„Ist er hier?“, lugten sie in den Flur hinein.

„Wer?“

„Corvin! Wer denn sonst!“, meinte Merkur, dabei versuchte er tatsächlich, mich zur Seite zu schieben.

„Noch einen Schritt, mein Freund und ich werde dich entmannen. Du darfst höflich nachfragen, ob ich dich einlasse!“

Er besann sich und kehrte gleich den Schmeichelnden heraus, „Verzeih, er ist uns entwischt, dabei hat er uns noch immer keine zufriedenstellenden Antworten geliefert.“

Ich lächelte, „Und ihr glaubt, ich verstecke ihn? Gerade ihn?“

„Nö, eigentlich nicht“, meinte Vater, „Wir wollten nur sichergehen, von wegen alter Liebe und so“, unter meinen Blick wurde mein lieber Vater verlegen.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr das Haus durchsuchen, aber weckt die Frauen nicht auf“, warnte ich sie.

Weder Merkur noch Vater traten vor, wie ich mir bereits dachte. „Schon gut, wir glauben dir ja, haben sowieso nicht geglaubt, dass er bei dir Unterschlupf sucht. Wäre ja ein bisschen seltsam, was. Besonders wenn man bedenkt, dass ihr keine fünf Minuten ohne Streit auskommt. Euer Gebrüll würde das gesamte Dorf aufwecken“, kicherte Merkur in sich hinein.

„Du redest heute wirklich viel!“, warf ich ihnen die Tür vor den Nasen zu und kehrte in die Küche zurück. Dort saß der hochwohlgeborene Clanführer der Sardovans auf dem nackten Küchenboden.

„Sind sie weg?“, fragte er leise nach.

„Wie es aussieht, durchsuchen sie das Dorf. Demnach haben sie es noch nicht aufgegeben, dir Fragen zu stellen.“

„Nein, sie versuchten mich abzufüllen, diese kleinen Gauner. Ich spielte eine Weile mit und flüchtete in einem günstigen Augenblick.“

Derweil schaute ich aus dem Fenster, es sah aus, als wäre die gesamte Vampirschaft auf den Beinen. „Du wirst da unten hocken bleiben müssen“, setzte ich mich wieder auf meinen Platz.

„Hast du auch einen Kaffee für mich?“

Seufzend stand ich wieder auf, „Das hättest du auch gleich sagen können. Nein zuerst lässt du mich hinsetzen, macht es dir eigentlich Spaß die Leute herumzuschubsen?“

„Was meintest du vorhin?“, überging er meine Beschwerde, „Gerade ihn! Sagtest du! Hatten wir einen Streit, den ich vergessen habe? Oder meintest du unsere gemeinsame Vergangenheit?“

„Ach nichts“, wiegelte ich nachlässig ab.

„Aha! Danach habe ich gar nicht gefragt …“, ließ er den Satz unvollendet, „Worum ging es nun?“, hakte er nach.

„Nichts Wichtiges!“

„Die drei Damen sind oben und schlafen?“, änderte er das Thema.

„Ja sie sind geschafft, ich habe ihnen das große Zimmer zugeteilt und heute haben sie umgeräumt. Soviel ich weiß, bekamen sie drei Betten von jemandem aus dem Dorf. Bisher schliefen sie auf den Fußboden, irgendwie muss ich ihnen helfen, ihre Selbstachtung zu aufzubauen. Sie können doch nicht ewig Bedienstete bleiben, gerade die Kleine sollte etwas Vernünftiges lernen.“

„Sie besitzt einen schlauen Kopf, vielleicht könnte Hendrik sie anlernen.“

„Oh mein Gott, nein! Er sieht doch nur eine weitere Beute …“

„Nicht wenn du ihn fragst“, unterbrach er mich, „er hört auf dich und würde nie etwas tun, was dich betrübt.“

„Kann sein, aber ich denke, Frieda hat Angst vor Männern …“

Wieder unterbrach er mich, „Dann sollte sie dies schnellstens ablegen und wer könnte ihr besser helfen als unser Hendrik.“ Für mich klang es bereits als beschlossene Sache, womit ich keineswegs einverstanden war.

„Außerdem“, fuhr er fort, „benötigt meine zukünftige Frau eine Hilfe, die sich um ihre Kleider und so weiter kümmert. Alia wird sicherlich bald mit Peer ihren eigenen Hausstand gründen wollen. Ich denke, ich werde ihnen das Anwesen zur Verfügung stellen, vielleicht wird es sogar ihr Hochzeitsgeschenk.“

„Wirklich?“, war ich nun neugierig, „Haben sie etwas in der Art verlauten lassen?“

„Bis jetzt noch nicht, aber es liegt auf der Hand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Peer zukünftig im Turm leben möchte. Zudem kann ich die weiteren Zimmer, die Alia in Beschlag nimmt, verplanen. Wer weiß, wann wieder ein Kind durch den Turm streift, ehrlich ich vermisse es. Prya konnte nie genug bekommen, sie erkundete jeden Winkel der Festung. Manchmal konnten wir sie über Stunden nicht finden. Ich weiß immer noch nicht, wo sie sich versteckte“, lächelte er in der Erinnerung.

„Wie war sie so als Kind?“

„Alt! Ja wirklich, schau mich nicht so an, so war sie. Immer musste sie ihren Willen durchsetzen. Angst kannte sie nicht, sie entwischte ihren Lehrern und Kindermädchen, selbst meiner Mutter“, seufzte er, „und sie wird bald diesen Vampir heiraten.“

„Meinst du? Dafür ist sie noch ein bisschen jung.“

„Wir reden hier über Prya! Ich gehe jede Wette ein, sobald die Offiziellen das Hotel verlassen, taucht sie auf und erklärt mir, was als Nächstes geschieht. Sicherlich feilt sie gerade an den Feinheiten ihrer Pläne.“

„Was willst du machen, wenn der Vampir, den sie liebt, dir nicht passt?“

„Nichts!“, zog er seine Brauen zusammen, „wenn ich meine Tochter nicht verlieren will, akzeptiere ich ihre Entscheidungen, wie immer sie auch aussehen werden.“

„Das hätte ich nicht gedacht“, war ich ehrlich erstaunt, „Anfangs wolltest du die Beziehung zu diesem Mann untergraben.“

„Mann oder Vampir, lieber halte ich diesen Windhund in meiner Nähe“, erklärte er grimmig, „Ich frage mich nur, wer er ist, hast du eine Ahnung?“

Ich schüttelte den Kopf, inzwischen war der Kaffee fertig, die Maschine spuckte gerade die letzten Tropfen aus. „Wird es ruhiger da draußen?“, wollte er wissen.

„Nein, es sieht so aus, als ob sie sich häuslich niederlassen, jedenfalls schleppen sie Holz an“, reckte ich meinen Hals, um die Straße weiter unten einsehen zu können, „Ein paar Bänke stehen auch schon dort.“

„Ach ich wünschte, ich könnte mitmachen“, streckte er seine Beine aus, „Früher saßen wir oft in der Nacht am Lagerfeuer, tranken Wein, erzählten uns Geschichten, lachten oder schwiegen. Eine schöne Zeit!“

Ich reichte ihm die Tasse, „Und nun sitzt du hier mit mir fest!“

„Ist auch nicht so übel, wir haben uns schon eine Weile nicht mehr unterhalten. Was ist mit dir? Pierre wieder aktuell? Oder ist es ein anderer, der deine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt?“

Gerade er fragte mich dies! „Wer weiß, ich gehe es langsam an“, wich ich seiner Frage aus.

„Nun komm schon, ich sehe es deiner Nasenspitze an, du weichst mir aus. He, du redest mit mir, wir sind doch Freunde!“

„Sind wir das?“, zog ich nun zweifelnd eine Braue hoch.

„Ich für meinen Teil sehe es so, zudem haben wir eine gemeinsame Tochter, die den Fehler ihres Lebens begeht. Müssen wir nicht zusammenhalten? Eine stabile Familie, um sie herum aufbauen?“

„Willst du deshalb heiraten?“

„Ja und nein, ja weil ich die Heirat aus verschiedenen Gründen beschleunige, nein, weil ich die Frau liebe. Du wirst sie mögen“, was ich stark anzweifelte, „sie ist dir nicht unähnlich, kämpferisch, mutig, ehrlich, aber sie kann auch zart und anschmiegsam sein, ein wahrer Schatz.“ Mir wurde übel! Noch ein Ton über diese Frau und er bekam meinen heißen Kaffee in seine schwärmende Fratze.

„Was sagt denn Prya zu deiner Zukünftigen?“, versuchte ich ihn abzulenken, was mir gelang, denn er verzog bitter den Mund, „Sie weiß es noch nicht.“

Ich blinzelte erschrocken, „Du hast es ihr nicht gesagt? Das wird sie dir nicht verzeihen!“

„Sie stellt mich doch auch vor vollendeten Tatsachen“, schmollte der Herr wie ein Kleinkind.

„Du musst es ihr sagen, Corvin! Jetzt sofort, bevor sie es von jemandem anderen hört.“

„Du vergisst eines, ich sitze hier fest!“ Für mich hörte es sich nach einer Ausrede an, was ich ihm sagte, er lachte, „Du hast die Hosen voll Corvin Sardovan!“, rief ich aus.

„Sei ja leiser, ansonsten stürmen sie das Haus! Und nein ich habe keinen Schiss, es Prya mitzuteilen, sie wird mit meiner Wahl zufrieden sein.“

Obwohl ich das Thema beenden wollte, musste ich nachfragen, „Dann kennen sie sich bereits?“

Er nickte verhalten, „Sie haben sich einige Male unterhalten, natürlich wusste Prya nichts von meinen Absichten, doch sie mochte sie.“

Demnach plante er die Heirat schon einige Zeit, schon vor Granada, als er mir seine Liebe erklärte. Auf einmal wurde mir kalt, eisig kalt. Jähe Wut stieg in mir auf, die ich nur mit Mühe zurückhalten konnte, denn ihm seine Falschheit nun vorzuhalten, beinhaltete auch meine Gefühle für ihn einzugestehen. Nur dies hielt mich zurück, denn die Blamage wollte ich mir ersparen.

„Was ist mit dir? Du siehst gerade aus, als könntest du einen Mord begehen. Habe ich etwas gesagt, was dich gegen mich aufbringt?“

Ha, die Frage toppte doch alles! Nur ruhig Blut Sarah, lasse dir nichts anmerken, „Ich stelle mir gerade vor, wie ich mich fühlen würde, wenn mein Vater so handeln würde.“

„Ach so“, winkte er ab, „Du darfst keine Vergleiche ziehen, Vlad und du, ihr seid von einem ganz anderem Schlag.“

Konnte ich ihn nicht einfach auf die Straße setzen? Es juckte mich in den Fingern, vielleicht sollte ich das Fenster aufreißen und hinausschreien, wer sich hier versteckte. Soweit kam es noch, ich ein Verräter! Nein entschied ich mich.

„Sag mal, können wir nicht rüber ins Wohnzimmer? Langsam wird es unbequem.“

Soll es doch! Noch lange nicht unbequem genug für dich, dachte ich. „Vom Wohnzimmer aus können sie dich sehen, ich habe keine Gardinen oder Rollos davor.“

„Hm, dann gehen wir hoch in dein Schlafzimmer, könnte sowieso mal eine Runde schlafen. Ich weiß gar nicht, wann ich mich das letzte Mal aufs Ohr gehauen hab.“

„Wie bitte?“, glaubte ich mich zu verhören. Aber nein, er kroch bereits auf allen vieren auf die Treppe zu. Schnell überholte ich ihn und stellte mich in den Weg, „Was treibst du da? Glaubst du wirklich ich lasse dich in mein Schlafzimmer?“, stand ich mich geballten Fäusten da.

Er sah erstaunt zu mir hoch, „Irgendwelche Schwierigkeiten damit?“, dann lachte er kopfschüttelnd, „Kann ich kaum glauben, schließlich kennen wir den anderen Körper eingehend und prüde bist du nicht. Was genau ist dein Problem?“

Vor so viel Frechheit bekam ich keinen Ton heraus, dann bekam er große Augen, „Ach so! Da liegt bereits ein Kerl in deinem Bett!“

„Nein, ich …“, versuchte ich zu antworten.

„Na denn“, krabbelte er zwischen meinen Beinen munter weiter, „Ist ja alles in bester Ordnung.“ Ich ließ mich einfach auf seinen Rücken fallen, um ihn aufzuhalten.

„Du machst mir Spaß, bin ich etwa dein Pferdchen?“, ließ er sich keineswegs aufhalten, „Prya mochte diese Spiele, sie konnte stundenlang auf meinen Rücken sitzen, da werde ich dich auch ins Schlafzimmer befördern können.“

Wollte oder konnte er nicht verstehen? Ich nahm das Erstere an, denn so bekloppt konnte er nicht sein. Reiße dich zusammen Sarah, er provoziert dich mit Absicht, warum blieb mir ein Rätsel.

Also streckte ich meine Beine aus und stellte mich hin, „Du kannst jetzt aufstehen, von hier aus sieht dich niemand mehr.“

„Gott sei Dank, die Knie taten mir schon weh“, seufzte er erleichtert sich zur vollen Größe aufrichtend. „Nach dir!“, verbeugte er sich galant.

In diesem Moment wusste ich es, er führte etwas im Schilde. Was? Ich musste vorsichtig sein. „Du kennst den Weg ja, wundere dich nicht über die Unordnung. Ich habe Mathilda gesagt, sie sollen meine Klamotten einfach liegen lassen. Derweil bleibe ich unten und lege mich auf das Sofa, falls sie dich nochmals suchen sollten.“

„Nett von dir, aber völlig unnötig. Sie haben die Suche aufgegeben …“

„Dann kannst du ja gehen“, unterbrach ich ihn diesmal.

„Direkt vor ihrer Nase? Bin doch nicht verrückt und du musst nicht auf das kleine Sofa, wir teilen uns einfach dein Bett. Rosmerta meinte, du benötigst noch viel Schlaf, also werde ich heute Nacht dafür sorgen, dass du welchen bekommst.“

„Wie ritterlich!“, meinte ich zynisch.

Worauf er keineswegs einging, „Ja, nicht wahr, manchmal wundere ich mich über mich selbst“, grinste er mir frech ins Gesicht. Dabei drängte er mich einfach weiter in Richtung des Schlafzimmers.

Da ich keinen Kampf zwischen uns entfachen wollte, denn hinter der Tür des großen Raumes hörte ich leise Schnarchlaute, ging ich freiwillig in mein neues Domizil.

„Na also, war doch gar nicht so schwer!“, meinte Corvin den gesamten Raum überblickend, mitsamt der Unordnung darin. „Na wenigstens ist das Bett frei, ich liege auf der Fensterseite“, marschierte er bereits dorthin und begann sich auszuziehen.

Schmachte ja seinen Körper nicht an Sarah, wandte ich mich um, „In dem Bett haben wir beide keinen Platz, ich gehe doch lieber runter“, da er kein Wort sagte, sah er wohl die Logik dahinter ein.

Wie sehr ich mich irrte, bekam ich einige Sekunden später heraus, die Tür blieb verschlossen, egal wie sehr ich mich auch bemühte. „Sagte ich nicht, wir schlafen gemeinsam ein? Wir brauchen nur ein wenig zu kuscheln, dann geht es schon …“

„Was?“, drehte ich mich abrupt zu ihm um, er lag bereits mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in meinen Bett.

„Ein kleiner Scherz am Rande, Sarah. Ich wollte lediglich deine Hemmungen mildern“, klopfte er neben sich, auf den schmalen Streifen, der übrig blieb, nachdem er sich in meinem Bett breitmachte.

„Ich will mir die Zähne putzen“, blieb ich dort, wo ich war.

„Einmal wird es schon ohne gehen, Karies bekommen wir nicht“, lachte er vor sich hin, „Stell dir mal vor, du gehst zum Zahnarzt und fährst deine Eckzähne aus. Das Gesicht des Arztes kann ich mir richtig gut vorstellen.“

Bei seinen Hauern würde der Zahnarzt wahrscheinlich Tod umkippen, vor Schreck.

„Nun ziere dich nicht so, ich habe schon alles gesehen“, hielt er plötzlich den Atem an. Warum fragte ich mich beklommen.

Es war keine gute Idee, zögerte ich noch immer. Wobei mir auffiel, was für einen Eindruck dies auf ihn machte. Unter keinen Umständen sollte er erfahren, wie sehr ich mich nach ihm, seinen Händen, seinen Körper, seinen Küssen sehnte.

Er lag völlig entspannt mit geschlossenen Augen da, die Chance nutzte ich und zog mich geschwind aus. Als ich ins Bett stieg, wagte ich einen Blick in sein Gesicht.

Er hatte mich beobachtet! „Wirklich, du bist jede Versuchung wert, Sarah. Ich verstehe den Franzosen auf eine Art oder all die anderen, die dich zu gern zu einem Schäferstündchen einladen wollen. Allen voran Matt, er denkt an fast nichts anderes mehr. Es wird Schwierigkeiten geben, gerade Pierre und Matt sind sehr besitzergreifend, du musst dich für einen Liebhaber entscheiden. Vor meiner Hochzeit möchte ich nicht auch noch hormongesteuerte Vampire, die sich die Köpfe einschlagen, zur Räson bringen.“

„Es ist allein meine Angelegenheit, ob und wann ich eine Beziehung eingehe“, drehte ich ihm den Rücken zu.

„Oh gleich eine Beziehung! Ich dachte eher an angenehme Nächte in trauter Zweisamkeit“, spürte ich, wie er sein Gewicht verlagerte. „Der Franzose streckte doch bestimmt schon seine Fühler aus. Was sagte er dir? Sprach er von Liebe, seinen Vergehen, die Schuld, welche nun auf seinen Schultern lasten?“

Zu meinen Entsetzten wandte er sich mir zu. Sein Atem strich mir mit jedem Wort über den Rücken.

Und trotzdem fiel mir die genaue Beschreibung auf, als ob er jedes Wort kannte. Ich zuckte zusammen, „Du warst da! Du hast gelauscht!“

Er stritt es noch nicht einmal ab, „Ja ich war zufällig in der Nähe. Was sollte ich machen? Mich einfach zu euch gesellen? Bei eurem Kuss stören? Der meiner Meinung recht kühl ausfiel …“

„Corvin!“, knurrte ich warnend.

„Stell dich nicht so an, unter Freunden kann man alles bereden. Ich entschied mich jedenfalls unsichtbar zu bleiben, besonders da er mich als Rivalen ansieht.“

„Was lächerlich ist!“, merkte ich an.

„Genau! Obwohl ich gestehen muss, ich mag deine Schultern, dein Rückgrat, dann deinen Hals, der mich magisch anzieht“, rückte er tatsächlich näher.

„Ach ein Klappergestell erregt deine Aufmerksamkeit! Außerdem solltest du an deine Verlobte denken. Schließe die Augen, dann siehst du mich nicht mehr.“

Er lachte leise, „Die Worte hältst du mir noch lange vor, nicht wahr? Eines will ich dir verraten, sobald ich meine Augen schließe, sehe ich weitaus mehr als im Moment, glaub mir Sarah“, kam er noch näher, „Aber keine Angst, ich werde meine Fantasie zügeln, ich möchte mich einfach nur bequemer hinlegen. Du kannst dich wieder entspannen“, schmiegte er sich an mich.

Was ich da fühlte, ließ mich erstarren. Er gurrte lachend in mein Ohr, „Ich erwähnte nicht, welche Reaktionen du auslöst, ist doch kein Problem für dich. Ich habe mich vollständig unter Kontrolle, soweit reichen deine Reize nicht mehr. Ich schätze dieser Zug ist abgefahren, es sei denn, du reagierst unerwartet leidenschaftlich.“

„Und wenn du das letzte männliche Wesen auf Erden wärest, würde ich mich von dir fernhalten!“, was noch nicht einmal gelogen war, denn genau dies bewirkten seine Worte. Ein kalter Schlag ins Gesicht, was mich außerdem ernüchterte, was diesen Vampir anging.

„Dann ist ja gut und ich kann mich ein wenig ankuscheln, so kann ich besser einschlafen. Die Wärme eines Frauenkörpers beruhigt meine Sinne“, nuschelte er mir ins Ohr, dabei legte er eine Hand auf meinen Bauch und zog mich näher an sich heran.

Bald darauf atmete er regelmäßig ein und aus. Was natürlich auch ein Trick sein konnte. Doch warum sollte er? Schließlich teilte er mir seinen Standpunkt überaus deutlich mit, ich war nichts weiter als eine Wärmflasche für ihn.

Als ich sicher war das er schlief versuchte ich mich aus dem Bett zu stehlen. Vergebens, sobald ich mich entfernte, rückte er nach oder zog mich fester an seine Brust. Schlief er wirklich?

In der Mühsal wurden mir die Augen schwer, der fehlende Schlaf von letzter Nacht forderte seinen Tribut, irgendwann schlief ich ein. Am Morgen wurde ich mit einem Klaps auf den Po geweckt. „Aufstehen, die Hähne krähen bereits. Danke Sarah, ich habe seit Langem nicht mehr so gut geschlafen, wir sollten es wiederholen“, sah er auf mich herab, denn ich lag mit meiner Nase an seiner Brust.

Darauf konnte ich liebend gern verzichten! Während ich mich streckte, verschwand Corvin im Bad. Hoffentlich sahen ihn die drei Frauen nicht, meine Hoffnung zersplitterte wie Glas, als ich Stimmen im Flur vernahm.

Nicht so schlimm, die Damen gehörten nicht zu den Tratschweibern, dachte ich noch voller Glaube, die anderen werden von der letzten Nacht nichts erfahren.

Wie sehr ich mich irrte! Erst jetzt wurde mir bewusst, welche Vorkehrungen der Herr im Vorfeld traf. Er trug frische Kleidung, war rasiert und wartete voller Tatendrang auf mich.

„Nun aber Beeilung, wir sind bereits spät dran!“, marschierte er bereits zur Haustür.

„Wollen wir etwa zusammengehen?“, konnte ich es kaum glauben.

„Warum denn nicht?“, fragte der Herr verdutzt.

„Naja“, druckste ich herum, seine Miene zeigte Ungeduld, mich räuspernd erklärte ich meine Bedenken über die baldigen Gerüchte, die spätestens in einer Stunde die Runde machten.

„Darüber machst du dir Sorgen?“, er lachte, „unsere Freunde werden fragen und wir geben ihnen Antwort“, er zuckte mit den Schultern, „was andere Reden oder Denken interessiert mich nicht.“

„Aber deine Zukünftige!“, zögerte ich noch immer.

„Sie wird den Tratsch niemals glauben“, meinte er zuversichtlich, „dafür ist sie einfach zu klug.“

„Wenn du meinst! Sie scheint ja einen tiefen Glauben an eurer Liebe zu haben“, setzte ich grummelnd hinzu.

Er blieb auf der Schwelle stehen, „Was willst du damit sagen?“, bohrte sich sein Blick in meine Augen.

„Vor ein paar Wochen erzähltest du mir noch, wie sehr du mich liebst und Hoppla die Hopp liebst du eine andere …“, zu mehr kam ich nicht mehr. Er packte mich an den Schultern, „Sarah, jedes Wort nahm ich ernst! Auch jetzt liebe ich dich!“

„Ah ja?“, fragte ich voller Hohn.

Er blieb vollkommen ernst, „Aber natürlich! Ich liebe dich als Mutter meiner Tochter, als Tochter meines Freundes, als mutige Kriegerin die sich für ihre Familie aufopfert. In meinen Herzen wirst du immer einen Platz haben.“

„Dann musst du ja ein ziemlich großes Herz besitzen!“, keifte ich ihn an, was ich sofort bereute. Ich hörte mich wie eine eifersüchtige Ziege an.

„Das habe ich!“, versicherte er mir, ohne auf meinen Tonfall einzugehen. Gerade in dem Moment kam Diederich den Weg entlang und sprach Corvin an.

„Also hast du dich doch bei Sarah versteckt, du winselnder Feigling. Macht nichts!“, grölte der Hüne, „Dafür bist du heute dran, wir werden schon unsere Antworten bekommen.“

„Kannst du mir verraten, was du hier im Dorf treibst? Ihr solltet im Anwesen bleiben, bis die Offiziellen weg sind“, konterte der Herr mit dem riesigen Herzen.

Diederich lachte ohne Gewissensbisse, „Meinst du etwa, wir bleiben nach solch einer Nachricht schön zu Hause? Da hast du dir Rechnung ohne den Wirt gemacht. Außerdem kann ich genauso fragen, was treibst du denn in früher Morgenstunde bei Sarah?“, kniff er die Augen zusammen, was bedrohlich wirken sollte.

„Kann ich dir sagen, wir haben die Nacht miteinander verbracht!“

Versinken, ich wünschte der Boden, vor mir öffnete sich, nichts dergleichen geschah. Diederich nahm genau an, was ich befürchtete, „Ach ja? Eine kleine Tändelei vor den Ehefesseln? Du solltest dich was schämen Corvin, Sarah für deine Bedürfnisse zu benutzen, wirklich schämen!“, trat er heran, den Boss mit angewiderten Gesicht musternd. „Sarah komm, wir gehen zusammen zur Festung. Der geile Bock darf allein marschieren und über seine Untaten nachdenken“, nahm er mich wie ein kleines Kind an der Hand.

„Wir haben nur miteinander geschlafen!“, versicherte Corvin brüskiert.

„Hab schon verstanden, Einzelheiten kannst du dir sparen!“, entgegnete Diederich sauer.

„Sarah“, bat unser wortgewandter Clanführer um Hilfe, „erkläre es dem begriffstutzigen Dickschädel.“

Was ich versuchte, aber Diederich hörte nur, was er hören wollte, seine Meinung stand fest. Corvin schloss auf, wir redeten auf den Kämpen ein, als wir die Halle betraten, meinte er, „Ihr denkt wohl, ich ziehe mir die Hose mit der Kneifzange an, was? Wenigstens an Prya hättet ihr denken können. Aber nein, ihr müsst euren tierischen Gelüsten nachgehen! Jawohl tierische abscheuliche Triebe! Von mir könnt ihr kein Verständnis erhoffen! Von mir nicht!“, redete er sich in Rage.

Ich versuchte ihm nochmals die Sachlage zu erklären. Aber nein, er schnaufte vor Entrüstung, dann ließ er mich stehen. Wütend wandte ich mich zu Corvin um, „Ha das hast du jetzt davon! Blabla von wegen Freunde, du wirst den Sachverhalt richtigstellen Sardovan“, forderte ich nun nicht weniger aufgebracht als der Kämpe.

Der Hausherr nahm es gelassen, „In spätestens einer Stunde wird niemand mehr darüber reden. Wir haben genug zu tun“, ließ er mich stehen und ging zu Hendrik, der mit einem breiten Grinsen den Boss begrüßte, „Na, eine schöne Nacht gehabt?“, witzelte er vergnügt.

„Wo sind die Offiziellen?“, überging Corvin den Kommentar.

„Noch im Gästetrakt, bisher rührten sie sich nicht.“

„Na denn wollen wir ihnen mal Beine machen! Wo sind Alia, Henry und Vlad? Hol dir vom Hof einige Leute zur Verstärkung. Ach Matt, wird besonders gern dabei sein. In fünf Minuten legen wir los.“

Hendrik nahm sein Handy und lief hinaus in den Hof, „Na siehst du, den Ersten habe ich bereits mundtot gemacht!“, grinste mich der Träumer an.

Ha, als ob Hendrik sich damit zufriedengeben würde! Im Gegenteil, sicherlich verbreitete er gerade das Gerücht. „Auf dir werden sie ja nicht rumhaken!“

„Meinst du? Na ich weiß nicht, wenn dein Vater einmal in Fahrt ist, geht es rund. Henry ist auch nicht viel besser. Wie es allerdings bei Ross aussieht, weiß ich nicht, meinst du er mischt sich ein?“

„Woher soll ich das wissen? Es ist allein deine Schuld, wie kannst du auch nur zu Diederich so was sagen? Er nimmt jedes Wort wortwörtlich!“, eine krächzende Stimme ließ mich zusammenzucken. An Rosmerta hatte ich überhaupt noch nicht gedacht. Vorsichtshalber zog ich meinen Kopf ein.

„Was hörte ich da eben? Ihr zwei?“, kam sie näher.

„Bevor du auch nur weiterredest, ich habe lediglich bei Sarah geschlafen. Sie war so nett und gab mir Zuflucht vor euch neugierigen Pack.“

„Geschlafen? Nennt man es heutzutage so?“, schmerzte ihr Lachen mein Trommelfell.

„Genau das haben wir getan!“, bekräftigte Corvin.

„Mir egal, was ihr treibt. Was wird denn deine Zukünftige dazu sagen? Sarah“, nahm sie mich aufs Korn, „Ich dachte, du wärest schlauer, der Franzose sowie Matt haben ernste Absichten und nun fängst du wieder was mit ihm an. Wirklich du verbaust dir deine Zukunft.“

„Wer sagt denn, ich will einen Partner? Bisher kam ich ganz gut ohne zurecht!“, erreichte meine Wut langsam den Siedepunkt. Dazwischen grummelte Corvin unwirsch, „Mit ihm! Es hört sich an, als ob ich das Letzte wäre!“

„Was Sarah betrifft schon!“, antwortete Rosmerta auf sein Gebrumme, an mich gewandt tat sie überrascht, „du kannst nicht ewig als einsamer Krieger durch die Weltgeschichte ziehen. Du benötigst ein Heim, einen Mann, der dir die Leviten liest und noch vieles andere mehr“, grinste sie anzüglich.

„Da muss ich Rosmerta zustimmen, mein Favorit ist Matt, zwei Krieger der Sardovan vereinigt …“, mischte sich der Boss ein.

„Höre ja auf, du geiler Bock! Matt wird kein bequemer Ehegatte sein, der sein Weib unter fremde Decken lässt.“

„Du vergisst, dass ich in Kürze heirate!“, erinnerte Corvin sie.

„Jaja“, winkte Rosmerta ab, „Wer´s glaubt, wird selig! Woher soll die Unbekannte denn kommen, he? Wann lerntest du sie kennen? Und das Wichtigste akzeptiert sie deine kleinen Ausflüge?“

„Was nicht vorkommen wird!“, widersprach der zukünftige Ehemann.

Worauf Rosmerta ihr scheußliches Kichern hören ließ. Corvin hingegen beachtete sie nicht weiter, er überblickte die Halle. Was er sah, schien ihn zufriedenzustellen.

Die angeforderten Herrschaften waren soweit versammelt, nur mein Vater fehlte noch. „Wahrscheinlich ein Herzinfarkt!“, spottete Henry, „Was kein Wunder wäre!“, fügte er noch hinzu.

„Oder er sucht sich eine geeignete Waffe, um den Boss zu entmannen“, witzelte sein Großvater.

Kahlaf trat zu mir, „Mein Kind, welch eine Tragödie. Warum wolltet ihr unbedingt die Trennung, wenn ihr doch wieder unter eine Decke schlüpft?“

„Bestimmt nutzte Corvin die Situation aus!“, hörte ich Matt düstere Stimme.

Innerlich wand ich mich, warum nur dieses Theater? Wäre er einfach in aller Stille verschwunden. Aber nein! Er musste ja erst duschen, sich mit Gerlinde unterhalten und dann auch noch auf mich warten.

„Alle soweit versammelt?“, schaute Corvin sich um.

„Der Vater dieser geschändeten jungen Frau fehlt noch“, informierte Henry den Boss, der einen bösen Blick einheimste. Schließlich nickte Corvin, „Also gut, um den Tratsch ein für alle Mal zu beenden. Ich habe lediglich Unterschlupf bei Sarah gefunden und ja wir haben die Nacht gemeinsam verbracht und nein nicht so, wie ihr denkt. Wir haben nur geschlafen, damit ist das Thema beendet.“

Die Versammelten glaubten ihm kein Wort, was sie ihm deutlich zu verstehen gaben. Der Boss schließlich genervt beantwortete keine Frage mehr. Nun kam ich an die Reihe, als sie von mir keineswegs das Erhoffte hörten, beendeten sie auf ihre Art und Weise die Fragen. Sie stellten ihre eigenen Thesen auf, die sie für die Wahrheit hielten.

„Siehst du!“, fauchte ich Corvin an, „Von wegen sie werden dir glauben!“ Was den Umstehenden ein Grinsen in ihre neugierigen Mienen zauberte, wie ich mit Verdruss feststellte.

„Je mehr du dich darüber aufregst, desto mehr regst du ihre Fantasie an“, teilte mir der Herr des Hause lapidar mit.

Für ihn war damit das Thema beendet, grummelnd folgte ich der Horde in den Gästetrakt. Die Offiziellen lagen in ihren Betten! Natürlich taten sie so, als ob sie schliefen, eine vorsichtige Antastung in ihre Gedanken, verriet ihr klägliches und erfolglose Manöver.

Schneller als die Kerle sehen konnten lag ihre persönliche Habe in den Koffern. Der Boss ließ ihnen keine Chance, an die für sie wertvollen Festplatten zu kommen. Gewiss versuchte der Anführer seine Einwände an den Mann zu bringen.

„So viel ich weiß wurden euch die Computer zur Verfügung gestellt“, lautete die Antwort des Bosses, er zeigte eine Unbarmherzigkeit, die seinesgleichen suchte.

Der Chef der Anführer versuchte tatsächlich sein Gegenüber einzuschüchtern, indem er die zukünftigen diplomatischen Beziehungen zu den Offiziellen als gefährdet ansah.

Was Corvin völlig kalt ließ, „Meines Erachtens sind sie bereits beeinträchtigt, durch eure Vorgehensweise. Übrigens habe ich genauestens Buch geführt, jedes einzelne Vorkommnis wurde peinlich genau notiert, besonders die Verwahrlosung meines Hauses. Ich werde mich entsprechend mit deinen Vorgesetzten in Verbindung setzen.“

Mehr sagte der Herr des Hauses nicht mehr. Die Offiziellen wurden in den Hof geführt, in die wartenden Taxis verfrachtet und zum nächsten Dorf gefahren. Als sie durch das Tor fuhren, ging eine ungeheure Erleichterung durch die Reihen der Vampire.

„So und nun an die Arbeit, räumen wir den Saustall auf!“, erhob Corvin seine Stimme, „Diejenigen die bisher im Hof kampierten, ist es freigestellt, ob sie bleiben oder gehen wollen. Bittet meldet euch bei Alia, sie wird euch entsprechend ausrüsten oder eure Abreise organisieren“, nickte er den Versammelten zu.

„Hoffentlich reisen sie ab, zumindest diejenigen, die nicht zur Familie gehören“, meinte Muse leise, die neben mir stand.

„In der Tat“, antwortete Merkur.

„Hoffentlich sind wir davon ausgenommen“, meinte Kahlaf, „denn ich möchte zu gern wissen, wer die Braut ist.“

Muse und Merkur lachten nickend, „Solange werde ich auf jeden Fall bleiben!“

„Nur solange?“, fragte Vater sanft.

Muse wandte sich ihm ganz zu, „Wir werden eine Möglichkeit finden beisammen zu sein, Vlad“, drückte sie ihm die Hand.

Auch für mich wurde es Zeit, mir Gedanken zu machen, wohin ich gehen sollte, schaute ich mich nach Alia um, die gerade von Vampiren umlagert wurde. Soll sie sich erst einmal um die armen Seelen kümmern, die im Hof ausharren mussten. Aber eines war mir klar, ich wollte fort, bevor die Braut eintraf.

Aus den Augenwinkeln sah ich Vadim in den Keller gehen. Vor lauter Aufregung, wegen der Gerüchte war mir der Kampf zwischen Ross und Alias Bruder ganz entfallen.

Kapitel 62

Unauffällig versuchte ich in den Keller zu schlüpfen, ohne Erfolg. Rosmerta bemerkte mein Bestreben, „Wo ist Ross? Bereits unten?“, kam sie schon hinter mir her, „Das wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen, nicht wahr?“, zwinkerte sie mir zu.

Zu meiner Verwunderung standen bereits Pierre und Ciaran auf der Tribüne sowie Diederich und Isabel, die uns munter zuwinkte. „Wie aufregend!“, strahlte sie, „Ein Kampf um die Ehre, hoffentlich lässt Ross diesen Kerl tüchtig Staub schlucken. Zwar kenne ich Vadim nicht persönlich, aber was ich über ihn hörte, reicht vollkommen.“, sie verstummte jäh, als Alia näher trat.

„Willst du dir den Kampf wirklich ansehen?“, fragte ich sie.

Alia nickte, „Ja! In den letzten Jahren habe ich vieles Begriffen, was Vadim mir antat, ist unverzeihlich und heute weiß ich, es war nicht allein meine Schuld. Inzwischen bin ich fertig mit ihm, in Peer habe ich die wahre Liebe gefunden“, lächelte sie mich zuversichtlich an.

„Gut so!“, klopfte Rosmerta ihr kräftig auf den Rücken, „dann können wir den Kampf ja genießen. Wie stehen die Wetten?“, schaute sie sich nach Henry um.

„Welche meinst du? Corvin und Sarah? Oder das baldige Geplänkel da unten?“, grinste er mich an.

Rosmerta ohne jegliche Rücksichtsnahme, was Henry genau wusste, wettete zuerst gegen mich, auf Corvins baldige Heirat mit der Unbekannten, danach auf Ross, „Einer in eurer Familie muss ja die Ehre hochhalten“, meinte sie spitz in meine Richtung.

„Worauf spielt ihr denn an?“, wollte Pierre wissen, der mit großen Augen näher trat.

Natürlich beschrieben meine lieben Freunde die Vorkommnisse der letzten Nacht nach ihrer Version, die Pierre auch ohne zu hinterfragen glaubte. Ciaran hingegen gab sich zurückhaltender, er fragte nach und sogar mich.

Als ich ihm wahrheitsgetreu antwortete, übersah ich die feixenden Mienen meiner Freunde. „Wie stehen die Wetten?“, fragte er Henry, „Ich denke, ich wette auf die Heirat“, soviel zu Zurückhaltung, berichtete ich meine Meinung, „, und zwar zwischen Corvin und Sarah! Was nicht heißt, dass ich aus dem Rennen bin, obwohl es anscheinend eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen uns gibt, werde ich meine Absicht mit Sarah eine Nacht zu verbringen, gewiss nicht aufgeben.“

„Als ob Sarah sich mit dir abgeben würde!“, schnaufte Pierre empört.

Ciaran lächelte hintergründig, „Wer weiß, bisher hatte sie ja nicht gerade viel Glück mit ihren festen Beziehungen, bei mir weiß sie was sie erwartet, eine unvergessliche Nacht der Leidenschaft“, zwinkerte er mir zu.

Pierre trat nun grimmig zwischen uns, „Niemals! Niemals werde ich Sarah, in deine schmierigen Hände geben, noch deinen kranken Fantasien überlassen.“

„Tja mein Lieber, dies liegt nun einmal nicht in deiner Hand, Sarah kann mit wem auch immer verkehren.“ Was bei Pierre einen erneuten empörten Schnaufer verursachte.

„Damit hat er vollkommen recht“, resümierte Hendrik, „entsprechend lasst Sarah in Ruhe oder hast du es unbedingt nötig mit den Erstbesten ins Bett zu steigen?“, wandte er sich mir zu.

„Bestimmt nicht!“, dankte ich ihm im Stillen.

„Hat ja nur selbst ein Auge auf sie geworfen!“, grummelte Pierre sich der Arena zuwendend. Dort standen sich inzwischen die Kontrahenten gegenüber. Vadim mit nacktem Oberkörper, der seine Muskeln spielen ließ.

Ross in der üblichen Garderobe, seine zerschlissene Hose samt des verwaschenen Hemdes. Nun forderte Vadim sein Gegenüber auf, ebenfalls das Hemd abzustreifen, „oder hast du Angst man könnte deinen dürren Oberkörper sehen?“, spottete er.

„Gewiss nicht!“, entledigte sich Ross mit einem Handstreich des Tuches.

Was wir zu sehen bekamen, erstaunte uns sehr, sein gesamter Oberkörper samt der Oberarme, waren mit Tätowierungen übersät. Rosmerta klärte uns auf, „die muss er schon als Mensch gehabt haben. Er kann sich jedenfalls nicht erinnern.“

„Inzwischen ist es bewiesen das sich die Menschen schon seit grauer Vorzeit tätowiert haben, ist nicht irgendein Kelte mit derartigem Hautschmuck gefunden worden?“, musste Pierre seine Meinung äußern.

„Ross ist viel älter als die keltische Kultur!“, sagte Kahlaf, „ich übrigens auch. Nun wir sind nicht zu spät, siehst du mein Freund, ich sagte doch, wir schaffen es rechtzeitig.“

„In der Tat!“, spielte Merkur mal wieder den Mundfaulen.

Die ansonsten sanfte Stimme Kahlafs ertönte nun wie ein Gewittergrollen in der Höhle, „Nun mach ihn schon fertig Ross, wir haben einen göttlichen Tropfen aus dem Gewölbe unseres geizigen Gastgebers erbeutet“, hielt er drei staubige Flaschen in die Höhe.

„Kahlaf!“, rief Hendrik entsetzt, „Die gehören Corvin persönlich! Gib sie her!“

„Gehörten! Mein Junge, gehörten!“, lachte Kahlaf und hielt die Flaschen außer Hendriks Reichweite, derweil ging ein verblüfftes Raunen den Umstehenden über die Lippen. Wir sahen in die Arena hinunter, Vadim lag rücklings im Sand, Ross hob gerade sein Hemd auf.

„Was ist geschehen?“, fragten wir gleichzeitig völlig verblüfft.

Diederich grunzte verdrossen, „Was? Nichts! Vadim ist einfach umgekippt, das war´s! Gefällt!“, brummte er missgestimmt, „Kein Handschlag, nichts! Er kippt einfach um!“, konnte er sich überhaupt nicht mehr beruhigen, „Wo bleibt da der Spaß? Eine richtige Rauferei sieht anders aus! Sarah wie wäre es, sollen wir uns noch einmal messen? Vielleicht kannst du mich diesmal ja schlagen.“

„Du alter Wicht! Du konntest sie nur ausknocken, weil sie von dir abließ“, mischte Rosmerta sich ein.

„Von wegen!“, empörte sich der Kämpe, „Ich habe Sarah nur einige Chancen gegeben.“

Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, stimmte ich dem Krieger schnell zu, damit niemand auf die Idee kam, den Kampf zu wiederholen. „Seht ihr!“, trumpfte Diederich auf.

Zuviel für Rosmertas Geduld, sie verlangte, was ich befürchtete, Diederich willigte sofort ein. „Nicht mit mir!“, sagte ich bestimmt, „Diederich gewann und damit ist alles gesagt.“

Die Proteste ignorierend ging ich Ross entgegen, der aber direkt auf Alia zuhielt. Ich blieb stehen, was er ihr sagte, konnte ich nicht verstehen, sie schien zufrieden mit dem zu sein, was mein Ahnherr ihr sagte.

Sogar ein Lächeln umspielte um ihre Mundwinkel, dann gab sie Ross einen Kuss auf die Wange. Sie sahen mich und Alia winkte mir zu, so ging ich weiter. Als ich bei ihnen ankam, verabschiedete sich Ross umständlich von ihr.

„Weißt du was er tat?“, hielt Alia meinen Großvater auf, indem sie sich bei ihm einhakte, was meinen ach so erfahrenen Ahnherrn die Röte in die Wangen trieb. Ja ja Alia war schon ein besonders hübsches Vampirchen. „Sobald Vadim auch nur ein Wort über unsere Vergangenheit sagen will, wird er bewusstlos“, grinste sie amüsiert.

„Warum denn das, schließlich kennt jeder eure Vorgeschichte“, konnte ich mir keinen Reim auf ihr glückliches Gesicht machen.

„Typisch für dich Sarah!“, verpasste sie mir einen Faustschlag auf dem Oberarm, was mehr über ihre Gemütsverfassung aussagte als jedes Wort, sie musste unendlich erleichtert sein. „Bei jeder Gelegenheit hält Vadim Peer unsere abnorme Beziehung unter die Nase, was Peer natürlich schrecklich aufregt“, klärte sie mich auf.

Naja aus diesem Blickwinkel gesehen, verstand ich ihre Reaktion. Ihre Freunde vermieden das Thema und Vadim verdiente es sicherlich. Eine Ohnmacht, so dachte ich, ist da ein sehr glimpfliches Mittel, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ich hätte da einige drastische Maßnahmen ergriffen, wie zum Beispiel unsägliche Schmerzen oder den Verlust der Potenz, halt etwas richtig Fieses. Was ich Ross und Alia auch mitteilte.

„Welch kleiner Rachedämon!“, amüsierte sich Ross, während Alia nur den Kopf schüttelte, „Er ist immerhin mein Bruder!“, betonte sie nachdrücklich.

Ihr ist einfach nicht zu helfen, sie verzeiht Vadim, trotz allem. Nun so nachsichtig war ich keinesfalls, wenn ich an Livio dachte. Auf jeden Fall wollte ich Vadim im Auge behalten, nahm ich mir fest vor.

Wir gingen mit den anderen hinaus, den Ohnmächtigen allein in der Arena liegend lassend. Vor uns hörten wir Diederich, der seiner Enttäuschung weiterhin laut hinausposaunte.

Was Ross amüsierte, „Vielleicht sollte ich ihn mal zu einem Training auffordern, als Entschädigung?“

„Ja!“, stimmten Alia und ich gemeinsam zu.

„Was machst du gleich?“, wollte Alia wissen.

„Keine Ahnung, habe nur gehört wir sollen uns bereithalten, um die Festung auszuräuchern“, antwortete ich ihr zuwinkend da Alia mit Ross den Weg zum Turm einschlug.

Als ich am nächsten Morgen bei Alia ins Büro trat, lächelte sie mich erschöpft an, „Ah endlich ein liebes Gesicht. Wo hast du dich gestern den ganzen Tag herumgetrieben?“

„Im Gästetrakt! Ich habe geholfen, den ganzen Müll zu entsorgen. Die haben wirklich einen Schweinestall hinterlassen“, setzte ich mich auf den freien Bürostuhl, „Was ist mit dir? Kommst du voran?“

Sie pustete ihre Wangen auf, „Ja, die meisten Krieger außerhalb der Familie reisen ab. Einige hadern mit sich, vor allen Dingen diejenigen, die zu Alischa und Konsorte gehörten. Corvin hat ihnen freigestellt, sich einem anderen Clan anzuschließen. Die Sardovans bleiben und helfen die Festung wieder herzurichten.“

„Und Peer?“

Eine leichte Röte schoss ihr ins Gesicht, „Er wird mit Marsé und Prya kommen, sobald die Festung wieder bewohnbar ist, übrigens ist Intha noch immer da! “

„Intha? Wie seltsam, ich dachte, sie wäre schnellstens wieder in ihr geheimnisumwobenes Heim zurückgekehrt.“

Alia schüttelte den Kopf, „Laut Peer will sie bleiben, sie scheint einen Narren an Prya gefunden zu haben“

„Fragt sich nur was für einen“, tippte ich an einen meiner Eckzähne.

„Das gleiche befürchtet auch Peer, Intha bevorzugte einfach viel zu lange, frisches Blut“, seufzte meine Freundin betrübt.

Eine glänzende Idee keimte auf, „Was hältst du davon, wenn ich auf Prya aufpasse, dann kann Peer hierherkommen.“

Sie lächelte matt, „Nein! Du kennst Peer doch, er hält es für seine Aufgabe deinen Spross zu schützen.“

„Wohl eher Corvins!“, merkte ich an.

„Da irrst du dich gewaltig, Sarah. Er hielt schon viel von dir, schon als du ein Mensch warst, jetzt als Krieger hat er vor dir die größte Hochachtung“, ich lachte, aber sie meinte er völlig ernst.

„Dann übertreibst du! Apropos Krieger, wohin kann ich gehen?“

„Du willst weg?“, fragte sie überrascht, worauf ich nickte. „Ja so schnell wie möglich.“

„Das ist nicht dein Ernst, ich dachte, du bleibst im Dorf, zumindest solange bis Peer und ich heiraten.“

„Ihr wollt was?“

„Nun ja, das ist die Überraschung, ich plane schon eine Weile unsere Heirat“, sie lächelte zerknirscht, „Peer! Er hängt an die alten Sitten und zu einer Hochzeit gehört eine entsprechend gekleidete Braut, mitsamt des Treuegelöbnis, Feier und Flitterwochen“, zählte sie an den Fingern ab.

„Wann soll denn die Trauung stattfinden?“ Wenn sie vor der Hochzeit von Corvin stattfand, wollte ich bleiben, falls danach, konnte ich immerhin anreisen.

„Corvin hat im Prinzip nichts dagegen, er lässt mir völlig freie Hand, solange wir auf der Festung wohnen bleiben.“

„Aber was soll Peer dann machen? Er ist nicht unbedingt der Typ, der die Hände in den Schoss legt.“

„Auch das ist geregelt, Diederich und Isabel wollen nach Fenils ziehen, dort wird jemand benötigt, der das Dorf sichert und die Ausbildung der Krieger übernimmt. Isabel ist ganz begeistert, denn sie vermisst ihre Eltern. Daher kann Peer den Job Diederichs hier übernehmen.“

Ein kleiner Anflug des Neides keimte auf, sie wussten, wie sie ihre Zukunft planten, nur ich hing in der Luft. Mit schlechtem Gewissen drückte ich meine Freude aus, aber Alia sah mir meine Gefühle an.

„Du wirst eines Tages deinen Platz, finden Sarah, da bin ich mir ganz sicher. Nur solltest du dich von Corvin fernhalten, und bevor du etwas sagst, will ich dir verraten, dass ich immer hoffte, ihr werdet ein Paar. Doch nun nimmt er sich eine fremde Frau, ich weiß nicht was ich davon halten soll. Nur eines ist sicher, solange du in seiner Nähe bist, kommst du nicht von ihm los.“

„Was für ein Blödsinn! Ich empfinde nichts mehr …“, Alia umarmte mich spontan, „Rede dir es nur gut ein, vielleicht hilft es ja, aber im Ernst Sarah, finde einen Mann, nicht gleich einen Ehemann, ein Geliebter reicht schon. Für den Anfang könntest du den Franzosen nehmen, er wäre nicht abgeneigt.“

„Ich weiß, er unternahm bereits den ersten Anlauf und versicherte mir er versuche es weiter. Doch ich werde ihm eine endgültige Absage erteilen. Auf ein erneutes Fiasko kann ich verzichten.“

„Na gut, dann nimm Matt!“

„Er ist ein Freund und durch eine Affäre will ich ihn keinesfalls als solchen verlieren.“

„Hab dich nicht so, er ist ein großer Junge, der damit schon fertig wird“, wiegelte sie meinen Einwand ab. Ich schüttelte meinen Kopf, Alia seufzte erneut, „Dann sieh dich um, es gibt genügend herrenlose Hunde in dieser Familie. Halte dich nur von Corvin fern, nicht das ihr nochmals eine Nacht miteinander verbringt.“

„Es ist nichts geschehen …“ Alia winkte ab, „Wie auch immer, du musst über ihn hinwegkommen.“

Was ich vehement abstritt, sie sagte kein Wort weiter dazu, ihre Miene hingegen sprach Bände. Bald darauf begab ich mich in den Gästetrakt, ich wählte mit Absicht den Weg an der Rezeption vorbei. Anders als Alia vermutete, ging ich Corvin wirklich aus dem Weg.

Diesmal ohne viel Glück, er stand in der Halle und sprach gerade mit Vater. Da es eine eindringliche Unterhaltung war, wollte ich mich an ihnen vorbeischleichen.

An diesem Morgen verfolgte mich das Pech, Vater sprach mich an, „Oh gut, da bist du ja!“, hielt er mich auf, „Wir möchten heute Abend eine Ankündigung machen. Du wirst doch zugegen sein?“

Worauf ich nickte, Corvin fragte nach, „Ich nehme an, die gesamte Bagage soll anwesend sein?“

„Es wird das Beste sein, ich hoffe, du bist ebenfalls dabei.“ Welch eine förmliche Nachfrage, ungewöhnlich zwischen den Freunden, fand ich.

„Davon hält mich nichts und niemand ab!“, warf er mir einen amüsierten Blick zu, „Soll Henry die Werbetrommel rühren?“

Vater nickte grinsend, „Ich hoffe, du hast einen ausreichenden Vorrat zur Hand“, rief Vater, den bereits Gehenden hinterher.

Ich ahnte bereits, um welche Neuigkeit es ging, „Dann habt ihr eine Lösung gefunden?“, sprach ich Vater an. Sein Grinsen verriet es mir, „Ich möchte mich nicht hundert Mal wiederholen, warte bis heute Abend“, drückte er mich kurz an sich.

„Hauptsache ihr werdet glücklich“, sagte ich die Umarmung erwidernd. Er sah mich einen Moment zweifelnd an, „Dann bist du mit meiner Wahl einverstanden?“

„Wenn du je die Wahl hattest“, neckte ich ihn. Er lächelte, ich musste zugeben, er sah glücklich aus.

Als ich anschließend im Gästetrakt eintraf, wurde mir sogleich ein Sessel in die Hand gedrückt, „Das gesamte Mobiliar wird ausgetauscht, also raus in den Hof damit“, wurde ich informiert.

Bald darauf fand ich mich an Pierres Seite wieder, der mir hilfreich zur Hand ging. Was Matt bemerkte und nicht mehr von meiner Seite wich. Die beiden Vampire redeten kein Wort miteinander, dafür sagten ihre Blicke mehr als mir lieb war. Damit nicht genug musste sich Ciaran auch noch anschließen, der leider sein loses Mundwerk den gesamten Tag freien Lauf ließ.

Nachdem alle drei Etagen ausgeräumt waren, wurde bis zum Abend Folie ausgelegt und Türen und Fenster abgeklebt, wobei ich liebend gern das Klebeband anders genutzt hätte.

Als es endlich Zeit zum Abendessen wurde, dachte ich einen Aufenthalt in einem Sanatorium nahe zu sein, ich musste mich beeilen, so kam ich ein wenig abgehetzt in den Speisesaal.

Wie erwartet verkündete das Paar ihr Zusammensein, darüber hinaus muss ich meine Überraschung zugeben, teilten sie uns mit, dass sie heiraten wollten. Henry und Corvin gehörten zu den ersten Gratulanten.

Heiraten! Dieses Wort kam mir im Moment zu oft vor. Was trieb sie denn alle auf einmal an, zu heiraten? Genügte denn das reine Zusammenleben nicht mehr? Nein sie wollten ein Gelöbnis abgeben, bis das der Tod uns scheidet, welch eine Farce, bei unserer Lebenserwartung.

So reihte ich mich in die Schlange der Gratulanten und fand mich bei meinem Bruder wieder. „Na was sagst du dazu? Heiraten!“, spie er das Wort verächtlich aus.

„Es ist ihre Angelegenheit und Muse macht Vater glücklich. Gönnst du ihnen kein Glück?“

„Diese langatmige Frau? Allein wenn man ihr zuhört, schläft man schon ein.“

„Damit wäre dann geklärt, wie oberflächlich du bist. Lerne Muse richtig kennen, du wirst dein Urteil schnell revidieren.“

Er klopfte mir wohlwollend auf die Schulter, „Genau dies wollte ich von dir hören, Sarah. Natürlich kenne ich Muse und ihren guten Einfluss auf Vater, wenigstens was uns Kinder betrifft. Ich wollte lediglich deine Meinung hören, denn Vater befürchtete, du könntest eifersüchtig werden.“

„Warum sollte ich? Was denkt ihr nur von mir?“

„Es ist ganz einfach, momentan bist du die Einzige ohne Partner. Es hätte ja sein können, du hängst dich an Vaters Rockzipfel und siehst Muse als Bedrohung an.“

„Solch einen ausgemachten Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört. Ich bin doch kein kleines Kind, außerdem denke ich daran, bald wieder als Krieger tätig zu sein.“

„In Friedenszeiten? Na dann mal viel Glück! Wo willst du dich bewerben? Ich hoffe doch, das hast du längst? Ansonsten könnten die wenigen freien Stellen bereits besetzt sein.“

Vor ihm gab ich keineswegs zu, was ich bisher verschlampte. Innerlich wurde mir Angst und Bange. Welche Aufgabe könnte ich ansonsten übernehmen, rätselte ich beklommen.

„Was ist mit dir denn los?“, fragte Muse besorgt, nachdem ich ihr meine Glückwünsche aussprach.

„Nichts!“, erwiderte ich, doch die Gefährtin meines Vaters ließ nicht locker. Sie drehte den anderen Gratulanten einfach den Rücken zu und zog mich in den hinteren Teil des Saales.

„Heraus mit der Sprache!“, forderte sie resolut. So schilderte ich ihr meine Bedenken. Sie nickte ernst, was mich noch unsicherer machte, „Frage Diederich, er sucht einen weiteren Ausbilder, denn Fenils wurde als Hauptausbildungscenter der Sardovan gewählt. Einen Haken hat die Sache allerdings Sarah, du musst mit deinem Bruder zusammenarbeiten.“

Heftig schüttelte ich den Kopf, alles nur das nicht, „Also gut, ich strecke meine Fühler aus, versprechen kann ich dir nichts.“

„Danke“, sagte ich erleichtert, Muse kannte Land und Leute, sicherlich fand sie etwas Passendes für mich. Nichtsdestotrotz wollte ich mich nicht allein auf Muses Hilfe verlassen, auch ich musste mich um eine Anstellung bemühen.

„Kopf hoch, es wird schon“, tröstete sie mich, eine Bewegung ließ sie herumfahren, wie blind ich in Granada war, bestätigte sich mal wieder. Denn ich nahm an, wir wären allein in diesem Teil des großen Saales.

„Achtet nicht auf mich, ich hole nur Nachschub“, sagte der Boss uns den Rücken kehrend.

„Sicher!“, meinte Muse, ihn mit rätselhafter Miene musternd.

War Corvin mit der Heirat nicht einverstanden? Was ich mir kaum vorstellen konnte, doch er verlor die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Freundes, sicherlich ein Grund um der Heirat mit Skepsis gegenüberzustehen. Bedeutete dies Schwierigkeiten für Vater? Der Boss konnte ein richtiges Ekel sein.

Corvin rümpfte die Nase, als ob er meine Gedanken mitbekam, was unmöglich war. „Verflucht noch mal!“, schimpfte er, „Der Wein ist falsch gelagert worden. Wo ist Hendrik, er ist dafür zuständig“, spähte er mit Zornesfalte nach dem Übeltäter.

Muse kümmerte sich nicht weiter um den Boss, gemeinsam kehrten wir zu Vater zurück, wie auf Kommando lächelten wir gleichzeitig den jung aussehenden Mann zu. Weder fragte er, noch wirkte er besorgt, welche ein Wandlung, dachte ich. Früher hätte er mich mit Fragen gelöchert.

„Was heckt ihr Schönen aus?“, spielte ein bezauberndes Lächeln um seine Mundwinkel.

Die ältere Ausgabe von Vater meinte, „Ah ihr Frauen! Immer müsst ihr Geheimnisse haben, nur um uns arme Männer zu quälen.“

„Dann sei nicht so neugierig, mein Lieber, nimm dir ein Beispiel an deinen Enkel“, ging Muse auf den leichten Tonfall ein. So ging es den gesamten Abend, irgendwer stellte eine kleine Anlage auf, ruckzuck wurden die Tische zur Seite geschoben, bald darauf schwangen die Vampire das Tanzbein.

Mit wippenden Fuß verfolgte ich das Treiben auf der Tanzfläche, „Der nächste Tanz gehört uns“, tauchte Matt neben mir auf. Meine Bedenken wegen seiner Gefühle für mich warf ich über Bord, ein Tanz ist ja nicht gleich der Weltuntergang.

Nach Matt pirschte Ciaran heran, ich wünschte mir das Klebeband herbei, als er sich über Pierre und Matt ausließ.

Deshalb versuchte ich ihn abzulenken, „Wo ist Selina?“

„Sie quittierte ihren Dienst. Soviel ich weiß fuhr sie nach Haus, irgendwelche familiären Gründe. Ich muss ehrlich gestehen, sie fehlt mir, der neue Leibwächter ist zu eifrig, schon mehrmals bat ich ihn mir Luft zum Atem zu lassen. Wie ist es mit dir? Auf der Suche nach einem neuen Job?“

Auch wenn ich keine geeignete Arbeit fand, Ciaran kam jedenfalls nicht in Betracht. „Noch nicht, erst warte ich die Hochzeit meiner Freundin ab.“

„Ah Alia und Peer! Na gut, dann werden wir uns nach der Trauung nochmals unterhalten, solange werde ich es mit dem Burschen schon aushalten.“

Mich erstaunte nicht, dass er sein Angebot wiederholen wollte, aber das er an der Hochzeit teilnahm schon. Deshalb fragte ich nach.

„Ich mag Peer, wir haben uns in den letzten Monaten angefreundet, schade ihn hätte ich gern als Leibwächter genommen“, teilte er mir bedauernd mit.

„Ach dann bin ich nur die zweite Wahl?“, fragte ich gespielt entrüstet.

„Als Leibwächter? Ja! Aber als Geliebte stehst du ganz vorn“, nutzte er die Drehung, um mich an sich zu ziehen.

„Danke nein, darauf kann ich gut und gern verzichten.“

„Wir werden sehen, welche Auswahl hast du schon? Wieder den Exverlobten? Den Freund? Nein, der Einzige, der zu dir passen würde, wäre Corvin, doch der ist bald vom Markt, ergo bleibe ich. Wie gesagt, wir reden nach der Hochzeit, falls wir vorher kein Arrangement finden.“

Hendrik erlöste mich von Ciaran, er schimpfte leise vor sich hin, als er von mir hörte, welches Angebot er mir unterbreitete. „Soll ich ihm das Leben schwer machen? Ich könnte zum Beispiel sein Bad unter Wasser setzen, oder Disteln in sein Bett legen“, schlug er grinsend vor.

Allein seine Vorschläge heiterten mich auf. Gut gelaunt wandte ich mich den nächsten Tänzer zu, so ging es fast die gesamte Nacht. Nachdem ich mich leise davonstahl, schlenderte ich gemütlich durch das Dorf.

Die Nacht war ungewöhnlich klar, an einen Zaun gelehnt schaute ich mir eine Weile den Sternenhimmel an. Ungewöhnlich ausgeglichen ging ich schließlich ins Haus, schon überlegend, was ich am Morgen anziehen wollte.

Es stand uns viel Arbeit bevor, der Boss wollte wirklich die gesamte Festung renovieren. Soviel ich wusste wurde ich zum Anstreichen eingeteilt. Zwar hatte ich keine Ahnung davon, aber irgendwer würde mich schon unterweisen.

Leise um die drei Damen nicht zu wecken betrat ich den Flur, wie immer blieb das Schloss unverschlossen. Warum auch, kein Mensch kannte das Dorf und Vampire bestahlen sich nicht gegenseitig.

Im Schlafzimmer entledigte ich mich meiner Kleidung, wenigstens einige Stunden den geschundenen Füßen ein bisschen Ruhe gönnen. Der Abend war wirklich schön, so ausgelassen waren wir schon lange nicht mehr, legte ich mich ins Bett, um gleich darauf vor Schreck wieder aufzuspringen, was von starken Armen verhindert wurde.

„Du weckst die Damen noch!“, hielt mir der Störenfried die Hand vor dem Mund.

„Was machst du hier?“, nuschelte ich hinter seiner Pranke.

„Igitt du spuckst!“, wurde die Hand weggezogen.

„Na und? Also bekomme ich eine Antwort?“

„Ich habe mich einquartiert!“

„Das sehe ich auch! Aber warum?“

Corvin seufzte, „Fragen, immer Fragen! Nimm es doch einfach hin, ich nächtige in diesem Bett, ganz einfach.“

„Nach dem letzten Mal wurde ich den gesamten Tag ausgeschimpft, beraten, belächelt und mit Ermahnungen überhäuft, da kann ich ja nach den Gründen fragen.“

„Meine Räume werden renoviert, es steht kein einziges Möbelstück dort. Reicht dir die Aussage?“

„Na gut ich verstehe, warum du nicht deine Räume aufsuchst. Aber warum tauchst du gerade hier auf? Für dich gibt es genügend Möglichkeiten die Nacht zu verbringen.“

„Ich wollte schlafen und das habe ich in diesem Bett sehr gut, also tat ich das Nächstliegende, indem ich genau dieses Bett aufsuchte.“

„Aber es ist mein Bett!“, hörte ich mich wie ein kleines Kind an.

„Welches du in den nächsten Tagen mit mir teilst!“, legte er sich wieder hin, dabei deckte er mich gleich mit zu, „Nun komm schon, lege dich hin, ich möchte mich anschmiegen.“

„Du kannst das Bett haben, ich bevorzuge das Sofa!“, stand ich auf, „und mein Kissen!“, wollte ich es unter seinem Kopf wegziehen.

Er hielt es fest, „Von wegen! Das brauche ich, sowie deinen warmen Körper. Ich liege hier schon seit Stunden wach und warte auf deine kratzbürstige Gesellschaft.“

Bevor ich reagieren konnte lag ich bereits, eingekeilt von Bein und Arm, „Ah, so ist es besser! Schlaf gut, Sarah Sardovan!“, drückte er mir einen Kuss auf den Haaransatz.

Von Wegen seit Stunden! Bevor ich ging sah ich ihn, wie er sich unterhielt. Er musste mich überholt haben. Wann und wie, vor allen Dingen warum? Ich fragte auch gleich.

„Gerade eben erklärte ich es dir, ich habe dem nichts hinzuzufügen“, seufzte er wohlig, rückte ein wenig näher und einige Minuten später, hörte ich seinen gleichmäßigen Atem.

Indessen lag ich stocksteif da, diesmal wollte ich auf keinen Fall einschlafen. Ab Morgen sollte die Haustür verschlossen werden, Nacht für Nacht. Wusste er überhaupt was er mit mit seinen nächtlichen Besuchen antat? Nein wahrscheinlich nicht, schließlich empfanden wir nicht das Geringste füreinander, musste ich den dicken Kloß in meiner Kehle hinunterschlucken.

Er regte sich keinen Zentimeter. Schlief er tatsächlich? Ein Vampir der so viel Schlief erschien mir ungewöhnlich. Ein kurzer Schnarcher überzeugte mich schließlich, langsam entspannten sich meine Muskeln, ich ließ meine Gedanken auf Wanderschaft gehen.

Erinnerte mich an die kurze glückliche Zeit in Granada, auch dort legte er den größten Wert auf Schlaf. Ich dachte erst, er nehme auf mich Rücksicht, doch er meinte, es sei gut für den Verstand, ein ausgeschlafener Vampir denkt flinker, was ein Vorteil sei.

Ich kannte ihn gut genug, er nutzte jeden Vorteil. Warum suchte er nun den Schlaf? Gab es eine Gefahr, von der wir keine Ahnung hatten? Lag es an dem Besucher, seinen zukünftigen Schwiegervater? Eines war mir jedenfalls bewusst, er bereitete sich auf einen Kampf vor, welcher Art auch immer.

Indessen studierte ich seine entspannten Gesichtszüge, die Linien zwischen seinen Brauen, die scharf hervortraten, wenn er sauer war. Die gelösten Züge, die nun eine Sanftheit preisgaben, die er ansonsten versteckte. Seine Lippen, die so gut küssen konnten, war ich versucht davon zu kosten.

Warum nicht?

Er schlief tief und fest. Warum also nicht? Einmal, nur noch einmal die sanfte Berührung seiner Lippen auf meinen fühlen. Sie zogen mich geradewegs magisch an, ich suchte keine Ausreden, diesen Mann begehrte ich, liebte ihn, ein gestohlener Kuss, was machte es schon.

Vorsichtig näherte ich mich ihm, mein Herz klopfte wild, Schmetterlinge tanzten in meinem Bauch. Von der Erinnerung getragen, was vor Wochen geschah und mir entsetzlich fern vorkam.

Sacht um ihn nicht zu wecken legte ich meine Lippen auf seine, ich spürte seinen regelmäßigen Atem, nur noch einen Augenblick, dachte ich, einen Moment wollte ich ihm ganz nahe sein.

Als ich aufsah schaute ich direkt in seine geöffneten Augen, erstarrt konnte ich ihn nur ansehen. Ohne sich zu rühren erwiderte er den Kuss. Wir sahen uns an, bewegungslos lagen wir da.

In Gedanken formte ich bereits Entschuldigungen, oder sollte ich einfach schweigen? Wirr und konfus, ob des schlechten Gewissens, des aufsteigende Verlangen, der Scham konnte ich nicht sagen. All dies schwand, bis nur das Verlangen übrig blieb, als seine Zunge an meine Zähne stieß.

Auch bei diesem endlos andauernden Kuss blieben wir regungslos mit geöffneten Augen liegen. Die kleinste Bewegung so wusste ich, konnte diesen herrlichen Augenblick zerstören.

Und doch, und doch bewegte ich mich ihm zu, ganz automatisch ohne den Befehl an meine Muskeln weiterzugeben, bewegte ich mich und er reagierte. Von dem Moment an schaute ich in schwarze leidenschaftliche Augen, ich wusste, meine waren ebenso dunkel, das triebhafte Verlangen unserer Spezies siegte, entrang sich meiner Kehle ein genussvolles Stöhnen.

Abrupt hielt Corvin inne, er horchte, fluchte leise und ließ von mir ab. Irritiert wollte ich ihn zu mir ziehen, doch er sträubte sich, ich verstand der Zauber war erloschen.

„Tut mir Leid, das wollte ich nicht“, suchte ich Schutz unter der Decke. Natürlich wurde ihm bewusst, was er hier trieb, es war nur eine Frage der Zeit, schließlich so sagte er ja, errege ihn mein Körper nicht mehr. Zudem wollte er bald Heiraten, sicherlich sah er es als Betrug an seiner zukünftigen Frau.

Er zog sich bereits an, sagte kein Wort, schaute nicht einmal in meine Richtung. Ich schämte mich in Grund und Boden. Ahnte er, welche Gefühle ich für ihn hegte? Niemals mehr wollte ich ihm unter die Augen treten, ich musste fort, so schnell wie möglich. Kurz darauf verließ er das Zimmer grußlos.

Eine Weile blieb ich versteckt unter der Decke liegen, aus Angst er könne zurückkehren, dabei hoffte ich es. Mein Körper schrie vor Verlangen, wollte Erlösung, wollte seine Lippen, seine Hände, ihn in sich aufnehmen, sich verzehren in einer leidenschaftlichen Umarmung.

Nichts dergleichen geschah, völlig erschöpft stieg ich schließlich aus dem Bett, duschte kalt, um nur jede kleinste Erregung abzutöten. Dann begab ich mich zur Festung, ich benötigte dringend einen Job, noch heute, gleich zu dieser Stunde wollte ich abreisen.

Sofort suchte ich Alias Büro auf und ertappte sie und Peer in inniger Umarmung. „Morgen!“, klang meine Stimme überlaut, was sie auch tat. Sie fuhren erschrocken auseinander.

„Sarah!“, strich Alia keineswegs Verlegen das Haar glatt, „Kann ich etwas für dich tun?“ Peer nickte mir gelassen zu. Wie konnten sie nur so glücklich sein? Schon wieder übermannte mich Scham, wie kannst du nur so neidisch sein?

„Entschuldigt, ich wollte nicht so reinplatzen“, sagte ich wesentlich ruhiger, „Ich möchte noch heute die Festung verlassen, am Besten mit einem Job im Gepäck. Hast du etwas für mich?“

„Wie? Nein! Auf keinen Fall!“, stammelte meine Freundin irritiert, „Wir heiraten in ein paar Tagen. Du bist meine Braut … dingsda …“, schaute sie fragend Peer an.

Dieser grinste und meinte: „Brautjungfer!“

„Ja, genau so heißen sie, du musst dein Kleid anprobieren, die Hochzeit planen und was diese Jungfern noch so alles tun müssen.“

„Es geht nicht, ich muss fort! Sofort!“, stieg Panik in mir auf.

„Peer“, sagte Alia, umgehend verließ er das Büro, „Nun sag mir, was los ist“, forderte sie.

Konfus erzählte ich ihr die Vorgänge, „So ein Schuft!“, schimpfte sie.

„Nein, nein, es ist meine Schuld, ich wollte mir ja unbedingt einen Kuss stehlen.“

„Dann empfindest du noch etwas für ihn?“

„Nein. Ja, ich glaub schon“, wagte ich verlegen ein vages Eingeständnis.

„So schlimm also!“, interpretierte Alia vieles hinein, „Seit wann ist es dir bewusst?“

„Als es bereits zu spät war“, hörte ich mich jammervoll an? Das wollte ich keineswegs, deshalb zuckte ich die Schultern, „Jedenfalls darf so etwas nicht noch mal vorkommen, deshalb muss ich so schnell wie möglich abreisen. Das verstehst du doch?“

„Nein!“, schüttelte sie den Kopf, „Auch wenn ich nicht das ganze Theater mit der Hochzeit hätte, würde ich dir Folgendes sagen“, sah sie mich eindringlich an, „Kämpfe! Noch ist er nicht verheiratet, deshalb setze all deine Kraft ein, bezirze ihn, umgarne ihn, zeig was du hast, verführe, denn nach seiner Reaktion zu schließen ist er nicht abgeneigt“, grinste sie zuversichtlich.

„Ach das“, wiegelte ich ab, „reine Leidenschaft.“

„Wirklich? Na ich zweifle, wenn kein Verlangen vorhanden wäre, hätte er sich ja einfach umdrehen können, nicht wahr.“

„Du bist ein Träumer, Alia. Ich muss es doch wissen!“

Sie lachte laut auf, „Gerade du! Bisher bist du blind durch die Weltgeschichte gereist, jedenfalls was deine Gefühle angeht. Du bist ja noch nicht einmal in der Lage zu sagen, ja ich liebe ihn.“

„Blödsinn! Ich will nur nicht. Warum auch? Es hat sowieso keinen Zweck, außer das ich mich nachher schlecht fühle.“

„Dann rate ich dir es immerzu laut hinauszuschreien, damit du endlich beginnst dir das zu holen, was du willst. Sei doch mal egoistisch.“

„Und was wenn er nicht will?“, fragte ich zaghaft.

„Na, dann holst du dir eine Abfuhr. Wenigstens weißt du, dass du alles Mögliche getan hast und kannst damit abschließen.“

„Ich könnte ihm nie wieder unter die Augen treten.“

„Ja genau, dies willst du ja jetzt schon nicht, höre auf davonzulaufen. Weißt du, wie er dich immer nannte?“

Ich nickte, „Füchsin“, sprach es Alia laut aus, „Heute verstehe ich es das erste Mal. Du kannst, für Andere kämpfen aber für dich selbst nicht, da suchst du die Flucht. Nanntest du dich deshalb Vulpe?“

„Zum damaligen Zeitpunkt erschien es mir ein passender Name“, verteidigte ich meine Wahl, obwohl ich dachte, Alia habe genau ins Schwarze getroffen.

„Außerdem steht meine Hochzeit an und ich schwöre dir, ich verspreche nie wieder ein Wort mit dir, wenn du mich im Stich lässt. Seine gesamte Familie reist an, sogar sein unausstehlicher Bruder, dann erst seine Mutter, sie soll ja eine reine Despotin sein. Und weißt du was, sie redete sich heraus, jemals mit Alischas Vorhaben zu tun zu haben. Du kannst mich mit denen nicht allein lassen, Sarah“, verlegte sie sich aufs Betteln.

Mit Erfolg muss ich gestehen, wer konnte dieser Schönheit schon etwas abschlagen, ich gewiss nicht, „Also gut, ich bleibe!“

„Und Corvin?“

„Oh nein!“, hob ich abwehrend die Hände, „von ihm halte ich mich fern.“

„Wie du meinst, nur du wirst es sicherlich eines Tages bereuen. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung.“

„Wen meinst du?“, wollte ich es zu einem Wissen zum anderen hoffte ich sie von Corvin abzubringen.

Sie durchschaute mich, „Überlege es dir, er ist es Wert.“

„Vorhin nanntest du ihn einen Schuft!“, merkte ich an.

„Ist er ja auch! Ein liebenswerter Schuft möchte ich anmerken, genau wie mein Peer“, lächelte sie verliebt.

„Warum ist er eigentlich hier, ich dachte, er bliebe bei Prya?“

„Deswegen kam er ja! Er wollte mit Corvin reden, denn irgendetwas geht vor. Sie muss sich gestern mit ihren Casanova getroffen haben. Marsé und Intha müssen es eingefädelt haben, außerdem beschäftigten sie Peer. So kam er erst später dahinter, dass dieser Kerl da war.“

„Alia meinst du nicht, man sollte Prya vertrauen? Marsé kennt sie am Besten, sie unterstützt Prya, haben wir da überhaupt ein Anrecht uns einzumischen?“

„Ich weiß nicht, wenn du es so sagst“, schränkte sie ein, „wahrscheinlich sehe ich nur das kleine Mädchen mit Zöpfen im Haar, welches sich naseweis überall einmischte.“

Wie immer saugte ich jedes Detail über Prya ein, sie trug also Zöpfe, stellte ich sie mir so vor. „Du solltest mit dem Vater reden, Sarah“, holte Alia mich aus meinen Fantasiegebilde, „dabei darfst du ruhig mit den Augen klimpern“, fügte sie unnötig hinzu. „So und jetzt raus mit dir, der Boss besteht auf eine völlig neue Möblierung in seinen Räumen, ich muss eine Auswahl treffen. Ich weiß gar nicht, wohin er alles stellen will.“

„Rate ihm doch, er soll seine Zukünftige auswählen lassen. Was vernünftig wäre.“

„Habe ich ihm auch schon gesagt, aber er verlässt sich auf mein Urteil. Außerdem entscheidet er letztendlich, was bestellt wird. Zudem soll ich für Hendrik Möbel heraussuchen, als ob er sich hier niederlassen würde. Er gibt seine Freiheit bestimmt nicht auf.“

„Und ihr zieht auf das Anwesen?“

„Ach, du weißt davon?“

„Corvin erwähnte es“, musste ich zugeben.

„Aha! Er teilt dir seine Gedanken und Pläne mit!“, trumpfte sie auf.

„Oh ja! Er erzählte mir von seinem Vorhaben, nachdem ich wir uns über meine beste Freundin unterhielten, welch eine Liebeserklärung. Was ist nun mit dem Haus? Ziehst du gern dahin?“

„Ja, ich liebe das Anwesen, zwar ist es sehr groß für zwei Personen, aber innerhalb ein paar Minuten erreichen wir die Festung. So haben wir wenigstens in unserer Freizeit ein wenig Privatsphäre“, sah sie mich an, dabei hantierte sie blind mit ihrem Computer.

Alia hatte mir einiges zum Überdenken gegeben. Sollte ich wirklich um seine Gunst buhlen? Schnell kam ich zu einem Entschluss. Nein dies überließ ich lieber anderen Frauen. Ich wusste nur zu gut, wo meine Grenzen lagen und Koketterie gehörte ganz gewiss nicht zu meinen Talenten.

Überhaupt wollte ich ihn keineswegs begegnen oder reden. Was momentan recht schwierig war, da er überall auf der Festung die Arbeiten kontrollierte, wie es bereits gestern der Fall war.

„He wo treibst du dich denn rum?“, rief Hendrik mich, „Ich warte schon eine Weile auf dich, wir malern zusammen.“

„War bei Alia“, informierte ich Hendrik, der schnappte sich gerade eine Stange, Eimer und diverse Sachen. „Wir fangen im ersten Geschoss an“, teilte er mir mit.

„Was soll ich machen?“

„Du hast keinen Plan, nehme ich mal an.“ Worauf ich nickte, nun erläuterte mir der Fachmann, was es hieß zu streichen, ermüdender ging es kaum noch. Er bemerkte mein Desinteresse, schnaufte und drückte mir schließlich einen Pinsel in die Hand, „Ecken und unten an der Wand entlang eine Pinselstärke streichen.“

„Jawohl!“, salutierte ich vor ihm und machte mich ans Werk. Nicht lange und mir wurde mein Werkzeug aus der Hand gerissen. „So!“, zeigte er mir die Handhabung. Anscheinend sah er dies als ernste Angelegenheit an, schluckte ich einen passenden Kommentar hinunter.

Mit Argusaugen beäugte er mein Treiben, da er schwieg ging ich davon aus, ich mache es richtig. Einträchtig arbeiteten wir einige Stunden zusammen. Als wir gerade die Hälfte des langen Flures geschafft hatten, hörten wir schnelle Schritte die Stufen hinauflaufen.

„Corvin!“, meinte Hendrik, die Hände in die Taschen steckend.

Allein sein Name verursachten mir Magenkrämpfe, deshalb widmete ich mich ganz und gar meiner Arbeit.

Tatsächlich er war es, „Na wie läuft es?“, fragte der Herr ich heirate bald nach.

„Ganz gut, natürlich wäre ich schneller, wenn ich jemanden mit Erfahrung an meiner Seite hätte.“

Dieser kleine miese Verräter!

„Sarah gibt sich Mühe, aber ich muss zu viele Kleinigkeiten verbessern.“

Der Herr Anstreicher übertrieb gewaltig.

„Nun ja, da können wir Abhilfe schaffen. Ich nehme Sarah mit und schicke dir Merkur.“

„Oh nein!“, sagte mein verleumderischer Freund entsetzt.

„Du hast dich beschwert und Merkur ist geübt, er hat ganz allein den Flur in der zweiten Etage gestrichen. Ich schicke ihn dir, dann sind wir bis heute Abend mit den Fluren durch. Sarah!“, forderte er mich auf.

Mit weichen Knien legte ich den Pinsel hin. „Was soll ich dann machen?“, erkundigte ich mich ohne ihn anzusehen.

„Mir fallen da so einige Dinge ein“, bekam ich Antwort. Was mich an Livio erinnerte, der mir die niedrigsten Arbeiten zuteilte.

So folgte ich dem Boss in die zweite Etage, „Warte dort auf mich“, deutete er vage in den Flur, „ich sage nur schnell Merkur, er soll Hendrik helfen.“

„Das kann ich doch auch …“

„Ich habe noch etwas mit Merkur zu bereden, gehe derweil in den letzten Raum und schau dich um. Irgendetwas fehlt dem Raum.“

Als ich diesen Gästetrakt betrat, fiel mir sofort die frische Farbe auf, kein nüchternes Weiß, auch hier eine gedeckte Farbe. Der Raum, den der Boss meinte, zeigte kein reines Hotelzimmer, zwar stand ein Doppelbett und Schrank da, auch eine kleine Sitzgelegenheit, aber trotzdem wirkte er eher für eine Privatperson.

Er wirkte geradezu gemütlich, jeder Hotelgast konnte sich hier wohlfühlen, spähte ich ins Bad. Dusche und WC wirkte es hier recht nüchtern. Vielleicht etwas Nippes hier und da, mit farbigen Handtüchern, wirkte bestimmt Wunder.

Dies schaffte auch die resolute Frau in meinen Haus, Corvin sollte sie fragen und nicht mich. Hier gab es keine Klingen zu schärfen, was eindeutig mein Fachgebiet war.

„Und was sagst du?“

Zum wiederholten Male bemerkte ich seine Nähe nicht, diesmal fiel es mir extrem auf, da wir auf dieser Etage allein waren.

„Sehr gemütlich nur im Bad fehlt noch etwas, du solltest Alia oder Gerlinde fragen, sie ist …“

„Ich weiß, wer sie ist, schließlich kosteten sie mich einen Batzen Geld!“

„Natürlich, ich werde meine Schulden bezahlen, darauf kannst du dich verlassen.“

„Ach das“, wedelte er nichtssagend mit der Hand, „darüber mache ich mir keine Sorgen. Auch wollte ich dich nicht als Raumausstatter befragen, sondern wollte mit dir über die Vorkommnisse von …“

„Oh! Ja, sobald Alia und Peer verheiratet sind verschwinde ich. Du wirst mich nicht wiedersehen das schwöre ich dir“, sagte ich schnell, „Es tut mir Leid, ich weiß auch nicht, was ich mir dabei dachte …“, die Klinke bereits in der Hand wollte ich wirklich das Weite suchen. Ich war auf den besten Weg, die Festung, das Land, den Kontinent zu verlassen.

„Wirklich du urteilst zu schnell und bist schon wieder auf der Flucht. Eigentlich wollte ich diesen Kuss nun zu Ende bringen.“

Wie in Zeitlupe drehte ich mich um, „Du willst was?“

„Wie du dich bestimmt erinnern kannst, wiederhole ich mich ungern“, bewegte er sich auf mich zu.

„Aber du willst heiraten! Deine Frau …“

„Heute Morgen störte es dich keineswegs. Im Gegenteil du tatest den ersten Schritt, wenn ich mich recht entsinne“, zog er die Stirn kraus, als ob er überlegte, dabei kam er Schritt für Schritt näher, „Nun beende ich lediglich den Kuss.“

„Nein das geht nicht! Außerdem müssen wir uns über Prya unterhalten.“

„Du führst tatsächlich unsere Tochter an? Bei Gott, das kann warten, gerade interessiert es mich kein Deut, was sie treibt. Ich denke eher an deine verführerischen Lippen, deinen Körper, der mehr versprach, als du jetzt gerade zu geben bereit bist.“

„Weil es falsch ist! Bald bist du ein verheirateter Mann und ich Ehre dieses Gelöbnis.“

„Dann ist es ja gut, dass ich noch ungebunden bin, nicht wahr“, zielte sein Augenmerk auf meinen Mund, den ich fest zusammenkniff.

Was ihn zum Lächeln brachte, „Du weißt genau, wie man mich reizt, die Herausforderung nehme ich nur zu gern an.“

Hinter meinen Rücken tastete ich hektisch nach der Klinke, obwohl ich sie niederdrückte rührte sich die Tür keinen Deut. Er hielt sie geschlossen, diese verdammten alten Vampire mit ihren Fähigkeiten. Er hatte mich in eine Falle gelockt, auf dieser Etage wurde nicht gearbeitet, sollte ich schreien? Irgendein feinsinniger Geist würde mich schon hören. Ross, ja der bekam sogar das Wachsen von Pflanzen mit.

Nun stand er direkt vor mir, was sollte ich tun, bei einem Kuss würde es nicht enden und ich war schon lange über meine niederen Instinkte hinweg, jetzt regierte der Verstand. Ich tat das einzig Mögliche und zog das Knie mit aller Kraft hoch. Zwar traf ich nicht genau, aber es genügte, um ihn einen Moment die Fassung verlieren zu lassen.

Die Tür bewegte sich und in einen Affenzahn suchte ich mein Heil in der Flucht. Hinter mir vernahm ich schnell aufholende Schritte, anscheinend verfehlte ich ihn vollkommen, Schade eigentlich. Im gleichen Augenblick erreichte ich den Hausflur und stob die Stufen hinunter.

Einen Blick wagte ich nach oben, er stand auf dem Absatz und sah zu mir herunter, grinsend nickte er mir zu. Ein Versprechen wurde mir bewusst, zugleich spielten zwei unterschiedliche Gefühle zu einen Tanz auf, Hoffnung und Schmerz gaben sich die Ehre.

In Panik landete ich schließlich in der Halle, dort traf ich auf Henry, „Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als wäre dir der Leibhaftige persönlich begegnet.“

Ich konnte den verzweifelten Schluchzer nicht unterdrücken, Henry sah sich grimmig um und führte mich hinaus in den Hof. In einer ruhigen Ecke fragte er: „Was ist los?“

Alles brach aus mir heraus, aber auch alles, meine Erinnerungen, die Zeit in Granada, die Eifersucht auf Selina und Charly und zum Schluss das Schlimmste mein Unvermögen zuzugeben, was ich empfand.

Er hörte zu, reichte mir ein Taschentuch nach dem anderen, einen Moment fragte ich mich, ob er immer mit solchen immensen Vorräten herumlief, als ich endlich ruhiger wurde schaute ich ihn aus verweinten Augen an, „Eine schöne Misere nicht wahr und nun darf ich zusehen, wie er heiratet. Wie nett diese Frau auch sein mag, ich verabscheue sie jetzt schon.“

„Noch ist er nicht verheiratet!“, merkte er an und gab mir den gleichen Rat wie Alia am Morgen.

„Das kann ich nicht! Er ist verlobt und ich Ehre nun einmal Gelöbnisse. Soll ich mich als Buhle betätigen? Was ich sowieso nicht kann, er wird mich höchstens auslachen und das könnte ich nicht ertragen.“

„Du verstehst mich falsch, Sarah. Sei ganz natürlich, gegen schmachtende Augen, sinnliche Lippen und verführerische Körper ist Corvin gefeit, aber nicht gegen deine … äh sagen wir unkonventionelle Attribute.“

Ich muste lachen, „Sag doch gleich das ich der totale Versager bin.“

„Oh nein, du bist etwas Besonderes …“

„Nun höre auf zu schmeicheln, ich weiß sehr gut, wie ich aussehe, wie Corvin sich je in mich verlieben konnte ist mir schleierhaft. Aber danke für deinen Versuch und danke das du dir für mich Zeit genommen hast. Ich werde die nächsten Tage ertragen, danach suche ich mir einen Job, der mich vollauf beansprucht“, drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange.

„Gib nicht auf, Sarah! Ihr gehört zusammen, ich weiß es einfach.“

„Kaum, ansonsten wären wir ein Paar“, stand ich auf, „So nun werde ich mal sehen, wo ich mich nützlich machen kann, damit die Hochzeit meiner Freundin nicht verschoben wird.“

„Was einer Katastrophe gleichkäme“, stimmte mir Henry zu, „Darf ich fragen, welche Ausrede du bei deinem Vater anführen willst?“

Mir wurde auf einmal ganz schwummerig, wie konnte ich das vergessen! Hoffentlich feierten sie ihre Trauung bald, bevor die Braut antrat. Hilfe aber auch, sie alle waren dem Wahn der Heirat verfallen. Was soll dieser Wahn? Warum, fragte ich Henry.

„Nun ja“, antwortete er mir, „dieser Krieg kostete vielen guten Vampiren das Leben. Da wird man nachdenklich und es wird einem bewusst, wie kurz ein Leben sein kann.“

„Das ist doch übertrieben! Nur weil ein Vampir die Macht an sich reißen wollte.“

„Solche Situationen gibt es immer wieder, wir wurden auf schmerzliche Art erinnert, dass wir nicht ewig leben. Deshalb sollte man sein Glück festhalten und genießen, solange es geht.“

„Ja, vielleicht“, wusste ich darauf keine Antwort. Ihm zuwinkend ging ich zurück in die Halle, dort schloss ich mich den ersten Trupp an, dem ich begegnete. Fußböden scheuern konnte ich ganz gut, stellte ich an diesem Nachmittag fest.

 

Kapitel 63

Die Renovierung der Festung schritt gut voran. Die Geschwindigkeit, mit der es geschah, würde jeden Menschen den Atem nehmen. Ich hörte, der Gästetrakt sei soweit fertiggestellt, es fehlten einige Möbelstücke, die morgen angeliefert werden sollten. Zudem wurde getuschelt, Marsé und Prya wollen am Abend ihre Zimmer beziehen.

Diesem Gerücht wollte ich nachgehen, deshalb suchte ich Hendrik, wenn es einer wusste, dann er. Er schien wie vom Erdboden verschwunden zu sein, niemand konnte mir sagen, wo er sich aufhielt.

Bestimmt im Turm, dort wurde auf Hochtouren gearbeitet, genau dorthin wollte ich auf keinen Fall. Selbst von Alia fand ich keine Spur, ihr Büro lag verlassen da. Diederich schnauzte mich an, als ich nach Alia und Hendrik fragte, ich solle sie im Turm suchen gehen.

Rosmerta hielt mir einen schmerzhaften Vortrag, wie ich einem bestimmten Vampir entfliehen kann, wenn ich es wirklich wollte. Was sie stark bezweifelte, wie ich erfuhr.

Mit einigen Beulen entkam ich ihr und gab meine Bemühungen auf. Morgen früh würde ich es erfahren, auf einige Stunden kam es jetzt nicht an. Außerdem könnte ich bei ihrem Einzug sowieso nicht dabei sein, denn Corvin wollte sicher Mutter und Tochter die Fortschritte der Renovierung zeigen.

Da die Arbeiten am Abend eingestellt wurden, begab ich mich ins Dorf. Dort besuchte ich Endris Andenken. Ich weiß auch nicht, warum gerade jetzt, es erschien, mir richtig. Dank der Erinnerungen, die Ross mir vermittelte, sah ich ihn ganz deutlich vor mir.

Mir fehlten meine Freunde, die Gemeinschaft die damals in Fenils herrschte, selbst als wir in Granada waren, gab es nur wenige Augenblicke, in denen wir kameradschaftlich verbunden waren.

Wurde es je wieder so? Ich zweifelte daran, Vergangenes konnte man nicht aufleben lassen. Weder sollte man in der Vergangenheit noch in der Zukunft leben, nur das Hier und Jetzt zählte.

Ja, der Moment, in dem man lebte, musste ausgekostet werden. Was danach geschah, stand in den Sternen, es gab viele Möglichkeiten. Eine geringfügige Entscheidung und schon verlief das weitere Schicksal in ganz andere Bahnen.

„Mit welchen ernsten Problemen schlägst du dich herum?“

Schon wieder, bemerkte ich sein nahen nicht, warum nur? Wollte ich es nicht? Wahrscheinlich ja! „Ich dachte gerade an Endris, an Entscheidungen, das Schicksal und wie wertvoll der Augenblick ist. Die Zukunft liegt unbekannt vor uns. Wer kann schon sagen, was der Morgen bringt.“

„Bedingt richtig will ich meinen. Ich kann mir ein Leben ohne Planung kaum vorstellen.“

Ich lächelte, „Nein du musst alles in deiner Hand behalten. Die Kontrolle würde dir ansonsten entgleiten“, meinte ich ganz ernst, ohne beleidigend zu wirken.

„Wenn es nur so einfach wäre, doch im Grunde stimme ich dir zu. Unsere Tochter entzieht sich meiner Kontrolle, ich habe gerade mit ihr geredet, sie bleibt bei ihrer Entscheidung und nun will sie ihren Ritter in der weißen Rüstung direkt nach Vlad und Muse heiraten.“

„Ein ansteckendes Phänomen! Vielleicht solltet ihr daraus eine vierfache Hochzeit machen.“

„Welch frevelhafte Gedanken, Sarah. Der Braut und dem Bräutigam gehört dieser Tag und nicht vier Paaren.“

„Viele Feiern, wenn du dran bist, läuft alles wie geschmiert.“

„Du meinst, wir sollen Prya ihren Willen lassen?“, runzelte er die Stirn.

„Ich meine, wir sollten Prya genügend Vertrauen schenken. Ich weiß ich kenne sie nicht so gut“, schränkte ich ein, „aber was ich über sie erfuhr, lässt mich glauben, sie weiß, was sie tut.“

„Ja ich muss dir recht geben, wir gaben ihr das Beste von uns mit. Also gut, wir werden Prya mit unserer Entscheidung überraschen“, stimmte er mir zu, was mich verwunderte, anhand seiner früheren Einstellung.

„Sofort?“

„Nein, heute Nacht darf sie noch einmal so richtig wütend auf mich sein“, grinste er schadenfroh.

„Du bist unmöglich!“, boxte ich ihm leicht in den Magen.

Er hielt meine Hand fest, „Ich weiß!“, sah er mir in die Augen und hielt inne, „Ich weiß!“, wiederholte er tief aufatmend.

Bevor er weiterredete, sagte ich, „Du wolltest einen Kuss! Na gut, dann küsse mich und danach vergessen wir die Angelegenheit.“

Noch immer meine Hand haltend, schmunzelte er, „Wenn es nur so einfach wäre. Wir wissen beide, es bleibt nicht bei dem einen Kuss, heute Morgen hätten wir beinahe eine Schwelle übertreten und nur die drei Damen im Nebenzimmer hielten mich auf.“

„Oh!“, nun verstand ich, „Deshalb gingst du!“

„Eine Minute länger und es wäre mir egal gewesen. Nun was machen wir, unterdrücken wir unsere Triebe oder leben sie aus? Was meinst du?“

Es war schwer einen klaren Gedanken zu fassen, er schaute mich eindringlich an, was mich bis ins Mark erschütterte, zudem strich er sanft mit dem Damen über meine Hand. Allein dies entfachte meine Lust und was war so falsch daran? Dachte ich es nicht erst vorhin?

Nur das Jetzt zählt, was der morgige Tag brachte, wer wusste es schon. „Du gehst das Wagnis ein!“, drückte er meine Hand fester, als ob er befürchtete, ich laufe davon.

Vor Aufregung konnte ich nur nicken, die leise Stimme des schlechten Gewissens unterdrückte ich mit aller Macht. Noch gehörte er nicht zu dieser Frau, noch nicht!

„Also gut! Schleich dich durch die Halle, im Hof steht ein silberfarbener Wagen, ich komme, so schnell es geht nach“, drückte er mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.

Mit einem Male hatte ich es eilig, sehr eilig, ich wollte eine letzte Nacht mit ihm verbringen. Eine gestohlene Nacht des Glücks erleben. Corvin folgte mir, „Du wartest doch?“, fragte er mich unsicher, „Zuerst rede ich mit Henry, einer muss mir den Rücken frei halten, ansonsten befürchte ich einen Suchtrupp.“

„Du willst es ihm sagen?“, fragte ich geschockt, auf Mitwisser konnte ich verzichten, es wäre mir peinlich, auch wenn es Henry war.

„Nein, ich lasse mir eine Ausrede einfallen, du solltest auch jemanden sagen, dass du über Nacht fort sein wirst.“

Nun musste ich lachen, „Immer gut vorbereitet, nicht wahr?“

„Planung ist alles“, drückte er mich spontan an sich.

„Nicht! Es könnte uns jemand sehen!“, entzog ich mich aus seiner Reichweite.

„Na und!“, sagte er mutwillig.

„Mir aber nicht! Ich habe keine Lust auf weitere Predigten.“

„Gehst du nun endlich? Ansonsten schleppe ich dich in irgendein Schlafzimmer und allein du wirst für die Folgen verantwortlich sein.“

Also marschierte ich eilig ins Haus, die blinde Alte verließ es kaum, „Mathilda?“, rief ich laut, die Antwort kam umgehend aus der Küche.

„Ich werde über Nacht fort sein, nicht dass ihr euch Sorgen macht“, drehte ich mich auch schon wieder um.

„Und wo wirst du sein, falls man dich erreichen möchte?“

Auch das noch! Ja wo? „Morgen früh bin ich wieder da, solange müsst ihr halt warten“, sagte ich unfreundlicher als ich eigentlich wollte.

„Verstehe, junge Dame! Und du nächtigst ohne Gepäck woanders? Eine Frau sollte immer vorbereitet sein, mein Kind. Auch wenn du es eilig hast, in den Armen deines Geliebten zu kommen, nimm ein paar notwendige Sachen mit“, hob sie ein wenig ihre Nase, „Oh er ist es! Hoffentlich verbrennst du dir nicht die Finger, er wird bald verheiratet sein.“ Selbst eine Blinde konnte mir alles an der Nasenspitze ablesen, stellte ich ernüchtert fest.

„Was du nur denkst! Ich nächtige lediglich woanders!“, und lief nach oben, dort warf ich einige Utensilien in meine Tasche. Anschließend konnte ich nicht schnell genug das Haus verlassen, aus Angst noch weitere unerwünschte Ratschläge zu bekommen.

Ohne Probleme erreichte ich die Halle, gerade die Hälfte schaffte ich, als Henry vom Hof hereinkam. „Sarah!“, rief er erfreut, „Was stellen wir heute Nacht an? Unser allmächtiger Boss verließ gerade die Hallen!“

„Wer Corvin?“, tat ich unschuldig. So sollte es bestimmt nicht laufen.

„Gibt es noch einen anderen?“

„Ach ich dachte an Vater!“

„Wieso ist er mein Boss? Willst du irgendwohin?“, kniff er misstrauisch die Augen zusammen, nachdem er meine Tasche erspähte.

„Ich wollte in die Stadt, ein Geschenk für Alia und Peer besorgen“, viel mir nichts Besseres ein.

„Aber wir werfen alle zusammen! Wieso willst du jetzt ein extra Geschenk besorgen?“

Typisch Mann! Verlagerte ich mich auf Angriff, „Alia, ist meine Freundin, natürlich besorge ich ihr ein Geschenk. Du kennst doch den Brauch, etwas Geliehenes, etwas Altes, etwas Neues! Ich hole halt etwas Neues. Kapiert?“

„Ach so! Soll ich mitkommen? Ich weiß, was Frauenherzen höher schlagen lässt. Außerdem ist es schon ziemlich spät, vielleicht sollten wir morgen früh in die Stadt fahren, was hältst du davon?“

„Gar nichts! Weil Morgen wieder eine Menge Arbeit auf uns wartet! Wer weiß, wann wir Feierabend machen, der Boss drängelt ganz schön.“

„Warte eine Minute, dann fahren wir gemeinsam“, wollte er an mir vorbei.

„Ich kann bereits allein einkaufen, Henry!“, marschierte ich resolut auf den Ausgang zu.

„Ist ja schon gut! Musst mich ja nicht gleich so anraunzen!“

Ob er noch etwas sagte, wusste ich nicht, ließ ich die Halle und Hof hinter mir. Hoffentlich wartete Corvin auf den Zufahrtsweg zur Festung auf mich, nicht dass er dachte, ich sei bereits im Wagen.

Meine Sorge hielt nicht lange an, kaum das ich das Tor durchschritt, sah ich es silbern durch das Buschwerk aufblitzen, ich beschleunigte meine Schritte. Die Beifahrertür öffnete sich und kaum das ich einen Fuß in den Wagen setzte, fuhr er schon an.

„Geschafft!“, sagten wir gleichzeitig. Wir schauten uns an und lachten wie kleine Kinder drauf los. „Wohin geht es?“, wollte ich schließlich wissen.

„Ganz in der Nähe besitze ich ein Gestüt, dort sind meine Pferde und einige Nutztiere des angrenzenden Dorfes untergebracht. Es gibt ein Haus, welches ich ab und zu bewohne. Zum Beispiel wenn ich meine Ruhe haben möchte, ziehe ich mich dorthin zurück. Ich weiß, es ist nicht besonders komfortabel, sondern eher rustikal“, es klang nach einer Entschuldigung.

„Hört sich doch gut an“, stellte ich mir eine windschiefe Bruchbude vor. Nicht unbedingt die beste Bleibe für ein romantisches Abenteuer.

Ich revidierte mein vorschnelles Urteil, da stand ein richtiges Haus, ähnlich wie mein Eigenes nur ohne ein weiteres Stockwerk und von der Grundfläche ein wenig größer.

Innen gab es einen offenen Wohnraum, der mit derben Holzmöbeln ausgestattet war. Es roch nach Leder und Pferd, zu meiner Überraschung mochte ich diesen Duft.

„Können wir uns die Pferde ansehen?“, fragte ich zaghaft nach und bereute meine Bitte schon, da er bestimmt nicht mit mir gesehen werden wollte.

„Dann aber sofort! Der Stallknecht füttert pünktlich und danach darf niemand mehr den Stall betreten, er ist in dieser Beziehung sehr eigen“, schnappte er schon nach meiner Hand.

Bewundernd ging ich von einer Box zur anderen, jedes Pferd sah für mich edel und schön aus, besonders ein schwarzes Tier mit einem weißen Punkt auf der Stirn gefiel mir.

Der Boss ganz stolzer Besitzer kannte jedes Pferd mit Namen und wusste von den unterschiedlichen Temperamenten zu erzählen. „Ich weiß noch, als Kind wollte ich mal reiten lernen“, fiel mir die Begebenheit ganz natürlich ein, „aber die Tiere scheuten vor mir, ich war darüber sehr traurig.“

„Diese Pferde scheuen nicht vor dir, sie sind an unsere Spezies gewöhnt. Wenn du möchtest, bringe ich dir das Reiten bei.“ Was niemals geschehen wird, dachte ich.

„Es ist gar nicht so schwierig und ich habe das perfekte Pferd für dich“, ging er zur übernächsten Box, „Komm stelle dich dem alten Felix vor, er ist lahmfromm.“

Sanfte kluge braune Augen sahen mich an, ich verliebte mich sofort in ihn, „Felix“, streckte ich dem Braunen meine Hand entgegen, woran er vorsichtig schnupperte.

„Er mag dich!“, meinte Corvin freundlich, was ich bezweifelte, ließ ihn aber in dem Glauben, da er in diesem Augenblick glücklich, nein zufrieden wirkte.

„Felix“, meinte ich sinnend ihm einen Kuss auf die Nüstern gebend.

„Na na alter Mann, diese Frau gehört heute Nacht mir!“, drückte er mir im gleichen Moment einen Kuss auf die Lippen, dabei zog er mich eng an sich, was ich mir gern gefallen ließ. Ein Räuspern beendete die traute Zweisamkeit, „Es ist Fütterungszeit!“

Der Stallknecht sah uns böse an, als ob er uns bei einem Verbrechen erwischte. Arm in Arm schlenderten wir zurück zum Haus, „Er ist wirklich sehr streng“, kicherte ich.

„Ja, wir können froh sein das er keine Peitsche zur Hand hatte.“

„Er würde sich ausgezeichnet mit Rosmerta verstehen“, blieb ich stehen, ich zögerte, nun kurz vor dem unausweichlich Kommenden. Handelte ich wirklich richtig?

Spürte er mein Zögern oder ahnte er es, „Wenn du möchtest, bringe ich dich sofort Heim“, hob er mein Kinn an.

Gerade dieses Angebot ließen alle Zweifel vergehen. Weder bestürmte er mich, noch verlangte er. „Nein schon gut, ich denke, ich bin in diesen Dingen recht unerfahren.“

„Du musst nur ein Wort sagen Sarah …“, mit einem Kuss schnitt ich ihm das Wort ab. Da standen wir nun, eng umschlungen küssend, unser Verlangen schürend.

Ich ließ all meine Bedenken fahren und schickte meine Hand vorwitzig auf Wanderschaft. Corvin stöhnte leise auf, hob mich hoch und trug mich ins Haus. Nicht schnell genug für mich, die Gier auf ihn wurde übermächtig, ich wollte ihn Hier und Jetzt.

Es schien, als errate er meine Gedanken, fühlte ebenso wie ich, die Tür schlug hinter uns laut krachend zu, er setzte mich direkt im Flur auf dem Schränkchen ab.

Wie von Zauberhand flogen die Knöpfe meiner Bluse auf, indessen öffnete ich seinen Reißverschluss. Gefangen in der Gier nach ihm wölbte ich mich ihm entgegen, er benötigte keine weitere Aufforderung, mit einem Knurrlaut hantierte er an meiner Hose, „Himmel du solltest in meiner Gegenwart Kleider tragen, am Besten ohne Höschen“, stellte er mich auf die Beine um mich gleich darauf von dem leidigen Stück Stoff zu erlösen.

Dies war der letzte klare Gedanke in dieser Nacht, in der wir uns Meter für Meter dem Schlafzimmer näherten. Wie von Sinnen ließen wir unserer Lust freien Lauf, welche mehr und mehr verlangte.

Der Tag dämmerte bereits als ich, wie aus einem Traum zu mir kam. „Es wird hell!“, sagte ich mit rauer Kehle und völlig unnötig, die Seifenblase, in der wir uns befanden, zerplatzte.

Er reichte mir sein Glas mit dem restlichen Rotwein, ich schüttelte den Kopf, ein Wasser wäre mir lieber, „Gibt es in deiner bescheidenen Hütte ein Bad?“

Mit dem Kopf deutete er auf eine Tür, nackt stieg ich aus dem Bett, meine Knie butterweich trugen mich gerade eben nach nebenan. Dort ließ ich das Wasser laufen, bis es frisch und kalt über meine Hand rann. Durstig trank ich einige Schlucke und wusch mir anschließend das Gesicht.

Als ich in den Spiegel blickte, schaute ich in große klare grüne Augen, die mir zufrieden entgegenblickten. Rote geschwollene Lippen, die verrieten, was sie in den letzten Stunden trieben.

Nochmals benässte ich mein Gesicht, so konnte ich mich auf der Festung nicht sehen lassen. Die Realität holte mich schneller ein, als ich wollte. Als ich mit meinem Werk einigermaßen zufrieden war, kehrte ich ins Schlafzimmer zurück.

Corvin saß vollkommen bekleidet auf dem Bett, indem wir uns noch vor einigen Minuten liebten. „Sarah, wir müssen reden, die letzte Nacht …“, meinte er mit gerunzelter Stirn.

So, es war soweit! Plötzlich schämte ich mich entblößt dazustehen, „Schon gut, du musst nichts sagen! Eine Lappalie, die nun vorbei ist. Wir vergessen es einfach“, suchte ich meine Klamotten zusammen, die ich unter dem Arm raffend auflas.

Im Wohnraum zog ich mich schnell an, ich wollte so schnell wie möglich fort, fort von ihm, „Eine Lappalie“, hörte ich ihn nebenan sagen.

Erwartete er eine Antwort? Darum kümmerte ich mich nicht weiter, sondern sagte, dass ich fertig sei und wir los können. Bevor ich hinausgehen konnte, rauschte Corvin bereits an mir vorbei.

Er fuhr wie ein Besessener die Straßen entlang, wahrscheinlich wollte er mich schnell loswerden. „Hier kannst du anhalten, den Rest des Weges laufe ich.“

Eine Vollbremsung stoppte den Wagen, „Darf ich dir noch etwas sagen?“, fragte er nach.

„Wozu große Worte machen, ich sagte es ja schon, es war eine schöne Nacht und nun ist sie vorbei! So ist es doch bei One Night Stands, oder? So viel Ahnung habe ich nicht davon, da bist du mir um einiges voraus.“

Zum Glück war ich schon ausgestiegen, er raste ohne Vorwarnung los, die Beifahrertür noch geöffnet, wie sensibel er heute Morgen war, dachte ich zynisch. Wahrscheinlich passte es ihm nicht, das ich ihm zuvorkam, solche Kerle beendeten die Affäre und nicht umgekehrt.

Im Hof herrschte Hochbetrieb, drei Lastwagen standen dort, wie es aussah, wurden die fehlenden Möbel angeliefert. „He Sarah, dort drüben sind die leichteren Stücke, sie kommen erst einmal ins Frühstückszimmer“, wurde mir zugerufen.

So mischte ich mich ganz unauffällig zwischen das arbeitende Volk. Meine Tasche legte ich ungesehen hinter der Rezeption ab, die konnte ich später holen.

Zwar schaute Hendrik mich einen Moment komisch an, dann grinste er: „Endlich mal einen Rat angenommen? So ist es richtig, eine heiße Nacht weckt die Lebensgeister. Geh aber die nächsten Stunden deinem Vater aus dem Weg, er wird nicht gerade begeistert sein“, lachte er sich eins ins Fäustchen.

Wenn er völlig verausgabt zur Festung kam, davon redete er nicht! Nein! Sein Vater hielt ihm auch keine Vorträge. Sowie meiner es tat, sah ich grimmig hinter ihm her.

Plötzlich wurden mir die Augen zugehalten, „Rate, wer da ist!“, bekam ich einen Kuss in den Nacken. „Igitt!“, wurde ich sofort losgelassen, „Du schmeckst ja nach …“

„Till!“, rief ich überlaut und umarmte ihn heftig, „Ein Wort und ich schneide dir die Kehle durch!“, raunte ich ihm ins Ohr.

„Hab ich was gesagt?“, erwiderte er grinsend, ich wusste, mein Geheimnis war sicher aufgehoben. „Was gibt es Neues in der alten Burg und sag mir nicht Möbel, das sehe ich auch.“

„Wie wäre es mit Heiratswahn? Alia und Peer, mein Vater und Muse, unser Boss und eine geheimnisvolle Unbekannte sowie Prya mit ihrem Geliebten.“

„Nicht du?“, entfuhr es ihm überraschend.

„Wie kommst du denn darauf?“, schaute ich mich um, hoffentlich bekam niemand seine Worte mit.

„Ja wie wohl! Von Peers Absichten wusste ich, deshalb bin ich ja hier, schließlich gehöre ich zu seinen Trauzeugen, sind Eric und Malech schon eingetroffen?“

„Bis jetzt noch nicht und Malech soll auch kommen? Ich habe ihn schon vor dem Kampf nicht mehr gesehen.“

„Kein Wunder, er und seine Leute haben ganze Arbeit geleistet. Ich habe vorher nie viel von diesen Söldnern gehalten. Malech hielt Wort, trotz enormer Bestechungsgelder, was ich ihm und seiner Sippe hoch anrechne.“

„Er wurde bestochen, wusste ich gar nicht.“

„Schon in Granada, ich glaube der Erste, der es versuchte war, Monseigneur, danach verdoppelten sich die Angebote fast täglich. Wie gesagt, er hielt Wort ohne einen Pfennig zu verdienen.“

Wir traten ein wenig beiseite, da weiter Möbel in die Festung verfrachtet wurden. Während er über Malech sprach, beobachtete er das Treiben, „Wird alles umgekrempelt?“

„Renoviert! Der Boss will alles für seine Braut neu herrichten.“

„Kommst du damit zurecht?“, lag echtes Interesse in seiner Frage, so antwortete ich ehrlich, „Bis zu Alia´s und Vaters Hochzeit bleibe ich, danach verschwinde ich umgehend. Ich hoffe nur, ich finde einen Job.“

„Tja es wird schwierig, zwar sind viele gute Krieger gefallen, aber wie immer nach einem Krieg, sind Kämpfer kaum gefragt. Hast du irgendeine Aussicht woanders unterzukommen?“

„Als was denn?“

„Naja, Eric und ich gehen wieder unseren alten Jobs nach.“

„Welche alten Jobs?“, wollte ich wissen, dabei stellte ich sie mir als Holzfäller oder Schmied vor.

„Als Versicherungskaufmann! Ist zwar nicht so aufregend, aber man verdient ganz gut, ein lauer Job, kann ich dir sagen.“

„Das glaube ich dir nicht!“

„Kannst du aber, bevor wir nach Fenils abkommandiert wurden, haben wir in genau diesem Job gearbeitet.“

„Du verulkst mich doch!“

„Nein, irgendwie muss man sich seinen Lebensunterhalt verdienen. Frage den Boss, er wird dir sicher einen guten Arbeitsplatz besorgen, er besitzt ja genügend Firmen.“

Alles nur das nicht, schwor ich mir.

„Was ist mit Matt und Peer? Diederich?“, konnte ich die Neuigkeit schwer verdauen.

„Matt arbeitete in einem Labor und Peer war Buchhalter, was Diederich tat, da bin ich überfragt.“

„Aber Geirrod, er bildete Jungvampire aus.“

„Und dies wird er weiterhin mit Livio und Diederich zusammen, hab ich jedenfalls gehört.“

Und ich konnte nur einen ungelernten Beruf als Bürogehilfin aufweisen, schöne Aussichten, die da auf mich zukamen. „Aber was ist mit Vater und Henry?“, konnte ich sie mir in keinem Büro vorstellen.

„Was soll mit ihnen sein? Sie werden weiterhin die rechte und die linke Hand des Bosses sein. Als Ratsmitglied wird er sie benötigen, keine leichte Aufgabe nach der Auflösung des Rates, aber irgendwer muss den Job ja erledigen. Du könntest ja als sein Leibwächter fungieren“, begann er zu lachen, typisch für ihn über seine eigenen blöden Witze zu wiehern.

„Solltest du dich nicht mal bei irgendjemandem melden?“, giftete ich ihn an.

„Sollte ich wohl, bevor du mich in Stücke zerreißt. Bis später, Sarahmäuschen“, meinte er feixend. Manchmal könnte man Till einfach den Hals umdrehen, nahm ich die Arbeit als Möbelpackerin wieder auf.

Als dies erledigt war, holte ich unauffällig meine Tasche, wobei ich sofort erwischt wurde, „Wieder eine Nacht außer Haus?“, fragte Henry schmunzelnd, „Darf ich erfahren, was du heute angeblich besorgen möchtest, oder lügst du mich wieder frech an?“

„Steck deine Nase in deine Angelegenheiten!“, ging mir seine Neugier auf den Zeiger.

„Schlechte Laune? Hm, war die Nacht enttäuschend? Schade Sarah wirklich schade, du hättest sie mit jemandem verbringen sollen der …“, er hielt mitten im Satz inne, bekam große Augen, als er einen Punkt hinter mir fixierte, dann klatschte er sich die flache Hand an die Stirn, grübelnd an seiner Unterlippe kauend, bevor seine blauen Augen schalkhaft aufblitzten, „Ach Corvin, letzte Nacht alles erledigt?“

Mir wurde heiß und kalt zugleich, „Ja!“, kam die knappe Antwort vom Boss, Henry nickte zufrieden, „dann wirst du die nächsten Nächte auf der Festung bleiben?“

„So ist es geplant, wieso?“

„Ach nichts, ich wollte nur wissen, wie viele Bezirkstrottel es auf der Festung gibt. Zwei kenne ich leider nur zu gut!“, marschierte er giggelnd und fluchend zugleich auf den Turm zu, „Ich muss unbedingt mit Marsé reden, so geht es auf keinen Fall weiter!“, war das Letzte, was ich hörte.

„Was ist denn in ihm gefahren?“, fragte der Herr niemand wird es erfahren.

„Was wohl? Henry hegt einen bestimmten Verdacht und will anscheinend seine neueste Erkenntnis deiner Mutter mitteilen.“

„Er will was?“, sah er mich ungläubig an.

„Weißt du, manchmal bist du echt beschränkt!“, ließ ich ihn stehen, die Tasche unter dem Arm geklemmt und ging den kürzesten Weg hinaus in den Hof, nur um ihn nicht mehr zu sehen.

Und ich eilte wirklich durch das Tor, nur fort aus seiner Nähe, von Marsé, die sicherlich bestens informiert war. Vielleicht auch Prya, Intha, Rosmerta jagten die Gesichter vor meinem inneren Auge vorbei, schlug ich mich in den nächsten Busch, um nicht gesehen zu werden.

Dort verharrte ich die nächste Stunde, mit mir hadernd, auf Corvin sowie auf mich schimpfend. Was sollte ich tun? Verschwinden? Wogegen sich alles in mir sträubte, ich lief nicht einfach weg, sondern stellte mich meinen Gegner.

„So ist es richtig!“

Der Busch bekam für einen Außenstehenden ein Eigenleben, denn vor Schreck zuckte ich zusammen, als Ross wie aus dem Nichts neben mir hockte. „Was machst du hier?“

„Dich beobachten!“ Wenigstens sprach er die Wahrheit.

„Warum denn das? Ich benötige keinen Aufpasser!“

„Aufpasser? Ich achte aus der Ferne auf dich, was ich schon immer tat, seitdem ich dich kenne.“

„Dann weißt du …?“, wagte ich es nicht auszusprechen.

„Ja! Und mach dir keine Gedanken, Henry erzählte niemanden ein Wort. Er wollte lediglich eure Reaktion testen was ihm gelang, nachdem Corvin ihn wie ein Berserker anging. Manchmal ist er ein ganz gerissener Hund, der Henry“, lächelte Ross vielsagend, „Ich wunderte mich schon gestern Abend, als er euch verabschiedete, und zweifelte schon an seinem Verstand, aber manchmal braucht man halt etwas länger, um etwas zu begreifen.“

Wen und was meinte er, bestimmt sprach er gerade nicht von Henry, so gut kannte ich ihn bereits. Wollte ich auf seine Anspielung eingehen? Nein entschied ich mich, was er respektierte. „Dann willst du also nach den Feierlichkeiten fort!“

Wieder so eine These, auf dessen Reaktion er wartete, ich stimmte ihm knapp zu, „Wie willst du deine Brötchen verdienen? Als Krieger oder Leibwächter kaum, momentan fühlen sich alle sicher. Eine schlechte Zeit für Kämpfer“, meinte er völlig überflüssig, wie ich fand.

„Ich werde schon was finden“, entgegnete ich kurz angebunden.

„Du willst nicht mit mir über deine privaten Schwierigkeiten reden, verstehe. Was ich allerdings keinesfalls begreife, warum? Bin ich etwa ein alter Trottel, der die Jugend nicht versteht? Dabei dachte ich, ich hätte mich gut an dieses Zeitalter angepasst.“

Ich lachte, „Was ich bestätigen kann“, drückte ich ihn kurz, „Es liegt allein an mir, ich brauche einfach meine Zeit. Sobald ich soweit bin, werde ich mit euch reden.“

„Was bedeutet du teilst uns deine Pläne mit“, nickte er, „Nun damit muss ich mich wohl zufriedengeben“, erhob er sich und hielt mir seine Hand entgegen, „Eines muss ich dir sagen, Sarah“, ich wusste von Anfang an, so leicht kam ich nicht davon, „Was auch immer geschieht, verstecke dich nicht in irgendwelche Büsche oder Ecken, sondern stelle dich den Widrigkeiten, so schwer es auch sein mag.“

„Wie das war es schon?“, ergriff ich erleichtert seine Hand.

„Ich denke schon! Fürs Erste jedenfalls!“, zog er mich hoch.

In der Halle trennten sich unsere Wege, Ross ging in die Küche, da auch diese Einrichtung erneuert wurde. Etwas überflüssig schaute ich mich um. Wo konnte ich helfen?

„Sarah! Da bist du ja!“, kam Alia gehetzt aus Richtung Küche, indem gerade Ross verschwand auf mich zu, „Wieso sagst du nichts, wenn du mit deinen Verwandten spazieren gehst? Ich suche dich schon eine Weile.“

Dann teilte sie mir in kurzen Worten mit, was sie für den heutigen Abend und morgigen Tag plante. So erfuhr ich, wann ihre Hochzeit stattfand. Übermorgen!

So schnell! Dabei sollte es mich keineswegs überraschen und trotzdem war ich es. Die nächsten Tage versprachen hektisch zu werden, heute noch nach Bukarest, wo sie einen Junggesellenabschied plante. Was meine Aufgabe gewesen wäre, wie sie mir mitteilte.

Als ob ich eine Ahnung von den Riten hätte!

Weiter ging es am nächsten Morgen, die Anproben! Davor graute es mir, wie vor dem Wort `Schoppen`, was anschließend absolviert werden sollte. „Nun pack deine Sachen, wir wollen gleich los!“, trieb sie mich an.

So lief ich schnell ins Haus, suchte mir einige bequeme Sachen heraus und wieder zurück. Man kam Alia in diesem Zustand besser nicht in die Quere, da zog man sowieso den Kürzeren.

Als ich die Halle betrat, erwartete ich eine ungeduldige Alia. Zu meinem Erstaunen begrüßte mich Marsé überschwänglich, während Intha kicherte und Rosmerta meinte, Marsé solle nicht so ein Aufheben machen, von meiner Freundin keine Spur.

In diesem Moment kam Prya hektisch in die Halle gerannt, „Alia noch nicht da?“, fragte sie erleichtert, „Gott sei Dank! Oh hallo Sarah, wie geht es dir?“, fand ich ihre Begrüßung recht kühl.

„Danke der Nachfrage, gut! Und dir?“, schlug ich den gleichen Ton an. Teilte Corvin ihr unsere Entscheidung noch nicht mit? Es sah so aus, denn sie bedachte mich mit einem mörderischen Blick. „Ach du kannst Zeit erübrigen?“, fragte sie mich lauernd.

Marsé seufzte, „Prya!“, mahnte sie leise.

„Nicht doch“, sagte ich zu Marsé, „wenn meine Tochter sauer auf mich ist, soll sie es mir ruhig sagen“, reckte ich mein Kinn, nicht weniger angriffslustig.

„Vater teilte mir mit, du hegst noch einige Bedenken! Ich frage mich welche? Denn bisher suchtest du mich nicht auf, um diese zu erörtern.“

„So sagte dies dein Vater“, lächelte ich leicht, „dann wird es wohl so sein und du wirst warten müssen, bis ich Zeit erübrigen kann. Im Augenblick geht die Hochzeit meiner Freundin vor, auf ein paar Tage kommt es wohl nicht an“, was dachte sich Corvin nur? Hielt Prya auf meine Kosten hin. Na warte, wenn ich dich erwische!

„Wie du meinst! Aber ich verstehe nicht, warum Vater auf deine Meinung Wert legt, schließlich haben wir keinerlei Bezug!“

„Das reicht!“, mischte sich Marsé ein, sie fixierte ihre Enkelin streng.

„Warum weiß ich nicht, da musst du ihn selbst fragen und im Grunde bin ich froh, dass er mich einbezieht! Auch wenn wir keinen Kontakt hatten, solltest du nicht vergessen, wer du bist und wer ich. Das nächste Mal, wenn du einen solchen Ton gegen mich anschlägst, werde ich dich auch so behandeln. Dies zur Warnung!“

Marsé nickte zustimmend, während meine Tochter ihre Brauen düster zusammenzog, eindeutig die Gene ihres Vaters, wandte ich mich ab, damit sie mein Grinsen nicht sah. „Wo bleibt Alia, es sieht ihr gar nicht ähnlich“, sagte ich mehr zu mir selbst.

„Vielleicht solltest du mal nachschauen, während wir den kleinen Hitzkopf beruhigen“, lachte Rosmerta vergnüglich.

Ein Blick zu meiner Tochter genügte, um mich in Bewegung zu setzen. Ich fragte mich, wie ich ihren nächsten verbalen Schlag erwidern sollte, ich hatte keine Ahnung. Diese selbstbewusste junge Frau ließ sich keineswegs einschüchtern.

Alias Tür stand weit auf, „Das ist ja wohl nicht dein Ernst!“, hörte ich sie aufgebracht sagen, „noch heute? Nein! Ich werde unten erwartet, konntest du es mir nicht früher sagen?“, es klang schon verzweifelt, „Warum auf einmal? Erkläre es mir?“

Ein Streit mit Peer! Es ging mich nichts an, wandte ich mich ab, doch die Stimme des Antwortenden ließ mich verharren, der Boss höchstpersönlich, „Ich dachte, du wärest dir darüber im Klaren? Das Anwesen ist groß genug, dort kannst du zehn Zimmer mit Kleidung füllen. Ich benötige nun einmal diese Räume.“

„Wofür? Für dein neues Frauchen?“, fragte Alia bissig, „Ich will dir mal was sagen, du begehst einen Fehler Corvin Sardovan einen riesigen dummen Fehler …“

„Es ist deine Meinung, welche ich dir zugestehe, doch wird sich an meinen Plänen nicht das Geringste ändern. Also spute dich, in einer Stunde sind die Klamotten verschwunden!“, befahl er brüsk, „Deine Freundin, die so gern lauscht, geht dir sicherlich zur Hand.“

Erwischt! Wieso bekam er auch immer alles mit? Also verließ ich meinem Lauscherposten und stieß beinahe mit Corvin zusammen, dieser grinste mich diabolisch an, worauf ich ihn anstierte. Schließlich stand die Tür weit auf!

Außerdem hatte ich noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, „Auf ein Wort, Corvin“, legte ich meine Hand auf seinem Arm.

Mit einer erhobenen Braue, nickte er gnädig, „Du erzähltest Prya, ich sei mir unsicher …“, weiter kam ich nicht, er meinte „Ach das!“, mit einer nachlässigen Handbewegung, „Sie wird bis nach Alia´s Hochzeit warten müssen, denn in den nächsten Tagen richten wir unsere gesamte Aufmerksamkeit der schönen Braut zu.“

„Ha! Die aus ihren Gemächern geworfen wird! Auf diese Art von Aufmerksamkeit kann ich verzichten!“, nörgelte Alia.

Der Boss grinste nur, „Im Hof steht ein großer Wagen bereit, du musst doch nur die Männer informieren, was verfrachtet werden soll.“

„Oh nein! Ich habe hier viele viele Jahre gewohnt und du willst alles in ein paar Minuten vernichten!“

„Nun wirst du sentimental! Du bewohnst einen Raum, in dem eine Handvoll, deiner persönlichen Gegenstände liegen. Der Rest besteht aus überflüssigen Fummeln“, wurde sein Ton gereizter.

Alia ebenso ärgerlich, sog tief Atem ein, um zum Gegenschlag auszuholen, das konnte noch Weile so weitergehen oder ich mischte mich ein. Bevor ich zu Ende dachte, trat ich zwischen den beiden Kampfhähnen, „Das reicht!“, streckte ich die Arme aus.

„Alia du lässt alles einpacken und Corvin wird es mit Argusaugen überwachen! Zuvor aber wirst du deiner Tochter deine Beweggründe mitteilen, denn ich habe keine Lust die nächsten Tage mit einer tickenden Bombe zu verbringen. So da dies geklärt ist, können wir jetzt aufbrechen?“, schaute ich meine Freundin bittend an.

Zu meiner Erleichterung nickte sie, der Boss hingegen schaute weniger begeistert drein. Alia lief schnell ins Nebenzimmer, „Du wirst es genau in dieser Reihenfolge erledigen Corvin Sardovan“, rief sie, stürmte dann wieder zu uns und übergab dem Boss einen Zettel, „ansonsten hetzte ich dir deine Mutter und Rosmerta auf den Pelz.“

Er las, danach zuckte er gleichgültig die Schultern, „Mehr nicht? Für solch eine Lappalie regst du dich auf? Dafür benötige ich noch nicht einmal eine Stunde“, dabei grinste er frech.

Alia dagegen schnaufte ungehalten, „Von wegen! Sollte ich einen Kratzer an meinen Möbelstücken finden oder ein Kleidungsstück zerstört sein, werde ich dich persönlich dafür verantwortlich machen.“

„Macht ja sowieso jeder!“, brummte er.

„Da muss ich dir einmal recht geben“, sagte ich, „aber bevor du Alias Angelegenheiten regelst, gehst du zu Prya! Ansonsten wirst du nicht nur Marsé und Rosmerta am Hals haben, sondern meinen Großvater.

„Du fährst schweres Geschütz auf, meinst du damit fertig zu werden?“

Musste er immer alles bis zum Letzten ausreizen? Wahrscheinlich konnte er gar nicht anders, meine Antwort war ein festes „Ja!“

„Also gut! Ich werde wie die Damen befehlen handeln. Darf ich jetzt gehen?“

„Bitte“, hielt ich ihn nicht länger auf. Alia schaffte es tatsächlich, sich in der Zwischenzeit umzuziehen sie stand in einem eleganten taubengrauen Kostüm vor mir. „Meinst du nicht, es ist zu aufgetakelt?“, fragte ich zaghaft nach.

Sie musterte mich streng von oben bis unten, „Sei froh, wenn sie dich nicht für mein Dienstmädchen halten! Ich sagte doch schon, wir steigen in einem der besten Hotels ab! Zum Glück habe ich vorgesorgt, passende Kleidung ist vor Ort, also wirklich, wenn ich dir die Planung überlassen hätte, würde ich wahrscheinlich in Kampfmontur heiraten“, scherzte sie.

„Von hervorragender Qualität, nicht zu vergessen!“, hakte ich mich bei ihr ein.

Bald darauf fuhren wir mit drei Wagen los. Alia in ihrem roten Flitzer, Rosmerta in ihrem und dies machte mich sprachlos, schwarzen riesigen Geländewagen, der einem Panzer das Fürchten lehren konnte, während ich eine geliehene ganz normale Limousine fuhr.

Muse kletterte sofort beschwingt in Alia´s Flitzer, „Drück ruhig auf die Tube!“, lachte sie vergnügt, indessen gefror meinem Vater jegliche Mimik ein.

Marsé überlegte nicht lange, „Ich ziehe eine ruhige Fahrt vor“, und kam zu mir, indessen grinsten Prya und Isabel, Rosmerta an, „Dann ist ja alles geklärt! Und wenn ihr Küken recht lieb seid, dann dürft ihr meinen Kleinen auch mal fahren“, streichelte sie ihr Monstrum liebevoll. Worauf Diederich neidisch grün anlief, „Mich hat sie noch nie fahren lassen!“, grummelte er sich laut beschwerend.

In knapp fünf Stunden erreichten wir Bukarest, natürlich waren die anderen vorgefahren, wer wollte schon auf so ein langsames Vehikel warten, welches mir angedreht wurde.

Marsé entpuppte sich als genügsame Gesellschafterin, sie schaute hauptsächlich aus dem Fenster, ab und an wies sie auf die Landschaft hin und wie sie sich verändert hatte.

Im Hotel mussten wir uns nicht extra anmelden, wie ich erfuhr eines der Häuser von Corvin, was auch die reservierte Etage erklärte, die wir bewohnten. Ein eifriger Hotelangestellter führte uns zu den Aufzügen, zudem erklärte er uns, jeder Wunsch sollte umgehend erfüllt werden.

Marsé nahm es gelassen hin, sie nickte dem Beflissenen freundlich zu und meinte, „Wir finden den Weg schon! Ich nehme an, wir bewohnen die oberste Etage?“

„Sehr wohl!“, verbeugte sich der Herr ehrerbietig.

„Der kroch dir ja fast schon …“, erschrocken über mich selbst, hielt ich lieber meinen Mund.

„Er kennt mich und weiß, wer ich bin, schließlich zahlt mein Sohn horrende Löhne für dieses Hotel. Ich weiß gar nicht, warum er es behält, Gewinn wirft es jedenfalls kaum ab.“

„Er wird seine Gründe haben“, wollte ich das Thema Corvin beenden.

„Die besitzt er doch immer, nicht wahr Sarah? Auch wenn wir sie selten verstehen. Ich weiß nicht, seit wann mir mein eigener Sohn Rätsel aufgab. Vielleicht muss es sogar so sein, ich bedauere es jedenfalls. Aber diese Erfahrungen wirst du selbst eines Tages erleben bei deinem Kind.“

„Kaum“, bemerkte ich wie der Fahrstuhl sanft stoppte, „Mit Prya verbinden mich keine Erinnerungen, noch sentimentale Erlebnisse“, trat ich in den Flur.

„Das wird noch! Außerdem kannst du weitere Kinder bekommen!“

„Warum sollte ich? Erst einmal sollte ich mein eigenes Leben ordnen, finde ich.“

„Da werde ich dir keineswegs widersprechen“, winkte sie Intha zu. Woher kam sie denn, wenn ich mich recht erinnerte stieg sie in keinen der Wagen, noch wartete sie in der Halle, als ich mit Alia hinunterkam.

Einen Augenblick später erfuhr ich, wie sie herkam, sie fuhr mit Peer, der ebenfalls im Hotel logierte, aber in einer der unteren Etagen, da er die Braut vor der Hochzeit nicht mehr sehen sollte.

Zwei Nächte im gleichen Hause! Wem wollten sie denn etwas vormachen? Vampire fanden alle möglichen Wege um ihre Neigungen nachzugehen, da hinderte sie ein altmodisches Ritual bestimmt nicht.

Intha sah mir meinen Zweifel an, „Deshalb bin ich ja hier!“, kicherte sie leise, „Ein verfrühtes Geschenk vom Boss, darf ich den beiden ausrichten!“, beendete sie ihr Kichern in Hohngelächter.

Marsé und ich starrten das Kind an, „Was denkt er sich nur dabei? Weder Peer noch Alia werden es sich gefallen lassen.“

„Oh dafür sorge ich schon!“, grinste Intha hinterhältig, „Ich kenne da ein paar Tricks, die allzu Hormongesteuerte in ihre Schranken verweist.“

Ich nahm mir fest vor Alia zu warnen. Doch zuerst wies mich Rosmerta in mein Zimmer, was ich mit runden Augen in Augenschein nahm. Noch nie bewohnte ich ein dermaßen luxuriöses Zimmer, was redete ich da, es gab mehrere Räume.

Ein Wohnraum mit zierlichen Möbelstücken, auf die ich mich sicherlich nicht setzen würde, da sie aussahen, als zerbrechen sie jeden Moment. Dazu passend ein Sekretär, eine Bar mit Sesseln zum Verweilen.

Das Schlafzimmer, beherbergte ebenso kostbare Möbel, allein im Schrank konnte man verstecken spielen und erst das Bett mit samtenem nachtblauen Baldachin, welches auf einem Podest stand. „Ziemlich frivol!“, grinste Rosmerta, „Ich frage mich, warum gerade dir diese Suite zugeteilt wurde.“

„Du kannst sie haben, ich brauche diesen ganzen Krimskrams nicht.“

„Oh nein!“, hob sie abwehrend die Hände, „Ich werde mich doch nicht mit der Braut anlegen. Kurz vor der Heirat drehen die bekanntermaßen schnell durch, behalte die Räume, meine sind ganz ähnlich.“

Warum dann diese Bemerkung, schaute ich ihr fragend nach. Das Telefon klingelte, bestimmt ein Versehen, dachte ich und nahm den Hörer ab. Es war Alia, „Endlich da? Dann ziehe jetzt das Kostüm an, das gesamte Outfit ist mit einer Eins versehen, du musst dich nur an die Nummerierungen halten. Beeile dich!“

Zaghaft öffnete ich den Schrank, tatsächlich da hingen drei Kleidersäcke mit Nummern daran, zum Glück nur drei atmete ich erleichtert auf, bis ich die Zahlen sah. Von eins, zu vier, zu sieben?

So tat ich das Unvermeidliche, in den unendlichen Tiefen des Schrankes hing Kleidung, unverkennbar nummeriert, dazu Schachteln aller Art und Größe. Eines nach dem anderen! Ließ ich Schrank, Schrank sein und ging ins Bad, welches genauso erlesen eingerichtet wurde.

Mit dem Outfit Nummer eins trat ich in den Flur, Alia nickte mir stolz zu, die erste Hürde war genommen, dachte ich erleichtert. Die Nächste kam unverzüglich, denn Alia wollte unbedingt jetzt noch den Schneider aufsuchen.

„Ich habe bereits mit ihm gesprochen, er erwartet uns, also los!“, trieb sie uns wie Hühner zum Fahrstuhl, in den wir uns quetschten.

„Warum noch heute?“, wagte Muse, sehr mutig die Frage.

Alias Augen blitzten kurz unangenehm auf, Muse hielt ihrem Blick stand, „Zwar habe ich all eure Maße angegeben, doch ich traue keinem Schneider, deshalb werden wir unsere Kleider anprobieren, und falls etwas geändert werden muss, kann der Schneider es bis morgen beheben. Ich will keine fatalen Überraschungen!“

Inzwischen erreichten wir das Erdgeschoss, „Die Taxis sollten bereits warten!“, marschierte sie zum Ausgang, ohne auf die bewundernden Blicke der Männer zu achten, die sie ihr zuwarfen.

Der Schneider schluckte schwer, als wir ankamen, bisher kannte er Alia nur als kompetente Modeexpertin, nun als Braut mit hohen Ansprüchen lernte er eine vollkommen andere Person kennen. Wie ich auch musste ich mir eingestehen.

Unsere Brautjungfernkleider waren alle in einem lavendelfarbenen Ton gehalten, die Schnitte hingegen suchte Alia nach den Vorzügen der einzelnen Dame aus. Ich musste ehrlich gestehen, ich fühlte mich in meinem Kleid wohl. Was beinahe an ein Wunder grenzte, wie die Braut sicher sagen würde.

Als Alia jedoch in ihrem Brautkleid aus der Umkleidekabine kam, stockte mir der Atem, sie sah atemberaubend aus. Ihr schulterfreies Kleid mit Herzausschnitt schmiegte sich an ihr wie eine zweite Haut. Der weite Rock unterstützte das Gesamtbild. Nur ein dezenter Gürtel wies einige Strasssteine auf.

„Es sind unter Garantie echte Steine!“, meinte Rosmerta, als ich sie darauf aufmerksam machte, „Alia hat während ihrer Zeit bei Corvin genügend Geld gescheffelt, da wird sie sich mit Strass bestimmt nicht zufriedengeben.“

Der Schneider umschwirrte Alia befragte sie unsicher, selbst meine Freundin konnte kein Haar in der Suppe finden, schließlich nickte sie lächelnd, „So habe ich es mir vorgestellt.“

„Eine ausnehmend schöne Braut“, meinte Muse anerkennend, „Da fragt man sich, ob man selbst in Weiß heiraten sollte, denn so wie Alia wird keine von uns aussehen.“

„Solche Worte will ich nicht hören, jede Braut ist auf ihre Weise schön! Muse du musst dir ein Kleid ansehen, es ist wie für dich geschaffen.“ Die drängte den Schneider eben dieses Kleid zu holen.

Keine zwei Minuten später wurde Muse in das Brautkleid gesteckt und Alia behielt recht, Muse sah umwerfend aus. „Hier und da sollte es geändert werden, Muse besitzt eine unheimlich schmale Taille, die sollte besser hervorgehoben werden“, legte Alia in ihrem Brautkleid selbst Hand an.

Der Schneider witterte die nächste Kundin und unterstützte Alias Maßnahmen eifrig. „Ach es ist wirklich zu schön!“, bewunderte Muse ihr Spiegelbild, „dabei sollte ich nicht die erste Geige spielen! Wir sind wegen deiner Hochzeit hier, Alia.“

„Ach was! All meine Wünsche wurden erfüllt, so können wir doch gleich für dich ein Kleid in Auftrag geben.“

„Aber hier müssen doch nur einige Änderungen …“, der Schneider verstummte jäh, denn Alia richtete sich zur vollen Größe auf, „Meinen sie etwa, meine Freundin wird ein Kleid tragen, welches bereits anprobiert wurde? Nein es wird genau Maß genommen und ich erwarte die gleiche ausgezeichnete Arbeit, wie bisher.“

„Ja, natürlich! Soll ich gleich Maß nehmen?“

„Natürlich nicht, wir werden Sie beizeiten aufsuchen, denn es steht eine weitere Hochzeit bevor. Prya, was ist mit dir? Willst du dich nicht umsehen? Deine Mutter geht dir sicherlich gerne zur Hand!“

„Ich?“, schüttelte ich fassungslos den Kopf.

„Sicher wirst du!“, schubste sie mich geradezu in Prya´s Richtung. „Da mische ich mich auch mit!“, sagte Marsé vergnügt, „schließlich ist Prya meine Enkelin und wahrscheinlich meine einzige Chance jemals ein Wort mitzureden.“

„Ich weiß bereits, was ich möchte, ein Meerjungfrauenkleid“, kramte Prya in ihrer Handtasche und holte ein zerknittertes Papier heraus, „Davon träume ich schon seit Kindertagen.“

„Sehr schön“, sagte ich einen Blick auf das Bild werfend.

„Darin wirst du nur in kleinen Schritten tippeln können“, entgegnete Marsé, „Nein ein Prinzessinnenkleid solltest du tragen.“

„Auf keinen Fall! Außerdem soll das Kleid eine Schleppe haben und der Schleier soll mindestens drei Meter lang sein.“

 „Willst du etwa einer Modepuppe ähneln?“, regte Marsé sich auf, „Sarah sag doch auch mal was!“

„Ich?“, schüttelte ich wieder den Kopf, „Prya sollte tragen, was ihr gefällt!“

„Wir werden sehen!“, verdüsterte sich die Miene von Marsé, eindeutig ihre Gene, die sie reichlich weitergab, sah ich mir die steile Teufelsfalte an.

Ich warf einen Hilfe suchenden Blick zu Alia, aber sie setzte Muse gerade etwas auf dem Kopf. „Wir werden sie schon weichklopfen!“, meinte Prya siegessicher, ihr Vertrauen wünschte ich mir.

Noch immer in den Brautjungfernkleidern kämpften wir uns durch die Massen aus Weiß. Marsé bestimmte einige Kleider, während Prya an ihren Wünschen festhielt und ich stand dazwischen. „Was hältst du davon? Dies ist doch schön! Schau mal, genau was ich mir vorgestellt habe“, hörte ich von links und rechts.

Indessen wuchs die Auswahl von Großmutter und Enkelin ins Unermessliche. Den Überblick verlor ich bereits nach dem fünften Kleid, wagte ich einen weiteren Blick zu Alia, die noch immer Muse ausstattete.

Was sie mit voller Absicht tat! Darauf ging ich jede Wette ein.

Irgendwann wurde es mir zu bunt und ich ließ die beiden Streithähne einfach stehen. Oh Wunder, Alia schaute mich tatsächlich an, ihr Blick ließ einem das Mark in den Knochen gefrieren. Du kannst mich mal, reckte ich mein Kinn zum stummen Protest. Braut hin oder her, nun ging sie zu weit, ich mischte mich auf keinen Fall in den Kleinkrieg ein.

Die Quittung bekam ich einige Sekunden darauf, „Was ist mit dir, meine Süße?“, hinterfragte meine Freundin freundlich, viel zu freundlich nach meinem Geschmack.

„Was soll sein? Das Kleid passt und ich fühle mich wohl darin!“

„Nicht übel, aber was ich meine ist eine Heirat. Pierre ist doch noch im Rennen oder ziehst du Matt vor? Vielleicht aber auch einen Verehrer, den du uns verheimlichst. Jedenfalls solltest du dich vorbereiten, was meinst ihr? Rosmerta? Muse?“

Rosmerta stürzte sich sofort auf die Vorstellung mich in ein Brautkleid zu sehen, auch Muse fand die Idee wunderbar. Danke Alia! Vielen Dank auch!

„Gern geschehen!“, las sie meine Gedanken, „Du solltest Prya unterstützen und sie nicht im Stich lassen.“

„Sie kann sich sehr gut allein verteidigen! Ich wünschte, ich besäße solch eine Selbstsicherheit!“, giftete ich die Braut an.

„Jedenfalls bist du jetzt reif!“, flötete sie voller Schadenfreude.

Der Streit von Marsé und Prya schien vergessen, denn sie orientierten sich gleich neu, auf der Suche nach einem Brautkleid für mich. „Wann soll denn die Hochzeit stattfinden?“, fragte das eifrige Schneiderlein.

„Sobald ich einen Gatten habe, der dumm genug ist in dieser Familie einzuheiraten!“, schnauzte ich den armen Kerl an, der sich darauf sofort verzog.

„Na los! Zieh dich aus!“, forderte Rosmerta brüsk, „Das hier wird deine spärliche Oberweite kaschieren“, drückte sie mir ein weißes Etwas in die Hand und schob mich in die Kabine, „Machst du Zicken, helfe ich gern nach!“, vergaß sie keineswegs mir zu drohen, was ich sehr Ernst nahm.

Wie viele von den weißen Gebilden ich anzog, konnte ich nicht sagen, die Reaktionen blieben haften, meistens hieß es unmöglich. Sagte ich doch, als Mannequin taugte ich nicht, aber wer hörte schon auf mich. Nur eines der Kleider fand in ihren Augen eine gewisse Gnade.

Der Schneider kam wirklich ins Schwitzen, als Alia die Änderungen vorgab. „Für wann soll das Kleid fertig sein?“, wollte er wissen.

Mir tat der arme Kerl leid, auch Alia musste so empfinden, „In einigen Tagen“, meinte sie, „die Schleppe suchen wir dann aus.“ Uns allen war klar, das Spiel war aus.

Es ging zurück ins Hotel, in einer etwas gedrückten Stimmung, da uns das schlechte Gewissen plagte, denn wir hatten wirklich den Schneider über Gebühr beansprucht. „Tja“, meinte ich, „jetzt habe ich ein Hochzeitskleid ohne Bräutigam. Bin ich nun gezwungen mir schnellstens einen zu suchen?“, scherzte ich vor mich hin, in der Hoffnung jemand würde den Anreiz aufgreifen.

Ich musste nicht lange warten, Rosmerta ergriff den Faden mit Begeisterung. Mit viel besserer Laune entstiegen wir dem Fahrstuhl, die Braut schon wieder voll in ihrem Element, wollte die Stadt unsicher machen. Was natürlich hieß wieder raus aus den Klamotten und hinein in andere.

Zu Fuß und in legerem Outfit, man stelle sich vor, meine elegante Alia trug wirklich Jeans, begaben wir uns in das Nachtleben von Bukarest. Schließlich landeten wir in einer urigen Kneipe, in denen melancholische Lieder gespielt wurden. Dort verweilten wir, bis der Wirt uns gähnend hinauswarf.

Etwas angesäuselt kehrten wir zurück ins Hotel, der Nachtportier grinste uns schalkhaft zu, als wir Arm in Arm laut schwatzend die Halle betraten. „Am liebsten würde ich die Nacht durchmachen!“, sagte Prya mit dunklen Rändern unter den Augen.

„Kann ich mir denken“, entgegnete Marsé lächelnd, „aber wir sollten alle ein wenig ruhen. Mir gefiel der Abend ausnehmend gut. Ach, ich vermisse meine kleinen Zusammenkünfte allabendlich. Was meint ihr, kann ich sie wieder aufleben lassen?“

„Ich weiß nicht“, meinte Muse, „die Wunden sind zu frisch, du solltest einige Zeit warten.“

„Ja vielleicht, nun aber gute Nacht!“, winkte sie uns zu und nahm Prya mit sich. Am anderen Ende wartete bereits Intha, die meine Tochter in Empfang nahm, „Ach du kleines Häschen, wie du aussiehst, total übermüdet.“

Wie seltsam, Intha musste an Prya einen Narren gefressen haben, sie klang geradezu zärtlich. Welch eine Wandlung, als ich sie kennenlernte sah sie jeden Menschen als Nahrungsquelle an, trat ich in meine Suite.

Was nun? Von Müdigkeit keine Spur! Sollte ich nochmals allein durch die Straßen ziehen? Bukarest kannte ich nicht so gut, eine gute Gelegenheit die Stadt kennenzulernen, horchte ich an der Tür, wenn dann wollte ich auf eigene Faust los und vor allen Dingen allein sein.

Alles ruhig! Vorsichtig drückte ich die Klinke hinunter, doch die Tür rührte sich keinen Zentimeter. Was zum Teufel …

„Wohin willst du denn zu später Stunde?“

Erschrocken sprang ich die Tür an, das leise Lachen klang überlaut in meinen Ohren. „Was willst du hier?“, fragte ich, bevor ich mich Corvin zuwandte.

„Dich!“, stand er bereits vor mir und umschlang mich küssend. Eine Gegenwehr konnte ich erst gar nicht aufbauen, er hüllte mich mit seiner Leidenschaft geradezu ein.

„Ich dachte schon, ihr kommt nie mehr zurück, ich warte seit Stunden!“, hauchte er mir ins Ohr, mich fest an die Tür gedrückt.

„Alia wollte in die …“, er verschloss mir mit einem heißen Kuss den Mund, der abrupt endete, als ich von der anderen Seite meinen Namen rufen hörte.

Corvin stöhnte leise auf, „Hat man denn niemals Ruhe?“, verschwand er in den Nebenraum, schon wollte ich Alia die Tür öffnen, als er zurückkam, „Wimmle sie schnell ab!“, meinte er leise.

Die Tür bereits geöffnet, schubste sie Alia auf, ihm blieb gerade noch Zeit, sich hinter der geöffneten Tür zu verstecken.

„Was ist denn mit dir? Führst du neuerdings Selbstgespräche? Und was machst du überhaupt noch an der Tür?“, fragte meine Freundin voller Argwohn.

„Eigentlich wollte ich die Stadt erkunden“, fiel mir keine andere Erklärung ein.

„So?“, musterte sie mich, „Du siehst eher aus, als wärest du einem notgeilen Vampir begegnet.“ Schnell ordnete ich meine Kleidung, wie schnell konnte er einen eigentlich ausziehen?

„Gut! Dann bist du ja nicht erschöpft, ich wollte mich entschuldigen …“

„Wofür denn das?“, zog ich rätselnd die Brauen zusammen.

Ich wünsche, ich hätte nicht gefragt! „Naja, ich habe dich ja regelrecht überrumpelt, die Brautkleider anzuprobieren.“ Oh Gott, höre auf zu reden Alia betete ich im Stillen, dies musste Corvin nun wirklich nicht hören.

„Dann habe ich das Kleid auch noch in Auftrag gegeben. Ich werde es natürlich bezahlen …“

„Schon gut Alia, es hat doch Spaß gemacht …“

„Wirklich? Du schautest eher drein, als ob du mich fressen wolltest, dabei solltest du Prya unterstützen, sie kann sich gegen Marsé nicht wirklich durchsetzen, und wenn sie einmal eine Meinung hat, wird es schwierig sie davon abzubringen. Deshalb bat mich Prya, ihr mit dem Kleid zu helfen.“

Auch das noch! Bisher bekam sie keine Zustimmung von Corvin, was die Heirat mit ihrem unbekannten Lover anging. Nun hörte er von der Anprobe, das konnte ja nur nach hinten losgehen.

„Seltsam er wird auf einmal frisch!“, wer dafür verantwortlich war, konnte ich Alia natürlich nicht sagen: „Vielleicht bist du erschöpft?“

Sie krauste die Stirn, „Kaum! Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich vermuten unser allgegenwärtiger Boss treibt sich in den Ecken herum“, lachte sie ungläubig.

Oh, wie recht du hast! „Welch ein Gedanke!“, konnte ich nur krächzen.

„Da wir gerade von Corvin reden. Ich habe da so einige Gerüchte gehört, ihr habt beide in der gleichen Nacht die Festung verlassen. Besteht da ein Zusammenhang?“

„Ach ja, davon weiß ich nichts.“

Sie musterte mich, ob sie mir glaubte, konnte ich nicht erkennen, „Ich weiß was du für ihn empfindest Sarah und du solltest meinen letzten Rat vergessen“, jetzt wünschte ich mir wirklich ein Mauseloch, „er wird heiraten! Du wirst nur dich selbst verletzen, halte dich lieber an einem Vampir, der ungebunden ist.“

„Werde ich, versprochen! Ich habe schon darüber nachgedacht, Pierre eine zweite Chance zu geben.“

„Pierre? Oh nein! Ich dachte eher an seinen netten Freund, Michelé. Er ist süß und vor allen Dingen verlässlich. Ich denke, er ist ehrlich an dir interessiert.“

„Michelé? Nein! Er ist ein Freund!“

„Ach du und deine Freundschaften!“, fuchtelte sie wild mit ihrer Hand herum, „Sieh doch mal den Mann dahinter! Es gibt mehr als nur Corvin Sardovan, der zwar seine Lust an dir stillen würde, aber wer weiß wen heiratet. Eines sage ich dir, bei den Feierlichkeiten wirst du ganz weit die Augen aufhalten, ansonsten werde ich dir einen Vampir in dein kaltes Bett stecken und glaub mir lange muss ich nicht suchen.“

Sie sprach keine leere Drohung aus, „Versprochen!“

„Mein Gott, hier zieht es wirklich! Eine unangenehme Kälte. Möchtest du eine andere Suite?“ Die Kühle, die um unsere Beine schwappte, war wirklich eisig. Konnte er sich denn nicht beherrschen?

„Komm lass uns zu mir gehen, da ist es angenehmer.“

Trotz aller Warnungen und Vorbehalte, die Alia sowie mein Verstand mir rieten, wollte ich nicht. „Du solltest dich wirklich ein wenig ausruhen, Alia, die nächsten Tage wirst du kaum dazu kommen.“

„Irgendwas ist doch! Wie du genau weißt, bin ich in Höchstform. Der kleine Dreikäsehoch hat Peer tatsächlich in die erste Etage einquartiert in einem Zimmer mit Kahlaf und Merkur, die ihn bewachen. Was soll ich deiner Meinung nach die restliche Nacht machen? Etwa meine Zimmerdecke anstarren?“

Darauf wusste ich keine Erwiderung, ich wollte nur den verheißungsvollen Kuss fortsetzen. Sie bemerkte meinen Unwillen, „Also gut!“, hob sie ihre Nase in die Höhe, „dann wünsche ich dir eine gute Nacht! Vielleicht hat Rosmerta ja Mitleid mit mir!“

Kaum das Alia das Zimmer verließ, wurde ich auch schon umarmt, „Ich dachte, sie geht überhaupt nicht mehr“, zog er mich bereits aus. All meine Bedenken fahrend lassend wandte ich mich ihm zu.

In den frühen Morgenstunden kam das jähe Erwachen, Corvin ging während ich mich im Bad wusch. Niedergeschlagen setzte ich mich auf das zerwühlte Bett, wie erbärmlich ich doch war, kein Deut besser als andere Frauen, die seine Lust stillten.

Mühsam richtete ich mich auf und schaute mir das nächste Outfit an, typisch für Alia, ein Kleid! Seufzend mit schlürfenden Füßen begab ich mich ins Bad, wenigstens die Spuren der Nacht wollte ich so gut wie möglich abwaschen.

Als es endlich an der Tür klopfte, wartete ich bereits seit Stunden fix und fertig angezogen. „Was ist denn mit dir?“, wollte Rosmerta wissen.

„Es steht doch shoppen auf Alias Programm, da wunderst du dich?“, antwortete Muse für mich.

„Ach so! So schlimm wird es schon nicht“, versuchte Rosmerta mich zu trösten, „schließlich werden wir uns für die Party heute Abend frühzeitig in Schale werfen müssen.“

„Es heißt Junggesellenabschied!“, sagte Alia streng, „Wir werden zuerst gemeinsam essen, danach gibt es einen Sektempfang, mehr konnte ich aus Corvin nicht herausbekommen.“

„Wieso Corvin?“, fragte Rosmerta.

„Weil er das Fest als Trauzeuge plante! Dabei habe ich mir bereits etwas Außergewöhnliches ausgedacht, aber nein der Herr bestand auf sein Recht.“

Marsé lachte, „Tja nicht jeder Trauzeuge ist so fügsam wie Sarah.“

„Was habe ich damit zu tun?“, fragte ich empört nach.

„Weil es deine Aufgabe gewesen wäre, für die Braut etwas Entsprechendes zu planen“, wurde ich aufgeklärt.

„Hätte man mir auch sagen müssen!“

„Ich finde einen gemeinsamen Junggesellenabschied schöner“, kam mir Prya zu meiner Überraschung zu Hilfe, „es ist doch viel romantischer.“

„Was hat dir dein Vater für die Äußerung bezahlt?“, fragte Rosmerta direkt heraus.

„Keinen Streit bitte!“, rief Alia, „Warum kommt der verdammte Fahrstuhl nicht?“, drückte sie gereizt den Knopf zum wiederholten Male.

„Dann nehmen wir einfach die Treppe!“, schlug Marsé vor.

Mir taten die Füße sowieso schon weh in den hohen Dingern, nun auch noch Treppen laufen, danach die Geschäfte abklappern, heute Abend konnte ich unter Garantie nicht mehr laufen. „Wann gibt es eigentlich Nahrung?“, fragte ich an meine geschundenen Gliedmaßen denkend.

„Soviel ich weiß nach dem Essen“, meinte Alia zerstreut, einen letzten Blick auf die geschlossene Fahrstuhltür werfend, „Findest du es nicht auch merkwürdig?“

„Kann doch mal passieren“, fand ich nichts Außergewöhnliches daran.

„Wir werden auf jeden Fall die Treppen benutzen, fehlte mir auch noch, zu spät zu meiner eigenen Feier zu kommen!“

In diesem Moment ertönte das Signal des Fahrstuhls, sofort blieb ich stehen, „Da ist er ja!“, drehte ich mich bereits um.

„Nein! Wir laufen hinunter!“, entschied Alia, „Außerdem sind die anderen bereits unterwegs.“

„Ach komm schon, wir sind schneller unten“, drängelte ich.

Alia schüttelte den Kopf, „Wenn du Stunden in einer engen Kabine verbringen willst, bitte! Ich laufe lieber!“

Meine Freundin konnte wirklich stur sein! Also begab ich mich, schweren Herzens in mein persönliches Martyrium und sollte recht behalten. Nach zwei Stunden brannten die Füße, nach drei kamen die Schmerzen, nach vier erbarmungslosen Stunden fehlte mir jegliches Gefühl in den unteren Extremitäten, stolpernd schleppte ich mich hinter den Damen her.

Eigentlich sollte ich nach Granada dem besser gewachsen sein, aber so war es nicht, schwor ich mir heute Abend barfuß zu laufen. Ein schöner Traum, denn ich wusste, worauf Alia bestand, und wollte sie auf keinen Fall enttäuschen.

Deshalb lächelte ich unentwegt, tat begeistert bei jedem Fummel, den sie uns zeigte und dachte nur wann ist es endlich vorbei. Als das erlösende Wort kam, konnte ich ein „Endlich“, nicht unterdrücken.

„Für dich ist es noch nicht vorbei“, nahm mich Rosmerta zur Seite, „Henry erwähnte, du besorgst etwas Neues, da ich annehme, es war eine Ausrede, solltest du schleunigst etwas besorgen.“

Konnte sie mich nicht eher daran erinnern? Was ich ihr auch sagte, „Tja, so ist es eben, mit den kleinen Lügen, sie haben kurze Beine“, ließ sie mich stehen.

 

Kapitel 64

Während die anderen mit ihren Taschen und Päckchen in die Taxis stiegen, erklärte ich Alia, ich müsse noch etwas abholen. Sie strahlte mich an, was mein schlechtes Gewissen enorm ansteigen ließ, ich musste etwas umwerfendes Neues besorgen.

Fragt sich nur was? Stand ich in meinem kurzen Hemd da. Was konnte ich einer Braut, die nichts dem Zufall überließ, zur Hochzeit besorgen? Das Einzige, was mir einfiel, war ein Laptop, geriet ich langsam in Panik.

Überlege Sarah, denk nach, was benötigt eine Braut? Kleid, Schuhe und all den Tand besaß Alia, also was trug sie noch? Ein Strumpfband? Nein, hatte sie bereits. Schmuck? Keine schlechte Idee, doch was?

Vor allen Dingen konnte ich mir ihren erlesenen Geschmack erlauben? Falls ja, kam nur eine Kette infrage. Die Idee nahm Gestalt an, genau eine zweireihige Perlenkette fehlte noch oder doch lieber etwas Zierliches?

Irgendwo kamen wir doch an einem Schmuckgeschäft vorbei, Alia blieb vor der Auslage stehen, sie bewunderte doch etwas, was? Versuchte ich mich zu erinnern und verfluchte meinen Egoismus, nur weil meine Füße brannten.

Ging sie nicht sogar hinein? Ja! Ich blieb mit Rosmerta und Prya draußen, sollte ich Marsé anrufen, wofür sie sich interessierte, denn gekauft hatte sie jedenfalls nichts.

Wo war der verdammte Laden? Ging ich den Gehweg entlang und fand ihn zu meinen Glück auch bald. Dem Verkäufer musste ich Alia nicht großartig beschreiben, er wusste sofort, wen ich meinte.

„Ja, die junge Dame“, nickte er mit leuchtenden Augen, „Sie fand ein äußerst attraktives Stück reizend. Darf ich es ihnen zeigen?“

Ich nickte, obwohl mir mein Magen in die Hose rutschte. Inständig hoffte ich es bezahlen zu können, rechnete ich mein bescheidenes Guthaben zusammen.

Tatsächlich eine Kette, breitete der Mann das Schmuckstück vor mir aus, ein Collier, wie er sagte, mit Diamant ohne Einschüsse, von erlesener Farbe versicherte er. Aber mit keinem Wort den Preis.

Die Ladentür ging auf, „Einen Moment der Herr“, sagte der Verkäufer, weder mich noch das Collier aus den Augen lassend, sah ich etwa so aus, als ob ich es mir schnappen wollte? Wahrscheinlich ja, denn der Schmuck würde an Alia hervorragend aussehen.

„Etwas Passendes gefunden?“, wurde ich umarmt.

Ich musste nicht einmal aufschauen, „Leider nein!“, sagte ich bedauernd mich versteifend, diesmal wollte ich mich auf keinen Fall von ihm überrennen lassen.

Der Verkäufer schickte sich an, das Collier wegzuräumen, „Einen Augenblick“, sagte Corvin, der Mann wiederholte die Vorzüge des Colliers. Nun wollte ich den Preis erst gar nicht wissen, es überstieg bei Weitem meinen Geldbeutel, so weit kannte ich mich mit Schmuck aus.

„Es würde wundervoll an Alia aussehen, warum schenkst du es ihr nicht?“

„Warum wohl!“, wollte er jetzt eine Debatte über meine bescheidenen Mittel führen? Ausgerechnet vor dem Verkäufer?

„Tja dann ist es nicht zu ändern, schade. Wollen wir?“, bedankte er sich bei dem Menschen. Ich folgte Corvin hinaus, doch vor dem Geschäft fauchte ich ihn an, „Nimm deine Hände von mir! Es gibt keine weitere Liaison!“

„Daran habe ich gar nicht gedacht, ich suche nur ein Geschenk.“

„Noch eines? Ich dachte, du willst ihnen das Anwesen zur Verfügung stellen.“

„Nein ich werde es ihnen überschreiben. Alia benötigt unbedingt ihr eigenes Nest, welches sie ganz nach ihrem Belieben gestalten kann.“

„Wie großzügig, dann suchst du ein Kleinod für deine Braut!“

„Gewiss nicht, mit Schmuck kann ich sie leider nicht ködern, davon besitzt sie mehr als genug.“

„Was führt dich dann hierher?“

„Wie immer bist du es die meine gesamte Aufmerksamkeit beansprucht! Die Damen sind ohne dich heimgekommen, ergo schaue ich nach dir.“

„Na sicher! Außerdem bin ich schon groß und verlaufe mich nicht mehr.“

„Kann schon sein, trotzdem laufen überall böse Wölfe herum.“

Nun musste ich lachen, „Du spinnst ja! Nun lasse mich in Ruhe, ich muss nachdenken.“

„Vielleicht kann ich dir behilflich sein, mit den Wünschen der Damen kenne ich mich bestens aus.“

Womit er gar nicht mal unrecht hatte, also erklärte ich ihm meine Not. Er pfiff leise vor sich hin, „Da hast du wirklich ein riesiges Problem. Vielleicht solltest du in kleineren Kategorien denken. Wie wäre es mit einem Strumpfband oder hauchzarte Unterwäsche, schenkt man dies nicht einer Braut?“

„Hallo, wir sprechen von Alia!“, merkte ich an, das Strumpfband rückte in meiner Auswahl ganz nach oben.

„Na los, komm wir gehen zu dem Schneider, er wird sicherlich eine Auswahl haben, die Alia zufriedenstellt.“

„Was meinst du?“, blieb ich stehen.

„Das Strumpfband! Auch wenn Alia bereits eines besitzt, wird sie deines tragen.“

„Meinst du?“, fragte ich unsicher nach.

„Auf jeden Fall, denn sie liebt dich, und wenn du ihr etwas Scheußliches schenken würdest, trägt sie es voller Stolz, weil es von dir kommt.“

„Oder reißt mir den Kopf ab!“

„Dies kannst du mir getrost überlassen, denn bei der nächsten Beleidigung, die du mir an den Kopf wirst, werde ich ihn dir auf jeden Fall gründlich waschen.“

„Ich sage nur, was ich denke!“, merkte ich pikiert an.

„Ah ja, eine Lappalie! Ein One-Night-Stand! Ich weiß nicht, ich nahm an, zwischen uns ist es etwas anderes.“

„Wirklich? Was denn?“, fragte ich atemlos nach, die Hoffnung stirbt zuletzt.

„Was?“, ließ er sich Zeit mit der Antwort, „Ich weiß nicht genau, auf jeden Fall Freundschaft, Vertrautheit, ja und alte Gefühle, die wir keinesfalls außer Acht lassen dürfen. Jedenfalls fühlt es sich nicht falsch an und ich kann meiner Braut mit reinem Gewissen in die Augen schauen.“

„Wie rücksichtsvoll du doch bist!“, bekam ich einen trockenen Mund. So sah er es also, er drehte sich alles so zurecht, wie es ihm am Besten passte.

Inzwischen kamen wir bei dem Schneider an, der mich sofort wiedererkannte. Sofort war er auf den Beinen, mit vielen Worten wollte er mich unbedingt auf ein Podest stellen.

„Nein, nein!“, wehrte ich mich gegen sein Vorhaben, „Ich will nichts bestellen!“

„Aber Maß nehmen“, lächelte er mich höflich an.

Bevor ich antworten konnte, fragte Corvin nach, und bevor ich es verhindern konnte, erklärte das Schneiderlein die Bestellung. Corvin, dem das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht wich, wollte das Kleid sehen.

Der Schneider verschwand in den hinteren Raum, „Hör auf damit!“, zischte ich ihm zu.

„Warum denn das? Eigentlich hättest du damals eine solche Hochzeit verdient. Entschuldige es war meine Schuld, ich dachte nur daran, dich an mich zu binden.“

„Sei froh, dass die Zeit vorbei ist, denn dann hättest du eine alternde Frau an der Backe“, entgegnete ich, dabei wusste ich genau, dass ich mich niemals hätte wandeln lassen. Verdammt Ross, du warst zum Teufel noch mal gründlich mit den Erinnerungen.

„Ja!“, Corvin lächelte erleichtert, „ich kann nur froh sein.“

Die Aussage traf mich härter als ich dachte. Zum Glück kam der Schneider zurück. Ohne Umstände erklärte ich ihm meine Wünsche, „Ein Strumpfband?“, schaute er mich fragend an.

„Ja!“

„Aber das Kleid!“, fing er wieder damit an.

„Sie haben doch die Maße der Dame, verwenden sie diese und schicken sie das Kleid einfach zur gewohnten Adresse“, meinte Corvin, der sich als Herr der Lage entpuppte.

„Ohne zusätzliche Anprobe?“, wollte der Schneider betroffen wissen.

„Wir vertrauen auf ihr Können!“, sagte Corvin jovial, was den armen verstörten Mann wieder aufbaute.

Dann zeigte er mir endlich die Strumpfbänder, auch welches Alia bestellte. „Haben sie kein Edleres?“, wollte Corvin wissen.

„Schon, aber die Dame meinte, ein Einfaches genüge ihr. Was ich partout nicht verstehe, ansonsten achtet die junge Dame auf Qualität.“

„Dann nehmen wir dies!“, zeigte Corvin auf eines.

Ich verstand Alia in diesem Augenblick, denn große Unterschiede sah ich bei dem Sortiment nicht. „Eine gute Wahl“, sagte der Schneider lächelnd, „Soll ich es verpacken?“

„Nein, schicken sie es morgen mit den übrigen Sachen, natürlich mit einem Kärtchen. Sarah ist es für dich in Ordnung?“

„Ja, warum nicht, kann ich etwas in die Karte schreiben?“, ich wollte unbedingt eine persönliche Note bewahren.

Der Schneider verschwand erneut, „Dann werde ich mich mal um ein Taxi bemühen, ich warte draußen“, meinte Corvin, eine Visitenkarte des Schneiders einsteckend. Wer weiß, wofür er sie benötigte, wahrscheinlich für seine Braut, damit er ihr mit noch besseren Gewissen in die Augen schauen konnte, dachte ich zornig.

Die Glückwünsche auf der Karte waren schnell geschrieben, die Bezahlung auch und so stieg ich in den wartenden Wagen, indem Corvin bereits saß. „Alles erledigt?“, fragte er höflich nach, dabei rückte er ein Stück näher.

„Bleib mir ja von der Pelle!“, warnte ich ihn.

„Verführerisch wie eh und je“, lachte er vergnügt sich keinesfalls vom Fleck bewegend. „Übrigens werden wir einen kleinen Umweg machen, ich muss für heute Abend unbedingt eine Kleinigkeit erledigen. Oder möchtest du zuerst ins Hotel?“

„Wenn es nicht allzu lange …“

„Nur ein paar Minuten“, versicherte er mir und nannte dem Fahrer die Adresse.

„Was wird uns denn erwarten?“, wollte ich wissen.

„Wir essen gemeinsam, dann gibt es zum Auftakt einen Champagner und danach … du wirst du dich gedulden müssen“, hauchte er mir einen Kuss auf die Wange.

„Weißt du“, fuhr er fort, „als Pierre meinen Lieblingspunkt an deinem Hals ansprach verärgerte es mich sehr. Ist dir aufgefallen, dass ich ihn nicht mehr küsse? Obwohl es mich reizt, genau dort meine Lippen ruhen zu lassen. Ich könnte den Franzosen dafür erwürgen.“

Unbewusst langte ich genau dorthin, „Ist dir niemals in den Sinn gekommen, das es seltsam wäre, wenn Pierre gerade diesen Punkt nicht kennt. Schließlich waren wir einige Jahre ein Paar und wir nur einige Monate.“

„Monate! Ja du sagst es!“, rückte er nun weiter fort. Die restliche Fahrt verlief in angespanntem Schweigen seinerseits, während ich innerlich frohlockte. Also musste ich nur Pierre erwähnen und schon ließ er von mir ab.

„Ach“, tat ich, als ob es mir gerade eingefallen wäre, dabei hatte ich einen Hintergedanken, „wen dürfen wir denn alles als Gäste erwarten?“

„Nur den engsten Familienkreis und Freunde“, antwortete er kurz angebunden.

„Was heißt?“, bohrte ich weiter.

„Sardovans, Peers Familie, Trauzeugen“, gab er mir gnädig Auskunft.

Demnach wurde Pierre nicht eingeladen, denn weder Alia noch Peer fanden einen Bezug zu ihm. Naja wenigstens gehörte Malech zu den Gästen, vielleicht könnte ich mit ihm flirten, was mir bei ihm leicht fallen dürfte, da er wie Henry jeder Frau, deren er habhaft werden, konnte den Himmel auf Erden versprach. Zudem kam ich Alias Forderung nach, die sie, trotz ihrer Heirat, gewiss nicht vergaß.

Das Taxi hielt an und Corvin eilte in ein Geschäft. Ein Dessousladen, was wollte er denn dort? Mit einigen Taschen und viel besserer Laune kehrte er zurück, verpackte die Taschen in den Kofferraum, anschließend setzte er sich grinsend neben mir, wieder einmal fiel zu nah.

„Ich nehme an, es ist ein Geheimnis.“

„Richtig!“, spielte er mit einer Strähne meines Haares, „Du solltest öfter Rot tragen, sicher ein schöner Kontrast zu deinem dunklen Haar und deines hellen Teints.“

„Ich ziehe gedeckte Farben vor und überlasse gern anderen den Kontrast“, entzog ich ihm mein Haar.

„Wirklich schade, es sähe gut an dir aus.“

„Kommt wahrscheinlich darauf, an wen man fragt, Pierre mochte mich am Liebsten in Jeans und Shirt, vorzugsweise sein Shirt“, setzte ich gleich meine neueste Erkenntnis ein.

„Wie langweilig!“, verbuchte ich meinen Erfolg mit einem Grinsen, denn er setzte sich wenigstens gerade auf und behielt seine Hände bei sich. Nur noch einige Tage sagte ich mir, denn Muse verriet mir, das sie gleich nach Alias Trauung heiraten wollten.

Eine einfache Zeremonie genügten ihnen, anschließend ein Empfang dann wollten sie für eine Woche verreisen. Nach meiner Rechnung konnte ich nach dem Empfang abreisen, denn Prya wollte eine große Hochzeit. Um diese zu planen, so sagte sie mit roten Wangen, dafür benötigte sie einige Monate. Was ich keinesfalls anzweifelte.

Wer weiß in einigen Monaten musste ich Abstand zu Corvin gewonnen haben, ich musste einfach! Und fang gleich sofort damit an, sagte ich mir.

„Woran denkst du gerade?“, fragte mein aufmerksamer Sitznachbar.

„An nichts Bestimmtes, wieso?“

„Weil du gerade so aussiehst, als ob du in den Krieg ziehen willst.“ Ich lachte kurz auf, auf eine Art stimmte es sogar, eine Schlacht gegen meine Gefühle.

Endlich erreichten wir das Hotel, wie zuvor kam gleich ein livrierter Angestellter und öffnete die Tür. Artig bedankte ich mich, an Corvin gewandt meinte ich, „Wir sehen uns dann!“, wollte ich so schnell wie möglich das Hotel erreichen.

Die Schlacht in meinen Inneren lief auf Hochtouren, der Verstand sagte halt dich fern, das Herz schrie bleib, koste jede Sekunde aus. „Wohin so eilig?“, war er bereits an meiner Seite, „Ich dachte, wir genehmigen uns eine kleine Erfrischung an der Bar. Deine Füßen lechzen doch geradezu nach einem Drink.“

Ich blieb geschockt stehen, „An einem öffentlichen Ort Nahrung zu uns nehmen?“

Corvin nickte, „Außerdem ist es heute keineswegs öffentlich, wir sind die einzigen Gäste und der Barkeeper gehört zur Familie. Was ist? Ich weiß doch, wie schrecklich sich deine Füße anfühlen müssen“, zwinkerte er mir zu.

Ausgerechnet jetzt musste er mich an seine fürsorgliche Seite erinnern. In Granada massierte er oft meine geschundenen Glieder, nachdem wir stundenlang von einer Gruppe zu Nächsten gingen.

„Also gut!“, willigte ich ein, ein Glas mit Nahrung sollte jegliche Beschwerde ausmerzen.

An der Hotelbar saßen einige Gäste, die ich nur zu gern begrüßte, Till, Eric, Matt, Hendrik und Peer. „Hat ja lange genug gedauert!“, wurde ich gerade von Till zu Matt gereicht, „Wir dachten schon, ihr kommt nicht mehr.“

„Ich habe euch keine feste Uhrzeit genannt!“, erwiderte Corvin.

Dann plante er dieses Treffen! „Wie ist es, setzten wir uns an einem Tisch“, schlug Eric vor, diesen Moment nutzte ich, um mich bei Corvin zu bedanken.

„Kaum der Rede wert, die Idee kam von Till.“

„Trotzdem danke“, drückte ich ihm einen scheuen Kuss auf die Wange.

„He, he“, rief Till, „der Mann ist tabu, halte dich lieber an mich, Sarah. Wir haben leider oft genug zusehen müssen, doch das ist jetzt vorbei, nun sind wir an der Reihe!“, er hielt inne, dann grinste er über das gesamte Gesicht, „Matt nur wir zwei haben die Ehre mit Sarah zu kuscheln, denn die anderen sind aus dem Rennen.“

„Was ist mit mir!“, protestierte Hendrik lautstark.

„Du? Hör doch auf, wie oft sagtest du, Sarah sei wie deine Schwester, dann halte dich daran und spiel den großen Bruder“, landete ich bei all der Neckerei zwischen Till und Matt.

Derweil holten Peer und Corvin die Getränke, als Corvin mir ein Glas reichte, schnupperte Till mit geblähten Nasenflügeln, „Nahrung? Du wirst verwöhnt! Na na Boss du willst doch kurz vor deiner Hochzeit nicht auf Abwegen geraten?“, witzelte er, worauf ich puterrot anlief.

Corvin hingegen nahm es gelassen, „Du kennst Sarah doch, sie jammerte die gesamte Zeit über ihre ach so malträtierten Füße, da versprach ich ihr ein Glas. Außerdem lockte ich sie so in eure Arme.“

„Dir sei verziehen!“, meinte Till gnädig, „Wer ist denn heute Abend dein Tischnachbar? Ich stelle mich dir gern zur Verfügung“, zwinkerte er mir zu.

„Auf eine Regelung habe ich bestanden“, sagte Peer, „Alias und mein erster Trauzeuge werden zusammen zu Tisch gehen.“

„Wieso denn ausgerechnet das?“, mischte sich Matt ein.

„Nenn mich altmodisch, ich möchte es einfach so.“

„Ach so, dann dürfen wir anderen Trauzeugen mit wem auch immer zu Tisch gehen? Dann nehme ich Prya!“, sagte Till schnell, „Wenn ich nicht die Mutter haben darf, gebe ich mich mit der Tochter zufrieden.“

Eric machte ein ernüchterndes Gesicht, was Peer bemerkte: „Ansonsten ist die Regelung keineswegs starr, du kannst mit deiner Frau gehen.“ Sofort grinste Eric erleichtert.

„Na toll auch!“, murrte Matt, „wer bleibt da für mich? Meint ihr etwa, ich gehe ohne Begleitung zu Tisch?“

„Marsé freut sich bestimmt über einen galanten Begleiter“, sagte Corvin.

„Aber normalerweise stehst du doch an ihrer Seite“, verstand ich seinen Vorschlag nicht.

„Wie du hörtest, bin ich verplant.“

Langsam dämmerte es mir, Till der Naseweis machte sich über mich lustig, „Wie immer tröpfelt bei Sarah die Erkenntnis langsam ein. Du wirst die Ehre haben, mit unserem gestrengen Boss Seite an Seite zu essen. Gott sei Dank, gehört das Mahl zum kürzesten Ablauf des Abends. Anschließend wird die Sitzordnung doch aufgehoben, oder?“, wollte er von Peer wissen.

Der zuckte unwissend die Schultern, „Da müsst ihr Corvin fragen. Was er für den Abend geplant hat, davon habe ich keine Ahnung.“

Aller Augen richteten sich auf Corvin, der lächelte maliziös, „Meine Lippen sind versiegelt!“

„Wirklich?“, ließ Till nicht locker, „Und wenn wir dir eine unwiderstehliche Frucht vor Augen halten?“, fragte er vorwitzig.

Der Boss ging auf das Spiel ein, „Nur heraus mit der Sprache, Till!“

„Wie wäre es mit einer Junggesellenparty ganz nach unserer wilden Zeit?“

Corvin schüttelte den Kopf.

„Dann der Verzicht auf ein Gehalt?“, zwar stöhnten die anderen, aber auf Tills Protest stimmten wir zu.

Corvin schüttelte den Kopf.

„Lasst euch auch mal was einfallen!“, forderte Till in die Runde blickend.

„Wir finden heraus, wer Pryas Liebster ist!“, schlug Peer vor.

Corvin schüttele den Kopf.

„Ich dachte, er geht darauf ein, gute Idee Peer“, meinte Matt, „Wie wäre es mit einer Flasche wirklich guten Weines? Du weißt, welche ich meine …“, sah er Corvin auffordernd an.

„Eine Versuchung! Aber nein das ist es mir nicht wert!“, lehnte Corvin ab.

„Ich dachte, er geht darauf ein“, lehnte sich Matt zurück.

„Ja ich auch!“, nickte Hendrik, „denn hinter dieser Flasche ist er schon seit Jahren her. Verflixt aber auch, wie kann man diesen sturen Esel ködern?“, raufte er sich verzweifelt durch das Haar.

Dann grinste er heimtückisch, „Ich habe eine Idee!“, lachte er feixend, „Aber dann muss jeder meinen Vorschlag zustimmen, ohne ihn vorher zu kennen.“

„Ist es etwas Kriminelles?“, wollte Peer wissen.

„Nein! Man muss noch nicht einmal den Raum verlassen.“

Wir schauten uns alle um, mit welchem Gegenstand konnte man Corvin locken? Dieser beugte sich vor, „Du machst mich neugierig!“

„Also, was ist, seid ihr einverstanden?“, sah Hendrik uns einen nach dem anderen an. Till nickte als Erster, dann stieß er mir in die Rippen, „Na gut“, stimmte ich zu, Peer und Eric meinten „Was soll´s“, nur Matt grübelte einen Moment nach, bis er zustimmte.

„Boss?“, lauerte Hendrik auf seine Antwort.

„Wenn ich dich recht verstehe, erfahre ich vorher nicht, was du mir anbietest. Habe ich es richtig verstanden?“, Hendrik nickte, „Dann kaufe ich also die Katze im Sack“, zögerte er.

„Nun komm schon“, schmeichelte der Blonde, „Wo ist deine Risikobereitschaft, deine Impulsivität? Gib dir einen Ruck, wir verlangen ja nicht den gesamten Ablauf nur ein Brotkrummen.“

„Es geht nur um die Sitzordnung?“, erinnerte er uns an die Abmachung.

„Ein bisschen mehr darf es schon sein, schließlich muss sich einer von uns ganz schön ins Zeug legen“, pustete Hendrik die Wangen auf.

Corvin grinste, „Na gut, die Sitzordnung gebe ich preis, dann mal heraus mit der Sprache Hendrik, was wird mich erwarten.“

Die Entscheidung wurde unter Jubel gefeiert, als sie schließlich verebbte, sahen wir den Blonden gespannt an, „Du Corvin darfst dir einen von uns aussuchen und dem Auserwählten eine Forderung stellen, die sofort und in diesem Raum erledigt werden kann.“

„Bist du verrückt geworden?“, protestierte Peer, „Damit gibst du einen von uns in seine Hand.“

„Ja und? Ist doch lustig, wer weiß, was er sich einfallen lässt“, nahm Hendrik unser Geschimpfe lässig auf.

„Darf ich einen Moment überlegen?“, fragte der Boss mit glitzernden Augen nach. Hendrik gestand ihm einige Minuten zu.

Corvin überlegte laut, „Peer würde ich gern an einer Stange tanzen sehen.“, Peers Protest ging unter unserm Gejohle unter.

 „Eric? Ich weiß noch nicht, leider ist seine Frau nicht zugegen, da wäre mir schon etwas eingefallen“, grinste der Boss wölfisch.

„Meine Frau lässt du da heraus!“, knurrte Eric ungehalten.

„Mir wird schon etwas einfallen. Von Hendrik erwarte ich einen Strip, einen der mich vom Hocker haut!“

„Lässt sich machen!“, nahm er es mit Humor.

„Matt, mag keine Bemalung auf seiner weichen Haut, ihn von oben bis unten zu bemalen würde mir Spaß machen“, worauf Matt nur gleichgültig die Schulter zuckte und wir ablehnten.

„Sarah! Ah, eine schwerwiegende Entscheidung, schließlich will ich meinen Spaß haben und nicht zu dem Vergnügen der anderen anwesenden Böcke beitragen. Ich weiß schon, einen Kuss! Einen richtigen verführerischen heißen Kuss.“ Wieder brandete Gejohle auf, nur Peer und Matt blieben zunächst ruhig.

Bis Peer einwandte, „Ein Kuss ist etwas sehr persönliches Corvin, du solltest dir für Sarah etwas anderes einfallen lassen.“

Corvin verneinte, „Ich halte mich an die Abmachung und ihr habt alle zugestimmt.“

Die Stimmung schien zu kippen da weder Peer noch Corvin nachgeben würde. „Ist schon gut Peer, es ist ein Kuss und ihn habe ich schon unzählige Male geknutscht, kein Akt, ich werde es schon überleben. Fragt sich nur, ob der Herr später noch in seine Hosen passt!“, setzte ich frech hinzu.

„So kenn ich meine Sarah!“, frohlockte Hendrik, „Ich würde es mir überlegen Corvin herauszufordern. Nicht dass du am Ende, unsere gemütliche Runde in deiner Notdurft verlassen musst“, giggelte er vergnügt.

„Wir werden sehen! Sarah ist jedenfalls einer meiner Favoriten. Nun zu Till, auch bei ihm ist es schwierig, schließlich macht er jeden Scherz mit. Also bleibe ich bei meinen Favoriten, Peer und Sarah“, sah er uns abwechselnd an.

„Nun entscheide dich schon!“, forderte der ungeduldige Till.

„Peer!“, sagte Corvin knapp, „Dir als Bräutigam gebührt die Ehre!“

„Woher nehmen wir die Stange?“, sprangen Hendrik und Till gleichzeitig auf, „Da den Garderobenständer, der wird es tun“, war nun auch Matt Feuer und Flamme.

Derweil rückte Eric schon einen Tisch zur Seite, während Peer die Augen verdrehend über seine angeblichen Freunde lamentierte, „Gib es ruhig zu, du hast mich von Anfang an, im Visier gehabt“, sagte er zu Corvin.

„Sicher, das Schicksal eines jeden Bräutigams!“, klopfte er ihm aufmunternd auf die Schultern.

„Sarah na los, wir bilden einen Kreis um unseren Callboy, hoffentlich hast du saubere Unterhosen an, Peer“, war Till völlig von der Rolle.

„Soll ich dabei etwa einen Strip vollziehen? Es hieß einen Tanz an der Stange!“

„Natürlich gehört es dazu, was denkst du denn? Meinst du etwa wir wollen lahme Verrenkungen deines dürren Körpers sehen?“, informierte ihn Hendrik.

„Manchmal Hendrik wundere ich mich über dich. Kann es sein das du mehr Gene deines Vorfahren in dich trägst? Alia kann sehr eifersüchtig sein, weißt du“, schaute Peer sein Gegenüber mit glutvollen Augen an.

„Lass das!“, sprang Hendrik entsetzt einen Schritt zurück, „Allein der Gedanke gruselt mich.“

Till hielt sich vor Lachen an Matt fest, als Peer dann begann den Garderobenständer mit, „Na mein Süßer!“ anzureden, konnte sich bald niemand mehr auf den Beinen halten.

Den Bauch haltend fand ich mich auf den Fußboden wieder, Eric halb über mich gebeugt wimmerte, „Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr“, neben mir lag Till, er rührte sich nicht mehr, allein die Tränen auf seinen Wangen bewegten sich.

„So und nun heraus mit der Sprache, Corvin!“, blieb allein dem Akteur genügend Atem zum Reden.

Corvin richtete sich mühsam auf, wischte sich die Tränen von den Wangen, „Einen Augenblick“, schnaufte er mühselig, „Schade das wir es nicht aufgenommen haben, Alia wäre entzückt.“

„Keine Sorge, wenn sie möchte gebe ich ihr gern eine Privatvorstellung. Ich warte Corvin!“

„Also gut, an für sich gibt es keine Sitzordnung, nur bei verschiedenen Gelegenheiten wird man uns auffordern mit dem Sitzpartner etwas zu erledigen. Zufrieden?“

„Was meinst du damit? Was sollen wir erledigen?“, beugte sich Peer über den Boss, der streckte den Arm aus und zog Peer weiter hinunter, „Das wirst du dann noch sehen! Euer Junggesellenabend wird in Erinnerung bleiben, mein Freund!“, lachte er.

„Ich sagte Alia ja, es ist der größte Fehler dir freie Hand zu lassen. Ich wusste es!“, meinte er es ernst oder spielte er gerade den Verzweifelten? Ich konnte es nicht erkennen, nun nach seiner Darbietung einfach unmöglich.

Nachdem wir wieder gesittet auf unseren Stühlen saßen, fragte ich Till, der winkte ab, „Natürlich war es Spaß, denn Corvin wird bestimmt nicht die Heirat der Beiden bombardieren und Peer weiß es.“

Eine weitere Runde wurde uns serviert, „Die Letzte meine Herrn“, ermahnte uns Peer, „wir müssen uns für den Abend fertigmachen.“

„Und was ist mit der Dame?“, unkte Till, „Soll sie etwa nackt kommen?“

Matt verabreichte Till eine Kopfnuss, „Beherrsche dich mal! Sarah ist nicht irgendeine deiner Damen.“

„Nun hab dich nicht so, früher konntest du solche Späße vertragen, da hat nur der Boss gemurrt. Langsam solltest du über Sarah hinwegkommen, konnte er doch auch!“, wies er auf Corvin, „Sag mal wie ist denn deine Zukünftige? Kann sie auch einen Spaß verstehen?“

„Auf jeden Fall, sie lacht gern und ihr werdet sicher gut mit ihr auskommen. Manchmal kann sie richtig derb fluchen“, schwärmte er und ich erhob mich, weil ich mir das Gesäusel nicht mehr anhören konnte.

„Ihr entschuldigt mich, wie ihr sicherlich wisst benötigen wir Frauen länger für unsere Toilette.“

„Besonders wenn Muse ihren Folterknecht im Gepäck hat“, meinte Hendrik, „Bevor ich in die Bar kam habe ich sie samt grauen Koffer gesehen. Sie wird bestimmt auf dich warten, Sarah“, manchmal könnte ich Hendrik direkt den Hals umdrehen.

Vor dem Fahrstuhl wartend, schimpfte ich noch immer. „Sarah einen Augenblick noch“, kam Corvin auf mich zu. Was wollte der denn schon wieder? Etwa über die Vorzüge seiner Braut schwafeln?

„Hier das habe ich für dich besorgt! Ich weiß Alia hat gerade für dich eine strenge Kleiderordnung, aber dagegen wird sie kaum etwas einwenden“, übergab er mir eine Schachtel.

Die ich sofort öffnete, ein paar flache Schuhe kamen zum Vorschein. Keine Treter, nein ein eleganter silberfarbener Schuh mit Strass besetzt. „Ich weiß gar nicht, was sie für mich heute Abend plante, auf jeden Fall danke“, trat ich in den Fahrstuhl. Corvin sah so aus, als wolle er auch, er wurde von Hendrik gerufen, „Bis gleich!“, hob er grüßend die Hand.

Noch immer die Schuhe bewundernd trat ich aus der Kabine, „Da bist du ja endlich!“, lief mir Rosmerta mit Lockenwicklern über den Weg, „Was hast du denn da? Sag nicht die besorgtest du für Alia, die wird sie dir an den Kopf werfen.“

„Nein Corvin gab sie mir gerade für heute Abend.“

„Ach ja? Lass mal sehen!“, nahm sie einen Schuh aus dem Karton, „Oh man da hat er sich in Unkosten geworfen. Marsé!“ schrie sie.

Marsé im Bademantel stürzte auf den Flur, „Was ist geschehen?“, fragte sie erschrocken nach.

„Schau dir das an! Was sagst du dazu?“

„Was ist denn los?“, fragte nun auch Muse mit einer grünen Maske im Gesicht, gleich darauf folgten Alia und Prya. Die Schuhe wurden entsprechend bewundert, „Dafür musstest du aber tief in die Tasche greifen“, streichelte Marsé über das feine Leder.

„Von wegen, dein Sohn schenkte sie Sarah!“

„Corvin? Ist nicht wahr!“, drängelte sich Alia vor, nun das Paar genauer betrachtend, „Sehr gute Verarbeitung, sieht aus wie eine Maßanfertigung, exquisite Steine. Wirklich ein kostbares Paar und er schenkte sie dir einfach?“

„Nein! Er meinte, ich könnte sie heute Abend tragen, natürlich gebe ich sie ihm zurück, wenn sie wirklich so kostbar sind.“

„Auf keinen Fall!“, hielt Marsé mich auf, „Wenn ein Gentleman solch ein Geschenk macht, dann behält man es. Daran sind doch nicht irgendwelche Bedingungen geknüpft, oder?“, wurde ich von fünf Augenpaaren sondiert.

Kräftig schüttelte ich den Kopf, „Dann behalte sie!“, entschied Marsé resolut. Alia stimmte zu, „Wer weiß, vielleicht wird ihm die Heirat mit der Unbekannten doch ein Gräuel sein. Oder er erkannte, was er für dich empfindet, Sarah.“

„Er wird auf jeden Fall heiraten“, sagte Prya, „er sagte es mir, als wir ankamen und er ist entschlossen. Was es bedeutet muss ich euch nicht erklären. Vielleicht ist es ein Abschiedsgeschenk, würde meinen Dad ähnlich sehen“, tippte sie auf einen der Schuhe.

„Dann behalte sie erst recht, Sarah! Allein mit den Steinen kannst du ein ganzes Jahr leben“, meinte die praktische Isabel.

„Solch ein Kleinod zerstört man doch nicht!“, sagte Alia entrüstet, „Sarah wird sie tragen und damit basta! Was auch immer unser Herr sich dabei dachte, darüber können wir nur spekulieren. Aber nun drängt die Zeit, Sarah du musst dich besonders beeilen“, scheuchte sie uns auseinander.

Muse und Marsé folgten mir in meine Räume, sie setzten sich tatsächlich auf die zierlichen Stühle. „Eines möchte ich vorwegschicken, Sarah. Ich weiß mein Sohn kann äußerst großzügig sein. Wofür er das Paar besorgte kann ich mir denken.“

„Was meinst du?“, fragte ich nach.

„Ach Sarah, auch wenn ich nicht auf der Festung verweile, so weiß ich doch, was vorgeht. Ihr habt beide eine Nacht außerhalb der Burg verbracht. Muss ich es weiter ausführen?“

„Nein“

Muse seufzte, „Also ein Abschiedsgeschenk! Ich weiß wirklich nicht, was in seinem Kopf vorgeht.“

„Ich leider auch nicht“, stimmte Marsé in Muses seufzen ein.

„Da kann ich euch behilflich sein. Er meinte, es fühlt sich richtig an, von wegen Vertrautheit und deshalb könne er seiner Zukünftigen mit reinem Gewissen in die Augen schauen.“

„Solch ein ausgemachter Blödsinn! Betrug ist Betrug! Ha, er redet es sich nur schön! Jedenfalls wirst du ihm keine weitere Gefälligkeit entgegenbringen, und wenn ich mit dir in einem Bett schlafen muss, um meinen geilen Sohn aufzuhalten.“

Allein der Gedanke ließ mich lächeln, „Ich habe die Geste verstanden, er wird mich nicht noch einmal aufsuchen. Um eines möchte ich euch bitten, behaltet dies Gespräch für euch.“

„Selbstverständlich!“, sagten sie gleichzeitig.

„Muse hast du schon etwas in Erfahrung gebracht?“

„Was meinst du?“, wollte Marsé wissen. Kurz klärte ich sie auf, „Tja es wird schwierig, als Krieger wirst du kaum unterkommen, ich höre mich anderweitig um. Keine Sorge wir werden in der Zukunft schon etwas finden.“

„Nach der Trauung von Vater und Muse werde ich abreisen, egal ob ich einen Job habe oder nicht.“

„Das trifft sich ja! Dann kommst du mit mir, Prya will auf der Festung bleiben und ich sehne mich nach ein wenig Ruhe. In meinem Heim bist du immer willkommen Sarah.“

„Das ist nett, aber ich möchte auf meinen eigenen Beinen stehen.“

„Darüber reden wir noch, jetzt spute dich, ansonsten machst du dir völlig unnötig Sorgen um deine Zukunft, denn Alia wird sie vorzeitig beenden“, lachte Marsé das Zimmer verlassend.

„Sarah du kannst jederzeit in meinen Heim leben, ich hoffe, du weißt es“, sagte Muse.

„Danke, aber wie gesagt …“

„Ich wollte es nur erwähnen“, versicherte sie mir.

Mein Abschiedsgeschenk passte genau zu meiner Garderobe an diesem Abend. Im Stillen dankte ich Alia, das sie mir heute kein Kleid aufzwang, sondern einen eleganten Hosenanzug, dazu trug ich ein passendes Top. Mit und ohne Jacke sah es gut aus, drehte ich mich im Spiegel, das kostbare Paar kaum spürend.

Heute wollte ich sie tragen, nahm mir jedoch fest vor sie ihm zurückzugeben. Bezahlen lassen wollte ich mich nicht, so viel Stolz besaß ich noch. Aber wenn ich sie trug, dann konnte er sie nicht mehr zurückgeben.

Schade eigentlich, entledigte ich mich des bequemen Paares, dann eben die harte Tour, zog ich die nicht weniger elegante Sandaletten an. Alia in einem sexy roten Minikleid bemerkte sofort meine Entscheidung.

„Richtig so! Im Nachhinein sah es nach Bezahlung aus, was ich Corvin keinesfalls unterstelle. Er hat wahrscheinlich gar nicht darüber nachgedacht.“

„Mir wäre es egal!“, meinte Rosmerta, „Geschenk ist Geschenk!“

„Nein, ich verstehe Sarah schon“, sagte Isabel.

Prya regte sich auf, „Vielleicht war es auch kein Geschenk, sondern nur eine Leihgabe. Vater würde niemals eine Frau bezahlen …“

„Na sicher Kind“, sagte Marsé zweifelnd ihre Enkelin stoppend, „Höre einmal auf erfahrene Frauen, was mein Sohn sich auch dabei dachte bleibt uns verschlossen. Sarah kann entscheiden, wie immer sie will, denn ihr übergab er das Paar. So und nun Schluss damit, es geht uns nichts an! Auch dich nicht Prya!“, mahnte sie streng.

Im Erdgeschoss angekommen reihten wir uns in die Reihe der Gäste ein, außer Alia, die von der plötzlich auftauchenden Intha in einen anderen Raum geführt wurde, „Wie verhält es sich eigentlich heute Abend, das Brautpaar sieht sich doch“, wollte ich wissen.

„Eine Ausnahme, aber nahekommen werden sie sich nicht, dafür ist schon gesorgt“, antwortete mir Rosmerta, „Mein Gott, was für ein Andrang, ich dachte, es sei eine familiäre Feier?“

„Ist es auch, zumindest das Essen, wie viele allerdings danach erscheinen da bin ich überfragt.“

„Haben denn all die Leute genügend Platz?“

Nun antwortete mir Muse, „Freilich, es gibt zwei große Räume, die aneinanderliegen, dort passen etliche Leute hinein. Zum Glück müssen wir nicht um einen Sitzplatz kämpfen, Corvin versicherte mir, es sei alles arrangiert.“

„Wir müssen dorthin!“, deutete Isabel in die linke Richtung, hier wurde es deutlich ruhiger.

„Wie früh die Leute ankommen“, wunderte ich mich, hinter Rosmerta und Isabel hergehend. Muse, Marsé und Prya gingen voran.

„Du darfst die Anreise nicht vergessen“, antwortete mir Hendrik, der anscheinend auf uns wartete, „Alia ist abgeholt worden?“, fragte er nach.

„Gleich am Fahrstuhl“

„Gut, dann dürfen wir uns ja nun entspannen.“

Als wir den Raum betraten viel mir eines als Erstes auf, der Duft! Unendliche Blumengebilde prangten auf den gedeckten Tischen, alles in einem warmen Creme gehalten. Nur das Grün der Pflanzen unterbrach den warmen Ton.

„Wie reizend!“, hörte ich Muse sagen.

Hendrik rümpfte die Nase, „Ein wenig zu viel von dem Gestrüpp!“

„Da sehen wir mal wieder, wovon Männer keine Ahnung haben“, meinte Rosmerta, „Ah da sind Alia und Peer, kommen wir von der falschen Seite?“

Hendrik blieb wie angewurzelt stehen, „Mein Fehler, ich habe es vergessen. Wir müssen dorthin!“, zeigte er auf einen schmalen Gang.

„Junge!“, schimpfte Rosmerta.

Als wir den Gang hinter uns ließen schlossen wir uns der nächsten Reihe an. Hier sahen wir alles bekannte Gesichter, die wir begrüßten und schon waren wir fast bei dem Brautpaar angelangt.

„Ich muss mich jetzt nach meiner Tischdame umsehen. Wir sehen uns später, wo ist eigentlich dein Tischherr? Ah da kommt er ja schon“, zwinkerte er mir zu, „Kümmere dich ja gut um die Dame, sie ist etwas ganz Besonderes!“, wies Hendrik den Boss zurecht.

„Ich erfülle meine Pflichten immer mit größter Sorgfalt!“, knurrte Corvin den Blondschopf an.

Seine gute Laune schien verflogen zu sein, ich machte mich auf einen netten Abend gefasst. „Du trägst meine Schuhe nicht!“, keifte er mich gleich an.

„Ach ich wusste nicht, dass es eine Pflicht ist! Morgen bekommst du sie ungetragen zurück!“

„Soll ich sie etwa anziehen? Es ist eine Maßanfertigung, wenn du sie nicht willst wirf sie in den Abfall!“

„Okay“, ließ ich ihn daraufhin links liegen. Er unterhielt sich derweil mit unserem Hintermann und seiner Begleitung. Die Stimme der Frau kannte ich, wandte ich mich um und blickte in Charlys hübsches Gesicht, die gerade Corvin anhechelte.

Sie waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht mitbekamen, dass es weiterging. Ich ließ sie dort stehen und ging allein weiter, bis ich vor dem Brautpaar stand, welches mich herzlich willkommen hieß.

Zwar warfen Alia und Peer verdutzte Blicke auf Corvins Rücken, sagten aber kein Wort dazu. So machte ich mich allein auf die Suche nach einem Sitzplatz. Die Tische waren jeweils für sechs Personen eingedeckt und überall standen Namenskärtchen.

Na toll! Ich suchte bestimmt nicht nach meinem Tisch. Stellte ich mich abseits, irgendwann würde nur noch ein Platz frei sein, sagte ich mir. Dann sah ich mehrere Ober oder was auch immer sie darstellten, die die Gäste an ihre Tische begleiteten. Typisch zu mir kam keiner!

Endlich kam auch der Herr Sardovan, natürlich ganz eingenommen von Charly in den Raum. Ihr Begleiter trottete hinter ihnen her, keimte die Wut in mir auf. Es ist der Abend deiner Freunde und du hast nicht Besseres zu tun, als dir die nächste Bettgesellin zu suchen.

Der Raum füllte sich zusehends, es gab nur noch wenige freie Plätze, also machte ich mich auf. Tatsächlich kam einer der Platzanweiser auf mich zu, ich nannte meinen Namen, „Sie sind allein?“, fragte er mitleidig.

Genau, das benötigte ich auch noch, Mitleid von einem Menschen. „Ja!“, sagte ich deshalb besonders forsch.

„Die Sardovans sitzen dort drüben, sie finden sicherlich ihren Platz. Ich denke dort bei den älteren Damen“, ließ er mich stehen. Danke auch für nichts! Mit entsprechend guter Laune, marschierte ich los.

„Sarah! Mein Gott, wie toll du wieder aussiehst!“

Welch nette Töne wandte ich mich um, „Malech! Na du siehst auch nicht gerade schlecht aus“, umarmte ich den Söldner, den ich in Granada zu schätzen gelernt hatte.

„Wo ist denn dein Sitzplatz? Mich haben sie zu einer alten Krähe gesteckt. Glaub mir, sie ist Furcht einflößend.“

„Und eine besondere Ehre, nach deiner Beschreibung kann es nur Rosmerta sein. Sie ist eine gute Freundin von Alia, sei lieb zu ihr.“

„Oh, das ist sie! Natürlich habe ich schon von Rosmerta gehört, im Kampf will ich ihr unter keinen Umständen als Gegner gegenüberstehen.“ Wir mussten zur Seite treten, da einige Vampire zu ihren Plätzen wollten.

„Wir stehen hier mitten im Weg!“, sagte Malech, „Ich hoffe doch sehr auf mindestens einen Tanz“, setzte er wie gewohnt seinen gesamten Charme ein, „Darf ich mich schon eintragen?“

„Eintragen?“, wusste ich nicht, worauf er hinauswollte.

„In deine Tanzkarte!“

„Oh, ich habe leider keine.“

„Welch ein Glück für mich, sage es nur niemanden“, kehrte er zu Rosmerta zurück, die uns beobachtet haben musste, dafür interessierte sie sich gerade viel zu sehr für ihr Besteck.

Endlich fand ich den richtigen Tisch. Dort saß bereits ein Paar, welches sich kurz als Sardovan vorstellte. „Natürlich wer sonst!“, konnte ich nicht umhin es festzustellen.

Sie überhörten meinen Kommentar, dafür sprachen sie überlaut über Alia und Peer, welch gute Freunde sie seien. Wie oft Alia mit ihr zur Anprobe ging, überhaupt seien sie die besten Freunde.

Es juckte mich in den Fingern, aber ich beherrschte mich und lugte, welches Paar noch am Tisch sitzen würde. Zu meiner Erleichterung Isabel und Diederich, wenn er das hörte, was sie von sich gaben erlebten sie eine schöne Überraschung.

Es dauerte auch nicht lang, da erschien das Paar. Der große Kämpe machte sichtlich Eindruck auf die Angeber. Isabel strahlend schön, schaute sich mit glänzenden Augen um. „Solch eine Feier könnte mir auch gefallen. Vielleicht bekomme ich ja meinen Brummbär dazu mit mir vor dem Traualtar zu treten.“

Diederich ließ einen resignierten Schnaufer hören, „Bevor du mich in solch einen Pinguinanzug steckst, haue ich lieber ab.“

„Na sicher!“, lachte Isabel abwinkend, „Als ob du ohne mich leben könntest!“, worauf der Krieger unwirsch grunzte. Er fühlte sich sichtlich unwohl in seinem dunkelgrauen Anzug, ständig griff er sich an den Kragen, als ob ihm dieser die Luft zum Atem nahm.

Es dauerte auch nicht lang, da begann das Angeberpaar zu schwadronieren, ich kannte bereits ihre Lügengeschichten. Isabel bemerkte es als Erste, ihr Gemahl hingegen bemühte sich sichtlich Besteck, sowie Servierte an Ort und Stelle zu lassen.

Da ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit fehlte, erhöhten sie ihre Stimmlage, endlich wurde Diederich zum Zuhörer. Erst gaffte er das Paar ungläubig an, öffnete den Mund und schloss ihn wieder.

Ein skeptischer Blick auf seine Frau und mich, Isabel winkte ab, während ich Diederich angrinste. Mehr benötigte er nicht, „Dann seid ihr mit dem Paar befreundet?“, fragte er unschuldig nach.

Die Frau antwortete, „Ja, schon sehr lange“, setzte sie, sich wichtigtuerisch aufsetzend.

„Oh! Sicher kennt ihr auch die Festung?“

„Wir leben praktisch dort. Sie ist himmlisch, ein Heim für die engere Verwandtschaft.“

„Ah! Ihr gehört zum engen Familienkreis“, schien Diederich entsprechend beeindruckt, „Hörst du das mein Schatz, wir sitzen mit den Anführern unserer Familie an einem Tisch.“

„Diederich!“, warnte Isabel.

Was die Frau falsch verstand, „Ist doch nicht so schlimm!“, ließ sie ein geziertes Lächeln sehen, „Wir werden oft befragt, wie unsere Familienoberhäupter so sind.“

„Tatsächlich? Ehrlich gesagt bin ich auch neugierig, wie sind sie denn so? Gerade über das Trio wird viel gesprochen …“, ließ Diederich den Satz ausklingen.

Nun beugte sich die Frau vor, „Corvin, Henry und Vlad! Ja es sind Freunde, wirkliche Freunde, zwischen ihnen gibt es nie ein böses Wort. Unser Oberhaupt hält sie zusammen mit seiner Sanftmut“, beinahe hätte ich laut gelacht, ein dezentes Husten verhinderte dies.

„Henry ist ein wahres Muster an Gentlemen, zwar werden ihm diverse Frauengeschichten nachgesagt, halt Gerüchte. Wie will man dagegen angehen. Und Vlad ist ein Kopfmensch, ein wenig kühl und auch etwas überflüssig, doch Corvin hält an ihm fest.“

„Wie interessant!“, bekam Diederich große Augen, „Sicherlich kann der Boss Vlad nicht einfach hinauswerfen, jetzt da unser aller Urahn aufgetaucht ist.“

„Nun lass die Leute doch in Ruhe!“, schimpfte Isabel.

„Schon gut! Dein Mann trifft es auf den Punkt, Ambrosius ist der Familie wirklich ein Dorn im Auge. Er ist ja so impertinent, stellt Forderungen, die in der heutigen Zeit einfach unmöglich sind.“

Nun wollte ich eines wissen: „Inwiefern seid ihr mit den Sardovans verwandt?“

Ich konnte es kaum glauben, aber die Frau richtete sich noch weiter auf, „Durch Vadim, Alias Bruder, der wie ihr wissen müsst, der eigentliche Kopf der Familie ist.“

„Ist das so?“, konnte ich mich kaum noch beherrschen.

„Ja, ja! Zwar macht Vadim kein großes Theater darum, aber er muss rund um die Uhr, die Schnitzer von Vlad und seiner Brut beheben.“

„Mit seiner Brut meinst du, Livio, Sarah und Ross?“, fragte Isabel spitz nach.

„Einen Ross kenne ich nicht, da musst du falsch informiert sein, mit Livio und Sarah hast du vollkommen recht. Gerade die Tochter ist ein“, sie senkte ihre Stimme, sah sich vorsichtig um, „ein Miststück!“, flüsterte sie leise.

„Also mir reicht es!“, starrte Isabel die Frau böse an.

„Nicht doch, mein Schätzchen“, legte Diederich seine Pranke auf ihre schmale vor Wut zitternde Hand, „Es ist doch interessant etwas über unsere Herrscher zu hören. Was sagst du?“, wandte er sich an mich.

„Wirklich, ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll.“

„Kann ich mir denken!“, kicherte Diederich.

Der Mann der Frau nickte und beteiligte sich das erste Mal am Gespräch, „So ergeht es allen, die etwas über den inneren Kreis hören.“

Ich hörte bereits genug! „Wann wohl das Essen serviert wird?“, schaute ich mich um.

„Welch eine Unsitte!“, musste die Frau ihren Senf dazugeben, „Unser unfähiges Familienoberhaupt besteht darauf. Wie lachhaft, wir sind Vampire und benötigen nur eine Art der Nahrungsaufnahme. Alia vertraute mir an, dass unser Boss menschliche Nahrung benötigt, anscheinend ist etwas bei seiner Wandlung schiefgegangen, er soll ja impotent sein und seine angebliche Tochter nur ein Kuckuckskind“, wieder hauchte sie die Worte leise heraus, aus gutem Grund, dachte ich zynisch.

Besonders da sich unser Gesprächsthema gerade auf unseren Tisch näherte. Mürrisch bedachte er mich mit einem Blick, nickte den beiden Paaren kurz zu und setzte sich.

„Ist dir etwas über die Leber gelaufen?“, fragte Diederich scheinheilig, und bevor Corvin etwas erwidern konnte, fügte er hinzu, „Stell dir vor mein Lieber, wir sitzen mit einem prominenten Paar zusammen. Diese lieben Leute verkehren ständig auf der Festung und sie wissen Einzelheiten die wir kleinen Krieger niemals erfahren würden.“

Corvin sah Diederich verständnislos an, „Ja! Mann, ich sag es dir, unser Boss ist ein impotenter Nichtsnutz, noch nicht einmal ein richtiger Vampir. Ist ja klar das man ihm ein Kind unterschieben konnte und Vlad mit seiner Brut erst, du solltest es dir anhören. Eigentlich ist Vadim der eigentliche Herrscher der Sardovans! Man sollte da mal gründlich aufräumen, sag ich dir.“

„Wie viel hast du bereits getrunken?“, herrschte die Teufelsfalte in seiner Miene.

„Nichts! Meine Kehle ist trocken wie eine Wüste“, lachte der Kämpe, „Höre dir die Geschichten ruhig an. Falls es dir nichts ausmacht sie zu wiederholen“, fragte Diederich sanft wie ein Schaf nach.

Die Frau bemerkte gar nicht, in welcher Gefahr sie schwebte. Weder Diederichs angebliche Sanftheit, noch die steile Falte zwischen den Brauen von Corvin hinderte sie, ihre Verleugnungen zu wiederholen.

Der Boss reagierte unerwartet, „Wirklich ich sollte mich mal mit Vadim unterhalten!“, lautete sein Kommentar, nachdem die Frau endete.

Inzwischen gingen Peer und Alia unter Beifall zu ihrem Tisch auf einem erhöhten Podest zu. Sie wünschten uns einen schönen Abend, freuten sich das wir ihren Einladungen folgen leisteten und so weiter, da der ansonsten redefaule Peer seine Rede die er augenscheinlich auswendig lernte, mit Bravour beendete.

„Wer hat ihm das denn angetan?“, fragte Diederich, den Boss beäugend.

„Als Bräutigam muss man seinen Pflichten nachkommen, außerdem ist es eine gute Übung, schließlich wird er bald eine wichtige Aufgabe auf der Festung übernehmen. Ich hörte, der frühere Sicherheitschef soll ein bärbeißiger ungeduldiger Neandertaler gewesen sein“, antwortete Corvin höflich lächelnd, worauf Diederich laut losprustete.

Corvin spielte dies Theater mit, ich konnte es kaum glauben, wenn sie noch ein Wort gegen Vater oder Prya sagte, bekam sie es mit mir zu tun, schwor ich mir.

„Damit haben wir weniger zu tun, schließlich leben wir im Turm, einfache Angestellte haben dort keinen Zutritt!“, rümpfte die Frau ihre Nase.

„Oh dann heiratet Alia unter ihrem Stand?“, wollte Corvin wissen.

„Ehrlich gesagt ja! Wer ist Peer schon? Der aufgenommene Sohn einer Verräterin, die mit Alischa unter einer Decke steckte. Wie Naomi de Padio! Wie die Mutter Peers ihren Kopf aus der Schlinge ziehen konnte ist mir persönlich schleierhaft. Wer weiß, vielleicht ist Peer genauso mitschuldig. Wie gesagt Corvin Sardovan ist nicht das, was er uns glauben machen will.“

„Da kann ich dir nur zustimmen! Diese hohen Herrn meinen sie können sich alles erlauben!“, konnte ich mein Entzücken kaum verbergen.

„Eigentlich sollte uns der Boss leidtun, schließlich wurde ihm übel mitgespielt. Diese Sarah muss ja eine kalte Person sein“, musste Corvin grinsend seinen Senf dazugeben.

„Gewiss“, benötigte die Frau keine weitere Aufforderung, „Im internen Kreis wird sie die Eisprinzessin genannt. Ihre Affäre mit dem Franzosen kommt noch erschwerend hinzu, deren Familie sympathisierte, wie gesagt mit Alischa. Wusstet ihr, wie sie sich nach der Wandlung nannte, die ja auch unter ungewöhnlichen Umständen stattfand, Vulpe! Man stelle sich vor, ein Tier, mehr scheint sie auch nicht herzumachen. Ich halte mich jedenfalls von derlei Individuen fern.“

„Also ich finde Vulpe reizend, besonders wenn man an die Vorgeschichte von Sarah denkt!“, meinte Isabel mich verteidigen zu müssen.

„Welche Vorgeschichte?“, wollte die Frau wissen.

„Na, wenn ihr ständig auf der Festung lebt müsst ihr davon Kenntnis haben“, erklärte Isabel eisig, Diederich stupste seine Frau an, „Vielleicht wohnten sie zur damaligen Zeit nicht in Fenils, mein Schatz.“

„Das wird es sein!“, bestätigte die Frau, „und ihr ward dort?“, fragte sie Isabel.

„Gewiss“, antwortete stattdessen Diederich, „So manches Mal, lief mir das damalige Menschenkind über den Weg. Es bestand eine Beziehung zwischen Corvin Sardovan und der Tochter von Vlad. Der Boss nannte sie oftmals liebevoll Füchsin. Heutzutage scheinen sie ihre innige Beziehung wohl vergessen zu haben“, zielten seine Worte samt des strengen Seitenblicks auf uns.

Räuspernd nickte Corvin, „Die Zeiten ändern sich, damit auch die Gefühle, denke ich. Trotzdem sollten sich die beiden wohl mit Respekt begegnen. Was meinst du?“, schaute er mich fragend an.

Mit Respekt! Ha! Wollte ich ihm gerade das Passende entgegnen. Als mein Blick auf die glückliche Alia fiel, ich schloss die Augen. Ertrage es für sie, nur noch einige Tage, „Sicher!“, meinte ich hölzern, weil mir die Zusage schwerfiel.

„Na also!“ lachte Diederich erleichtert, „Ah da kommt das Essen!“, steckte er sich die Servierte in den Kragen, „Jetzt benötige ich erst einmal einen Schnaps, einen Doppelten!“, nahm er Messer und Gabel in seine riesigen Fäuste.

Isabel schüttelte den Kopf, „Den Neandertaler verzeiht er dir nicht so schnell, Corvin!“

„So kenne ich ihn!“, grinste der Boss.

Die Blicke der Frau huschten über den Tisch hin und her, was uns natürlich keineswegs entging. Wir ließen sie rätseln, irgendwann kam sie sicher dahinter.

Was auch bald darauf geschah, als der Trauzeuge sich erhob, um seine Rede zu halten. Es war zu köstlich die bleichen Gesichter zu sehen, besonders nachdem Corvin seine Ansprache mit einem allgemeinen Lacher beendete, „Schließlich bin ich nur ein inkompetenter Anführer, denn ohne die tatkräftige Hilfe meiner Familie bin ich ein Niemand.“

Darauf folgten noch einige Reden, die nicht enden wollten. Diederich sprach dem Wein mit Genuss zu und ich half ihm dabei. Irgendwie musste ich meine Wut auf Corvin zügeln, denn diese war keineswegs gelöscht, auch wenn wir uns nun ja mit Respekt begegneten.

Endlich wurde die Tafel aufgehoben, die Herrn halfen den Damen auf, ich musste mich zusammenreißen, eigentlich hätte ich ihm zu gern die Hand samt Arm und dazugehörenden Körper zerfleischt. Doch ich dankte Corvin mit einem zuckersüßem Lächeln, was er mit einem Vorsichtigem erwiderte. Er wusste unter Garantie, wie sehr ich innerlich kochte.

Das Paar verschwand still und schweigsam, ich trauerte bestimmt nicht hinter ihnen her. „Na denen ist die Lust am Feiern vergangen!“, schmunzelte Isabel.

„Geh nicht so hart mit ihnen zu Gericht“, meinte Corvin, „sie hörten auf die Lügen von Vadim …“

„… und dichteten eine Menge dazu! Manchmal verstehe ich dich nicht Corvin Sardovan! Wie kannst du dermaßen nachsichtig sein?“, stemmte Isabel ihre Hände in die Hüften. Diederich lachte, drückte seine Frau an sich, „In solchen Momenten mein Schatz bin ich dankbar das du mich liebst. Sie ist ne Wucht, was Boss?“

„Ja, du hast viel mehr Verstand, als ich jemals aufgeboten habe“, klopfte er dem Hünen auf die Schulter. „Sarah?“, bot er mir den Arm, worauf ich zögernd meine Hand legte. Was bedauerte er? Denn das tat er! Wie gern hätte ich nachgefragt, erinnerte mich aber daran, dass ich nichts mehr mit seinem Leben zu tun hatte. Soll seine zukünftige Frau sich mit dem schwierigen Charakter befassen! Indessen folgten wir der Meute in den nächsten Saal, wo Sekt gereicht wurde.

„Isabel, möchtest du ein Glas Sekt?“, fragte Diederich lieb nach.

„Champagner!“, musste Corvin ihn verbessern, was mich wiederum reizte, „Sarah?“

„Ich nehme gern ein Glas Sekt!“, musste ich einfach sagen.

„Wie immer auf kontra!“, grinste Corvin mir ein Glas reichend, um dann den Saal zu überblicken, „Es wird eine lange Nacht, ich hoffe, ihr haltet bis zum Ende durch.“

„Wir auf jeden Fall, es ist das erste Mal seit der Geburt unseres Sohnes, das wir einmal Zeit nur für uns haben“, dabei blickte Diederich seiner Frau derartig verliebt an, dass ich ehrlich genug war, mir einzugestehen dies auch einmal erleben zu dürfen.

„Dann wünsche ich euch fiel Spaß, ich werde mich mal ins Getümmel werfen“, verschwand mein Begleiter in der Masse.

Perplex starrte ihn das Paar nach, mich wunderte es kaum. „Sarah wollen wir auch hinein?“, fragte Isabel nach.

Oh Gott, so gern ich Isabel auch hatte, Mitleid konnte ich jetzt keineswegs ertragen. „Nein geht ruhig, ich warte auf Till und Matt, wir wollten uns hier treffen“, versicherte ich ihnen.

Zögernd gingen sie, während ich mich in eine stille Ecke verdrücken wollte. Auf halben Wege blieb ich stehen, was tat ich hier eigentlich? Nein! Entschied ich mich, diesmal amüsierst du dich. Deine Wunden kannst du immer noch lecken, aber heute Abend feierst du!

Mit frischen Mut, schaute ich mich um, nahm ein weiteres Glas und blieb dort, wo ich stand, schließlich sollte man es nicht übertreiben. Einen Schritt nach dem anderen!

Wie lange ich wohl dort stehen geblieben wäre, wusste ich nicht, denn zu meiner Erleichterung erlösten mich Malech und Rosmerta, die Arm in Arm auf mich zukamen.

Na die Beiden mussten sich ja gut verstehen, amüsierte ich mich königlich über ihren Anblick, wie zwei alte Kumpels auf Sauftour sahen sie aus. „Da ist ja das hübscheste Frauenzimmer weit und breit!“, säuselte Malech schon von Weitem.

Rosmerta schnappte sofort nach dem Happen, „Du weißt schon mein Freund, sie ist ungebunden. Na los halte dich ran, unser Füllen muss unbedingt einmal was erleben!“, schubste sie Malech in meine Richtung.

Dieser kämpfte mit seinem Gleichgewicht und kam kurz vor mir zum Stillstand, „Entschuldige Sarah, meine Schuld, ich habe Rosmerta wohl zu viel von dir vorgeschwärmt.“

„Ach ihr jungen Leute, ich benötigt einfach zu viele Worte! Na los, die Musik spielt bereits auf, seht zu das ihr das Tanzbein schwingt.“

„Oh nein! Zuerst begleite ich meine Tischdame zu ihrem Platz!“, widersprach Malech ihr, „Und unsere schüchterne Prinzessin nehmen wir gleich mit!“

„Auf keinen Fall setzte ich mich wieder zu euch jungen Gemüse!“, wehrte Rosmerta ab, „Irgendwo müssen Marsé und Intha sein, dort darfst du mich absetzen, du Schlawiner. Schließlich muss ich an meinen guten Ruf denken!“

Auf den Weg dorthin begegneten uns Vampire, die ich kannte. Einige gehörten zu meinen Aufträgen. Rosmerta kannte fast jeden, dementsprechend langsam kamen wir voran. Malech hingegen kannte so gut wie niemanden, was mich wunderte.

Er winkte ab, als ich ihn danach befragte, „Sicher wissen sie, wer ich bin, sag mir, welcher Vampir gibt zu, jemals einen Söldner in Anspruch genommen zu haben. Daran sind wir gewohnt, desto überraschter war ich, als ich die Einladung erhielt. Peer hielt Wort, was für unsereins eine große Ehre ist. Seine Braut muss eine ungewöhnlich großherzige Seele besitzen.“

„Alia?“, auf diese Weise betrachtete ich sie noch nie, stimmte ich Malech vollkommen zu. „Demnach kennst Alia nicht? Dann werde ich euch einander vorstellen“, war ich gespannt auf seine Reaktion.

„Wirklich?“, freute er sich, „Bisher telefonierte ich nur mit ihr und vorhin habe ich mich an dem Gedrängel vorbei geschlichen.“

„Dann gehen wir!“, entschied ich mich kurzerhand. Malech erinnerte mich an Rosmerta, „Wenn ich eines bei Corvin lernte, dann wie man sich gegenüber den Damen verhält.“ Mein grimmiges Auflachen verstand er in keiner Weise.

Nach und nach erreichten wir die Tischgruppen, auch diese waren mit Blumen und Kerzen dekoriert. Marsé winkte uns zu, am Nebentisch saßen Hendrik und Till die uns ebenfalls zuwinkten.

Marsé saß mit Intha und Prya da, wobei meine Tochter ein griesgrämiges Gesicht zog. Kurz darauf wusste ich, weshalb, denn der Herr Vater befahl, ihr bei der Großmutter zu bleiben. Was für ein junges Mädchen voller Tatendrang gewiss eine Marter sein musste.

„Dann geht Prya eben mit mir, wenn du dir das Fest aus der Entfernung ansehen möchtest, Marsé“, schlug ich vor.

„Aber sicher“, lächelte Marsé spitzbübisch, „dagegen kann mein gestrenger Sohn bestimmt nichts haben.“

Prya erhob sich geschwind, während Intha einwand, „Die Anordnung beinhaltete keineswegs euren kleinen Trick.“

Die Großmutter zuckte lediglich die Schultern, „Dann sollte mein Sohn sich genauer ausdrücken! Schließlich kann ich der Mutter die Tochter nicht verwehren! Geht nur und habt viel Spaß!“

Was wir uns nicht zweimal sagen ließen. Als Prya hörte, wohin wir wollten, zog sie erneut einen Flunsch, zum Glück kam mir Till zu Hilfe, „Wenn du nichts einzuwenden hast, Sarah, werde ich mit deiner entzückenden Tochter das Tanzbein schwingen. Natürlich werde ich sie anschließend wohlbehalten zum Tisch zurückbringen.“

„Ja, aber dann bitte zu dir und Hendrik, ansonsten ist Marsé gezwungen Prya bei sich zu behalten“, handelte ich mit purer Absicht gegen die Corvins Befehle.

„Oh danke Sarah, du bist ein Schatz“, bekam ich eine unerwartete Umarmung. Na wenigstens etwas dachte ich, es ist jede Auseinandersetzung mit Corvin wert.

Wie erwartet standen Alia und Peer in einer Traube von Gratulanten, es verging einige Zeit, bis wir soweit vorrückten, bis sie uns bemerkten. Malech fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er Alia ansichtig wurde, „Was für eine Schönheit!“, stotterte er völlig baff.

„Na wenigstens liegst du ihr nicht gleich zu Füßen!“, kicherte ich über sein Gesicht.

„Was durchaus geschehen kann! Wie konnte Peer sich diese Frau angeln? Die Welt ist ungerecht, sag ich dir“, und dies sagte er auch dem Bräutigam.

Worauf Peer scherzhaft entgegnete, „Du missverstehst die Angelegenheit, ich werde ohne zu Fragen meiner Freiheit beraubt.“

„Wenn es so ist, tausche ich nur zu gern mit dir!“, konterte Malech, Alia einen verheißungsvollen Blick zuwerfend.

„Nichts da!“, lachte meine Freundin, „Schließlich benötigte ich Jahre um diesen sturen Esel einzufangen.“

Das Paar musste sich den anderen Vampiren zuwenden, Malech warf einen letzten seufzenden Blick zurück, „Sie ist eine wirklich atemberaubende Frau!“

„Das ist sie!“, stimmte ich ihm zu, „und die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann.“

„Du bist schon zu beneiden, Sarah“, meinte er.

„Ich? Wieso?“

„Deine Freunde! Ich weiß von Peer, wie sehr er dich schätzt, ja auf eine Art sogar liebt. So ist es mit allen deinen Freunden, sei es Till, Eric, Michelé, Matt, sogar Rosmerta schwärmt von dir. Anfangs nahm ich an, du hättest mit jeden Einzelnen ein Verhältnis, man vergöttert keine Frau einfach so. Bis ich dich näher kennenlernte, es ist deine Art, die uns fesselt, obwohl du mich anfangs in einen Bottich mit Desinfektionsmittel stecken wolltest, erwischte ich mich dabei, dir zu gefallen. Deshalb beneide ich dich und fühle mich geehrt nun zu deinen Freunden zählen zu dürfen“, sagte er sehr ernst.

„Danke“, wusste ich darauf nichts zu erwidern.

„Es ist die Wahrheit und nun fordere ich meinen ersten Tanz ein.“

 

Kapitel 65

Wie immer auf Festivitäten dieser Art mangelte es nie an Tanzpartnern. Damit wir zwischendurch einmal zur Ruhe kamen, angagierte Corvin einen Alleinunterhalter, der mit dem Brautpaar diverse Spielchen zur allgemeinen Belustigung unternahm.

Alia zog sich bald nach Mitternacht zurück, ich bemerkte ihr stilles Davonstehlen, so folgte ich ihr. Vor dem Fahrstuhl, den sie diesmal benutzen wollte, holte ich sie ein, „Ach Sarah ich wollte dir den Abend nicht vergällen …“, meinte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.

„Ist irgendetwas los?“, dachte ich an meine Unfähigkeit, die Probleme meiner Mitmenschen zu erkennen.

„Nein!“, sagte Alia, diesmal erkannte ich, sie schwindelte mich an.

„Heraus mit der Sprache!“, forderte ich streng und dachte sofort an Vadim.

„Es ist nichts!“, schaute sie sich vorsichtig um.

„Alia höre mir gut zu …“, wollte ich ihr Erklären, was ich von ihrer Lüge hielt.

„Du bist echt unmöglich!“, lachte sie nun, „Peer besorgte uns ein Zimmer. Muss ich weiter ausholen?“

„Oh! Nein! Intha!“, durchforstete ich nun selbst die Umgebung.

„Momentan beschäftigt, Eric hält sie auf.“

„Ja dann! Ab mit dir in den Fahrstuhl!“, der gerade die Türen öffnete, „Eine schöne Nacht!“, wünschte ich ihr, indessen huschte sie in die Kabine, „Danke“, warf sie mir einen Handkuss zu.

Ich wartete, bis die Türen sich schlossen, danach ging ich zum Fest zurück, wo das Brautpaar bisher nicht vermisst wurde. Nur der Alleinunterhalter machte mir Sorgen. Was wenn er ein erneutes Spielchen ansetzte? Ich traute Intha durchaus eine allgemeine Durchsuchung des Hotels zu.

Deshalb bat ich ihn, auf dergleichen Unterhaltung zu verzichten. „Haben sie sich abgesetzt?“, fragte er rundheraus.

In der Zwickmühle geraten, bejahte ich die Frage, „Kein Problem, für solche Fälle besitze ich einen Notplan. Da du gerade greifbar bist und ich gleich dran bin, kannst du hierbleiben!“, hielt er mich auch schon fest.

In diesem Moment endete die Musik, und der Alleinunterhalter stellte mich auch schon vor, „Nun da diese entzückende junge Frau zu den Brautjungfern gehört, bitte ich ihren Tischpartner dazu. Schließlich geht es bei dieser Gesellschaft um Paare. Nun wo ist der Herr dieser Dame?“

„Er kommt sicherlich nicht!“, sagte ich leise.

„Gibt es das denn? Welch blinder Blutsauger lässt solch eine Frau auf sich gestellt zurück?“, wartete er einige Sekunden, in denen ich vor Verlegenheit rot anlief, „Na gut, der Herr muss wirklich mit Blindheit geschlagen sein, deshalb bitte ich einen Gentleman hinzu, der die Schönheit der jungen Dame zu schätzen weiß.“

Gleich mehrere Vampire stürmten auf uns zu, „Langsam, langsam!“, rief der Unterhalter, „Es gibt einige Beschränkungen, die ich für mein nächstes Spiel benötige. Man muss die Dame persönlich kennen.“

Die Mehrheit der Voranstürmenden zog sich zurück, „Siehst du“, sagte er zu mir sowie ins Mikrofon, „Du musst nicht unbedingt allein ins Bettchen huschen, genügend Auswahl ist vorhanden.“

Rosmertas durchdringendes Lachen hörte ich aus allen heraus. Denn der Scherz kam gut an, innerlich verfluchte ich Corvin Sardovan, denn nur durch sein Ausbleiben, wurde ich zur allgemeinen Belustigung.

„Nun denn!“, schnalzte der Clown, „Besonders viele Herrschaften kennst du ja nicht. Wer von diesen Herrn kennt dich denn intimer?“

Nahm meine Erniedrigung denn kein Ende, „Es geht niemanden etwas an!“, sagte ich schnell, bevor jemand etwas sagen konnte.

„Oho! Eine Dame mit Prinzipien! So etwas gibt es tatsächlich noch.“

„Ach, übrigens benötige ich ein weiteres Paar! Ach was, alle Brautjungfern samt der Trauzeugen bitte ich her.“ Gott sei Dank, ich musste an dem Spiel nicht allein teilnehmen.

Zügig kamen die Aufgeforderten heran, wieder wunderte ich mich über meine Spezies, sie freuten sich sichtlich. Der Alleinunterhalter nahm sogleich Corvin ins Visier, der tatsächlich eilig angelaufen kam.

„Wer bist du denn?“, fragte der Clown und tat als wolle der den Boss fortschicken. Dieser entpuppte sich als Spaßvogel, mal ganz etwas Neues! Doch auch hier musste ich mit ansehen, wie Corvin die oftmals derben Scherze mit Bravour meisterte.

Auf einen Wink trug eine Dame einen großen Karton herbei. „Unser nächstes Spiel ist ganz einfach“, erklärte der Alleinunterhalter, „Jedes Paar nimmt sich einen Ballon, aber Vorsicht, sie sind mit Helium gefüllt. Ziel ist es, diesen Ballon im Ganzen unter einer Schuhsohle der Dame zu bekommen.“

Jedes Paar bekam einen Ballon, indessen erklärte der Mann weiter, „Weder Hände, Arme, Füße noch Beine dürfen benutzt werden. Der Knoten meine Herrn und Damen ist ebenfalls tabu. Jetzt wollen wir mal sehen, wie gelenkig unsere Trauzeugen sind. Musik bitte!“, die Dame die den Karton holte, machte den Mann auf etwas aufmerksam.

Dieser spielte den Überraschten, „Na sicher! Ein kleines Hindernis gibt es natürlich, glaubt nicht, dass ich mich nicht mit euch Blutsaugern auskenne! Die Zeitung bitte!“

Während die Dame das Genannte auf den Boden ausbreitete, fuhr der Scherzbold fort, „Dieses Stück Papier ist während des Spieles euer Universum, verlasst ihr es, fliegt ihr hinaus in die Weite der Zuschauer und damit es uns Zuschauer richtig viel Spaß macht, werdet ihr, sobald die Musik unterbricht, zur Salzsäule erstarren. Ich muss euch nicht erinnern, mentale Kräfte von den Teilnehmenden ist verboten, aber ihr Zuschauer dürft euch austoben.“

„Nun auf die Zeitungen, den Ballon an die Stirn und … langsam werde ich vergesslich“, stöhnte der Mann auf, „dem Siegerpaar erwartet ein besonderes Geschenk! Los!“

Den Ballon an der Stirn, meinte ich, „Auf das Geschenk kann ich verzichten …“

„Gib dir Mühe, ich verliere ungern!“, antwortete mein Gegenüber.

„Mir doch egal, ich habe für solche Albernheiten nichts übrig.“

„Dann werde ich dir einen Anreiz verschaffen, sollten wir verlieren, werde ich mich die Nacht an dich schadlos halten“, wie er es schaffte mich trotz Ballon anzusehen, blieb mir ein Rätsel.

Die Androhung nahm ich wörtlich! „Du mieser, notgeiler Bastard, halte dich fern von mir!“

„Momentan unmöglich und was deine aufreizenden Worte bewirken, weißt du ja. Vielleicht trage ich heute einen zweifachen Sieg davon, das Vorspiel kann beginnen meine Schöne!“

Ich hielt lieber meinen Mund, er verdrehte die Worte sowieso nach seinem Gutdünken. Heute Nacht da war ich mir sicher, suchte ich auf keinen Fall mein Zimmer auf. Diesen Sieg gönnte ich mir!

Inzwischen versuchte Corvin den Ballon mit seinem Gesicht weiter abwärts zu bewegen, „Bleib ruhig stehen!“, murmelte er angestrengt, „Kannst du sowieso am Besten!“

„Was soll das wieder heißen?“, fauchte ich ihn an, meine notdürftig unterdrückte Wut, entfachte von Neuem.

„Suche es dir aus, alles wird zutreffen“, der Ballon rollte an meinen Hals entlang, so bekam ich ein freies Blickfeld auf den Marodeur meiner Nerven. Er schaffte es tatsächlich, mit dem Ballon auf der einen Seite mir einen zynischen Blick zuzuwerfen, dem ich stoisch begegnete.

Schließlich seufzte er, „Leider müssen wir diesen Disput vorzeitig beenden. Wie ich sehe, ist Diederich bereits auf den Weg zu den Beinen.“

Wie schaffte er das? Mich beleidigen und Androhungen auszusprechen, den Ballon abwärts zu bewegen, zudem seine Mitspieler zu beobachten? Schaute ich mich nun um.

Plötzlich schnappte er nach meinen Schultern, „Sagte ich nicht, halte still?“, die Augen rollend, zeigte ich ihm eine Grimasse. Er lachte, „Sehr abschreckend!“, lockerte er den Griff, behielt jedoch seine Hände an Ort und Stelle, dabei arbeitete er sich weiter mit Vorsicht hinab, zum Oberkörper.

Die Musik stoppte, zu einem wirklich ungünstigen Zeitpunkt, wie ich fand, der Ballon verharrte genau zwischen meinen Brüsten. Die Zuschauer applaudierten lachend, ich hoffte, das Spiel war vorbei.

Leider ging es weiter, „Zum Glück bist du flach wie eine Flunder!“, hörte ich Corvin sagen, seine Hände glitten mit seinem Kopf mit.

„Es ist wirklich seltsam Sardovan! Ich frage mich, was du jemals an mir anziehend fandest?“, da er keine Antwort gab, was er zurzeit nicht konnte, da der Ballon seinem Mund verschloss, nutzte ich die Gelegenheit, „Es ist mir wirklich ein Rätsel, schließlich bin ich in deinen Augen ein flachbrüstiges Klappergestell. Was treibt dich an?“, sinnierte ich vor mich her, gerade so laut das nur er mich verstehen konnte.

„Die Frage ich leicht zu beantworten. Ich ziehe nun einmal junge unbedarfte Frauen vor, diese verursachen am wenigsten Ärger“, lautete seine Antwort.

„Tatsächlich?“, würgte ich meinen Zorn hinunter, „Aber den Ärger mit meinen Vater nahmst du in Kauf? Wenn Ross kein Fehler unterlaufen ist, was sehr unwahrscheinlich sein dürfte, erinnere ich mich, wie du meinen menschlichen Vorgänger deine Liebe versicherst“, für einen Wimpernschlag zeigte er eine Reaktion, sehr ungewöhnlich für diesen ausgekochten Vampir.

„Eine kurze Verliebtheit, die verging wie Bauchweh.“ Er lügt! Ich spürte es in jeder Faser meines Körpers. „Lügner!“, sagte ich auch schon.

Keine Antwort.

Mit einer Sicherheit, die ich das erste Mal ihm gegenüber spürte, fuhr ich fort, „Demnach sagtest du ihr die Wahrheit! Was, frage ich mich, willst du von mir?“

Keine Antwort.

„Verstehe! Du versuchst, deine damaligen Gefühle und vielleicht auch Glück durch mich aufleben zu lassen.“

Keine Antwort.

„Es scheiterte! Denn ich bin nicht Sarah Wagner! Aus diesem Grunde beleidigst und beschimpfst du mich.“

Keine Antwort.

Benötigte ich auch nicht, mir war jetzt alles klar. „Du kannst einem leidtun, Corvin, wirklich leid. Die einzige Liebe, die du je kanntest, opferst du für die Familie, was blieb, sind verklärte Erinnerungen.“

„Heb dein linkes Bein an!“

Völlig aus dem Konzept, tat ich, was er wollte, „Gewonnen!“, hüpfte er mit ausgestreckten Armen auf der Tanzfläche herum. Das durfte doch nicht wahr sein, umarmte er mich voller Freude über den Sieg.

Perplex überließ ich mich seines Taumels, nahm die versprochene Belohnung entgegen und suchte anschließend das Weite. Erst im Foyer hielt ich inne, der Nachtportier nickte mir freundlich zu, „Nun zu deinen Erkenntnissen Sarah Sardovan!“, wurde ich völlig überrascht wie ein Sack Mehl über die Schulter geworfen, geschwind ging es die Stufen hinauf in das zweite Stockwerk.

Indessen schimpfte und drohte ich, zudem malträtierte ich den Rücken meines Peinigers. All dies störte ihn in keiner Weise, unbeirrt setzte er seinen Weg fort, bis er in ein Zimmer trat, die Tür hinter sich zuwarf und mich zu Boden gleiten ließ.

Sofort sprang ich auf, hechtete auf die Tür zu, verschlossen! Wütend wandte ich mich von der Barriere ab, „Öffne sie!“, forderte ich ungehalten.

„Ein Glas Wein?“, fragte er, als ob er sich in einer Gesellschaft befinde.

„Steck ihn dir sonst wohin!“

„Du solltest einen Schluck trinken, es beruhigt deine Nerven“, hielt er mir ein gefülltes Glas entgegen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, „Dann eben nicht!“, seufzte er sich abwendend, er schwieg, dabei schaute er anscheinend tief in Gedanken versunken aus dem Fenster.

„Deine Thesen“, begann er unvermittelt, ich schrak zusammen, „sind nur zum Teil richtig“, erwartete er eine Antwort? Darauf konnte er lange warten!

„Ja ich liebte dich, als du ein Mensch warst und ja ich dachte, ich könnte diese alte Liebe neu aufblühen lassen. Darüber hinaus kann ich dir nicht zustimmen“, langsam wandte er sich um, sah mich mit festen Blick an.

Er nahm einen kräftigen Schluck, „Weshalb ich dich immer wieder aufsuche, willst du wissen. Nun diese Frage kann und will ich dir nicht beantworten, noch nicht. Einstweilen wirst du dich mit meiner Gesellschaft anfreunden müssen …“

Ich lachte sarkastisch auf, er fuhr in seiner Rede unbeirrt fort, „denn genau dies gedenke ich zu tun. Ich verlange nach deinem Körper sowie du nach Meinen. Es ist, wie es ist, ich kann meine Schwäche zugeben, du verleugnest dein Begehren. Deshalb treffe ich diese Entscheidung gegen deinen Willen.“

„Was willst du tun? Mich vergewaltigen?“, höhnte ich, er grinste gelassen, „Nein, soweit reicht dein Widerstand nicht, ein wenig Überredungskunst genügt völlig, wie wir beide wissen, Sarah“, erklärte er spöttisch.

„Von wegen!“, drückte ich mich gegen das Holz in meinen Rücken. Wusste ich doch, wie recht er hatte, allein sein Blick jagte erregende Schauer durch meinen Körper.

„Siehst du“, lächelte er sanft voller Gewissheit um meine Schwäche, „streite es nur ab, sei widerwillig, beschimpfe mich, all dies ertrage ich, wenn du am Ende lustvoll stöhnend nach mehr verlangend, in meinen Armen liegst.“

„Eingebildeter Fatzke! Lieber würde ich mich mit Ciaran balgen.“

Die Teufelsfalte erschien unversehens, „Was ich zu verhindern weiß!“

Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. Er entschied, er, er, er, doch was war mit mir? Fragte er einmal nach meinen Wünschen, meinen Begehren? Nein! Deshalb musste ich einen Ausweg finden, und zwar schnell, rasten meine Gedanken, wie … dann fiel es mir ein! „Ach ja? Was wird denn deine Braut dazu sagen?“

„Sie wird es hinnehmen müssen, sowie du!“

„Dann müsstest du mich einsperren, denn sobald ich hier raus bin, werde ich alles nur Erdenkliche unternehmen, um dich mir vom Halse zu schaffen.“

„Du denkst an Vlad! Genau dies wirst du nicht tun, Sarah! Willst du deinem Vater in diese Zwickmühle bringen? Einerseits seine starrköpfige Tochter, andererseits sein uralter Freund. Der bei der Bildung des Rates unbedingt seine Hilfe benötigt? Wie wird Vlad sich entscheiden, schon einmal entschied er sich gegen seine Tochter, um unsere Spezies zu schützen.“

Dagegen konnte ich kein Wort erwidern, er nickte lächelnd, „Natürlich du könntest die Flucht ergreifen, doch wohin? Ich werde dich an jedem Ort auf diesem Planeten finden, wenn mich danach dürstet.“

Er sprach wie immer keine leere Drohung aus. „Was bleibt dir? Ein anderer Liebhaber, der dich vor mir beschützt? Lachhaft, kein Vampir wird sich mir in den Weg stellen. Davon ab, werde ich jeden verdammten Blutsauger töten, der dich auch nur anrührt. Kannst du dies verantworten? Nein, dafür kenne ich dich zu gut, Sarah.“

„Es bleibt eine Möglichkeit Corvin Sardovan! Und diese werde ich ohne jegliches Gewissen in Anspruch nehmen.“

„Ach ja? Welche denn?“, fragte er arrogant nach.

„Marsé und Ross!“, drohte ich ihm.

„Ein geschickter Schachzug, deinen Einwand werde ich überdenken müssen. Danke!“

„Auch jetzt kann ich Ross rufen“, versuchte ich ihn zu verunsichern.

„Versuche es ruhig! Sei gewarnt, du wirst eine Enttäuschung erleben, denn dein Ahnherr ist überaus beschäftigt, mit drei wunderschönen Damen, die mir einen Gefallen schuldig sind.“

Ich konnte sein Grinsen nur als diabolisch bezeichnen und fragte mich, wie ich mich in diesen Vampir verlieben konnte. Selbstsüchtig, wie er war, egoistisch, diktatorisch, ich konnte ihn nur als Mistkerl betiteln, etwas Passendes fiel mir in meiner Not gerade nicht ein.

„Nun denn“, stellte er das geleerte Glas mit Bedacht auf den Tisch, „die Nacht schreitet voran, schließlich haben wir uns nicht zu einem Gespräch getroffen.“

Sein dunkler Blick besagte alles, in mir gerieten die Gefühle durcheinander, Wut und Lust kämpften um die Oberhand. Fluchend verdammte ich das Erbe der Vampire, Verlangen und Lust um jeden Preis.

Trotzdem leistete ich Widerstand, rührte mich nicht, ließ mir seine Zärtlichkeiten ohne offensichtliche Regung über mich ergehen, was den Herrn auch noch gefiel, „Umso süßer ist der Sieg“, sagte er voller Gewissheit.

Corvins Vorhersage traf ein, lange konnte ich mich den Drängen, meiner Lust nach diesem verdammten verachtenswerten … zärtlichen, begehrenswerten, ich verlor auf der gesamten Linie. Gab ihm sogar mein Wort stillschweigen zu bewahren, in den nächsten Tagen zu seiner Verfügung zu stehen. Alles nur, damit er mir einen Moment der höchsten Wonne schenkte.

Am Morgen, als ich in mein Zimmer schlich, dachte ich, wie erbärmlich ich sei, große Worte, Androhungen, Weigerung. Was blieb? Ein laues Lüftchen, welches sich dem Fordernden völlig hingab. Ich verachtete mich, zerschlug in meiner Wut den Spiegel, der mir ein Spiegelbild mit wuscheligem Haar zeigte, in welches die Spuren der letzten Nacht deutlich hervortraten.

Als ich endlich aus dem Bad kam, musste ich mich beeilen, in knapp einer Stunde sollte die Trauung beginnen. Nebenher fragte ich mich, warum es so ruhig auf dem Flur war, eigentlich rechnete ich mit hektischer Betriebsamkeit.

Vorsichtshalber streckte ich meine Nase hinaus, keine Seele in Sicht. Komisch ging ich zu Alias Suite und horchte an der Tür. Alles ruhig! Sollte sie verschlafen haben? Oder was mich in Panik versetzte, noch bei Peer sein?

Ich klopfte und bekam sofort eine Antwort, als ich eintrat, lächelte mir Alia ganz entspannt entgegen. Sie trug einen Morgenmantel, war bereits frisiert und geschminkt, meine kurzweilige Attacke legte sich.

„Hallo!“, grinste sie mich an.

„Alles in Ordnung?“, schaute ich mich fragend um.

„Ach Sarah, ist das Leben nicht herrlich? Ich habe eine wundervolle Nacht mit dem liebsten, zärtlichsten Vampir verbracht und bald gehören wir zusammen. Ganz und gar mit Brief und Siegel! Ja es ist alles in Ordnung!“

Ich musste lachen, „Oh Alia, es ist typisch für dich! Zuerst bringst du alle fast um den Verstand und dann sitzt du einfach da, zufrieden, wie eine Katze die gerade ihren Bauch vollgeschlagen hat. Schnurrst du vielleicht?“

„Wer weiß, in bestimmten Situationen!“, zeigte sie mir ein hintergründiges Lächeln, dann zog sie die Stirn kraus, „Was ist mit dir? Du siehst …“, nach Luft schnappend sprang sie hoch, „Du hast … wer?“, fasste sie mich an den Armen.

„Was meinst du?“, stellte ich mich dumm.

„Na sicher!“, winkte sie ab, „Geschwollene Lippen und eine befriedigte Sarah! Streite es ruhig ab, ich freue mich jedenfalls für dich, wer auch immer der Glückliche war. Ich frag nicht mehr, Hauptsache du hattest dein Vergnügen.“

„Oh ja!“, rutschte mir der Seufzer heraus.

Alia bemerkte es zum Glück nicht, „Ich kann es kaum erwarten“, ging sie hin und her, „am liebsten würde ich jetzt gleich mein Gelöbnis abgeben.“

Ich lächelte, was sollte ich auch sonst sagen. „Dann ist demnach alles bereit?“

„Außer meiner Brautjungfrau, ja! Soll ich dir das Haar hochstecken?“

„Kommt nicht infrage!“, lehnte ich vehement ab.

„Bitte!“, klimperte sie mit den Lidern, „Dann habe ich wenigstens etwas zu tun, schließlich muss ich eine volle Stunde totschlagen.“

„Na gut, wenn du es so siehst, aber deshalb bin ich nicht gekommen.“

„Aber letzte Nacht, was?“, kicherte sie vergnügt, wenn du wüsstest, dachte ich. Alia holte die Bürste und Haarnadeln aus dem Bad, während ich meine Miene unter Kontrolle brachte.

„Dann wollen wir mal! Etwas Elegantes und doch schlicht“, war sie in ihrem Element, vertrauensvoll überließ ich mich ihren kundigen Händen. „Ja, genau so!“, murmelte sie vor sich hin.

„Oh!“, ließ sie mein Haar fallen und trat in mein Gesichtsfeld, „Da hat sich jemand verewigt!“

„Was meinst du?“, rätselte ich.

„Dein Nacken, Sarah! Auf jeden Fall ein Knutschfleck, vielleicht sogar ein Biss.“

„Wie bitte!“, sprang ich voller Entsetzten auf, den nächstliegenden Spiegel suchend. Meine Freundin hielt mir einen Handspiegel, während ich in den Wandspiegel schaute.

Tatsächlich! Ein enormer Bluterguss! Warum hielt es sich so nachhaltig? Er müsste längst verschwunden sein. „Du solltest einen kräftigen Schluck nehmen“, lief sie auch schon los.

Als sie wiederkam, reichte sie mir eine Flasche, „Ein kleines Geschenk von Corvin“, mein irres Lachen verstand sie nicht, „Trink ruhig, ich habe noch eine, wäre ja zu Schade, wenn es verdirbt.“

Mit kräftigen Zügen leerte ich die halbe Flasche, „Und?“ ließ ich Alia nachschauen, ich wartete auf ihre Antwort, die Sekunden tickten dahin, „Es wird!“, erleichtert atmete ich aus.

„Jetzt frage ich dich doch, wer hat dir dieses Brandmahl hinterlassen?“, ich wich ihren fragenden Blick aus, „Es muss jedenfalls ein alter Vampir gewesen sein, dann schlug sie die Hand vor dem Mund, „Du hast dich doch nicht mit Merkur eingelassen?“

„Spinnst du? Henry würde ja tot umfallen.“

 „Wer dann? Sarah er hat dich gebrandmarkt! Es sind eindeutige Besitzansprüche, du solltest es auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Vorsichtshalber solltest du mit unserem Boss reden. Ich weiß, ich weiß“, sagte sie, als sie meine Miene bemerkte, „er ist nicht gerade dein bester Freund und trotzdem kann er dich schützen. Dieser Typ hat eindeutig ein Problem oder ist es mit deinem Einvernehmen geschehen?“

„Nein!“

„Es hilft alles nichts! Zwar verschwindet das Ding langsam, aber hochgestecktes Haar kannst du vergessen.“

„Nicht schlimm.“

„Wie wäre es mit Locken?“, schlug Alia vor, sie sah besorgt aus.

„Natürlich! Du heiratest in knapp einer Stunde und willst meiner Mähne eine Lockenpracht abgaunern.“

„Oder einen losen Knoten, der bis in den Nacken fällt“, schlug sie vor, was ich wiederum ablehnte. „Konzentriere dich auf dich, du bist die Hauptattraktion …“

„… im heutigen Zirkus, ich weiß. Was meinst du, soll ich das Kleid schon anziehen?“

„Wie lange noch genau?“, wollte ich wissen, Alia sah auf ihre Uhr, „vierzig Minuten“, kurz überlegte ich, „Weißt du was, ich ziehe mich schnell um, danach helfe ich dir in dein Kleid.“

Sie nickte lächelnd, ich war bereits auf den Weg hinaus, „Du solltest wirklich mit Corvin reden.“

„Das werde ich!“, was noch nicht einmal gelogen war, nur das Gespräch würde ganz anders verlaufen als Alia dachte. Gewiss der Verursacher hatte ein Problem, ein Gewaltiges namens Sarah Sardovan.

Angezogen, das Haar gekämmt ein wenig blasser Lippenstift und schon betrat ich Alias Suite, was ich sah, ließ mich vor Schreck zusammenzucken. Eine weinende aufgelöste Braut!

„Was ist?“, stürzte ich auf sie zu, vor ihr kniend nahm ich ihre Hände in, meine. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, es konnte nur eines bedeuten, Peer! Aber was war mit ihm?

„Du bist die schlimmste Freundin, die ich jemals mein eigen nennen konnte!“, schluchzte Alia stockend.

Sie weiß es! Sie weiß es! Mein schlechtes Gewissen ließ mich nicken, „Corvin … er“

„Corvin? Was hat er damit zu tun?“, hielt sie mir die kostbare Halskette, die ich mir beim Juwelier ansah, entgegen. Mein Gott schaute ich Alia sprachlos an, sie wetterte auch schon los, „Wie kannst du mir ein solches Geschenk machen? Es ist viel zu teuer!“

„Corvin!“

„Was hat der Boss damit zu tun?“, fuhr sie mich ungeduldig an, dann riss sie die Augen auf, „Du hast bereits mit ihm geredet! Er lässt dich im Regen stehen, nicht wahr, ich habe es befürchtet.“

Was redete sie da? „Nein, nein“, widersprach ich schnell, „Von Anfang an! Ich habe ein Geschenk für dich gesucht, deshalb bin ich zum Juwelier, da dir dort etwas gefiel. Der Verkäufer erinnerte sich sofort an dich und zeigte mir diese Kette. Als er dann begann, wie wertvoll sie ist, wusste ich von vornherein das ich sie mir nicht leisten konnte. Auf einmal stand Corvin da, jedenfalls gingen wir ohne etwas zu kaufen aus dem Laden. Er schlug dann vor dir ein Strumpfband zu holen“, wies ich auf ihren Schoss, wo das Band vergessen lag, hin, „Das ist von mir!“

„Aber auf der Karte steht, die Kette ist von dir“, behauptete Alia stur.

„Das kann nicht sein, zeig mal“, nahm ich die Karte. Tatsächlich, meine Schrift, schaute ich mir die Vorderseite an, die gleiche Karte, aber so habe ich es niemals geschrieben, schon gar nicht den Spruch, der auf Diamanten und Alias Freundschaft hindeutete, „Die ist nicht von mir!“

„Hör doch auf, ich kenne doch deine Schrift!“

„Das habe ich nie geschrieben, Alia!“, versicherte ich, sie sah mich skeptisch an, dann begann sie zu lächeln, „Ich hab´s! Corvin sah deine Not und aus Liebe zu dir, kaufte er dieses Kleinod, damit du mir eine Freude bereiten kannst, denn Corvin weiß, wie sehr Peer Strumpfbänder verabscheut, deshalb habe ich ja nur ein einfaches bestellt, weil ich wusste, dass ich es nicht tragen würde.“

„Warum kaufst du dann eines?“, rätselte ich laut.

„Weil der Schneider so nett war.“

„Na toll auch, dann habe ich völlig unnützes Geschenk gekauft!“

Sie lächelte, „Oh nein, von dir habe ich etwas Neues bekommen und ich werde diese Kette mit Stolz tragen, weil sie von meiner Freundin kommt“, küsste sie mich auf die Wange, stand auf legte sich die Kette an, „Na was meinst du?“

„Sie sieht toll an dir aus“, verfluchte ich Corvin Sardovan. Warum mischte er sich in solche Dinge ein? Konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ein Wort von ihm und ich hätte das Strumpfband nicht gekauft und mir etwas anderes für Alia einfallen lassen. Etwas was meinen Geldbeutel entsprach!

„Hilfst du mir nun ins Kleid?“, unterbrach Alia meine düsteren Gedanken. In diesem Moment klopfte es, Marsé steckte ihren Kopf herein, „Bist du soweit, Alia? Sollen wir dir helfen? Oh hallo Sarah, wir wunderten uns schon, wo du steckst“, verschwand sie für einen Augenblick.

Wir hörten sie rufen, sie informierte die anderen, dass ich bei Alia sei. Gleich darauf war das Zimmer erfüllt mit aufgeregtem Geschnatter, das Telefon klingelte, Prya nahm den Anruf entgegen, „Ist gut, wir kommen!“, lächelte sie Alia an, „Das war Henry, er sagt, sie haben den Bräutigam nicht entwischen lassen.“

Alia atmete tief ein, „Es ist soweit!“, hauchte sie mit geröteten Wangen.

Im Gegensatz zum vorherigen Abend wurde die Trauung im engen Familienkreis abgehalten, und wie Peer es sich wünschte ganz zeremoniell. Im Foyer erwartete uns Vadim, der Alia zum Traualtar führte.

Als ich Alias Bruder sah, musste ich schlucken, Marsé legte mir eine Hand auf den Arm, „Es ist ihr Bruder!“, raunte sie mir warnend zu.

„Ich frage mich immer wieder, wie können sie so unterschiedlich sein?“, stellte ich mich nach Alias Anweisungen hinter Muse, die als Erste gehen sollte. Noch eine Frage beschäftigte mich, wieso gingen die Brautjungfern vorneweg? Stahlen sie der Braut nicht die Show? Darum ging es doch!

Ehe ich mich versah, setzte Muse sich in Bewegung, ganz langsam passte ich mich ihrem Schneckentempo an. Prya neben mir kicherte aufgeregt und Isabel maßregelte sie streng.

Nachdem wir die Türen durchschritten, erklang Musik, ein langer Gang lag vor uns. Ich weiß nicht was ich erwartete, aber keinesfalls den Nachbau eines Kirchenraumes und doch sah es so aus. Links und rechts des Ganges reckten die Vampire ihre Hälse und schauten uns gespannt entgegen.

Warum ging Muse nicht schneller? Ich kam mir wie bei einer Fleischschau vor. Endlich erreichten wir das Ende und tatsächlich dort stand eine Art Altar, nur fehlte der Priester, statt seiner schaute uns ein gutmütiges Männchen entgegen.

Ein Mensch bei einer Vampirhochzeit, fragte ich mich umsehend, dabei streifte mein Blick die Trauzeugen, Till grinste mich mit dezent erhobenen Daumen an, eigentlich erwartete ich einen seiner Kommentare, doch er sagte kein Wort.

Erleichtert stellte ich mich neben Muse, nie wieder wollte ich an solch einem Theater teilnehmen, schwor ich mir. „Kopf hoch!“, zischte mir Muse zu.

Also tat ich wie geheißen und schaute direkt in die Augen von Corvin, diesen dreisten Kerl, erwiderte ich seinen Blick böse, ein Lächeln seinerseits antwortete.

Den Rest der Trauung ignorierte ich diesen Kerl! Was mit jeder Minute schwerer wurde, da ich seine Blicke fast schon körperlich spürte, sie brannten sich regelrecht in mein Fleisch ein.

„Sie dürfen die Braut nun küssen!“, hörte ich wie aus Weiter ferne, überrascht verfolgte ich das Geschehen, Beifall brandete auf und plötzlich fand ich mich neben meinen ganz persönlichem Scheusal wieder.

Der es tatsächlich wagte mir den Arm zu reichen, was ich wiederum übersah. „Dann eben nicht!“, ergriff er meine Hand und hielt sie fest. Nun sah es aus, als ob wir Händchen hielten, versuchte ich mich aus seinen Griffeln zu befreien.

„Möchtest du unbedingt Aufmerksamkeit erregen?“

Diese Bemerkung ließ mich innehalten, „Du hast mir einen riesigen Knutschfleck verpasst!“, sagte ich stattdessen vorwurfsvoll.

„Ich weiß und nicht nur einen!“, grinste er stolz.

„Was bist du ein Teenager, der sich beweisen muss?“

„Muss ich das? Nein, eigentlich nicht, denke ich, solltest du allerdings Zweifeln, so frische ich deine Erinnerung gern auf. Man wird uns sicherlich nicht vermissen, wenn wir ein Stündchen verschwinden.“

„Träum weiter! Du wirst mich in Zukunft in Ruhe lassen!“

Meine Hand fester drückend, meinte er, „Ich bin noch lange nicht mit dir fertig, gerade eben könnte ich dir das Kleid vom Leib reißen. Wirklich ich bekomme einfach nicht genug von deinem herrlichen Körper.“

„Ich dachte, ich sehe wie ein alter Klepper aus!“

„Pferde sind meine Lieblingstiere!“

Inzwischen verweilte das Brautpaar in der Halle, dort nahmen sie die Gratulationen entgegen, auch Corvin reihte sich in die Schlange der Gratulanten ein. Einige Paare vor uns hing Prya an Matts Arm, sie unterhielten sich und das in einer vertrauten Weise, die mich sie aufmerksam beobachten ließ. Meine Tochter mit geröteten Wangen schmiegte sich innig an Matt, dieser umarmte sie kurzzeitig.

Darüber vergaß ich sogar Corvin, in diesem Augenblick erkannte ich Pryas großes Geheimnis. Matt! Auch mein Begleiter kam zu dieser Schlussfolgerung, „Na sieh mal einer an! Wer hätte das gedacht! Denen werde ich die Suppe versalzen!“, grummelte Corvin düster vor sich hin.

„Du lässt sie in Ruhe und wirst überrascht sein, wenn deine Tochter ihren Liebsten vorstellt!“

„Von wegen! Dem Herrn ziehe ich bei lebendigen Leib die Haut ab!“

„Corvin Sardovan“, erhob ich meine Stimme, die Umstehenden hörten interessiert zu, „Ja?“, fragte der Wüstling gespannt, mit einer Unschuldsmiene, die seinesgleichen suchte.

„Du darfst nicht verzweifeln, deine Impotenz wird sicher eines Tages verschwinden“, zwitscherte ich mitfühlend, „Deine Braut hat bestimmt Verständnis für dein Problem, zumindest für eine Weile.“

Unsere Lauscher zogen hörbar die Luft ein, einige Männer warfen dem Boss bemitleidenswerte Blicke zu. Corvin hingegen sah aus. Als wolle er mir den Hals umdrehen, jedenfalls zerquetschte er meine Hand, so fühlte es sich an.

Wie es aussah, stellte ich mit Befriedigung fest, verbreitete sich die Neuigkeit rasend schnell, es wurde jedenfalls viel getuschelt, dabei bekam der unfähige Herr, die entsprechende Aufmerksamkeit.

Den Boss betrachtete ich übrigens nicht, allein die Spannung, die von ihm ausging, reichte mir im Augenblick. Deshalb war ich froh endlich das frisch vermählte Paar gratulieren zu können, meine geschundene Flosse erlangte die Freiheit. Alia wirkte rundum glücklich und Peer grinste mit strahlenden Augen.

Da Peer unser Familienoberhaupt eine Frage stellte, ließ ich die verblüffte Alia mit einem kurzen Gruß sowie einem Küsschen auf die Wange einfach stehen. Ich suchte mein Heil in der Flucht.

Wohin? Diese Frage jagte gehetzt durch meinen Kopf. Da sah ich sie! Meine Freunde, die eine gewisse Sicherheit boten. Matt, Till, Eric mit seiner Frau, sowie Rosmerta, Marsé und Diederich mit Isabel, sie unterhielten sich angeregt.

Auf sie stürmte ich zu und wurde ganz natürlich in ihrer Mitte aufgenommen. Einen Augenblick später kamen Vater und Muse dazu. Ich fühlte mich unsichtbar zwischen dieser Meute, vor allen Dingen sicher.

Nicht so ganz, deshalb spähte ich nach allen Seiten, da bemerkte ich Ross, der sich bisher im Hintergrund hielt, er sprach mit jemanden den er verdeckte. „Was Ross wohl mit Prya zu bereden hat?“, fragte Till völlig unschuldig.

„Er warnt sie, da ihre Eltern herausgefunden haben, wem sie ihr Herz schenkte“, die Gruppe um mich herum wurde still, ich sah einen nach den anderen an, „Aha!“, jeder in dieser Gruppe konnte mir den Namen verraten.

„Schöne Freunde seid ihr! Bin ich etwa ein Monstrum? Wenigstens mich hättet ihr einweihen können. Jetzt ist der Boss hinter deiner wertvollen Haut her, Matt“, ich war wütend und enttäuscht, weil sie mir kein Vertrauen schenkten.

Marsé trat vor, „Nun mal langsam Sarah!“, runzelte sie die Brauen, „Auch du behältst deine kleinen und größeren Geheimnisse für dich!“

Till lachte, „Was denn für welche? Sarah lebt wie eine Nonne, ergo kann sie keinen Liebhaber unter den Tisch kehren, als Krieger ist sie offensiv und ehrlich, demzufolge trägt sie keinerlei Mysterien mit sich herum.“

Meine Erwiderung schluckte ich hart hinunter, was Till durchaus bemerkte und nicht nur er. Sie sahen sich bedeutungsvoll an, „Marsé du weißt etwas!“, wandte sich Till fordernd der Frau zu.

„Ich halte meine Kinder gleich! Meine Lippen sind versiegelt!“, erklärte sie mit einer Sturheit in der Miene, die ich von ihrem Sohn nur zu gut kannte.

Indessen fragte ich mich, wen sie mit ihren Kindern meinte, schützte sie Corvin oder mich. Was wusste sie? Till indessen sprach laut seine Vermutungen aus, „Entweder ließ sie sich auf die Spielchen von Ciaran ein oder vergnügte sich mit ihrem ehemaligen französischen Verlobten.“

„Deine Auswahl ist sehr beschränkt“, meinte Isabel mich ansehend, „Bei Sarahs gutem Aussehen und ihren guten Namen als Krieger, sowie ihre nach außen getragenen Kühle sind so einige Vampire auf ihrer Fährte. Sie muss sich nur mit offenen Augen umschauen, vielleicht tat sie es ja“, schmiegte sie sich an Diederich an, „und wenn, dann geht es nur Sarah etwas an, mein lieber Till.“

„Genau!“, stimmte der Kämpe seiner Frau zu, „Bei wem, sie ihre Hosen fallen lässt, geht uns nichts an.“

„Habt ihre keine anderen Gesprächsthemen?“, fragte Vater genervt nach. Bei solchen Gelegenheiten, dachte ich erleichtert ist es gut, Vater in der Nähe zu wissen.

„Oh doch!“, wann kam denn Henry dazu und nicht nur er auch sein Sohn, samt Großvater mit Anhang standen wie selbstverständlich zwischen uns. „Habt ihr das neueste Gerücht gehört?“, platzte Henry vor Vergnügen.

Es wurden einige Tratschereien aufgezählt, „Nein! Nein! Ich verrate es euch, es heißt, der Boss bekäme keinen mehr hoch“, ließ er seine Worte in unseren Verstand sickern.

„Man, das muss ihm auf die Eier gehen!“, witzelte Till, „Da heißt es, in den nächsten Stunden vor unserem ach so lieben Anführer in Deckung gehen. Mir tut der Initiator dieses Ondits jetzt schon leid, derjenige kann nur eines, die Beine in die Hände nehmen und laufen.“

Darin stimmten ihm alle zu, keiner kam auf die Idee, es sei die Wahrheit. „Wenn seine Braut davon erfährt“, meinte Hendrik, „kann es zu Verwicklungen kommen, denn nur eine Frau setzt solch eine Geschichte in Umlauf.“

„Stimmt eine verschmähte Frau!“, nickte Matt, „oder eine, die er gerade abservierte“, mutmaßte der Herr, sie waren weit von der Wahrheit entfernt.

Ross und Prya beendeten ihr Gespräch, als Prya mich sah, stockte sie einen Moment, dann reckte sie kämpferisch ihr Kinn und nahm mich in Augenschein, „Oh je!“, klagte Muse verhalten, „wie ich diese Geste fürchte! Ross vererbte euch wirklich einige Merkmale, die man kaum übersehen kann.“

Gerade Marsé musste dies sagen, dachte ich!

Vaters Augen huschten zwischen Prya und mir hin und her, „Es war zu erwarten. Wir sollten Mutter und Tochter einen Augenblick in Ruhe gönnen!“

„Nicht doch, Vlad!“, sagte meine Tochter angriffslustig, „Es gibt nichts zu bereden, denn es ist mein Leben und wem ich zusammen bin, ist meine Sache“, ging sie zielbewusst zu Matt, „Ich danke dir für dein Verständnis und Geduld, doch jetzt sind die Heimlichkeiten vorbei!“, richtete sie sich auf die Zehenspitzen und küsste Matt hingebungsvoll.

Nun diese Zurschaustellung bedarf keiner weiteren Worte, dachte ich und trotzdem musste ich etwas sagen, „Ihr hättet von Anfang an mit offenen Karten spielen sollen! Eurer Schmierenkomödie kann ich nichts abgewinnen. Gerade du Matt, solltest es wissen.“

„Er wollte ja, aber ich bat ihn Stillschweigen zu bewahren … wegen Dad“, setzte Prya zögernd hinzu, „Auf keinen Fall konnte ich riskieren, dass du zu Corvin läufst und ihm alles erzählst, schließlich kannte ich dich kaum.“

„Noch nennst du mich Dad, Vater oder Erzeuger!“, stand der Boss unversehens da, Prya und ich zuckten gleichzeitig zusammen, wenn auch aus verschiedenen Gründen. „Wir reden später, denn dies ist die Hochzeit zweier wertvoller Freunde. Sarah begleitest du mich zu Tisch? Auch ihr solltet die Beine in die Hand nehmen, das Brautpaar wartet bereits.“

„Wieder essen!“, maulte Kahlaf, „Mir wäre ein anständiger blutroter Wein genug, die einzige Möglichkeit das kalte Zeug hinunter zu bekommen.“

Corvin fragte mich zwar, aber eine Wahl besaß ich keinesfalls. Dann befragte Till unser Oberhaupt auch noch nach den neuesten Gerüchten, „Keine Sorge, den Anstifter habe ich bereits im Auge, ich werde mit demjenigen entsprechend verfahren“, versicherte er, dabei streifte mich sein eiskalter Blick.

Meine Knie wurden ganz weich, innerlich machte ich mich auf alle möglichen Konsequenzen gefasst. Die Schlimmste, die ich mir vorstellen konnte, war die Verbannung aus der Familie.

„Na der tut mir jetzt schon leid“, gackerte Till zufrieden. Was meine Befürchtungen enorm steigern ließ.

Kahlafs entzücktes Gehabe holte mich aus meinen düsteren Vorstellungen, man konnte ihn einfach nicht ignorieren. Mit zwei Gläsern in den Händen prostete er uns zu, dabei überschlug sich seine ansonsten sanfte Stimme.

Zuerst rätselte ich, warum er sich so benahm, als ich erkannte, worum es ging, konnte ich ihn verstehen. Der Saal festlich geschmückt mit Tischen an den Längsseiten und einer kleinen Bar im Eingansbereich.

Was Kahlaf allerdings die Freude ins Gesicht trieb, war das Fehlen von Servierten, Besteck und Tellern, es gab lediglich gefüllte Gläser mit Nahrung, wie meine Nase mir verriet.

„Eine Feier ganz nach meinem Geschmack“, wiederholte Kahlaf immerzu. Als dann die Musik aufspielte, konnte er kaum noch an sich halten und ergriff Muses Hand, „Jetzt zeigen wir den Jünglingen mal, wie man das Tanzbein schwingt.“

„Das Brautpaar hat die Ehre den Tanz zueröffnen, du wirst warten wie alle anderen“, stellte sich Merkur ihm in den Weg. Die massige Gestalt Kahlafs sank dramatisch in sich zusammen, „Du Spielverderber!“, legte er seine grenzenlose Enttäuschung in die beiden Worte.

„In der Tat!“, blieb Merkur hart, seinen Freund aus funkelnden Augen betrachtend. Genauso schnell, wie Kahlaf in sich zusammensank, so richtete er sich wieder auf, „Da sind sie ja!“, rief er begeistert.

Tatsächlich schritt das Brautpaar gerade auf die Tanzfläche, ein Bild, welches mir in schöner Erinnerung bleiben wird. Das Paar, ganz von sich eingenommen, die Blicke ineinander verstrickt, wiegten sich im Takt der langsamen Musik.

„Sie lieben sich ohne Einschränkung“, sagte ich mehr zu mir selbst.

„Erstaunlich, was du so alles erkennst!“, antwortete Corvin ungefragt.

Worauf ich keine Antwort gab, er wollte mich provozieren, darauf kannst du lange warten. Schließlich zuckte er die Schulter, „Wir dürfen nun“, nickte er Peer kurz zu und ging mit mir im Schlepptau auf die Tanzfläche, „Mal sehen, ob du dich vor aller Augen beweisen kannst. Im Kampf bezweifelt es niemand, auf einer Tanzfläche hingegen, benötigst du weichere Attribute.“

„Ach ja?“, ließ ich mich trotz meiner Vorsätze ködern, dem wollte ich zeigen, wie weiblich ich sein konnte. Kochte ich mal wieder innerlich vor Wut! Ganz wie ich es bei Alia zuvor sah, schaute ich mein Gegenüber in die spöttischen Augen, ließ mich von ihm ohne Widerstand von ihm führen, schmiegte mich geradezu in seine Arme. All dies mit Bedacht!

Was dann geschah, konnte ich nicht erklären, die Wut verrauchte, die Musik sowie der Mann der mich über die Tanzfläche schweben ließ, nahm meinen gesamten Kosmos ein.

Zwar bemerkte ich wie der Takt sich änderte, ein anderes Stück, welches ohne Unterbrechung ertönte, doch all dies geschah außerhalb meiner Welt. Einzig mein Partner füllte die Realität meines Universums aus.

Schließlich verstummte die Musik, blinzelnd wurde ich mir meiner Umwelt bewusst, die mir auf einmal kalt und feindlich erschien. Corvin ergriff meine Schultern, „Sarah … ich …“

„Na war das weiblich genug?“, fragte ich voller Hohn nach, meine Worte kamen mir ebenso kalt und feindlich vor, wie ich zuvor mein Umfeld wahrnahm.

Sein Ausdruck wechselte, was mir einen Stich im Herzen verursachte, den ich schnell überging, denn mein Gedächtnis funktionierte einwandfrei. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, marschierte ich von der Tanzfläche.

Zunächst blind suchte ich meine Freunde, die ich auf der anderen Seite sitzen sah. Auf der Tanzfläche stand Corvin mit hängenden Armen, für einen kleinen Moment fragte ich mich, was er mir sagen wollte.

Nein Sarah! Bleib in der Wirklichkeit, bestimmt wollte er zum nächsten Schlag ausholen und dieser hätte dich tief getroffen, denn vorhin gabst du zu viel deiner Seele preis, was dir nicht noch einmal passieren darf.

Auf Umwegen längs der Tischgruppen vorbei strebte ich auf meine Freunde zu, die mir im Augenblick eine sichere Zufluchtsstätte versprach. Corvin, dem ich hin und wieder einen Blick zuwarf, begann mit einer Rede auf das Brautpaar. Deshalb blieb er dort stehen und ich dachte, Närrin die ich war, weil ihn meine harten Worte trafen. Da siehst du, welch ein Träumer du bist, sagte ich mir.

Rosmerta winkte mir zu, sie deutete auf den freien Platz neben sich. Ja Rosmertas herbe Redeweise sollte mich auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.

Ohne ein Wort schob sie mir ein Glas zu, ich nahm einen kleinen Schluck, der Boss redete noch immer. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Rosmerta, diesmal mit einer samtweichen mitfühlenden Stimme, die sie äußerst selten hören ließ.

Das war zu viel, jedenfalls für mich, „Dieser hirnverbrannte Idiot! Warum muss er mich auch immerzu herausfordern?“

„Tja da kann ich nur vermuten. Wer weiß schon, was ihn antreibt, ich habe bereits vor langer Zeit aufgegeben ihn verstehen zu wollen, es ist einfacher ihm zu vertrauen. Am Ende ist man zufrieden, auch wenn der Weg oft steinig ist.“

„Willst du jetzt Partei für ihn ergreifen? Weißt du eigentlich, was er mir alles an den Kopf wirft?“, redete ich mich in Rage, „Ein altes dürres Klappergestell nannte er mich!“

Worauf Rosmerta ein Grinsen sehen ließ, „Tatsächlich? Ansonsten kann er doch mit schönen Worten die gesamte Weiblichkeit bezirzen, da kann Henry sogar von lernen.“

„Was ist?“, wandte der Genannte sich um. Rosmerta klärte ihn kurz auf, Henry nickte eifrig und rückte seinen Stuhl zu uns an den Tisch. „Mein Lieblingsthema!“, gestand er, „Corvin und seine undurchschaubare Logik! Was hat er denn diesmal angestellt?“

„Nichts!“, antwortete ich ablehnend. Eines wollte ich mit Sicherheit nicht, der Mittelpunkt einer Diskussion sein.

Rosmerta sah es wohl anders, denn sie wiederholte haargenau meine Worte. „Ach so!“, winkte Henry ab, „Manchmal ist er halt zu ehrlich, was solls. Ich dachte ihr redet über euren Tanz! Wirklich ich fühlte mich direkt in alte Zeiten versetzt, als ihr ein glückliches Paar ward“, verlor er sein Interesse an der Unterhaltung.

„Siehst du“, meinte Rosmerta, „du nimmst alles viel zu Ernst. Lege nicht jedes Wort auf die Goldwaage, vergnüge dich, flirte, tanze, denn heute ist ein Tag zum Feiern“, prostete sie mir zu.

Ich nahm ihren Rat an, unter Beifall beendete Corvin seine Rede, danach spielte die Musik erneut auf. Mit wippendem Fuß verfolgte ich die Paare, die auf die Tanzfläche zustrebten.

„Sarah, du schuldest mir wenigstens einen Tanz“, stand Malech vor unseren Tisch.

„Malech“, rief ich überrascht, „ich dachte du seist fort. Woher kommst du denn auf einmal her?“

„Hört sich einer die Frau an!“, beklagte er sich bei Rosmerta, „sie läuft mit Scheuklappen durch die Gegend und ich werde beschuldigt, die Hochzeit meines Freundes zu verpassen. Dabei warte ich geduldig auf ein kleines Anzeichen dieser Holden.“

„Anscheinend erreichtest du dein Ziel“, grunzte Rosmerta, „Nun schwafel nicht herum und schnapp sie dir, bevor der Run auf sie ausbricht.“

Was ich zwar anzweifelte, doch es hörte sich gut an, folgte ich Malech auf die Tanzfläche. Von Corvin Sardovan wollte ich mir die Feier auf keinen Fall vermiesen lassen. Was ich auch nicht tat! Ich ließ keinen Tanz aus, trank ein wenig zu viel vom köstlichen Nass, flirtete und versprühte gute Laune.

Als es hieß, das Brautpaar reise nun ab, wurden die ledigen Frauen geradewegs auf die Tanzfläche zusammengetrieben. Die Herrn der Gesellschaft machten sich einen Spaß daraus, auch wirklich jede Dame zu erwischen.

Alia wurde unter begeisterten Jubel von Peers Seite entrissen und drei Vampire, die natürlich aus Hendrik, Till und Matt bestanden, hoben sie mühelos hoch. „Der Brautstrauß!“, wurde unter lautem Rufen gefordert.

Was Alia lachend über sich ergehen ließ, dabei bewunderte ich meine Freundin mal wieder, wie sie in ihrem engen Reisekleid dort auf den Händen der Freunde balancierte. Schließlich wurde es sehr still im Saal, nur auf ein kurzes Handzeichen Alias hin, „Wer auch immer den Strauß fängt, wünsche ich genauso viel Glück, wie mir zuteil wurde“, sagte sie Peer einen liebevollen Blick zuwerfend, dann flog der begehrte Blumenschmuck durch die Luft.

Aus den Augenwinkeln sah ich Prya die mit offenen Mund danach griff. Stolz hielt sie ihn in die Höhe, dabei rief sie, „Ich hab ihn, ich hab ihn!“, einige weibliche Vampire zogen drohend ihre Lefzen hoch. Der begehrte Strauß stand ihrer Meinung nach keinem Menschenkind zu. Sofort eilte ich Hiebe austeilend zu meiner Tochter, die noch immer vor Freude herumhüpfte und von der Bedrohung der Neidischen nichts mitbekam.

So sollte es auch bleiben, beglückwünschte ich Prya, dabei ließ ich die zähnefletschenden Damen nicht aus den Augen. Als diese mich entweder erkannten oder es sich überlegten, die Feier des Paares nicht zu stören, jedenfalls beruhigten sie sich zusehends.

Viele Gäste folgten dem Brautpaar hinaus, was mir im Augenblick nicht vergönnt war, Prya Schutz zu bieten besaß Vorrang.

„Ich habe ihn!“, hielt sie mir den Strauß unter die Nase.

„Wie man sieht und hört, ja“, lächelte ich, „nun musst du nur noch Matt damit drohen.“

„Muss ich gar nicht, denn er liebt mich“, sagte sie voller Überzeugung.

„Zweifel ich etwa daran? Es war ein Scherz! Ich sollte es wohl lassen, meistens bekommt man meine Witze in den falschen Hals“, verdrehte ich die Augen.

Prya heute sehr versöhnlich, kicherte, „Vlad ist genauso, ich habe ihn mal gefragt, warum er zwar lacht, aber nie ein Wort sagt, da hat er es mir erklärt und gemeint er schweige lieber und überlasse das Reden einem Anderen.“

„Den Rat hätte er mir geben sollen“, führte ich Prya bedächtig in Richtung unserer Tische. Matt kam uns mit besorgter Miene entgegen, was Prya in ihrer Freude übersah, „Schau mal!“, hielt sie ihm den Brautstrauß entgegen.

„Dann steht unserer Hochzeit ja nur noch ein Bollwerk im Wege“, meinte er zerknirscht.

„Ach was“, wiegelte Prya ab, „Vater wird schon einlenken“, und wandte sich an mich, „Du wirst doch mit ihm reden? Matt ist wirklich der Richtige für mich“, beteuerte sie voller Glauben.

Nicht gerade der richtige Zeitpunkt, um mit mir über Liebe zu reden, schluckte ich meine gehässigen Worte hinunter. Meiner Meinung bedeutete Liebe nur Kummer und Trauer, davon sollte man sich fern halten.

Zum Glück enthob mich Matt einer Antwort, „Es ist meine Angelegenheit mit ihm zu reden, Prya!“

„Er kann sehr dickköpfig sein, wenn du ein falsches Wort …“, Matt lachte, was Prya verstummen ließ, „Glaub mir, ich habe mehr als eine Auseinandersetzung mit Corvin hinter mir, schließlich kennen wir uns eine Ewigkeit.“

„Fang ja nicht davon an, wie alt du bist! Ich dachte dies Thema liegt hinter uns?“, kam die bekannte steile Falte zwischen den Brauen zum Vorschein. Sie ist ihrem Vater wirklich sehr ähnlich, dachte ich.

„Ich weiß gar nicht, warum ich mich mit dir abgebe“, strich Matt zart zwischen ihren Brauen die Falte fort, „Ganz einfach, weil du mich liebst!“, lautete Prya´s Antwort. Sie schauten sie derart versunken an, ich kam mir wie ein Spion vor, also verließ ich das Paar.

Ein aufkeimendes Gefühl von Einsamkeit drohte mir die gute Laune zu verderben. Bevor ich zur Festung kam, kannte ich dieses verdammte Gefühl überhaupt nicht, wieder ein Punkt den ich dem verdammten Vampir verdankte.

Die Gäste, die das Brautpaar verabschiedeten, kamen zurück, die Musik spielte erneut auf. Demnach ging die Feier weiter, sah ich mich nach einem Tanzpartner um.

„Alia und Peer richten dir Grüße aus“, sagte Henry der aus der Menge auftauchte.

„Danke, ich wäre zu gern nachgekommen, aber …“

„Ich weiß schon!“, nickte der Blondschopf ungewöhnlich ernst.

„War doch halb so schlimm. Willst du ein Tänzchen mit mir wagen?“, grinste ich in fragend an.

Zu meiner Überraschung schüttelte er den Kopf, „Wir sollten uns lieber unterhalten, etwas Derartiges darf nicht wieder geschehen.“

„Aber …“, er schnitt mir mit einer heftigen Geste das Wort ab, „Spiele nicht immer alles herunter!“, bugsierte er mich an einen Tisch, der bereits von Marsé, Rosmerta und leider auch Corvin besetzt war.

„Hier hab ich die Dame!“, rückte er mir einen Stuhl zurecht, „Setzten!“, befahl er streng.

„Na hör mal! Es ist doch nicht der Rede wert, im Eifer des Gefechts kann so etwas nun einmal passieren. Du musst nicht ein solches Theater veranstalten.“

Mit jedem Wort, welches ich sagte, wurde Henry wütender, „Sag mal bist du so naiv?“, fuhr er mich aufgebracht an, dabei beugte er sich drohend über mich.

„Prya ist doch in Ordnung, warum führst du dich so auf?“

„Prya? Was hat sie damit zu tun?“, überschlug sich seine Stimme fast.

„Na der Brautstrauß …“, rätselte ich, was er meinte.

„Was geht mich das verdammte Grünzeug an? Ich rede von dir und deinen … wie soll ich ihn nennen? Kaum Geliebten, ein solcher würde dich ja nicht gleich beißen, nicht wahr?“

Mein Blick flatterte automatisch nach Corvin, der sah seinen Freund mit aufgesetzter empörter Miene zu. Ha was für ein Schauspieler!

„Heraus mit der Sprache, welches Ungeziefer hat dir das angetan“, machte er sich an mein Haar zu schaffen. Entsetzt zog er zischend die Luft ein, „So ein Schweinehund! Man sieht die Wunde noch immer, Alia hat nicht übertrieben!“, warf er Corvin einen bitteren Blick zu.

Auch Marsé und Rosmerta schauten meinen Nacken an, „Corvin sieh es dir an!“, forderte Marsé nun ungehalten, „Du musst denjenigen zur Rechenschaft ziehen!“

„Ich bin mit dabei!“, grollte Rosmerta, „Der hat seine Signatur tief eingegraben, solch ein Schwein! Sarah kennst du denn den Unterschied zwischen liebevollen Beißen und dem da nicht?“, wies sie auf meinen Nacken, „Heraus mit der Sprache, wer ist dieser tollwütige Hund?“

„Was ist denn los?“, wurde ich plötzlich ganz klein auf meinem Stuhl. Vater fehlte mir auch noch. „Nichts!“, sagte ich schnell.

„Von wegen!“, schimpfte Henry, schon wieder mein Haar packend, „Da!“, riss er daran, mein Kopf flog herum, meinen Schmerzensschrei unterdrückte ich, da sie alle angespannt die Luft anhielten.

Schweigen folgte, ich spürte die aufsteigende Wut Vaters direkt in meinen Rücken. „Wer?“, fragte er leise, schon sanft nach. Ich schwieg! Selbst aus Muses Mund kam ein derber Fluch.

„Wer?“, fragte Vater nochmals, als ich keine Antwort lieferte, „Wo ist Ross? Er wird schon herausfinden, wer dir dies antat. Du kannst es auch gleich sagen.“

„Nein!“, reckte ich mein Kinn vor.

„Corvin, du als Familienoberhaupt musst etwas unternehmen. Ich kenne nur einen Vampir der nach meiner Meinung derartige abartige Spiele bevorzugt, Ciaran“, forderte Marsé.

„Als ob ich so dumm wäre, mich mit Ciaran einzulassen“, musste ich kichern.

„Demnach können wir ihn ausschließen“, sagte Rosmerta, „Gut gemacht Marsé!“, grinste sie zufrieden.

„Ich sag kein Wort mehr! Und Ross kann schnüffeln, wie er will, er wird nicht das Geringste herausbekommen! So und nun verabschiede ich mich, ihr habt mir den Tag vergällt, danke auch!“

„So nicht!“, drückte mich Henry auf den Stuhl zurück, „Allein wirst du nirgendwohin gehen! Wer nimmt sie in seine Obhut?“

„Das übernehme ich!“, sagte Corvin entschlossen, ich musste einen hysterischen Anfall unterdrücken. Was die Anderen als ablehnend ansahen, „Sicher die beste Option“, stimmte Vater zu, „dir wird sie nicht so leicht entwischen.“

„Darauf kannst du dich verlassen und wenn ich sie ans Bett ketten muss. Aber soweit wirst Du es nicht kommen lassen, nicht wahr Sarah!“

Er drohte mir! Zwar lachten die Anderen, aber ich verstand den Sinn seiner Worte genau. Dabei konnte er froh sein, wenn ich meinen Mund hielt. Ich könnte Vater ja auch einfach sagen, wer mich biss.

„Ich bleibe bei Rosmerta und verspreche ihr keinen Ärger zu machen“, schaute ich sie flehentlich an. Ohne Erfolg, „Mir ist es recht, wenn Corvin auf dich aufpasst, dann kann ich meine Verabredung mit dem schmucken Kerl dort hinten einhalten.“ Aller Augen wandten sich auf einen dunkelhaarigen Vampir, der Rosmerta mit seinen Blicken verschlang.

„Wirklich, ich beneide dich“, seufzte Marsé, „Wo gabelst du nur die hübschen Männer auf?“

„Mutter!“, seufzte Corvin.

„Was denn? Schließlich kann ich meine Gelüste nicht ausschwitzen, mein Sohn. Nimm dir ein Beispiel an Sarah und Livio, sie nahmen Muse mit aller Herzlichkeit auf und du? Du gönnst mir nicht das kleinste Vergnügen!“, erhob sie sich, „Damit du es weißt, heute Nacht werde ich nicht allein zu Bett gehen! Prya hat ihren Matt, daher beende ich nun mein enthaltsames Leben“, ließ sie ihren Sohn, der sich schüttelte zurück.

„Recht so, Marsé! Ergreif dir einen brünstigen Hengst!“, lachte Rosmerta die Hände reibend.

„Ich bin von Verrückten alten Weibern umgeben!“, stöhnte der Boss melodramatisch, dabei sah er mit gerunzelten Brauen seiner Mutter nach, „Sie meinte es doch nicht ernst, oder?“

Muse und Rosmerta lachten, „Was denkst du denn? Sie hat genauso ihre Bedürfnisse wie du auch, mein Junge“, meinte Rosmerta, „Da wir gerade bei diesem Thema verweilen, was ist mit deiner Zukünftigen, wann lernen wir sie kennen?“

„Ich hoffe du schicktest ihr unsere Einladung zur Hochzeit“, fragte Muse.

„Ja, natürlich! Nur habe ich bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Vielleicht wenn wir zurück auf der Festung sind.“

Na toll! Dann sollte ich die zukünftige Frau von ihm kennenlernen. Corvin erhob sich, „Ich glaube die Feierlichkeiten neigen sich dem Ende zu. Vlad, ihr übernehmt die restlichen Gäste?“

Muse antwortete statt Vater, „Wir haben es Alia und Peer versprochen. Sie meinten du habest genug getan.“

„Ach was“, zeigte sich der Boss mal bescheiden, „Hauptsache es gefiel ihnen“, sah er sich nach mir um, „Kommst du?“, an Vater und Henry gewandt, „Dann fahre ich jetzt mit Sarah los. Wir sehen uns dann Morgen gegen Mittag?“

„Rechne nicht zu früh mit uns“, meinte Vater, „Muse möchte noch mal in die Stadt.“

„Haltet Prya im Auge, sie soll nicht denken nun einen Freifahrtsschein zu haben. Noch steht ein Gespräch mit Matt aus.“

„Intha wird ihr Baby sicherlich schützen. Wo ist übrigens Ross, ich habe ihn seit einiger Zeit nicht gesehen.“

„Unterwegs, er erledigt etwas für mich und sage Malech er ist herzlich willkommen auf der Festung und kann so lange bleiben, wie er möchte. Ich hörte, ihr habt ihn zur Hochzeit eingeladen.“

„Ja, sie wird anscheinend doch größer als wir dachten“, lächelte Muse entschuldigend, „Wenn wir woanders die Trauung vollziehen sollen …“

„Auf keinen Fall, Muse! Henry und ich haben uns etwas ausgedacht, lade so viele Gäste ein, wie du möchtest“, versicherte er ihr, „Ist sonst noch etwas, bevor wir abfahren?“

Henry und Vlad schüttelten die Köpfe, „Bis Morgen!“, winkte er ihnen zu. Schnell verabschiedete ich mich und holte Corvin im Foyer ein, „Ich muss meine Sachen packen!“

„Sie werden geliefert“, nickte er einen Angestellten zu.

„Aber ich möchte mich umziehen, die lange Fahrt zerknittert den Stoff des Kleides.“

Er sah mich von unten bis oben an, „Ist doch egal, der Fetzen gefällt mir sowieso nicht!“

„Na hör mal“, protestierte ich, „Alia …“

„Wie gesagt mir egal! Ich will los und mich kümmert dein Aussehen nicht“, hielt er auf den Ausgang zu.

Ich überlegte, ob ich einfach zum Fahrstuhl gehen sollte, noch während ich dastand, wurde ich aufgefordert, mir keinen Blödsinn auszudenken. „Übrigens ist der Fahrstuhl präpariert, eigentlich wollten wir Alia entführen, was Rosmerta und Mutter verhinderten. Schade eigentlich, er wäre spaßig geworden. Doch wenn du Wert darauf legst, werde ich dich gern verschleppen“, grinste er diabolisch.

„Kein Bedarf“, winkte ich ab, „du hast schon genug angerichtet!“

„Wie enttäuschend“, zuckte er lediglich die Schultern, „übrigens sehr bedachtsam, wie du mit der Situation umgegangen bist. Henry und Vlad hätten sicher wenig Verständnis für mein Vorgehen.“

Ich blieb stehen, „Du hast mich mit Absicht gebissen!“

„Wirklich inzwischen müsstest du mich besser kennen! Natürlich habe ich dich vorsätzlich gebissen. Es lief doch genau nach Plan, schließlich wurdest du meiner Obhut übergeben. Sagte ich dir nicht, ich würde einige Stunden für uns allein herausschlagen?“

„Du vermessener liederlicher Idiot! Meinst du etwa, ich freue mich? Ich will nur eines, nichts mehr mit dir zu tun haben! Kapiere es doch mal!“

„Schreie noch etwas lauter, es kann dich nicht jeder hören“, zischelte er warnend.

„Sollen sie doch! Dann sehen sie endlich, was für ein linker Wicht du bist!“, er grunzte nichtssagend vor sich hin und setzte seinen Weg zu Alias Auto fort.

„Damit ist Alia bestimmt nicht einverstanden!“, stellte ich mir bereits die Standpauke vor, die sie dem Boss halten würde.

„Alia bat mich den Wagen zurückzufahren“, zerstoben meine Fantasien zu Rauch.

„Corvin! Sarah!“, rief Henry hinter uns.

„Was ist denn jetzt noch? Steige schon einmal ein“, öffnete er mir die Tür. Von wegen, wartete ich auf Henry, der mit mürrischer Miene näherkam, „Ach ihr nehmt Alias Zweisitzer!“

„Wieso?“, wollte ich wissen, bevor Corvin fragen konnte.

„Ach ich dachte, ich könnte mit euch fahren …“, schaute er missmutig den Wagen an, „aber auf den Notsitz habe ich keine Lust.“

„Wäre auch sehr ungemütlich, dann sehen wir uns Morgen“, wandte Corvin sich ab.

Ich nutzte meine Chance, „Wieso denn? Ich bin viel kleiner, ich setze mich nach hinten!“

„Wirklich?“, sah Henry hoffnungsvoll auf.

„Nein!“, brummte Corvin, „Für die Fahrt benötigen wir gute fünf Stunden, unmöglich!“

„Das macht mir nichts aus! Ich habe weitaus unbequemere Reisen hinter mir.“

„Ja, wenn Sarah …“

„Ich sagte, Nein! Außerdem wollte ich einen Umweg fahren, da ich noch etwas erledigen muss.“

„Dann kann ich mir in der Zwischenzeit die Beine vertreten. Wirklich Corvin, für mich sieht es beinahe so aus, als wolltest du Henry hier im Regen stehen lassen“, musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Sein schöner Plan scheiterte, freute ich mich diebisch, besser konnte ich ihn mir nicht vom Leib halten, „Also abgemacht Henry fährt mit“, quetschte ich mich nach hinten auf den Notsitz.

„Danke! Du bist die Beste!“, sagte Henry glücklich lächelnd.

„Warum musst du überhaupt mit?“, wollte Corvin wissen.

„Ich habe mit dem Maler gesprochen, er sagte die Farbe für meinen Raum sähe an der Wand unmöglich aus, ich will mich davon selbst überzeugen.“

Der Boss riss die Augen auf, „Mir traust du eine solche Entscheidung nicht zu? Deshalb soll Sarah über Stunden da hinten hocken? Ein schöner Gentleman bist du!“

„Wie gesagt, mir macht es nichts aus, es ist gemütlicher als ich dachte.“

„War klar das du das sagst!“, fauchte der Boss mich an.

Henry setzte sich, „Fahr doch über die Landstraße, dann kann Sarah sich nach oben setzen oder auf meinen Schoss“, blinzelte er mich mit einem verführerischen Lächeln an.

Die Fahrertür schlug mit einem lauten Krachen zu, „Wir nehmen die Autobahn! Zuerst setze dich an der Festung ab und erledige anschließend meine Angelegenheiten!“

„Wie du meinst, Sarah kann mir ja bei der Auswahl helfen.“

„Die Verantwortung trage ich, sie fährt mit mir“, konnte der Herr Aufpasser kaum noch an sich halten.

„Schon gut war ja nur ein Vorschlag.“

Inzwischen fuhr Corvin einem wilden Eber gleich durch Bukarest, jede Kurve nahm er mit überhöhter Geschwindigkeit, hupte wie ein Besessener, nur weil der Fahrer vor uns, sich an die Geschwindigkeitsregeln hielt.

Auf der Autobahn gab er Vollgas, der Fahrtwind peitschte um meine Ohren, ich wettete still für mich, dass ich bald kein Haar mehr auf dem Kopf trug. Ab und an schaute Corvin mich grimmig im Rückspiegel an, was ich geflissentlich übersah.

Mein kleiner Sieg kam mir teuer zu stehen, Haar hinüber, schmerzende Glieder, steifer Nacken. Und wofür? Naja, haderte ich mit mir, so schlecht war der Tausch gar nicht, wenn man bedachte, dass ich seinen Fängen fürs Erste entkam.

Nun musste ich mir etwas Neues ausdenken, denn ich wollte unbedingt bei Henry bleiben. Gegen den Fahrtwind anschreiend wollte ich von ihm wissen, welche Farbe er sich denn aussuchte.

Er meinte einen hellen Ton, der laut Maler an den Wänden schmutzig grau wirkte. All mein rares Wissen über Farben einsetzend, machte ich ihm verschiedene Vorschläge.

Dank oder sollte ich sagen Gott sei Dank, erreichten wie die Festung innerhalb von drei Stunden. Corvin hielt mit quietschenden Reifen auf der Zufahrtsstraße zur Festung an, „Das letzte Stück kannst du ja wohl laufen!“, fragte er ironisch nach.

„Ja klar! Du scheinst es eilig zu haben“, öffnete Henry die Beifahrertür, nachdem er ausgestiegen war, klappte er den Sitz nach vorn. „Danke nochmals Sarah, ich werde dem Maler deine tollen Ideen mitteilen“, reichte er mir die Hand.

Die ich fest hielt und versuchte aufzustehen, Henry überrascht flog beinahe zurück in den Wagen. Der Boss fluchte, Henry japste überrascht und ich plumpste dank meiner eingeschlafenen Glieder zurück in den Sitz.

„Wie stürmisch“, lachte Henry glucksend, „Eine Warnung deinerseits wäre angebracht“, streckte er mir erneut die Hand entgegen.

„Könnt ihr mir mal verraten, was ihr da treibt?“, schnauzte Corvin uns an.

„Ich will aussteigen! Falls ich jemals wieder laufen kann!“, hielt ich mich inzwischen an Henrys Hals fest.

„Ach, ich dachte es sei bequem?“, wechselte seine Laune schlagartig.

„Hör mal Corvin, so kannst du Sarah keine weitere Fahrt zumuten. Ich nehme sie mit rauf, bevor du etwas erwiderst, verspreche ich dir sie nicht aus den Augen zu lassen. Im Gegenteil, ich werde ihr ein warmes Bad einlassen, ihre geschundenen Glieder massieren und mich fürsorglich um sie kümmern. Du kannst dir also Zeit nehmen so viel du benötigst.“

„Und dich allein mit der einzigen weiblichen Person lassen? Für, wie bekloppt hältst, du mich denn? Ich kenne deine Maschen in und auswendig. Steigt wieder ein, es ist sowieso ein Reinfall!“

„Was denn?“, blieb Henry stehen, mir weiterhin als Stütze dienend, denn Tausende kleine Stiche wanderten meine Beine hoch und runter.

„Nichts was dich angeht! Na los oder wollt ihr Wurzeln schlagen?“

„Ich denke, Sarah verzichtet auf die kurze Fahrt, wir kommen zu Fuß hinterher“, schaute er mich fragend an.

„Liebend gern!“

Man sah Corvin direkt seine Zwickmühle an, „Wartet hier, ich bringe den Wagen schnell hinauf und kehre dann mit einem Größeren zurück.“

„Nein, nein“, rief ich, bevor er abbrausen konnte, „Das Stück würde ich gern zu Fuß gehen.“

„Na gut! Henry bring den Wagen hoch“, wollte er aussteigen.

„Langsam machst du dich lächerlich Corvin. Du tust ja gerade so, als ob ich Sarah in den nächsten Busch schleifen würde. Fahr ruhig wir kommen langsam hinterher.“

Ohne ein weiteres Wort rauschte er davon. „Was ist denn mit ihm los?“, sah Henry hinter dem Wagen her.

„Keine Ahnung, du kennst ihn doch, er nimmt jede Verpflichtung wer weiß wie ernst.“

„Ja“, meinte er gedehnt, „sonst ist nichts?“

„Was meinst du?“, fragte ich unschuldig nach.

Darüber ging er hinweg, „Was wollte er eigentlich unbedingt erledigen?“

„Wir reden hier über Corvin Sardovan! Meinst du er informiert mich, über seine Pläne?“, dies war noch nicht einmal gelogen.

Henry nickte bedächtig, „Irgendwie kommt mir sein Verhalten bekannt vor, aber ich weiß nicht genau, wann und wo, er sich so benahm. Ist ja auch egal, es fällt mir noch ein“, fasste er mich fester, „dann wollen wir mal“, grinste er mir aufmunternd zu.

Ich hätte Henry sagen können, das sich unser Familienoberhaupt sehr oft diktatorisch verhielt. Wahrscheinlich kannte Henry diese Seite vom Boss gar nicht, schließlich schenkte Corvin meinen Begleiter sein Vertrauen.

Langsam stiegen wir den Weg hinauf, nach ein paar Minuten ging es besser. Zwar hielt ich mich vorsichtshalber immer noch bei Henry fest, doch mit jedem Schritt wurde es besser.

Als wir um eine Biegung kamen, wären wir beinahe mit Corvin zusammengestoßen, der wie ein geölter Blitz daherkam. „Was ist mit dir?“, fragte Henry verwundert, „Du tust ja gerade so, als ob ich ein Vergewaltiger wäre! Ich habe Sarah den Biss nicht verpasst, falls du das glauben solltest.“

„Das weiß ich auch! Ich wollte dir nur helfen, Sarah ist ja nicht gerade ein Leichtgewicht.“

Was war ich denn nun? Ein Klappergestell oder nicht konnte er sich mal entscheiden? „Du musst mir nicht helfen!“, wehrte ich seine Hilfe brüsk ab.

„Oh ha, da ist jemand sauer auf dich. Was hast du denn angestellt? Sage mir nicht, du hast den gestrengen Erzieher herausgekehrt?“, kicherte Henry vor sich hin.

Mit seiner Annahme lag er so was von falsch, verdrehte ich die Augen, während Corvin eine Reihe ebenmäßiger Zähne sehen ließ. Henry versuchte seinem Freund ins Gewissen zu reden, dabei führte er seine strenge Erziehung bei Prya an.

Der Boss ließ die Tirade schweigend über sich ergehen, als wir in den Hof der Festung ankamen, meinte der Gescholtene, „Vielleicht hast du recht, ich versuche mich zu bessern. Deshalb werde ich Matts Wunsch entsprechen und morgen Abend mit ihm reden.“

„Gut Corvin! Sehr gut, du darfst eines niemals vergessen, Prya ist zum Teil auch unsere Tochter. Wir haben sie mit großgezogen, ihr so manches beigebracht“

„Ja vor allen Dingen Unsinn!“, warf der Vater dazwischen.

Henry lachte verschmitzt, „Ein gesunder Ausgleich für deine drakonischen Maßnahmen“, schritt er durch die Eingangstür die Corvin aufhielt, ich folgte ihm, dabei spürte ich, wie Corvin mir mit dem Finger am Rückgrat entlangfuhr.

Erschrocken hüpfte ich mit einem kleinen Quietscher in Henry hinein, „Was ist?“, fragte er alarmiert, sich nach allen Seiten umsehend.

„Da war ein Krabbeltier!“, meinte Corvin schnell.

Henry zog die Stirn kraus, „Davor fürchtest du dich? Wusste ich ja gar nicht.“

„Ein außerordentliches ekeliges Viech“, informierte ich Henry, der es nun eilig hatte mit dem Maler zu reden.

„Ist er denn noch da?“, versuchte ich ihn aufzuhalten.

„Er wartet auf mich, sobald wir die Sache mit der Farbe geregelt haben, sind die Malerarbeiten abgeschlossen. Dann heißt es noch einmal die Ärmel hochkrempeln die Möbel aufbauen und Ordnung schaffen. Das will ich erledigt haben, bis die gesamte Bagage eintrifft. Denn anschließend müssen wir den …“

„Henry!“, unterbrach Corvin den Redeschwall seines Freundes.

Der zuckte die Schultern, „Sarah kann es doch erfahren, morgen wissen es doch alle. Also wirklich manchmal verstehe ich dich nicht.“

„Ich will niemanden bevorzugen, das ist schon alles.“

„Wirklich, als ob es eine Rolle spielt!“, maulte Henry, während er den Weg zum Turm einschlug.

„So! Meine Dame, jetzt sind wir endlich allein!“, kamen mir seine Worte wie eine Drohung vor.

Ich ging auf seine Worte nicht ein, „Sicher möchtest du die Festung inspizieren, ich gehe dann mal ins Dorf.“

„Netter Versuch, Sarah. Ich habe etwas anderes im Sinn“, kam er mir viel zu nah, so legte ich den Rückwärtsgang ein, bis die Rezeption mir Einhalt gebot,

 „Was nun?“, stemmte er die Hände links und rechts neben mir auf die Theke.

„Nichts!“, erwiderte ich, einen Fluchtplan überlegend. Der mit dem Knie in seine Weichteile begann, ein Fausthieb mitten in seine perfekte Visage oder einfach lauthals schreien.

Er glaubte mir nicht und zählte fast genau meine Gedanken auf, „Versuche es ruhig, ich bin auf jeden deiner Angriffe gewappnet. Nun?“

Ich rührte mich nicht, sagte kein Wort, sonders blickte stur geradeaus. Schau ihn nur nicht an, ansonsten verlierst du dich wieder in seinen Blick, was fatal enden würde.

Diesen Gedanken hegte auch er, denn wie auch immer ich den Kopf neigte, erschien sein Gesicht in mein Blickfeld. „Wie lange gedenkst du mit diesem albernen Spiel fortzufahren? Wir könnten indessen viel interessantere Dinge unternehmen.“

„Ha, das wünscht du dir wohl! Aber eines will ich dir sagen, lass mich in Ruhe! Verfolge eine andere mit deinen unerwünschten Nachstellungen. So und jetzt werde ich ins Dorf gehen, mich duschen und dann umziehen. Reicht dir die Auskunft, du angeblicher Aufpasser?“, stellte ich mich aufrecht!

Er rührte sich keinen Millimeter, „Nun werde ich dir etwas sagen! Ich werde dich ausziehen, dann gehen wir duschen, danach wirst du unter Garantie nichts anziehen!“, umarmte er mich überraschend, um mir gleich darauf seine Lippen auf den Mund zu pressen.

Den ich fest verschloss, er lachte leise, „Dann auf ein Neues, ich freue mich auf den Sieg!“, fuhren seine Lippen den Hals hinunter, dem ich ihn so gut es ging entzog. „Ich dachte du berührst die Stelle nie mehr, weil Pierre sie erwähnte“, wusste ich mir nicht anders zu helfen, da mein Körper ganz natürlich auf seine Zärtlichkeiten reagierte.

„Ich habe mich damit abgefunden. Pierre gehört der Vergangenheit an, na und die habe ich auch und weit mehr Erinnerungen, als du sie jemals haben wirst“, nutzte er die Gelegenheit und küsste mich.

Innerlich wand ich mich, während meine verräterischen Lippen seinen Schmeicheleien nachgaben. Wie konnte der Verstand Nein sagen und der Körper ja fordern. Bald so wusste ich, schaltete mein Hirn auf nur einen Modus, ich musste unbedingt … seinen Kuss erwidern, gab ich mich seinen Liebkosungen hin.

Mit einem brünstigen Aufstöhnen erklärte er seinen Sieg. Mich in seinen Armen tragend setzte er sich in Bewegung ohne die Lippen von mir zu lassen. „Corvin?“, hörte ich wie aus weiter Ferne Henry rufen.

Der Mann der mich hielt erstarrte in der Bewegung, ein Fluch entfuhr ihm und bevor die Tür sich vollends öffnete stand ich auf meinen Beinen. „Ach da bist du ja! Wolltet ihr gerade in den Gästetrakt, das trifft sich ja. Ich kann mich für keine Farbe entscheiden, deshalb benötige ich unbedingt deinen Rat.“

„Manchmal hasse ich dich!“, sagte Corvin in die Halle hinein, Henry stockte, „Ich weiß, ich bin schwierig, aber warum lässt du auch meinen Raum renovieren? Du bist selbst schuld daran und nun hilfst du mir!“

„Nimm doch einfach Weiß! Wir wissen beide du entscheidest dich früher oder später dazu. Weshalb vorher das ganze Theater!“

„Weiß habe ich satt! Ich möchte Farbe an den Wänden, doch sie soll weder grell noch langweilig sein.“

„Genau, deshalb nimm Weiß!“, verlor Corvin langsam die Geduld.

„Du verstehst mich nicht! Der Maler sagte, du habest einen Champagnerton in deine Räume genommen …“

Nun schüttelte Corvin den Kopf, „Du mein Freund verstehst nicht! Die Räume im Turm gehören nun deinem Sohn!“

„Wie?“, schaute Henry den Boss sprachlos an. Ich muss zugeben, ich sah nicht anders aus. „Ich dachte du und deine Braut ziehen dort ein? Verstehst du, was er meint?“

Ich schüttelte den Kopf und meinte dann aber, „Vielleicht zieht er zu seiner Frau?“, fiel mir nur diese Möglichkeit ein.

„Blödsinn!“, lehnte er meine These ab.

„Aber zum Teil richtig!“, stimmte Corvin zu meiner Überraschung zu.

„Erkläre es uns! Und wieso bekommt Hendrik deine Etage? Was soll der ganze Unsinn?“

„Es ist doch so, wir werden hauptsächlich in Granada wohnen. Hendrik wird meinen Job übernehmen, was bedeutet er muss ständig vor Ort sein. Folglich bekommt er die Räume.“

„Wo willst du dann wohnen? Etwa im Gästetrakt?“

„Es hängt von meiner Frau ab, ich will da nicht vorgreifen.“

„Wie rücksichtsvoll, seit wann schlägst du solche Seiten an?“, konterte Henry mit einer guten Portion Sarkasmus.

Corvin lächelte, „Wir sprechen uns wieder, sobald du für eine Frau dein Leben geben würdest.“

Seine Worte verursachten mir einen Stich, demnach liebte er diese Frau wirklich. Henry schien zu dem gleichen Entschluss zu kommen, „Ich dachte es sei eine arrangierte Ehe. Dir scheint es wirklich ernst zu sein.“

„Sehr ernst, Henry! Bitte sagt den Anderen noch nichts, ich möchte vor Vlads Eheschließung keinen Aufruhr.“

„Eines noch Corvin, was ist mit Prya? Wie passt sie da hinein?“

„Prya ist sehr selbstständig, in einem Monat wird sie ihre Ausbildung beginnen. Meine Mutter sieht sich bereits nach geeigneten Wohnungen um, denn sie möchte auf ihre eigenen Füße stehen. Wahrscheinlich zieht sie mit Matt zusammen. Ehrlich gesagt weiß ich es nicht, wir werden es auf uns zukommen lassen müssen.“

„Ja, ja, doch du weichst meiner Frage aus. Wird Prya mit deiner Frau auskommen?“

„Ich denke ja, natürlich wird es Anfangsschwierigkeiten geben, besonders da Sarah und Prya sich näher kennenlernen wollen. Wie gesagt, es braucht alles seine Zeit.“

„Man Corvin das ist der Hammer! Hendrik wird ausrasten und die Anderen erst. Was ist mit Vlad?“

Nun lächelte Corvin, „Du kennst ihn doch, einiges vermutet er bereits, weshalb denkst du heiraten er und Muse?“

„In dieser Beziehung ist er auf Zack!“, nickte Henry, „Also welche Farbe suchte mein Sohn aus?“

„Nicht direkt, er bemerkte der Ton sei eine bessere Wahl als Weiß, deshalb ließ die die oberen Gemächer so streichen.“

„Wie immer hörst du genau zu, dann zeige mir die verdammte Farbe, ich mag wirklich keine weißen Wände mehr ansehen.“

Sie waren so in ihr Gespräch vertieft das ich dachte sie hätten mich vergessen, als Henry zurückging, hoffte ich mich davonschleichen zu können.

Weit gefehlt, Corvin sah mich auffordernd an. Zögernd folgte ich ihnen, „Du nimmst deinen Job als Aufpasser wirklich ernst, was? Wer sollte Sarah schon hier auf der Festung etwas antun?“

Na wer wohl? „Da muss ich Henry zustimmen, also ich gehe dann mal …“

„Du wirst mir nicht von der Seite weichen!“, befahl der Herr des Hauses, an seinen Freund gewandt, zog er eine vorwurfsvolle Miene, „Henry seit wann bist du so leichtgläubig? Wir wissen doch, wie wir an unsere Beute trotz aller Widerstände kommen.“

„Ja, verstehe, einer der solch einen Abdruck hinterlässt, ist noch lange nicht fertig mit ihr. T´schuldige, so habe ich es noch gar nicht gesehen. Eigentlich hatte ich dich in Verdacht, was wohl lächerlich ist, nachdem was du uns sagtest.“

Wirklich leichtgläubig konnte ich ein ironisches Grinsen kaum verhindern.

„Lächerlich! Genau!“, bestätigte Corvin.

Mir wurde eines bewusst, solange er mich begehrte, würde er mich benutzen. Entkommen? Nein, dies ließ er niemals zu. Die Wahrheit sagen? Nein, schon allein vor dem Gedanken schreckte ich zurück. Der Bruch, der zwischen Vater und Corvin entstehen könnte, wäre katastrophal.

Was blieb mir? Ich konnte mich wehren, was ihn allerdings anspornte. Jede Art von Widerstand nahm er als Herausforderung. Wie konnte ich nur so blöd sein! Es lag auf der Hand, ganz einfach! All die Frauen, die um ihn herumschlichen, zeigte er die kalte Schulter, ich musste einfach seine Nähe suchen, immer mehr von ihm verlangend.

Ja! Klimper mit den Wimpern, zeige deine Reize, betöre ihn, dann wird er die Flucht ergreifen. So einfach grinste ich grimmig vor mich hin.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte mich Henry seltsam anschauend.

„Mit mir? Nichts! Wieso?“, musste ich mich orientieren, da ich wie blind hinter ihnen herlief.

„Du siehst aus, als hättest du einen Mordanschlag geplant“, unversehens riss er seine blauen Augen auf, „Genau das hast du! Oh Sarah, nein! Hör zu, der Typ, der dich biss, ist es nicht wert! Natürlich sind solche Bisse indiskutabel, aber kein Grund ein Leben zu nehmen. Sag doch einfach, wer der Glückliche war, der deine Aufmerksamkeit erlangte und wir werden ein oder zwei Wörtchen mit ihm reden“, versuchte er es mit einschmeichelnder Stimme.

„Nein!“, erklärte ich kurzerhand.

„Diese Frau macht mich wahnsinnig!“, hob er verzweifelt die Hände, „Wir wollen dir doch nur helfen! Corvin nun sag doch auch mal was!“

Dieser brummte vor sich hin, was mich keineswegs verwunderte. Henry schon, da er weiterhin auf mich einredete. „Möchtest du dir jetzt die Farbe ansehen? Oder war es nur ein Vorwand um Sarah ins Gewissen zu reden?“

„Erwischt!“, grinste mein blonder Freund, „Ich … wir bezweifelten, ob du etwas über den Kerl herausfindest, deshalb wurde ich beauftragt …“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, rief ich empört, „Von wem stammt denn die glorreiche Idee? Nein warte, ich will es gar nicht wissen!“, kehrte ich Henry den Rücken zu und marschierte davon.

In der Halle blieb ich stehen, versuchte mich zu beruhigen. Was dachten sie sich nur? Glaubten sie wirklich mich beschützen zu müssen? Wer war ich denn, ein minderjähriges unbedarftes Mädel?

„Sarah?“, wurde die Tür zaghaft geöffnet.

„Henry nicht jetzt!“

„Ein, zwei Sätze, bitte“, trat er näher, „Woher sollte ich … wir wissen", verbesserte er sich, „wie vertraut ihr inzwischen miteinander seid? Bisher konntet ihr keine zwei Worte wechseln, ohne einen Streit anzuzetteln.“

„Was meinst du?“, wovon sprach er denn jetzt?

„Corvin sagte es mir gerade, ich hatte ja keine Ahnung.“

„Er sagte es dir? Und nun ist einfach alles in Ordnung?“, konnte ich kaum glauben, was ich da hörte.

„Na sicher! Corvin weiß, wie man mit solchen Situationen umgeht.“

„Darauf gehe ich jede Wette ein“, spottete ich.

„Jedenfalls bin ich froh, ihr habt eure Differenzen beigelegt, ihr könnt miteinander reden, du teiltest ihm sogar den Namen dieses Typen mit. Ehrlich ich bin wirklich erleichtert, wenn die Anderen erst davon erfahren, glaub mir die rasten vor Freude aus.“

Ich hörte sprachlos zu, zu perplex um ein Wort zu erwidern. Dieser Mistkäfer manipulierte seine Freunde nach Strich und Faden! Sah überhaupt irgendjemand, mit welchem üblen Charakter sie es mit Corvin Sardovan zu tun hatten?

„Ich hoffe, du verzeihst mir, denn nur die Sorge um dich, trieb mich dazu. Du bist manchmal einfach zu gutgläubig.“

Ich? Wer ließ sich denn Sand in die Augen streuen? Wer sah denn den Boss durch die rosarote Brille? Gerade wollte ich den Mund öffnen, um Henry so einige Wahrheiten über seinen viel gerühmten Freund aufzutischen, da öffnete sich die Tür erneut.

„Alles klar?“, fragte dieser ehrlose Manipulator besorgt.

Henry nickte, „Ich habe gesagt, was ich wollte. Entschuldige nochmals, Sarah“, sah er dermaßen betroffen aus, dass ich ihm schon verzieh, „Ich liebe dich auch, Henry!“, sagte ich schnell, bevor er den nächsten Treppenabsatz erreichte. Ein Lächeln, welches nur er schenken konnte, antwortete mir.

Ich wartete, bis Henry außer Hörweite war, „Was hast du Ekel ihm erzählt?“

„Was ich für nötig erachtete! Manchmal frage ich mich, was ihr wirklich füreinander empfindet, du rufst ihm einfach solche Worte hinterher und er setzt seinen gesamten Charme ein, erkläre es mir“, forderte der Heuchler.

„Egal wie viele Worte ich benötige, um es dir begreiflich zu machen, du wirst es niemals verstehen. Denn es sind ehrliche Gefühle, davon hast du keine Ahnung!“

„Meinst du? Aber von etwas habe ich Ahnung, versichere ich dir, dein Begehren zu wecken, ist es kein Gefühl?“, zog er mich bereits an sich.

Egal was ich über ihn dachte, von ihm wusste, reagierte mein Körper augenblicklich. Warum fragte ich mich, eigentlich sollte ich Abscheu vor ihm entwickeln. Schmiegte ich mich, meinen Plan umsetzend an seine Brust. Ich ging sogar weiter und bot ihm meine Lippen freiwillig da.

Für einen Sekundenbruchteil zögerte er, dann hielt ihn nichts mehr auf. Ungeachtet dessen das noch Arbeiter in der Festung arbeiteten, ganz zu Schweigen von Henry, der jeden Moment aufkreuzen konnte, denn diese Eigenart besaß er, drückte mich Corvin gegen die Wand.

„Du solltest wirklich keine Slips tragen“, hörte ich Stoff reißen.

„Wenn jemand kommt“, versuchte ich ihn aufzuhalten.

Er lachte leise, „Mir egal“, schaute er mich mit schwarzen Augen an, meine Oberschenkel fassend.

„Corvin bitte, ich kann das nicht, nicht hier im Treppenhaus“, appellierte ich an seinen Verstand, schon fast seinem Drängen nachgebend.

Er hörte nicht auf, saugte sich fest an meinen Hals, während ich mich in sein Haar krallte, „Zu spät“, murmelte er in mich eindringend. Obwohl ich nicht wollte, jedenfalls nicht so, kam ich ihm mit der gleichen Leidenschaft entgegen, die ihn antrieb.

Als die Wellen langsam abebneten, gluckste Corvin vergnügt, „Zum Glück sieht dich niemand in den nächsten Stunden.“

„Warum?“, fragte ich träge nach.

„Ich habe dich schon wieder gebissen.“

„Was?“, drückte ich ihn ohne Erfolg von mir weg.

„Warte“, stöhnte er leise auf, „Rühr dich nicht, ansonsten falle ich nochmals über dich her.“

Still verharrend klebte ich an der Wand, „Eigentlich möchte ich mich überhaupt nicht vom Fleck bewegen. Mir gefällt die Situation unwahrscheinlich gut, du kannst mir nicht weglaufen.“

„Hör auf zu spaßen, sondern beweg dich lieber!“

„Forderst du mich gerade auf?“, bleckte er die Zähne, in seinen Augen stand trotz der Schwärze darin der Schalk.

„Willst du wirklich jemanden deinen nackten Arsch zur Schau anbieten?“, setzte ich auf seine Stellung als Oberhaupt der Familie.

„Wie gesagt, es ist mir egal. Stört es dich etwa? Schließlich bist du gerade mit dem unausstehlichen Corvin Sardovan … äh vereinigt, nett ausgedrückt.“

„Du kannst ruhig sagen, was du denkst. Meinst du etwa ich Laufe rot an, oder senke verlegen meine Augen?“

„Wirklich? Wie nett von dir, dann will ich dir sagen, was ich denke. Wir sind im ersten Geschoss, leider nicht weit genug vor jeglichen Störungen entfernt. Deshalb werden wir nun zwei Etage höher gehen, dort habe ich ein Zimmer und da meine liebe Sarah, werde ich die restliche Nacht sowie den gesamten Morgen zwischen deinen Schenkeln verbringen.“

Er erwartete, dass ich protestierte, doch diesmal nicht, blieb ich meinen Plan treu. „Auf was wartest du dann noch?“, verschränkte ich meine Arme hinter seinen Hals, „Du wirst mich doch hinauftragen können, oder?“, kreuzte ich meine Beine fest an seinem Rücken.

„Manchmal gibst du mir Rätsel auf! Dein Wunsch ist mir Befehl, meine Dame, wenn ich mich nur fortbewegen könnte, da meine Beinkleider dies verhindern“, meinte er in salbungsvollen Ton, „Außerdem würde sich das gemeine Volk erzürnen sobald es das ach so überflüssige Höschen erspähet“, wies er auf meinen Slip hin, der in zwei Teilen auf dem Boden lag. „Nun?“

„Also gut!“, löste ich meine Umklammerung.

Sobald er mich absetzte, zerrte Corvin ungeduldig seine Hosen hoch, schnappte sich die zwei Stücke Stoff und dann mich, „Ich hab´s eilig!“, warf er mich über die Schulter.

Ich konnte es selbst nicht glauben, als ich laut kicherte, halte ihn bei Laune, sagte ich mir, dein albernes Gehabe wird bald mit deiner Freiheit belohnt. Während er in rasanter Geschwindigkeit sein Zimmer erreichte, wo ich in seinem Bett landete.

Mir blieb kaum Zeit einmal durchzuatmen, da beugte es sich bereits über mich, „Ich hoffe, du bist weiterhin so willig, es erspart uns eine Menge Zeit.“

Ich enttäuschte ihn keineswegs, wie er sich an sein Wort hielt, erst gegen Mittag löste er sich von mir. Auf den Rücken drehend, lachte er entspannt auf, „So habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Ich bin wirklich befriedigt und unglaublich satt.“

Jetzt dachte ich, jetzt kommt der Moment, an dem er sagt, nun habe ich genug von dir. Ich wartete angespannt, nichts als Stille folgte. Ihn ansehend zog ich eine Braue hoch. „Was denn?“, wollte er wissen, dabei streichelte er mir zart über den Bauch. Schließlich legte er sich auf die Seite, stützte mit der anderen seinen Kopf ab.

„Irgendetwas beschäftigt dich doch, nur heraus damit.“

Er ist noch nicht soweit! Dann weiter mit der Farce, „Ich überlege nur“, meinte ich zögernd.

„Was denn?“

„Naja, wie es nun mit uns weitergeht“, sagte ich leise. Seine Hand auf meinen Bauch kam zum Stillstand. Ich sah ihn an, gerunzelte Brauen ein gutes Zeichen, „Warten wir es doch einfach ab“, zog er nun seine Hand gänzlich zurück.

Vielleicht noch eine Nacht, einige Anspielungen und ich konnte meiner Wege gehen. Deshalb schmiegte ich mich eng an ihm, „Es ist so schön mit dir hier zu liegen, das könnte ich jeden Tag aufs Neue.“

Er hielt den Atem an, „Ja“, kam es zögernd, „Leider müssen wir uns nun erheben, bald trifft das Rudel ein. Danach haben wir eine Menge Arbeit vor uns“, erhob er sich schnell.

Auf den Weg zur Dusche, den er allein anschlug, was ich als Erfolg verbuchte, meinte er dann, „Im Kühlschrank ist Nahrung, du solltest einiges zu dir nehmen, damit die Bissspuren schneller verschwinden.“

„Sie erinnern mich an die letzten Stunden“, lächelte ich ihn schwachsinnig an.

Er erwiderte das Lächeln kurz, „Trink, ansonsten steht dir eine erneute Befragung bevor.“

Na sicher! Und damit könnte dein Verhalten bekannt werden, schon klar, „Na gut!“, rekelte ich mich auffordernd, ihm alles darbietend, was ich mein Eigen nannte. Er widerstand der Versuchung, noch ein Punkt für mich. Vielleicht gab es kein weiteres Stelldichein mehr, frohlockte ich.

Als er aus dem Bad kam, lockte ich ihn erneut, auch diesmal zeigte er keinerlei Interesse. Gut, gut, ungeduldig forderte er mich auf, mich anzuziehen. Auf mein Kleid deutend kicherte ich, „Und ganz nach deinen Vorstellungen, ohne Slip.“

„Im linken Schrank findest du passende Kleidung!“, fuhr er sich durch das Haar, ich musste ihm ganz schön auf die Nerven gehen, „Du solltest dich jetzt wirklich beeilen. Derweil gehe ich schon mal runter, die Bagage wird jeden Augenblick eintreffen.“

Ha! Seinen schnellen Abgang verbuchte ich unter Erfolg.

Kapitel 66

Die Auswahl konnte man als riesig bezeichnen, eine Jeans und Pulli mit Rollkragen fand ich auch. Die Sachen passten wie angegossen, aber sie gehörten nun einmal nicht mir. Wer weiß, wem sie zuvor gehörten. Bestimmt wurde auch bald mein Kleid darin aufbewahrt. Für alle Fälle, so schätzte ich den Boss ein.

Als ich nach einer geschlagenen Stunde die Halle betrat, lag sie genauso leer wie in der Nacht da. Weder Henry noch Corvin ließen sich sehen, sollte ich die Gelegenheit nutzen und ins Dorf gehen? Dann könnte ich mich umziehen, allein der Gedanke fremde Kleidung zu tragen, die er wahrscheinlich zuvor einem Frauenkörper auszog, widerte mich an.

Gerade wollte ich im Keller verschwinden, da öffnete sich die Eingangstür, „Da bist du ja“, sagte Henry, er runzelte die Stirn, „Wolltest du gerade wieder ins Dorf?“

„Ja! Nein! Ich wusste nicht wohin“, sagte ich schließlich.

„Hinaus in den Hof“, schüttelte der Blonde den Kopf, „Da gibt es genug Arbeit.“

„Warum im Hof?“, wollte ich wissen.

Er senkte die Stimme, „Weil dort die Trauung von Vlad und Muse stattfinden wird. Aber verrate mich nicht, so wollte es unser Oberhaupt.“

„Was für ein Quatsch! Ich soll doch helfen oder?“

Henry hob die Hände, „Frag mich nicht! Er ist sowieso seltsam drauf“, verdrehte er die Augen, „Geh ruhig schon mal vor, ich hole nur etwas. Bin gleich wieder da.“

Eine weitere Chance mir den Boss vom Halse zu schaffen, dachte ich, tief einatmend, ein Lächeln ins Gesicht zaubernd den Hof betretend. Was ich sah, ließ mich kurz innehalten. Mit nacktem Oberkörper, hochgekrempelten Hosen und barfuß, schwang er gerade einen Vorschlaghammer.

Ehrlich das Bild, wie er da kraftstrotzend hantierte, ließ meinen Blutdruck anschnellen. Ich nahm es mit Humor, da musst du ihm noch nicht einmal das geile Weib vorspielen, pirschte ich mich leise heran.

Er musste mich bemerkt haben, kaum einen halben Meter vor ihm ließ er den Hammer fallen, wandte sich um und zog mich an sich, „Na wen haben wir denn da?“, küsste er mich ausgiebig.

„Was hat mich verraten?“, fragte ich atemlos nach.

„Dein Duft!“, bekam ich ein Küsschen auf die Nasenspitze, „Henry verriet dir also was wir vorhaben“, behauptete er, was ich nicht abstritt, „Diese Tratschtante, was hältst du von der Idee?“

„Der Hof ist sehr karg.“

„Es wird, du musst nur deine Fantasie spielen lassen. Stell dir Blumen vor, da und da, die Leitern werden durch Wendeltreppen ersetzt, auf den Geländern kommt Grün mit weißen Schleifen, ebenso auf den Wehrgang. Das Museum musst du dir ansehen, es ist ein richtig großer Raum geworden“, schleppte er mich dorthin.

Ein leerer Raum! „Der Fußboden ist schön“, konnte ich den Fließen ein Lob abringen“, wieder umarmte er mich, nun zeigte er leider keinerlei Anzeichen von Überdruss, dachte ich deprämiert.

„Hier kann getanzt oder das Essen aufgetischt werden, mal sehen. Auf jeden Fall bringen Matt und Till eine Anlage aus Bukarest mit“, meinte er begeistert, als er mich anschaute, schüttelte er den Kopf. „Weißt du was, mein Schatz, du besitzt keinerlei Fantasie“, jetzt nannte er mich auch noch Schatz!

Sollte es schwieriger werden, ihn loszuwerden? Soviel ich wusste hielt er es nie lange bei einer Frau aus, oder es sind die letzten netten Worte, die er aufbrachte, hoffte ich, mich an ihn schmiegend, „Henry!“, warnte er mich zurücktretend.

„Und was sagt Sarah zu unserer Idee?“, fragte Henry mit einer Spitzhacke bewaffnet.

„Der Fußboden ist schön!“, bemerkte Corvin trocken.

„Mehr als ich von Sarah erwartet habe“, meinte Henry, „Marsé rief gerade an, sie sind in ungefähr einer halben Stunde da. Vlad und Muse haben sie in Cugir abgesetzt, sie waren keineswegs begeistert, Eric und seine Frau beschäftigen die Beiden in den nächsten Tagen.“

„Gut, dann hat dieser Plan schon einmal funktioniert. Auf zum Nächsten, wann werden die Bäume geliefert?“

„Wirklich Bäume?“, zweifelte ich ihr Vorhaben an, welche Bäume sollten denn in diesem felsigen Boden gedeihen?

„Sie sind in Töpfen und irgendwie geschnitten … was weiß ich, Alia hat sich darum gekümmert, wir müssen uns nur an ihren Plan halten.“

„Alia!“, beruhigte ich mich, sie wusste, was sie tat, „Warum dann die Löcher?“, wollte ich wissen.

„Masten für Sonnensegel! Meine Idee“, warf sich Henry in die Brust.

„Ja und deshalb darfst du die Löcher buddeln!“, wies Corvin auf die Einfahrt, in der gerade ein Lastwagen einfuhr.

Corvin verschlug es die Sprache, nachdem er erfuhr, dass zwei weitere Ladungen folgen würden, „Was hat sie sich dabei gedacht? Vor lauter Grünzeug werden die Gäste keinen Platz mehr haben.“

„Warte erst einmal, bis die Stühle, Dekoration und all die Kleinigkeiten ankommen“, witzelte Henry, der Loch, Loch sein ließ.

„Bestellt ist bestellt!“, sagte der Fahrer, der wahrscheinlich befürchtete seine Ladung mitnehmen zu müssen.

„Dann wollen wir mal“, krempelte ich die Ärmel hoch.

„Nicht so schnell, junge Dame!“, sprang der Fahrer auf die Ladeklappe, „Ich lade ab, sie zeigen mir wohin damit!“

„Aber wir können doch helfen!“, entgegnete ich.

„Oh nein, ich bin für die Ladung verantwortlich, solange sie auf meinen Wagen ist. Solch eine Situation erlebte ich schon, nachher behauptete man es es sei meine Schuld, weil etwas in die Brüche ging. Nicht noch mal!“

„Ich grabe meine Löcher“, warf Henry uns bemitleidenswerte Blicke zu. Während ich unnütz zuschaute, wie der Fahrer ablud, gruben Corvin und Henry die Löcher. Motorengeräusch kündigte die Freunde an.

Kaum angekommen rissen Marsé und Rosmerta die Planung an sich. Zwar protestierte Corvin, doch ohne Erfolg. Er wurde von seiner Mutter einfach zum Helfer degradiert, so verfuhr sie mit jedem Vampir, deren sie habhaft wurde.

„Was heißt hier, die Kübel einfach aufstellen?“, fragte sie die Hände in die Hüften gestemmt, „zuerst wird der Hof gereinigt, und zwar von Dreck und Unkraut!“, wies sie uns an Wasserschläuche, Besen und Schrubber zu besorgen. „Vergesst den Wehrgang nicht!“, drohte Rosmerta ihren Stock in der Hand.

Wir fragten uns, woher dieser so plötzlich herkam, nach unserem Wissen betrat sie das Gebäude nicht. „Wer weiß“, unkte Till, „vielleicht lag er in ihrem Schlachtwagen.“

Die kurze Unterhaltung verschaffte uns einen Verweis, eben von dem gefürchteten Holz. Unterhaltungen seien untersagt, wurde uns mitgeteilt. So ging es den restlichen Tag.

Mit einer Ausnahme, die noch nicht einmal unsere gestrengen Gebieterinnen Einhalt gebieten konnten. Hendrik und Merkur mit je einem Wasserschlauch bewaffnet, arbeiteten zunächst konzentriert.

Wer anfing, was die Ursache war konnte niemand im Nachhinein sagen, es spielte auch keine Rolle. Jedenfalls kam es zu einer Wasserschlacht enormen Ausmaßes, die keiner trocken überstand.

Dabei erwies sich Rosmerta als die Schlimmste von allen, zunächst tobte sie, man solle aufhören, als sie dann den vollen Strahl abbekam, kannte sie keine Gnade mehr. Innerhalb von Sekunden hielt sie den Schlauch in der Hand, „So ihr meint mich duschen zu müssen?“, krächzte sie lauthals, ihr erstes Opfer hieß Diederich, der lediglich laut lachend am Rande stand.

Ein Kampf um die Vorherrschaft der Wasserschläuche begann, dabei wurde so manche Beule verursacht. Kahlaf in seinem langen triefenden Gewand, welches er sich kurzerhand um die Beine band, Marsé, dessen Haarknoten sich halb löste, Isabel, die ihr Baby schnell in Sicherheit brachte, dann natürlich die Herren der Schöpfung, die ihre Muskeln spielen ließen, um an eine der Wasserquellen heranzukommen.

Bis der Strahl plötzlich versiegte, perplex und enttäuscht hielten wir nach dem Urheber Ausschau. Der ließ nicht lange auf sich warten, Ross der mit geballten Fäusten aus der Halle trat, „Schluss jetzt!“, ertönte seine Stimme wie ein Gewittergrollen, der einen bis ins Mark erschütterte, „Ab an die Arbeit!“, befahl er, niemand wagte ihn zu widersprechen.

„Woher kommt er denn so plötzlich?“, fragte Till leise, einen Besen aufhebend.

„Ich weiß es auch nicht, er bat mich um einige freie Tage, die habe ich ihm gewährt“, antwortete Corvin unseren Ahnherrn einen düsteren Blick zuwerfend.

Till grinste, „Du also auch! Man ich bin wirklich froh, dass er diese Macht sonst für sich behält.“

„Trotzdem ist es interessant zu wissen, dass er sie jederzeit einsetzen kann. Während der Kämpfe wendete er sie gegen Alischas Leute ein, da bekamen wir davon nichts mit. Sarah setzte er seine Macht ein, während ihr unterwegs ward?“

„Nein!“

„Hm“, ließ er Ross nicht aus den Augen. Er schaute sich um, als er Henry erspähte, sah dieser auf, kurz darauf sprachen sie miteinander. „Vollkommen aufeinander abgestimmt! Das sind sie!“, sagte Till bewundernd, „Bis wir soweit sind, vergehen noch Jahrhunderte.“

„Meinst du es liegt am Alter? Ich vermute eher es gehört zu Corvins besonderer Gabe. Weißt du noch, wie du sagtest, er könne unsere Gedanken verfolgen, obwohl eine Barriere besteht?“

„Und ob!“, nickte Till, „Zum Glück musst du dir dahin gehend keine Sorgen machen, denn weder deine, Vlads und Livios kann er ausspähen. Ross ist sowieso ein ganz anderes Kaliber, selbst Rosmerta kuscht vor ihm.“

„Nein?“, wollte ich mehr wissen.

„Naja ich hab mitbekommen, wie er sie tadelte, sie hörte sich richtig kleinlaut an.“

„Warum?“

„Woher soll ich das wissen! Ross entdeckte mich, ich war nur zufällig da, hörte einige Worte und schon schickte Ross mich fort.“

„Was meinst du, was Corvin durch den Kopf geht?“

„Wirklich Sarah, du kannst Fragen stellen! Überlege doch mal, bald geht es nach Granada. Wer könnte die Ordnung besser im Griff bekommen als er?“, deutete er auf Ross, der wieder ganz in seiner bescheidenen Rolle, Unkraut zupfte.

Rosmertas drohender Ruf ließ mich weiterarbeiten, wohin Corvin und Henry verschwanden wusste ich nicht. Der Tag verging schnell, Blumen, Gestecke, Gebinde dazu Tische, Stühle sowie Tischdecken und Hussen wurden angeliefert.

Endlich schienen Marsé und Rosmerta mit den Fortschritten zufrieden zu sein. Das konnten sie auch, der Hof glänzte regelrecht, die Masten für die Sonnensegel standen, was zu keineswegs Henrys Verdiensten gehörte. Die morschen Leitern wurden entsorgt, alles zusammen konnte ich mir langsam ein Bild von einem geschmückten Hof machen.

Hendrik saß total verschwitzt auf der Treppe, nachdem unsere strengen Gebieter uns aus ihrem Joch entließen. „Wenn ich hier eines Tages die Verantwortung habe, wird der Hof regelmäßig gereinigt“, blickte er voller Stolz über die sauberen Flächen.

Gerade schaffte ich es noch mir auf die Zunge zu beißen, denn bald musste er diesen Job antreten. Die Frage lautete nur, inwieweit ihn der Boss freie Hand gewährte.

Zwar leitete Hendrik bereits das Hotel eigenverantwortlich, während wir in Granada schmorten, was eigentlich nichts hieß, denn es gab keine Gäste. Wie auch immer, ich glaubte an Hendrik, er würde es schaffen.

„Und was machen wir mit der restlichen Nacht?“, fragte Till sich neben Hendrik setzend.

Dieser grinste erschöpft, „Woher nimmst du nur die Kraft? Ich für meinen Teil lege mich aufs Ohr. Was ist mit euch?“, schaute er mich, Matt und Prya an.

Prya gähnte ungeniert, „Schlafen“, sagte sie, Matt meinte, es sei ihm egal und Rosmerta antwortete für mich, „Sarah wird sich ebenfalls schlafen legen. Sie darf sich noch nicht überanstrengen.“

Tatsächlich? Dabei scheuchte sie mich die letzten Stunden wie einen bissigen Hund hin und her. „Und ihr solltet euch auch hinlegen, morgen wartet nochmals Arbeit auf uns. Wir wollen doch übermorgen nicht wie alte Wracks aussehen, oder?“

Trotz ihrer strengen Worte blieben wir noch eine Weile sitzen, sprachen über Alia´s und Peers Hochzeit, über die bevorstehende Trauung und was für Gesichter das Brautpaar ziehen würden, wenn sie unsere Bemühungen sahen.

„Ich wette Muse bricht in Tränen aus!“, meinte Matt.

„Da halte ich dagegen, Muse ist aus härterem Holz geschnitzt!“, antwortete Till. Hendrik schloss sich ihm an und Prya, wen wunderst hielt zu Matt. „Was ist mit dir, Sarah?“

Ich hob die Hände, „Haltet mich da heraus! Euren Wetten kann ich nichts abgewinnen“, stand ich auf, „und ich werde mich jetzt verziehen, bevor eine alte Krähe mich schmerzhaft erinnert“, rieb ich mir den Hinterkopf.

Die Halle lag verlassen da, zwar warf ich einen Blick auf den Eingang zum Gästetrakt, weil ich befürchtete und hoffte zugleich dort jemanden stehen zu sehen.

Vielleicht ist es vorbei, dachte ich, die Traurigkeit die darauf folgte, verbannte ich resolut. Es fiel dir viel zu leicht die zärtliche, hingebungsvolle Frau zu spielen, warnte ich mich selbst.

Nach der Trauung verschwinde lieber, irgendwo wirst du schon einen Job finden. Ansonsten konnte ich ja Kahlafs und Merkurs Angebot annehmen. Mal etwas ganz Neues, ein Harem, fand ich die Vorstellung lächerlich, ging ich die Stufen zum Keller hinab.

„Sarah?“, wurde ich gerufen, es war Matt, der in der halb geöffneten Tür stand, „Eine Minute“, bat er zurücktretend, sein ernster Gesichtsausdruck beunruhigte mich.

„Was ist los?“, fragte ich auch sogleich.

„Ich möchte mich bei dir entschuldigen, eigentlich hätte ich schon vorher mit dir reden sollen. Aber bei all dem Trubel auf der Hochzeit kam ich nicht dazu!“

„Bei mir? Wieso?“

„Naja, meine angebliche Verliebtheit …“

„Ach so!“, musste ich grinsen, „Noch kann ich eins und eins zusammenzählen, Matt. Du wolltest einfach den strengen Vater von dir ablenken. Glaub mir, ich verstehe dich vollkommen.“

„Wirklich? Du bist mir nicht böse?“

„Wirklich nicht! Im Gegenteil ich bin heilfroh und erleichtert“, versicherte ich ihm.

„Ich auch!“, lächelte er befreit, er wünschte mir nochmals einen schönen Abend und ich ging wieder in den Keller.

Im Gewölbe war es ungewöhnlich dunkel, was kein Problem darstellte, da ich genug sah und den Weg inzwischen gut kannte. Stimmen drangen an mein Ohr, horchend blieb ich stehen.

Eindeutig, Henry und Corvin! Bevor ich mich davon schleichen konnte, bemerkte mich Henry, der mich zu sich rief. „Ist was Besonderes?“, wollte ich wissen.

„Eigentlich wollte ich wissen, was heute Nacht noch anliegt“, kam er näher, gefolgt vom Boss.

„Für mich nichts mehr, auf Rosmertas Befehl muss ich schlafen und ehrlich gesagt bin ich geschafft.“

„Ach so“, sagte er enttäuscht.

„Ich glaube Matt und Till suchen noch einige Mitstreiter für die Nacht, sie sitzen draußen auf der Treppe“, winkte ich ihm und Corvin zu.

„Dann schlafe schön!“, wünschte Henry mir eine gute Nacht, „Wir müssen einen Elektriker auftreiben, Corvin“, hörte ich Henry sagen. Was der Boss antwortete, darauf achtete ich nicht, allein sein Anblick ließ mein Verlangen ansteigen, ging ich zügig weiter.

Warum musste ich ihm auch gerade jetzt begegnen? Ein Blick genügte, um mich zu überzeugen, dass er sich umgezogen hatte. Gepflegt wie eh und je und du siehst wie eine alte Pottsau aus!

Lief ich schimpfend weiter, im Dorf begegnete ich Isabel, die gerade auf mein Haus zumarschierte. „Oh hallo Sarah, ich dachte du nächtigst im Hotel.“

„Warum sollte ich?“

„Naja, es ist eher mein Wunsch. Sicher benötigst du jetzt Gerlinde?“

Gerlinde musste ich mal wieder überlegen, welche der Frauen es war. Die Resolute viel mir ein. „Nein?“, fragte ich mich, weshalb Isabel es annahm, „Die drei Frauen können sich ihre Zeit einteilen, wie sie möchten“, informierte ich sie, „schließlich sind sie freie Menschen“, hatte ich das Gefühl es zu erwähnen.

„Habe ich mir schon gedacht“, nickte Isabel, „Du solltest ihnen es mal sagen!“

„Ich weiß gar nicht, wie oft ich es ihnen schon gesagt habe. Sie werden dann ganz weiß um ihre Nasen und denken sie müssen nun ausziehen.“

„Demnach können sie doch Arbeit annehmen …“

Mir fehlte die Geduld, um Isabels für mich seltsamen Andeutungen, anzuhören, deshalb forderte ich sie auf, zu sagen, was sie wollte. „Es geht um meinen Kleinen, Gerlinde kümmerte sich in den letzten Tagen um ihn.“

„Isabel!“, ließ ich sie meine Ungeduld spüren.

Sie pustete die Wangen auf, „Ich möchte sie als Kindermädchen“, kam sie endlich auf den Punkt.

„Dann frage sie!“

„Schon getan, sie lehnte ab, weil du ihre Herrin seist.“

„Was für ein Unsinn! Komm mit, wir regeln das sofort“, marschierte ich auf mein Haus zu und stockte mitten in der Bewegung, als ich es sah, „Was …?“, weder ein gedecktes Dach noch Fenster oder Tür zierten mein Haus.

„Du wusstest es nicht?“, sagte Isabel.

„Aber … was … warum …?“, überschlugen sich die Fragen in meinem Hirn.

„Laut Gerlinde wurde ein Umbau beauftragt. Die Frauen wohnen jetzt im Anbau, dieser wurde als Erstes fertiggestellt.“

„Wieso im Anbau, dort wohnt doch Ross?“, kapierte ich gar nichts mehr.

„Nicht mehr! Er möchte doch auf Reisen gehen, sich die Welt anschauen.“

„Die kennt er seit Jahrtausenden!“, fuhr ich Isabel unwillig an, dabei wurde mir bewusst, an wem ich meine Laune ausließ, „Entschuldige! Wer beauftragte denn das hier?“, wies ich auf mein zerstückeltes Heim.

„Keine Ahnung, ich weiß nur, was Gerlinde mir sagte“, nahm sie mir meinen Ausbruch nicht übel.

Auch Gerlinde konnte mir keine Einzelheiten nennen. Sie erzählte, am Morgen unserer Abreise nach Bukarest, kamen Arbeiter, die ihnen Pläne unter die Nasen hielten und fragten, ob sie Änderungen wünschten. Was sie verneinten, daraufhin wurde der Anbau umgestaltet.

Erst heute Mittag bezogen sie ihr neues Heim, die Arbeiter fingen dann gleich mit dem Haus an. Deshalb mussten sie sich beeilen ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen.

„Was ist mit meinen Sachen?“, befürchtete ich das Schlimmste.

Gerlinde lachte, „Die wurden vor dem Umbau abgeholt.“

„Aber wer gab denn den Auftrag dafür?“, rätselte ich laut.

„Ich denke dein Vater“, meinte Isabel, „Als wir unser Haus renovierten half Vlad uns gelegentlich, er erwähnte dein Haus, habe es auch nötig. Vielleicht nahm er die Gelegenheit wahr …“

Brüsk unterbrach ich sie, „Ohne mir ein Wort zu gönnen!“, knurrte ich aufgebracht. Das alte Lied, er beschloss und ich sollte damit leben. Nie! Niemals würde er sich ändern! Muse hin oder her, er entschied! Konnte ich mich kaum beruhigen.

„Sarah er meinte es sicherlich nur gut!“

„Das ist es ja, er meint es immer gut!“, schlug ich die Hände über den Kopf zusammen, „Aber werde ich gefragt? Werden meine Wünsche berücksichtigt? Oh nein! Mein Vater entscheidet für mich, sei es heimlich oder was auch immer!“

Erst die betroffenen Gesichter von Gerlinde und Isabel brachten mich zurück auf den Boden. „Entschuldigt!“, bat ich das zweite Mal um Verzeihung, „Gerlinde“, versuchte ich einen klaren Kopf zu bekommen und schlug einen ruhigeren Tonfall an, „kannst du mir sagen, wohin meine Sachen gebracht wurden?“

Sie wusste es zur Festung. Fragt sich nur wo auf der Festung, bedankte ich mich bei Gerlinde und Isabel. Bevor ich ihnen jedoch den Rücken kehrte, sagte ich Gerlinde sie könne ruhig den Job bei Isabel annehmen, wenn sie es wünschte. Dabei erwähnte ich nochmals ihren freien Status, was sie wie gewohnt erschreckte.

„Siehst du“, sagte ich zu Isabel, „Wenn du es versuchen willst, bitte!“

Vater! Murrte ich den gesamten Weg. Irgendwen musste er sich anvertraut haben. Alia! Falls ja, dann wäre das Problem gelöst, in ihren Räumen wusste ich sofort, wo ich meine Sachen fand.

Mein begeisterter Zustand endete jäh, als mir einfiel, ihre Räume wurden nun anderweitig genutzt. Sollte Vater meine Freundin eingeweiht haben, dann wäre ihr etwas eingefallen. Nur musste ich darauf kommen.

Stirnrunzelnd betrat ich die Halle. Was jetzt?

„Immer noch nicht im Bett?“, stand Corvin hinter der Rezeption, ein anzügliches Grinsen um die Mundwinkel.

Natürlich! Wer sonst! Wem vertraute sich Vater an? Corvin und Henry! „Du wusstest es!“, bezichtigte ich ihn.

„Was denn?“, tat er unschuldig.

„Mein Haus! Oder was davon übrig geblieben ist! Vater weihte dich ein!“

„Demnach suchst du eine Unterkunft!“, ging er auf meine Anschuldigungen nicht weiter ein, „Du kannst die Nacht bei mir verbringen“, schmeichelte er.

Viel zu sauer vergaß ich meinen Plan. „Von wegen! Wo sind meine Klamotten?“

„Du lehnst mein großzügiges Angebot ab?“, zog er ein bekümmertes Gesicht, „Du wirst kein Besseres finden, es ist all inclusive!“

„Natürlich was sonst!“, sagte ich bissig, „Meine Sachen, wo sind sie und hör auf den Verführer zu spielen, davon habe ich die Nase voll.“

„Oh, die Dame zeigt ihr wahres Gesicht! Vorbei sind die Tage der anschmiegsamen, liebevollen Frau, ach was sage ich die kurzen Stunden“, meinte er mit leidvoller Miene, „Soll ich mich jetzt fürchten?“

„Corvin!“

„Sarah!“

Wir stierten uns an, schließlich seufzte Corvin, „Der Klügere gibt nach!“, hielt er einen Schlüssel in der Hand, „Speziell für dich reserviert!“

Ohne ein Wort ergriff ich den Schlüssel, „Soll ich die Dame in ihr Zimmer geleiten? Dies Hotel ist bekannt für seine umfassende Betreuung alleinreisender Frauen.“

„Das glaube ich dir aufs Wort!“, musste ich antworten. Ein Fehler denn ich sofort bereute, denn schwang sich über die Theke hinweg, „Höre ich da gewisse Zweifel?“

„Ganz und gar nicht, du solltest Zweifel keineswegs mit Verachtung verwechseln.“

„Oh! Jetzt werde ich verachtet! Woher dieser Sinneswandel, mein Liebes? Gestern buhltest du geradezu nach meiner Aufmerksamkeit. Was ist geschehen?“

„Nichts!“, hielt ich auf den Gästetrakt zu, er folgte mir und überholte mich, um mir die Tür aufzuhalten. „Danke!“, stiefelte ich an ihm vorbei.

„Soll ich wirklich nicht mitkommen?“, fragte er nochmals.

„Nein!“, die Tür hinter mir schlug zu. Erleichtert atmete ich auf, welche Zimmernummer, schaute ich auf den Schlüssel. Auch das noch, in der dritten Etage, der Verdacht das er mir mit Absicht dort ein Zimmer gab, lag sehr Nahe.

Eigentlich sollte ich mich nicht wundern, schließlich kam ich ihm gestern mehr als nur entgegen. Dieser Plan gehörte zu meinen schlechtesten Ideen, nach seinen Worten zu urteilen, durchschaute er mich an Anfang an.

Macht nichts ein Versuch war es wert. Jetzt wusste er wenigstens, wie Ernst ich die Sache nahm. Rege dich nicht auf, übermorgen um diese Zeit bist du weit weg.

Typisch dachte ich, gleich neben seinen Zimmer! Verriegelte ich die Tür, zwar wusste ich, solche Kleinigkeiten hielten ihn keineswegs auf, doch er sollte den Wink verstehen.

Falls er wirklich hier eindrang, wollte ich die gesamte Festung zusammenschreien. Es mussten noch mehr Zimmer auf dieser Etage belegt sein.

Als ich aus dem Bad kam, saß er auf meinem Bett, „Was willst du hier?“, hielt ich das Handtuch fest.

Er zuckte die Achseln, „Ich vermisse die allabendlichen Zusammenkünfte, deshalb wollte ich dich fragen, ob du mit mir essen gehst.“

„Frag deine Freunde!“

„Ich frage dich! Nun komm schon, ein Essen. Es ist nichts dabei, ganz ohne Hintergedanken. Ich gebe dir mein Wort, das ich dich in keiner Art und Weise bedränge und nichts fordere, außer vielleicht ein bisschen gute Laune. Außerdem müssen wir über Prya und Matt reden. Er drängt auf ein Gespräch und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll. Ich kenne ihn so lange und er macht mit meiner Tochter …, allein der Gedanke ist unerträglich. Ich darf gar nicht darüber nachdenken.“

Das gab den Ausschlag, „Na gut! Gib mir ein paar Minuten!“, ging ich zum Kleiderschrank. Er blieb sitzen, ich sah ihn an, er mich, „Corvin!“

„Ja?“

„Dort ist die Tür!“

Mit großen Augen fragte er, „Ist das dein Ernst?“

„Gewiss!“

Er lachte, „Ein guter Scherz, beinahe wäre ich darauf reingefallen.“

„Kein Scherz! Und merke es dir für die Zukunft!“

„Himmel Sarah, ich kenne jeden Zentimeter deines Körpers und nun willst du tatsächlich diese Posse fortsetzen?“

„Ja!“, atmete ich tief ein. Irgendwie musste ich ihm begreiflich machen, was ich wollte, ohne zu verraten, was ich für ihn empfand. „Hör zu Corvin, wir müssen miteinander auskommen, da ist Prya, mein Vater, unsere gemeinsamen Freunde. Du heiratest bald, deine Frau wird all diese Personen kennenlernen und ich möchte nicht als Aussätzige ausgeschlossen werden. Verstehst du?“

„Nein!“

„Dann sieh es einmal so, was würde deine Zukünftige sagen, wenn sie erfährt was gestern Nacht geschah?“

„Ah ich verstehe, du befürchtest, sie könnte etwas erfahren. Da musst du dir keine Sorge machen, ich kann meinen Mund halten.“

„Was ich niemals bezweifeln würde! Aber ich muss deiner Frau irgendwann in die Augen sehen und das möchte ich keineswegs mit schlechtem Gewissen.“

„Noch bin ich nicht verheiratet!“

„Es ist deine verkorkste Logik! Ich habe eine andere Meinung dazu, in meinen Augen betrügen wir deine Frau. So sehe ich es! Deshalb wirst du mich als Mutter unserer gemeinsamen Tochter behandeln.“

Seufzend stand er auf, „Was mir sehr schwer fallen wird.“

„Dann behalte deine Hormone unter Kontrolle!“

„Wieso Hormone, ich meine, ich sehe dich als Freund. Ich kann mit dir über vieles reden, zusätzlich schätze ich deine Intelligenz, deine Ehrlichkeit, überhaupt dein gesamtes Wesen. Hendrik erkannte es sofort, dafür beneide ich ihn so manches Mal, ihr habt eine besondere Beziehung und davon will ich auch einen Teil.“

„Jetzt hörst du dich wie ein kleines Kind an. Freundschaft kann man nicht einfordern, vielleicht eines Tages, im Moment möchte ich einfach nur vor dir flüchten.“ Oh Gott was sagte ich denn da? Hörte ich mich etwa kläglich an?

„Nur weil wir in sexueller Hinsicht harmonieren? Es ist selten, du solltest froh darüber sein, ich bin es jedenfalls. Es ist ein Geschenk einen Partner zu finden, der auf der gleichen Wellenlänge schwimmt.“

Lachend erwiderte ich, „Der Vergleich hinkt, denn du bist ein Tsunami …“

„Du auch, jedenfalls für mich!“, behauptete er, was ich vehement abstritt.

„Ja, ja“, winkte Corvin ab, „Ich verstehe schon, wie du die Rollen verteilst. Ich der Besessene, der dich mit seinen Trieben verfolgt, während du ganz unschuldig deine Position verteidigst. Aber so ist es nicht! Unentwegt lockst du, ein Blick, ein Lächeln, du sendest Signale, Sarah. Gerade jetzt, da du so aufreizend vor mir stehst, deine Augen werden mit jeder Sekunde dunkler, du beißt dir auffordernd auf die Lippen, deine Gestik sagt komm nimm mich, jede Faser deines Körpers ist erregt.“

„Das stimmt doch gar nicht! Du interpretierst alles auf ein Minimum!“

Nun lachte er, „Horch in dich hinein, sage mir, was du fühlst“, forderte er.

„Langsam werde ich wütend“, entgegnete ich spitz.

„Grabe tiefer! Du bist es mir schuldig … uns!“, setzte er hinzu.

„Quatsch! Du bildest dir etwas ein, was gar nicht vorhanden ist. Ich behandle dich nicht anders als Henry und er ist mir noch niemals …“

„Ausreden! Sei ehrlich, ergründe dein Innerstes. Deine Wut ist oberflächlich, aber was steckt, darunter? Willst du es denn nicht wissen?“, meine verstockte Miene, genügte ihm als Antwort. „Nein! Wie feige, Sarah! Dann sage ich dir, was ich sehe, was ich weiß …“

„Hör auf! Du suchst nur nach Ausreden, du nutzt meine …“, ich brach ab, beinahe, beinahe hätte ich mich verraten, wurde mir bewusst.

„Was? Was nutze ich?“, schaute er mich fragend, nahezu drängend an.

„Nichts schon gut“, wandte ich mich ab, „Geh!“

„Du willst nicht mehr mit mit Essen gehen, verstehe. Warum frage ich mich, nur weil ich dir die Wahrheit vor Augen halte? Na gut, ich gehe. Eines möchte ich dir sagen, Sarah. Egal wie sehr du mich auch beschuldigen magst, es lag nicht nur an mir. Ich überwand nur deine nach außen hin getragene Barriere. Denk darüber nach und sei kein Feigling. Falls du mit mir reden möchtest, ich bin nebenan.“

Kraftlos ließ ich mich an Ort und Stelle fallen. Geschockt, was ich fast sagte. Betroffen über seine Worte.

Wut wollte ich heraufbeschwören, die mich im Stich ließ. Laut verfluchte ich Corvin, sei kein Feigling, diese Worte hallten nach. Noch niemals handelte ich aus Feigheit!

Ja, ich wollte seine These überprüfen, damit ich ihm sagen konnte, welch ein eingebildeter Fatzke er war. Ha ich und ihn sexuell reizen! Dass ich nicht lache! Selbst diese Worte versiegten, klangen schal.

„Du verdammter Vampir!“, schrie ich aus Leibeskräften, hoffend das er mich hörte.

Was dann? Fragte ich mich, was erhoffst du dir?

Die Frage beantwortete sich von selbst, er sollte hier hereinstürmen, toben, schimpfen, um mich dann schlussendlich in die Arme zu nehmen.

„Nein, nein!“, schüttelte ich heftig den Kopf, doch der Gedanke saß fest. „Was tust du mir nur an, Corvin Sardovan? Willst du das ich vor dir krieche? Willst du das ich mich erniedrige und gestehe?“

Genau, das wollte er! Wieso sonst sein Gequatsche, ich würde Signale aussenden! Sicher benötigte er diese drei Worte um sein Ego aufzupolieren!

Wieder ließ mich die Wut im Stich! Sei ehrlich und kein Feigling, dröhnte es stattdessen. „Ich will aber nicht!“, schlug ich wild auf den Boden ein.

„Ich will aber nicht!“, krächzte ich erschöpft, „Ich will es einfach nicht“, schluchzte ich schließlich.

Ein Wort flammte auf. Warum?

Seelisch am Ende blieb nur ein warum. Ich fühlte mich einsam, verletzlich, hoffnungslos und lachte bitter auf. „Nach all der Mühe, bekommst du mich doch!“, spürte ich die helle Wand meines Wahnsinns und des Schmerzes drohend auf mich zukommen.

„Nach all den Jahren des Kampfes willst du mich wieder in die Hölle holen“, wollte ich mich schon ergeben. „Sei ehrlich und kein Feigling!“, hörte ich wie aus weiter Ferne Corvins Stimme.

„Ich bin ehrlich, kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Selbst jetzt nicht, da der Wahnsinn mich einholt. Ihr solltet mich lieber ins Gewölbe sperren“, lachte ich irre auf, „Denn dort gehöre ich hin.“

„Sei ehrlich, Sarah! Wie kann eine Wand aus Liebe die Hölle sein? Du wandelst daran entlang, schon seit Jahren ohne einzutreten. Du trägst deine Angst vor Gefühlen wie ein Schutzschild vor dir her. Der Schmerz, den du empfindest, ist dein Schmerz, lege ihn endlich ab, Sarah.“

„Nein! Ich weiß, was es heißt, was es bedeutet, dort lauert die Einsamkeit, der Schmerz, niemals werde ich nochmals so dumm sein …“

„Die Liebe in dein Herz einzulassen?“, es klang amüsiert, die Wand aus weißen Strahlen lachte über mich.

„Ja“, schrie ich bestimmt.

„Aber du liebst bereits, Sarah. Du liebst deine Tochter, deinen Vater, deine Freunde ...“

„… und Corvin!“, beendete ich schreiend die Schlussfolgerungen der schillernden Wand, wenn dann sollte man wirklich den Tatsachen in die Augen sehen und ich hatte nichts mehr zu verlieren.

„Und Corvin!“, wiederholte sie, „deshalb vertraue und komm zu mir. Alles wird gut, wenn du nur ehrlich bleibst, Sarah.“

„Nein“, weigerte ich mich. Die Fetzen der Wand lichteten sich, einen Moment erhaschte ich einen Blick auf mein Spiegelbild, wie ich dort saß, zusammengekauert wie ein verletztes Tier, Angst in den Augen, die Hände schützend ausgestreckt. Dieses Bild brannte sich in mein Gedächtnis ein.

„Willst du so weiterleben? Denn das bist du, in all den Jahren, in denen du ablehntest die Wahrheit einzugestehen. Frage dein Herz, Sarah, sieh den Tatsachen ins Auge, zeige mir deinen Mut. Vertraue Sarah! Komm zu mir!“

Wie in Trance erhob ich mich, der hypnotisierenden Stimme folgend. Ich sah und sah doch nichts. Bemerkte meine Schritte und doch nicht. Einzig die weiß gleißende Wand zählte, die nun immer näher rückte, bis sie mein Innerstes vollständig ausfüllte.

„Endlich“, sagte sie voller Freude und Erleichterung, „Endlich!“, umarmte sie mich mit einer Sanftheit, die ich niemals für möglich hielt.

Erst als warme Lippen kurz auf den meinen lagen, wurde ich mir meiner Umwelt bewusst. Sah Corvin, sein Zimmer, bemerkte meine Nacktheit. Aber was mich fesselte war seine Miene. Sie strahlte mich an, voller Liebe, keine Spur von Ironie, kein Zug von Sarkasmus, keine harte Linie von Strenge. Nichts dergleichen nur innige Liebe.

„Was?“, wollte ich mich ihm entziehen.

„Oh nein!“, hielt er seine Arme fest um mich geschlossen, „Du wirst dich mir nie mehr entziehen, Sarah. Meine geliebte störrische Frau, endlich konntest du dich überwinden … mir Verzeihen, was ich dir antat.“

„Was redest du da?“, zweifelte ich an seinen Verstand, dabei traute ich meinen Verstand keineswegs über den Weg.

„Die Kurzfassung“, schaute er mich entschuldigend lächelnd an, „Diese weiße Mauer, wie du sie nennst, kam von mir. Die ganzen Jahre über hielt ich sie aufrecht, damit du einen Weg zurück aus dem Wahnsinn findest, der bei der übereilten Wandlung hervorbrach.

Leider ohne Erfolg, dein Gemütszustand blieb gleichbleibend, eines Tages bemerkte ich eines, du wurdest ruhiger, sobald Prya auf der Festung weilte. Ich suchte einen Weg, einen dir bekannten Weg, damit du sie wiedererkennst. So lehrte ich unserer Tochter jenes Lied bei …“

„Frère Jacques!“, wusste ich.

„Genau! Jedenfalls sang Prya dieses Lied immer wieder, eines Tages reagiertest du darauf.“

„Moment, soviel ich weiß wolltest du mein Leben beenden.“

„Ich wollte vor allen Dingen eines, dich retten. Aber dein Vater meinte, die Umgebung schade dir, die Erinnerungen seien Schuld. Im Grunde genommen, ich! Monatelang zog er mit dir durch die Gegend, es trat keine gravierende Besserung ein. Aus diesem Grunde ließ ich Prya erneut in deine Nähe, mit Erfolg, denn als ich dich mit ihr auf dem Arm sah, da stockte mir das Herz. Einerseits befürchtete ich das Schlimmste, du habest ihr etwas ihr etwas angetan.“

Der Angriff, den ich eingeschlossen im Kerker erlebte, wusste ich, wovon er sprach. Die Nachtigall, die Frau die über sie zusammenbrach, von der ich annahm, sie sei ihre Mutter, „Stop! Du wusstest es?“

„Ich wusste immer, wo du bist, was du fühltest. Ja begreifst du es denn nicht? Ich löste niemals unsere Verbindung, selbst nicht, als du mit Pierre liiert warst.“

„Aber warum?“, verstand ich seine Beweggründe nicht.

„Ganz einfach, weil ich dich liebe.“

„Das behauptest du!“

„Und es ist die Wahrheit! Aber jetzt haben wir nicht die Zeit darüber zu diskutieren, kurz gesagt, wartete ich auf den Augenblick, an dem du wieder vollständig hergestellt warst. Es geschah, ganz allmählich, nebenher entwickelte sich eine Antipathie gegen mich. Je näher ich dir kam, desto schlechter stelltest du mich hin. Ich holte mir bei Ross Rat, denn er bekam außer mir dein gesamtes Weltbild mit. So entwickelte wir einen Plan, der dich in die Enge treiben sollte, damit du endlich begreifst, verstehst du.“

„Ihr hab es geplant? Was alles?“

„Wirklich Sarah, ich wünschte, ich könnte dir alles in Ruhe erklären, aber mit jeder Sekunde, die verstreicht, schicken wir auf der Festung unsere Verbindung hinaus. Dies sollte wir momentan unterlassen, aus mehreren Gründen, Vlad und Muse sollten im Blickpunkt stehen. Außerdem befürchte ich, dein überbesorgter Vater bläst die Hochzeit ab, nur damit er dich im Auge behalten kann. Des Weiteren möchte ich keinen Rummel, denn wir als Paar, müssen zueinanderfinden. Dies ist nur möglich, wenn die uns Ruhe und Zeit gönnen.“

Es klopfte leise an der Tür, „Komm rein, Ross!“, sagte Corvin.

„Einigen ist bereits etwas aufgefallen, noch sind die Gedanken träge, lange kann ich diesen Zustand nicht mehr aufrecht halten.“

„Ist gut, danke Ross“, nickte Corvin ihm zu, „Bitte Sarah vertrau mir wie vorhin, alles wird gut, ich liebe dich, aber ich muss nun die Verbindung unterbrechen.“

Noch immer hielt er mich umarmt, doch diesmal fühlte es sich anders an, „Es sind meine rein animalischen Triebe“, grinste Corvin ein wenig unsicher.

„Dann ist es alles wahr? Ich träume nicht, bin nicht verrückt?“, spürte ich überdeutlich die weiße Wand, die sich langsam in den Hintergrund zurückzog, doch diesmal strahlte sie voller Verheißung, jegliche Bedrohung schien getilgt.

„So wahr, wie wir hier stehen“, versicherte er mir.

„Ich habe so viele Fragen. Ich bin total verunsichert, es fehlt mir die Gewissheit, dass du die Wahrheit sagst. Ich weiß nicht was ich denken soll.“

„Ich kann mich nur wiederholen, vertraue mir und ja ich liebe dich. Außerdem hast du mir eines voraus“, sagte er mit bitterer Miene, worauf ich ihn fragend ansah.

„Pierre! Ich werfe dir das Verhältnis nicht vor, aber es wurmt mich. Ich möchte dir die Erinnerung an ihm nehmen, sie tilgen, auslöschen sie ungeschehen machen.“

„Pierre! Einen Vampir wirfst du mir vor? Was ist mit dir? Mit wie vielen Frauen …“

„Nur Alischa im körperlichen Sinne. Gedacht habe ich nur an dich, ansonsten wäre sie über meine Unzulänglichkeit sehr verwundert gewesen und dies machte mir ungeheure Angst. Denn so machthungrig sie auch war, so Brillant war sie auch, sie musste nur eins und eins zusammenzählen, dann wäre dein Leben verwirkt, ich wusste es, deshalb schickte dich Mario durch die Weltgeschichte.“

„Aber du konntest nicht wissen …“

„Dein Urlaub? Deine Neugier auf die Festung? Deine Ernennung zum Leibwächter? Ach Sarah, du weißt gar nicht, welche Schliche und Tücke ich aufwenden musste in all den Jahren. Doch genug davon …“

„Eine Frage noch …“

„… und die Antwort lautet, nein! Weder Selina noch Charly oder Frauke. Ich habe im Zölibat gelebt, wirklich!“, sagte er, als er mein Gesicht sah, „Was meinst du, warum ich solch ein Nachholungsbedürfnis habe? Falls du mir nicht glaubst dann frage Ross, denn er ist genauso misstrauisch wie seine Nachfahren. Erst danach willigte er ein, mir zu helfen.“

„Daher kannte er auch meine Erinnerungen?“

„Zum Teil, ja und zum Teil von der Zeit als er im Anbau …“, ein Klopfen unterbrach ihn, „Ja?“, fragte er diesmal nach.

„Ich bin es, Matt!“, darauf folgte angespanntes Schweigen.

„Rede mit ihm, verlange eine Verlobungszeit, bis Prya ihre Ausbildung beendet hat. Es gibt ihnen Zeit, sich kennenzulernen“, flüsterte ich schnell. Woher ich die Überzeugung nahm es sei die richtige Entscheidung, so mit der verfahrenen Situation umzugehen, wusste ich nicht. Es schien mir die richtige Lösung zu sein, in der Matt und Prya und auch Corvin zufriedenstellend einwilligen würden. Mich aus seinen Armen befreiend, was er verhinderte, „Gut, aber vorher will ich einen Kuss“, es klopfte erneut, „Corvin? Lässt du mich hier draußen stehen?“

„Einen Moment!“, sagte er laut, „Küsse mich, damit ich ihm nicht an die Kehle fahre. Heute kann ich deinen Vater verstehen, glaub mir“, zog er eine bittere Miene, ich küsste ihn, ohne Hintergedanken, ohne Provokation und trotzdem wallte die Leidenschaft mit ungeheurer Wucht hervor.

„Reicht das?“, fragte ich scheu, wissend das er niemals Matt körperlich schaden würde. Er sah an sich herunter, „Mehr als genug, es ist geradezu obszön, was du mit mir anrichtest!“, grinste er.

„Corvin, falls ich ungelegen komme …“

„Nein, bleib nur ich öffne dir sofort“, huschte ich derweil ins Bad und schloss die Tür, die Corvin sofort öffnete und dann anlehnte, „Keine Geheimnisse mehr!“

„Matt entschuldige“, sagte Corvin.

„Falls ich störe, musst du es mir sagen, ich hörte Stimmen.“

„Stimmen? Die musst du dir eingebildet haben.“

„Es ist deine Angelegenheit! Können wir sprechen?“, hörte man Matt seinen Unglauben an.

„Sicher“, antwortete Corvin, er kam dem Armen kein Stück entgegen.

„Wie dir inzwischen bekannt sein dürfte, lieben Prya und ich uns. Hiermit bitte ich dich ganz offiziell um die Hand deiner Tochter.“

„Ängstlich scheinst du nicht zu sein“, antwortete Corvin.

„Warum sollte ich? Wir kennen uns schon lange, solltest du handgreiflich werden kann ich mich verteidigen. Solltest du dich weigern, werden wir ohne deine Zustimmung heiraten. Ich sehe es als Höflichkeitsbesuch an, mehr nicht.“

Nun lachte Corvin unerwartet auf, „Du musst mit Vlad gesprochen haben!“

„Nein, wieso sollte ich, er ist der Großvater. Wieso nimmst du das an?“

„Weil ich ungefähr dieselben Worte nutzte, als ich …, aber es spielt keine Rolle. Ihr liebt euch also. Gut! Meinen Segen habt ihr, ich bitte dich um eines, Matt.“

„Was?“

„Wartet mit der Hochzeit, bis Prya ihre Ausbildung beendet hat. Verlobt euch von mir aus, aber wartet.“

„Dein Anliegen kommt unserer Vorstellung gleich. Wir werden gemeinsam eine Wohnung nehmen und in dieser Hinsicht frage ich dich nicht um Erlaubnis!“

„Damit habe ich gerechnet! Noch eines Matt, ganz unter uns“, wurde sein Ton drohender, „solltest du ihr je wehtun …“

„Ich weiß! Aber glaub mir, vor deiner Drohung habe ich keine Angst, als Erstes, weil ich Prya liebe, wirklich liebe. Weißt du noch, als wir in Granada über die Zeit in Fenils sprachen?“

„Ja?“

„Till meinte, er habe euch beneidet, dich und Sarah. Nicht nur er, auch ich wünschte mir diese uneingeschränkte Liebe. Auch wenn ich weiß, wie es zwischen euch ausgegangen ist, erlebe ich genau dies. Ach übrigens hätte ich an deiner Stelle niemals dieses Abkommen getroffen. Irgendwann steht man vor solch einer Entscheidung, ich werde Prya immer den Vorzug geben. Du hast damals den leichteren Weg eingeschlagen Corvin und die Liebe verraten.“

„Ich weiß! Hinterher ist man immer schlauer.“

„Dann will ich dir noch etwas sagen! Du willst wieder Heiraten, gut es ist deine Entscheidung. Bedenke aber eines, frage dich warum und ob es die richtige Entscheidung ist.“

„Du sprichst in Rätseln außerdem weiß ich nicht, warum es dich etwas angeht, was ich vorhabe!“

„Wirklich nicht? Du versteckst eine Frau in deinem Bad. Du betrügst deine Verlobte vor der Hochzeit! Bist du dir sicher, erneut eine Ehe einzugehen?“

„So sicher wie noch nie!“

„Ich zweifle daran, Corvin. Denn die Liebschaft geht nun ja schon ein paar Tage, nicht wahr. Streite es nicht ab, wir bemerkten dein verändertes Verhalten, sogar Prya sprach mich darauf an.“

„Über was ihr alles redet! Dann sage meiner Tochter, ich habe lange genug in Enthaltsamkeit gelebt, was bin ich ein Eunuch? Verbiete ich ihr etwa … warte einen Moment, ich Rede mich gerade in Rage und das möchte ich nicht.“

Matt lachte unbeirrt auf, „Ich bin beeindruckt, wie gut du dich schlägst, mein Freund.“

„Was bin ich jetzt eigentlich, dein Freund oder dein Schwiegervater?“ Typisch Corvin, er lenkte das Gesprächsthema in eine andere Richtung.

„Belassen wir es bei Freund, falls du mir nicht diese kündigst, was ich insgeheim befürchtete.“

„Ich muss mich mit eurer Beziehung arrangieren, was mir nicht leicht fällt. Solange du Prya gut behandelst ändert sich nichts zwischen uns, sollte es anders kommen kehre ich den rachsüchtigen Schwiegervater heraus.“

„Ach ja, das bringt mich zum zweiten Punkt. Deine Drohung erscheint mir geradezu lachhaft, denn Ambrosius und ich spreche seinen vollen Namen mit Absicht aus, sagte etwas Ähnliches und glaub mir …“

„Ich verstehe dich vollkommen, er ist Furcht einflößend“, senkte Corvin tatsächlich die Stimme.

„Ja“, hauchte Matt.

Während ich mir in die Faust biss vor Lachen, schwiegen die Beiden in ehrfürchtiger Grabesstille. Corvin sprach als Erster, „Wartet ihr bis nach der Trauung mit der Bekanntgabe eurer Verlobung?“

„Auf jeden Fall!“

„Gut! Sonst noch etwas?“

„Du wirfst mich raus! Ist sie es wert, Corvin?“ Ah, Matt ließ sich nicht so einfach beirren, wahrscheinlich kannte er die Taktik des Bosses genau, „Ist sie es wirklich wert, deine zukünftige Frau zu betrügen? Dein Wort zu brechen, welches du deiner Tochter gabst?“

„Sie ist alles Wert, Matt, einfach alles!“

„Jetzt bin ich neugierig! Stelle sie mir vor!“

„Mein lieber Freund, ich kenne meine Tochter und sie wird es aus dir herausquetschen. Nein dies Risiko gehe ich nicht ein und nun gehab dich wohl. Ich will für den Rest der Nacht meine Ruhe haben.“

„Kann ich mir denken, das Zelt in deiner Hose spricht Bände! Aber überlege es dir, denk an deine zukünftige Frau!“

„Es reicht, Matt!“, sagte Corvin streng.

Besorgt lauschte ich, Matt konnte äußerst hartnäckig sein, beließ er es nun dabei? Falls nicht wollte ich aus meinen Versteck hervorkommen, einen Streit zum momentanen Zeitpunkt, konnte die Feier gefährden.

„Na gut! Trotzdem musste ich es dir sagen, Corvin.“

„Ich weiß!“, antwortete dieser versöhnlich.

Wieder trat schweigen ein, ich horchte, „Möchtest du einen eingeschlagenen Kopf?“, drückte der Sprecher leicht die Tür auf.

Ich trat zurück, „Du wolltest tatsächlich vorkommen? Ohne an die Folgen zu denken? Du bist verrückt, mein Schatz, ganz ehrlich absolut verrückt. Dazu einmalig, göttlich und geradezu verführerisch. Du musst dich gut mit mir beschäftigen, ansonsten laufe ich morgen immer noch so herum. Was einigen Damen, die morgen anreisen gefallen wird“, witzelte er.

Sofort keimte Unsicherheit gepaart mit Eifersucht auf, „Wer beehrt dich denn?“

„Uns! Deine besonderen Lieblinge, Selina und Charly!“

Ich sagte nichts, dafür beobachtete er mich sehr genau. „Ah dieses Glitzern in deinen Augen kenne ich, auf unseren Weg habe ich es besonders genossen. Es schenkte mir Hoffnung. Ich sagte mir, sie ist eifersüchtig, da müssen noch Gefühle sein.“

„Die musst du doch gespürt haben, da du die Verbindung nicht trenntest, wie du sagtest.“

„Ross schon! Er meinte, ich verfolge dich schon genug, da sollte ich dir wenigstens deine Gedanken lassen.“

Nun musste ich grinsen, „Es ist gut solch einen Ahnherrn zu haben.“

„Warte, bis er dich zurechtstutzt, dann denkst du anders!“, beschäftigte er sich auffällig mit meinen Rücken, was mir wiederum sehr gefiel. An ihn geschmiegt, fragte ich nach, was er dort treibe. „Worauf ich viel zu lange gewartet habe“, verschloss er mir den Mund.

In dieser Nacht erlebte ich einen anderen Corvin, einen der laut von der Zukunft sprach, unserer Zukunft! Einen der Pläne schmiedete, in dem ich ein fester Bestandteil war. Wir lachten gemeinsam, liebten uns und träumten und ließen unserer Fantasie ihren freien Lauf.

Als der Morgen hereinbrach, holte uns die Realität nur zu schnell ein. „Ich sollte in mein Zimmer gehen“, stieg ich unwillig aus dem Bett.

Er zog mich zurück, „Noch eine Minute“, was ich mir gern gefallen ließ, als seine Lippen die meinen berührten. Ein Kuss, ein Kuss von nicht endenwollender Zärtlichkeit, der jäh von einem harten Klopfen und Rufen beendet wurde, „Verdammt Corvin, ich komme jetzt rein!“, Corvin sprintete aus dem Bett, ich hinter ihm her ins Bad flüchtend, gerade rechtzeitig denn die Eingangstür flog krachend auf.

„Dann ist es wahr! Du hältst dir hier ein Weib“, klagte Henry seinen Freund an, „ist dir denn rein gar nichts heilig?“

„Beruhige dich …“

„Ich! Ich soll mich beruhigen? Das solltest du mal, du bist derjenige, der mit den Zähnen fletscht.“

„In Anbetracht der Lage, kein Wunder“, sah er irgendeinen Grund zu lachen, „Was führt dich her, mein Lieber?“, klang Corvins Stimme amüsiert.

„Oh nein! Mich lullst du nicht ein, mich nicht!“, lauter fuhr unser aufgebrachter Freund fort, „Meine Dame, was auch immer er dir versprochen hat, er ist bereits verlobt! Er vergnügt sich lediglich mit dir.“

„Was versprichst du dir davon?“

„Ich halte die Ehre eines Sardovans hoch! Der jedwedes Versprechen bricht! Du darfst dich nicht so verhalten, du bist das Oberhaupt unserer Familie, du musst ein Vorbild sein. Muss ich dich daran erinnern? Darauf bautest du diese Familie auf, Integrität, Vertrauen, Ehrlichkeit, so lautete deine Devise, danach leben wir und nun wirfst du alles über Bord? Für ein Flittchen, welches die Schenkel öffnet!“

„Vorsicht!“

Ein verächtlicher Ton seitens Henry, dann hörte ich einen dumpfen Aufschlag, nun hielt mich nichts mehr im Bad, „Beleidige sie nie wieder“, knurrte Corvin leise mit geballten Fäusten über Henry stehend.

„Corvin!“, rief ich entsetzt auf ihn zufliegend, „Er ist dein Freund!“ ergriff ich mit der einen Hand seinen erhobenen Arm mit der anderen sein Gesicht, welches ich zu mir wandte, „Er ist dein Freund!“, sagte ich sanft.

„Er nannte dich Flittchen!“, grollte er, bereit erneut zuzuschlagen.

„Weil er es nicht besser weiß!“, umfasste ich nun mit beiden Händen sein Gesicht, „Sieh mich an, Corvin, er wusste es nicht! Henry würde mich niemals wissentlich beleidigen, du weißt es.“

Etwas sagte mir, das ich zu ihm durchdrang, „Corvin, bitte!“, zog ich seinen Kopf näher heran, was er sich gefallen ließ. Langsam sanft auf ihn einredend führte ich ihn von Henry fort. Seine Augen flackerten, die Schwärze schwand, ich hielt ihn weiterhin fest.

Mit einem Seufzen zog er mich an seine Brust, hielt mich fest das ich um meine Rippen fürchtete. Ein erneuter Seufzer, „Danke“, murmelte er mein Kinn anhebend. In diesem Moment wusste ich, er liebte mich genauso verzweifelt wie ich ihn.

„Oh man, ich bin total platt! Du Sarah! Ich glaube es nicht!“

Ein erneutes Knurren drang aus seiner Kehle, „Du musst es ihm sagen, Corvin. Wir benötigen einen Verbündeten, ansonsten gibt es heute noch ein Blutbad, denn du kannst nicht deine Familie angreifen, weil jemand etwas Abfälliges über die letzte Nacht sagt.“

„Ja du hast recht!“, stimmte er zögernd zu.

Mich im Arm haltend, wandte er sich an Henry, der uns mit einem Auge perplex anstierte, zudem wies er eine aufgeplatzte Lippe auf, wahrscheinlich musste die Nase gebrochen sein, denn daraus lief stetig Blut, welches sich mit dem aus der Lippe vermischte.

„Ich hole ein nasses Handtuch!“

„Wartet!“, hob Henry die Arme, dabei schaute er uns nicht direkt an, „Ich bitte euch um einen Gefallen, eigentlich nur von dir Corvin. Zieh dir was an!“, schrie er beinahe schon verzweifelt.

Erst jetzt wurde mir unsere Nacktheit bewusst, Corvin auch, denn er warf mir schnell das Laken über, während er selbst langsam in eine Hose stieg. Worauf Henry aufatmete, „Pass auf den Reißverschluss auf!“, grinste der Freund hämisch.

Corvin grunzte nichtssagend, derweil raffte ich das Laken und benässte ein Handtuch, „Damit du es weißt Henry, Sarah ist meine Frau!“, hörte ich Corvin sagen.

„Aha!“, lautete die Antwort.

Die Spannung zwischen den Freunden war greifbar. Fest drückte ich das Handtuch auf die untere Seite von Henrys Gesicht.

Er stöhnte vor Schmerz auf, „Willst du mir den Rest geben?“, schaute er mich vorwerfend an. Das Grollen im Rücken nahm wieder zu.

„Stell dich nicht so an! Kannst du aufstehen?“, packte ich ihn unter dem Arm.

„Ja, ja“, kam er ächzend auf die Beine, „Habt ihr einen Drink für mich, denn den brauche ich jetzt.“

„Nahrung? Corvin hast du welche da?“, fragte ich nach.

„Blut? Verdammt ich brauch was Stärkeres!“, fuhr er mich barsch an, wieder ein Grollen.

„Musst du ihn noch zusätzlich reizen? Bist du lebensmüde?“, fuhr ich Henry an.

„Ich will nur wissen, wie weit eure Bindung besteht, denn für mich bist du ledig, mein Schätzchen.“

Mit Mühe konnte ich den Angriff von Corvin stoppen, Henry lachte in sich hinein, „Jetzt glaube ich es! Oh Mann, das wird ein Tag! Eine Frage Sarah liegt eure Bindung auf beider Seiten?“

„Was meinst du?“, fragte ich irritiert nach.

„Na hast du dich von Corvin genährt?“

„Nein!“, antwortete ich, „Ja!“, antwortete Corvin.

„Wie bitte?“, fuhr ich zu ihm herum, „Wann?“

„Die Sierra Nevada“, half er mir auf die Sprünge, „du warst am Ende …“

„Aber du hast mich genährt, danach ist nicht passiert, wir haben nicht …“

„… einander geküsst!“

„Oh man!“, ließ sich Henry auf das Bett sinken.

„Geküsst?“, versuchte ich mich zu erinnern.

„Heftig, du hast mich nochmals gebissen!“, er räusperte sich, „ich dich auch.“

„Oh man o man!“

„Davon weiß ich nichts! Außerdem hat es gar nichts zu bedeuten, denn es heißt, danach müsste ein Akt folgen und den gab es nicht! Oder?“, war ich mir meiner Sache überhaupt nicht mehr sicher.

„Ross!“, sagte er nur.

„Ross?“, ahnte ich Schreckliches, „Wie …“, konnte ich den Gedanken noch nicht einmal zu Ende führen, die Scham übermannte mich. Mein Urahn und Zeuge einer …, oh nein, wurde mir plötzlich ganz schlecht.

Der Einzige, der sich amüsierte, war Henry, „Oh man! Es werden ein paar vergnügliche Tage! Übrigens reisen Selina und Charly an, Pierre und Ciaran sind auch ganz wild“, hielt er sich den Bauch vor Lachen, als er aufsah erbleichte er, „He!“, streckte er seine Hände abwehrend aus, „Ich teile euch lediglich die Fakten mit. Kein Grund mir an die Kehle zu gehen.“

„Was wollen die beiden bei der Hochzeit?“, brauste Corvin auf.

„Schon vergessen? Ciaran gehört zur Familie und Muse lud den gesamten Rat ein, sofern sie noch leben, dazu zählt Pierre auch.“

„Warum regst du dich über die Beiden auf? Ich frage mich, wer Selina und Charly eingeladen hat!“, stemmte ich die Hände in die Hüften.

Der Blick den Henry seinem Freund zuwarf, genügte mir, „Du!“, grollte in mir auf einmal ein Drache, der wütend Blut sehen wollte, vorzugsweise von Corvin, danach Selina und Charly.

„Sarah, ich lud sie ein, damit ich dich weiterhin in die Enge treiben konnte.“

„So! Dann lade sie wieder aus!“, forderte ich unbeugsam.

„Oh man! Sie steht dir in nichts nach, mein Freund. Halte dich lieber von den Beiden fern, ansonsten sehe ich Blut fließen.“

„Henry du bist keine große Hilfe!“

„Hab ich gesagt, dass ich helfe? Nein, ihr könnt ohne mich über die Runden kommen, diesmal bleibe ich unbeteiligter Zuschauer“, rieb er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Kinn.

„Also gut entschuldige! Bist du nun zufrieden?“

Er nickte sparsam, dabei beäugte er mich, „Vergiss es! Schließlich habe ich dich gerettet!“

„Bitte Sarah!“, schlug Corvin einen flehenden Tonfall an, „Ansonsten wird er uns nicht helfen, die Beiden in den Griff zu bekommen.“

„Von welchen Beiden sprichst du gerade?“, fragte ich zuckersüß.

„Pie …“, bevor er weitersprach, kapierte er seinen Irrtum.

„Damit ist alles gesagt, mein Lieber! Pierre und Ciaran sollen beschäftigt werden, damit Charly und Selina um dich herumscharwenzeln können. Viel Vergnügen mein Schatz!“, trat ich ihn gegen sein Schienbein.

„Übrigens werde ich mich prächtig amüsieren! Mit Ciaran, Pierre und Malech!“, warf ich die Tür hinter mir zu.

„Sarah!“, lief er hinter mir her, „Glaub mir doch ich habe nie etwas mit ihnen gehabt.“

„Darum geht es gar nicht! Du willst und forderst, aber im gleichen Zuge, soll ich zusehen, wie die Mähren dir schöne Augen machen. Das ist zu viel verlangt, Corvin.“

„Dann glaubst du mir?“, fragte er verblüfft, „du zweifelst nicht an meiner Treue?“

„Nein! Wie kommst du denn darauf? Du etwa?“

„Ich? Nein, aber der Gedanke daran, wie der Franzose dich ansieht, wie Ciaran seiner kranken Fantasie nachgeht, indem du die Hauptrolle spielst, macht mich einfach nur wütend. Nun bringst du auch noch Malech ins Spiel! Welcher Vampir ist eigentlich nicht hinter dir her?“

„Genau! So empfinde ich auch.“

„Ach, wie herrlich ihr miteinander auskommt! Dann ist es ja kein Problem, lasst die Vier oder Fünf geifern, denn ihr wisst ja, was ihr einander habt“, schlug Henry leutselig vor.

„Einverstanden“, willigte ich ein.

„Du bist zu vertrauensselig, dieser Schuft wird uns bis zum Äußersten reizen“, erwiderte Corvin aufgebracht.

„Ganz besonders dich, mein alter lieber Freund!“, lachte Henry vergnüglich, „Ja es werden Freudentage für mich werden, wirkliche Freudentage. Ach ich liebe dich Sarah, danke mein Schatz.“

„Treib es nicht zu weit!“, mahnte Corvin.

„Es ist erst der Anfang“, tänzelte unser Freund den Gang hinunter, „Übrigens werde ich Ciaran, Pierre, Malech und Michelé in diesem Geschoss einquartieren.“

„Was du schön unterlässt!“, rief Corvin hinterher.

„Doch werde ich, Boss! Denn ich sitze diesmal am längeren Hebel! Ich denke, ich soll mein Wissen für mich behalten, nicht wahr. Es ist ein geringer Preis, den ich verlange, vorerst einmal.“

„Da haben wir ihm in die Hände gespielt“, stöhnte Corvin.

„Ja“, seufzte ich.

„Er wird es uns spüren lassen. Gott wie sehr ich diese Heimlichkeiten satt habe! Sobald die Feierlichkeiten beendet sind, werden wir offen als Paar auftreten, das schwöre ich dir.“

„Ich dachte, du wolltest warten, bis wir alles geregelt haben?“

„Wollte ich auch, aber ich habe vergessen, wie ich reagiere, wenn dir jemand zu nahe kommt. Oder ich auch nur annehme, er könnte.“ Stützte er sich gegen die Wand ab, „und nun ist es noch schlimmer, denn ich weiß wie es ist dich zu verlieren“, zog er mich an sich, dann lachte er leise, „Wir sind schon ein komisches Paar, nicht wahr?“

„Aber es wird bestimmt niemals langweilig“, boxte ich ihn leicht in die Seite.

„Sicher nicht, mit einer gewalttätigen Ehefrau, sicher nicht“, küsste er mich noch einmal, bevor er mich in mein Zimmer schob, „Das muss vorerst reichen, vielleicht finden wir zur Mittagsstunde ein wenig Muße“, gab er mir einen Klaps auf den Hintern.

Als ich in die Halle trat, verteilten Rosmerta und Marsé bereits die Arbeit. „Sarah du kannst Hendrik und Matt helfen“, rief Marsé mir zu, ihren Sohn zeigte sie demonstrativ den Rücken.

Auch sonst mied ihn jeder. Mir tat er leid, damit hatte ich nicht gerechnet, ich warf ihm einen Blick zu, den er mit einem Schulterzucken beendete. Zögernd folgte ich Matt und Hendrik.

„Also ich kann Corvin verstehen“, sagte Hendrik, „wer weiß, wen er heiratet, wahrscheinlich ist es das letzte Mal für ihn das er …“

„Dann hätte er der Ehe niemals zustimmen dürfen! Würdest du aus politischen Gründen heiraten?“

„Ich? Nein, mich erwischt du bestimmt nicht in einer Zwangsjacke, da halte ich es wie Vater.“

„Sarah, was ist mit dir?“, wollte Matt wissen.

Ich musste so tun, als ob ich von nichts wusste, was ich glaubhaft spielen konnte. Matt klärte mich auf und fragte nochmals nach meiner Meinung. „Dazu sage ich nichts! Corvin sagte mir nichts diesbezüglich und was ich von Tratsch halte, wisst ihr.“

„Es ist kein Tratsch, gestern Abend hatte er definitiv eine Frau bei sich.“

„Eine Frau!“, sagte ich, „Wer? Vielleicht war es ja seine Verlobte, hast du daran mal gedacht? Bisher will sie doch unbekannt bleiben …“

„Ja“, nickte Hendrik, „durchaus vorstellbar und wir zerbrechen uns umsonst den Kopf, wie es mit der Familie weitergeht.“

Eines wurmte mich nun doch, „Ich habe da eine Frage, als er mich damals wegen Alischa sitzen ließ, habt ihr da auch so gedacht?“

„Es war schlimm, Sarah. Er kam nach Monaten zurück, zuerst schloss er sich einige Tage ein, sein betrunkenes Gejohle hörte man auf der gesamten Festung. Dann kam er heraus und forderte jeden der ihm begegnete auf, ihn auszupeitschen. Diederich tat ihm den Gefallen, so hörte ich“, schilderte Matt die Vorgänge.

Hendrik nickte, „Er forderte immer mehr Hiebe ein, bis Diederich sagte, es reiche nun.“

„Aber ihr habt ihn nicht geschnitten?“

„Nein, schließlich entschieden sie gegen den Willen Corvins.“

„Das wusste ich gar nicht!“, sagten Matt und ich gleichzeitig.

„Vater erzählte es mir, er sagte, es war die schwerste Entscheidung seines Lebens und Corvin heulte wie ein kleines Kind, aber das habt ihr nicht von mir. Unser Boss würde mich massakrieren, wenn er es wüsste.“

„Vielleicht war es gestern wirklich seine Verlobte“, sagte Matt nachdenklich, „Ich sollte mich bei ihm entschuldigen.“

„Du solltest es vor allen Dingen den anderen sagen, damit sie Corvin nicht weiter meiden“, schlug ich vor, Matt ging sofort los.

Indessen grinste mich Hendrik an, „Manchmal Sarah, wundere ich mich über dich. Ansonsten findest du bei Corvin immer ein Haar in der Suppe.“

„Irgendwann muss es gut sein und für Prya halte ich nur zu gern Frieden.“

„Du unterschätzt deine Tochter gewaltig. Warte es ab, sie wird sich keineswegs mit der Ausrede zufriedengeben.“

„Welcher Ausrede?“

„Na hör mal, es könnte seine Verlobte sein! An den Haaren herbeigezogen, wirklich, ein Blinder durchschaut dies“, nahm er einige Stühle und wies mich an, darüber die Hussen zu ziehen.

Damit beschäftigten wir uns den gesamten Morgen. Stetig wurde der Hof freundlicher, Blumen schmückten ihn, Grünpflanzen entlang der tristen Wehrmauer taten Wunder. Mannshohe geschnittene Bäume umrahmten den Altar am Ende des Hofes.

Und doch gab es noch viel zu tun, Geschirr und Besteck musste gespült und poliert werden, welches dann ins ehemalige Museum kam. Dies hatte Ross unter Kontrolle, Rosmerta werkelte auf der Wehrmauer, während Marsé im Hof das Zepter in der Hand behielt.

Als wir uns kurz auf der Treppe ausruhten, lobte Marsé unsere Arbeit. Diesmal schloss die ihren Sohn mit ein, „Corvin benötigt eine weitere Hand um die Schleifen anzubringen.“

„Ich kann ihm dabei helfen!“, genau dies wollte ich gerade sagen, schaute ich mich nach der Sprecherin um. Charly! Drohte der Drache aufmüpfig.

„Nicht nötig, Charly schließlich bist du ein Gast“, lehnte Corvin höflich ab.

Marsé runzelte die Stirn, auch sie glaubte anscheinend nicht an die Verlobte, „Wer dann?“, schaute sie sich suchend um.

Diesmal hob ich als Erste die Hand, „Sarah!“, schien sie erfreut, „Dann hilft dir Sarah!“, entschied sie kurzerhand, wogegen ihr Sohn mürrisch nickte.

„Welch ein Schauspiel, schau doch noch mal so mürrisch!“, frotzelte ich, da wir allein an einer Wendeltreppe standen.

„Strahle mich noch ein bisschen länger so an und ich liefere dem empörten Volk ein Schauspiel“, grinste er frech, mir in den Ausschnitt schauend.

„Seit wann ist Charly da?“, wollte ich wissen.

„Ein paar Stunden, sie begann sofort die Verfolgung, natürlich mit dem neuesten Tratsch. Übrigens nett von dir die Verlobte einzubringen.“

„Ich fand es schrecklich, dich dort allein zu sehen. Selbst deine Mutter …“

Er winkte ab, „Prya war schlimmer, sie drohte sogar nie wieder ein Wort mit mir zu wechseln. Ich glaube, diese Nacht werden wir wenig Ruhe finden, sie planen etwas“, beschäftigte er sich auf einmal sehr mit der Schleife.

„Kommt ihr zurecht?“, fragte Rosmerta, wobei wie zufällig ihr Stock zwischen Corvins Beine geriet.

„Willst du mich entmannen, Weib?“, sprang er zur Seite.

„Wer weiß, stell dir doch mal die Frage, warum ich so etwas tun sollte?“, kicherte sie grausam, weiter den Stock schwingend.

„Gut zu wissen, wie weit dein Vertrauen in mich reicht!“

„Dann enttäusche mich nicht! Gerade du musst ein ehrbares Leben führen, mein Junge, wenn dir eine Ehe so zuwider ist, dann steh deinen Mann und beende die Sache. Ein Anruf, Corvin“, hielt sie ihm ein Handy entgegen.

„Rosmerta ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber ich werde heiraten!“

„Wie du meinst, bedenke eines, Morgen steht dein Freund vor dem Altar, sollte er etwas von deinen Eskapaden mitbekommen, wird er ohne zu Zögern die Trauung verschieben. Ist es das, was du willst?“

„Nein!“

„Dann mein Junge, solltest du deinen Hintern bewegen und etwas unternehmen!“

Corvin sah ihr nachdenklich hinterher, zu Recht, denn Rosmerta sprach die Wahrheit. „Was jetzt?“, ließ er sich auf die Stufe fallen, „An Vlad und seine Reaktion habe ich gar nicht gedacht“, schaute er mich fragend an.

„Diese Hochzeit gehörte zu deinem Plan mich unter Druck zu setzen, nicht wahr?“

„Ja und nein! Ich wollte dir auch eine Freude bereiten, schließlich gab es bei uns nie eine Feier.“

„Du Narr!“, streckte ich bereits meine Hand aus, um ihm durchs Haar zu fahren, zog sie vorsichtshalber zurück, „Du dummer, dummer Einfaltspinsel, wie gut kennst du mich? Eine derartige Feier, in der ich im Mittelpunkt stehe?“, lächelte ich ihn an.

Er grinste, nickte schließlich, „Eine dumme Idee!“

„Keine deiner Besten!“

„Aber ich wollte es diesmal richtig machen, die gesamte Welt sollte es wissen.“

„Vor allen Dingen wolltest du deinen Besitzanspruch verdeutlichen, mein Lieber. Ich kenne dich Corvin Sardovan, sogar besser als du denkst. Nun lauf ins Büro, rufe irgendjemanden an und danach entschuldigst du dich für deinen Fehltritt.“

Sofort trat scharf die Falte zwischen seinen Brauen auf, „Von wegen, sie …“

„Du entschuldigst dich reumütig, Boss! Du bist es deiner Familie schuldig, denn in ihren Augen verhieltest du dich nicht wie ein Sardovan. Nun geh schon, denk mal weiter, wem sollte es noch interessieren, was du in der Nacht treibst?“

„Du lockst mich mit Sex? Welche Abgründe! Meine eigene Frau erpresst mich, auch wenn deine Ausführungen nachvollziehbar sind, weigere ich mich klein beizugeben.“

„Warum?“

„Weil wir heiraten sollten, so wie es sich gehört!“

„Deine Worte hinken wie ein dreibeiniger Hund! Du sagtest es gerade, deine eigene Frau! Sind wir nun ein Paar oder nicht?“

„Durch Blut gebunden, ja!“, erklärte er stolz.

„Damit ist alles gesagt!“, wandte ich mich den Schleifen zu.

Er blieb sitzen, grübelte eine Weile vor sich hin, dabei warf er mir ab und an düstere Blicke zu. Schließlich stand er auf, „So ist es also! Der stolze unabhängige Corvin Sardovan schreitet zum Schafott, weil seine Gebieterin es wünscht. Du hast dich verändert Sarah, zum Vorteil, noch vor wenigen Monaten hätten wir der Bande hier ein Schauspiel geliefert.“

„Da irrst du dich, schließlich redest du vernünftig mit mir, dann gebe ich dir auch klare Antworten. Wenn du mal wieder den Despoten herauskehrst, der rücksichtslos irrsinnige Befehle erteilt, kannst du was erleben.“

Er lachte, „Die Ehe mit dir wird nicht einfach sein“, seufzte er mitleidig.

„Du wolltest es nicht anders, nun ist es zu spät, denn ich lasse dich nicht mehr von der Leine!“

„Welch lieblicher Gesang in meinen Ohren, mein …“

„Nun geh schon! Meinst du, ich bemerke deine Taktik nicht? Du zögerst das Unvermeidliche hinaus, ist eine Entschuldigung so schwer, mein tapferer Krieger?“

„Verdammtes Weib!“, knurrte er ungehalten, marschierte jedoch laut schimpfend los.

Schmunzelnd sah ich hinter ihm her, „Gut gemacht Sarah!“, kam Henry die Wendeltreppe hinunter, „Eigentlich wollte ich ihm ins Gewissen reden. Du fandest genau die richtigen Worte. Dann ist es also wirklich wahr!“, setzte er sich auf den Platz, an dem gerade noch Corvin saß.

„Ja, ich dachte …“

„… ich hätte es heute Morgen schon kapiert? Nein, ich zweifelte, dachte er nutzt mein Wunschdenken aus. Wie oft sagte ich ihm, hol sie dir zurück, kämpfe, gib nicht auf. Er schüttelte immer nur den Kopf und meinte es sei zu spät. Als du damals mit Pierre verlobt warst, haute ihn es um. Oben in seinem Turm saß er allein und haderte mit sich und der Welt.

Als du dann unversehens zur Festung kamst, redete ich wieder und wieder auf ihn ein, mit dem gleichen Ergebnis. Doch er veränderte sich, kleine Nuancen, die uns hoffen ließen. In Granada beglückwünschten wir uns, nach Granada verzweifelten wir. Selbst unser bescheidener Anschlag ging fehl, wir dachten, nun ist alles vorbei.“

„Das Gift! Ihr habt ihm Gift verabreicht?“

Henry winkte ab, „Halb so schlimm, er hätte es innerhalb von ein paar Tagen überwunden. Wir mussten es nur dramatisch darstellen.“

„Wer ist eigentlich wir?“

„Rate doch mal!“, grinste er.

„Vater!“, wusste ich es, der Blondschopf meinte, „Muse! Für sie war klar, ihr liebt euch, es nur nicht zugeben konntet. Eine kluge Frau unsere Muse.“

„Ich weiß! Dir ist schon bewusst, das Corvin es irgendwann herausfindet?“

Nun krauste Henry die Stirn, blies die Wangen auf und pustete die Luft langsam hinaus, „Ich denke, wir schulden dir die Wahrheit, unseretwegen musstest du viel erleiden. Damals erschien es uns als einzige Möglichkeit der misslichen Lage etwas Gutes abzugewinnen“, er schaute auf, deutete Richtung Halle, „Es ist soweit! Schau, wie er dasteht, das bewundere ich an Corvin, seine reine Anwesenheit fordert die Aufmerksamkeit. Eine seltene Gabe, die ihm in die Wiege gelegt wurde. Als junger Spund wollte ich schon so werden wie er, heute beneide ich ihn um noch etwas, seine Frau. Du bist genau die Richtige für ihn, vermasselt es nicht!“, erhob er sich, „Dann wollen wir doch mal hören, was der Herr zu sagen hat“, zwinkerte er mir den Arm reichend zu.

Was würde ich noch erfahren? Hendrik, Matt und nun Henry enthüllten die Vergangenheit Corvins, die sie sonst mit niemanden teilten. So erfuhr ich neue Seiten, die ich an meinen Mann noch nicht kannte.

Mein Mann! Ließ ich die Worte durch meine Gedanken schweifen, es fühlte sich vollkommen richtig an. Ja er war mein Mann!

„Himmel Sarah, wenn du so lächelst, könnte ich dich direkt anspringen“, schnaufte Henry als würde er sich anstrengen, „Vergiss, was ich sagte, und lauf mit mir weg, wenigstens für eine Nacht.“

„Und danach?“

„Es gibt kein danach! Er wird uns umbringen, doch dieses Risiko gehe ich nur zu gern ein. Was ist nun?“

„Rede keinen Quatsch! Sex mit dir, kann ich mir nicht vorstellen.“

„Vater!“, rief Hendrik entrüstet, „Wenigstens Sarah könntest du verschonen! Ich dachte, ihr seid befreundet!“

„Leider nicht intim, mein Sohn! Sieh sie dir an, diese Augen, dieses Lächeln, diese Haut, dieses Haar und dann erst die Figur, die sie unter ihren viel zu weiten Klamotten versteckt.“

„Er hat einen Kollaps! Ist verrückt geworden und warum, weil sein eigener Großvater ihm die Weiber abspenstig macht“, mokierte sich Hendrik.

„Hör auf! Solch ein alter Tattergreis ist nicht mein Großvater, sondern ein …“

„Still! Ich will hören was unser Boss sagen will!“, drängte Hendrik sich zwischen Henry und mir, „Sicher ist sicher!“

Wir standen in losen Gruppen vor der Treppe der Halle, wie Henry bemerkte, genügte allein Corvins Anwesenheit, die uns hier zusammenkommen ließ. Nun schaute er in die Runde, vergewisserte sich der Aufmerksamkeit eines jeden.

„Nun!“, sagte er, „Ich habe euch Anlass zu Kummer gegeben. Was und wie ich darüber denke, ist allein meine Sache. Aber wie man mir ins Gedächtnis rief“, dabei schaute er Rosmerta an, „bin ich nicht nur eine Privatperson, sondern der Gründer dieser Familie. Laut den Leitprinzipien dieser Familie, habe ich meiner …“, er zögerte kurz, „ … jedenfalls ist die Verlobung gelöst worden. Ich möchte noch anmerken, dass ich ihr nichts verschwiegen habe und euch bitte ich um Entschuldigung.“

„Jedes Wort entspricht der Wahrheit, er hat es mal wieder geschafft, etwas zu sagen und etwas ganz anderes zu meinen“, sagte Henry begeistert, worauf sein Sohn sofort hellhörig wurde, „Was meinst du? Er redet doch von letzter Nacht und seinem Fehlverhalten. Oder?“

„Aber natürlich, Hendrik! Er redet von den Geschehnissen der letzten Nächte, was sonst.“

„Du solltest mit deiner Wortwahl achtsamer umgehen, ansonsten bringst du neue Gerüchte ich den Umlauf, Vater.“

„Was du nicht sagst!“, ließ ich die Beiden streiten, dafür beobachtete ich Corvin, er stieg gerade langsam die Stufen hinab. Marsé kam mit offenen Armen auf ihn zu, sie sprachen miteinander.

Prya folgte, nicht ganz so enthusiastisch wie Marsé, doch auch gnädig verzeihend. Diederich und Rosmerta schlossen sich an, „Was meinst du, Sarah?“

„Ich habe nicht zugehört“, wandte ich den Blick ab.

„Mein Vater meint, unser Boss fange mit seiner derzeitigen Liaison etwas Ernstes an.“

„Woher soll ich das wissen! Ihr und euer Tratsch, der geht mir gewaltig auf den Nerv!“, ließ ich sie stehen und machte mich wieder an die Arbeit.

Nach einer Weile kam Corvin zurück, „Wieder wohlwollend in den Zweig der Familie aufgenommen. Auftrag erledigt!“, grinste er mir zu, „Was würden sie wohl sagen, wenn ich dich jetzt umarme? Ich möchte dich spüren, Sarah.“

„Ich dich auch!“, sagte ich sehnsüchtig, „Gegen eine freundschaftliche Umarmung kann doch niemand etwas sagen. Was meinst du?“

„Bestimmt nicht!“, hielt er mich bereits fest an sich gedrückt, „Es ist schwerer als ich annahm, beinahe hätte ich gesagt, wer meine Frau ist. Ich war nahe, ganz nahe …“

„Ich störe eure Zweisamkeit nur zu gern, langsam erregt ihr Aufsehen!“, kicherte Henry, der wieder auf der Wehrmauer stand.

„Ist das jetzt dein Lieblingsplatz?“, wollte ich wissen.

„Nein! Der ist in eurer Nähe, damit ich euch genau im Auge behalten kann“, zwitscherte er vergnügt, „Außerdem komme ich mit freundlicher Absicht und will meinen gewalttätigen Freund warnen. Die restlichen Ratsmitglieder sind eingetroffen.“

„Demnach geht es los! Und du freust dich diebisch darauf, was.“

„So ist es! Übrigens wollen Kahlaf und Merkur dich in der Halle sehen, ich versprach, dich zu holen. Ach Sarah, der Franzose erkundigte sich gleich nach dir, er wird die Abwesenheit deines Mannes nutzen, um ein bisschen mit dir anzubändeln. Besonders da Ciaran noch auf sich warten lässt. Aber keine Sorge, ich habe mit ihm gesprochen, er trifft in der nächsten Stunde ein.“

„So etwas nennt sich Freund!“, zürnte Corvin barsch.

Sofort fiel mir das Gift ein, wen du wüsstest, dachte ich mein Lachen unterdrückend. „Sieh mal, wie sehr sich Sarah freut, ihren Franzosen gleich in die Arme zu schließen. Ach es wird ein liebevolles Wiedersehen.“

„Schicke Kahlaf her!“, befahl er streng.

„Mein lieber Clanführer, du wirst dich wohl an eine gewisse Etikette erinnern? Auf die du den größten Wert legst! Gäste werden in der Halle freundlich begrüßt! Zudem solltest du das allabendliche Mahl aufleben lassen, es wird schmerzlich vermisst. Auch Marsé überlegt sich ihre auserlesenen Abende zu starten. Ich sagte ihr, der Heutige wäre ein guter Auftakt. Sarah du bist herzlich willkommen, eine Ehre, die man keineswegs zurückweist.“

„Du verdammter Strippenzieher, wie hast du das so schnell hinbekommen?“, bewegte sich Corvin die Stufen hoch.

„Ansonsten lobt er mich für mein schnelles Handeln! Preist mein Können, eine Gesellschaft der unterschiedlichsten Charaktere unter einem Dach zu versammeln und nun beleidigt er mich! Ich bin empört! Ja, bitter enttäuscht über diesen Verdruss, den der Herr ausstrahlt!“

Ich konnte nicht anders und musste lachen, was mir den Zorn Corvins einbrachte, „Siehst du nicht, was er treibt?“, fuhr er mich an.

„Sicher, aber im Gegensatz zu dir, sehe ich die Komik darin. Nun lass ihm sein Vergnügen, es ist seine Art zu sagen, wie glücklich er ist.“

„Das stimmt nicht!“, widersprach Henry, „Rache! Ich nenne es Rache für die Schmerzen an Leib und Seele, die er mir zufügte!“, dabei streckte er seinen Zeigefinger gegen Corvin aus.

Indessen kam Corvin die Stufen hinab, „Du hältst Pierre auf Abstand, ja?“, bat er mich mit sehnsüchtigen Augen.

„Versprochen!“

„Ich liebe dich“, hauchte er leise, „und ich dich“, antwortete ich.

„Welch ein romantisches Gesäusel, da wird einem ja Übel!“, schimpfte Henry, seine Miene sagte etwas ganz anderes aus.

Den Karton mit den Schleifen unter dem Arm geklemmt, begab ich mich zur nächsten Wendeltreppe, die nun näher dem allgemeinen Geschehen lag. Ich musste mich durch ungeordnete Stuhlreihen, Blumen, die noch nicht an ihrem Platz standen, kämpfen. Dazwischen liefen Vampire herum, die angetrieben von Marsé der Verzweiflung nahe waren.

Da entdeckte mich Marsé, „Sarah! Wie weit seid ihr?“, fragte sie nach.

„Die Hinteren sind fertig.“

„Nun aber Beeilung! Wo ist Corvin? Er sollte dir helfen!“

„Kahlaf und die anderen begrüßen.“

„Ach so!“ sah sie sich um, „Charly gilt dein Angebot noch?“

Diese bejahte zögernd, wahrscheinlich wagte sie kein Nein, da Marsé im Augenblick sehr streng wirkte, „Na los, helfe Sarah und ich will keine schmachtenden Augen, noch lockende Lippen, wenn mein Sohn zurückkehrt. Verstanden?“

„Ja Marsé!“

Als Marsé außer Hörweite war, zeigte Charly ein anderes Gesicht, „Was denkt sie sich? Meint sie etwa, ihr Sohn wird allein die Nacht verbringen? Ich werde meine Chance nutzen, diesmal gehört er mir.“

Innerlich brodelte der Drache, nach außen hörte ich mit unbeteiligter Miene zu. „Sag mal Sarah, wer war denn die Frau, die er heiraten wollte?“

„Corvin hat nie ein Wort über sie verlauten lassen“, entgegnete ich kühl.

„Und die Schlampe, die letzte Nacht bei ihm war?“

„Keine Ahnung!“

Sie schaute mich skeptisch an, „Nun sag schon! Du weißt, wer sie ist!“

„Also wirklich Charly, worauf du so kommst.“

„Wenn du es mir nicht sagen willst, dann verrate mir wenigstens, welchen Typ er bevorzugt. Es heißt, er ziehe elegante, mondäne Frauen vor, aber du bist ganz anders. Wie konntest du seine Aufmerksamkeit erzielen und dann noch als Mensch!“, wurde mir der bereits bekannte verächtliche Blick zugeworfen.

„Sarah wird niemals versuchen, die Aufmerksamkeit irgendeines Mannes zu erregen. Dies ist ihr Geheimnis, sie erregt Interesse. Wir Männer wollen sie erobern und sind glücklich, wenn sie uns ein Lächeln schenkt.“

Ich drehte mich um und lachte Pierre an, „Wie immer sehr Wortgewandt und übertrieben!“

„Keineswegs, mon Coeur, es ist eine Tatsache.“

„Na klar!“ zweifelte Charly, „deshalb bist du auch immerzu in fremde Betten gehuscht. Irgendetwas muss dir doch während euerer Beziehung gefehlt haben. Sie muss eine Lusche im Bett sein, das ist es.“

„Wie du meinst, Charly“, zuckte ich gleichgültig die Achseln, während Pierre sich aufregte. „Ich will dir verraten, was in unserer Beziehung fehlte, meine Verantwortung, meine Treue! Du … du …“

Charly lachte, „Beleidige mich ruhig, so was kann ich ab!“

„Wo ist Michelé?“, wollte ich wissen und dachte ein Themawechsel wäre angebracht.

Pierre verzog den Mund, „Keine Ahnung, er hadert noch, ich denke, er wird mir niemals mehr sein Vertrauen schenken.“

„Habt ihr miteinander geredet?“

„Ja, ich habe mich entschuldigt, er verzeiht mir, aber unsere Freundschaft hat einen Riss bekommen. Ob er je verheilt, ich weiß es nicht. Momentan will er bei euch bleiben, deshalb dachte ich, du wüsstest, wo er ist.“

„Nein, keine Ahnung, du solltest den Boss fragen.“

„Habe ich, er begrüßte mich recht reserviert. Wer weiß, was ihn über die Leber gelaufen ist. Aber Henry hieß mich herzlich willkommen, er scheint im Moment auch nicht in der Gunst eures Bosses zu stehen.“

„Kann ich mir denken“, verdrehte ich die Augen.

„Wieso?“

„Eine interne Sache, Pierre!“, vielleicht nicht richtig ausgedrückt, denn er runzelte die Stirn, „Nichts was mit der Familie oder dem Rat zu tun hat, sie necken sich halt.“

„Necken?“, lachte Charly auf, „Seit wann necken sich diese beiden Vampire, du meinst wohl ein ausgemachter Streit.“

„Nichts dergleichen“, bestritt ich, sie glaubte mir nicht, „Jetzt weiß ich, wen ich fragen muss! Sag mal Pierre, sind sie in der Halle?“

Er nickte verhalten, „Bin dann mal weg und Marsé kannst du sagen, sie kann mich mal!“, ließ sie die Schleife fallen und jumpte auf die Halle zu.

„Was war das denn?“, fragte Pierre erstaunt.

„Das alte Lied! Sie will unseren Boss!“

„Kaum zu glauben! Auch nachdem er sie öffentlich abservierte? Naja manche lernen es nie, Corvin wird sich mit keiner von ihnen einlassen.“

„Tja wer weiß“, hob die die fallen gelassene Schleife auf.

„Ja, er jagt ein ganz anderes Wild, Sarah!“

In der Tat beanspruchte mich das Band voll und ganz. „Du willst nicht darüber reden, verstehe. So weit ist er bereits! Wann werdet ihr es offiziell machen?“

„Wovon redest du überhaupt?“, spielte ich die Unwissende.

„Ach mon Coeur, ich lese in deiner Mimik, mehr nicht. Bisher hatte ich nur den Verdacht, Corvin hatte dich zwar unauffällig ständig im Visier, ich aber auch. Deshalb fallen einem die vermeintlichen Kontrahenten sofort auf. Bis vor einigen Tagen schien es ein Rennen zwischen ihm und mir zu sein. Ciaran schloss ich aus, da er keineswegs zu dem Charakter gehört den du bevorzugst. Corvin muss sich während der Hochzeit, von Alia und Peer einen Vorteil verschafft haben. Sag mir, wie stellte er es an?“

„Pierre, jetzt habe ich deinen lächerlichen Ausführungen lange genug zugehört, es reicht.“

„Verzeih, Eifersucht ist kein angenehmer Zeitgenosse. Zumindest Michelé wird sich freuen, denn er sagte, ich habe dich überhaupt nicht verdient. So sieht es aus!“

„Ach Pierre“, tat er mir Leid.

„Bitte kein Mitleid! Nicht von dir, Sarah! Aber ich möchte dich gern heute Abend begleiten, Henry erwähnte, du suchtest noch einen Partner.“

„Sagte er das?“

„Ah! Nun verstehe ich! Dieser Lump! Er will mich benutzen, damit Corvin endlich zu dir steht. Meinetwegen, ein wenig Verdruss in seinen Augen, tröstet mich über meinen Verlust ein bisschen hinweg. Ich werde dich Punkt acht Uhr abholen, mon Coeur, elegante Kleidung ist Pflicht.“

„Pierre! Nein!“, rief ich hinter ihm her. Er winkte ab, „Acht Uhr, mon Coeur, ich kann es kaum erwarten!“, warf er mir einen Kuss zu.

Ein frischer Wind kam auf, ganz plötzlich fegte er über den Hof. Ich sah auf, tatsächlich da stand er, seine Stimmung schien unter dem Nullpunkt zu liegen. Nicht nur mir fiel es auf, die meisten wandten sich Corvin zu, der versuchte eine gleichgültige Miene aufzusetzen.

„Was ist denn mit dir?“, fragte Marsé über einige Stuhlreihen hinweg.

„Nichts!“, antwortete der Sohn, „Was soll schon sein?“

„Dann behalte dein Nichts für dich, du zerstörst die Dekoration!“

„Ja und!“, trat er einen Stuhl mit solcher Wucht zur Seite das er weitere Stühle mitriss.

„Corvin Sardovan!“, stemmte nun die Mutter die Hände in die Hüften, „Ich habe mit dir zu reden, sofort!“, marschierte sie direkt auf die Halle zu.

„Ich bin kein kleines Kind mehr, Mutter! Geh ruhig aber erwarte mich …“, ein heftiger Schlag traf ihn von hinten, er taumelte nach vorn. Rosmerta stand mit schwingenden Stock vor ihm, „Wo bleibt dein Benehmen? Junge!“

Die meisten Zuschauer zogen die Köpfe ein, niemand legte sich freiwillig mit Rosmerta an, noch mit dem Gescholtenen. Eine Ausnahme bellte über den Hof, „Nur zu, falls du Hilfe benötigst, stehe ich gern zur Verfügung“, ließ Diederich seine Faust in die andere Handfläche sausen.

Entsetzt schaute ich zu, wie Corvin geradewegs abgeführt wurde. Als wäre er ein Schwerverbrecher! Glaubte ich kaum, was geschah. Langsam tröpfelte die Erkenntnis in meinen Verstand. Das muss ein Ende haben!

Kapitel 67

 

Zielstrebig setzte ich mich in Bewegung. In der Halle bot sich mir ein überraschter Anblick! Umarmungen, mit fröhlichem Gelächter! Erst verstand ich nicht, doch dann sah ich Alia, die sich gerade aus Rosmertas Umarmung löste.

Ich hörte, „Was für eine Überraschung!“, oder, „Habt ihr schon voneinander die Nase voll?“

„Sarah!“, rief Alia bereits auf mich zukommend. So schnell konnte ich nicht umschalten, gerade noch bereitete ich mich auf eine Auseinandersetzung vor, nun die Freude.

Verblüfft begrüßte ich meine Freundin, die mir sofort ansah, dass etwas in der Luft lag. „Wie schön endlich daheim zu sein! Verreisen ist nichts für mich!“

„Ja!“, stimmte Peer ihr zu, „Bereits gestern jammerte sie herum. Also wirklich eine erwachsene Frau, die vor Heimweh zergeht“, scherzte er, Alia mit glühenden Augen ansehend.

„Ach komm schon, du warst genauso unruhig!“

„Naja, ich hätte es noch ein bisschen ausgehalten, wenigstens einige Stunden.“

„Also was gibt es Neues? Ihr kamt mit sehr ernsten Gesichtern herein. Ist etwas geschehen?“

„Nur eine Auseinandersetzung mit meiner Mutter!“, meinte Corvin völlig gelassen.

„Ach so!“, winkte Alia ab, als wäre es das Normalste auf der Welt.

„Von wegen! Mein Sohn spielt den Griesgrämigen und meint mit seiner Laune die Dekoration zerstören zu müssen.“

„Wirklich?“, fragte Alia lächelnd nach, „Die Deko?“, ging sie auf Corvin zu, der sicherheitshalber einen Schritt zurückging.

„Ein Versehen, ich habe mich einen Moment gehen lassen Alia, dann bekomme ich einen Schlag einer kraftlosen Harpyie auf den Hinterkopf, ein abgehalfterter Kämpe meint die erschlafften Muskeln spielen zu lassen, mehr nicht.“

„Das ist alles, deswegen die ernste Versammlung? Wirklich ihr könnt aus einer Mücke einen Elefanten machen. Wie stehen denn die Vorbereitungen, was ich bisher sah, sah ganz gut aus.“

Typisch für Alia, spätestens in fünf Minuten tanzen selbst Marsé und Rosmerta nach ihrer Nase. Ross der gerade Teller in den Händen hielt, meinte es sei die letzte Ladung, dann wäre er fertig.

Indessen begann ich mit meinem unauffälligen Rückzug, Corvin zwinkerte mir zu, was mein Herz höher schlagen ließ. Draußen begab ich mich wieder an die Arbeit.

Wie erwartet hielt nun Alia das Zepter in der Hand, innerhalb einiger Stunden formte sich aus dem Chaos ein harmonisches Gesamtbild. „Ihr habt hervorragende Arbeit geleistet“, bedankte sie sich besonders bei Rosmerta und Marsé.

Die letzten Kisten und Werkzeuge wurden eingesammelt, danach verzog sich einer nach dem anderen, dazu gehörten Hendrik und ich. „Puh, das wäre geschafft, der Trauung morgen steht nichts mehr im Wege. Wie sieht es aus, gehen wir zusammen zu Marsé?“

„Pierre holt mich ab!“

„Vergeudet keine Zeit, hm? Gibt es eine Wiederholung?“

„Ganz sicher nicht!“

„Hab ich mir schon gedacht, willst du erst die Freiheit genießen? Oder sticht dir ein besonderer Vampir ins Auge?“

„Ach Hendrik, vielleicht halte es wie du und deine Sippe.“

Er blieb stehen, „Ehrlich gesagt, passt es nicht zu dir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du wie Charly hinter Männern herjagst. Sie ist übrigens auf Corvin scharf, Vater erzählte es vorhin, wollte seine ganz persönlichen Geschmack wissen.“

„Und was hat er ihr gesagt?“

„Was er immer sagt, elegant, mondän, fraulich, sexy und all so was.“

„Ihr seid unmöglich!“, musste ich vor Erleichterung lachen.

„So wollte Corvin es haben, mit welchen Frauen er sich letztendlich vergnügte, weiß nur er. Ich hab es nie mitbekommen, jedenfalls nicht, nachdem du …, ach, ist ja auch egal, ich schwatze zu viel. Solltest du bei dem Franzosen ein wenig Hilfe benötigen, ein Wink genügt.“

„Dann bis gleich, Hendrik!“, trennten sich unsere Wege, da ich zwei Geschosse höher musste. Bis Pierre mich abholte hatte ich noch drei Stunden, ließ ich mir ein Bad ein.

Darin lag ich gerade, als es klopfte, fast sofort danach wurde die Tür geöffnet, „Sarah?“

„Im Bad!“

Ungezwungen setzte sie sich auf die Toilette, „Nun wie fühlt es sich an? Bist du glücklich?“, eigentlich erübrigte sich die Frage, Alia sah nie zufriedener aus.

„Es ist herrlich! Deswegen bin ich aber nicht hier, was hat Corvin gegen den Beißer unternommen?“

„Nichts!“

„Du verrietest seinen Namen nicht, verstehe. Aber so geht es nicht Sarah! Kein Vampir darf eine Frau dermaßen beißen. Wer weiß, vielleicht wollte er eine Bindung herstellen.“

„Bisher bemerkte niemand etwas Derartiges. Du siehst nur das Negative, im Eifer des Gefechts kann es doch vorkommen. Nun lass es gut sein. Erzähle mir lieber, wo ward ihr?“

„Im Bett!“, glänzten ihre Augen.

„Okay, mehr will ich nicht wissen“, lachte ich.

„Sarah, da ist doch noch etwas! Ich sehe dir an, wenn du versuchst etwas zu verheimlichen.“

„Ja, morgen heiratet mein Vater die tollste Frau, die er finden konnte und ich stehe ohne Geschenk da.“ In all den Trubel mit Corvin und den Feierlichkeiten hatte ich es völlig vergessen. Meine Schlampigkeit wusste ich nur zu gut.

„Tja, das ist ein Problem! Weißt du was, sie werden sowieso keine Geschenke auspacken, bevor sie von ihrer Reise zurückkehren, stell später einfach eines hin.“

Ich zog die Nase kraus, „Nicht mein Ding, ich beichte lieber.“

„Weißt du, warum Corvin ausgerastet ist? Ich bekomme es nicht heraus“, Alia wechselte abrupt das Thema, nach ihrer Frage tauchte ich für einige Sekunden unter Wasser.

„Keine Ahnung, wieso fragst du?“, antwortete ich, als ich mir den Schaum aus dem Gesicht entfernt hatte.

„Weil Corvin sich nie leicht beruhigt, eine Kleinigkeit und das Fass läuft über. Ich möchte seine Verstimmung noch heute beseitigen, damit Morgen alles glatt läuft.“

„Wann genau trifft das Paar ein?“, versuchte ich ein ungefährliches Terrain zu betreten. Mit Erfolg, denn Alia grinste versonnen vor sich hin.     

„Da haben wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Eric wird Vlad ablenken, derweil verfrachtet Sarah Muse in ein anderes Hotel. Dort liegen ihre Sachen bereit. Das Brautkleid wird sie umhauen, sag ich dir und Vlad hoffentlich auch!

Pass auf, nun kommt es! Während sie in getrennten Wagen hierher fahren, wird Vlad sofort zur Festung gebracht“, sie grinste schelmisch, „Muse allerdings zu den Pferdeställen, dort wartet eine Kutsche auf sie.“

„Oh!“

„Romantisch, nicht wahr!“, schwärmte sie.

„Sehr!“, wusste ich nichts darauf zu erwidern. Wie gut das ich bereits verheiratet war. Das gesamte Paket machte mir Angst, aller Augen würde sich auf Muse konzentrieren, wie sie da in ihrem weißen Kleid aus der Kutsche stieg. Dabei dachte ich an den Gang zum Altar, die Stuhlreihen entlang, es ist der reinste Spießrutenlauf.

„Muse ist damit einverstanden?“, wollte ich wissen, hoffentlich übertrieb Alia nicht in ihren Wahn.

„Die Kutsche sprach Muse selbst an! Welche genau sie nimmt, weiß ich nicht, denn sie redete mit Corvin darüber. Oh, ich hoffe, sie nimmt die Weiße! Du musst einmal mit zu den Ställen, Sarah. Die Pferde sind ganz lieb, ich schwöre es dir, dann kann ich dir die Kutschen zeigen, du wirst begeistert sein.“

Die Ställe träumte ich vor mich hin, das einfache Blockhaus, die herrliche Nacht mit Corvin …

„Was ist mit dir denn los? Warum grinst du so blöde?“, holten mich disharmonische Worte aus meinen Träumereien.

„Ach, ich dachte gerade an die Pferde, ich wollte schon als Kind das Reiten erlernen.“

„Wenn du willst, bringe ich es dir bei. Kein Problem, wenn jetzt alles ruhiger wird, wollen Peer und ich täglich ausreiten, dann kannst du mitkommen.“

Ich schüttelte den Kopf, eines wusste ich nur zu gut, mische dich niemals in die Aktivitäten eines Paares ein. „Warum schütteltest du den Kopf?“, wollte Alia wissen.

„Weil ich erst reiten lernen muss! Meinst du ich steige auf ein Pferd und dann ab ins Gelände! Und plötzlich stieg eine Frage auf, eine Frage, die seit gestern Nacht unentwegt an mir nagte, die ich weit von mir schob, die eine Entscheidung forderte.

Wie werde ich in Zukunft leben? Ein Dasein an der Seite des Ratsmitgliedes Corvin Sardovan? Was bedeutete es, sah ich endlose Abende in Gala vor mir, mit den gleichen Gesichtern, belanglose Gespräche, endloses Warten. Ein Leben in Luxus, oberflächlich, träge, nutzlos, mir wurde plötzlich ganz übel.

„Was ist?“, rief Alia erschrocken.

„Nichts, ich habe Hunger!“, fiel mir nichts Besseres ein.

„Ach so! Bei Marsé gibt es gleich Nahrung“, sah sie auf ihre Uhr, fluchte leise, „Wie die Zeit rennt! Ich muss mich umkleiden! Was ziehst du an?“, an meiner Miene erkannte sie die Antwort.

Schon verschwand sie aus dem Bad, „Mal sehen!“, hörte ich, wie sie den Schrank öffnete, „Ja, genau passend! Mit wem gehst du?“

„Pierre holt mich ab“, sagte ich.

„Gut! Er ist hartnäckig Sarah, du bedeutest ihm etwas.“

Ich tauchte unter, damit ich kein Wort mehr hörte. An den Haaren zog sie mich aus dem Wasser, „Hör zu, Sarah Sardovan, du kannst nicht ewig allein bleiben! Als einsamer Wolf der kriegerisch umherstreift, lebtest du lange genug! Nun begib dich in ein neues Abenteuer!“

„Als was denn? Eine Ehefrau, die brav im Schatten ihres Mannes steht? Lächelnd, posierend, belanglos? Nein! Es ist ein klägliches Dasein!“

„Du spinnst ja! Siehst du mich etwa so?“

„Alia, du hast einen Job, den du liebst! In dem du erfolgreich bist! Ich bin ein Krieger, was anderes habe ich nie gelernt!“

„Dann wird es Zeit! Wie wäre es, wenn du mal deinen Arsch in Bewegung setzt! Überlege was dich interessiert, lerne verdammt noch mal!“, fuhr sie mich ungehalten an, „Meinst du etwa, wir haben nie vor dem gleichen Problem gestanden? Immer mussten wir mit der Zeit gehen und du machst es dir einfach, du jammerst und beklagst dich!“

„Ich jammere nicht!“

„Doch, genau das tust du! Dabei schlummern in dir viele Talente …“

„Na sicher“, winkte ich ab.

„Höre zu, ich zitiere; Sarah besitzt ein unglaubliches Sprachtalent, sie ist intelligent, einfühlsam, mit unbeugsamem Willen; es ist nur ein Teil einer ellenlangen Lobeshymne!“

Ich musste lachen, „Wer behautet denn den Schwachsinn?“

„Es steht in deinen Papieren, demnach Geirrod. Dir stehen so viele Möglichkeiten zur Verfügung, nutzte sie, Sarah.“

Ihre Worte hallten nach, selbst nachdem Alia längst fort war. Also setzte ich mich mit Block und Papier hin und überlegte, was mich interessierte. Selbst nach einer Stunde gähnte mich das leere Blatt rätselnd an.

Ein leises Klopfen unterbrach meine Brütereien, „Bist du allein?“, sah Corvin sich vorsichtig um, „Ja“, freute ich mich ihn zu sehen.

„Gott sei Dank!“, küsste er mich voller Inbrunst, „Ich habe Alia gehört, dann musste ich zu Mutter und nun bleiben uns nur ein paar Minuten“, ich schmiegte mich eng an ihn.

„Was schreibst du da?“, wollte er wissen.

Ich erklärte es ihm, „Aha!“, sagte er nur, ich erwartete mit Furcht seine Antwort, du musst nicht arbeiten, ich sorge für dich und so weiter, mit einem Aha, rechnete ich nicht.

„Du bist noch gar nicht angezogen!“, bemerkte er, „So gern ich dich leicht bekleidet in den Armen halte, möchte ich doch das du dir etwas anziehst.“

„Was sagst du denn nun dazu?“, wollte ich wissen.

„Du überlegst nach einem passenden Job, für dich. Es ist gut, jeder benötigt eine sinnvolle Aufgabe. Was soll ich dazu noch sagen?“

„Du willst es mir nicht verbieten?“

„Ah, nun kommen wir der Sache näher! Sarah, ich kenne dich, oft genug erteilte ich dir Befehle, die du rücksichtslos in den Wind schlugst. Eines schwor ich mir, nie wieder diktiere ich dein Leben. Du musst nicht arbeiten, denn ich kann für dich sorgen. Ich weiß aber auch, du brauchst eine sinnvolle Aufgabe, allein die Frau eines Familienoberhauptes und Ratsmitgliedes zu sein, reicht dir nicht. Beruhigt?“

„Ja!“, sagte ich erleichtert.

„Na also! Und nun bedecke deinen herrlichen Körper, bevor meine Gelüste die Oberhand gewinnen“, nahm er das Kleid vom Bügel, „Ich wette, Alia suchte es aus! Es ist, als wüsste sie genau, wie sie mich dranglasieren kann, ein tiefer Rückenausschnitt! Unter Garantie sollst du dein Haar hochstecken.“

„Genau! Warum?“

Er lachte verzweifelt, schlug die Augen zu und atmete tief durch, „Dein Nacken, dein Hals, dein Rücken, deine makellose Haut, sie ziehen mich magisch an. Zudem kann jeder x-beliebige notgeile Vampir sich daran erfreuen, was doch eigentlich mir allein zusteht. Keine Sorge, ich lernte meine Lektionen, kleide dich, wie immer du möchtest, denn eines ist gewiss, später gehörst du ganz allein mir“, hielt er das Kleid in die Höhe, so konnte ich ganz einfach hineinschlüpfen.

„Wieder eine neue Erfahrung“, schmunzelte er, „und keine der Schlechtesten!“

„Nun höre aber auf! Du warst mir oft genug eine Hilfe!“

„Ja schon, doch niemals im Einvernehmen. Siehst du ich kann dich küssen, dich berühren ohne das du gleich in Abwehrstellung gehst. Ich musste dich immer erst überzeugen, die Herausforderung genoss ich sicherlich, besonders den Sieg, doch so finde ich es auch schön.“

„Du spinnst!“, kicherte ich.

„Und du bist die unromantischste Frau, die ich kenne! Jede andere wäre mir selig in die Arme gefallen.“

„Dann such dir doch eine!“, giftete ich voller Eifersucht.

„Sarah ist eifersüchtig, es geht wie Öl herunter, nur weiter so, mein Ego kann es gebrauchen, wenn ich nur an den Franzosen und Ciaran denke.“

„Ach ist Ciaran angekommen?“

„Ja! Er und Pierre lieferten sich bereits die erste Schlacht. Deshalb rief mich meine Mutter, sie drohte auszuufern.“

„Was war denn los?“, steckte ich mir das Haar hoch.

„Was wohl? Sie stritten deinetwegen und ich musste den Schlichter spielen, glaub mir am liebsten hätte ich sie von der Festung verbannt.“

„Was nun?“

Er grinste, „Na was wohl! Sie benehmen sich, ansonsten werde ich dein Begleiter für die nächsten Tage.“

„Ach? Und du hast dich natürlich mit entsprechender Märtyrermiene bereit erklärt.“

„Du sagst es! Ich verstehe gar nicht, warum sie so schnell einlenkten. Ich hoffte geradezu auf weitere Diskussionen …“

„… damit der Herr der Festung sein Machtwort sprechen konnte.“

„Wie leicht du mich durchschaust! Du siehst atemberaubend aus“, seufzte er, „und ich darf nur von Weiten zuschauen, wie Pierre dich hofiert. Es wird ein verdammt langer Abend.“

„Mit wem gehst du eigentlich?“ Nun wich er meinen Blick aus, „Charly!“, sagte ich laut. „Dann wünsche ich dir viel Vergnügen, du Heuchler!“

„Sie zwängte sich geradezu auf! Du weißt doch, wie sie ist, dann noch Henry, der sie darin bestärkte, was sollte ich tun?“, hielt er mich an den Schultern fest.

„Eine andere Begleiterin vorschieben!“

„Das hättest du auch!“, giftete er. Wir stierten uns böse an.

In diesem Moment klopfte es, „Ja!“, rief Corvin ungehalten.

„Corvin? Eigentlich suche ich Sarah!“

Brüsk befreite ich mich aus seinem Griff, „Ich komme, Pierre“, rief ich, die Tür aufreißend, „Corvin wollte gerade gehen!“, sah ich ihn unversöhnlich an.

Er begegnete mir mit dem gleichen Blick, „Ja, meine bezaubernde Begleitung wartet sicherlich schon!“, meinte er in meine Richtung.

„Dann viel Spaß! Pierre komm ruhig herein, ich muss nur noch etwas Rouge auflegen“, strahlte ich ihn geradezu an.

„Du bist wunderschön, mon Coeur!“, enttäuschte er mich nicht.

Schnaubend verließ Corvin mein Zimmer, eine kalte Fahne hinter sich herziehend. „Da ist aber jemand sauer!“, grinste Pierre, „Bist du soweit oder möchtest du dich einen Augenblick beruhigen?“

„Wieso beruhigen?“, versuchte ich einen normalen Tonfall anzubringen.

„Ach Sarah“, trat er vor mich, mein Kinn anhebend, „mir kannst du nichts vormachen. Genauso wenig wie ihm!“, hauchte er, mir einen Kuss auf die Wange.

Schnell trat ich zurück, was ihn lächeln ließ, „Noch bin ich mir nicht im Klaren, was zwischen euch vorgeht. Eines ist gewiss, kampflos werde ich nicht aufgeben.“

„Nicht …“, schüttelte ich den Kopf, weil ich nicht wusste was ich sagen sollte.

„Ich bin Realist, Sarah und kann meine Chancen gut ausrechnen. Die nackten Zahlen sprechen gegen mich, doch ich hoffe auf diese kleinen Auseinandersetzungen, die dir die Augen öffnen, wer besser zu dir passt.“

Noch immer schweigend war ich versucht ihm zu sagen, dass ich Corvin liebte. Er nahm es mir vorweg, „Solltest du jetzt deine Gefühle ansprechen wollen, dann sei dir gewiss, die kenne ich, kannte dich schon immer. Damit habe ich mich schon lange abgefunden, ich bin einfach zu spät in dein Leben getreten. Nun aber genug, ich wollte dir nur meine Absichten kundtun, da ich weiß, wie sehr du Überraschungen verabscheust“, wandte er sich der Tür zu.

„Du verrennst dich, Pierre!“

„Das lass mal meine Sorge sein, mon Coeur. Ich habe noch einige Trümpfe parat“, ließ er mich vorgehen. „Exquisit!“, spürte ich seine Hand in meinen Rücken, die er, so vermutete ich, tarnend den Weg weisen sollte.

„Du trägst keinen BH! Wie schade, dass kein kühler Wind weht“, meinte er anzüglich, die Hand leicht auf meiner nackten Hand liegend lassend.

„Du gehst zu weit!“, schritt ich schneller aus.

„Nicht weit genug, schließlich gehen wir zu einer Gesellschaft, ich kann mir weitaus Vergnüglicheres vorstellen“, holte er auf.

Marsé empfing uns mit strahlender Miene in der Halle, „Wir halten es heute ganz zwanglos“, teilte sie uns mit einem Lächeln mit, „Also ich muss sagen, ihr seid ein hübsches Paar! Was meinst du Rosmerta?“, die an ihrer Seite stand.

„Naja, ich könnte mich mit dem Franzmann abfinden, wenn Sarah ihn unbedingt will.“

Pierre grinste stolz, ich fragte: „Was versprach er euch, damit ihr diesen Blödsinn von euch gebt?“ Marsé geschockt und Rosmerta gackernd, bestritten meinen Verdacht.

Mein Begleiter amüsierte sich königlich, „Siehst du mon Coeur, selbst deine Freunde finden ich sei der Richtige für dich. Bearbeitet meine störrische Geliebte ruhig, ich bin für jede Hilfe dankbar“, verbeugte er sich vor den beiden Damen, die ihn sich seinem versprühenden Charme keineswegs entziehen konnten oder wollten.

„Seit wann bin ich deine Geliebte?“, wurden mir die Worte erst jetzt bewusst.

„Wie genau du es immer nimmst!“, begrüßte er nickend einige Gäste, für die ich kaum einen Blick übrig hatte. Mein Augenmerk lag ganz bei ihm, nun vertiefte sich sein Grinsen noch. Er schaute mich zärtlich an, dabei kam er sehr nah, die braunen Sprenkel in seinen Augen konnte ich ohne Schwierigkeit erkennen.

„Bleib mir ja vom Leib!“, zischte ich leise.

Er etwas lauter, „Ich liebe dich auch!“, damit nicht genug, vergrub er sein Gesicht in meiner Halsbeuge. „Pierre!“, gab ich ihm einen Schubs, „Ein bisschen stürmisch heute Abend, mon Coeur?“

„Ja, glaubst du denn auf dein Affentheater fällt irgendjemand herein?“

„Einer auf jeden Fall!“, deutete er nach links, „Ciaran, glotzt recht betrübt! Da waren es nur noch zwei!“

„Es reicht! Mir reicht es! Entweder du hältst Abstand oder ich lasse dich stehen!“

„Du meinst es ernst, hm? Na gut, ich verhalte mich ab sofort wie ein vollendeter Gentleman, versprochen! Darf ich dir ein Glas Sekt holen, einen Rotwein oder ein Aperitif?“

„Rotwein!“, ich hoffte darin Nahrung zu finden, hauptsächlich Nervennahrung, bevor ich in Schreikrämpfen ausbrach.

„Er ist ja richtig motiviert!“, schlichen sich Till und Hendrik heran.

„Hört ja auf! Noch ein bisschen und ich zeige ihm was es heißt ein Krieger zu sein.“

„Da würde ich an deiner Stelle vorsichtig sein, Sarah. Auch wenn er wie ein Dandy herumläuft, kämpfen kann er“, meinte Till.

„Ach Quatsch! Große Reden kann er schwingen!“, zweifelte ich seine Worte an.

„Nein, ehrlich! Frage Michelé, wenn du mir nicht glaubst.“

„Michelé habe ich seit Tagen nicht gesehen. Wisst ihr, wo er abgeblieben ist?“ Sie verneinten, langsam machte ich mir Sorgen, man verschwand doch nicht so einfach.

„Wer weiß, in welchem Auftrag er unterwegs ist, wäre nichts Neues“, sagte Hendrik auf Corvin deutend, der gerade mit Charly, die an seinem Arm hing, hereinkam.

Till frohlockte, „Die Wette lohnte sich!“, rieb er sich die Hände.

„Ein Rotwein für die schönste Dame des Abends!“, reichte mir Pierre ein Glas, „Till, Hendrik ich hoffe, ihr wollt mir Sarah nicht entführen!“

„Wer weiß! Ein Wink genügt!“, meinte Hendrik ungewohnt ernst.

„Verstehe! Das alte Spiel, Sarah wird wie euer Augapfel gehütet. Inzwischen kann sie sich sehr gut allein verteidigen, versichere ich euch.“

„Was wir durchaus wissen“, mischte sich nun auch Till ein, „Alte Gewohnheiten legt man schlecht ab, Pierre. Wie ist es mit dir? Bist du lernfähig?“

„Durchaus! Denn ich lerne jeden Tag dazu.“

„Was zu beweisen wäre.“

„Kein Problem, ich muss nur die Chance erhalten. Genau daran arbeite ich gerade.“

„Hallo ihr vier, was zieht ihr denn so ernste Gesichter?“, stellte sich Alia, zwischen Till und Pierre.

Pierre ergriff das Wort, „Ich erklärte den Aufpassern gerade, wie lernfähig ich bin. Zu meinen Leidwesen zweifeln sie an meine ehrlichen Absichten.“

„Ah, es geht um Sarah! Tja Pierre, da muss ich meinen Freunden zustimmen. Schließlich hast du so ziemlich alles verbockt. Versicherungen allein genügen uns nicht, damit musst du klarkommen.“

„Meint ihr nicht, ich kann für mich allein reden?“

„Nein!“, sagten sie einstimmig, „Natürlich kann ich das!“, widersprach ich aufgebracht.

„Anscheinend spielt es keine Rolle, mon Coeur“, lächelte Pierre, „nun ich sagte Sarah bereits das ich nicht so leicht aufgebe, wenn mein Vorhaben Sarah zu heiraten nur über euch geht, dann bitte, auch dies nehme ich in Kauf. Ich stehe jederzeit zur Verfügung, falls ihr mir Fragen stellen wollt.“

„Du redest von Heirat! Wie ernst ist es dir damit?“, wollte Hendrik gleich wissen.

„Sehr ernst, ein Ring wartet bereits in meinen Gepäck für Sarah.“

„Stop!“, sagte ich resolut, „Einmal davon ab, dass es euch nicht das Geringste angeht, habe ich nicht vor zu heiraten. Weder Pierre noch sonst jemanden!“, wandte ich mich ab.

Auf der Suche nach einem vernünftigen Wesen hielt ich auf Rosmerta und Ross zu. „Du siehst verärgert aus, Sarah. Was ist los?“

„Was los ist? Pierre meint er wolle mich heiraten, da spielen meine Wünsche keine Rolle. Meine Freunde sind der Meinung, sie müssten den Franzosen erst einmal unter die Lupe nehmen, weil sie angeblich auf mich aufpassen müssen.“

Rosmerta kicherte, „soso, da hat er sich ja was vorgenommen! Was ist mit dir? Spielst du mit dem Gedanken Pierre eine zweite Chance einzuräumen?“

„Nein! Was soll ich mit einem Ehemann?“ Ross rückte auf einmal auf seinem Stuhl hin und her. Ich schloss die Augen, na klar, ich war ja bereits gebunden! Was schlimmer als ein Ehemann war.

„Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, einen Beruf zu erlernen, einen der mir Spaß macht. Ich muss an meine Zukunft denken, da ich von keinem Mann abhängig sein will. Egal wie reich er ist!“, zielten meine Worte auf Ross.

„Ein guter Gedanke, Sarah! Schon irgendwelche Vorstellungen?“, fragte Rosmerta interessiert nach.

„Nein! Ich hab keine Ahnung“, gab ich geknickt zu.

„Dann sprich mit einem Vampir namens Lucas Hiller. Ich gebe dir seine Nummer, er wird dir helfen etwas Passendes zu finden und dich unterzubringen. Es kann sein, das du in ein anderes Land ziehen musst.“

„Kein Problem! Ich hole mir die Nummer nachher, wenn es dir recht ist.“

„Du hast es aber verdammt eilig!“

„Je schneller desto besser!“

„Du solltest dir diesen Schritt gut überlegen, Sarah und nichts übereilen“, sagte nun Ross.

„Es ist besser so! Wünsche gehen manchmal nicht in Erfüllung, so ist es nun einmal.“

„Ich höre und verstehe kein Wort! Worüber redet ihr?“, wollte Rosmerta wissen.

„Nicht so wichtig, Rosmerta“, lächelte ich ihr beruhigend zu.

„Entschuldigt mich!“, stand Ross auf.

„Es ist mein fester Entschluss, Ross! Daran kann niemand etwas ändern!“, sagte ich fest. Erst jetzt, nachdem ich die Worte laut aussprach, bekam ich Klarheit. Ja, ich musste fort, ja ein Leben an Corvins Seite ängstigte mich. Ich kannte ihn gut genug, als Ratsmitglied forderte er sicherlich meine ständige Anwesenheit. Wie sollte ich jemals einen Job ausüben? Ich kannte bereits die Vorgehensweise des Rates, die endlose Abfolge eingefahrener Riten. Wo sollte ich jemals die Zeit dafür finden einen Beruf zu erlernen?

„Soso, nicht so wichtig!“, musterte mich Rosmerta skeptisch, „Was wird hier gespielt? Welchen Unsinn verzapft du gerade, Kind?“

„Kein Unsinn!“, schluckte ich hart, da ein Schluchzen meine Kehle zuschnürte, „Ein bisschen heiß hier drinnen, nicht wahr? Ich schnappe mal eine Runde frische Luft“, floh ich hinaus in den geschmückten Hof, den ich voller Vertrauen in die Zukunft mit herrichtete.

Ausgerechnet Charly und Corvin liefen mir über den Weg. „Sarah! Wir bewunderten gerade den Hof. Dein Vater kann froh sein, so gute Freunde zu haben.“

„Sicher!“, ließ ich sie stehen.

„Was ist denn mit ihr?“, hörte ich Charly fragen. Na sicher sie haben den Hof bewundert! Fragt sich nur in welcher Ecke, lief ich weiter durch das Tor.

„Wer da?“

Erschrocken hielt ich inne, seit wann wurden wieder Wachen aufgestellt?

„Sarah?“, nun erkannte ich die Stimme, „Diederich, was machst du denn hier?“

„Na, was wohl, Wache schieben! Einige verdammte Schmarotzer versuchten bereits in die Festung zu gelangen. Wie ist die Gesellschaft?“

„Wie immer! Viel Gerede ohne Inhalt!“

Er lachte, „Auch nichts für dich! Deshalb habe ich mich freiwillig gemeldet, kein Wort zu Isabel, ansonsten macht sie mich lang. Ich hab die Nase gestrichen voll von Anzügen und dem Gelaber! Komm setz dich zu mir, zu zweit vergeht die Zeit schneller.“

Ich setzte mich, denn mit Diederich konnte man wunderbar seinen Gedanken nachhängen. Er schwieg wie erwartet, trotzdem konnte ich keinen klaren Gedanken fassen denn nur ein Name kreiste in meinen Kopf herum.

Irgendwann sah Diederich in den Himmel hinauf, „Die Ablöse kommt gleich. Hoffentlich haben sie es nicht übertrieben, schließlich sollten wir morgen im Besitz all unserer Sinne sein.“

„Seit einer Weile ist es still“, antwortete ich.

„Ja! Geh nur und ruhe dich ein wenig aus, ansonsten macht sich Vlad noch Sorgen und vergisst sein Gelöbnis!“, kicherte er.

So stand ich auf, „Danke!“, beugte ich mich zu ihm herunter und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Na, so was!“, murmelte er verlegen.

Tatsächlich lag alles im Dunkeln da, im Raum deutete nichts mehr auf die Gesellschaft hin. Mir wurde bewusst, dass ich nun die letzte Nacht auf der Festung verbrachte, ließ ich mich in einen Sessel fallen.

Die Tränen, die ich bisher zurückhielt, strömten nun ungehindert hinaus. Warum fragte ich mich, musste ich erst dieses Glück erfahren nur um es zerbrechen zu sehen.

Liebe ist schrecklich! Sie verspricht Glückseligkeit, im Nachhinein erntet man nur Einsamkeit. Sei nicht ungerecht Sarah, schau dir Alia und Peer an, Vater und Muse, selbst Diederich mit seiner Isabel!

Nur du, nur du kannst sie nicht halten, wahrscheinlich soll es so sein. Ich liebte Corvin und zweifelte auch nicht an seiner Liebe. Was uns im Weg stand lag auf der Hand, wir passten nicht zueinander.

Zu viel stand zwischen uns, er als Clanoberhaupt und Ratsmitglied musste seine Pflicht erfüllen, was ich durchaus verstand. Anders wollte ich es auch nicht, denn ich glaubte an ihn und seine Zukunftsvisionen.

Aber genau dort passte ich nicht hin! Es lag auf der Hand, wieso dachte ich nie früher daran? So simpel gestand ich mir ein, du warst zu sehr damit beschäftigt deine Gefühle zu leugnen! Über ein gemeinsames Leben mit ihm dachtest du nie nach.

Doch das war nicht alles! Ein Leben mit ihm bedeutete ständiger Kampf, er denkt bestimmt genauso von mir. Ruhe und Frieden würde es zwischen uns nie geben, ich wusste es nun.

Dafür waren wir beide zu starke Charaktere, na gut Sturköpfe! Das beste Beispiel lag erst einige Stunden zurück.

Ein Leben mit einem Partner sollte harmonisch sein, genau dies wünsche ich mir. Ruhe, Frieden, Vertrauen sollte in einer Partnerschaft vorherrschen. Nicht für dich Sarah! Nicht für dich!

Mühsam setzte ich mich auf, schaute mich um, prägte mir jede Kleinigkeit ein. Sogar in den Turm ging ich, der Speisesaal, zwar frisch gestrichen, doch die Möbel blieben umrundete ich den Tisch, Erinnerungen an Gespräche nachhängend.

Die Stufen hinauf wollte ich nicht, schlich ich leise in den Gästetrakt, wenn ich nur wüsste wo Hendriks Zimmer lag, mit ihm hätte ich geredet, ihm hätte ich mich anvertraut.

Bevor ich in mein Zimmer trat, horchte ich an Corvins Tür, es drang kein Geräusch hinaus. Entweder schlief er, was ich bezweifelte, oder er verbrachte die Nacht woanders.

Einen Moment dachte ich an Charly. Nein, sei nicht ungerecht, vorsätzlicher Betrug kam für ihn nicht infrage. In diesem einen Punkt waren wir uns ähnlich, schloss ich meine Tür auf.

Der Raum lag verlassen da, die Hoffnung, welche ich in einem geheimen Winkel hegte, zerstob, er war nicht da. Im Grunde wusste ich es, Stolz! Weder er noch ich konnten nachgeben! Die Fronten standen, unüberbrückbar für einen von uns.

So wie ich war, legte ich mich aufs Bett, überließ mich meinen Tränen. Ja heute wollte ich trauern, sobald der Morgen graut Sarah, musst du die glückliche Tochter spielen. Sobald der Morgen graut, musst du ihm gegenübertreten als sei nie etwas geschehen.

Ross muss die Verbindung lösen, egal wie, er musste! Sobald der Morgen graut!

Viel zu früh vertrieb die Sonne die Nacht, mühselig kletterte ich aus dem Bett. Schlurfte lustlos ins Bad, spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Dabei sagte ich mir immer wieder, reiße dich zusammen Sarah Sardovan, reiße dich zusammen.

Ross fand ich im Küchentrakt, zum Glück allein. Als ich ihm meine Forderung mitteilte, schaute er mich ausdruckslos an, „Wie kommst du darauf, ich könne deinen Wunsch ausführen?“

„Du kannst es! Ich weiß es!“

Er schüttelte den Kopf, „Viel weiß ich nicht darüber, eines kann ich dir sagen. Solange die Liebe besteht bleibt die Verbindung bestehen. Liebst du Corvin nicht mehr?“

„Darum geht es doch gar nicht!“

„Tja, was soll ich sagen, ihr müsst euch arrangieren.“

„Das ist alles?“, loderte Panik in mir auf.

„Das ist alles, ich sagte es Corvin schon.“

Demnach wollte er das Gleiche! Er kam zu den gleichen Schlussfolgerungen, wie ich in der Nacht. Arrangieren! Wie? Eine Abmachung, ein Vertrag? Ja! Gefühle veränderten sich, meine einzige Hoffnung.

„Also gut! Ich rede mit ihm!“, marschierte ich los, aber nicht gleich in den dritten Stock. Zuerst Rosmerta, ich wollte die Telefonnummer haben. Die gab sie mir, ohne zu zögern, dann erinnerte sie mich an etwas, „Deine Akte, die solltest du zur Hand haben. Besser wäre es, wenn du sie ihm faxt, dann kann er im Vorfeld ausloten, was für dich in Betracht kommt.“

Der Anruf musste vorerst genügen, denn ich wollte ein persönliches Gespräch, dies sollte mein Grund für meine Abreise sein. Wenigstens für meine Freunde, die sicherlich nicht verstanden, warum ich überstürzt fort wollte.

Nun kam die schwierige Aufgabe, bevor ich bei Corvin anklopfte, wollte ich ein Krieger sein. Jener Krieger, der ich einst war, dem Gefühle, Lachen, Weinen fremd war, sie sogar verachtete.

In meinen Zimmer zog ich mir die Montur an, der erste Schritt, die Haare fest zu einem Zopf gebunden, der zweite Schritt, fokussieren, konzentrieren, der dritte und schwerste Schritt. Vulpe entstand langsam, verriet mir mein Spiegelbild.

Kalt, abschätzend, wild schaute sie mich an, noch nicht ganz eins mit ihr ließ ich Sarah hinter mir. Vulpe wollte ich sein! So konnte ich ihm in die Augen sehen. Vulpe, die Tränen für Schwäche hielt.

Konzentriere dich, erinnere dich, wie du einst warst. Frei von Zwängen und Gefühlen, unabhängig und stark warst du. Es klappte nicht ganz, zu sehr veränderte ich mich. Es musste reichen!

Entschlossen klopfte ich an, ein unbestimmter Ton nahm ich als Einladung an. Er saß im Bett, das feste Haar zerzaust, blutunterlaufene Augen. Er hat getrunken!

„Du!“

„Ja, ich!“, kalt und präzise kamen die Worte.

Er sah mich irritiert an, nutzte die Chance! „Ich war gerade bei Ross und verlangte die Verbindung zu trennen. Er sagte es stehe nicht in seiner Macht! Deshalb will ich ein Abkommen, jeder lebt, wie es ihm beliebt. Eines Tages wird die Verbindung sich von selbst lösen. Keiner stellt an den anderen Ansprüche! Das ist alles!“

Während ich sprach kam Leben in seine Züge. Sei vorsichtig Vulpe, er ist ein gefährlicher Gegner. „Das ist alles!“, glättete er sein Haar, indem er die Hände nach hinten strich, er überlegt, verschafft sich Zeit.

„Genau! Ich setze dein Einverständnis voraus!“

„Ist das so? Mir fehlen da einige Details! Deine Schulden zum Beispiel!“

„Werde ich begleichen, darauf gebe ich dir mein Ehrenwort. Nach meiner Rechnung ist ein gewaltiger Teil getilgt.“

„Das ist er“, stimmte er zu.

„Damit wäre alles geklärt!“, wandte ich mich bereits ab.

„Bis auf eines“, seine Worte ließen mich innehalten. Ungeduldig drehte ich mich um, „Was noch?“

„Ich bin nicht bereit, wieder als verdammter Eunuch zu leben.“

„Ja und? Was geht es mich an? Wie gesagt jeder lebt, wie es ihm beliebt!“

„Das ist ja der Haken, eine andere Frau reizt mich nicht, du wirst meine Gelüste stillen.“

Kurz überlegte ich, „Na gut! Einmal im Monat! Die Treffen bekommen feste Termine, verpasst sie einer wird es keinen Neuen geben.“

„Raffiniert! Darauf lasse ich mich nicht ein, außerdem ist mir einmal im Monat zu wenig.“

„Schlage eine Zahl vor!“

„Dreißig Mal im Monat!“

„Inakzeptabel!“

„Na denn, gibt es keine Abmachung“, legte er sich wieder hin.

„Das ist Erpressung! Du warst doch auch bei Ross, warum stellst du dich jetzt Quer?“, musste ich mich zusammenreißen, am Liebsten hätte ich ihn geschüttelt.

Mit extremer Langsamkeit, streckte er sich, gähnte ausgiebig, zu einem Zweck, Provokation! Schließlich drehte er sich auf die Seite, musterte mich, „Oh ja, ich war bei Ross!“, schaute er mich an.

Das war´s! Er sah mich nur an! „Und?“

„Ach du möchtest wissen, weshalb ich ihn aufsuchte“, ließ er sich auf den Rücken fallen. Ganz ruhig sagte ich mir, ganz ruhig! Warte! Du kannst es, abwarten gehört zu deiner Natur.

„Eigentlich nicht!“, änderte ich die Taktik, überraschen und zustoßen, so lehrte Geirrod es.

Ohne Erfolg, dieser Vampir ließ sich keineswegs überrumpeln. „Dann ist ja gut!“, meinte er träge. Mit einem Augen schielte er auf die Uhr an der Wand, „Es ist recht früh! Massig Zeit! Du entschuldigst mich!“, wandte er mir den Rücken zu.

Einen Augenblick stand ich perplex da, nur ein Sekundenbruchteil! „Was machst du?“, schnellte ich vor, ihn an der Schulter fassend, genau so schnell sprang ich zurück.

Meine Vorsicht erwies sich als unbegründet, er rührte sich nicht, antwortete jedoch, „Schlafen!“, murmelte er ins Kissen.

„Zuerst regeln wir das Abkommen!“

„Welches Abkommen?“

Er sollte Jungvampire ausbilden! Von ihm konnte man vieles lernen! Besonders den Gegner zu verwirren, ihn aus der Reserve zu locken. Ich stand kurz davor!

„He Corvin ich sollte dich …!“, platzte Hendrik herein, verblüfft starrte er mich an, „Was machst du denn hier?“, dann musterte er meine Kleidung, runzelte die Stirn, „Sind wir wieder im Krieg?“

„Nein“, blaffte ich ihn an.

„Oho! Den Ton kenne ich! Spielst du etwa Vulpe?“, kicherte er amüsiert, „Gerade am Hochzeitstag deines Vaters? Keine gute Idee, Sarah! Was soll der Blödsinn überhaupt?“

„Vulpe!“, rief Corvin überrascht und sprang nackt aus dem Bett.

„Zieh dir was an, Boss! Und halte dein Ding nicht auf mich gerichtet, es ist Widerlich!“, nutzte Hendrik mich als Schutzschild.

„Vulpe!“, stand er breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt vor mir, „Du fährst schwere Geschütze auf. Hendrik verschwinde!“

„Nur zu gern! Darf ich erfahren, was los ist? Sarah möchtest du …“

„Raus!“, knurrte Corvin ganz leise.

„Bevor ich gehe, möchte ich euch an eines erinnern, vermasselt Vlad den Tag nicht.“

„Keine Sorge, die Angelegenheit ist in zwei Minuten erledigt!“, antwortete Corvin schon milder gestimmt.

Sacht fiel die Tür ins Schloss, „Du willst ein Abkommen! Hier gebe ich dir eines!“, fuhr sein Arm hoch, blitzschnell ritzte er sich die Haut auf. Bevor ich reagieren konnte, hielt er bereits meinen Arm an seinen Mund. Mit schwarzen Augen bleckte er die Zähne und biss zu.

Meine Abwehr kam zu spät, mein Schrei wurde erstickt durch seinen Arm, Blut sickerte mir in den Mund. Animalische uralte Triebe erwachten. „So sieht unser Abkommen aus, gebunden durch Blut. Mehr gibt es nicht zu sagen.“

Überscharf sah ich einen Tropfen meines Blutes über sein Kinn rinnen, spürte seine Erregung, meine, sie füllte mich ganz aus. Es gab nur Verlangen, welches gestillt werden musste, jetzt, sofort, umgehend, riss ich mir bereits die Kleidung vom Leib.

Ein kurzer gewalttätiger Akt, der nur eines forderte, Befriedigung der Lust. „Du verdammter Mistkerl!“, fuhr ich Corvin an, nachdem die klaren Gedanken zurückkehrten, „du tatest es mit voller Absicht!“

„Ja!“, gab er unumwunden zu, „mir blieb nur diese Möglichkeit. Ich dachte du hättest verstanden, was auch immer geschieht, wir bleiben ein Paar. Ein Streit, ja und! Er bedeutet nicht das Ende! Und damit du es weißt, er ist noch nicht vorbei!“

„Wie war denn dein Abend mit Charly? Habt ihr den Hof entsprechend gewürdigt?“

„Aber sicher, mon Coeur!“, äffte er Pierre nach.

Abrupt sprang ich auf, „Deine Imitation ist schrecklich! Und egal was du sagst oder behauptest, ob du zustimmst oder nicht, heute Abend verschwinde ich! Du kannst mich nicht festhalten.“

„Wir werden sehen, wie weit du kommst, du stures Frauenzimmer!“

„Die Sturheit kannst du dir auf die Stirn tätowieren lassen“, rauschte ich hinaus und ließ die Tür mit voller Wucht zuknallen, um in tiefblaue belustigte Augen zu schauen, „Na, die Balgerei vorbei?“, fragte Henry an der Wand gelehnt.

„Damit du es weißt du neugieriger Spanner, es ist vorbei!“

„Ist es nicht!“, wurde die Tür aufgerissen, „Was willst du? Und verschone meine Frau mit deinen lüsternen Blicken.“

„Ich bin nicht deine Frau!“

„Bist du doch!“, versuchte er mich vor Henry abzuschirmen, was ich zu verhindern versuchte. Eine Rangelei entstand, bei der Henry vergessen wurde.

„So sehr ich euer seltsames Liebeswerben auch genieße, langsam solltet ihr in die Socken kommen. Vlad trifft bald ein!“

Wir hielten augenblicklich in der Bewegung inne, Henry wandte sich bereits ab, „Ach noch etwas, eure brünstigen Schreie hörte man auf der gesamten Festung. Das nächste Mal solltet ihr die Fenster schließen! Man erwartet euch vor der Strafkammer“, gickelte er voller Spott.

„Alles deine Schuld!“, kratzte ich ihn über den Rücken.

Er jaulte schmerzhaft auf, verpasste mir einen Schlag auf den Po, „Das wollte ich schon immer!“, lachte er voller Hohn.

„Beeilung! Oder soll ich Vlad zu euch hinaufschicken?“, rief Henry vom Ende des Ganges.

Seine Androhung wirkte Wunder, wir ließen voneinander ab. „Den Schlag verzeihe ich dir nie!“, fauchte ich meine Klamotten aufsammelnd.

„Den verdientest du!“

„Frauenschänder!“, klagte ich ihn an und marschierte in meinen Raum.

„Musst du immer das letzte Wort haben?“

„Ja!“, schrie ich, knallte nun meine Tür zu.

Vor mich hinfluchend betrat ich meinen Raum, Alia saß dort mit bleichem Gesicht, betroffen wich ich ihrem Blick aus. Sie sagte kein Wort zu den Geschehnissen.

„Ich habe dir dein Kleid mitgebracht“, sagte sie mit dünner Stimme, stand auf und nahm einen Anzug, der am Schrank hing, „der ist für Corvin! Soll ich dir helfen?“

„Nein, musst du nicht!“, meinte ich verlegen. Wie viel bekam sie mit?

„Sarah …?“

„Ja?“

„Du verlässt uns wirklich?“

„Ja, sobald Vater und Muse weg sind. Es ist besser so!“

„Aber …, wird er es zulassen?“

„Danach frage ich nicht“, reckte ich mein Kinn vor.

„Zwischen euch wird es nie ein Ende geben, Sarah. Es ist mir jetzt klar, du solltest es auch begriffen haben. Wie sehr du dich sträubst, dich weigerst, die Wahrheit leugnest, irgendwann trefft ihr zusammen. Was dann? Glaub mir, ich kenne ihn gut, wie auch dich. Ihr könnt nicht anders, da ihr zu den seltenen Lebewesen gehört die sich nur einmal binden. Es ist eure Natur, egal wie sehr du dich dagegen wehrst, bleibt die Tatsache bestehen, ihr liebt euch.“

„Liebe!“, meinte ich ätzend, „Die kann man verdrängen!“

Sie schüttelte den Kopf, „Nein!“, sagte sie leise, bevor sie ging.

„Doch!“, widersprach ich, obwohl sie mich nicht hörte. Mein Entschluss stand fest, seine letzte Aktion bestärkte mich darin. Er wollte lediglich seinen Kopf durchsetzen, wollte nicht einsehen, dass er seit zwanzig Jahren hinter einem Traumgebilde herjagte.

 

Gerade als ich den Hof betrat, stieg Vater aus dem Auto. Er wurde von allen Seiten begrüßt. Wie es aussah trafen die Gäste ohne das ich es bemerkte ein.

Auch gut! So entkam ich wenigstens der endlosen Begrüßung. Livio erspähte ich gleich, er kam auf mich zu, „Nun ist es soweit! Unser Vater heiratet!“, sagte er aufgeregt.

„So sieht es aus!“

„Geht es dir gut? Du siehst ein wenig angespannt aus.“

„Viel Arbeit!“, deutete ich auf den Hof. Eine Ausrede, die er hinnahm.

„Kommst du mit? Dann können wir ihn gemeinsam begrüßen, es wird Vater freuen, wenn er uns zusammen sieht.“

„Seit wann diese Fürsorge?“, fragte ich beißend.

Er seufzte, „Was auch immer du für Gefühle gegen mich hegst, begrabe sie! Wenigstens heute, Vater zuliebe.“

Einen Moment überlegte ich, schließe Kompromisse dachte ich, „Für Vater!“, nickte ich ihm zu.

„Danke!“, hielt er mir den Arm entgegen.

„Musst du gleich übertreiben?“, legte ich zögernd meine Hand in seine Armbeuge.

„Nur ein wenig! Ich freue mich jedenfalls dich zu sehen. Die nächsten Tage werden stressig“, begann er eine Unterhaltung als sei sie selbstverständlich zwischen uns.

„Ich habe meine Wohnung in Fenils bezogen, ein hübsches kleines Häuschen, Rosmerta überließ es mir. Es ist reichlich Platz vorhanden, wenn du mich besuchen möchtest.“

„Warum sollte ich?“

„Aus einem ganz einfachen Grund, Schwester! Wir müssen unsere Differenzen beseitigen, sobald du bereit dazu bist“, führte er uns geschickt durch das Gewimmel der zahlreichen Gäste.

Ein gewaltiger Hüne versperrte uns den Weg, „Na, wenn das nicht meine schlechteste Schülerin ist!“, wurde ich von Geirrod emporgehoben, „Lass dich mal anschauen, du Halbwilde! Siehst ja ganz manierlich aus mit all dem Schnickschnack am Leibe!“

Ich freute mich wirklich ihn wiederzusehen, schlang ich meine Arme um seinen Hals, „Und du bist nicht wiederzuerkennen in deinem Frack! Wo sind deine Haare?“

„Abgeschnitten!“, lachte er. Deshalb erkannte ich ihn nicht sofort, seine ungebändigte Mähne fehlte.

„Wie schade! Das einzig Schöne an dir lässt du abschneiden.“

„Frech wie immer! Wie haltet ihr es nur mit ihr aus, Corvin?“

Erst jetzt bemerkte ich ihn, „Es ist schwer! Aber wir arbeiten daran, ab und zu einen kräftigen Schlag auf den Allerwertesten, dann pariert sie schon“, grinste er mich triumphierend an.

„Richtig so! Das sture Weibsbild verträgt es schon, ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich sie auspeitschen musste. Ständig gab es Unruhe, sie verprügelte ihre Kameraden und widersetzte sich unentwegt meinen Anordnungen. Manchmal bekam ich den Arm nicht mehr hoch, bis sie endlich einknickte.“

„Ich kann mich gut erinnern, Geirrod! Du schlägst wie ein kleines Mädchen zu!“, grinste ich ihn frech an, seinen Nebenmann übersah ich geflissentlich.

„Ich bin geschockt!“, trat Kahlafs massige Gestalt dazu, „Du wurdest tatsächlich ausgepeitscht?“, fragte er mich.

„Fast täglich!“, versicherte Geirrod, „Ein wildes Tier muss man mit zarter Hand an sich gewöhnen. Einen außer Kontrolle geratener Jungvampir, musst du Verstand einprügeln, sie war unberechenbar. Gefährlich, immer zum Kampf bereit. Zum Glück, veränderte sie sich, weißt du noch, Corvin?“

„Ja, diesen Anblick vergesse ich nie!“

„Was ist denn geschehen?“, hinterfragte Kahlaf.

„Willst du tatsächlich weiterhin alte Kamellen ausgraben Geirrod?“, stellte ich schnell die Frage. „Ich begrüße jetzt Vater! Livio kommst du mit mir?“

„Ja, sicher!“, beeilte er sich, um mit mir Schritt zu halten. „Dann stimmen die Gerüchte! Zwischen euch ist etwas vorgefallen!!“

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst!“

„Es ist deine Sache! Hoffentlich bekommt Vater davon nichts mit, du weißt, wie er ist.“

„Leider!“, seufzte ich.

Und dann stand unser Vater vor uns. Lächelnd, strahlend und glücklich nahm er uns nacheinander in die Arme. „Wie schön euch so einträchtig zu sehen“, sagte er.

„Ja, die alten Kamellen haben wir begraben!“, meinte Livio. Er benutzte tatsächlich meine Worte! „Sarah will mich auch in Fenils besuchen! Ist das nicht toll, Vater?“

„Das ist es!“, schenkte er uns ein wohlmeinendes Lächeln, „Wie läuft es in Fenils?“

„Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Morgen sehe ich mir die Jungvampire an. Diederich folgt mir einen Tag später, er bringt zuerst Isabel und den Kleinen nach Fenils. Alles verläuft planmäßig, ihr könnt eure Flitterwochen genießen, Vater.“

„Wenn es nur schon soweit wäre! Dieser Lump“, drehte er sich suchend um, „ah da ist er ja! Eric! Jetzt kannst du dir etwas anhören, meine Kinder geben mir sicher recht.“

„Was ich bezweifle!“, grinste Eric, „Livio, schön dich zu sehen! Sarah“, drückten wir uns herzlich.

„Dieser hinterlistige Vampir trennte mich von Muse! Als ich …“

„… sturzbetrunken!“, sprach Eric dazwischen.

Vater hob abwehrend die Hände, „völlig unschuldig betrunken, denn er füllte mich ab!“

„Ja, ja, von wegen! Wer soll dir die Geschichte denn glauben? Ich musste ihn schleppen, erst nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, bemerkte er das jemand fehlte und das erst nach mehreren Anläufen! Einen schönen Ehemann gibst du ab! Vergisst doch glatt seine schöne Braut!“

„Das stimmt doch gar nicht!“

„Sie ist unterwegs!“, kam Alia aufgeregt angelaufen. „Stellt euch auf! Die Gäste müssen sich hinsetzen! Schnell, schnell!“, flatterte sie schon weiter.

„Endlich! Und ich soll wirklich nicht vor zum Altar?“, fragte Vater Eric.

„Muses Anweisungen waren sehr deutlich. Du bleibst genau hier stehen! Wo sind die Angehörigen, die Trauzeugen?“, winkte Eric uns zu sich, „Ihr bildet einen Halbkreis, etwa drei Meter von Vlad. Immer Paarweise! Sarah, Livio ihr in die Mitte nebeneinander“, deutete er auf einen imaginären Punkt.

„Was hat Muse denn vor?“, fragte Livio mich.

„Keine Ahnung!“, stellten wir uns wie gefordert hin.

Eric maß den Abstand, „Noch zwei Schritte zurück! Ja das reicht! Wo bleiben denn die anderen? Ah, da seid ihr ja endlich! Kahlaf dorthin, Marsé stell dich neben Livio! Ja so ist es gut, Rosmerta neben Sarah, dazwischen Corvin, Theodoric nun mach schon, dorthin.“

So ging es eine Weile weiter, bis er endlich zufrieden nickte. „Rührt euch nicht von der Stelle! Gerade du nicht Sarah!“, nahm er mich in Augenschein.

„Warum werde ich immer besonders angesprochen?“, grummelte ich düster.

„Die Frage solltest du dir mal durch den Kopf gehen lassen!“, antwortete Ross der sich an Livio und mir vorbeischlängelte und sich neben Vater stellte.

Livio feixte ungeniert! „Da hat er gar nicht mal unrecht!“

„Dem kann ich nur zustimmen!“, antwortete Corvin ungefragt.

Warum musste Eric ihn auch neben mir platzieren? „Willst du nicht einen anderen Platz einnehmen?“

„Ich stehe genau dort, wohin ich wollte, schließlich musste ich Ciaran und Eric bestechen. Langsam machst du mich arm, Sarah!“

„Ha!“, kam der Ton lauter als beabsichtigt. Vater wandte sich mit fragender Miene zu uns um. Ich lächelte, hoffentlich nichtssagend, Corvin wagte ich nicht anzusehen.

Ross beugte sich zu Vater vor, er sagte ihm etwas ins Ohr, worauf Vater eine undurchdringliche Miene zog. Was sagte Ross? Die Frage brannte mir unter den Nägeln. Selbst Corvin schien beunruhigt, er räusperte sich einige Male.

Ich konnte nicht anders und fragte ihn. „Keine Ahnung, Ross schirmt alles ab. Da geht etwas vor sich!“

Instinktiv schaute ich mich nach Henry um, „Henry ist nicht da!“

„Ich weiß!“

„Ein besonderer Grund?“

„Woher soll ich es wissen! Denn Alia, Peer, Till, Matt, Prya glänzen auch durch Abwesenheit.

„Vielleicht sind sie bei den Gästen?“, schaute ich hinter mich, doch die saßen alle, gespannt auf das Kommende. Ein gleichmäßiges Geräusch erweckte meine und nicht nur meine Aufmerksamkeit.

„Die Kutsche!“, hauchte ich leise, dabei kam Bewegung in unsere Reihe, die bisher Abwesenden stellten sich unauffällig dazu. Nun erkannte man den gleichmäßigen Galopp eines Pferdes.

„Keine Kutsche!“, erklärte Corvin, „Ich weiß es!“, lächelte er gespannt. Meine Neugier siegte, „Was denn?“

„Schau! Ihre erste Begegnung! Sieh dir Vlad an, er spielt mit, ich glaube es einfach nicht!“

Tatsächlich lief Vater auf die rechte Hofhälfte zu, hinter einem der Bäumchen duckte er sich. Muse kam auf einen edlen Braunen angaloppiert, sie saß in ihrem Brautkleid rittlings ohne Sattel auf den Rücken des Pferdes.

Ohne innezuhalten preschte der Braune genau in Vaters Richtung, er wird niedergetrampelt, fuhr mir der Schreck in die Glieder. Doch nein, knapp an Vater vorbei. Dieser flog geradezu auf das Pferd zu, ein mächtiger Sprung katapultierte ihn hinter Muse. Die nun triumphierend auflachend das Tier in eine langsamere Gangart fallen ließ.

Nach einer Ehrenrunde unter Applaus blieb das Pferd und Reiter schließlich bei Ross stehen. „So haben sie sich kennengelernt?“

„Es gehört eine Geschichte dazu. Vlad war auf Jagd, eine seiner Ersten, nachdem er seiner Mutter entkam. Unerfahren, wie er war, durchstreifte er unbewohnte Gebiete, anstatt ein Dorf aufzusuchen. Nun ja, Muse ritt aus dem gleichen Grund durch die Gegend, aber mit festen Ziel.

Jedenfalls hörte dein Vater, das herangaloppierende Pferd, versteckte sich in einem Busch und sprang hinter ihr auf. Bevor er seine Zähne in ihren Hals schlagen konnte, zeigte sie ihm ihre. Nun kommt es, er zuckte die Achseln und meinte zu ihr, „Dann darfst du mich jetzt reiten!“

„Nein!“, bekam ich große Augen, „Das hat er nicht gesagt!“

„Er hat!“, lachte Corvin, „Vlad in jungen Jahren ließ nie eine Chance nutzlos verstreichen.“

„Und Muse?“, wollte ich wissen.

„Sie warf ihn kurzerhand vom Pferd“, antwortete Livio, „Du kanntest die Geschichte nicht?“

„Ihr kennt doch Vlad, je älter er wurde, desto gesetzter benimmt er sich. Da verleugnet man den jungen Draufgänger doch zu gern. Im Übrigen behauptete er damals, als er mit geschundenen Knochen und noch immer hungrig ins Lager kam, die Frau seines Leben gefunden zu haben.

Einige Jahre später lief er eben dieser Frau über den Weg. Sie zeigte sich keineswegs begeistert, verspottete den armen Wicht und zeigte ihm lange Zeit die kalte Schulter.“

Inzwischen stand das Paar mit geordneter Kleidung bereit. Ross trat hinter sie und wir gingen zur Seite, damit das Brautpaar die Gasse zum Altar entlangschreiten konnte.

Livio und Marsé reihten sich hinter Ross ein, danach Corvin und ich, hinter uns Rosmerta und Ciaran und so weiter. Vor dem Altar blieben Vater, Muse und Ross stehen, während wir uns in die ersten frei gehaltenen Stuhlreihen setzten.

Schon verwunderlich, ein Trauzeuge für beide Parteien. Überhaupt ähnelte diese Heirat keiner anderen. Vater und Muse sprachen ihre Gelöbnisse, tauschten Ringe und küssten sich, damit wurde ihre Trauung besiegelt.

„Hat es eigentlich irgendeinen Wert?“, wollte ich wissen.

„Für uns Vampire, gewiss, für die Menschen nicht. Wir halten an die alten Bräuche fest. Da benötigt man weder einen kirchlichen Segen noch ein vom Standesamt beglaubigtes Papier“, stand er applaudierend auf, wie alle anderen auch.

Als das frisch getraute Paar ungefähr die Mitte erreichte, wurden sie mit Reis beworfen gleichzeitig segelten Blütenblätter durch die Luft, unzählige Tauben flogen gen Himmel. Ein einzigartiger Anblick konnte ich mich gar nicht sattsehen an dem Schauspiel.

„Jetzt gerade könnte ich dich küssen du siehst ungeheuer verführerisch aus.“

Allein seine Worte ließen mein Herz schneller schlagen. Es ist nichts, nur sein Blut welches reagiert, sagte ich mir, von ihm abwendend. Leider stand mir Livio im Weg, „Dort geht es entlang!“, meinte er, ganz der unausstehliche große Bruder.

„Das weiß ich auch!“, antwortete ich bissig.

„Eine fabelhafte Überraschung nicht wahr?“, blieb Corvin auf den Gang stehen, bis ich neben ihn trat.

„Versuchst du gerade eine Unterhaltung anzufangen? Spar dir die Luft zum Atmen!“

„Bisher erteilte ich dir doch Auskunft, da kannst du dich ein wenig revanchieren und mit mir eine Unterhaltung führen.“

Zähneknirschend konnte ich seiner Logik nichts entgegnen. „Nun?“, sah er mich fragend an, dabei legte er genau wie Pierre am gestrigen Abend seine Hand auf meiner nackten Haut. Ich schwor mir, nie wieder ein rückenfreies Kleidungsstück zu tragen. „Ja, eine schöne Darbietung!“, versuchte ich die Hand abzuschütteln, welche anders als bei Pierre, einen Schauer nach dem anderen verursachte.

„Was ist? Ein Krabbeltier?“, fragte Corvin leutselig.

„Ja, eines mit zwei Beinen!“ Er lachte amüsiert, „Wir sollten dort entlang“, führte er mich um die Gäste herum in den Hof, „Wir gratulieren, sobald das Gedränge nachlässt!“

„Meinst du, sie werden nicht sauer?“, fragte ich unsicher nach.

„Ach was! Sie sind vollauf beschäftigt!“, ging er immer weiter.

Mit unguten Gefühl blieb ich stehen, „Wo willst du eigentlich hin?“

„Unser Geschenk holen! Ich gratuliere ungern mit leeren Händen.“

Grimmig verzog ich das Gesicht, „Na sicher! Du kannst dein Geschenk allein holen!“

„Es ist unser! Keine Sorge, ich habe den Betrag auf dein Schuldenkonto geschrieben!“

„Du erhöhst ohne zu Fragen meine Schulden? Was fällt dir denn ein?“

„Es wächst von Tag zu Tag, meine Liebe! Ja glaubst du denn ich komme für all deine Fummel auf? Dein Zimmer kostet auch! Der Umbau deines Hauses!“

„Wie bitte?“

„Sarah, ich bin Geschäftsmann, ein erfolgreicher sogar. Zu verschenken, ist wider meiner Natur! Du solltest dir einen Schuldnerberater suchen. Ich weiß wirklich nicht, wie du die Summen jemals zurückzahlen kannst. Eigentlich bist du absolut nicht Kreditwürdig, ich leihe dir das Geld auf reiner Vertrauensbasis.“

„Vielen Dank auch! Wie viel schulde ich dir inzwischen?“

„Die Summe habe ich wirklich nicht im Kopf, ich müsste nachsehen.“

„Dann mach das!“

„Jetzt?“, riss er die Augen auf, „Wir sind auf einer Hochzeit!“

„Sofort! Ich will wissen, woran ich bin! Und ich komme mit, jeden Cent wirst du begründen müssen.“

„Nach dir!“, streckte er die Hand in Richtung des Einganges aus.

Schon legte ich die ersten Meter zurück, da begriff ich. „Du hinterlästiger …“, weiter kam ich nicht, seine Pranke schob sich auf meinen Mund. Ich wurde von den Beinen gerissen und hineingetragen. Erst im Büro ließ er mich los!

Sofort stürmte ich an ihn vorbei, die Tür schloss sich vor meinen Augen, ich stoppte, „Fällt dir irgendwann mal ein neuer Trick ein?“

Er zuckte lediglich die Schultern.

„Und nun? Willst du eine schnelle Nummer? Wie willst du es? An der Wand? Auf dem Schreibtisch? Sessel? Nun? Keine Antwort? Dann nehmen wir den Schreibtisch! Soll ich das Kleid hochschieben oder muss ich es ausziehen? Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?“

„In der Tat!“

Ich schnellte herum, erbleichte und wurde puterrot, alles im gleichen Augenblick!

„Ich nehme an, du meinst nicht mich? Sondern den dort! Was für eine nette Überraschung dachte ich, voller Vorfreude“, kam langsam der Kopf Merkurs zum Vorschein, „wendest du dich bitte um, Sarah. Ich möchte mich anziehen“, verschwand er wieder.

Oh mein Gott!

Meine Knie wurden weich, grenzenlose Scham ergriff mich, aber das Schlimmste, das absolute Schlimmste an dieser Situation, war Corvin! Auf den Knien, sich den Bauch haltend, mit Tränen in seiner lachenden Visage, schaffte er es tatsächlich, mich entschuldigend anzusehen.

Hinter mir ächzte und stöhnte Merkur, dabei murmelte er bedauernde Worte, dann dachte ich an Flucht! Ja hau ab! So schnell du kannst! So weit weg wie möglich!

Kaum die Gedankenfolge beendet, rannte ich in Panik auch schon los! Vergebens stellte ich schnell fest, wütend auf Corvin, der noch immer lachte, der mich in diese scheußliche Situation hineinverfrachtete.

Ich sah rot! Mit meinen gesamten Gewicht stürzte ich mich auf ihn, wieder einmal unterschätzte ich ihn. Anstatt das er umkippte, wie ein Sack der er war, bewegte er sich dermaßen schnell, weder konnte ich stoppen, noch seinen weit geöffneten Armen entfliehen. Mit einem lauten dumpfen Knall landeten wir auf den Boden.

Plötzlich ragte Merkur über uns auf, schmunzelnd sah er hinab. „Könnt ihr nicht warten, bis ich verschwunden bin? Zudem wird Kahlaf mich schelten, ich habe seine Lieblingsnadel noch immer nicht gefunden!“

„Weshalb suchst du diese unter meinen Schreibtisch?“, fragte Corvin als sei nicht das Geringste geschehen, als liege er nicht auf den Boden, mich in an seiner Brust gedrückt.

„Nun mein Lieber! Nicht nur dir allein ist es vergönnt, ein abwechslungsreiches Liebesleben zu führen.“

„In meinen Büro! Ja, ist euch denn nichts heilig? Wo habt ihr es getrieben?“

Merkur lachte, „Das willst du wohl gern wissen, was? Wie Sarah schon sehr trefflich aufzählte, alle Möglichkeiten bestehen! Aber vielleicht suhlten wir uns ja auf dem neuen Teppich, auf den ihr gerade liegt!“

In Nullkommanichts stand ich auf meinen Beinen, „Es ist widerwärtig! Heraus mit der Sprache, wo!“

Merkur grinste lediglich, „Wir sind immer sehr reinlich, Corvin!“, öffnete er ohne Anstrengung die Tür, „ach Sarah, du musst nur ganz fest daran denken, dass die Tür geschlossen ist, so bekommst du sie auf. Richte all deine Sinne auf die verschlossene Tür, mit einiger Übung klappt es dann irgendwann. Und genügend Übung scheinst du ja zu bekommen.“

„Das ist deine Schuld! Nie mehr kann ich ihm unter die Augen treten!“

„Ach hör doch auf! Du hast dich doch wie eine Wilde aufgeführt! Ich wollte dir nur mit dir reden! Wenn ich dich vernaschen wollte, wäre ich woanders hingegangen!“, stand seine Zornesfalte in seiner Miene.

„Was meinst du, wo haben sie es getrieben? Ich lasse das gesamte Büro auswechseln! Wer weiß, wer sich hier noch vergnügte! Ich glaub es einfach nicht, in meinen Büro!“, schrie er außer sich.

Da er einer Dampfwalze gleich durch sein Heiligtum schritt, ging ich Schritt für Schritt der Freiheit entgegen. „Du bleibst!“, ergriff er mich am Arm.

„Nein!“, wehrte ich mich mit ganzer Kraft.

„Nun hör schon auf!“, fand ich mich bewegungslos in einem Schraubstock aus Armen wieder. „Höre mir zu! Wir werden gleich hinausgehen und deinem Vater mitteilen, dass wir uns lieben, dass unsere Verbindung niemals gelöst wurde. Verstanden!“

„Ich will das nicht! Ich will weg von dir!“

„Ach meine kleine Füchsin, vor der Liebe kannst du nicht flüchten! Sie hält dich gefangen, martert dich Stunde für Stunde, erst wenn du ihr nachgibst wirst du Frieden finden. Du denkst wir können niemals in Harmonie und Frieden leben …“

„Woher weißt du das?“, kannte ich die Antwort bereits, „Du unsäglicher Schnüffler!“, versuchte ich ein erneutes Entkommen.

„Ganz ruhig!“, hielt er mich fester, „Ich ahnte, was in deinem Kopf vorgeht, deshalb suchte ich Ross auf. Er beendete die Barriere und es war gut, Sarah“, drückte er mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich habe die letzte Nacht mit dir gelitten, nun verstehe ich die Ursache. Damals verletzte ich dich zu tief, Alischa, der Rauswurf, all dies nagt an deiner Seele. Du magst sagen du habest mir verziehen, trotzdem bleibt deine Skepsis, bleibt Unsicherheit“, lächelte er auf mich hinab.

„Eines will ich nicht abstreiten, ja wir werden uns in die Haare bekommen. Manchmal arg, manchmal weniger, aber so ist es nun einmal bei jedem Paar. Ein andauerndes auf Wolke sieben schweben gibt es nicht. Zum Glück, ansonsten wäre es mit den Jahren doch langweilig, meinst du nicht auch?“, schaute er mich fragend an. Ich konnte nur murmeln, kein verständliches Wort ließ seine Brust durch.

Er grinste, „Siehst du, wir sind einer Meinung! Wenn wir unser Bündnis bekannt geben Sarah, wird unser größtes Problem gelöst. Die Eifersucht! Ich gestehe, niemals habe ich daran gedacht, dass du genauso besitzergreifend reagierst wie ich, mein Fehler. Niemand absolut niemand, wird je daran zweifeln, dass wir zusammengehören! Unser Bündnis ist stark, wie unsere Liebe, daran musst du glauben, Sarah.“

Nun ließ er mich los, ging einen Schritt zurück, „Nun willst du den Schritt wagen? Es aller Welt verkünden?“, wartete er auf meine Antwort.

Ich war überrascht, er ließ mir die letzte Entscheidung. Kein Befehl, keine Beeinflussung, er wartete einfach nur ab.

Sollte ich einfach davonlaufen? Nein es kam mir kindisch vor. Seine Worte waren gut gewählt, hallten in mir nach. Bei Muse und Vater erlebte ich Streitigkeiten, soweit stimmte es, auch bei anderen Paaren bekam ich Differenzen mit.

Stellte ich mich an? Waren meine Vorstellungen einer Partnerschaft zu hoch gegriffen? Wollte ich zu viel? Meine Abwehr bröckelte, natürlich bekam er es mit. Noch nicht so ganz!

„Was ist mit Pierre? Ich möchte mit ihm befreundet bleiben!“

„Ich weiß“, seufzte er, „und ich vertraue dir, zudem ist Pierre ein Ehrenmann, er wird seine Niederlage einsehen und sich dir gegenüber korrekt verhalten. Mehr kann ich nicht verlangen. Zwar werde ich zähneknirschend euren vertrauten Umgang verfolgen müssen, aber ja, ich akzeptiere es. Auch die deiner restlichen Freunde! Weißt du eigentlich das du hauptsächlich Testosteron gesteuerte Freunde besitzt? Ich weiß auch, es werden im Laufe der Jahre mehr, du ziehst sie geradewegs magisch an. Natürlich werde ich mich manchmal wie ein Depp benehmen, dich mit meiner despotischen Art auf die Palme bringen, es geschieht aus Unsicherheit Sarah. Ich muss einfach deine Freunde daran erinnern, zu wem du gehörst.“

„Du und Unsicher?“, eine blödere Ausrede hörte ich noch nie von ihm.

„Es ist wahr! Wie du mit ihnen redest! Du mit ihnen scherzt! Zum Teil sogar flirtest! Ihr umarmt euch! Küsst euch! Sie sagen, sie lieben dich! Vor mir! Ja, glaubst du denn, es geht spurlos an mir vorbei? Ich weiß auch, wie sehr du sie liebst! Gott Sarah, du bist eine ständige Herausforderung für mich, immerzu suche ich den Mittelweg, den deine freiheitsliebende Natur verlangt. Es ist eine Gratwanderung, auf dem ich oftmals in den bodenlosen Abgrund stürze“, trat er näher.

„Nichtsdestotrotz liebe ich dich! Ein Leben ohne dich ist die Hölle, ich habe es erlebt und glaub mir, all deinen Freunden zum Trotz, will ich dich nicht anders. Ich kann dich nur anflehen bei mir zu bleiben, denn ich bin am Ende meiner Weisheit“, kniete er nun vor mir nieder.

Er ergriff meine Hand, „Deshalb Sarah Sardovan, bitte ich dich mir zu vertrauen, bitte ich dich bei mir zu bleiben, denn ein Paar sind wir ja schon!“

„Das ist aber ein seltsamer Antrag!“

„Wir sind schließlich auch ein seltsames Paar!“

Die Entscheidung lag bei mir, ich wusste es, er würde kein weiteres Wort sagen. Er war offen, sprach über seine Empfindungen und so wusste ich auch, würde er mich nie wieder so tief wie gerade in sich hineinsehen lassen. Nicht allzu oft!

Was sollte ich sagen? Im Grunde kannte ich die Antwort. Was hält dich also ab, Sarah? Es gibt nichts mehr! Stürze dich in das Abenteuer, dieses rätselhaften manchmal despotischen Mannes, aber immer überraschendes Vampirs, konnte ich nur noch nicken.

„Du musstest ziemlich lange überlegen, mein Herz!“, zog er mich zu sich hinunter, „außerdem bin ich weder rätselhaft noch überraschend! Henry und Vlad werden es dir bestätigen!“

„Ja, sicher!“, zweifelte ich, „Sie sagen, was du willst!“

„Schön wäre es! Denn sie besitzen ihre eigene Meinung, besonders im Bezug auf uns. Bist du bereit deinem Vater in die Augen zu sehen?“

„Er wird, glaube ich keineswegs begeistert sein“, wurde mir mulmig. Ich dachte an das Giftattentat, in Muse besaß ich bestimmt eine Verbündete, die Vater beruhigen konnte.

„Das haben sie wirklich getan? Diese Ganoven!“, blitzte es hintergründig in seinen Augen auf.

„Bleibst du mal aus meinen Gedanken!“

„Verzeih, es ist zu verführerisch! Wie sollen wir es in Zukunft halten?“

„Weder möchte ich dich in meinen Hirn, noch möchte ich Deine!“

„Also gut! Wir werden Ross entsprechend bitten. Sollen wir?“

„Eines noch!“, widersetzte ich mich ihm.

Er lächelte, „Ich wäre zutiefst enttäuscht, würdest du keinen Kuss verlangen!“

 

Als wir den Hof betraten, schwappte eine Welle voll ausgelassenes Vergnügens über uns herein. Tanzende Paare, lachende Gruppen, im gesamten Hof herrschte Hochstimmung und mittendrin Vater und Muse.

„Es wird schwieriger als ich dachte, sie für einen Moment loszueisen.“

„Dann dürfen wir Prya und die anderen nicht vergessen!“, suchte ich unsere Tochter, die ich bald mit Matt in einer Gruppe stehend fand.

„Ja“, seufzte Corvin, „Ich weiß noch immer nicht, wie sie reagieren wird. Entweder sie erklärt uns für verrückt oder sie freut sich. Was jetzt? Sollen wir Muse und Vlad aus dem Getümmel holen?“

Ich nickte! Zielstrebig hielten wir auf das Paar zu. „Schau mal, wer uns beehrt?“, sagte Muse aufgekratzt, „Sarah wir haben dich vermisst!“

„Ach jetzt wollt ihr uns gratulieren?“, fragte Vater streng, seine Miene grinste dabei, „Danke! Und jetzt will ich eine flotte Sohle mit meiner Tochter aufs Parkett legen. Corvin du darfst meine Frau in den Armen halten!“

Schnappte Vater bereits nach mir, sich der Musik hingebend. Was blieb mir übrig? Mehrmals setzte ich zu sprechen an, Vater völlig vom Tanz eingenommen, wirbelte mich herum, und bevor die Musik verstummte, fand ich mich neben Corvin wieder, Vater und Muse nachschauend die davonschwebten.

„Da bist du ja!“, wurde ich herumgerissen, „Dieser Tanz gehört mir!“, grinste Malech, mich von Corvin fortführend. Danach kam Till, Ciaran, Hendrik, Pierre, Diederich, irgendwann verlor ich die Übersicht.

Corvin sah ich ebenfalls hin und wieder mit einer Partnerin im Arm. Sogar mit seiner Mutter, die sich ansonsten von der Tanzfläche fernhielt. Ab und an bekam ich ein Glas in die Hand gedrückt, welches mir schnell wieder entrissen wurde, um auf die Tanzfläche gezerrt zu werden.

Die Sonne zog bereits lange Schatten, als Corvin mit entschlossener Miene auf mich zukam. Kahlafs massige Gestalt trat dazwischen, „Wir hatten noch nicht die Ehre!“, führte er mich direkt an Corvin vorbei, „Tja mein Junge, da musst du schneller sein, diese Beute gehört nun mir.“

„Was mein Glück ist!“, rief Nirfa das Ratsmitglied, ihre Ellenbogen gebrauchend auf Corvin zuhaltend.

Wieder wurde ich von einem Tanzpartner zum anderen weitergereicht. Inzwischen qualmten meine Füße, wenn ich dies einmal ansprach wurde mir gesagt, „Trink einen Schluck, dann geht es wieder!“, oder der Tanzpartner besaß ein wenig Mitgefühl und besorgte mir ein Glas, welches ich in einem Zug zu leeren hatte.

Was mit der Zeit Wirkung zeigte, bemerkte ich meinen Schwips, in die ausgelassene Stimmung eintauchend. Nun suchte ich mein nächstes Opfer selbst, gerade eben den, der mir am Nächsten stand, zerrte ich ihn ohne zu Zögern zu den wogenden Paaren.

Dann endlich, sah ich ihn, suchend glitt sein Blick über den Hof, ich schlich mich heran, „Suchst du jemanden?“, schlang ich meine Arme um ihn.

„Du hast getrunken“, stellte er lächelnd fest.

„Ein bisschen! Nun will ich einen Tanz mit meinen hinreißenden Mann!“, küsste ich ihn auf den Mund.

„Sarah!“, meinte er warnend sich umschauend, „Ist mir egal! Sollen sie sich doch die Münder zerfetzen!“

„Oho! Die Dame ist auf Krawall aus! Nun gut, ich spiele mit!“, zog er mich nahe an sich heran, was ich mir nur zu gern gefallen ließ. Eng umschlungen wogten wir uns langsam im Kreis, welche Musik spielte war egal, die Melodie in mir übertönte alles.

Dann wurden wir gestört, es wurde von allen Tanzenden ein Kreis gebildet, um das Brautpaar herum, welches ungehindert weitertanzte. Nach einer Weile forderte man Vater auf, einen anderen Tanzpartner für Muse zu suchen.

Das tat er und trat zu Kahlaf, nun musste Muse das Feld verlassen, so ging es unentwegt weiter, ein wechselnder Reigen der verschiedenen Paare, wurde geklatscht und mitgesungen.

Vater und Rosmerta tanzten unter viel Jubel einige Runden, sie hielten genau vor mir, Rosmerta deutete mir, lachend warf ich mich in Vaters Arme. Musternd schaute er mich an, unter dem Gejohle und Geklatsche fragte er mich, „Geht es dir gut? Bist du glücklich?“

Worauf ich nur nicken konnte, er atmete erleichtert auf, „Gut!“, nickte er mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange gebend, „Mit ihm wird es kein leichtes Leben, aber ich denke du stehst ihm in nichts nach“, wurde er langsamer.

Wieder einmal überraschte mich mein Vater, er wusste es und nahm es als gegeben hin. „Übrigens soll ich dir von Muse ausrichten, ihr habt uns das schönste Hochzeitsgeschenk bereitet“, blieb er schließlich stehen, den Kopf hebend.

„Corvin!“, grinste Vater, erst jetzt sah ich, wo wir anhielten, genau vor Corvin.

„Vlad!“

„Verzeih, wir mussten uns ein wenig Rächen, viel zu lange habt ihr uns gemartert. Nun schließe deine Frau schon in die Arme, ansonsten läuft sie dir doch noch davon!“

„Keine Sorge mein Freund, ich lasse sie nie mehr entkommen!“

Unter den herbeistürmenden Freunden schloss Corvin mich in seine Arme, in die ich mich vertrauensvoll schmiegte. Seinen Blick voller Liebe erwidernd. Ich wusste in dieser Festung, die ich anfangs als bedrohlich empfand, fand ich mein Glück und meine Liebe, ein Heim.

 

 

Ende

 

 

Danke an alle, die mit Geduld, sehr viel Geduld hierhergelangt sind.

Danke auch für euren Zuspruch, den tollen Rezessionen die mich aufbauten, wenn ich mal wieder nicht weiter wusste.

Danke an MickyJo, welche so viele meiner Fehler korrigierte und noch korrigiert!!!

LG Kim Marie

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.10.2014

Alle Rechte vorbehalten

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