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Götterdämmerung auf dem Olymp




Schauspiel-Parodie




Personen:


NACHRICHTEN-AUSRUFER
REPORTER
NUDINE
STIMME
BETTLER
1. WACHE
2. WACHE
DELEGTION
BEGLEITER
2. BEGLEITER
ADOLF
KENNEDYMÖRDER
MAO TSE TUNG
IDI AMIN
SALVATORE SCHNABEL
DEMOKRATOR
ALLE
JÜNGLING


Erster Aufzug (Straßenszene moderne Stadt)



NACHRICHTEN-AUSRUFER:


Hört, Bewohner von Imaginesien, was unser Landesherr, der von euch gewählte Demokrator beschlossen hat. Das freie Volk von Imaginesien wird sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2016 bewerben. Staatsrat und Kabinett haben die geniale Idee unseres geliebten Demokrators ratifiziert. Das olympische Komitee wird über die Bewerbung in dieser Stunde entscheiden. Hört, Imaginesen, den Ruf vom Olymp. Die Götter der Antike werden unsere Gäste sein. Unser Land kann sich glücklich schützen, die strahlenden Athleten aller Erdteile beherber-
gen zu dürfen. Imaginesien, du Land meiner Väter, jetzt wirst du in die Weltgeschichte eingehen.

REPORTER:


… vorausgesetzt, das olympische Komitee akzeptiert unsere Bewerbung.

NACHRICHTEN-AUSRUFER:


Vorausgesetzt, das olympische Komitee akzeptiert unsere Bewerbung.
(Pause)


Wieso eigentlich nicht? Wieso eigentlich …


REPORTER:


Das gibt Schlagzeilen, das gibt Sonderseiten, Fotos, Extraausgaben, Plakate, Fernsehfilme, Wochenschau-
berichte, Fahnenschmuck, Fernschreiben. Werbeagenturen wühlen in ungeahnten Etats, ha, Rampenlicht, Quarzlam-
pen, Kameras surren, Olympia-Hymne, Fanfaren, tata-
ratatata Olympia spornt das Volk an. Die Arbeiterklasse wetteifert an der Werkbank untereinander. Das arbeitende Volk hinter den Schreibtischen wird endlich kreativ, der olympische Funke hat gezündet. Das ist Zukunftsmusik, die klingt in den Ohren.

NUDINE:

(steht in typischer Manier an die Mauer gelehnt mit Handtasche und einer roten Nelke in der Hand.)


Langweilig ist´s in der Branche. Die Geschäfte gehen flau. Keiner hat mehr was für die Liebe übrig. Schon gar nicht für´s Bumsen. Ja, nur hin und wieder ein Jüngling zum Anlernen. Und der kann nicht zahlen, weil er´s Geld für´s Studieren braucht. Medizin. Dafür behandelt er später, wenn er ausstudiert hat, kostenlos meine Berufskrank-
heiten. Eine Hand wäscht die andere. Es ist schon schwer, wenn man selbstständig ist. Die Konkurrenz ist groß. Und die staatliche Gesundheitspolizei ist streng.
REPORTER:

(tritt hinzu)


Alles wird sich ändern. Auch für dich, mein sündiges Kind werden herrliche Stoßzeiten anbrechen. Die ganze Welt ist bei uns zu Gast. Die Jugend aller Nationen wird in Imaginesien beherbergt. Und zum Beherbergen gehört schlafen – hörst du – Nudine, schlafen habe ich gesagt. Da schläft bestimmt etwas für dich ab. Warte nur, wenn sie kommen, die athletischen Jünglinge, Muskelpakete aus der Proteinwerbung. Dein sensibles Märchenschloss wird frequentiert für harte Währung. Ich empfehle, vorher emsig zu trainieren, damit die Kundschaft nichts zu klagen hat.

NUDINE:


Trainieren, lieber Herr, wozu dieses Bemühen? Kein Freier konnt bisher den eigenen Rekord ein zweites Mal errei-

chen. Geschweige denn, mehrmals hintereinander.



REPORTER:


Sonderschichten wirst einlegen müssen, mein Kind, vorbei ist´s mit der Sonntagsruh. Geschäft ist Geschäft. Hinterher kannst Urlaub machen und hinterher nimmst deine freien Tage. Gell?

NUDINE:


Schweinekerl, Reporterluder, Zeitungsschmierfink, scher dich zum Teufel. Aber interessant ist diese Meldung schon, fall sie zutrifft.

(Musik ertönt aus dem Lautsprecher: SONDERMELDUNG)





STIMME:


Hier spricht der Imaginesische Rundfunk. Wir bringen eine Sondermeldung. Soeben erreicht uns eine Eilmeldung der INA (Imaginesische Nachrichten Agentur) Der große Staatsratsvorsitzende erhielt die Zusage des Olympischen Komitees. Die großen Spiele des 21. Jahrhunderts werden 2016 in Imaginesien abgehalten. Der Demokrator hat den Tag der Bekanntgabe dieses Entschlusses zum arbeits-
freien Tag, zum Tag der olympischen Verkündigung er-
hoben.

NUDINE:


Wieder ein Tag ohne Umsatz. Warum dürfen Freuden-
mädchen an staatlichen Feiertagen nicht arbeiten? Das hab ich noch nie verstanden. Die Kirchen sind das großzügiger. Schließlich führen wir die Tradition einer heiligen Magdalena fort. Nur findet unsereine nicht zur Umkehr. Wir kommen aus dem Südpfuhl nicht mehr heraus. Es ist wie Pech und Schwefel, was uns hält. Nicht die Gefühle sind´s, es ist das Geld. Geld gibt mir Macht, für all die schönen Dinge, für Edelstein, Perlen, für goldne Ringe. Geld macht mich frei von Konventionen, kann in Komfort und Wohlstand wohnen. Geld ist der Preis für meine Seele. Geld heißt der Mann, dem ich mich vermähle. Das ist Nudine´s Philosophie. Dafür öffnen sich meine Knie. Schreib nur, verkommenes Reporterluder. Schreib, was die Massen lesen wollen.

REPORTER:

(rezitiert Schlagzeilen)


Jugend der Welt streitet um Gold.
Aufmarsch der Athleten.
Medaillen hängen höher. Untertitel: Wer unterbietet die 9,5 auf der Hundertmeter-Traumstrecke?
Wunderläufer aus dem Himalaja schock die Fachwelt, Untertitel: Mensch oder Fabelwesen.

NUDINE:


Spinner, elender!

REPORTER:


Neue olympische Disziplin, erstmals erprobt. Nach der Abschaffung des Krieges und nach erfolgter Bannung von Naturkatastrophen haben die Präsidenten aller Erdteile beschlossen, eine Verdünnung der Bevölkerung durchzu-
führen. Da die Vernichtung von Menschen durch Viren und Laserbestrahlung als menschenunwürdig abgelehnt wurde und ferner eine Chancengleichheit erreicht werden soll, wurde das olympische Komitee beauftragt, einen sportlichen Wettstreit auszurichten, dessen Sieger Gold, Silber und Bronze eine Chance und Garantie auf ein Weiterleben erhalten sollen.

NUDINE:


Mein verkommenes Herz ist der Menschheit immer noch

dienlicher als deine revolutionären Hirngespinste.



REPORTER:


Die Verlierer müssen sich dem Reglement der automa-
tischen Schießanlage im Super-Russisch-Roulett unter-
ziehen. Da werden Erinnerungen wach an die Christen-
verfolgungen in den Arenen der Antike. Stell dir vor, Nudine, ein abgekämpfter Marathonläufer, weil er nur Vierter geworden ist, begibt sich sofort nach der Zielüber-
schreitung in die Roulett-Gasse. Sechs Schuss rechts, sechs Schuss links. Das Schiedsgericht bedient den Computer. Die Überlebens-Chance ist groß. Zwölf zu eines für ihn. Elf Schreckschüsse und eine scharfe Kugel. Das reißt die Zuschauer von den Rängen. Er taumelt durch die Gasse, der Schuss peitscht durch das Oval des Stadions. Atemlose Stille. Dann kurze Pause und ein Jubel. Er hat´s geschafft.
Die Damen werfen Kusshändchen und applaudieren. Die Herren werfen Münzen. Blumengeschmückte Mädchen sammeln das Geld auf der Kunststoffbahn auf und legen es dem wiedergeborenen Athleten zu Füßen.

NUDINE:


Armer irrer Reporter. Deine Sensationslüsternheit ist größer noch als meine Gier nach Geld. Ich verkaufe meinen Charakter portionsweise, Stück für Stück, jeden Tag ein Bisschen mehr, erst wollt ich´s nur vorübergehend treiben, doch dann … ich hab mich drein ergeben. Ich schade nur mir selbst – und bring den Männern Freude.
Du aber schadest dir und der Gesellschaft, die dich aushält. Du überdrehst die Schraube. Bleib auf dem Teppich!


REPORTER:

(wird zynisch)


Fürwahr, dieser Vergleich, er ist bestechend und spricht doch so der Fadenscheinigkeit Quelle aus. Den erstens steht´s dir schlecht, über Moral zu reden. Was red ich da. Schon vorher gab es sie, vorwiegend auf Papier. Und zweitens rühm ich mich der bessren Information. Die Disziplin wird´s wirklich geben. Die Informanten freilich geb ich niemals preis.

NUDINE:

(geht ab)


Du bist mir zu fad. Ich mag dich einfach nicht.

REPORTER:

(nachdenklich)


Sie mag mich nicht, nicht weil ich unmoralisch wäre, sondern wegen der Moral, die ich verkörpere. Tue ich das wirklich? Ja, ich halte der Gesellschaft einen Spiegel vor. Ich projiziere des Spiegels Inhalt in eine andere Richtung, dorthin, wo andere sehen wolle, was sie ohne Spiegel nicht sehen würden. Ist das unmoralisch? Jemandem Freude zu zeigen, der Leid empfindet. Jemandem Angst zu zeigen, der zu mutig ist. Jemandem Wohlstand zu demonstrieren, der in der Gosse schläft?
Nudine, wie sind wir beide doch ähnlich. Du und ich. Auch ich bin ein Subjekt von Prostitution. Bring ich keine Story, beginnt eine Christenverfolgung gegen mich. Ich weiß das zu verhindern. Ich folge dem Sternenruf, dem Ruf des Gewissens. Mein Gewissen heißt Honorar, Zeilenhonorar, Geld, Geld, Geld!

- Vorhang -

Zweiter Aufzug
(Vorhof zum Regierungspalast – zwei Wachen)



BETTLER:

(singt falsch im Moritatenstil)


War einst in gold´ner Jugendzeit,
ein Mägdlein lieblich, brav und hold.
Mein Töchterlein, das ist so weit,
verkauft sein Herz für pures Gold.
O Tugend, welch ein leerer Wahn.
Mein Fleisch, mein Blut geht auf den Strich.
Was hast du mir nur angetan,
mit diesem Dolch erstech´ ich dich.


1. WACHE:


Schnauze, Alter! Wenn deine Tochter ihre eigenen Wege geht, dann ist das ihre ureigenste Sache. Halt dich raus. Sie ist alt genug.

2. WACHE:


Schickt sie dir nicht jede Woche Geld, damit du dich besaufen kannst?

BETTLER:


Damit ich den Kummer ertränke, mein Kind, eine öffent-
liche Bedürfnisanstalt, in die jeder hinein … (schreiend)

nein, ich ertrag´s nicht länger.
1. WACHE:


Denk ans Geld. Solange sie arbeitet, hast du dein Auskom-
men. Du bist unser letzter Bettler. Wir brauchen dich.

2. WACHE:


Wenn du sie im Suff umbringst, wirst du eingelocht. Und ein gefangener Bettler nützt uns wenig.


BETTLER:


Ja, ja, ihr habt gut reden. Habt ihr Kinder?

1. WACHE:


Schnauze, verschwinde, Alter, da kommt eine Delegation.

BETTLER tritt hinter einen Baum zurück.



DELEGATION

erscheint. Drei Männer,

in der Mitte Adolf.

BEGLEITER:


Mein Führer, die großdeutschen Athleten werden der ganzen Welt zeigen, was die arische Rasse zu bieten vermag.

ZWEITER BEGLEITER:


Unsere Truppen an allen Fronten werden in Jubelstürme ausbrechen und Sieg um Sieg erringen.

ADOLF:


Die Schwingen des großdeutschen Adlers werden von der Gewalt des Siegesrausches durchflutet werden. Und seine Krallen werden die Feinde erzittern lassen.

ERSTER BEGLEITER:


Sieg Heil, oder wie heißt das noch?
(Gruppe geht ab in Richtung Palast, Adolf nimmt den blauen der olympischen Ringe von der Tafel.)



BETTLER:


Merkwürdig, diese Figuren kenne ich doch. Ich kenne sie aus Geschichtsbüchern. Aber wo genau haben sie gelebt? Ich weiß nur, sie haben der Menschheit Unheil gebracht. Ja, lang ist´s her. Richtig, jetzt fällt es mir wieder ein. Es riecht nach Gas. Sind sie es, die solchen Gestank verbreiten? (dann zu einem der Wächter gewandt:)


Jedoch, was ihren Leib verlässt, ist giftiger als alle Wolken der Industrieschlote meiner Väter. Wenn du und ich nur Stickstoff pusten aus, so hauch jene Mord und Brand in uns´re Lande.

1. WACHE:


Wenns schon verboten ist, mit unsereins zu sprechen, so lasset wenigstens das törichte Geschwätz.

BETTLER:


Zu jung seid ihr, um solches Tun zu fühlen. Mein Vater noch hat lebend sie erfahren. Und glücklos sind die Jahre jener Zeit gewesen. Ich bin nicht klug, doch weiß ich Gut von Böse doch zu trennen. So wird ich alt, geprägt vom Fall, belohnt vom Glück. So wurd ich grau, gebeugt vom Schmerz, und aufgerichtet vom Aufgang dieser Sonne. Seht Freunde, wie der wärmende, der lebensspendende Gedanke sich niedersenket in des Meeres Grund. Am Morgen wird trotz aller Willkür staatlichen Bestrebens die neue Sonne auferweckt und tausend Kinderaugen Hoffnung spenden.

2. WACHE:


Du bist ein Philosoph und nicht ganz nüchtern, fürwahr gehörest du in das Panoptikum. Du störest unsre Zeit.

BETTLER:


Hast du vernommen, Gott? (blickt zum Himmel)


Ich störe seine Zeit. Für ihn bin ich ein alter Narr. Ein Scharlatan, der edle innere Werte noch den allzu irdischen Dingen setzt voran.
Du Herr, hast mich beschenkt mit einem langen Leben. Nun schenk mir auch die Kraft dazu, dies Leben zu bestehen. Und nimm von mir den Sinn des selbstzerstörerischen Wollens, der resignierend sich immerfort in mich vergräbt. (Kniet nieder und verneigt sich.)



1. WACHE:


Schon gut, Alterchen, jetzt reicht es aber. Hinweg, da kommt ein einzelner Besucher.

BETTLER

(verschwindet wieder hinter dem Baum.)



KENNEDYMÖRDER:

(Tritt vor die Wachen.)


Gewährt mir Einlass, ihr grauen Waffenröcke. Auch ich, ein weit gereister Mann, will stellvertretend für mein Land, Olympia besuchen. Amerika entsendet mich nach hier, nicht ahnend, dass grade ich Amerikas Geschichte geformt nach meinem Willen.
Sie glauben mir den Mörder nicht. Ich war´s, ja ich hab John F. Kennedy erschossen. Ich bin´s gewesen, ein simpler Schreiber der Geschichte. Schriftsteller werden nie so recht für voll genommen, zumindest nicht, solange sie noch leben. Ich hatte längst Amerikas Geschichte schon geschrieben. Ich schrieb zu schnell. Ich war der Zeit voraus. Doch das Geschichtsbuch, von diesen Händen Wort für Wort aus Tinte eingeätzt in unauslöschlich Pergament für alle Zeit, es zeigte einen Bruch. Im Buch der Zeit Amerikas war Kennedy schon tot. Ich schrieb´s in Trance, war es Sendung oder Ahnung oder Zwang von unsichtbarer Hand geführt die Feder? Die Wirklichkeit beschwor mein Inneres. Es sagt: Irrtum und Verrat, die Kritiker bescheinigten, ich habe den Verstand beizeiten schon verloren. Nur weil er lebte, derweil in meiner Schrift er längst uns ward gestorben.
Da kennt ihr den Poeten schlecht! Die Schrift blieb stehn. Was zählen hier Jahrzehnte? Erschossen hab ich ihn im Jubel der Massen. Der Mann starb strahlend im Rausch zu Zuneigung, sein offenes Lachen hat den Poeten nicht erbarmt. Jetzt stimmt die Schrift. Poeten meines Schlages schreiben nie ein zweites Mal ein Stück. Hier musste Wirklichkeit dem Rollenwert sich beugen.

1. WACHE: (zu seinem Kollegen)


Ich fürchte, wir haben es mit lauter Narren heut zu tun. Der Alte war so sonderbar. Und nun ein Psychopath gar aus den USA. Olympia, das kann ja heiter werden.

KENNEDYMÖRDER:


Heiterkeit und Spiel gehören zusammen. Wo beides sich vermählt, sind Dollars nicht entfernt. Ich werde mal den Marktwert hier erkunden. Jerusalem, du bist ein Vorort von New York.
(Geht ab und nimmt zuvor den roten der olympischen Ringe.)



BETTLER:

(kommt zögernd aus seinem Versteck)


Die Mörder sind unter uns. Wer weiß, welche Ansinnen ihn heute zu uns führt. Dazu noch, geht er zum Palast. Ich hab sein Messer blitzen sehen unter dem Gewand. Vielleicht führt Böses er im Schilde!?

2. WACHE:


Ein Messer?

1.WACHE:


Wirklich, ein Messer?

BEIDE WACHEN:


Halt, Fremdling, halt. Kein Bewegung, oder wir schießen!
(Beide stürzen hinter ihm her.)



BETTLER:


Oh großer Demokrator, die Einfalt selbst steht wachend dort vor dem Palast. Was dich beschützt, sind nichts als Uniformen. Was drinnen steckt, ist anerzogene Duldsam-
keit. Gehorsamkeit, Befehlsempfänger, brave, biedere Leute, nicht fähig, eines eigenen Urteils. Und schießen sollten sie noch lernen.

MAO TSE TUNG:

(tritt lächelnd auf, während der Bettler sich versteckt.)


Jugend, die Welt ist euer, wie sie auch unser ist, doch letzten Endes ist sie eure Welt. Ihr jungen Menschen, frisch und aufstrebend, seit das erblühende Leben, gleichsam der Sonne um acht Uhr am Morgen. Unsere Hoffnungen ruhen auf euch. Die Jugend ist die aktivste und lebendigste Kraft der Gesellschaft. Durch den Elan der Jugend Chinas werden wir imstande sein, das zu erlernen, was wir vorerst noch nicht wissen. Wir verstehen es nicht nur, die alte Welt zu zerstören, sondern wir werden es auch verstehen, eine neue Welt aufzubauen.


BETTLER:

(tritt hervor.)


Dein neues Reich, großer Vorsitzender MAO, wird aufge-
baut auf Tränen und auf Schweiß. Die Hände deiner Massen, sie recken sich millionenfach empor, dir zum Gruße. Doch wenden sich die Hände zu hohlen Händen und Hunger spricht im Chor aus Millionen tief versunkenen Augen. Oh großer MAO, speise deine Diener mit Reis statt ihnen anzubieten deine Worte.

MAO:


Das Volk und nur das Volk ist die Triebkraft, die Weltge-
schichte schreibt. Den Massen wohnt eine unbegrenzte Schöpferkraft inne. Und dieses Volk, es hat im Geist schon eine Fülle von olympischen Medaillen errungen. Mein Volk ist anderen Völkern eines voraus. Bevor es einen Tiger tötet, wird es ihn geistig erst erlegen.

BETTLER:


Die wahren Tiger, großer MAO, stolzieren auf zwei Beinen. Sie bleiben unerkannt, und das ist die Gefahr. Sie jagen nicht nach schwachem Wild, wie der Instinkt es ihnen eingegeben. Die Tiger unserer Tage, sie lauern auf dem starken Arm des Mächtigen. Und keiner deiner Söhne wird schützend sich verteidigen. Der gelbe Beutetiger wird mit blutigroter Pranke sich in dein Fleisch vergraben, und neue Ideologien werden Wurzeln schlagen in deinem Leib.

MAO:

(lachend)


Hört diesen Philosophen vom Olymp. Lass Alter dir be-
richten von meiner Strategie.
Mit dem Speer greift man an, um den Gegner zu vernich-
ten, und mit dem Schild wehrt man ab, um sich selbst am Leben zu erhalten.

BETTLER:


Wenn doch auch du zu begreifen vermochtest, dass es eine Spielart gibt im Geiste des Olymp, gemeinsam mit dem Speer in friedlich´ Streite Siege zu erringen. Dazu denk ich, bist du gekommen nach Imaginesien, um auszukund-
schaften, was einst die Jugend dieser Welt in fairem Kampfe wird bewegen.

MAO:


Den Weg mach frei, Scharlatan der Gosse.
(geht ab, nimmt den gelben der Olympischen Ringe.)



BETTLER:


Da geht er seinen Weg, nicht achtend meinen Rat.

IDI AMIN:

(tritt lautlos hinter den Bettler hervor.)


Black is beauty. Schwarz ist wundervoll. Schwarz ist die Nacht, schwarz ist unsere Zukunft. Denn nur aus der Schwärze wird der Lichterkranz hervorgehen. Schwarze Rassen vereinigt euch. Bleibt nicht länger die Lakaien der weißen Unterdrücker. Machet den schwarzen Erdteil euch untertan.


WACHEN:

(kehren zurück.)


Es ist ein Tollhaus, seit uns die Nabelschnur mit dem Olymp verbindet. Sag an, wer bist du Fremdling?

IDI AMIN:


Ich bin die Vaterfigur Schwarzafrikas. Idi Amin, der Moses aus dem Herzstück der Sahara. Vorbei ist die Herrschaft weißer Hunde, vorbei die Knechtschaft meiner Brüder in euren Reihen. Alle schwarzen Athleten werden gemein-
sam gegen die Welt ihre Geschlossenheit beweisen. Und jeder, der sich unserer Rasse in den Weg stellt, wird vertilgt.

2. WACHE:


Mir scheint, des letzten Menschenfressers Enkel wetzt das Messer.

IDI AMIN:


Was sagt er, Kerl, ich hab ihn nicht verstanden?

1. WACHE:


Er meint … ihr seid ein Menschheitsverbesserer und eure Enkel hätten es mal besser.

2. WACHE.

(erleichtert)


Danke, Genosse Wachhabender.

IDI AMIN:


Was hat er nun wieder gelästert?

1. WACHE:


Er hat sich entschuldigt für sein vorlautes Mundwerk.

IDI AMIN:


Zeig er mir den Weg zum Palast!
(nimmt den schwarzen Ring und geht ab.)

BETTLER:


Herr Gott im Himmel, willst du dir das nicht noch mal überlegen, mich zeitiger von dieser Erde abzurufen? Dein Paradies hat wahrlich nichts dazugelernt.
(Bettler tritt ab.)



REPORTER.

(notiert sprechend)


Alter Mensch spricht mit Gott. Fürwahr ein Gesprächs-
teilnehmer, der niemals widerspricht. Das muß ich mir merken.

SALVADORTE SCHNABEL:

(Auftritt)


Weit gereist, jetzt bin ich doch am Ziel. Habt ihr in eurem Lande keine Emus und Straußeneier? Selbst die Kängurus scheint´s nur in zoologischen Gärten zu bewundern. Na ja, es wird sie bald auch hier im Lande geben. Sie werden sich vermehren wie eure Ratten in den Flüssen. Salvatore Schnabel ist der Columbus Australiens. Salvatore hat Imaginesien entdeckt. Entdeckt für Australien. Wer sagt denn, dass die Kolonialherrschaft vorüber ist. Sie müssen´s neu erlernen, die Völker der Erde.
Sie werden´s schlucken, nur müssen wir die Taktik richtig anlegen. Sie haben es uns oft genug vorexerziert. Die Formel heißt: Gewalt. Und während sie Gesetzestexte noch studieren und Petitionen formulieren und Apell an das öffentliche Gewissen richten, haben unsere Ideologien bereits Wurzeln geschlagen, unterstützt von unseren Biochemikern, die diese Welt in ihren Händen halten. (Zum Publikum gewandt.)


Unsere Leute sind´s, nicht eure. Wir haben sie im Schutze der Verschwiegenheit und abseits jeglicher Zivilisation experimentieren lassen. Nein, keine Atombomben. Wer droht denn noch mit Spielzeugbomben?
Millionen kleinster Bömbchen schlummern in den Kellern in den Küchen, auf den Speichern eurer Häuser. Das Kunststück ist genial und furchtbar obendrein.
Ich will es euch erklären, wie es funktioniert.
In jedem Körnchen Zucker, jedem Körnchen Salz, im Mehl und im Gemüse, in der Kartoffel genau so wie im Obst sind steuerbare Zellen aufgewachsen. Ihr esst sie täglich, genau wie ich. Solang unser Geheimdienst will, bleibt alles, wie es war. Doch haben wir die Macht, durch ferngesteu-
erte Impulse die Nahrungsmittel sofort in kleinste Spalt-
einheiten zu zerlegen. Ich stelle mir vor, wie es in den Häusern knallt und raucht, als ob die ganze Welt auf einmal würd´ Sylvester feiern. Nur ging der Spuk nicht allzu schnell vorbei. Es wäre verheerend, und deshalb seid ihr alle, ihr alle seid in unserer Hand.
Mein Auftrag ist, das Land Olympias in unser Machtbereich noch einzugliedern. Es ist der einzig weiße Fleck auf dieser Erde. Noch ist das alles nicht publik. Das ist unser Trick. Die Gegner wiegen sich in Sicherheit. Australien, bald nahet deine große Stunde. Ich greife nach dem letzten der olympischen Ringe. Bald greif ich noch nach mehr. Grün ist er wie das Land meiner Väter. Grün wird auch die Galle sein, die die Söhne unserer Nachbarkontinente aus den wunden Schlünden schier erbrechen. Beginne nur, du Weltspektakel, Spiele genannt.
Was wie Spiel aussieht, ist harte Manipulation, genährt von Politik, Terror und Gewalt, Prestigedenken, überstei-
gertem Nationalbewusstsein und programmiertem Ehrgeiz eines staatlich gelenkten Strebens. Fanatismus treib deine Blüten!

REPORTER:


Ich kann die Staatsmänner nicht recht begreifen, die solche Typen uns entsenden. Schlier unglaubwürdig Zeug entstammen ihren kranken grauen Zellen. Ob es am Wetter liegt, vielleicht bekommt ihnen der Klimawechsel schlecht. Solch Unsinn kann ich doch nicht schreiben. Noch funktioniert mein Spürsinn für die Realität. Bin schließlich Reporter.


- Vorhang -



Dritter Aufzug

REPORTER

hört schweigend dem Dialog zu und macht Notizen auf seinem Block. Zwischendurch fotografiert er mit Blitzlicht die einzelnen Figuren.
Im Palast des großen Demokraten. Der Landesherr sitzt erhöht, seine Gäste, die Erdteilvertreter stehen im Halbkreis um ihn herum. Der Demokrator ist mit einer Fantasie-Uni-
form bekleidet, dekoriert mit allerlei Ehrenabzeichen. Die Gäste halten demonstrativ ihren Olympischen Ring auf einer Stange tragend, dass die richtige Formation der Ringe dem Zuschauer sichtbar wird.



DEMOKRATOR:


Seid umschlungen Millionen.

ALLE:

antworten im Chor


In deinem Geist, oh Herr Demokrator.

Orgeltöne aus Beethovens 9. Symphonie.



DEMOKRATOR:


Seid umschlungen Millionen.

ALLE:


Sei gelobt Demokratie.

DEMOKRATOR

:
Seid umschlungen Millionen.

ALLE:


Sei gelobt die Fantasie.

DEMOKRATOR:


Bin ich nicht ein genialer Staatsführer? Wahrlich ich bin´s. Soeben habe ich allen Völkern dieser Erde eine neue olympische Hymne kreiert. Ich stelle fest. Ich bin ein Genius, ein Genie. Hört, ihr Posaunen, Trompeten, Schalmeien, euer Landesfürst, der von euch gewählte Demokrator ist seiner Eingebung gefolgt und hat diese Melodie komponiert.
(Er singt:)


Seid umschlungen Millionen.

BETTLER:

(schleicht sich ein)


Verzeihung Herr, Ihr unterliegt einem Irrtum, ich dar euch, gottergeben aufmerksam machen auf ein Plagiat. Lang vor euch gab es einen Ludwig van Beethoven auf dieser Erde.

DEMOKRATOR:

(schreiend)


Plagiat. Beethoven. Und dann noch van? Dies adlig Gesindel gibt’s das immer noch? Wir sind die Herren. Wir. Schau dich um Wer hat Geschicht je gemacht? Wir. Wer bist du überhaupt, dass du es wagst, hier ungebeten einzudringen? Altwort!

BETTLER:


Ich bin die Stimme der Vernunft.

DEMOKRATOR.


Die Vernunft bin ich. Wache! Wache!
ZWEI WACHEN: (treten ein.)


Zu Befehl, großer Demokrator.

DEMOKRATOR:


Hinweg mit ihm, sperrt ihn zu den Intellektuellen. Und vergesst nicht, ihn täglich auch zu füttern mit dem Brot der Peitsche und dem Salz der Ideologie. Ha, ha, das fehlte gerade noch, Vernunft. Wo kämen wir hin, wenn wir Vernunft des Individuums wie Unkraut schießen ließen. Ein jeder würde basteln wie Kinder unterm Weihnachtsbaum an unserer Moral.

BETTLER:


Der Größenwahn betäubt die rein geborenen Köpfe.
Oh hätten eure Ammen euch ertränkt.
Es ziemet zwar dem Bettler nicht zu wünschen.
Doch seh ich klar die Früchte ihres Tuns.

DEMOKRATOR:


Du wagst es, meine Gäste anzuwidern. Das hat noch keiner vor dir ungestraft gewagt.

BETTLER:


Vergebung Herr; auch Ihr erlieget ihren Zwängen.



DEMOKRATOR:


Du Kreatur willst nicht begreifen,
Was Macht und Position im Staat bedeuten.
Wer mächtig ist wie wir, besitzt das Recht.
Und nur das Recht verleiht dem Staatsmann die Gewalt.
Sieh her, wer Orden trägt, ist rein und lauter.
Im Gewissen. Das war zu allen Zeiten Brauch.

BETTLER:


Nur Rauch und Tand, Dekoration.
Den wahren Orden ziert ein gütig Herz allein.

DEMOKRATOR:


Verschlimmern wirst du deine Lage.


BETTLER:


Die Tage sind dem Greise längst gezählt.

DEMOKRATOR:


Erfasset ihn und setzt ihn an die Luft.

BEIDE WACHEN

(ergreifen den Bettler und zerren ihn unsanft von der Bühne.)


1.WACHE

.
Noch nicht einmal Widerstand leistet der Kerl.

2. WACHE

.
Ist wohl ein Anhänger des längst verblichenen Mahatma Gandhi.

DEMOKRATOR:


Zu euch, ihr Völker aller Nationen. Fühlet euch geboren unter dem Symbol der Ringe vom Olymp. Ich garantiere der Welt ein Füllhorn der Rekorde.
(dann zu einem der Wächter sich neigend und hinter vorgehaltener Hand)


Wir werden die Aschenbahn um einiges verkürzen. Du verstehst schon, Erfolge sind des Kämpfers liebste Kinder.
(Dann zur den Delegierten)


Ihr werdet die besten Wettkampfstätten der Neuzeit vorfinden, eingebettet in einem Paradies der Manipulation. Du Yankee verwaltest den Kommerz. Das war zu allen Zeiten deine Stärke. Und Adolf der Schreckliche sorgt für die Aufmärsche.
(Im Hintergrund Anfangstakte des Badenweiler Marsches.)


Und Mao, der Unsterbliche spricht den olympischen Eid. DasPathos ist dir auf den Leib geschrieben. Wer Millionen einverleibt in seinen Kreis der Macht, der hat im Handum-
drehen auch die Sportbesessenen des ganzen Erdenrund am Gängelband.
Und du schwarze Rakete aus der Wüste wirst sicher deine Freude haben am Computerpult des Russischen Roulette. Wie hieß es schon im alten Rom: Brot und Spiele. Gib dem Volk den Nervenkitzel, dann bist und bleibst ein Vater ihm.
Grüner Knabe Salvatore aus Australien. Dir sei die Sonderaufgabe zuteil, der Öffentlichkeit mittels aller Medien den Sand der Wüste Gobi in die Augen schön zu streuen. Einem Australier kann man noch trauen. Dein Wort hat in der Welt noch einen guten Klang. Du bist der Goebbels von Olympia. Impertinezen aller Völker vereinigt euch, dann ist der Endsieg unser. Und von jedem erhalte ich nur zehn Prozent vom Reibach.
(Empörte Rufe der Delegierten. Tumultartige Bewegungen auf der Bühne.)


ALLE:


Verrat; pfui, njet, non, hört, hört …

REPORTER:

(spricht wieder Schlagzeilen)


Wirbel um die Spiele.
Demokrator verkündet neue Hymne.
Unruhen im Palast.
Rassenfrage behindert Durchführung.
Bettler im Palast verhaftet.
Olympia – kein Spielplatz für Intellektuelle.

ADOLF:

(zu seinem Gewährsmann)


Wir werden die Gestapo in Trainingskleider stecken.
(und zum Demokrator gewandt)


Wir zahlen zwanzig Prozent.
(Erstaunen bei den übrigen Aspiranten.)


Doch, doch, wir zahlen zwanzig. Was soll das Gehabe?
In Großdeutschland hat es zu allen Zeiten niemals Mangel gegeben an Finanz. Wir drucken selbst.

IDI AMIN:


Wie wär´s, Herr Adolf mit einer Anleihe?

ADOLF:


Ich lad den Herrn zum Obersalzberg ein. Mir scheint, es gibt Arrangements. Wir müssen über Kolonien reden.

KENNEDYMÖRDER:


Der starke Europäer hat vom Siegen nicht genug. Ich sage euch, ihre Herren: Die tausend Jahre Adolftum, sie sind in einem einzigen dicken Band geschrieben. Die Schreiber eurer Zeit, sie schrieben nicht mit Tinte, doch mit Blut.

ADOLF:


Jüdische Propaganda in Washington geboren. Nichts als Worte, leere Worte. Volk, mein Volk, du wirst noch immerdar beleidigt. Und niemals darf das ungestraft geschehen.

DEMOKRATOR:


Gemach, gemach, es ist vorbei. Wir müssen in die Zukunft schauen.

MAO:


Der Imperialismus begeht Willkür und Gewaltentat. Dadurch macht er sich selbst zum Feinde aller Völker und isoliert sich damit selbst. Die Sturmflut der Völker dieser Welt gegen jede Aggression lässt sich nicht mehr bändigen. Völker habt Mut zum Kampf. Die Welt wird euer sein.

SALVATORE:


Eure Ideologie ist brauchbar für euresgleichen hinter dem Bambusvorhang, hinter der Mauer, niemals jedoch für Menschen, die in Freiheit leben. Seht den Vogel Strauß. Er tut wie ihr, er meidet die Gefahr. Er schließt die Augen. Auch ihr steckt eure Köpfe in den Sand eurer Phrasen. Ich aber sage: Gebt euren Völkern wirklich freien Raum, sie werden keinen Penny für eure Sprüche geben.

DEMOKRATOR:


Ist denn nicht möglich, fünf Herren unter dem Symbol der Ringe zu vereinen? Vielleicht könnt Einigkeit erzielen ihr, beim anschließenden Dinner. Für´s leiblich Wohl ist mehrfach vorgesorgt, gesorgt ist auch für´s Herz. Ich habe da ein Dämchen, hübsch und schlank, es wird euch friedlich stimmen. Seit jeher ward den Großen dieser Erde die einz´ge Schwäche sichtbar nur im Weibe.
Begnügen wir uns der Erkenntnis, dass Befriedigung des Fleisches Befriedigung der Herzen schenkt. Lasst sehen dieses Kind Nudine, die einzige Professionelle. Mit Amateuren habt ihr nichts zu schaffen. Die Zeit der Amateure ist vorbei.

WACHEN:

(gehen ab und rufen)


Nudine, Nudine.

WACHEN

(bringen Tragbahre. Darauf liegt Nudine. Das Messer steckt noch in ihrem Körper.)



1. WACHE:


Die Spiele stehen unter einem schlechten Stern. Der Alte hat sein Töchterlein erstochen.


DEMOKRATOR:


Alter Narr, du mordest einen Teil von unserer Kultur. Bringt sie hinaus, ich mag den Anblick nicht ertragen. Jetzt taugt sie nur noch für die Presse. Vielleicht kann der Reporter errichten ihr ein Denkmal ganz groß auf Seite eins. So treten unsere Querelen in den Hintergrund. So nützt sie den Spielen noch über ihren Tod hinaus.

WACHEN

(bringen Nudine hinaus.)



JÜNGLING:

(tritt hinzu.)


Die Vögel brachten mir die Kunde über Hügel, Ströme, Berge und Gewässer. Zum Gruß ihr Herren. Ich hoffe, ich bin richtig hier.

DEMOKRATOR:


Sag an, wer bist du und was ist dein Begehren?

JÜNGLING:


Lasst Herr teilhaben mich an euren großen Spielen. Mich dränget der Vergleich, zu messen mich mit all euren Athleten. Der Drang nach Höhen, Weiten, Sekunden und nach Zeiten gibt Ansporn meinen Gliedern. Nicht Siegen nur um jeden Preis. Allein die Teilnahme ist Preis mir in der Seele.

DEMOKRATOR:

(zur Wache)


Frag ihn, von welchem Erdteil er gesandt, dann mög er sich den Delegierten dort unter dem Ringe seiner Wahl versammeln.

1. WACHE:


Er soll mir Antwort sagen, welchem Kontinente er entstammt!

JÜNGLING:


Wie soll ich es sagen ihm, wo er es nicht begreift?

1. WACHE:


Woher? Zeig er mir die Papiere!

JÜNGLING:


Woher ich komme, gibt´s nimmermehr Papiere. Wir sind dortselbst noch nimmer registriert. Wo Menschenfriede Eintracht nur verbreitet, bedarf es nicht der Formen auf Papier. In meinem Land sind solcherlei Formalien noch nie bekannt gewesen.

DEMOKRATOR:


Hört, ihr Herrscher, er spricht in Rätseln. Ist´s ein Schar-
latan, dann werft ihn vor die Tore. Doch mach er uns den Spaß, lass hören Jüngling, welch Reich auf dieser Erde du dein Heimatland benennst. Vielleicht kann deine Herkunft den Drang, den unsrigen nach unbekannten Kolonien noch befriedigen.

JÜNGLING:


Oh leider, großer Herr, mein Reich ist nicht von hier. Und keine der bekannten Formen eurer aller wohl bekannt´ Systeme nenn´ ich als Heimat mir.

DEMOKRATOR:


Habt ihr es vernommen? Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Schon einmal gab es einen, der solcherlei behaup-
tete. Ihn schlug man nach den Schriften, den überlieferten, ans Kreuz. Die Welt hat nichts dazugelernt.

REPORTER:

(liest Schlagzeilen)


Angriff außerirdischer Wesen.

Junger Athlet aus einer anderen Welt greift nach

olym-
pischem Gold. Identität nicht feststellbar.

JÜNGLING:


Ich bin ein Mensch wie ihr und diese da. Und messen möchte ich mich in fairem Wettstreit mit der Jugend aller Nationen.

DEMOKRATOR:


Wenn keinem dieser Ringe du dich zugehörig fühlst, dann existierst du nicht, mag lauter auch dein Wille. Olympia ist durch und durch reglementiert. Fünf Ringe gibt´s seit Zeiten. Für einen sechsten hat es keinen Platz. Schon gar nicht für Fantasten, die Ideale und sportliches Interesse allein zum Ziele geben vor. Ein solches Land, jenseits der Grenzen von Globen und Atlanten ist unserer Denkungs-
art zuwider.

JÜNGLING:


Kluger Herr, das Volk in deinem Land bewundert euch.

DEMOKRATOR:


Das hör ich gerne. Sprich weiter. Doch weiche nicht aus!


JÜNGLING:


Nehmt mir den Glauben nicht an jene schöne Illusion; gebettet in den Rausch von beifallklatschend Menschen, die Heiterkeit erleben wünschen, wie einst im Ursprungs-
land in Hellas es gewährt. Ist auch die Welt, die heutige, noch unvollkommen. Olympia wird Einigkeit gebären. Und keine Schande wird ich euch, lasst ihr mich starten, je bescheren. Sagt an, welch Qualifikation verlanget ihr, oh Herr?

MAO:


Kennt er die weisen Wort des großen Vorsitzenden aus dem Reich der Mitte?

ADOLF:


Hat er den Staub von Kasernenhöfen je gerochen?



KENNEDYMÖRDER:


Was weiß der Jüngling über Sternenbanner und über Präsidenten, die einst gelebt und wie sind sie gestorben?
Er weiß es nicht. Doch ich, ich weiß es zu genau. Der eine freilich, John, verfolgt mich nachts im Traum. Sag, hat er je auf einen Kopf geschossen?

IDI AMIN:


Was hält er von der Haut, wenn schwarz sie ist und übel riecht, wie Tran? Sag schon, wir Schwarze sind euch über, sind Menschen dritter Klasse.

SALVATORE:


Versteht er sich auf Diplomatie, auf Menschenrechte, wie sie in den Zeitungen, in vielen Spalten wird gewürdigt, wenn irgendwo im Land man mit ihr korrumpiert?

JÜNGLING:


So vielgestaltig auch Probleme euch bewegen, so will ich kämpfen und siegen nur wie Hellas es geboten. Verschont mich mit eurer Last und Bürde. Als Sportler suche ich den Kampf, den Wettkampf, doch mit Würde.

DEMOKRATOR:


Es reicht mir jetzt, das Maß ist voll.
Er ist frivol, ist dreist und toll.
Wohin soll dieses Wortspiel führen?
Von keinem Lande lässt er sich regieren.


WACHEN

(springen hinzu.)



DEMOKRATOR:


Spione gab´s zu jeder Zeit genug.
Verhaftet ihn, gebührt´s ihm Recht und Fug.
Lasst keine Milde mit solcherlei Gesindel walten.
Und lasst unsre Welt, so wie sie ist, erhalten.

JÜNGLING:


Oh Götter des Olymp, wann wird euch dämmern die Gefahr?


- Ende -




Impressum

Texte: (c) by Karl-Heinz Link
Tag der Veröffentlichung: 25.02.2009

Alle Rechte vorbehalten

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