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Rheinland-Pfalz – Gott erhalt´s



Als Gott die Länder schuf, oder waren es doch wieder die Politiker? – hatten sie nur Gutes im Sinn. Sie fügten zusammen, was zusammen gehört. Sie hatten den Entschluss nicht mit nüchterner Sachlichkeit erwogen, denn es standen schlanke Weinflaschen auf den amtlichen Tischen. Eine kühne, ja famose Idee, die Weinregionen der ehemaligen preußischen Rheinprovinz mit Rheinhessen und der historischen Rheinpfalz 1946 zu vereinen. Bis zu diesem Datum sprach man von der französischen Zone mit ihrem „Zitterbahnhof“ Remagen. Dort wurden auf dem Bahnsteig Schwarzhändler gesucht und gelegentlich auch gefunden. Ich war als Schulbub mit dabei, hatte Wein in meiner Tasche und tauschte die gegen Waffeleisen und Schlittschuhe. Damals wusste ich noch nichts über Gutenberg, der in Mainz 1440 den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand. Auch Martin Luther kannte ich nur vom Religionsunterricht in der Volksschule, weil es dort separate Toiletten gab für die katholischen Schüler wie auch für die andersgläubigen evangelischen Spielkameraden.

Die Pfälzer grenzen heute noch an das Saarland, das zu jener Zeit noch zu Frankreich zählte. Man mochte sich nicht und mag sich heute noch nicht wirklich. Immer gab es Häme und Gefrotzel. Da trafen sich kürzlich doch tatsächlich der Pfälzer und der Saarländer. Sie wussten, wovon sie reden würden. Natürlich die Feindschaft, die Animosität zwischen den Nachbarn. Da kommt der Pfälzer auf eine glorreiche Idee. Er sagt zu dem Saarbrücker Kumpel: „Du, meinst Du nicht auch, es wäre an der Zeit, mit der ewigen Zankerei zwischen uns aufzuhören und endlich Frieden zu schließen. Ich habe da eine famose Idee.“ „Da bin ich aber gespannt“, antwortet der Saarländer. Der schlitzohrige Pfälzer erhebt seine Augen zum Himmel und spricht: „Wie wär´s denn damit: Alle Pfälzer gehen in die Pfalz, und alle Saarländer gehen in die Saar.“ Seit dieser Begebenheit reden sie nicht mehr miteinander und gehen sich aus dem Wege. Wenn sie sich dennoch zufällig auf der Pfälzer Seite mal im Wirtshaus begegnen, tun sie so, als sei nichts gewesen. Sie essen dann Himmel und Erd oder Dibbekuchen, (Döppekuche, Dibbelabbes, Schorreles oder Scharles) genannt, weil gemeinsames Essen auch über unüberwindbare Grenzen verbindet. Wie spricht der Saarländer? "Hauptsach, gut gess, nix geschafft hann mer schnell!" Es könnte aber auch, wenn das Treffen im Rheinland stattfindet, Rheinischer Sauerbraten sein, Reibekuchen oder schlicht Strammer Max. Im Sprachgebrauch begegnen uns noch immer französische Ausdrücke, die wir selbstverständlich verinnerlicht haben. Trottoir, Coupé, Kanapee, Perron, Parapluie, Portmonee, Monsieur, Madame, Mademoiselle, sind nur einige Beispiele, auch Boulevard, Rue, Calvados und Champagner haben unser Leben bereichert. Seit de Gaulle und Adenauer sind aus Erzfeinden Erzfreunde geworden. Unser Land lebt mit und vom Wein, „mit“ ist mir lieber, „vom“ wäre mit Knochenarbeit verbunden. Deshalb gibt es das Winzer-T-Shirt mit der Aufschrift: Steillagen-Winzer sind Helden. Der aus dem Rheingau (das ist die äbsch Seit), weil rechtsrheinisch und zu Hessen gehörend, stammende Winfried Rathke schreibt in seiner Wein-Poesie: „Was Du heute kannst entkorken, das verschiebe nicht auf morgen.“ Und Platon sagte: „Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte.“ Was den Bayern das Bier, ist für die Rheinland-Pfälzer der Wein, nämlich Volksnahrungsmittel von hohem Niveau, letzteres wieder ein übernommenes Lehnwort aus Frankreich, dem Land mit der geringsten Herzinfarktrate. Diese Erfahrung haben sich die Rheinland-Pfälzer zu Nutze gemacht und zur Norm erhoben. Rheinland-Pfalz ist das Land der Straußwirtschaften. Wo´s Sträußchen hängt, wird ausgeschenkt. Der Strauß am Haus, es kann auch ein Besen sein, deshalb spricht man auch von der Besenwirtschaft, das ist das Transparent oder Firmenschild der Winzer. Die ausgeräumte Scheune oder die Garage, der Hinterhof, meist mit schattenspendendem Weinlaub überzogen, lädt Einheimische und Gäste zum Umtrunk ein. Blank gescheuerte Holzbänke und Tische, vielleicht sogar eine Kerze auf jedem Tisch und das Weinprogramm auf blaugrauen Schiefertafeln mit Kreide handgeschrieben, sind die Hauptmerkmale jener saisonalen (Potz Blitz, schon wieder ein Gruß aus französischem Wortschatz) Wohlfühlecken, wo die edlen Tropfen drunten in Gewölbekellern auf durstige Kehlen warten. Ei der Daus!
Aus der Mainzer Altstadt wird die Geschichte von dem Gast überliefert, der einen Halben beim Wirt mit der Lederschürze orderte. Der war nicht aufs Maul gefallen und meinte: „Bleib grad hocke, bis Du Durscht hast auf nen Ganze.“ Ja, so sind sie, die Rheinhessen, aber das könnte sich ebenso anderswo im gesamten
Weinland zugetragen haben. Die Sprache, dialektgefärbt ist so knorrig wie die Reben. Die heimischen Winzer haben ja vieles von den Römern, unseren Vorfahren übernommen. Gekeltert wurde bei den Griechen und Römern noch mit nackten Füßen. Die Zeiten sind vorbei. Heute ist moderne Kellertechnik Standard. Dies schmeckt der Kenner. Vorbei ist auch die Zeit der Griechen, die den Wein in erotisch geformten Kannen präsentierten, den sogenannten „Brustwarzenkannen“, die jedoch mit Wasser und Wein gefüllt wurden, um das Volk vor dem Vollrausch zu bewahren. Wie sagte doch der weise Vater zu seinem geldgierigen Sohn: „Man kann auch aus Trauben Wein machen.“ Gottlob sind diese Auswüchse der Vergangenheit anheim gefallen oder entstammen der Feder griesgrämiger Feinde eines guten Tropfens. Ich hab noch nie einen Tropfen Wein verschmäht. Ich hasse volle Gläser und auch leere. Rheinland-Pfalz – Gott erhalt´s.

Der Text ist zur Frankfurter Buchmesse im Verlag tredition GmbH als Anthologie "Kurioses aus meinem Bundesland" erschienen.
ISBN: 978-3-86850-450-7 PB 132 Seiten, 9,90 EURO

Impressum

Texte: (c) by Karl-Heinz Link
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2009

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