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Kapitel 1

In Gedanken zählte Lulu bereits die Minuten, bis es endlich zum Schulschluss klingelte. Mit den Fingern trommelte sie unruhig auf dem Tisch herum, ihre Sachen hatte sie alle schon in ihre dunkelbraune ausgefranste Stofftasche gestopft. Sie konnte es kaum erwarten, endlich aus dem unbesetzten Saal raus zukommen. Endlich zu Hause zu sein und einfach nur abzuschalten. „Ms. Marin!“, schrie der Ausbilder von seinem Podest unten aus und Lulu drehte ihren Kopf von der Uhr weg, zu ihrem Lehrer. Außerdem konnte sie es auch noch kaum erwarten, wenn die Ausbildung fertig war. Mr. Bear neigte dazu, seine Schüler anzuschreien, wenn ihm danach war. Lulu konnte ihn definitiv nicht ausstehen, aber es dauerte nicht mehr lange und sie hatte ihre Ausbildung in der Tasche. „Sie können es wohl kaum erwarten, endlich aus diesem Raum raus zu sein, oder?!“ Oh, ja.

Lulu kam gar nicht in den Sinn, diesem Mann zu antworten. Sie schwieg, so wie immer, wenn er sie, oder jemand anderen anschrie. Meist machte er das eh am Ende seiner Stunden, wenn ihm kaum noch jemand zuhörte. Immer noch trommelten ihre Finger unkontrolliert gegen das abgenutzte Holz des Tisches. Ihr war egal, was für ein Bild sie abgab, sie wollte einfach nur hier raus. Mittlerweile handelte es sich nur noch um Sekunden und Lulu zählte von 60 herunter, bis sie bei null angekommen war. Bei dem Klingeln der Schulglocke, schnappte sie sich ihre Tasche, ihren viel zu großen flauschigen Mantel und lief durch die Tür ins Wochenende. Wer auch immer nach ihr rief, es hatte auch noch Zeit bis Montag, so viel stand fest. Ihre Beine überschlugen sich fast, als sie die Treppen hinunter raste und dabei andere Menschen unsanft beiseite stieß. Jedoch war ihr auch das Scheißegal. Sie wollte nur nicht von einer aufgetakelten Blondine aufgehalten werden. Oh, scheiße! Wenn Lulu gehofft hatte, an der Blondine einfach so vorbeischlendern zu können, hatte sie sich in diesem Punkt geirrt. Sally Spencer stand direkt neben der Tür, die ins heilige Wochenende überging und sprach mit einer ihrer Busenfreundinnen. Ihre blonde Mähne ließ sie Schwungvoll über ihre Schulter fallen und lachte über etwas, was ihre Freundin gesagt hatte. Der dunkelgrüne enganliegende Pullover, der mit einem Gürtel um ihrer Taille versehen war, betonte ihre schlanke Figur, mit ihren nicht zu kleinen, aber auch nicht zu prallen Brüsten. Ihre Hüfte war schmal, nur durch die Hüfthose konnte man eine leichte Rundung ausmachen, und ihre schlanken, aber nicht zu langen Beine, steckten in einer ebenso enganliegenden Jeans, die in schwarzen Stiefeletten steckten. Sie war sowas wie eine Queen unter den Frauen in der Ausbildung zur Krankenschwester. Vor knapp drei Jahren hatte Lulu beschlossen umzuziehen, sich ein neues Leben aufzubauen, nachdem ihr Ex-Freund sie hatte sitzen lassen. Wieso auch geriet sie immer an die falschen Männer? Natürlich wusste keiner von ihrem ‚Freund‘. Wie auch, wenn sie keine Familie hatte. Aber Freunde hatte sie. Gute. Das dachte sie zumindest. Die stellten sich als genauso krank und falsch heraus, wie ihr Ex-Freund. Mit Ethan hielt es gerade mal fünf Monate, er hatte mit bei ihr gewohnt, hatte mit aus ihrer Tasche gelebt und was tat der Arsch? Er hatte von einer Nacht auf die andere ihr Geld, ihr Auto und ihren kostbarsten Schmuck geklaut und war abgehauen. Wahrscheinlich hatte er alles teuer vertickt um sich seine nächste Tüte kaufen zu können. Danach hatte sie ihn nie wieder gesehen und bei der Polizei hatte es auch nicht viel gebracht eine Anzeige zu erstatten, da er schon meilenweit entfernt war. Deshalb war sie auch, um mit der ganzen Sache abzuschließen, von Clinton, Oklahoma, nach Caldwell in New York City gezogen. Die Reise war die anstrengendste gewesen, die sie je gemacht hatte und es war bislang auch ihre einzige gewesen. Und keiner wusste genau woher sie kam. Mit ihren dunkelbraunen Cowboystiefeln und der engen auf den Hüften liegenden Jeans mit den kleinen Rissen an Oberschenkel und Knien, lagen die meisten schon richtig, wenn sie sagten, sie sei ein Country-Girl.

Schulterzuckend, da sie eh aus der Schule raus musste, ging Lulu entschlossenen Schrittes auf die große ebenholzfarbige Doppeltür zu. Nicht einmal fünf Schritte hatte sie getan, ohne entdeckt zu werden. „Oh, Howdy, Cowgirl!“, rief Sally und kicherte mit ihrer Freundin. „Ha ha, wie witzig“, spottete Lulu leise vor sich hin, ehe sie aus dem Gebäude raus trat und ihren Mantel zu zog. Obwohl er viel zu groß war und ständig über ihre Schultern rutschte, brachte sie es einfach nicht übers Herz ihn wegzuwerfen. Die Schwestern aus dem Kloster hatten ihn ihr zu ihrem siebzehnten Geburtstag geschenkt, obwohl sie wussten, dass er Lulu nicht passen würde, hatte sie sich sehr darüber gefreut.

„Warte mal, Lulu!“, schrie Sally ihr hinter her, doch Lulu schnaubte nur und ging schnurstracks zur Bushaltestelle, die Gott sei Dank nur ein paar Minuten von der Schule entfernt war. Der Himmel war schon dunkel, um kurz nach 16 Uhr, was im Dezember natürlich nicht ungewöhnlich war. „Lulu!“

Zarte Hände hielten sie an den Schultern fest und drehten sie mit Schwung um. Zu gerne hätte Lulu Sally direkt vor die Füße gespuckt, aber sie rollte einfach nur die Augen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Lulu hatte einen gut proportionierten Körper mit den richtigen Kurven an den richtigen Stellen. Aber da sie eh nicht groß auffallen wollte, versteckte sie die lieber unter zu weiten Klamotten. Auch war sie größer, als die meisten Frauen in ihrem Alter. Ohne Stiefel war sie schon beachtliche 1.85cm groß und wenn sie High Heels trug, oder so wie jetzt, ihre Cowboystiefel mit kleinen Absätzen, überragte sie die anderen um knappe 5cm. „Ich habe da etwas für dich.“

„Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen, Sally“, trällerte Lulu sarkastisch und wollte sich wieder umdrehen, doch Sally ließ einfach nicht locker. Hatte sie eigentlich schon erwähnt, dass Sally sehr einfallsreich und ziemlich gemein sein konnte? Oh, das hatte Lulu wohl vergessen. „Diese Farbe würde dir bestimmt gut stehen“, meinte sie mit einem gehässigen Unterton und Lulus Körper überzog eine Gänsehaut, als die kühle Farbe aus dem Eimer direkt auf ihren Kopf und ihre Kleidung floss. „Scheiße!“, schrie Lulu und wischte sich mit den Händen über ihr Gesicht, das nun die Farbe von Neon grün hatte. Hatte Lulu denn auch schon erwähnt, dass diese Frau auch sehr unheimlich sein konnte? Nein? Dann hatte sie es hiermit bestätigt, denn sie kramte noch etwas aus ihrer großen Gucci Handtasche und warf etwas in die Luft. Pailletten, was sonst?! Pustend versuchte Lulu diese leuchtenden Pünktchen nicht einzuatmen und geriet dabei ziemlich ins Straucheln. Waren wir hier in der Grundschule?

„Wusste ich es doch! Jetzt wirst du auch ganz sicher nicht von einem Auto überfahren werden!“

Jetzt konnte Sally sich wirklich auf etwas gefasst machen. Mit immer noch grünen Händen packte Lulu das zierliche Mädchen an den Schultern und wischte einmal über ihre moderne weiße Winterjacke. „Gesprenkelt steht dir außerordentlich toll!“

Sallys Augen wurden groß, wirklich groß und ihr Mund stand so weit offen, dass Lulu das kleine Zöpfchen hinten in ihrem Rachen sehen konnte. Dann schrie sie, als würde man ihr die falschen Zöpfe binden und ihr gleichzeitig den falschen Nagellack aufpinseln, so geschockt sah die Blondine aus. Hatte sie wohl nicht mit gerechnet. Okay, Lulu ja auch nicht, aber sie konnte auch nicht ihren Daddy anrufen, der sie mal eben von der Schule abholte. „Bist du völlig durch geknallt!“, schrie sie und wies mit zitternden Händen auf ihre Kleidung. „Ich denke, ja.“ Ziemlich ruhig und seltsam befriedigt, marschierte Lulu wieder zurück zum Schulgebäude, um sich wenigstens ein bisschen sauber zu machen. Vielleicht konnte sie ihre Haare noch schnell waschen und dann den Mantel soweit sauber schrubben.

Nachdem sie dann alleine und eingeschlossen vor dem Spiegel in dem Duschraum stand, verschwand das Glücksgefühl. Ihr Mantel war voller grüner Farbe. Was, wenn sie nicht mehr abging?

Oft hatte Lulu sich gefragt, wieso Sally sich gerade sie ausgesucht hatte. Aber dann beantwortete sie sich selbst die Frage. „Weil du nichts und niemanden hast“, sprach sie zu ihrem Spiegelbild. Benommen nahm sie war, wie die Farbe sich über ihrem Gesicht verstrich, in ihr dunkelbraunes Haar sickerte und langsam anfing zu trocknen. Unter ihren Augen erkannte sie dunkle Ringe. Blasse Haut erschien, als sie ihr Gesicht mit einem feuchten Tuch abtupfte. Langsam aber sicher spürte sie ein Brennen in ihrer Kehle, sie wusste nur zu gut, was das bedeutete. Sie würde wieder weinen. Sich wieder den Kopf zerbrechen und überlegen, wieder zu verschwinden. Nur um dann wieder einzuknicken und sich einredete, es würde nicht mehr lange dauern bis zu den Prüfungen. Bevor sie es sich auch schon versah, rannen die ersten Tränen über ihre Wangen. Ein Glück hatte sie sich vorher noch mit einem weiteren nassen Tuch abgeschminkt. Ein Schluchzen drang aus ihrer trockenen Kehle und wenn sie schluckte, hatte sie das Gefühl, Schmirgelpapier im Hals zu haben. Es war ein weiterer Tag in ihrem Leben, an dem ihre Fassade ein Riss erlitt, der vielleicht nicht mehr zugemauert werden konnte. Lulu fühlte sich klein und unwichtig in dieser Stadt. Als würde sie überhaupt nicht hierher gehören. Sie hätte in Clinton bleiben sollen. Wie oft hatte sie sich das eingeredet?

Kapitel 2

Ein plötzliches Klopfen an der Tür zu den Duschräumen ließ Lulu aufschrecken und sie wischte schnell mit einem trockenen Tuch unter ihre tränenden Augen. Wieso musste sie auch so schwach sein? Da sie noch nicht auf das Klopfen reagiert hatte, ertönte es ein weiteres Mal. Diesmal energischer, eindringlicher.

„Wer ist da?“, fragte Lulu seltsam gefestigt. „Machst du mir bitte auf?“, fragte eine leise Frauenstimme, die Lulu keinem Gesicht zuordnen konnte, wovon sie ausging, dass es sich um eine Ausbilderin oder Lehrerin handeln musste. Nur widerstrebend ließ Lulu das Türschloss aufschnappen. Was sie erblickte, ließ ihr den Mund offen stehen. Eine schwarzhaarige, etwa 1.85cm große Frau stand vor ihr und hielt lächelnd eine Tüte in den Händen. Sie drängelte sich einfach an Lulu vorbei und schloss die Tür wieder. „Ich habe gesehen, was diese… Tusse auf dem Hof gemacht hat und am liebsten hätte ich ihr etwas noch schlimmeres angetan“, fing die Fremde an zu sprechen und ihre ruhige und gefasste Stimme war beruhigend für Lulus Seele. Wie Salbei strich sie sanft über ihre Wunden, die sie eben davon getragen hatte.

„… deshalb dachte ich, du könntest das hier gebrauchen“, hörte Lulu nur mit halben Ohr zu und besah sich die riesige Tüte, die ihr nun in die Hand gedrückt wurde.

„Starr mich nicht so an, geh dich duschen, die Farbe muss unbedingt raus aus deinen Haaren.“

„Aber, das hättest du nicht machen müssen“, murmelte Lulu, nahm die Tüte und sah immer noch die schwarzhaarige an, die mit einer Hand abwinkte. „Seh es, als ein… Ich-bin-deine-neue-Freundin-Geschenk.“

Nun grinsend schubste sie Lulu auffordernd zu den Duschkabinen und verließ dann den Duschraum. Mechanisch holte Lulu die Sachen aus der Tüte, Klamotten, Duschgel und Haarwaschmittel. Hatte das die Fremde gerade alles gekauft?

Frisch geduscht und in den neuen Klamotten, trat sie aus dem Duschraum zu den Toiletten und sah die Fremde an dem Waschbecken lehnen. Sie schaute erst von ihrem Smartphone auf, als Lulu sich räusperte. „Oh, du bist fertig“, lächelte sie. Die Fremde hatte sich noch nicht einmal vorgestellt und Lulu fragte sich, wieso die Frau gerade zu ihr gekommen war. Sie schnappte sich einfach schnell den Föhn, der schon bereit lag und föhnte sich die Haare so trocken wie es ging. Im Spiegel begegnete sie dem grünen Blick der schwarzhaarigen und zog die Augenbrauen zusammen. „Du bist verwirrt. Tut mir leid, ich habe dich total überrumpelt, Lulu“, meinte sie plötzlich betrübt und leicht schuldbewusst und legte eine Hand auf Lulus Schulter. „Woher kennst du meinen Namen? Oh, lass mich raten. Jeder kennt die Namen von den Unbeliebten, damit sich jeder von ihnen fernhält!“ Obwohl Lulu nicht so bissig klingen wollte, hatte sie die Worte am Ende fast raus gespuckt. „Heute hast du eine relativ große Klappe. Und nein, ich kenne deinen Namen von meinem Vater. Ich heiße übrigens Skyla.“ Ungewöhnlicher Name für eine ungewöhnliche Frau. Nun schuldbewusst, dass sie Skyla angezickt hatte, wollte sie sich entschuldigen, doch sie kam gar nicht zu Wort.

„Keine Entschuldigung. Ich wollte dir nur helfen, das ist alles. Wenn du willst, dann verschwinde ich einfach wieder, kein Problem.“ „Nein, es war nicht so gemeint. Ach man, diese blöde Blondine hat diesmal einfach den Bogen überspannt!“„Ist doch okay. Ich fand’s toll, dass du ihre hässliche weiße Jacke beschmiert hast. Du kannst ruhig öfter ein wenig schlagfertiger sein.“ Das klang so, als würde sie Lulu ständig unter Beobachtung haben. Die Brauen leicht zusammengezogen, entdeckte sie jetzt erst ihren Mantel, der an den Schultern total nass war. Skyla musste ihn so gut es ging gesäubert haben. „Ich hab’s nicht besser hinbekommen. Aber wenn er erst einmal aus der Reinigung kommt, sieht er aus wie neu.“

„Danke, ich hätte es bestimmt nicht so gut hinbekommen.“

Wieder winkte Skyla mit der Hand ab und stopfte dann plötzlich den Mantel in die große Tüte. „Dieser Pulli ist dick genug und du wirst garantiert nicht frieren“, versicherte Skyla und hielt einen langen dicken Pulli in der Hand, den Skyla über das dünne Sweatshirt zog. Obwohl ihr der Pulli bis knapp unter die Oberschenkel reichte, betonte er ihre langen schlanken Beine. Lulus Cowboystiefel hatten Gott sei Dank keine Farbe abbekommen und sie schlüpfe hinein. „Willst du die wirklich anbehalten?“, fragte Skyla und hatte ein anderes Paar Stiefeln in den Händen. Woher zum Henker hatte sie nur all diese Klamotten so schnell her?

„Ich will sie anbehalten.“

„Okay, dann lass uns gehen.“

Auf dem Campus fühlte sich Lulu auf einer Seite sicher, da Skyla sie begleitete, auf der anderen Seite wäre sie gerne alleine gewesen und hätte diesen ganzen Vorfall einfach vergessen. Zitternd vor Kälte, ließ sie sich einfach von Skyla mitziehen, die zielstrebig den Parkplatz ansteuerte. „Ich habe kein Auto.“

„Aber ich. Und ich würde ungern meinen Wagen hier stehen lassen.“

„Der Bus ist aber auf der anderen Seite“, wies Lulu sie freundlich an, doch die schwarzhaarige Schönheit lachte kurz auf. „Das ist mir bewusst, Lulu. Aber ich würde auch dich ungern hier stehen lassen, nachdem ich endlich eine Chance habe dich kennen zu lernen.“

Der Parkplatz war ziemlich groß, da hier auch die Lehrer ihre Plätze hatten. Lulu hoffte nur, dass Skyla nicht so weit weg geparkt hatte. Sie wollte ungern im Mittelpunkt stehen, wenn sie erst einmal bemerkten, dass Lulu nun anders aussah. Zwar mit ihren Cowboystiefeln, dennoch frisch und in Begleitung. Schon von einigen Metern Entfernung hatte Lulu die schlaksige Blondine entdeckt und straffte nun die Schultern. Vor diesem Miststück wollte sie sich nicht mehr verstecken, sich nicht mehr klein machen und sie alles durchgehen lassen. „Oh, ist das etwa deine neue Streberfreundin?“, fragte Sally und verschränkte mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht ihre Arme. „Das geht dich nichts an, Blondie“, zickte Skyla, bevor Lulu auch nur ansatzweise was antworten konnte. Ihre smarte und offene Art war nun verschwunden und ein kühler Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Lulu kannte diese Frau zwar noch nicht sehr lange, aber sie war froh, dass sich endlich mal jemand für sie einsetzte. „Du solltest dich lieber nicht mit Waisenkindern abgeben. Der schlechte Ruf stinkt!“

„Und du solltest lieber den Mund nicht zu voll nehmen. Hochnäsigkeit macht bekanntlich dumm!“

Lulu konnte förmlich Funken zwischen den beiden Frauen sprühen sehen und griff Skyla an ihrem Unterarm. „Lass uns einfach gehen, Sky.“

Schnaubend stieß Skyla mit ihrer Schulter gegen Sally und beinahe wäre Sally zu Boden gesegelt, hätte sie sich nicht an ihrer Busenfreundin festgehalten. Lulu konnte einfach nicht ihren Namen aussprechen, das wäre ein Verstoß gegen ihre eigene Regel gewesen, die sie sich von Anfang an gesetzt hatte. Spreche nie Namen aus, die mit Klo beginnen, denn dann würdest du nie wieder aufhören können mit dem Lachen. Das Mädchen tat ihr dabei nicht im geringsten Leid, denn genauso sah sie auch aus.

„Diese Frau bringt mich noch zur Weißglut!“, zischte Skyla vor sich hin und ließ mit ihrem Autoschlüssel einen Wagen aufblinken. Irgendwie hatte Lulu das Gefühl, wenn Skyla etwas vorhatte, würde sie niemand umstimmen können. Sie würde es einfach durchziehen und wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatte, Sally umzubringen, würde sie diesen Gedanken wohl auch umsetzen. „Dein eigener Wagen?“, fragte Lulu ehrfürchtig, als Skyla die Fahrertür von einem Cadillac der Mittelklasse aufriss und ihre Tasche auf die hintere Sitzbank warf. Sie schien sich ein wenig zu beruhigen. „Nein, noch nicht. Er gehört meinem Vater.“ Ihre Familie musste ja eine Menge verdienen, um sich so einen Wagen leisten zu können. Aber wichtiger war, was hatte die schwarzhaarige jetzt vor. Vorhin hatte sie gemeint, Lulu kennen lernen zu wollen. Woher kannte Skylas Vater denn Lulu? Soweit sie sich erinnerte, hatte sie schon immer bei den Nonnen im Kloster gelebt, bis sie alt genug war und genügend Geld gespart hatte, um woanders neu anzufangen.

Skyla fuhr von dem Parkplatz und fädelte sich problemlos in den Verkehr ein. Ihre dunkelroten langen Fingernägel tippten auf dem Lenkrad herum. „Hast du Hunger?“, fragte Skyla und Lulu zuckte die Schultern. Was konnte so schlimm daran sein, eine Frau kennen zu lernen, deren Vater anscheinend etwas über ihre Familie wusste. Vielleicht wusste er ja, wer Lulus leiblichen Eltern waren. Innerlich seufzte sie jedoch. Vielleicht wusste er auch gar nichts und verwechselte sie nur mit irgendeiner anderen Lulu Marin. Auf einem Parkplatz eines noblen Restaurants ließ Skyla den Wagen stehen und lief mit Lulu um das Gebäude herum zu einem Seiteneingang, da es begonnen hatte zu schneien. Ein älterer Mann mit tiefen Falten im Gesicht verbeugte sich würdevoll vor den beiden Frauen und ließ sie in den warmen Raum eintreten. Das Restaurant war in einem goldenen Ton gehalten, an den Wänden hingen kleine Lampen, so wie an der Decke große Kronleuchter hingen. Auf den Tischen, die in angemessenen Abstand zu einander standen, befanden sich rote Kerzen und auch der Teppich war aus rotem Samt. Lulu kam sich vor wie eine Prominente, als ein junger Mann, der sich vorher auch verbeugte und sie mit ‚Herrin‘ begrüßte, Skyla den Mantel auszog, nur um ihn an die Garderobe hinter sich zu hängen. Skyla tätschelte ihr die Schulter und bedankte sich bei dem Kellner, der freudestrahlend davon eilte, um einen perfekten Tisch zu suchen. Skyla war nicht nur schlagfertig, sie schien die Männerwelt auch komplett zu beherrschen. An einem Fensterplatz, abseits der anderen Gäste hatte Skyla sich einen Tisch ausgesucht und ließ ihre Handtasche auf den Stuhl neben sich plumpsen. „Sag mal, Lu“, fing Skyla langsam an und fummelte nervös an ihren Fingern herum. „Kannst du dich an deinen Vater erinnern? Oder vielleicht an deine Mutter?“

„Nein. Ich glaube, die Nonnen meinten, sie wären ermordet worden. Irgendjemand hatte mich damals einfach vor dem Kloster abgesetzt, nur mit einem Zettel, wo mein Name draufstand.“

„Also, hast du den Namen von deinen Eltern?“

„Scheint so“, murmelte Lulu schulterzuckend und versuchte aus der Frau vor ihr schlau zu werden. Es war schon ungewöhnlich, dass sich Lulu dazu hinreißen ließ, mit ihr Essen zu gehen. Ihr war es schon ein Rätsel, wieso Skyla überhaupt in der Berufsschule aufgetaucht war. Der junge Kellner kam an ihren Tisch und reichte die Karten des Hauses und meinte nur noch, er käme in zehn Minuten wieder. Bei den ganzen Gerichten lief Lulu das Wasser im Munde zusammen, doch erinnerte sie sich auch an die Magenschmerzen, die sie seit kurzem verspürte, wenn sie etwas gegessen hatte. Doch bei diesen hohen Preisen hätte Lulu sofort die Karte zugeklappt und wäre aus dem Restaurant gestürmt. Niemals hätte sie für eine Tomatensuppe und ein bisschen Reis 15$ bezahlt. Genauso gut könnte sie sich etwas bei ihrem Lieblingschinesen was bestellen und müsste nur die Hälfte bezahlen.

„Such dir ruhig etwas aus. Ich lade dich ein“, meinte Skyla, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. Sah man das ihrem Gesicht so offen an, was sie gerade dachte?

„Das musst du nicht tun. Eine Pizza, oder ein paar Chickenwings hätten auch gereicht.“

„Schon. Aber ich habe dich schließlich überrumpelt und möchte das wieder gut machen. Außerdem ist das mein Lieblingsrestaurant.“

Kapitel 3

Bis jetzt hatte Skyla sich gut geschlagen. Obwohl sie nicht damit gerechnet hatte, das Lulu ihr so schnell Vertrauen schenkte, saß sie nun hier und suchte in der Karte wahrscheinlich nach dem günstigsten Gericht. Skyla wollte sie aber auch nicht bedrängen, deshalb beließ sie es dabei, als Lulu sich nur für eine Spargelsuppe und Toast entschied. „Ich hätte gerne einen Obstsalat. Dazu nehmen wir den Chardonnay. Du trinkst doch Alkohol, oder?“, fragte sie und klappte die Karte zusammen. „Eh, natürlich.“ Lulu log. Entweder sie vertrug kein Alkohol, oder es schmeckte ihr nicht. Zumindest noch nicht. „Oh, und bevor ich es vergesse, zwei Gläser Cola. Danke.“

Der Doggen verschwand mit der Bestellung und Skyla riskierte einen Blick in die Menge an Gästen. Das Restaurant wurde nur von Vampiren besucht, schließlich waren die Besitzer selbst auch Vampire. Die Kellner, die hier arbeiteten waren Bedienstete des Hauses der Vampirfamilie. Lulu war gar nicht mal so fehl am Platz und sie schien sich hier auch kein bisschen unwohl zu fühlen. Vielleicht spürte sie eine gewisse Bindung, die sie bei den meisten anderen nicht hatte. Das würde dann auch das schnelle Vertrauen erklären. Es könnte sich einfach gestalten, Lulu zu erklären, weshalb sie keine Eltern mehr hatte und weshalb nun Skyla ihre Freundin war. Aber so ganz wollten die Worte nicht über ihre Lippen und es wäre komisch, dass in einem Restaurant voller Vampire zu besprechen. Lulu würde entweder kreischend die Flucht ergreifen, oder sich erst lustig darüber machen, die Vampirgesellschaft beleidigen und dann die Flucht ergreifen. Hoffnungslos. Sie würde Lulu das nicht hier erklären. Jetzt ging es erst einmal darum, Lulu aufzumuntern und ihr zeigen, dass sie nicht alleine war. Denn das musste sie die letzten Jahre gewesen sein. Als Skyla ihr ins Gesicht blickte, lächelte sie verkniffen. „Du musst jetzt nichts sagen. Und es ist mir auch nicht unangenehm zu schweigen, Lu“, meinte Skyla beschwichtigend und Lulus Lächeln verschwand hinter einer Maske.

„Ich verstehe nur einfach nicht, was das alles soll. Ich meine, woher will dein Vater mich kennen? Soweit ich weiß liegen zwischen Oklahoma und New York City über 1500 Meilen.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen verschränkte Lulu die Arme vor der Brust. Ihre dunkelbraunen Haare, die wie flüssige dunkle Schokolade aussah, fielen ihr in üppigen Wellen über die Schultern und endeten kurz unter ihren Brüsten. Immer wieder fielen einige Strähnen in ihr hübsches Gesicht, das von dieser Wärme leicht gerötet war. „Ganz einfach: Er kannte deinen Vater. Sie waren so was wie gute Freunde“, meinte Skyla. Sie hielt es eigentlich für eine gute Idee das zu erwähnen, schließlich war das diesmal auch die Wahrheit. Die Tür wurde von den Doggen ein weiteres Mal geöffnet und herein trat eine Gruppe von drei Männern, die sich ihre Mäntel von den Schultern zogen und sie den Doggen überreichten. Einer dieser Männer erkannte sie sofort. Schwarze Haare, die militärisch kurz geschnitten waren und auch, wenn sie seine Augen gerade nicht erkennen konnte, wusste sie, dass sie dunkelgrün waren. Mit seiner massigen Statur, den breiten Schultern und den kräftigen Beinen überragte er die anderen Männer um knappe 10cm. Schließlich war er ein ehemaliger Krieger. Die anderen zwei Männer waren Aristokraten in der Glymera. Mit einem Kopfnicken wies sie Lulu an sich umzudrehen. Skyla beobachtete wie Lulu sich kurz anspannte, ihre Hände ließ sie in ihren Schoß fallen. „Es scheint, als habe mein Vater wieder ein Treffen mit… seinen Freunden“, murmelte Skyla, Lulu bedachte sie nur mit einem skeptischen Blick. „Sind sie in einem… Club?“

„Ja, klar. Sie spielen… Tennis.“ Peinlich. Wieso ausgerechnet Tennis? Ihre Spezies konnte sich nicht einmal in der Sonne bewegen. „In dieser Jahreszeit?“, fragte Lulu immer noch nicht ganz überzeugt. Ihre Zweifel Skyla gegenüber duftete bitter, genauso wie ihre Furcht. Aber wovor hatte sie Angst?

„Naja. Es gibt ja auch Hallen in denen man spielen kann.“ Wie sollte sie aus dieser Lüge wieder rauskommen? Skyla hasste es Lulu anzulügen. „Vielleicht lernst du ihn ja mal kennen. Er würde sich bestimmt freuen.“

Schweigen. Lulu blinzelte ein paar Mal, ihre dichten Wimpern waren lang und schwarz. Sie griff plötzlich hinter sich an die Stuhllehne, ehe sie feststellte, dass sie keine Jacke anhatte. „Tut mir leid, ich habe vergessen… ich muss nochmal weg“, stammelte Lulu und stand schon auf. „Okay, wie du meinst.“ Skyla war klar, dass Lulu nichts mehr vor hatte. Sie ergriff einfach nur die Flucht. Es war das, was Skyla befürchtet hatte. Ohne noch ein Wort zu sagen, war Lulu schon aus dem Restaurant gerauscht.

Nach zehn Minuten kam Skyla zu dem Entschluss, dass Lulu nicht wieder reinkommen würde. Es wäre die Gelegenheit gewesen, sie endlich aufzuklären. Ihr zu sagen, dass sie ihre Hilfe brauchen würde. Schließlich hatte sie sich nicht wegen einer Diät wegen der Spargelsuppe entschieden, sondern, weil ihr Magen viel zu empfindlich auf einige Gerichte reagierte. Außerdem wollte Skyla, dass Lulu nicht mehr alleine war. Das Mädchen brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte, mit ihr quatschte und mit ihr Shoppen ging. Eigentlich hatte sie das Verbot bekommen, mit Lulu in Kontakt zu treten, da es nicht ihre Angelegenheit war, aber nachdem diese menschliche Tusse Lulu die Farbe über den Kopf gegossen hatte, musste Skyla ihre Deckung aufgeben. Es hatte sie rasend gemacht, wie man sich ihrer Rasse gegenüber verhielt, auch wenn diese menschliche Frau es nicht wusste. Ein Doggen trat an Skylas Tisch mit dem Wein.

Hoffentlich tat Lulu nichts Falsches und landete später noch in den falschen Händen, schließlich war auch sie in Gefahr. Auch, wenn noch keiner ihrer Feinde wusste, dass sie zum Vampir wurde. Allerdings bezweifelte Skyla, dass Lulu es lange aushielt, ohne sich einige Fragen zu stellen. Sie war eben ein Vampir. Und Skylas Bruder war der Auserwählte, sie durch die Transition zu bringen. Seufzend nippte sie an dem Wein. Ein wenig tat Lulu ihr schon leid, denn Alec war nicht gerade jemand, mit dem gut Kirschen essen war. Bis jetzt hatte er sich jedoch ziemlich geziert, die Brünette kennen zu lernen, sie aufzuklären. Vielleicht änderte er ja seine Meinung, wenn Skyla den ersten Schritt tat, was sie ja nun auch gemacht hatte.

Plötzlich schwang die Tür vom Restaurant wieder auf, Skyla hoffte es wäre Lulu, aber es kam ein wenig schlimmer, als erhofft. Man durfte ja noch Träumen!

Alec stolzierte geradewegs auf ihren Tisch zu. Sein Ausdruck zeigte keinerlei Gefühlsregung, seine Augen waren kalt und sahen sich desinteressiert in dem Raum um. Viele Vampirinnen sahen sich um, blickten Alec hinter her und erröteten, wenn er kurz in ihre Richtung blickte. Selbst Skyla musste zugeben, dass ihr großer Bruder ein Blickfang war, nichts für schwache Nerven und eine totale Kampfmaschine. Deshalb die Nerven. „Alec“, begrüßte Skyla ihn, denn sie wusste, was nun auf sie zukam.

„Ich kann sie riechen. Wieso hast du dich ihr soweit genährt?“, fragte er leise, ließ sich auf den Stuhl sinken, auf dem vorher noch Lulu gesessen hatte und zog die Augenbrauen tief zusammen. „Sogar hier. Du hast sie hierher gebracht?!“

Skyla zuckte die Schultern, nahm sich wieder ihr Glas und kippte einfach den ganzen Inhalt hinunter. „Genau genommen, darf sie hier sein. Sie ist eine von uns.“

Immer schön sachlich bleiben. Mit guten Argumenten könnte sie ihn vielleicht wirklich umstimmen und er würde Lulu endlich helfen. „Außerdem, irgendwer muss ihr ja helfen, wenn du es nicht tust. Weißt du was heute passiert ist?“

Ein Knurren ertönte von Skylas Gegenüber und sie wunderte sich über seine Reaktion, dass sie Lulu jetzt so nahe gekommen war. Er war vielleicht 50 Jahre älter als sie, aber mit seinem Knurren machte er ihr nicht wirklich Angst. Da Alec nichts weiter sagte, schien er sich auch nicht dafür zu interessieren und Skyla schenkte sich noch etwas Wein in ihr Glas. In Alecs Augen tobte ein innerer Kampf und fluchend stand er wieder auf.

„Willst du mitessen? Der Doggen kommt gleich.“

„Was hat sie bestellt?“ Bis jetzt hatte er noch nicht ein einziges Mal ihren Namen ausgesprochen. Obwohl er wusste, dass sie ihn brauchte und es nun seine Pflicht war, ihr sein Blut zu geben. Es fiel ihm schwer, dass sah sie ihrem großen Bruder an. Denn er hatte noch nie eine Frau an seine Vene gelassen und trinken tat er immer von verschiedenen Auserwählten, um sie sich auf Abstand zu halten.

„Spargelsuppe. Und Chardonnay. Du kannst natürlich auch Bier trinken.“

„Okay.“ Alec setzte sich wieder, seine Nasenflügel bebten, als würde er eine Witterung aufnehmen und Skyla grinste in sich hinein, als sie ihre Lippen wieder an ihr Glas drückte. Anscheinend ließ sie ihn doch nicht so kalt, wie er immer alle glauben ließ. Ob er sie manchmal nachts beobachtete?

„Wie geht es Vater und Mutter?“, fragte er, während er auf sein Handy blickte. Seit ein paar Jahren wohnte er schon alleine, hatte angeblich einen aufregenden Job angenommen über den er nie sprach. Aber mit seinem Aussehen und seiner groben und gefährlichen Art hätte er genauso gut in der Bruderschaft sein können und für die Spezies kämpfen können. Er hatte diese gewisse Ausstrahlung, die einen dazu brachte wegzulaufen. Viele andere Männer hatte er schon eingeschüchtert, wenn sie Skyla zu nahe kamen. „Frag ihn selbst. Er ist hier.“

Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass sie dachte, er würde sie gleich über den Tisch hinweg anspringen und würgen. „War es dein Plan sie Vater vorzustellen?“

„Lulu! Ihr Name ist Lulu!“ Skyla knallte fast das Glas auf den Tisch und rollte dann mit den Augen, als Alec die Augenbrauen wieder zusammenzog und sie versuchte mit seinem Blick zu erdolchen. Es war ihr unerklärlich, wie man so kindisch sein konnte. „Und ja. Ich dachte, dann würde wenigstens Vater einsehen haben und sie aufnehmen, ihr einen anderen Vampir vorstellen. Naja, das würde dann eher ich übernehmen.“

Wieder war ein Knurren zu hören. Alec musste definitiv an seinen Instinkten arbeiten, denn wenn das so weiter ging, würde Skyla ihm nicht mehr glauben, wenn er meinte: Es interessierte ihn nicht, was das Mädchen machte. Und dabei einer Frau hinterher sah, sie mit Blicken verfolgte, bis Skyla ging.

„Es liegt nicht an ihm. Auf mir lastet die Aufgabe und ich wäre dir dankbar, wenn du dich aus meinen Problemen raushalten würdest!“

Der Doggen kam an den Tisch und stellte alles sorgfältig drauf. Alec bestellte dazu noch eine große Fleischplatte, ein halbes Hähnchen und ein Bier. Man, der hatte mal einen großen Appetit.

Kapitel 4

Lulu hätte sich am liebsten zu Hause eingesperrt und wäre nie mehr rausgegangen. Seit Skyla in der Berufsschule aufgetaucht war, zog Sally sie immer wieder auf, weil die schwarzhaarige nicht mehr auftauchte. Immer wieder zog Sally sie nämlich in den Dreck, holte sie wieder raus, nur um sie dann noch tiefer zu stecken. Das meinte sie natürlich nicht im wortwörtlichen Sinne. Obwohl sich Lulu vorstellen konnte, wie Sally sie an einem regnerischen Tag an den Haaren packte und sie mit dem Gesicht voran durch den Matsch zog. So ungefähr fühlte sich Lulu gerade. Mr. Bear hatte mal wieder die letzte Stunde und erklärte etwas, was er schon vor ein paar Tagen angesprochen hatte. Es nervte Lulu, dass er ständig rumschrie. Ihre Ohren taten schon weh und ein unangenehmes Rauschen hatte sich in ihrem Kopf breit gemacht. Immer wieder kniff sie die Augen zusammen, wünschte sich nur noch das Ende der Stunde um verschwinden zu können. Aber vorher hatte Mr. Lenory sie noch gebeten nach dem Unterricht zu ihm zu kommen. Er hätte angeblich irgendwelche Neuigkeiten. Mr. Lenory war echt ein seltsamer Mann. Seine Haut war bleich, genauso wie sein Haar. Und seine Augen waren von einem dunklen braun. Lulu war nur ungern mit diesem Mann alleine. Bei ihm hatte sie das Gefühl in einem Käfig zu sitzen, wie ein eingesperrtes Tier. Einer ihrer Mitschüler hatte Mr. Lenory einmal auf sein Alter hin gefragt und er hatte wirklich geantwortet, er wäre vor kurzem erst 39 Jahre geworden. Selbst Lulu musste bei dieser Antwort schmunzeln, während die Klasse sich nicht mehr beherrschen konnte. So ungläubig das klingen mag, Lulu glaubte Mr. Lenory es.

Die Flure waren nach dem Klingen der letzten Stunde überfüllt und Lulu musste sich nicht nur durch die Müdigkeit kämpfen, sondern auch noch durch die Masse an Menschen, die sich gesammelt hatte, da es draußen einfach zu kalt war. Einige machten sich über ihre Stiefel lustig, die heute schwarz waren, mit weißen Rosen an der Seite. Die hatte Lulu günstig ergattern können, als sie die ersten Stiefel wegschmeißen musste, weil die Sohle abgefallen war. Andere wiederum lachten einfach, weil es irgendwelche Gerüchte über sie gab. Die natürlich nicht stimmten. Sie arbeitete weder als Stripperin, noch war sie Stricherin. Aber das war Lulu egal. Sollten die doch alle denken, was ihnen vor die Nase gehalten wurde.

Entschlossen klopfte sie an Mr. Lenorys Tür und trat herein, als sie sein ‚Ja‘ hörte. In seinem Ledersessel sah er eher aus wie ein Geschäftsmann, nicht gerade wie ein Vertrauenslehrer. In Lulu kam ein Fluchtinstinkt auf, sie wollte fliehen. „Miss Marin. Wie geht es Ihnen?“, fragte er mit einem Akzent in der Stimme, den Lulu nicht einordnen konnte. Sein Lächeln, das er hatte, seit sie eingetreten war in sein Büro, war ansteckend, denn es bedeutete meistens, dass er positive Nachrichten hatte.

„Gut, denke ich.“

„Ich habe Ihre Noten in den Prüfungen gesehen und mich für ein Praktikum für sie eingesetzt“, sprach er aus, drehte eine Mappe auf dem Tisch um und deutete auf das Bild das zu sehen war. „Dieses Krankenhaus würde sich sehr freuen, wenn es eine begnadete Praktikantin wie Sie bekommen würde.“

„Ist das wahr? Aber ich arbeite doch im Moment in einem Altenheim“, meinte Lulu, die Neuigkeiten waren wirklich das Beste. Die seltsamen befangenen Gefühle und auch die Müdigkeit waren mit einem Mal verschwunden und Lulu hätte einen freudenstanz aufführen können. „Ja, das stimmt. Aber es wäre doch viel besser, wenn du in einem Krankenhaus arbeiten würdest. Du musst nur deine Bewerbung abgeben und darauf warten, eine Zusage zu bekommen.“

„Vielen Dank, Mr. Lenory!“

Lulu nahm die Mappe in die Hand und Mr. Lenory stand von seinem Ledersessel auf, was bedeutete, dass das Gespräch beendet war. Glücklich über diese gute Nachricht, sprintete Lulu nach draußen, ignorierte einfach den leichten Schneefall und konnte sich ein dämliches Grinsen nicht verkneifen. Sie könnte endlich ihrem Traum nachgehen und eine richtige Krankenschwester in einem Krankenhaus werden.

An der Bushaltestelle stopfte sie die Mappe in ihre Tasche, damit sie nicht durchweichte und wartete zitternd auf den Bus. Jedoch fuhr ein silberner Cadillac auf die Busspur und die Beifahrertür schwang auf. „Was machst du denn hier?“, fragte Lulu erstaunt, als sie sich auf das weiche Leder setzte und sich anschnallte. Skyla lächelte zögerlich und fuhr wieder auf die Straße.

„Ich habe gedacht wir gehen zusammen Essen. Und du darfst aussuchen wo es hingeht. Nicht, dass du mir wieder davon läufst. Und ich werde dich auch niemandem vorstellen. Ehrenwort“, sprach sie auch drauf los und Lulu lächelte ebenfalls. „Ich hatte nur gehofft, wir können Freundinnen sein.“ In diesen paar Tagen hatte Lulu die schwarzhaarige schon vermisst und das sie Freunde waren, stritt sie gar nicht ab. Denn dann würde sie nicht hier sitzen, schließlich mochte sie Skyla und wollte eine Freundschaft nicht einfach so wegwerfen.

„Ja, ich habe einen riesen Hunger. Wie wär’s mit Pizza?“

Skyla strahlte richtig, als Lulu ihr den Vorschlag gemacht hatte und fuhr, wie beim letzten Mal, wild durch die Stadt, bis sie eine passende Parklücke gefunden hatte. In einem kleinen italienischen Restaurant, setzten sie sich an einen Platz am Fenster. Über dem Tisch lag eine rot weiß karierte Tischdecke, auf der eine Karte, sowie Salz und Pfeffer draufstanden. Ihr nahm kein Kellner irgendwem eine Jacke ab und niemand verbeugte sich so tief, dass er fast den Boden knutschte. Hier fühlte sich Lulu ein wenig wohler und nicht so beobachtet. „Haben Sie schon gewählt?“, fragte eine junge Kellnerin und hielt Stift und Block bereit. Lulu hatte sich nur für eine kleine Salami Pizza entschieden, während Skyla sich wieder zuerst einen Salat bestellte und danach eine Pizza Hawaii. Sobald die Kellnerin verschwunden war, beobachtete Skyla Lulu wieder und spielte an einer Serviette herum.

„Erzähl mir doch was von dir, Lu.“ Etwas überfordert fixierte Lulu einen Punkt hinter Skyla und überlegte sich ihre Wortwahl. Genau genommen war es ja nichts Falsches ihr etwas zu erzählen. „Ich dachte, dein Vater kennt mich. Hat er dir denn nichts erzählt?“ Skyla schien überrascht über ihre Gegenfrage und schmunzelte leicht. Die Serviette hatte sie zu einem ganz kleinen Viereck gefaltet.

„Ich weiß nur, dass du Lulu Marin heißt und etwa in meinem Alter bist. Vierundzwanzig richtig?“

„Ja, das stimmt.“ Immer noch schmunzelnd sah sie sich kurz in dem Restaurant um und schnalzte dann mit der Zunge. Anscheinend ahnte sie, dass Lulu nicht weiter über sich reden wollte. Für Lulu gab es ohnehin nichts Erwähnenswertes. Und Skyla schien es zu verstehen, denn sie beließ es einfach dabei und faltete die Serviette wieder auseinander. Ein Summen ertönte in ihrer Nähe und Skyla griff sofort in ihre Manteltasche. Nur kurz blickte sie auf das Display und verschwand dann für einige Minuten nach draußen in die Kälte. Es schien ziemlich wichtig zu sein, so, wie sie mit den Händen in der Luft herum wedelte. In der Zeit musterte Lulu die außergewöhnliche Frau. Ihre schwarzen Haare reichten ihr knapp bis zur Hüfte, ihre schmale Statur machte sie noch größer, aber ließ sie nicht mager wirken. Und ihre Art sich zu bewegen, schien an Perfektionismus zu grenzen. Als Skyla wieder reinkam, fröstelte sie kurz, sagte aber nichts zu ihrem Telefonat. Trotzdem schien ihre Laune sich gerade verabschiedet zu haben.

„Was ist los, Sky?“, fragte Lulu deshalb nach und machte sich Sorgen, was geschehen war. Vielleicht hatte Skyla Ärger mit ihren Eltern oder Probleme bei ihrer Arbeit. Was auch immer sie für einen Beruf hatte.

„Ach, das ehm…. Das war ein Arbeitskollege. Er meinte, es wäre gerade viel zu tun, als ich gegangen war und wollte das ich wiederkam.“ Lässig, als würde sie das nicht interessieren, winkte sie mit der Hand ab und lehnte sich zurück, als die Kellnerin mit den Pizzen und den Getränken kam. „Wenn es nicht anders geht, dann geh ruhig. Essen können wir irgendwann anders auch.“ Erstaunt hob Skyla den Blick, lächelte dann und schüttelte kurz darauf den Kopf.

„So wichtig ist es nicht. Wirklich, wir essen jetzt.“ Schweigend fingen sie an zu essen. Skyla war lange in ihre Gedanken vertieft, ihre Augenbrauen waren tief zusammengezogen, ihre Bewegungen präzise und schnell, als hätte sie es eilig.

„Lulu?“, fragte sie nach einer Weile. Sofort schnellten Lulus Brauen in die Höhe, sie hatte eigentlich erwartet, in den nächsten zwanzig Minuten nichts von ihr zu hören.

„Ich habe gleich noch einen wichtigen Termin… mit einem Kunden, den kann ich nicht absagen“, meinte sie und blickte kurz auf ihr Samsung Galaxie. Lulu griff nach ihrer Cola und trank einen kräftigen Schluck. „Ich würde dich gerne nach Hause fahren.“

Direkt zu ihr? Prompt verschluckte sie sich an ihrer Cola und hustete, ehe sie das Glas abstellte und sich mit ihrer Serviette den Mund abwischte. Sie hatte noch nie jemanden bis zu ihrer Wohnung genommen. Niemand der sie kannte, wusste wo sie wohnte. Es war ihr viel zu peinlich, das Haus war schäbig und alt und hätte nach Lulus Meinung schon vor Jahren abgerissen werden. Und Lulus Wohnung entstammte auch nicht gerade dem Schöner Wohnen Magazin. „Nein. Das passt schon, ich kann zu Fuß gehen.“

„Bist du verrückt? Es ist minus 6 Grad draußen“, widersprach Skyla und ihr Blick verriet mal wieder, dass sie keine Widerworte wollte. Also gab sich Lulu geschlagen und konnte eine leichte Röte vor Scham nicht verstecken.

Kapitel 5

Das Lulu sich immer so quer stellen musste, das fand Skyla sinnlos. Sie bekam sowie so was sie wollte. Und sie würde Lulu auf jeden Fall nach Hause fahren, ob sie das wollte oder nicht. Aber die Kälte war nicht der einzige Grund, weshalb Skyla schnell von hier fort wollte. Lulu schwebte ganz sicher in Gefahr, so wie Alec es ihr am Telefon geschildert hatte. Deshalb musste sie Lulu von diesem öffentlichen Ort wegbringen. Alec hätte das eigentlich tun sollen, er sollte auf sie aufpassen und sie in Sicherheit bringen. Aber was tat man nicht alles für die Familie. Wenn es nach Skyla ging, hätte sie lieber ein Hotelzimmer für Lulu gebucht und sie dort solange eingesperrt, damit niemand sie finden und verletzen konnte. Aber sie würde Skyla nur für verrückt halten, denn noch wusste sie nicht, wer ihre Eltern wirklich waren. Und was sie waren. Aber das würde Skyla ihr nicht erzählen. Diese Aufgabe galt Alec.

„Komm. Dann lass uns gehen“, sprach Skyla, winkte halbherzig eine Kellnerin an den Tisch und reichte ihr eine Summe Bargeld. Obwohl Lulu schon wieder was sagen wollte, ignorierte Skyla sie einfach. Umso schneller sie diesen Laden verlassen konnten, desto schneller wäre Lulu in Sicherheit. Lulu war bereits aufgestanden und hatte sich ihren Mantel übergezogen. Die grüne Farbe war vollends aus dem Stoff rausgegangen. Sie schien Skylas Unruhe zu spüren und dachte sich wohl, sie würde Lulu loswerden wollen. Aber es war ja genau das Gegenteil.

„Lulu, sei mir nicht böse“, meinte Skyla beschwichtigend und legte eine Hand auf ihren Arm. Doch Lulu wand sich von ihr ab und winkte lächelnd mit der Hand ab. Skyla musste sich schleunigst was überlegen, sie noch ein bisschen hinhalten, denn der Feind war in Lulus unmittelbarer Nähe und das machte ihr Sorgen. Und als Vampir konnte sie schlecht in die Sonne. Und eine Doggen wollte sie auch ungern ständig zur Berufsschule schicken.

„Wann arbeitest du eigentlich wieder?“, fragte Skyla um sich und Lulu ein bisschen abzulenken und die Stimmung aufzuheitern. Sie ließ ihr Auto aufblinken und ging auf die Beifahrerseite. Ihr Cadillac ATS war natürlich ihr eigener Wagen. Aber um Lulu nicht einzuschüchtern, wollte sie lieber nicht das reiche Mädchen zeigen. Die meisten Vampirfamilien waren wohlhabend, hatten mehr als nur ein Haus und konnten sich auch dementsprechend mehr Autos leisten. Skyla gehörte mit in diese Kategorie und gönnte sich nur das Beste vom Besten. Wieso auch nicht, wenn man es konnte? Aber sie arbeitete auch und verdiente sich ihr eigenes Geld. Ihr Vater sah das zwar gar nicht gerne, vor allem, da es gerade eine schlimme Zeit für die Spezies war, aber er konnte Skyla nicht umstimmen. Skyla arbeitete als Immobilienmaklerin für Vampire und erbaute auch nach Wunsch Häuser. Natürlich nicht selbst, sie arrangierte dann eine Baufirma, die das Haus dann baute. Gerade jetzt hatte sie sich für ein paar Stunden freigenommen und ihrer Freundin Miley alles überlassen. Bei Problemen konnte sie sich natürlich melden, außerdem half ihr Hellren ja auch noch mit. Also musste sich Skyla keine Gedanken machen.

„Ich habe vielleicht einen neuen Ausbildungsplatz im neuen Jahr“, riss Lulu sie wieder aus den Gedanken und Skyla nickte. Das würde dann ja nicht mehr lange dauern. Und das bedeutete, Lulu würde solange noch in der Berufsschule festsitzen. „Das ist doch toll. Und wo arbeitest du dann?“„In einem Krankenhaus. Im Moment arbeite ich noch in einem Altenheim. Und jetzt sowas. Ich bin total aufgeregt auf das Vorstellungsgespräch“, freute sich Lulu und Skyla war wirklich überrascht, wie sehr sich Lulu für diesen Job begeisterte. Menschen zu helfen, gehörte nicht unbedingt zu Skylas Alltäglichkeiten und sie konnte sich vorstellen, wie sehr Lulu es traurig machte, wenn sie nicht arbeiten gehen konnte. Obwohl, sie könnte im Krankenhaus für Vampire arbeiten, aber dann müsste sie ihre Ausbildung von vorne beginnen. Skyla versuchte so viele Umwege wie möglich zu nehmen und geriet dabei immer wieder an eine rote Ampel. Im Restaurant hatte Alec sie angerufen und sie sofort nach Hause geschickt. Sie hatte sich nicht getraut ihm zu sagen, dass sie Lulu dabei hatte. Dann wäre er ganz bestimmt persönlich gekommen und hätte sie wahrscheinlich noch entführt. Aber die Gefahr war einfach zu nahe. Alec hatte einen Lesser in der Nähe der Berufsschule entdeckt und nicht nur das, der war auch noch in dem Gebäude verschwunden, als Alec ihm folgte. Wie sollte sie Lulu jetzt nur beschützen? Hoffentlich wusste der Lesser nicht, was Lulu wirklich war.

„Ich wohne in der anderen Richtung“, murmelte Lulu schläfrig und Skyla stellte die Heizung ein wenig höher. „Oh, klar.“Das wusste Skyla. Und sie wusste auch wie das Haus, das Treppenhaus und auch die kleine Einzimmerwohnung aussahen. Wie gesagt, sie wurde nicht erst seit gestern beobachtet. Trotzdem hatte Skyla Angst die noch ungewandelte Vampirin alleine zu lassen. Es wäre so viel besser, wenn Alec ihr endlich alles erklären würde, dann könnte sie sich richtig auf die Wandlung vorbereiten. Sie nahm wieder einige Umwege, bis Lulus Augen sich schlossen und sie langsam an dem Viertel vorbeifuhr. Skyla schnappte sich ihr Handy und wählte die Nummer ihres Bruders. „Was?“, fragte er in der alten Sprach, was Skyla gelegen kam, denn sie wusste nicht, wie tief Lulu schlief. „Sei mir nicht böse, aber ich bin nicht alleine.“

Was meinst du damit?“

Lulu ist bei mir. Wir haben vorhin zusammen gegessen“, seufzte Skyla und versuchte auszumachen, wie Alec gerade guckte. Sie konnte sich seine zusammengezogenen Brauen gut vorstellen, genauso wie den wütenden Blick. Leise fluchte er vor sich hin.

Bring sie nach Hause.“ Etwas an seiner Stimme war anders. Würde er sie endlich kennen lernen? Hatte er sich dazu entschlossen, seine Aufgabe endlich anzunehmen? „Was ist mit dem Lesser?“

Schon ok. Fahr sie einfach nach Hause und dann fährst auch du Heim, verstanden? Mach bitte keine Dummheiten!“ Sie nickte, auch wenn Alec es nicht sehen konnte und legte auf. Lulu hatte sich nicht geregt, also schlief sie wohl doch. Noch einmal fuhr Skyla um den Block und hielt dann vor dem alten Gebäude, in dem Lulu wohnte. Obwohl heute Freitag war, hatte sie sich gut in dem Verkehr geschlagen, die vielen roten Ampeln waren ja Absicht gewesen. An der Hausmauer konnte Skyla einen Schatten ausmachen, der eindeutig zu groß und zu breit für einen normalen Mann war. Nur langsam schaltete sie die Heizung aus und stupste Lulu an der Schulter an, die sich reckte und gähnte. „Ach, wir sind schon da?“, murmelte sie eher zu sich selbst und stieg aus. Wieder reckte sie ihre Arme in die Luft und sah dann überrascht zu Skyla, die ebenfalls ausgestiegen war. Zu zweit gingen die beiden auf das Haus zu, wo auch der Vampir endlich aus dem Schatten trat. Sofort fing Skylas Herz an schneller zu schlagen.

„Sylas“, murmelte Skyla und versuchte dem großen Vampir nicht zu oft in die Augen zu blicken. Sonst lief sie Gefahr zu sabbern. „Was machst du hier?“„Dein Bruder hat mich angerufen“, war seine knappe Antwort und verschränkte die Arme vor der Brust. Neben Skyla war Lulu ganz still geworden. Leicht berührte Skyla die Schulter von Lulu, diese atmete erleichtert auf, als Sylas einen Schritt zurückging. Es war Angst die von Lulu ausging, was natürlich nicht verwunderlich war. Sylas war etwa 2m groß, so breit wie zwei Männer und einen Blick, in dem man zu Boden ging. In Skylas Fall war es jedoch nicht aus Angst. Lulu ging langsam zur Tür, immer darauf bedacht, keine zu schnelle Bewegung zu machen. Als sie jedoch gähnte, fasste Skyla ihren Arm und hielt sie noch kurz auf. „Mach bitte für niemanden die Tür auf, selbst wenn nur der Postbote klingelt. Öffne sie einfach nicht.“ Sie nickte müde, blickte kurz zu Sylas und drückte dann die Tür auf. „Versprich es mir!“

„Ja, ich verspreche es dir“, meinte Lulu schnell und lächelte müde. „Ich öffne niemandem die Tür.“ Erleichtert seufzte Skyla und die Tür fiel ins Schloss.

Nun alleine draußen stehen, wollte Skyla so schnell wie möglich weg. Sie kannte Sylas zwar durch ihren Bruder, konnte aber nicht feststellen, was er von ihr hielt. Alec hatte erzählt, er würde mit ihm zusammenarbeiten, aber wo, dass wusste sie nicht. Und auch nicht als was. Ja, klar, sie waren Bodybuilder, ohne Zweifel. „Du solltest jetzt gehen“, meinte Sylas leise und sah mit seinen hellblauen Augen auf sie herab. Er war männlich, sein Kinn war kantig und maskulin. Seine hohen Wangenknochen betonten seine hellen Augen noch und sein militärisch kurz geschnittenes Haar war dunkelbraun. Er sah nicht nur gefährlich aus, auch seine Ausstrahlung wirkte einschüchternd und Skyla war froh, dass er ein Vampir war und kein Lesser. „Wo ist Alec?“, fragte Skyla und zog die Brauen zusammen. Wieso sollte sie auf jemanden hören, der eh nur einen Befehl ausführte. Alec war schon immer ein herrischer und aufbrausender Typ gewesen, da wunderte es Skyla nicht, das seine Kumpels sich ihm unterordneten. So wie Sylas sie gerade anstarrte, hätte er es auch in die Bruderschaft geschafft, doch die suchten sich nur bestimmte Vampire. Denn sie hatten das Trainingsprogramm schon vor einiger Zeit abgebrochen, seit die Lesser ihre Angriffe präziser gestalteten und die Familien in einer bestimmten Reihe angriffen. Außerdem war die Anzahl der Feinde so hoch seit ein paar Monaten, dass sich kaum noch Vampire nach draußen trauten. Jedoch schwieg Sylas und starrte sie nur weiterhin an. Kurz bebten seine Nasenflügel und Skyla befürchtete das schlimmste, doch er wich nur einen weiteren Schritt zurück. „Hältst du hier jetzt Wache?“

Wieder keine Antwort und langsam kam Skyla sich verarscht vor. Sollte er ihr doch einfach sagen, dass er nicht mit ihr sprechen wollte. Aber er starrte sie einfach unentwegt an. „Okay. Dann gehe ich eben!“ Wieder brachte er kein Wort über die Lippen, sondern nickte nur knapp. Kurz bevor sie einstieg, hörte sie ihn noch flüstern: „Pass auf dich auf. Die Nächte werden gefährlicher.“

Ihr Blick war sofort wieder auf Sylas gerichtet. Nur stand er nicht mehr an der Hausmauer. Er war verschwunden.

Kapitel 6

Schon wieder hatte Alec das Bedürfnis, sich sein eigenes Grab zu schaufeln. Und das alles nur, weil er einer Vampirin helfen sollte, die nicht einmal eine Ahnung hatte, was sie überhaupt war. Was war also so schwer daran, ihr das alles zu erklären? Ach ja, er vergaß. Kaum noch jemand glaubte an Vampire und ihre Spezies lebte im Geheimen unter den Menschen. Alec saß auf der großen Couch im Wohnzimmer, wo er alles dunkel gelassen hatte. Den Kopf in den Nacken gelegt, starrte er an die Decke.

„Kannst du bitte aufhören, durch die Gegend zu starren? Das ist unheimlich“, murmelte jemand in der Dunkelheit, doch Alec kam nicht in den Sinn, jetzt mit jemandem zu reden. Er wollte bloß alleine sein und sich in Ruhe seinen Kopf darüber zerbrechen, was er jetzt tun sollte. Frauen waren zwar schön, toll … und auch ein klasse Zeitvertreib. Aber er wollte keiner Vampirin seine Vene anbieten. Das hatte er noch nie getan und so sollte es auch bleiben. Seufzend rieb er sich mit den Händen über sein Gesicht und durch sein Haar. Er verfluchte diese Frau. Nein. Er verfluchte seinen Vater. Oder noch besser. Er verfluchte diese verdammten Lesser. Oh ja, auf die sollte er sich konzentrieren, und nicht auf eine Frau. Oft hatte er sie schon beobachtet, nachdem er ein Bild von ihr gesehen hatte. Und außer ihrem Duft und ihrem Namen, kannte er gar nichts von ihr.

„Alec. Alec?“ Doch statt zu antworten, starrte er konzentriert an die Decke, als würde er darin eine Antwort finden.

„Alec!“ Gereizt und mit den Nerven langsam am Ende, setzte sich der große Vampir auf. Er blickte direkt in das teilnahmslose Gesicht von Sylas, der neben dem aufbrausenden Dorian stand. Beide waren finster und wussten, wie sie im Kampf umgehen mussten. Sie waren richtige Sensenmänner.

„Was?“, fragte Alec relativ ruhig, obwohl es in seinem Inneren vollkommen anders aussah. Er hätte die Wände hochgehen können. „Sie ist in Sicherheit. Kein Lesser hält sich in der Umgebung auf“, meinte Sylas leise und bedacht, als würde der Feind selbst hier lauern und gleich auf sie losstürmen. Die beiden kamen öfter in sein privates Haus, was kein Wunder war, da sie Kämpfer waren. Sie machten viel zusammen und öfter schlief auch jemand bei ihm, wenn sie nach einem Kampf verwundet worden waren. Natürlich hatten weder Skyla, noch seine Eltern Ahnung von seinen nächtlichen Aktivitäten. Dennoch wollte er schon Bescheid wissen, wenn sie ihn besuchen wollten. Was wäre, hätte er eine Frau hier? Innerlich lachte er sich über diesen Gedanken tot. Eine Frau? In seinem Haus? Nie und nimmer. Wieso er Lulus Sicherheit so sehr wollte, wusste Alec nicht. Aber es war ihm wichtig, zu wissen, dass sie nicht im Visier der Feinde war. Jetzt, da sich herausgestellt hatte, dass einer sich in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielt. Er hätte sie ja schon längst zu sich geholt, aber er wollte sich den Stress ersparen, wenn sie hysterisch wurde und ihn als verrückt oder krank beleidigte.

„Alec?“, fragte diesmal einer, der nicht vor ihm stand. Stumm drehte er sich um und blickte in die dunkelbraunen Augen seines Kameraden. Lucius stand im Dunkeln mit verschränkten Armen, sein Stoffmantel war offen, so wie immer und eine seiner Waffen blitzte im hellen Mondlicht auf, als er auf Alec zu ging. Sie bildeten ihre eigene kleine Einheit und kämpften für die, die sie liebten. Auch wenn sie nicht von der Bruderschaft aufgenommen wurden, kämpften sie auf den Straßen Caldwell und löschten die Lesser einer nach dem anderen aus. Nun ja, Alec hätte in die Bruderschaft gehen können, aber er hatte abgelehnt, und das nur wegen seiner besten Kumpels.

„Wann wirst du zu ihr gehen?“, fragte Lucius mit rauer Stimme, mit der er schon viele Frauen rumgekriegt hatte. Wenn Alec nichts unternahm, würde Lulu ihre Transition nicht überleben, oder ein anderer Vampir musste ihr helfen. Lucius würde die Aufgabe nur zu gerne übernehmen, das wusste Alec, aber wenn der Vampir seinen Charme spielen ließ, sagten alle Frauen Ja und Amen. Jedes weibliche Wesen würde ihm zu Füßen liegen, wenn er nur mit dem Finger schnipste. Wieso sollte es bei Lulu anders sein?

„Das geht dich nichts an“, knurrte Alec, rieb sich wieder mit einer Hand übers Gesicht und mied den Augenkontakt zu seinen Jungs. Er wollte nicht mehr ausgefragt werden, er würde zu Lulu gehen, wenn es soweit war. Er gab ihr höchstens noch ein paar Monate, wenn nicht sogar weniger. Ihr fünfundzwanzigster Geburtstag war nicht mehr lange hin und bis dahin musste er sie kennen lernen. Seufzend erhob er sich von der Couch und marschierte durch das dunkle Wohnzimmer zur Treppe in den Flur und gab bei der Stahltür, die sich neben der Treppe befand, einen Code ein. Hinter der Stahltür befand sich eine Treppe die nach unten zu seinem ganz privaten Schlafzimmer führte. Dort zog er sich zurück, wenn er nachdenken musste. So wie jetzt.

„Gehst du heute nicht auf die Straße?“, fragte Lucius, der es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte und seine Waffen säuberte. „Nein. Ich bleibe hier. Macht was ihr wollt. Von mir aus, habt ihr eine freie Nacht.“

„Deine Schwester ist noch unterwegs“, brummte Sylas plötzlich in die Stille, als keiner der Jungs auf Alecs Angebot antwortete. Die Augen verengt, starrte er den dunklen Krieger an und versuchte in den hellen Seen seiner Augen einen schlechten Scherz zu finden. Alec hatte seiner Schwester ausdrücklich gesagt, was sie zu tun hatte, wieso also war sie noch nicht zu Hause. Ja, sie hatte einen Job, was ihm überhaupt nicht gefiel. Mit einem deftigen Fluch, schlug Alec mit der Faust gegen die Sicherheitstür zu seinem Schlafgemach und ging zurück ins Wohnzimmer. Lucius grinste still vor sich hin, während er weiter seine Waffen säuberte und Alec wollte gar nicht wissen, was für Fantasien der Vampir schon wieder hatte. Er nahm sich eine Lederjacke, versteckte seine vierziger Glock im Innern seiner Jacke und holte noch zwei Dolche aus einem Schrank neben dem Fernseher. Da es ihm nie sicher genug war, hatte er überall im Haus Waffen gelagert, damit er immer eine griffbereit hatte. Sollte jemals ein Lesser in dieses Haus kommen. Dann marschierte er zur Tür, gefolgt von seinen Kameraden. Stöhnend und total genervt, drehte er sich zu den Jungs um. Er starrte sie wütend an, er hatte nur eine ruhige Nacht gewollt. An den Tagen konnte er kaum ein Auge zu machen, weil er Lulu einfach nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte. Aber nachts, da wusste er, dass ihr nicht so viel passieren konnte. Auch wenn die Feinde nur nachts auf die Straße gingen, von den Prätans hatten sie keine Ahnung. Glaubte Alec zumindest. „Ihr bleibt hier. Oder geht in die Stadt. Oder nach Hause. Aber ich will nicht, dass ihr mit zu meiner Mutter kommt!“ Lucius, der sich nicht von seinem Platz bewegt hatte, hob einfach nur die Hand zum Abschied und widmete sich wieder seinen Waffen. Sylas und Dorian zuckten beide die Schultern, als sei es ihnen egal. Die beiden schlenderten wieder zurück und fläzten sich auf die Sofas. Und schon lief der Flachbildfernseher. Was für ein Fortschritt!

Vor seinem Haus kontrollierte Alec sein Aussehen, fuhr sich durch sein blondes Haar, richtete den Kragen seiner Jacke und vergewisserte sich, dass seine Waffen gut versteckt waren. Dann dematerialisierte er sich vor das Haus seiner Eltern. Es war ein Neubau, das seine Mutter unbedingt haben wollte, als sie es in einer dieser Zeitschriften gesehen hatte. Er tastete nochmal nach seiner Waffe, dass sie auch wirklich nicht zu sehen war, schließlich wollte er seiner Mutter keinen Schrecken einjagen. Kaum hatte Alec den Klingelknopf gedrückt, wurde die Tür auch schon von der Doggen aufgemacht.

„Mein Herr. Ihr überrascht uns aber“, begrüßte ihn Alina, die sich kurz, aber würdevoll verbeugte und ihn ins Haus ließ.

„Wie geht es dir, Alina?“, fragte Alec aus reiner Höflichkeit, ließ seine Jacke und Schuhe an und marschierte direkt ins Wohnzimmer. „Danke, sehr gut, mein Herr. Soll ich der Herrin Bescheid geben, oder bleibt Ihr nicht sehr lange?“„Sagt meiner Mutter ruhig Bescheid. Ich habe sie schon seit einer Weile nicht mehr gesehen.“ Wieder verbeugte sich Alina kurz und verschwand im oberen Stockwerk. Kurz darauf, kam sie mit Alecs Mutter wieder die Treppe hinunter. Selines langen blonden Haare waren zu einem grazilen Zopf zusammen geflochten und ihre dunkelblauen Augen strahlten, als sie ihren Sohn sah. „Alec, wie schön dich zu sehen.“

Mahmen. Wie geht es dir?“ In ihrer herzlichen Umarmung drückte sie ihn fest an sich und schien stolz auf ihn zu sein, so wie sie ihn ansah. Sie tätschelte sein Gesicht, ging ihm durch sein Haar und legte dann eine Hand an seinen Oberarm. Alec war nur froh, dass sie die Waffe nicht entdeckt hatte.

„Gut geht es mir. Hast du es dir mit der Tochter von Vhex endlich überlegt?“ Oh, das hätte Alec kommen sehen müssen. Seine Mutter war eine dieser Frauen, die sich über Enkelkinder freuen würde. Über eine große Vereinigung und einen gebundenen Vampir als Sohn, den sie in der Glymera rumzeigen konnte. Oft schon hatte sie versucht, ihm eine Auserwählte zur Shellan zu machen. Aber sie alle hatte er weder geliebt, noch konnte er sie sich an seiner Seite vorstellen. Obwohl sie alle wirklich schön waren und von vollkommener Reinheit, er konnte keine von ihnen nehmen.

„Ich bin wegen… Skyla hier“, stotterte er und hoffte aus dieser unangenehmen Situation zu kommen. Noch nie hatte er sich an jemanden aus seiner Familie gewandt. Er war ein Mann und sollte sich alleine um seine Probleme kümmern. Aber konnte er Lulu als ein Problem ansehen? Sie war eine Frau. Eine einsame und verletzliche Frau die in Gefahr war, solange sie alleine war. Trotzdem bereitete es ihm Unbehagen, seine jüngere Schwester um Hilfe zu bitten.

„Ist etwas passiert?“, fragte Seline besorgt und ihre wunderschönen dunkelblauen Augen trübten sich. Sofort bekam Alec ein schlechtes Gewissen, seine Mutter anlügen zu müssen. „Nein. Ich habe nur eine Bitte an sie. Nichts schlimmes, Mahmen.“

„Da bin ich aber erleichtert.“ Ein Schimmern tat sich in ihre Augen und Alec konnte sich schon vorstellen, was seine Mutter gerade dachte.

„Mein Herr, wollt Ihr einen Tee oder Kaffee trinken?“, fragte Alina, die leise das Wohnzimmer betrat. Ihre kleine und zierliche Gestalt wirkte in diesem großen Haus sehr freundlich und einladend.

„Ein Kaffee wäre nicht schlecht. Danke, Alina.“ Sie neigte ihren Kopf, verschwand in der Küche und dann ertönte das rasselnde Geräusch der Kaffeemaschine, die die Bohnen zermalmte. Seline hatte ein Händchen für Dekor und ungewöhnliche Dinge, obwohl sie selbst früher eine Auserwählte war. Wie es der Zufall so wollte, sollte sie den Kriegern dienen und traf da auf Rethyr. Er war in einem Kampf mit den Lessern schwer verwundet worden und hätte fast seinen linken Arm verloren, hätte man ihn nicht sofort mit Blut versorgt und seine Wunden behandelt. Seline war ihm da schon verfallen und hatte sich für eine Vereinigung entschieden.

Und wenn man vom Teufel sprach, kam der besagte Krieger auch schon durch die Tür. Sein zerknirschter Ausdruck wurde weich, als er seine Shellan sah. Und auch Seline strahlte eine solche Wärme aus, dass Alec wegsehen musste und sich die Bilder an der Wand ansah.

„Mein Sohn“, begrüßte Rethyr Alec, legte eine große Pranke in den Nacken seines Sohnes und zog ihn für eine kurze männliche Umarmung an sich. Es war ein wohliges Gefühl, wieder einmal zu Hause zu sein. Schon seit einigen Monaten hatte er sich viel zu sehr auf seinen Nebenjob konzentriert. Aber in diesem Haus wollte er das keinesfalls erwähnen, denn Rethyr würde seine Position bei der Glymera sofort aufgeben und wieder auf die Straßen Caldwells gehen und Lesser abschlachten.

Vater. Wie geht es dir?“, fragte Alec respektvoll in der alten Sprache. „Hör auf mit dem Quatsch, mein Junge. Mir geht es gut, solange mir die Glymera nicht auf dem Schoß sitzt. Was führt dich her?“

„Er überlegt endlich zu Lulu zu gehen“, sagte Seline aufgeregt und lehnte sich an ihren Hellren. Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber er musste irgendwann seinen Mann stehen und dieser Frau helfen. Auch wenn es ihm deutlich gegen den Strich ging.

„Wirklich? Das überrascht mich, Alec.“ Damit hatte Alec gerechnet. Aber wie kam er aus dieser unangenehmen Situation wieder raus? Und wo zum Teufel steckte Skyla? Alec traute sich nicht recht etwas dazu zu sagen, denn wenn er es verneinte, würde Seline unglaublich enttäuscht sein. Und Rethyr hätte ihm wieder gesagt, wie wichtig das wäre. Er wäre es Vhex schuldig. Genau genommen war es ja nur dazu gekommen, weil Vhex noch einen Gefallen bei Rethyr gut hatte. Aber, dass dieser Gefallen sich auf Alec übertrug, darauf hätte er gut und gerne verzichtet. Also nickte Alec seinem Vater nur zu und hoffte, man würde ihm nicht noch mehr auf den Zahn fühlen. Da kam seine Rettung. Mit einem Tablett, auf dem drei dampfende Tassen standen und ein Teller mit Gebäck drauf, kam Alina ins Wohnzimmer und stellte es vorsichtig auf den Glastisch. Den seltsam geformten Glastisch hatte Seline günstig auf einer Auktion ergattert. Sie war eine richtige Sammlerin, wenn es um antike Möbel ging. Und Rethyr hielt sie nie auf, sondern stichelte sie nur noch mehr an, das Haus zu verschönern.

„Darauf sollten wir einen Trinken. Alina, bring uns ein Bier.“

„Jawohl, Herr.“

Alec setzte sich auf das Sofa, gegenüber von seinen Eltern und reichte seiner Mutter eine Tasse Tee. Sonst tat das eigentlich immer Alina, aber Alec mochte es, seine Mutter zu verwöhnen, wenn er schon auf den Straßen den Dreck erledigte. Das war nämlich kein schönes Geschäft und Seline hätte ihn wahrscheinlich eingesperrt, damit er damit aufhörte. Gerade kam Alina mit zwei Bierflaschen ins Wohnzimmer, da ging die Haustür auf und knallte wieder zu. Dann stand Skyla im Türrahmen. Wie von der Tarantel gestochen, nahm sich Alec schnell noch eine Tasse, sein Bier und zwei Gebäckstücke und balancierte alles zu seiner jüngeren Schwester, die ihm nur die Tasse aus der Hand nahm. Er ließ ihr zwei Minuten, um ihre Eltern zu begrüßen und ging ihr hinter her in ihr Zimmer. Dort schloss er hinter sich die Tür und seufzte tief auf.

Kapitel 7

In ihrem Zimmer angekommen, wartete Skyla nur darauf, dass Alec ihr endlich sagte, was er hier tat. Sie war so schon erschöpft genug von dieser Nacht und konnte keinen seiner weiteren Vorträge mehr hören. Die ganze Nacht über hatte sie Termine mit Vampirfamilien gehabt, die nach einem neuen Haus suchten, oder ihr eigenes verkaufen wollten. Momentan suchten die meisten nach einem Haus außerhalb der Stadt, wo es sicherer war. Und wenn sie ein Haus in einer anderen Stadt wollten, musste ständig mit einer anderen Immobilienmaklerin telefoniert werden. Das war so nervig. Wieso informierten sich die Kunden nicht sofort in der jeweiligen Stadt bei der Maklerin? Skyla verstand es einfach nicht. Und sie wollte nichts anderes mehr, als eine heiße Badewanne und ihr weiches gemütliches Bett. „Wie geht es dir?“, fragte Alec nach einer Weile und nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier. Seine Schuhe und seine Jacke hatte er anbehalten, also würde er nicht lange bleiben. Es war noch Nacht, musste Alec nicht bei seiner Arbeit sein? Wo auch immer er arbeitete. Das verschwieg er geflissentlich. „Gut. Und dir mein Bruder?“, fragte sie erschöpft, ließ einfach alles am Boden liegen und setzte sich auf ihr Bett. Erleichtert entspannte sie sich, als sie endlich sitzen konnte und massierte sich ihre Waden und Füße. Sie sollte sich wirklich bequemere Schuhe zulegen und nicht mehr in diesen mörderischen Stiefeln rumstöckeln.

„Auch, danke. Wo warst du?“ Verwundert blickte sie ihren Bruder an, sein Gesicht sah erschöpft aus, seine Augen müde und trüb. Und wenn er nicht immer so böse gucken würde, dann hätte er bestimmt ein richtig schönes Lächeln.

„Arbeiten. Da solltest du doch auch schon sein, oder nicht?“

„Skyla, verdammt. Ich habe mir Sorgen gemacht!“

„Oh, verstehe. Sylas, richtig? Er hat dir gesagt, dass ich nicht sofort nach Hause gefahren bin. Wie gesagt, ich hatte noch ein paar Termine die ich nicht absagen konnte.“

„Man, Skyla. Verdammt.“ Alec rieb sich über sein Gesicht. Sie konnte ihn auf einer Weise sehr gut verstehen. Momentan sorgte sich Skyla sehr um Lulu und würde es nicht ertragen, wenn ihr etwas zu stieße. Sie war hilflos und einsam und Skyla fühlte sich für sie verantwortlich. So albern es klang, sie würde für Lulu so einiges tun. „Was glaubst du wohl, weshalb ich hier bin? Deine Sicherheit hat für mich oberste Priorität!“

„Und was ist mit Lulu? Sie schwebt mehr denn je in Gefahr und du stellst dich quer. Außerdem hast du mir nicht vorzugeben, wann ich zu Hause zu sein hab. Ich arbeite und ich mag meine Arbeit sehr gerne. Und nur Vater kann mir verbieten nicht arbeiten zu gehen, aber es gibt keinen Grund mir das anzutun. Ich habe nichts zu verbergen und auch keinen Fehler begangen. Also Alec, lass mich damit in Ruhe.“

„Das verstehst du falsch, Skyla. Ich mache mir Sorgen um dich, weil du dich mit dieser Frau getroffen hast und nun muss ich darum bangen, dich vielleicht an einem Lesser zu verlieren“, zischte er aufgebracht, trank sein Bier leer und stand von der cremeweißen Chaiselongue auf. Wenn er schon so aufgebracht war, weil Skyla ihrer Spezies half, müsste man sie einsperren. Und Alec sollte lieber gehen, denn auch sie konnte es übertreiben und war oftmals ziemlich vorlaut.

„Ihr Name ist Lulu. Und du weißt, was ich davon halte, dass du solange damit wartest. Sie ist in Gefahr, genauso wie ich. Genauso wie andere unserer Spezies!“ Alec wurde wütender. Sie erkannte das an seinem Kiefer, der sich zusammenpresste. Seine Oberarme spannte er an, als er sich die Haare raufte.

„Komm schon, Alec. Was ist so schwer daran? Irgendwer wird es bald tun müssen und du willst bestimmt nicht, dass es Lucius ist. Oder?“

Der Gedanke an den hochgewachsenen blonden Vampir, ließ Skylas Herz ein paar Schläge aussetzen, nur um dann ein wenig schneller zu schlagen. Er sah aber auch verboten gut aus. Fast schon so gut wie ihr Bruder, den sie über alles liebte und dem sie nie auch nur wegen etwas böse sein könnte. Deshalb verstand sie auch nicht sein Verhalten, da er bei Lucius Namen sofort anfing die Fänge zu fletschen. Außerdem baute er sich richtig auf, als würde er gleich angreifen und seine Beute niederreißen. Dachte er etwa gerade daran, Lucius zu töten, sollte er Lulu zu nahe kommen? Andererseits konnte sie Alec verstehen, denn Skyla wollte nicht unbedingt, dass Lucius diese Aufgabe übernahm, denn er wollte nur seinen Spaß. Immer und mit jeder Frau, die er bekommen konnte. Das war irgendwie abartig und Skyla war froh, dass er sie noch nicht umworben hatte, denn an Alec würde er nie vorbeikommen. Wahrscheinlich würde er es auch nie versuchen, da man sowas unter Kumpels nicht machte. Oder, weil es sich einfach nicht für ein Mitglied der Glymera gehörte. So oder so, Lucius war ein sexbesessener Vampir, daran konnte man überhaupt nicht zweifeln.

„Ich werde mich jetzt entspannen gehen, Bruderherz“, kündigte Skyla an und marschierte direkt in ihr eigenes Badezimmer. Sie war einfach zu erschöpft um sich noch weiter mit Alec zu streiten. Es war einfach zu anstrengend und genau genommen wusste er, dass er nicht drum herum kam Lulu zu helfen. Wenn er nicht wollte, dass Lulu die Wandlung machte, dann sei es so. Aber Skyla würde diese Frau nicht hängen lassen, egal wer es am Ende sein würde. Lulu würde durch die Transition gehen. Entschlossen noch etwas Sinnvolles zu tun, nahm sie sich eine Tube mit einer ganz besonderen Creme aus dem Spiegelschrank über dem Waschbecken und einen Pinsel. Es erleichterte erstens das verteilen der Creme auf dem Gesicht und danach musste man nicht stundenlang die Fingernägel schrubben. Oder vielleicht wieder ins Nagelstudio, weil die Farbe abgeblättert war. Außerdem hasste Skyla das lange warten in diesen Salons und auch der beißende Geruch brannte ihr ziemlich in der Nase. Es klopfte leise an der Tür und Skyla öffnete sie.

„Ich werde mich darum kümmern. Du hast Recht, was bringt es mir, wenn es am Ende doch Lucius tut und sie vielleicht… verletzt. Dann bin ich schuld.“ Erste Einsicht war doch bekanntlich die beste, oder nicht? Lächelnd tätschelte sie seinen Oberarm, da sie ihm mit der Maske im Gesicht keinen Kuss auf die Wange geben wollte. Er zog sie nur kurz an sich und drückte sie fest. Er wollte wohl auch keine weiße Farbe im Gesicht haben, streichelte noch kurz über ihr Haar, ehe er aus dem Zimmer verschwand. Seine schweren Schritte hallten bis nach oben wieder und nur die Haustür, die ins Schloss fiel, verriet, dass er gegangen war. Mutter hatte sich bestimmt gefreut, ihn zu sehen. Er ließ sich viel zu selten hier blicken, dabei waren doch gerade gefährliche Zeiten. Ob er Seline wohl etwas wegen Lulu erzählt hatte? Oder kam er damit nur zu ihr?

 

Wieder auf den Straßen Caldwells hatte Alec immer noch keine Ahnung, wie er Lulu sagen sollte, dass sie ein Vampir war. Oder zumindest noch nicht. Und er kannte weder Vhex, noch seine Shellan Rayne. Er hatte nur von Rethyr mitgeteilt bekommen, dass Lulu unbedingt jemanden brauchte, der auch ihre Eltern kannte, dem sie vertrauen konnte. Rethyr hatte sich da eindeutig den falschen Vampir für ausgesucht. Seit Monaten hatte er Lulu nur beobachtet und beschützt. Verdammt, Alec sollte sie doch nur durch die Transition bringen, und ihr keinen Heiratsantrag machen. Doch an den Gedanken, sich ihren Namen auf den Rücken ritzen zu lassen, durchlief ihn ein Schauer. Ihm kam es kompliziert vor, ihr das alles zu erklären, dass er fluchend durch die Straßen schlenderte, auf der Suche nach einem harten Kampf. Um der Bruderschaft nicht in die Quere zu kommen, hatten Alec und seine Kumpels ihren eigenen Plan entwickelt um nicht aufzufallen. Sie nannten sich selbst zwar nicht die Bruderschaft, aber wie Brüder sah er die anderen schon. Seit einigen Jahrzehnten kämpfte er schon mit den anderen vier Vampiren zusammen und er würde für jeden von ihnen sterben.

Wenn kein Bruder in der Nähe war, konnten Alec und seine kleine Truppe sich austoben, wenn Lesser kamen, aber so gut wie in jeder Nacht, war mindestens ein Krieger in einem Teil der Stadt positioniert. Genauso auch heute Nacht. Vor den vielen Clubs sammelten sich die Menschen, genauso wie Vampire, die sich wahrscheinlich eine Menschenfrau suchten, um sich zu nähren. Viele männliche Vampire suchten sich ihre Beute unter den Menschen, da sie sich meist auch auf Sex einließen. Menschen waren leicht rumzukriegen, was sie deshalb auch zur leichten Beute machten. Einer der Krieger aus der Bruderschaft, groß, muskulös und tödlich marschierte durch die Straße und sah sich um. Alec lehnte sich gegen eine Hausmauer und tat so, als würde er auf jemanden warten, mit dem er um die Häuser ziehen konnte. Also blickte er kurz auf sein Blackberry und sah dann die Straße hinunter. Plötzlich stand der Krieger vor ihm und grinste unverschämt. Sein kurz geschorenes Haar war braun und seine Augen leuchteten in einem stählernen Blau.

„Ich weiß, was du hier tust und du solltest damit aufhören, wenn du nicht draufgehen willst.“ Seine tiefe Stimme dröhnte in Alecs Ohren und auch wenn er im Kampf eine echte Maschine sein konnte, würde er dem Krieger bestimmt nicht im Weg stehen. Gerade wollte er ihm seine Lüge erklären, als sein Handy summte. Sylas.

„Okay, ich hab’s verstanden“, erwiderte Alec knapp und wollte sich abwenden, um das Telefonat entgegenzunehmen. Doch der Krieger hielt sein Handgelenk fest. Er musste Thorment sein. Der vernünftigste von ihnen, langsam erinnerte sich Alec an den Ton seiner autoritären Stimme. „Wir sind nicht blind. Du hast Verbündete mit denen du durch die Nacht streifst und Lesser tötest. Dein Vater war ein guter Bruder und du bist ein ebenso guter Kämpfer. Außerdem haben wir Informationen bekommen, dass du weißt, wo sich ein Lesser befindet, hab ich recht?“ Das Handy klingelte immer noch in Alecs Hand und er drückte auf den roten Knopf. Sollte es etwas Wichtiges gewesen sein, würde Sylas in nicht mal zwei Minuten vor ihm stehen. Alec wartete, studierte das Gesicht des anderen Vampirs vor ihm und kam dann zu dem Schluss, dass es nichts Wichtiges war, denn Sylas tauchte nicht auf.

„Wieso fragst du, wenn du die Antwort schon kennst?“, fragte Alec mit einer Gegenfrage. Er war so schon komplett am Ende mit den Nerven. Immer wieder tauchte das Bild von Lulu in seinen Gedanken auf. Er musste sie sehen. Sich versichern, dass sie in Sicherheit war. „Deine Schwester ist eine harte Geschäftspartnerin und kennt ihren Bruder ausgesprochen gut.“

Schulterzuckend sah der Krieger unverwandt in Alecs Augen. Ihm gefror das Blut in den Adern, sollte Skyla sich wirklich mit einem dieser Männer getroffen haben. Dann war das ihr wichtiger Termin, den sie nicht absagen konnte. „Was willst du wissen?“, fragte Alec. Egal, wer dieser Lesser war, jetzt würde er nicht mehr sein Problem sein und das war auch gut so. Außerdem konnte er sich dann ein wenig mehr auf Lulu konzentrieren. Er könnte sie weiterhin in Sicherheit wissen. Verdammt. Seine Gedanken spielten vollkommen verrückt.

„Wo ist der Lesser, Alec?“

„Darf ich fragen, was meine Schwester von euch wollte?“ Wenn sie auch nur ein Wort über Lulu verloren hatte, würde sie ihr blaues Wunder erleben. Er hatte ihr ausdrücklich gesagt, dass sie sich aus seinen Angelegenheiten raushalten sollte. Lulu war seine Angelegenheit. Ganz allein seine.

„Sag mir erst wo dieser Lesser ist und ich werde dich nicht verprügeln!“

„Ich weiß es nicht. Noch heute Nachmittag war er in einer Berufsschule. Aber dort ist er jetzt nicht mehr. Ich habe keine Ahnung wo dieser Scheißkerl ist.“

Der Krieger fuhr sich durch sein militärisch kurzgeschnittenes Haar und überkreuzte die Arme vor der massigen Brust. Heiße Wut kochte in Alec hoch, genauso wie Angst. Was, wenn der Lesser doch herausgefunden hatte, dass Lulu nicht menschlich war? Sie schwebte immer noch in Gefahr und das wurde Alec schmerzlich bewusst. Wie konnte er nur denken, sie wäre nachts sicherer als am Tage?

„Ich muss weg“, murmelte Alec, ließ sein Handy einfach in seine Jackentasche fallen und wollte sich dematerialisieren, als der Krieger ihn am Oberarm packte.

„Ich komme mit.“

Alec erwiderte nichts, es hätte erstens keinen Sinn und er wollte keine Zeit verlieren. Er nickte dem Bruder zu und materialisierte sich alle 500 Meter, damit Thorment ihm folgen konnte. Vor dem schäbigen Haus, in dem Lulu wohnte, blieb er dann stehen und blickte sich um. Es lag nichts in der Luft. Kein ekelhafter Gestank nach Talkum. Alec ging um das Haus herum und sah nach oben in den vierten Stock. Es brannte immer noch Licht in Lulus Wohnung, obwohl es mittlerweile weit nach zwei Uhr nachts war. Alec bedachte den Bruder mit einem wütenden Blick. Er hatte sich umsonst Sorgen gemacht und nun wusste der Bruder, dass Alec sich um eine Frau sorgte.

„Deine Frau?“, fragte der Bruder, doch Alec schüttelte den Kopf. Wie sollte er das dem Bruder erklären? Aber er war ihm keine Rechenschaft schuldig. Er konnte sich abgeben, mit wem er wollte. „Sie macht bald ihre Transition, ich passe nur auf sie auf“, erklärte er trotzdem, damit es keine Missverständnisse zwischen den Vampiren gab. Alec hätte Lulu am liebsten mit zu sich genommen, um sie in Sicherheit zu wissen.

„Sie kennt dich nicht“, schlussfolgerte der Bruder. „Noch nicht. Aber bald.“ Der Bruder nickte. „Schwierige Situation. Du solltest das reden lieber deiner Schwester überlassen. Sie ist eine gute Rednerin und eine sehr überzeugende Frau.“Alec bleckte die Fänge und unterdrückte seine aufsteigende Wut dem Bruder gegenüber. Er wollte heute Nacht nicht von einem Bruder bekämpft werden, wenn der Lesser immer noch hier auftauchen konnte. „Keine Sorge. Ich bin ein gebundener Vampir, Alec. Außerdem hat deine Schwester uns telefonisch erreicht.“ Okay, das linderte ein wenig Alecs Wut und er lehnte sich gegen einen Baum und sah nach oben. Vor Sonnenaufgang würde er nicht von ihrer Seite weichen. „Überlass uns den Lesser.“

Das war keine Bitte, es war ein Befehl und es war Alec nur recht. Mit der Bruderschaft wollte er nichts zu tun haben, weder jetzt, noch sonst irgendwann. Auch, wenn sie Caldwell beschützten, Alec wollte selbst für seine Familie kämpfen und sie schützen. Lulu gehörte für ihn nicht dazu und nach ihrer Transition würde sie sich einen zivilisierten Vampir suchen und lieben. Eine Verbindung eingehen und später vielleicht Kinder bekommen. Alecs Kopf dröhnte und er schloss seine Augen. Sollte er doch lieber Skyla das reden überlassen? Sie könnte Lulu als Freundin mehr beistehen, als Alec. Der Bruder nickte ihm noch zu, bevor er verschwand. Sobald Alec alleine war, nahm er sich sein Handy und rief Sylas zurück.

„Alles klar, man?“, fragte der Vampir und Alec ließ die Luft zwischen den Zähnen entweichen. „Ich hatte gerade ein Zusammentreffen mit einem der Brüder. Wir halten uns erstmal zurück. Skyla hat denen von dem Lesser erzählt, der in der Berufsschule war.“

„Okay. Soll einer zu der Frau fahren und sie bewachen?“

„Ich mache das selbst. Bis dann.“ Alec wartete keine Antwort ab, sondern legte einfach auf. Er hatte nicht oft auf Lulu aufgepasst und wenn doch, waren es immer nur die Situationen, wo ein Lesser ihr schon zu nahe war. Bis jetzt hatte er jeden ausgeschaltet und er würde es immer wieder tun. In Lulus Wohnung war immer noch Licht an und Alec schnalzte mit der Zunge. Er dematerialisierte sich direkt auf ihren kleinen Balkon, auf dem gerade mal ein Stuhl gepasst hätte und sah durch die Scheibe ins Innere. Die zierliche dunkelhaarige lag auf dem Sofa, das schon alt sein musste, dem Muster nach zu urteilen und hatte dem laufenden Fernseher den Rücken gekehrt. Die Einzimmerwohnung war klein, dennoch hielt Lulu sie immer sauber und versuchte jeden Dreck zu vermeiden. Sie hatte die Wohnung nur spärlich eingerichtet mit dem was sie brauchte. Selbst durch die geschlossene Balkontür konnte er ihren Duft ausmachen und spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend. Deshalb vermied er es, sie zu sehen. In ihm kam das Bedürfnis hoch, sie besitzen zu wollen. Er wollte sie. Und auch deshalb hatte er sich geweigert, ihr zu nahe zu kommen. Lulu hatte etwas Besseres als ihn verdient. Jemand, der sich wirklich um sie kümmern konnte, der ihr irgendwann Kinder schenkte und sie aufrichtig liebte. Aber jetzt musste er sie durch die Transition bringen und über seinen Schatten springen. Lulu drehte sich auf dem Sofa um und öffnete ihre aquamarinblauen Augen. Ihr Blick richtete sich direkt auf die Balkontür und Alec fühlte sich seltsam erwischt. Er dematerialisierte sich ein weiteres Mal, diesmal auf das Dach des Hauses, damit er die Umgebung weiterhin beobachten konnte.

Kapitel 8

In ihrem unruhigen Schlaf hatte Lulu nicht wirklich entspannen können. Der große Mann vor ihrem Haus hatte ihr einen Schrecken eingejagt mit seinem geheimnisvollen Auftreten. Woher kannte Skyla diesen unheimlichen Mann bloß? Naja, diesem Mann wollte Lulu jedenfalls nicht noch einmal begegnen. Ob Skyla sie morgen wohl wieder abholen würde? Was sie wohl für einen wichtigen Termin hatte? Und ob auch alles gut gegangen war? Sie schien wirklich besorgt um Lulu gewesen zu sein. Jedoch hatte Lulu noch nie jemandem die Tür geöffnet. Die Miete bezahlte sie immer schon eine Woche vorher, damit sie dem Vermieter nicht begegnen musste. Der Mann machte ihr nämlich auch Angst mit seinem Verhalten. Bei ihrem Einzug hatte er sie lüstern angesehen und sie gefragt, ob sie nicht mal Lust hätte zu ihm runter zu kommen. Er wohnte im Erdgeschoss und führte ein elendiges Single leben. Kein Wunder. Seine Zähne waren vergammelt und schief, sein Lächeln glich eher einer Maske voller Schmerz. Sie wollte diesem Mann nie wieder begegnen und wenn das Gehalt vom Krankenhaus besser war, würde sie sich auf jeden Fall eine Wohnung in einem sicheren Teil der Stadt mieten.

Ihr Rücken fing an zu kribbeln und zog sich hoch bis in ihren Nacken. Sie kannte dieses Gefühl gut genug und drehte sich auf dem ungemütlichen Sofa herum. Der Fernseher lief immer noch und irgendeine Soap wurde wiederholt. Lulu starrte automatisch an die Balkontür, an denen sie einfach irgendwelche durchsichtigen Gardinen aufgehängt hatte. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter und sie stand auf. In letzter Zeit hatte sie sich öfter schon beobachtet gefühlt, aber kein normaler Mensch könnte auf ihren Balkon in den vierten Stock klettern. Als sie die Gardinen beiseiteschob und die Tür einen Spalt öffnete, wehte ihr kalter Wind entgegen und ließ sie frösteln. Die kleine Pflanze, die einsam auf ihrem Balkon stand, war verdorrt und Lulu nahm sie mit rein. Es war das einzige, was sie aus dem Heim mitgenommen hatte. Eine Nonne hatte sich rührend um Lulu gekümmert, sie zur Gartenarbeit überredet und immer versucht sie aufzumuntern. Schon immer kam sie mit den anderen Mädchen im Heim nicht so klar. Sie war die Außenseiterin mit den seltsam hellen Augen und den langen dunklen Haaren. Es war eigentlich nichts Besonderes, aber diese kleine Pflanze lebte jedes Jahr aufs Neue, und das munterte Lulu auf. Seufzend und frierend ging Lulu wieder rein, stellte den Topf in die Küche und setzte heißes Wasser auf. Schon lange wollte Lulu sich mal eine Kaffeemaschine kaufen, aber bis jetzt war sie nie dazu gekommen. Meistens lag es am Geld, schließlich musste sie die Miete und die Nebenkosten bezahlen. Lebensmittel brauchte sie auch und ab und zu musste sie sich mal neue Klamotten kaufen. „Na, Rubin? Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte Lulu ihre schwarz weiße Katze, mit den hellblauen Augen und streichelte mit dem nackten Fuß über ihren weichen Rücken. Als Antwort bekam sie jedoch nur ein schnurren und Rubin schmiegte sich an ihre Wade. Rubin war früher eine Straßenkatze und wurde von kleinen Kindern mit Steinen beworfen, weil sie sich bei den Mülltonnen rumtrieb. Lulu konnte so etwas nicht leiden, sie hasste es, wenn Tiere litten. Es brach ihr jedes Mal auf Neues das Herz, als Rubin ihre Krallen ausgefahren hatte. Aber sie vertraute Lulu nun immer mehr und kam sogar von alleine zu ihr. Kuscheln war ihre Lieblingsbeschäftigung und Lulu war glücklich, dass sich die kleine Katze bei ihr wohlfühlte. Und so finanzierte sie auch noch eine Katze, das kostete auch so einiges. Das teuerste war der Tierarzt gewesen, Rubin hatte Gott sei Dank keine Krankheiten gehabt. Sie brauchte nur viele Vitamine, die sie wieder fit machte und ihr viel Futter geben, damit sie wieder zunahm.

„Ich kann auch nicht schlafen. Und morgen hab ich auch noch dieses super wichtige Vorstellungsgespräch. Kannst du dir vorstellen, dass ich das fast vergessen hätte?“ Rubin antwortete mit einem leisen miauen und drückte ihren kleinen Kopf an ihre Wade. Nachdem das Wasser aufgekocht war, schüttete sie es in einen großen Becher und löffelte Kakao hinein, statt auflösenden Kaffee. Lulu wollte schließlich noch schlafen, wenn sie nicht völlig fertig zum Vorstellungsgespräch gehen wollte. Das würde einen schlechten ersten Eindruck machen.

 

Ihren Wecker verfluchte Lulu jedes Mal am Morgen. Heute hatte Lulu überhaupt keine Lust in die Berufsschule. Erstens: Wegen Sally. Zweitens: Wegen Sally. Und drittens: Oh, sie würde dann Sally begegnen. Das waren doch mal drei richtig gute Gründe, um die Berufsschule zu schwänzen. Was natürlich nicht ging. Im Badezimmer nahm sie nur eine kurze Dusche, wickelte sich in ein riesiges Handtuch und trat wieder ins Wohnzimmer, wo sie sich ihre Klamotten aus der Kommode suchte. Da sie da nicht das richtige fand, was sie heute anziehen wollte, suchte sie in dem Koffer, in der sie die ‚anderen‘ Klamotten eingelagert hatte. Die Klamotten, die sie nur anzog, wenn es wirklich sein musste. Aber heute hatte sie ein Vorstellungsgespräch direkt nach der Schule und es passte von der Zeit her nicht, um vorher noch nach Hause zu gehen. Also zog sie eine Feinstrumpfhose an, die fast Blickdicht war und darüber einen schwarzen Bleistiftrock, der ihr bis kurz übers Knie ging. Und dazu eine schlichte weiße Bluse, die sie an den Ärmeln hochkrempelte. Lulu fühlte sich wie eine Sekretärin, nicht gerade wie eine Krankenschwester. Sie hatte noch eine ganze Stunde, bevor sie den Bus nahm, also konnte sie noch in Ruhe ihre Haare föhnen und sich schminken. Vielleicht sollte sie heute etwas Gewagteres benutzen, als nur Mascara. Auf ihre Lider strich sie hellgrauen Lidschatten und ihre Lippen bekamen einen Hauch von Rosa. Und diesmal benutzte sie Kayal. Ihre Fingernägel ließ sie kurz, das feilen und pinseln dauerte ihr einfach zu lange und für das Nagelstudio hatte sie auch kein Geld. Frühstücken mochte Lulu heute nicht, dafür war die Aufregung zu groß. In der Küche stellte sie nur eine frische Schüssel mit Wasser und eine mit Trockenfutter auf den Boden. Rubin lag noch immer auf ihrer Wolldecke vor der Balkontür und schlummerte vor sich hin. Lulu streichelte kurz über ihren kleinen Kopf, über ihren schmächtigen Rücken und kraulte ihren Bauch, als sie sich miauend umdrehte. Das mochte sie am liebsten und schnurrte genüsslich.

„Bis später, Rubin.“

Ihren Mantel schwang Lulu über die Schulter, genauso wie ihren Schal und verließ das Gebäude. Es wäre um einiges einfacher gewesen, wenn sie ein eigenes Auto hätte, als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Sie hasste es, wie manche Menschen sie anblickten, oder wenn man sie von hinten anrempelte. Heute Morgen war es anders. Ob es wohl am Rock lag, oder an den Pumps die sie heute ausnahmsweise mal trug? Sie war schon recht groß mit ihren eins Fünfundachtzig Metern und diese Schuhe machten sie nochmal um zehn Zentimeter größer. Sie stand mit ihrer Tasche in dem überfüllten Bus und zählte in Gedanken wie viele Stationen sie noch fahren musste. Vier… drei… zwei… nur noch eine. Endlich aus dem Bus raus, erkannte Lulu schon von weitem die Blondine, die sie nur schikanierte. Und sie sprach auf einen Mann ein, der sowas von heiß aussah. Blonde kurze Haare, markantes Gesicht und er war groß. Ziemlich groß. Je näher sie trat, desto mehr konnte sie erkennen. Der Fremde drehte sein Gesicht zu ihr und obwohl es noch dunkel war, konnte sie dunkelblaue Saphire erkennen. Lulu musste sich zusammenreißen, damit sie nicht gleich in die Knie ging. So weich fühlten sich ihre Beine an. Sein Blick war so intensiv, dass sie daran denken musste zu atmen. Lulu konnte sehen, wie seine Nasenflügel bebten und seine Oberarme sich anspannten, als er auf sie zukam, ohne Sally auch nur im Entferntesten zu beachten.

„Lulu?“, fragte er mit einer göttlichen Stimme die rau und düster und gleichzeitig total sexy klang. Verlegen räusperte sich Lulu, da sie ihn angestarrt hatte. „Ich bin Alec, der Bruder von Skyla.“„Oh, hi“, sagte sie nun leise. Was genau wollte er jetzt von ihr? „Ich“, fing er an, doch dann sah er in den Himmel und zog die Augenbrauen zusammen. „Ich hole dich heute Abend hier ab.“

Einen Moment sah er sie noch an. „Okay, ist etwas mit Skyla?“, fragte Lulu besorgt, doch Alec lächelte nur kurz, atmete tief ein und ging dann an ihr vorbei. Sein Duft hing ihr noch immer in der Nase. Dunkel und würzig. „Lulu, seit wann kennst du denn heiße Typen? Und siehe sich das einer an. Ein Rock!“

„Halt deine Klappe, Miststück!“

Sally hob ihre perfekt gezupfte Augenbraue. „Seit wann denn so gewagt, Marin?“Kopfschüttelnd ging Lulu an der Blondine vorbei, natürlich nicht, ohne nochmal einen Blick nach hinten zu wagen. Aber der Typ war schon weg. Alec, also. Skyla hatte nie einen Bruder erwähnt. Ob es wohl wahr war? Sollte sie heute Abend hier auf ihn warten, wenn er wiederkam? Wenn er überhaupt auftauchte. Aber, dann müsste sie nach dem Vorstellungsgespräch im Krankenhaus wieder hierherkommen und eigentlich wollte sie danach direkt nach Hause.

Im Klassenraum wurde es schlagartig still, als Lulu ihren Mantel abstreifte und ihre Tasche auf den Tisch stellte. „Was?“, fragte Lulu ein Mädchen, das hinter ihr saß. Doch die schüttelte lächelnd den Kopf. „Du hast eine echt tolle Figur. Und der Rock steht dir, der bringt deine Beine gut zur Geltung“, sagte sie und sah Lulu in die Augen. Sie suchte Spott in ihren Augen, fand aber nur ein aufrichtiges Kompliment. „Danke.“Lulu setzte sich auf ihren Platz und holte ihre Unterlagen aus ihrer Tasche. Ein kurzer Blick auf die Uhr an der Wand über der Tafel, verriet ihr, dass sie noch ganze fünfzehn Minuten Zeit hatte, bis der Unterricht losging. Mit ihrem Geldbeutel in der Hand, besorgte sie sich einen heißen Kakao, den sie außerhalb der Schule bei einem Bäcker kaufte, da er dort besser schmeckte, als in der Cafeteria. Auf dem Flur im Schulgebäude traf sie auf Mr. Lenory, der ihr lächelnd entgegenkam.

„Miss Marin. Wie ich sehe, haben Sie das Gespräch nicht vergessen.“

„Natürlich nicht. Ich bin deswegen auch schon ziemlich aufgeregt.“ Er drückte kurz ihren Oberarm. „Keine Sorge, Sie sehen toll aus und ich glaube daran, dass Sie den Platz bekommen.“„Vielen Dank, Mr. Lenory.“

Lulu eilte wieder in den Klassenraum, der Lehrer war noch nicht da und sie trank in Ruhe ihren Kakao. In dem Gewusel der Schüler konnte sie Sally ausmachen, die mit ihren Busenfreundinnen an einem der Fenster stand, ihr Blick fest auf Lulu gerichtet. Ob sie wohl neidisch war? Alec sah aber auch verdammt scharf aus. Lulu würde definitiv heute Abend hier sein, nur um Sallys verdattertes Gesicht sehen zu können, wenn Alec sie abholte. Sie hoffte es zumindest.

Kapitel 9

„Was hast du dir nur dabei gedacht?!“, schrie Skyla, als Alec ihr erzählte, dass er Lulu heute Abend abholen würde. Eigentlich hatte er vorgehabt ihr das am Telefon zu erzählen, aber dann hatte er beschlossen, heute bei seiner Familie zu schlafen. Seline hatte sich aufrichtig gefreut und bat Alina um ein angemessenes und vielfältiges Mahl. Ihre Augen hatten einen seltsamen Schimmer bekommen, als Alec dann noch erklärte, dass er Lulu endlich treffen würde. Skyla hingegen hatte ihn mit auf ihr Zimmer geschleppt und stauchte ihn nun zusammen, was er nicht nachvollziehen konnte. Schließlich war sie doch so erpicht darauf gewesen, dass er Lulu endlich einweihte.

„Du hast doch die Bruderschaft wegen dem Lesser angerufen. Ich dachte, da kümmere ich mich eben um meine anderen Angelegenheiten. Was ist also jetzt das Problem?“, fragte er ruhig und strich sich mit den Händen über sein Gesicht. Heute Morgen sah Lulu so verletzlich aus, dass er sie auf der Stelle mitgenommen hätte. Vor allem, weil es dort verräterisch nach Talkum gerochen hatte. Aber er wollte so früh am Morgen kein Blutbad anrichten und Lulu verschrecken. Außerdem war der Lesser nicht mehr sein Problem.

„Was das Problem ist? Verdammt, Alec! Ich will, dass sie vorsichtig in die Gesellschaft eingeführt wird. Das man ihr das nicht sofort auf dem Silbertablett präsentiert, sondern ihr die ganze Sache ganz einfach in Ruhe erklärt!“ „Genau das ist mein Plan.“

„In Ruhe? Du und in Ruhe reden?!“, rief Skyla und warf ihre Arme in die Luft. „Also, jetzt gerade bist du die, die laut herumschreit. Ich frage mich, weshalb der Bruder meinte, ich sollte dir das reden überlassen.“ Den letzten Satz hatte Alec eher zu sich selbst gesagt, dennoch brachte es Skyla noch mehr in Rage.

„Vergiss es, Alec. Aber was wirst du tun wenn sie dich auslacht? Wenn sie nichts mehr mit dir zu tun haben will? Dann wird sie sich auch von mir distanzieren, weil ich die Schwester eines Geisteskranken bin!“

„Dasselbe geschieht aber auch, wenn du es ihr erklärst, dann bist du die Geisteskranke in ihren Augen und sie wird sich dann genauso auch von mir abwenden. Und ich werde bestimmt nicht darauf warten, dass ein Lesser sie in die Hände bekommt.“ Immer noch war Alec die Ruhe selbst. Seit er Lulu vor dem Gebäude getroffen hatte, sie gerochen hatte, war seine innere Unruhe verschwunden. Er wusste, sie würde bald bei ihm in Sicherheit sein, dann müsste er sich nie wieder um sie sorgen.

Seufzend ließ Skyla sich auf ihre Chaiselongue fallen und griff nach einer kleinen Schüssel, in der immer Schokolade lag. Lulu hätte von ihm nur die beste Schokolade bekommen. Verdammt, sie hatte so gut gerochen. Nach Mohnblume und frischer Wiese. Und ihre aquamarinblauen Augen blickten ihn aufrichtig und ehrlich an, er hätte sie nicht treffen sollen. Wahrscheinlich würde sie heute Abend eh nicht auf ihn warten. Vielleicht sollte er gar nicht erst auftauchen.

„Gehst du denn auch wirklich hin?“, fragte Skyla, als hätte sie Alecs Gedanken gelesen. Das konnte sie ziemlich gut. Und manchmal war es unheimlich, wenn sie etwas wusste, was er ihr gar nicht erzählt hatte. Aber für sie war es leicht, in manchen Vampiren etwas zu sehen, was andere nicht sahen. Es reichte nur ein einziger Blick und sie wusste Dinge, die sie vielleicht nicht wissen sollte.

„Ja, ich werde sie abholen. Ich gehe jetzt schlafen.“ „Was ist mit dem… Lesser?“

„Die Bruderschaft kümmert sich darum.“ Aus seiner Brust heraus löste sich ein leises Knurren, dass er nicht zurückhalten konnte. Wenn auch nur irgendjemand, sei es Feind oder Freund, Lulu zu nahe kommen, würde er ihn auseinandernehmen wie eine Weihnachtsgans. Er verließ Skylas Zimmer und ging in sein eigenes. Bis auf seine Boxershort legte er sich auf sein Bett. Die weiche kühle Bettdecke kitzelte auf seiner erhitzten Haut und er stellte sich vor, dass es Lulus Hände wären, die über seine Brust strichen, sie mit Küssen bedeckte. Ihr Geruch, der ihn umnebelte.

 

Mr. L ging in seinem Büro in der Berufsschule auf und ab. Von einem Rekruten hatte er einen Hinweis darauf bekommen, dass sich ein Vampir hier in der Nähe aufhielt. Zuerst hatte er dem nicht glauben wollen, schließlich interessierten sich Vampire nicht für Menschen, was also suchte einer von denen bei der Berufsschule? Und dann fiel der Groschen. Es musste hier einen weiteren Vampir geben. Aber soweit Mr. L wusste, konnte sich kein Vampir dem Sonnenlicht aussetzen, ohne ernsthafte Verbrennungen davon zu tragen. Heute Morgen jedoch wurde er eines Besseren belehrt. Er beobachtete, wie eine seiner Schülerinnen mit einem Vampir vor dem Gebäude stand und sie sich unterhielten. Mr. L kannte diesen großen Blonden Vampir. Vor ein paar Wochen hatte er mit drei Rekruten zwei Vampire ausfindig gemacht und hatte dann als einziger überlebt. Er konnte zwar nicht sterben, aber mit einem Stich ins Herz konnte er zu seinem Meister zurückgebracht werden. Es war ihm bis jetzt zwar noch nicht passiert, aber ausprobieren wollte er es auch nicht unbedingt. Auf seinem Schreibtisch klingelte endlich sein Handy und er nahm den Anruf entgegen.

„Mr. L. Ich habe die nötige Information, die sie angefordert haben.“

„Erzähl“, befahl Mr. L und es kribbelte in seinen Fingerspitzen. Er hatte einen von den drei Rekruten sehr gemocht und wollte sich rächen. „Lulu Marin ist in Oklahoma geboren worden und wuchs in einem Kloster auf. Mit achtzehn Jahren ist sie davon gelaufen und lebt seitdem alleine. Niemand weiß von ihren Eltern, oder anderen Verwandten und vor drei Jahren hatte sie noch einen Freund. Aber der hat sie bestohlen und ist dann abgehauen.“

„Was ist mit ihrem Blut? Oder ihrem Körper? Wurde bei ihr irgendein Fehler gefunden?“, fragte Mr. L nach und stützte sich mit einer Hand an seinem Schreibtisch ab. Er wollte noch mehr Informationen. „Sir, es tut mir leid, das habe ich nicht herausgefunden. Sie war niemals krank.“ Das sagte doch schon mal etwas aus. „Dann muss sie ja verdammtes Glück haben“, murmelte Mr. L, beendete das Telefonat und legte seine Hand auf das Profilfoto von Lulu, das er aus ihren Unterlagen geholt hatte. Er würde so viele Männer rekrutieren wie es nötig war, um diesen Vampir den Arsch aufzureißen, denn das würde Mr. L tun.

Kapitel 10

Im stickigen Klassenraum bekam Lulu Kopfschmerzen, die sich bis in ihren Nacken zogen und sie nahm aus ihrer Tasche eine Schmerztablette. Bisher hatte sie den Tag gut gemeistert, aber sie bekam das Gefühl, der Rock schnürte ihr den Magen zu und ihre Bluse würde enger um ihre Brust werden. Als wäre Hochsommer, wedelte Lulu sich mit der flachen Hand Luft zu und hoffte, ihr würde nicht noch übel werden. Denn dann konnte sie das Vorstellungsgespräch vergessen und das wollte sie auf keinen Fall. Auf ihrer Stirn spürte sie schon den kalten Schweiß ausbrechen und befühlte sich kurz. Sie war nicht erhitzt, Gott sei Dank, also lag es wahrscheinlich wirklich daran, dass in diesem Raum einfach zu wenig Sauerstoff vorhanden war. Kurz schweifte Lulus Blick durch den Raum, die meisten sahen gelangweilt aus, kritzelten etwas auf ihren Block oder fummelten an ihrem Handy herum. Sally schaute manchmal in ihre Richtung, aber Lulu konnte nichts mit ihr anfangen. Das unwohle Gefühl war noch immer nicht verschwunden und sie trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Nur noch eine Stunde, dann könnte sie das Gebäude endlich verlassen. Der Lehrer faselte irgendwas von einer Notsituation und ‚was wäre wenn‘ Situationen. Ganz klar, Lulu hätte jedem geholfen, der ihre Hilfe benötigte. Ob die Person nun Obdachlos wäre oder Steinreich, ob er nur ein Bein hätte oder sechs Finger. Mensch blieb Mensch.

Nach der Stunde lief Lulu quasi aus dem Gebäude und zog sich ihren Mantel erst draußen an der frischen Luft an. Erleichterung durchflutete sie, als sie auf die Bushaltestelle zuging. Hoffentlich würde das Gespräch im Krankenhaus gut laufen.

„Ms. Marin!“, hörte Lulu hinter sich ihren Namen rufen und drehte sich noch rechtzeitig um. Mr. Lenory kam geradewegs auf sie zu und erfasste sie am Oberarm. Es schien eine Angewohnheit von ihm zu sein, seine Gesprächspartner anzufassen, um sich seine Aufmerksamkeit sicher zu sein. „Ja?“ „Wenn das Vorstellungsgespräch gut gelaufen ist, berichten Sie mir doch davon, oder?“

„Aber natürlich. Sie haben das doch erst arrangiert, Sie sind der erste, dem ich davon berichten werde“, lächelte Lulu und rieb sich über ihre Arme. Obwohl ihr vorhin die Luft zum Atmen weggeblieben war, fror sie nun.

„Dann bin ich ja beruhigt. Und nehmen Sie ruhig einen Bus früher, das beeindruckt die meisten.“ „Ist gut. Auf Wiedersehen, Mr. Lenory.“ Mit ihren High Heels ging sie schnell auf die Bushaltestelle zu und spürte, wie ihr Mr. Lenory hinterher sah. Es war ihr manchmal unheimlich, wenn er auf sie zukam. Lulu konnte ihn schlecht einschätzen, aber er war immer freundlich und hilfsbereit gewesen.

An der richtigen Haltestelle stieg sie wieder aus dem Bus und eilte auf das Krankenhaus zu. Erst als sie durch die Doppeltür ging, holte sie tief Luft und verlangsamte ihren Schritt.

„Hallo, mein Name ist Lulu Marin. Ich habe ein Vorstellungsgespräch“, begrüßte sie eine nette junge Frau die am Empfang saß. Die Frau schaute schnell in ihren Terminkalender und lächelte freundlich. „Ja, das stimmt. Sie haben noch zehn Minuten Zeit. Sie sind ja wirklich sehr pünktlich.“ „Vielen Dank, ich hatte fast gedacht zu spät zu kommen.“ „Sie können im Wartezimmer auf Dr. Franklin warten, sie wird Sie abholen.“ Lulu nickte ihr dankend zu und setzte sich auf einen freien Stuhl nahe der Tür. Von einem kleinen Abstelltisch nahm sie sich eine Zeitschrift, in der es um Schwangerschaften und Geburten ging. Lulu hatte nie darüber nachgedacht irgendwann einmal selbst Kinder zu bekommen, aber eine kleine Familie würde sie schon glücklich machen. Auf ihrer Unterlippe kauend, beobachtete sie, wie einige Schwestern immer wieder jemanden aufriefen, oder wie neue Patienten den Raum betraten und ein leises Hallo von sich gaben.

„Miss Marin?“, fragte eine Frau in einem weißen Kittel und Lulu sprang förmlich von ihrem Stuhl. Sie hatte sich kaum auf das Lesen konzentrieren können.

„Guten Tag, mein Name ist Dr. Franklin. Kommen Sie doch einfach mal mit“, stellte sich die hochgewachsene Brünette vor. Lulu nahm ihre ausgestreckte Hand entgegen. „Freut mich.“

Das Büro von Dr. Franklin wirkte einladend und gemütlich. Vor ihrem modernen Schreibtisch standen zwei schwarze Ledersessel und in der linken Ecke stand noch eine Sesselecke mit einem kleinen Tisch auf dem ein paar Zeitschriften lagen. Auf der Fensterbank standen ein paar Pflanzenkübel mit wunderschönen roten und weißen Knospen. Dr. Franklin wies auf einen der Sessel und Lulu nahm mit einem freundlichen Lächeln Platz. Die blonden Haare von Dr. Franklin waren zu einem Dutt zusammengebunden und nur eine dünne Haarsträhne hing ihr ab und zu im Gesicht, die sie immer wieder hinter ihr Ohr strich. Ihre dunkelbraunen Augen wirkten offen und ehrlich. Ihre Art vermittelte einem, dass sie direkt auf den Punkt kam und nicht lange drum herum sprach. Und so verlief auch das Gespräch.

Nach einer halben Stunde hatte Lulu ihren Platz in diesem Krankenhaus gesichert. Den Vertrag würde sie nächste Woche einreichen und ihre Kündigung beim Altenheim ebenfalls. Das würde sie jedoch lieber persönlich machen, ihr wurde ganz mulmig bei dem Gedanken, ihrer Chefin sagen zu müssen, dass sie von nun an dort arbeitete, wo sie immer hin wollte. Lulu kam immer sehr gut mit Mrs. Wood aus und mochte die Arbeit, aber es war nie ihr Traum gewesen.

Mit einem erfreuten Lächeln, winkte Lulu der Empfangsdame zu und verließ das Krankenhaus. Am liebsten hätte sie einen Freudentanz aufgeführt. Bei der Bushaltestelle zeigte Lulu dem Fahrer ihre Fahrkarte, die sie von der Berufsschule bekommen hatte und stellte sich genau an die Tür. Sie hasste volle Busse und sie hasste es, wenn sie neben jemanden sitzen musste, den sie nicht kannte. In der Berufsschule saß sie auch alleine an einer Sitzbank, einfach, weil sie die anderen vergrault hatte. Konnte man sich bei ihr schlecht vorstellen, aber zu Anfang hatte Lulu die anderen angemotzt, wenn sie nur schräg geglotzt hatten. Nach einiger Zeit hatte dann jeder sie gemieden und es war dazu gekommen, dass Sally sie immer wieder ärgerte. Lulu fuhr den ganzen Weg wieder zurück und überlegte, ob sie wirklich aussteigen sollte und auf Alec warten sollte, oder ob sie einfach weiter fahren sollte. Ach Gott. Würde dieser Alec denn auch dort sein? Was sollte sie nur tun? Ihre innere Pro und Contra Liste hatte schon entschieden. Contra überwog und eigentlich sollte sie nach Hause fahren. Schließlich kannte sie den Mann nicht. Sie wusste nicht, ob er wirklich Skylas Bruder war und was er überhaupt von ihr wollte. Außerdem war er ihr auch ein wenig unheimlich gegenüber. Er erinnerte Lulu an den Kerl, der vor ihrem Haus gestanden hatte. Alec hatte genauso geschaut, bevor er gegangen war. Kalt, distanziert und auch ein wenig… tödlich. Eine Gänsehaut überlief Lulus Körper. Aber statt nach Hause zu fahren, stieg sie bei der Haltestelle aus, die bei der Berufsschule war und setzte sich auf eine nahegelegene Bank. Es war kurz vor achtzehn Uhr und Lulu rechnete damit, dass die meisten Schüler schon zu Hause waren. Nur sie nicht, sie wartete auf einen Mann, der sie einfach überrumpelt hatte. Die Sonne war schon untergegangen und langsam fing Lulu an zu frieren. Seit geschlagenen zwanzig Minuten saß sie hier schon und wartete darauf, dass der gutaussehende Mann von heute Morgen auftauchte. Ihr Blick glitt wieder auf ihre Uhr. Eine weitere Minute und Lulu wurde immer ungeduldiger. Er hatte sie verarscht, ging es ihr durch den Kopf. Eine Bewegung aus dem Augenwinkel ließ Lulu aufblicken und sie entdeckte Mr. Lenory, wie er vom Campus ging. Seinen Aktenkoffer fest in den Händen, genauso wie ein Stück Papier, sah er sich in der Gegend um. Wie gut, dass die Bank im Dunkeln lag. Lulu fühlte sich meist unwohl, wenn sie mit Mr. Lenory alleine war. Hoffentlich sah er sie nicht. Bitte, lass ihn mich nicht sehen!

Ein anderer Mann kam ihm entgegen und sie begrüßten sich mit einem Händeschütteln. Der Fremde sah Mr. Lenory ein wenig ähnlich. Er hatte genauso bleiches Haar und auch die Haut sah milchig aus. Vielleicht sogar noch heller, als die von Mr. Lenory. War der Mann vielleicht krank? Lulu konnte deren Gespräch zwar nicht hören, aber Mr. Lenory schien leicht erregt zu sein. Seine Bewegungen waren schnell und gebieterisch, als würde er dem Fremden Befehle geben. Dann überreichte er dem Fremden das Papier, das er in der Hand hielt und deutete auf die Schule, dann auf die Bushaltestelle. Was machte er nur da? Dann gingen sie in getrennte Richtungen und Lulus Bauchgefühl meldete ein Warnsignal. Schnell sprang sie von der Bank, da der Fremde in ihre Richtung kam und ging einige Schritte weiter in die Dunkelheit, wo sie sich an die Schulmauer lehnte. Versteckt zwischen den kahlen Baumästen, wartete sie darauf, dass der Mann schnell verschwand. Als sie wieder hervortrat, war der Fremde, so wie auch Mr. Lenory verschwunden. Ausatmend ging Lulu in den Schein einer Laterne und rieb sich ihre Hände. Wenn Alec nicht in fünf Minuten hier sein würde, würde Lulu nach Hause gehen. Sie hatte eindeutig schon zu lange gewartet und setzte nun ein Limit.

„Na, dein Lover immer noch nicht da? Wie lange wartest du denn schon?“, hörte Lulu hinter sich Sally lästern und verdrehte die Augen. Die hatte ihr gerade noch gefehlt.

„Verzieh dich, Spencer!“ „Oh, du stehst also schon länger hier. Wie Interessant. Ich vermute mal, er hat dich verarscht.“ Autsch, das tat weh. Denn diesen Gedanken hatte Lulu auch schon gehabt.

„Verschwinde einfach, okay!“ Doch Sally stellte sich neben Lulu und verabschiedete sich von ihren Busenfreundinnen, die in einem schicken Kleinwagen davon fuhren. Hatte die blöde Blondine nicht etwas anderes zu tun, als Lulu auf die Nerven zu gehen? Was machte die eigentlich noch hier?

„Ich weiß echt nicht, was so ein Mann an dir findet. Du hast nicht einmal richtige Rundungen. Von deinem Aussehen mal ganz abgesehen, bist du die grauste Maus, die ich kenne“, murmelte Sally und zündete sich eine ihrer Menthol Zigaretten an. Ob sie wohl jemals mit dem Rauchen aufhören könnte? Wieder verdrehte Lulu die Augen und wünschte sich, sie wäre doch nach Hause gefahren. Dann würde sie jetzt unter ihrer Decke liegen, Fernsehen schauen, Schokolade essen und sich darüber freuen, einen neuen Ausbildungsplatz gefunden zu haben. Stattdessen wartete sie auf etwas, dass nicht eintraf. Seufzend drehte sie sich von Sally weg und wollte zur Bushaltestelle gehen, als die Luft anfing zu vibrieren. „Lulu“, hörte sie ihren Namen und drehte sich sofort um. „Ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich wartest.“ Alec kam geradewegs auf sie zu, seine Hände tief in den Taschen und den Blick auf Lulu gerichtet. Wenn er ihren Namen aussprach klang das verrucht und sie fühlte sich sexy.

„Ich hatte nicht gedacht, dass du hier auftauchst. Ich war neugierig.“

„Wie heißt du?“, fragte Sally und fast hätte Lulu ein weiteres Mal die Augen verdreht, doch sie verkniff es sich. „Das geht dich nichts an“, meinte Alec abweisend und zog plötzlich seine Augenbrauen zusammen. Etwas schien ihn verstimmt zu haben, einen Augenblick lang rechnete Lulu damit, dass er sie stehen lassen würde. Alec blickte sich in der Gegend um, so wie Mr. Lenory es getan hatte und sah dann in die Richtung, wo Mr. Lenory verschwunden war.

„Lass uns gehen.“

„Okay.“ Hinter sich hörte Lulu noch, wie Sally fluchend die Zigarette auf den Boden warf und sie austrat, aber das interessierte sie nicht. Alec war wirklich aufgetaucht und nur das zählte.

„Ich wusste gar nicht das Skyla einen Bruder hat, sie erzählt nicht viel, wenn wir uns sehen“, murmelte Lulu, da ihr das Schweigen ein wenig unangenehm war. „Doch, wir verstehen uns ausgezeichnet. Ich wollte dich kennen lernen, nachdem sie so viel von dir erzählt hast.“ Stirnrunzelnd schulterte Lulu ihre Tasche und sah Alec von der Seite an. Sein Profil war wunderschön. Er hatte ein sehr markantes Gesicht, eine gerade Nase, schön geschwungene volle Lippen und einen leichten Bartschatten. Er sah unheimlich sexy aus und verströmte nur eine Nachricht an die Frauenwelt: Sex.

Lulu räusperte sich, bevor sie fragte: „Stimmt es, dass dein Vater meine Eltern kannte? Von früher oder so?“

Lulu wollte endlich Antworten, wenn sie schon Menschen traf, die ihre Familie kannte. Schließlich erinnerte Lulu sich nur an die Zeit im Kloster. Ihre Erinnerungen reichten bis zu ihrem fünften Lebensjahr, als sie ihren Geburtstag gefeiert hatte. Denn in dieser Nacht tobte ein so großer Sturm draußen, dass sie immer noch die Fensterläden brechen hörte. Das war das erste Mal, dass sie einen Tornado erblickt hatte. Sie war schließlich in Oklahoma aufgewachsen, dort gab es öfter Tornados. An diesen ersten Tornado würde sie sich immer erinnern und an die Zerstörung danach. Seither hatte sie sich geschworen irgendwo hinzuziehen, wo es nicht so viel Zerstörung gab.

„Ich, ehm. Ja, ich denke, mein Vater kannte deinen. Aber viel mehr weiß ich auch nicht“, meinte Alec und zuckte mit seinen breiten Schultern, die unter einer schwarzen Stoffjacke steckten. „Aber du weißt etwas.“

„Das besprechen wir bei einem Abendessen. Es ist viel zu kalt hier draußen.“ Eindeutig. Er wich dem Gespräch aus. In diesem Punkt ähnelte er seiner Schwester, denn sie wich auch Lulus Fragen meistens aus. „Und wo gehen wir etwas essen?“ Das war eine leichte Frage, die Alec hoffentlich beantworten konnte.

„In einem gemütlichen kleinen Laden. Dort gibt es die beste Pasta die ich kenne. Abgesehen von dem Essen bei meinen Eltern.“ Mit einer so offenen Antwort jedoch hatte Lulu nicht gerechnet und lächelte darüber, wie er über seine Familie sprach. Wie auch bei Skyla schlich sich da ein Unterton ein. Sie beide respektierten und liebten ihre Eltern sehr. Es versetzte Lulu einen Stich ins Herz, das sie ihre Eltern nie kennen lernen durfte. Sie hätte so gerne mit ihrer Mom über alles gesprochen, sich erziehen lassen, wäre mit ihrem Dad angeln gefahren, oder hätte sich die Eheprobleme angehört. Diese Dinge waren ihr jedoch verwehrt worden von jemandem der ihre Eltern auf dem Gewissen hatte. „Was ist los? Du siehst traurig aus“, bemerkte Alec ihr Schweigen. Schnell fasste Lulu sich wieder und sah lächelnd zu ihm auf. Er konnte schließlich nichts für ihre Vergangenheit.

„Nichts, ich war mit den Gedanken nur gerade nicht bei der Sache.“ „Ich hätte dir ja angeboten, dass wir wann anders Essen gehen. Aber ich möchte nicht warten.“ Es hätte Lulu verunsichern sollen, wie er mit ihr sprach, oder ihn abweisen sollen, aber sie fühlte sich wohl. Und er wollte sie kennen lernen, es sprach ja nichts dagegen. Zumindest glaubte sie das. Aber vielleicht war sie auch einfach zu naiv.

„Vielleicht wäre es besser, wenn wir es verschieben“, hörte sie sich murmeln und wurde so abrupt am Arm gepackt, dass sie zurückfiel. Alec hielt sie mit beiden Händen an den Oberarmen, nicht besonders stark, aber es vermittelte ihr trotzdem, dass er sie nicht gehen lassen würde. „Was soll das?“

Alec sah sie einfach nur an, in seinen Augen las sie, wie er mit sich selbst kämpfte.

„Ich kann nicht. Es muss heute sein.“

Kapitel 11

Alec hatte nicht damit gerechnet, dass Lulu sich so bereitwillig mit ihm traf, deshalb wunderte es ihn auch nicht, dass sie absagen wollte. Aber wieso kam das so plötzlich? Wieso wollte sie plötzlich nicht mit ihm Essen gehen? Er wollte ihr doch nur sagen, was sie war und wieso sie so war. Aber mit dieser Aktion hatte er ihr wohl gerade ziemlich Angst gemacht. Doch ihm war klar, wenn er den Griff jetzt lockern würde, dann würde sie vor ihm zurückweichen.

„Ich muss morgen früh aufstehen. Bitte, lass mich gehen“, murmelte sie und versuchte sich zögernd aus seinem Griff zu befreien. Es nützte nichts, wenn er sie nicht los ließ, würde sie noch das schlimmste befürchten. „Tut mir leid.“ Nur langsam ließ er ihre Arme los und Lulu schulterte ihre Tasche. Dann nahm sie den Gang wieder auf und Alec ging neben ihr her. „Das Restaurant ist gleich hier um die Ecke. Du kannst dir aussuchen was du willst.“ Fassungslos und von der Kälte gerötet, starrte sie Alec an. „Ist das irgendwie witzig? Machst du dich lustig über mich? Oder Skyla? Steht auf meiner Stirn etwa: Ich bin Arm?“, schrie sie ihn an und er hob beschwichtigend die Arme. Es war ihm eindeutig zu nervig sich mit einer Frau auseinander zu setzen, aber mit Lulu wollte er nicht streiten. „Nein, ich dachte nur…“, weiter kam er jedoch nicht. „Was? Weißt du, es fällt auf, wenn erst deine Schwester mich immer einlädt. Jetzt fängst du auch schon an!“

„Es ist nicht so. Dass Männer eine Frau einladen ist doch ganz normal. Außerdem habe ich dich eingeladen und dich gebeten mit mir Essen zu gehen. Denkst du etwa, da will ich, dass du für dich selbst zahlst?“ Schnaubend überkreuzte er die Arme und betrachtete Lulu von oben herab. Ihre zierliche Gestalt wirkte im Mondlicht Elfenhaft und ihr schmales Gesicht zeigte Wut und Besorgnis. Aber ein nein wollte Alec einfach nicht akzeptieren. Natürlich war er noch nicht sehr weit gekommen, aber er musste es wenigstens versuchen. Schweigend betrachtete Lulu ihn ebenfalls und an ihrem Hals sah er, wie sie krampfhaft schluckte. „Lulu, du kannst ruhig mit mir reden“, flüsterte Alec, da er hoffte, es würde dann so gut klappen, wie bei Skyla. Einfach ein wenig Einfühlungsvermögen zeigen. Wieder schluckte sie. Eine Welle ihres süßen Duftes traf ihn wie ein Faustschlag. Alec wusste, wie sie roch, ihr süßer Mohnblumenduft hatte sich schon in seiner Nase festgesetzt, aber gerade war es so extrem, dass es ihn förmlich umhaute. „Wie wär´s, wenn ich ein Restaurant aussuche“, schlug Lulu leise vor und trat einen Schritt auf ihn zu.

„Okay.“ Nickend stimmte Alec ein und überprüfte noch schnell, ob er alle Waffen gut versteckt hatte. Lulu ging zielstrebig in eine Richtung und blickte ihn manchmal von der Seite an. „Darf ich fragen wie alt du bist?“, fing sie an zu fragen und Alec presste die Zähne aufeinander. Er hatte damit irgendwie nicht gerechnet, dass sie fragen würde. Dass sie sich vielleicht für ihn interessieren könnte und sei es auch nur aus reiner Höflichkeit.

„27 Jahre“, antwortete er.

„Und was machst du so beruflich?“

„Lass uns beim Essen reden.“ „Wieso? Macht es einen Unterschied?“

„Ja. Da sitzen wir uns erstens gegenüber und zweitens ist es dort eindeutig wärmer.“ Lulu gab sich mit seiner Antwort geschlagen und seufzte nur. Vor einem chinesischen Restaurant blieb sie stehen, drückte die Tür auf und lächelte übers ganze Gesicht. Alec hatte nicht erwartet, dass sie so glücklich aussehen konnte. Er wollte sie immer so sehen.

„Hallo Ken.“ Lulu wollte direkt auf den Mann hinter dem Tresen zu gehen, da packte Alec sie wieder am Arm und zog sie an sich. Bevor sie protestieren konnte, hatte er schon einen Arm um ihre Schulter und begleitete sie zum Tresen.

„Lulu, wie schön dich mal wieder zu sehen. Wie geht es dir?“, fragte der Chinese und reichte ihr die Hand. Mehr hätte Alec auch nicht zugelassen.

„Super. Ich habe endlich den Ausbildungsplatz im Krankenhaus bekommen.“ Es irritierte Alec, wie schnell sich ihre Stimmung gewandelt hatte. Eben erst hatte ihr Duft so stark gerochen, dass er dachte, sie würde sich gleich auf ihn stürzen. Jetzt war sie jedoch von dem Chinesen so abgelenkt, dass sie Alec vollkommen vergaß.

„Wow, das freut mich. Möchtest du das wie immer?“ „Ja, bitte. Und was nimmst du?“, fragte sie Alec und strahlte ihn an. In diesem Moment fühlte sich Alec von ihrer Glückseligkeit angesteckt und lächelte sie warm an. Er mochte dieses Gefühl, wie sie ihn ansah. „Ich nehme Bratnudeln mit Hühnchen, eine Packung Frühlingsrollen und Chickenwings.“ „Welche Soße?“

„Süß-saure-Soße. Und zum Trinken nehme ich ein Bier und für Lulu eine Cola. Ist das richtig?“ Sie nickte ihm zu und nahm ihre Tasche von der Schulter, als sie einen Tisch ausgesucht hatte. Das Restaurant wirkte freundlich und sauber. Die Tische waren mit Seidentischdecken überzogen und lange weiße Kerzen standen drauf. „Komm, ich nehm dir die Jacke ab“, murmelte Alec, legte seine großen Hände auf ihre Schultern und zog ihr den Mantel aus. Die weiße Bluse die zum Vorschein kam, so wie der kurze Bleistiftrock, sah extrem sexy aus. Sie war ohnehin schon schlank, aber das ließ ihre kleinen Rundungen gut zur Geltung kommen. Er hätte Lulu am liebsten an den Hüften gehalten und seine Hände einmal über ihren Körper gleiten lassen. Aber er beherrschte sich, legte ihren Mantel über ihre Stuhllehne und zog selbst seine Jacke aus. An Lulus Gesicht und in ihren Augen las er, dass ihr gefiel was sie sah.

„Um auf deine Frage zurück zu kommen, ich arbeite als Türsteher in einigen Clubs. Es ist nichts Besonderes.“ „In was für Clubs?“ Diese Frage überraschte ihn. Er hatte eigentlich gehofft, Lulu würde nicht mehr nachfragen, denn er wollte sie nicht anlügen.

„Ganz normale Clubs. Ich habe in drei einen Festvertrag und bin dort jeden Abend.“ „Und was ist mit heute?“, fragte sie weiter und Alec lehnte sich zurück. Es wäre einfacher gewesen, wenn Skyla das Reden übernommen hätte.

„Ich habe heute frei“, lächelte er und fuhr sich mit einer Hand durch sein blondes Haar. Er betrachtete Lulu wieder, sie schien mit ihren Gedanken schon wieder weit weg zu sein und Alec beugte sich über den Tisch zu ihr hin. Durch die plötzliche Bewegung erstarrte sie und blickte ihm einfach in die Augen. Das aquamarinblau in ihren Augen leuchtete wie kleine Kristalle.

„Wo hast du eine Ausbildung bekommen?“

„In einem Krankenhaus. Ich möchte Krankenschwester werden.“ Ihre Stimme war leise und ihr Blick glitt von seinen Augen zu seinen Lippen und wieder zurück. Jetzt würde sie ihn vielleicht noch interessant und sexy finden, aber wenn sie die Wahrheit wüsste, dann bestimmt nicht mehr.

„So, Krankenschwester also.“ Alec stellte sie sich vor, wie sie in einer weißen Schwesterntracht unter ihm lag und sich lasziv unter ihm bewegte. Wie sie ihren schmalen weichen Körper an seinen schmiegte. Ihm wurde heiß in seinem Rollkragen Pullover und der engen Jeans und rutschte so hin und her, dass sein Schwanz nicht gegen den Reißverschluss drückte. In dem Augenblick kam eine Kellnerin an den Tisch und stellte die Teller vor den beiden ab. Alec wusste, dass sie ihn betrachtete, schenkte ihr jedoch keine Aufmerksamkeit. Alles was er wollte, saß direkt vor ihm. Als die Kellnerin noch die Gläser abstellte, stellte sie sich so ungeschickt an, dass ihr beinahe eines runter gefallen wäre, hätte Alec nicht im letzten Moment seine Hand ausgestreckt. „Wow, was für eine Reaktion“, staunte Lulu. Die Kellnerin entschuldigte sich und verschwand dann wieder. „Kann mal vorkommen. Lass es dir schmecken, Lulu.“ Sie schüttete ein wenig Tomatensoße auf ihren Reis und nahm den ersten vollen Löffel in den Mund. Gerne hätte Alec sie gefüttert, ihr selber Essen gekocht und für sie gesorgt. Aber diesen Gedanken musste er wieder streichen. Lulu hatte etwas Besseres als ihn verdient. Alec war nur ein Vampir, der auf eigene Faust mit seinen Freunden Lesser abschlachtete. Und er wusste immer noch nicht, wo sich der Lesser befand, der auf Lulus Berufsschule ging. Sie war immer noch in Gefahr und Alec musste schnell handeln.

„Lulu“, murmelte er und ihr klarer offener Blick richtete sich direkt auf ihn.

„Wie geht es dir wirklich?“ Direkt mit der Sprache rauszurücken erschien ihm schwieriger als gedacht. „Du weißt was ich meine. Deine Magenschmerzen, die Lichtempfindlichkeit, das Brennen im Hals.“ Alec zählte das auf, woran er sich noch erinnerte. Es konnte ja nicht so schwer sein, ihr das zu erzählen. Es war nun einmal so, dass sie zu seiner Spezies gehörte und wenn er es schnell über sich brachte, würde sie schneller darüber hinwegkommen. Prompt verschluckte sich Lulu an ihrer Cola und betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. „Willst du mir irgendwas sagen?“

„Ja, genaugenommen schon. Aber ich kann es dir nicht hier sagen. Wenn wir fertig sind, werde ich dir etwas Erklären müssen.“ Alec stopfte sich eine Gabel Bratnudeln in den Mund und schluckte, bevor er weiter sprach. „Wirst du mir vertrauen?“

„Du bist der Bruder von Skyla, und ich vertraue ihr“, sagte sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen und nahm wieder den Löffel in die Hand. Lulu hatte eine Maske aufgesetzt, die Alec bei seinen Beobachtungen bis jetzt noch nicht gesehen hatte. Wahrscheinlich schützte sie sich so vor ihm, wollte ihm keine Gefühle zeigen. „Es ist wirklich wichtig. Zum Teil geht es auch um deine Familie und deine Herkunft.“ Wie er erwartet hatte, spannten sich ihre Züge und ihre Haltung an.

„Na gut, hoffentlich lügst du auch nicht.“ Mit einer schnellen Bewegung hatte er ihre Hand genommen und sie sich auf sein Herz gelegt. Erschrocken hielt Lulu den Atem an, ihre Hand fühlte sich warm und weich an.

„Bei meiner Ehre, ich würde dich niemals anlügen“, sagte er entschlossen und wahrheitsgemäß. Mit einer sanften Drehung ihres Handgelenks, presste er ihre Handfläche an seine Lippen. „Das schwöre ich dir.“

„Ich glaube dir“, wisperte sie, ihr Blick hielt seinem so lange stand, bis eine Kellnerin an den Tisch kam und nach weiteren Getränken fragte.

„Nein, ich würde gerne zahlen.“ Es war an der Zeit, das Lulu wusste, wohin sie gehörte. Ob es nun der richtige Zeitpunkt war, oder nicht, würde sich ja zeigen. Alec gab der Kellnerin passendes Geld und stand auf, bevor Lulu irgendwas sagen konnte. Er zog ihr den Mantel über, nahm ihre Tasche vom Fußboden und legte wieder den Arm um ihre Schulter.

„Bye, Ken“, winkte sie dem Mann hinter dem Tresen zu, der ihr zuzwinkerte. Wäre der Mann ein Vampir gewesen, würde er jetzt mit dem Gesicht auf dem Boden liegen und darum betteln, seine Finger behalten zu dürfen.

Schweigend trat Alec mit Lulu nach draußen in die Kälte und wünschte sich, sie könnte sich schon dematerialisieren. Aber so musste er mit ihr durch die Kälte marschieren. „Wo musst du lang?“, fragte sie, als hätte sie ihm eben nicht zugehört. „Wir gehen jetzt zu mir. Ich zeige dir schon den Weg.“ Etwas unbehaglich befreite sie sich von seinem Arm und blieb direkt vor ihm stehen. Ihre Wangen waren schon gerötet und ihre Augen glänzten.

„Ich bin nicht so eine und ich werde nicht mit zu dir gehen.“ Alec runzelte die Stirn, bevor er verstand worauf Lulu hinaus wollte. Lachend warf er den Kopf in den Nacken und verschränkte die Arme vor der Brust.

„So meine ich das nicht, Lulu. Ich muss dir wirklich etwas Wichtiges erklären. Wenn ich mit dir Sex haben will, würde ich dich bestimmt nicht vorher ausführen. Ich würde gleich auf den Punkt kommen.“ Ihre Lippen formten sich zu einem Kreis und sie wich einen kleinen Schritt vor ihm zurück. Nicht aus Angst, sondern, weil er ihren Geruch schon wieder viel zu intensiv wahrnahm. Ihre Reaktion auf ihn verwunderte ihn und machte ihn auch neugierig. Viele Frauen reagierten so auf ihn, aber bis jetzt hatte es ihm nie so viel ausgemacht wie bei Lulu. Alec ging den kleinen Schritt auf sie zu, den sie zurück gemacht hatte und beugte sich leicht vor. Seine Nasenspitze berührte fast ihre, ihr Atem schlug ihm warm ins Gesicht und am liebsten hätte er seine Lippen auf ihre gelegt, doch sie legte eine Hand an seine Brust und drückte ihn fort.

„Wenn du mit mir reden willst, dann tu’s. Von mir aus auch hier.“ Wieder machte sie einen kleinen Schritt zurück. „Ich kann es dir nicht hier sagen. Bitte, du musst mir vertrauen.“ Lulu nickte zögerlich und ließ es zu, dass er wieder seinen Arm um sie legte. Er hatte so einfach alles besser unter Kontrolle. Ohne sich materialisieren zu können, fühlte er sich schutzlos und vor allem wollte er schnell handeln können, sollte Lulu in Gefahr sein. Das war das wichtigste für ihn. Fünf Blocks weiter und ein paar Seitenstraßen weiter, ging er mit Lulu geradewegs auf sein Haus zu und hoffte, seine Jungs würden nicht dort sein. Er hatte vorher noch schnell eine SMS an alle geschrieben, dass er alleine zu Hause sein will. Als er mit Lulu davor stand, machte sie wieder einen Kreis mit ihrem Mund und rieb sich über ihre Arme. „Drinnen ist es wärmer“, murmelte er und schloss eilig auf. Drinnen kam ihm ein sauberer Duft von Zitrone entgegen und wusste, dass seine Mutter wieder einen Doggen vorbeigeschickt hatte. Seline wusste zwar, wo er wohnte, aber er hatte sie nie eingeladen herzukommen, weil hier einfach zu viele Waffen rumlagen. Alec hoffte, dass Lulu sie nicht bemerken würde und er sie schnell verstecken konnte. „Schön hier“, meinte sie, als sie durch den Flur ging. Ihr Blick glitt von den kahlen Wänden zu den geschlossenen Türen und zu dann zu ihm. „Schlicht und einfach.“

„Ja, es gefällt mir, es einfach zu halten.“

„Ich mag Dekor und ein paar Pflanzen“, erwiderte sie und zog sich den Mantel aus. „Warte, ich nehme ihn dir ab.“ Als er ihr den Mantel abnahm und an die Garderobe hing, ging sie schon weiter in Richtung Wohnzimmer. Alec betete, dass Lucius nicht da war, um ihn bei seiner Aufgabe zu stören. Es war ihm wichtig, was Lulu von ihm dachte.

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Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin.
Bildmaterialien: Google
Tag der Veröffentlichung: 05.09.2013

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