Träume unterm Apfelbaum
<<font;_bold_italic>Wettergunst durch Sonn und Regen
sind Garant für Erntesegen.
In des Baumes Blütenfülle
dort vollzieht sich Schöpfers Wille.
Prall die Frucht mit roten Wangen
halten meinen Blick gefangen.
Lang gestreckt auf Wiesenmatten
Träumt das Kind im kühlen Schatten
Von der dicken Apfelfrucht,
die es sich hat ausgesucht.
Kurz ist doch der Arm des Kindes,
hilft vielleicht die Kraft des Windes?
Besser wär ein dicker Wacker.
Schwups fällt Apfel auf den Acker.
Triumphierend noch beim Bücken
schwärmte es vom Apfelpflücken.
Den ersten Biss tut es sogleich,
doch was es spürt, ist weich wie Fleisch.
Es spuckt ihn aus, den dicken Wurm.
Das war sein Wurmmartyrium.
Genesis
Adam:
Ich bleibe dabei, beharre auf meiner Auffassung. Keiner kann aus seiner Haut. Keiner kann seinen Schatten überspringen. Der Schatten ist immer genau so schnell wie der Körper. Mal ist er länger, mal kürzer. Es kommt aufs Licht an. Nur bei Nacht bei Neumond, wenn alle Lichter verlöscht sind, dann ist der Mensch ohne Schatten.
Fremdling:
Aber der Geist ist schattenlos, weil Geister keine Körper besitzen.
Adam:
Gut, soweit kann ich folgen. Halten wir fest. Körper haben Schatten, Geister nicht.
Fremdling:
Doch gibt es Schatten ohne Körper. Wir sind zwei. Zähle die Schatten!
Adam:
Eins, zwei, drei - drei Schatten von zwei Körpern. Das ist phantastisch. Wie macht man das?
Fremdling:
Wie?
Adam:
Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.
Fremdling:
Merke Adam, du bist der erste Mensch auf dieser Erde. Du musst lernen und verstehen. Gebrauche deinen Geist, den Unsichtbaren, wie du sagtest, gebrauche ihn, überlege!!
Adam:
Ich bin Adam. Du bist ein Fremdling. Ich werde diese ... wie sagtet du, diese Erde bestellen. Ich werde sie mir nach meinen Wünschen herrichten. Ich sehe es vor mir, so wie mir geträumt hat. Es wird ein herrliches Land werden.
Fremdling:
Der Wunsch in deinem Herzen ist es, der dies möchte. Der Wunsch ist die Triebfeder der Tat, der guten und der ...
Adam:
Gibts außer guten Taten deren andere noch?
Fremdling:
Allein der Wunsch kann vielerlei sich wünschen. Doch wird er dir erfüllt, verflieht des Sehnens bittersüß Verlagen - und wunschlos wird Mensch und glücklos obendrein.
Adam sucht einen Schatten, vielmehr dessen Besitzer. Doch es darf kein Konkurrent werden. Adam ist allein. Der Herr hat gesagt, es sei nicht gut, dass der Mensch allein sei. Adam unterhält sich mit dem Fremdling, der wie sich später herausstellt, Gott ist. Der Fremdling gibt ihm Hinweise, belehrt ihn. Aber Adam hat einen eigenen Willen.
Eva erscheint. Adam ist glücklich. Eva ist glücklich. Es beginnt eine herrliche Zeit. Beide errichten sich ein Paradies. In dem Augenblick, als Eva erscheint, ist der dritte Schatten, der anonnyme Schatten, verschwunden. Jetzt hat jeder seinen eigenen Schatten. Doch die Schatten sind rosa, hellgrün oder himmelblau.
Der Fremdling ist immer gegenwärtig. Es stört die beiden Liebenden nicht. Ihre Freude währet immerfort. Warum will Adam den Schatten überlisten? Es ist ihr neues Unterhaltungsspiel. Das Schattenspiel. Sie freuen sich an den Schatten, machen Figuren damit, etliche Varianten, vermeiden aber, dass beide Schatten übereinander geraten, so dass sie zu einer Einheit zusammenwachsen.
Der Fremdling verabschiedet sich von ihnen, gibt ihnen jedoch eine Bedingung auf. Eva überredet Adam, die Bedingung zu mißachten. Es kommt zum Apfelbiß, zum Sündenfall. Der Fremdling lässt seine Tarnung fallen. Adam und Eva erkennen Gott und ihre eigene Nacktheit. Es folgt die Feigenblatt-Szene. Die Schatten werden schwarz. Not und Bedrängnis treten in ihr Leben. Ihre Schatten vermählen sich. Sie zeugen ihren ersten Sohn. Beide werden älter, werden grau und altern sichtbar. Nur die Schatten bleiben die gleichen. Schatten, die sie niemals bezwingen werden. Das ist die Erkenntnis des Stücks.
Tag der Veröffentlichung: 05.07.2011
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