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Theater - Theater



© bei Karl-Heinz Link


Fünf Stücke

Von Karl-Heinz Link
Geschrieben für das Oberweseler Spectaculum.

Inhaltsverzeichnis:



Seite 6 - Der Teufelspakt
Seite 18 - Die sieben Jungfrauen
Seite 32 - Magdeburger Kaiserreigen
Seite 63 - Wie heißt der Bürgermeister von Oberwesel ?
Seite 83 - Johannes Ruchrat, Rebell von Oberwesel





<<font;19pt>Der Teufelspakt


Ein Oberweseler Volksstück.




Erzähler:

Tritt aus dem Grün hinter der Mauer hervor und

spricht den Prolog.


Bürger höret, was ich verkünde. Das Mittelalter steht im Herbst. Konstantinopel hat sich dem Sultan unterworfen. Rom rüstet gegen die Türken. Habsburg greift zur Kai-
serkrone. Pilgerströme drängen zum Vatikan. Gutenberg druckt seine Bibel. Christoph Columbus erblickt das Licht der Welt. Zerfall regiert. Die Galgen werden nicht trocken. Ritter und Vögte und Adelsherren behaupten die Zinnen. Es ist Vorabend der Renaissance. Die Menschheit lernt das Alphabet. Und überall im Lande lodern Feuer. Bürger verschanzen sich hinter Mauern. Doch wilde Horden reißen Stein vom Stein und plündern und morden.
(Erzähler tritt gemessenen Schrittes zurück..)


Schultheiß:


(Kommt mit drei Ratsherren des Weges; sie gestikulieren und geben sich ganz aufgeregt.)


Und ich sage euch bei der Heiligen Schrift: So lange wir keinen mächtigen Schutzwall rings um die Stadt errichten, werden unsere Weiber und Söhne und Töchter und unser Vieh den Eindringlingen ausgeliefert sein.
1. Ratsherr:


Rings um die Stadt?
2. Ratsherr:


Rings um die Stadt!
3. Ratsherr:


Und jede Familie muß im Frondienst von der sechsten bis zur zwölften Stunde Hand anlegen.
Schultheiß:


Das alles wird verbrieft. Bürger hol den Federkiel. Wer von euch kann schreiben?
1. Ratsherr:

Nimmt den Federkiel,

Tintenfass und eine Rolle

Papier. Schreibt schweigend mit Lippenbewegungen ein Protokoll. Die drei übrigen

Personen beugen sich im Halbkreis darüber und bewegen die Lippen synchron mit.)



Vier Häcker:

(Kommen mit Gerätschaften des Weges, stutzen und werden Zeugen des Geschehens.)


1. Häcker:

Von der sechsten bis zur zwölften Stunde Fronarbeit?
2. Häcker:


Wir gehören in den Wingert!
3. Häcker:


Wovon sollen wir uns ernähren, wenn der Wein vernachlässigt wird?
4. Häcker:


Das müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn es uns tatsächlich gelingen sollte, eine Ringmauer zu bauen. (Donner und Blitz.)


Teufel:


Immer, wenn man mich beim Namen nennt, bin ich zur Stelle. Im Hades hab ich´s vernommen.Die Oberweseler wollen eine Ringmauer bauen.
(Während der Teufel spricht, wird er ganz unruhig, wechsel ständig seinen Standort.)


Groß und breit und hoch und mächtig wie ein Reich. Fürwahr Freunde, in meinem Weinberg hat´s Arbeiter genug. Ha, haaa! Mein Reich, das ist von dieser Welt. Denkt einmal darüber nach. Bei uns, da herrscht Gedränge. (Gebückte Haltung, den weiten Umhang wallend um sich werfend.)


Wilde Gesellen sind im Anmarsch.Geradewegs durch´s Rheintal ziehend, bis zu euch. Sie werden euern besten Tropfen aus den Fässern saugen. Sie werden eure Hütten brandschatzen.
Sie werden euch vertreiben.
(Alle Akteure, außer dem Teufel, halten ich die Ohren zu.)

Teufel:
Vergrabt nur eure Gesichter. Bald werdet ihr eure Kinder vergraben, ha, haaa!
Schultheiß:

(Tritt forsch auf.)


Halt ein, du Ziegenbock, halt ein!
Teufel:


Kommt her, Freunde. Der Fürst der Tiefe hat euch etwas zu sagen.
(Alle kommen näher. Der Teufel zieht ein Stück Papier aus dem Mantel.)


Der Advokat Diabolie, er wird euch helfen in der Not. Vernehmet den Kontrakt, in dem geschrieben steht, was in der siebten Hölle wurd erdacht.
(Neugierig vernehmen die Oberweseler die Worte des Teufels.)


Teufel:

(Zögernd und laut.)


In des Hades tiefstem Schlund,
schlag ich vor den Teufelsbund.
Nach neun Monden wird sie stehn,
eure Mauer, stark und schön.
Meine Sklaven, eure Ahnen
werden zwar die Menschheit warnen.
Wer mit dem Satan steht im Bunde,
den erwartet frohe Kunde.
Die Bedingung ist nicht schwer,
denn mein Keller, der ist leer.
Die Bedingung hier am Rhein
Heißt: im Jahr ein Fass voll Wein.
Nur vom Besten muß es sein.
Meine Arbeit macht nicht müde.
Und mein Volk ist gar nicht prüde.
Nacht und Tag und Tag und Nacht.
Teuflisch schnell das Werk vollbracht.
Siegelt es mit euerm Blut,
dann geht´s euern Kindern gut.


Schultheiß:


(Schaut fragend die Ratsherren an.)


Jedes Jahr ein Fass vom Besten?
Teufel:

Jedes Jahr ein Fass vom Besten!
Ratsherren:

(Nicken mit den Köpfen.)
Schultheiß:

(Geht rasch zum Tisch, wo die Teufelsurkunde liegt, drückt mit einer Klinge in seinen Finger und bringt einen blutroten Fingerabdruck auf das Teufelspapier.)
Ratsherren:

(Tun es ihm gleich)


3. Ratsherr:

(Mit leuchtenden Augen.)


Eine Ringmauer!
Schultheiß:

Hoch und breit, mit Türmen und Toren.
Und wir werden die Feinde von den innen der Mauern mit heißem Öl, mit Schwefel und Pech übergießen. Eine Bürgerwehr soll nächtens die Tore bewachen.
1. Ratsherr:

Die Steine liefert der Berg, der Fels.(Zum Rossstein deutend.)


2. Ratsherr:

Kuhdung und Lehm sollen die Steine verbinden.
Teufel:

(schnappt sich das Papier und verschwindet mit Getöse hinter den Kulissen.)


Drei Maurer:

(arbeiten an der Ringmauer, die rasch wächst; gleichzeitig werden von hinten und unsichtbar fertige Elemente aufgeschichtet.)


Erzähler:

(Auftritt, spricht zum Publikum.)


Bürger höret, was geschehen.
In der Not haben die Oberweseler einen Pakt mit dem Fürst der Unterwelt geschlossen. Und sie haben ihn mit ihrem eigenen Blute besiegelt. Nun steht sie, die Mauer, genau wie der gesagt, groß und breit und stark und mächtig. Und keine Feinde fanden je gewaltsam Einlass in die Stadt.
Das Leben freilich, das Leben in Angst war vorüber. Aber da war ja noch der Pakt mit dem … Teufel.
Und Jahr für Jahr erschien der mit dem Pferdefuß und holte sich, was ihm versprochen ward.
Hätten nicht die listigen Oberweseler Häcker einen grandiosen Plan erdacht, ich glaub, er würde heute noch den besten Tropfen holen, Jahr für Jahr. (Erzähler tritt ab.)


Vier Häcker:

(Betreten sichtlich vergnügt die Szene.)


1. Häcker:


Ich hab in der Nacht geträumt, wir hätten den Teufel betrogen.
2. Häcker:


Zum Kuckuck mit dem Teufel. Wer den Teufel betrügt, muß ärger sein als Teufels Großmutter.
3. Häcker:


Lass hören Freund, wie´s dir geträumt!
4. Häcker:


Ich bin ganz Ohr.
1. Häcker:


Logik Freund, nichts als Logik. Wie war´s denn in der Vergangenheit?
2. Häcker:


Ja, wie war´s?
1. Häcker:


Pünktlich in der 1. Juni-Nacht.
Alle Häcker:

Pünktlich in der 1. Juni-Nacht.
1. Häcker:


Kam der Teufel kurz nach acht.


Alle Häcker:


Kam der Teufel kurz nach acht.
1. Häcker:


Nahm den Spund vom besten Fass.
Alle Häcker:


Nahm den Spund vom besten Fass
1. Häcker:


Nahm den ersten großen Schluck
Gab dem Fuhrwerk einen Ruck
Wie der Blitz war er verschwunden
Samt dem Fass und Höllenhunden
2. Häcker

(Schaut zum Himmel)


Die Gestirne sagen mir, heut ist Juni. Heut´ müsst es nach des Teufels Uhrwerk ihn wieder hier erscheinen lassen.
1. Häcker:


Drum Weggenossen der Reben, hab ich meinen Plan.
(Alle rücken zusammen, stecken die Köpfe abermals aneinander und flüstern sich geheimnisvolle Dinge zu.)


Erzähler:

(Tritt vor.)


Die Sonne hat den Lauf vollendet.
Und es begab sich zu Oberwesel am Rhein,
dass der Teufelspakt zum wiederholten Male eingelöst werden sollte.
Zwölf Monde sind vergangen und hier in diesem Fass, dort lagert der beste Tropfen, den die Rebhänge zu bieten haben.(Während er spricht, wird das Fass auf einer zweirädrigen Karre herein gefahren. Erzähler tritt ab.)


Teufel:

(Tritt mit viel Getöse, Blitz und Donner hinter das Fass.)


Quatsch nicht unnütz Zeug, du überfrommes Weibsgesicht. Du störest meine Kreise.
In meinem Reich gibt´s einen ausgewachsenen Durst. Pfui Deiwel Wasser?
Wein aus Oberwesel muss es sein.
Nun will ich prüfen ihn, wie jedes Jahr.
Ich löse diesen Spund, wie´s immer war
Und koste diesen köstlichsten der Oberwes´ler Weine
Dann nehm´ich´s Fässchen mit zum Rossstein übern Rheine.
(Teufel nimmt prüfend ein gefülltes Glas, schmeckt und merkt verdutzt, dass der Inhalt aus Weihwasser besteht. Er brüllt sein letztes Wort:)


Weihwasser!!!
Häcker:

(Gleichzeitig lösen die Häcker die Keile auf dem Wagen. Das Fass rollt über die Bohlen hinab auf das Kopfsteinpflaster und überrollt den Teufel, der gerade noch zur Seite springt. Aber sein Bein, das mit dem Hufeisen wird vom Fass überrollt. Dabei löst sich das Hufeisen.)


Teufel:

(Schreit fürchterlich, rennt humpelnd zur Markt-
platzmitte, stampft kräftig auf. In dem Augenblick werden am Hufeisen rote Magnesiumfeuer entfacht. Das Hufeisen ist mit Silberbronze gestrichen.)


Erzähler:

(Auftritt)


Menschenlist hat Teufelslist bezwungen.Der Leibhaftige ist darob in einer höllischen Wut mit Pferd und Wagen grad über den Strom geflüchtet. Mit brachialer Gewalt zerschellten Pferd und Wagen. Den Pferdekopf könnt ihr noch sehen, drüben im schiefrigen Gestein. Der Teufel freilich ward seitdem in Oberwesel nicht mehr gesehen.Alle Akteure, außer dem Teufel, reißen die Arme hoch und rufen:

Frei sind wir, wir sind frei.
Der Teufel ist verschwunden.
Erzähler:

(Nimmt einen gefüllten Becher und tritt vor):

Darauf wollen wir trinken.


Lasst die Gläser hell erklingen
Funkelnd perlen goldnen Wein
Lasst im Kreis von Freunden singen
Lasst uns heute fröhlich sein.

Dass beim Tranke wachsen Bande
Zwischen Mensch und Mensch zugleich
Und im ganzen Rebenlande
Eintracht zwischen Arm und Reich.

Seht mir in das trunk´ne Auge
In das lachende Gesicht
Wie ich aus dem Becher sauge,
Was Unsterblichkeit verspricht.

Reinheit, Klarheit, ausgegoren
Glücklich, wer den Becher hält.
Glücklich wer am Rhein geboren
Rhein, du Mittelpunkt der Welt.


Die sieben Jungfrauen



Das Hohe Lied von der Anmut der Weibersleut.



Personen:


Zauberer
Burgherr von Schönburg
Sieben Jungfrauen
Sieben Galane
Vater Rhein
Zwei Helfer

Die Akteure des Stücks stehen versteinert wie Wachs
figuren auf der Bühne. (Ein beabsichtigter Hinweis auf das Ende des Stücks, da die Jungfrauen zu Stein erstarren.) Der Zauberer tritt vor das Publikum und erregt ihre Auf-
merksamkeit durch Zauberei und Tricks. Er führt in die Geschichte ein, wobei er das Publikum gezielt anspricht. Auf sein besonderes und von ihm angekündigtes Feuerzeichen setzt er die Figuren in Bewegung. Das Stück nimmt seinen Lauf.

Das Stück spielt auf drei Ebenen.
1.Ebene: Diese obere Ebene symbolisiert das Vergeistigte. Hier lebt der Burgherr. Er philosophiert über Gott und die Welt seiner Zeit. Sein persönliches Problem sind seine sieben unverheirateten Töchter. Optisch bewegt er sich auf einem Turm.
2.Ebene: Die mittlere Ebene versinnbildlicht die Gegenwart. Alles ist plastisch, prall, real. Auf dieser Stufe leben die sieben Jungfrauen, dargestellt durch sieben Mädchen, die auf der Flaggenwiese der Burg einen Reigen tanzen und aufmüpfige Lieder singen. Durch eine sichere Mauer getrennt, vor den Toren der Festung, lustwandeln die Galane aus den verschiedensten Landen und unterschiedlichsten Sprachräumen, hörbar durch Dialekte, und machen den holden Wesen die verlockendsten Angebote.

Wie wir aus der Sage wissen, wehren sich die Jungfrauen erfolgreich. Sie verspotten die Brautwerber, lassen sie abblitzen zum Leidwesen des Burgherrn, der nur allzu gerne Großvater geworden wäre. Die frevelhaften Mädchen verhöhnen die Freier, dermaßen, dass selbst beim Zuschauer ein Rechtsbewusstsein aufkommt, das Strafe begehrt.

3.Ebene: Die erwartet Strafe kommt in Gestalt des Vater Rhein (Neptungestalt). Es ist die dritte und untere Ebene. Der Rhein steigert sich seinem Plädoyer von der Rhein-
romantik der Vorväter bis hin zur Motorisierung und Industrialisierung. Er ist böse auf die Menschen, weil sie ihm Böses antun. Dies alles ist noch nicht gesehen. Deshalb sieht er Vater Rhein den heutigen Zustand nur visionär. Und er verurteilt das angeblich keusche Gebaren der verruchten Töchter, die um alles in der Welt im Zustand der Jungfräu-
lichkeit zu verharren gedenken. In einem furiosen Don-
nerwetter spricht der Vater Rhein einen väterlichen Fluch aus. Die auf dem Strom in einem schwankenden Kahn dahinfahrenden Töchter, die schmachtende Brautwerber auf der Burg vom Rheintal herauf hohnlachend ein weiteres Mal verspotten, werden durch des Rheines Kraft aus dem kenternden Kahn in die Fluten auf des Stromes Grund gerissen, wo ihre Herzen zu Stein erstarren.
Exakt in der Sekunde erstarren alle Figuren auf der Bühne. Der Zauberer tritt in Aktion. Er spricht zum Volk und erklärt, was auch ihm, dem Publikum widerfahren wird, wenn es sich ebenso verhält. Das ist die Moral von der Geschicht: „Ihr Mädchen und Frauen und sonstige Weiber, lasst ab und an die Ritter und Knappen an eure Leiber.“
Da liegen sie nun, die sieben Jungfrauen, seit ewigen Zeiten auf dem Grund des Rheines unterhalb des Rosssteins, des schiefrigen Gesteins, in dem der Leibhaftige steckt. Ein Gutes haben sie ja bewirkt. Sie haben dem Wein an den Hängen der Berge ihren Namen gegeben. Und wer sie erlösen will aus ihrer steinernen Gefangenschaft, der muß in der Siebten Stund sieben Krüge von diesem Weine kosten und keinen einzigen Tropfen im steinernen Gefäß zu-
rücklassen.

Sein Lohn wird der süßeste aller Träume sein.

-Vorhang-


Zauberer

tritt vor das Volk, während hinter ihm die Akteure des Stückes bewegungslos und stumm wie Wachspuppen verharren.


Zauberer:



Mittelalterlich Spektakel


Brot und Spiele ohne Makel
Ohne Makel Brot und Spiel
Menschen, Tiere und Gefühl.

Ritter, Fürsten, Minnesänger
Händler, Krämer, Bauernfänger
Handwerksleut bei Kruge Wein
Geben sich ein Stelldichein.

Zwischen Federvieh und Schweinen
Tanzen Puppen für die Kleinen
Weber, Spinner, Seiler, Schmied
Kartenleger für´s Gemüt.

Hexen, Hehler, Tribunal
Zaubertrank und Liebesmahl
Ochsenziemer, Gold und Spiegel
Kemenaten hinter Riegel.

Weiberlachen, Raub und Ritter
Siebensachen, Staub und Flitter
In dem heutigen Theater
Klagt ein leidgeprüfter Vater.


Die Moral von sieben Frauen
Seines Fleisches lässt tief schauen
Doch das Schicksal umumwund´
Strafet sie bis auf den Grund.

Noch verstummt sind die Figuren
Doch sie werden auf den Spuren
Alter Herrlichkeit erwachen
Mit dem Spiel euch Freude machen.

Die Moral von der Geschicht
Die erzähl´ich euch noch nicht
Wer sich fühlet auserkoren
Schreibt sie sich hinter die Ohren.

Feuerzeichen:

Bühne frei – seht das Fanal
Wachet auf, das Spiel geht an.

Burgherr:

(Hält den Weinkrug in der Hand.)

Schieferblaues Rebenland
Schlängelnd an dem Strom
Fachwerktragend Elternhaus
Du bist mir ein Dom.

Golden, wenn der frühe Herbst dich färbt Und der Trauben violette Schale einen Rotwein färbt. Gleißend, wenn die Morgensonn des Stromes Breite küsst Purpurn, wenn sie abendmatt der Burgen Zinnen grüßt.

Funkle nur, du flüssig Gold im Glase Funkle, dass das Auge weinig und verträumt Lächelnd prüf ich den Pokal mit meier Nase Und sie glüht, weil selten ich den Schluck versäumt.

Mein ist der Wein, und mein sind seine Lieder Und ihre Strophen dringen tropfend in mich ein Zu deinen Hängen und Ufern kehr ich wieder Zum Fachwerk tragend Elternhaus daheim.

In diesen Mauer, oh Gott des Abraham Hast siebenfach gesegnet deinen Diener Mit sieben Töchtern, schön und rein Und nährtest meine Hoffnung siebenfach Dass das Geschlecht der Schönburger am Rhein Sich mehren solle, wachsen und gedeihn.

Symbolhaft spricht der Herr zu mir Sieben Tage hat die Woche Sieben fette und sieben magere Jahre Nach des Pharaos Traum und Josephs Deutung Es gibt ein Buch mit sieben Siegeln Und diese Tür … hat sieben Riegel (Deutende Handbewegung.)

Dahinter liegt mein Schatz verborgen Mein Schatz, ihr Leut, sind meine Sorgen Sind sieben eigne Weibersleut Schön von Gestalt, doch ungefreit Was könnt sich mein Geschlecht vermehren Was könnten vierzehn Brüste nähren?!

Doch nein, sie meiden alle Freier Verhüllen sich mit sieben Schleier.

1. Galan:

Komm mit, holdes Kind vom Rhein,ich führ dich auf mein Wunschschloss heim.
1. Jungfrau:

(Lacht höhnisch und lässt ihn abblitzen.)
2. Galan:

Sieh dies güldene Geschmeide soll künftig
zieren deine Brust.
2. Jungfrau:

Steck dir´s in deine Eingeweide.
1. Jungfrau:

Sie hat ihm was gehust´.
3. Galan:

Vielleicht könnt ich dem schönen Kind gefallen.
Mein Heer hat sechshundert Vasallen.
3. Jungfrau:

Sechshundert? (nachdenklich) Da ist der erste schon zu viel.
Burgherr:

(Schaut verzweifelt zum Himmel.)
Sie treiben ein verwerflich Spiel.
Oh Gott, du strafest deinen Diener mit sieben schnöden Weibern. Sie lassen weder Knappen, noch Ritter an die weißen Leiber.
4. Galan:

Ich nimm dich mit ins heilige Land.
Dort bin ich als Kreuzritter bekannt.
Im Paradies, wo Milch und Honig fließen,
Wirst du die Lebenszeit mit mir genießen.

4. Jungfrau:

Die Lebenszeit, sie reicht bei euresgleichen
Nicht weiter als der Schwerter Klingen
Dann könnt ich Klagelieder singen
Derweil bei Milch und Honig eure Knochen bleichen.
5. Galan:

Besitze Land mit vielen tausend Reben
Und die Gewölbe gefüllt mit bestem Wein.
Dies alles will ich dir von Herzen geben
Lässt du mich gütigst in die Kammer rein.

5. Jungfrau:

Ihr seid von dem Besitz besessen
Euch kann ich von vornherein vergessen.
Burgherr:

(Sehr traurig)
Wer hat ihren Geist, die Gedanken verwirrt?
So fühlt doch kein Weib auf Erden.
Ich hab mich in meinen Töchtern geirrt.
Wird niemals wohl Großvater werden.
6. Galan:

Ich bau Euch ein Schloss wie im Märchenland.
6. Jungfrau:

Behalte dein Schloss und dein Unterpfand.
7. Galan:

(Mit den Händen ringend zum Burgherrn gewandt.)
Schenke Herr uns eines deiner Weiber.
7. Jungfrau:

Wir wollen nicht, ihr seid für uns nur Zeitvertreiber.
Burgherr:

(Rauft sich die Haare.)
Sie wollen nicht, sie sind für sie nur Zeitvertreiber.
Die sieben Jungfrauen tanzen einen Reigen und singen dabei:
Wir sind die schönsten am ganzen Rhein.
Und alle wollen uns freien.
Wir wollen aber alleine sein.
Das soll uns auch niemals gereuen.
Die Galane singen im Chor:
Sie sind die schönsten am ganzen Rhein.
Wir alle wollten sie freien.
Sie wollen aber alleine sein.
Das wird sie noch einmal gereuen.

Die Jungfrauen besteigen den Kahn und winken hohnlachend den Brautwerbern zu. Zwei Helfer bewegen ein grünes Tuch vor der Kahn- Attrappe. Hierdurch wird der Strom symbolisiert.

Mit Getöse und Theaterdonner tritt Vater Rhein in der Gestalt des Neptun mit Dreizack auf die Bühne. Zornig und lautstark unterstreicht er seinen Unmut!

Vater Rhein:


Ich bin der Rhein.
Aus St. Gotthards Gestein.
Aus mystischen Quellen geboren.

Als Rinnsal so rein.
Von Stock über Stein.
Mir Bäche und Flüsse erkoren.

Als springende Flut in Schaffhausen.
Erschäum ich mit Donner und Brausen.
Und wachse und mehr und wachse.
Es spielen Forellen und Lachse.

Erstarke durch schmelzenden Alpenschnee.
Und raste nur einmal im Bodensee.
Es grüßen die Hänge vom schwarzen Wald.
Wo im dichten Tann manch Büchse knallt.

Und drüben im Reich der Vogesen.
Da lernte ich Schreiben und Lesen.
Mit Neckar und Main und Nahe vermählt.
Hab ich mir die Mosel als Mutter erwählt.

Doch was gibt es heut bei der Loreley?
Am Rossstein, ein Balz- und ein Liebesgeschrei.
Hochmut und Bosheit in eueren Herzen.
Bereitet den werbenden Rittern nur Schmerzen.

(pathetisch)
Damit nicht triumphiere der Hohn.
Erhaltet ihr Schnöden gerechten Lohn.
Seid nun, was eure Herzen sind.
Hinab auf den Grund,wo euch keiner findt.

Es werde Stein.
Die Rache mein.
Nur in wenigen trockenen Jahren.
Sollt ihr das Sonnenlicht erfahren.

Alsbald wird ich euch dann übersteigen.
Dem Hohngelächter folgt nur noch Schweigen.

Vater Rhein wendet sich den geängstigten Jungfrauen zu, packt den Kahn und bringt ihn zum Kentern. Die Jungfrauen verharren gebückt und unbeweglich.

Dies ist der Fluch des Vater Rhein.
Ihr sollt ewig Felsen sein.

Zauberer tritt in Erscheinung, während alle übrigen Akteure stumm und bewegungslos verharren.



Zauberer:


In den feuchten Nebelgrüften.
Wohnt der Honigmond am Hang.
Singt in mostbelad´nen Lüften.
Den verlockend Elfensang.

Dort am Steilhang wachsen Reben
Jungferngleich, verjüngt das Leben.
Wenn ich fahre mit dem Nachen.
Ist´s als hör´ ich Mädchenlachen.

Und ich hör´ die Nixen singen.
Von der Reue und von Dingen.
Die gar schaurig zu beschreiben.
Sollen ihr Geheimnis bleiben.

Die Moral von der Geschicht:
Ihr Mädchen und Frauen uns sonstigen Weiber.
Lasst ab und an die Ritter und Knappen an eure Leiber!

Wollt ihr sie erlösen, die Mädchen aus Stein.
So müsst ihr leeren zwölf Krüge mit Wein.
Beginnend mit der siebenten Stund.
Und leeren die Krüge bis auf den Grund.

Versucht es einmal, ihr glaubt es kaum.
Der Lohn wird euch sein ein süßer Traum.


Magdeburger
Kaiserpolka



Historisches Schauspiel




Personen


Kaiser Friedrich II.
Zwei Begleiter
Brunnenputzer
Drei Winzer
Schultheiß Humbert
Frau des Schultheiß
Fischer
Verlobte des Fischers
Vogt Konrad
Zwei Häscher
Otto von Schönburg
Schönburgs Töchter
Spielleute

Requisiten:


Kaiserkrone
Zepter
Umhang
Lederbeutel mit Goldmünzen
Leinensack mit Brot, Wurst u. Krüge
Baumstamm, liegend
Brunnenmauer
Pranger
Fischernetz
Schwerter


Inhaltsangabe



Wir befinden uns im Jahre 1231. Kaiser Friedrich II. von Magdeburg macht sich auf die beschwerliche Reise zum Rhein. Vor 15 Jahren hatte er dem Erzstift Magdeburg die Schönburg un den Flecken Wesel abermals verpfändet. Wesel gehörte damit rund 200 Jahre den Magdeburgern. Der Kaiser behält sich das Rückkaufsrecht für das Reich mit 2000 Mark Silber vor. Die Kundschafter des Kaisers berichten von seltsamen Vorkommnissen aus der kleinen Siedlung Wesel. Otto von Schönburg beurkundete politische Schachzüge, die dem Kaiser missfielen. Auf dem „gemeinen Ding“ am Montag vor Mariä Lichtmess machte der Schön-
burger vor den Richtern von Wesel der Abteil Eberbach einige Schenkungen. Anwesend waren die Ritter von Schönburg, der Schultheiß Humbert, der Vogt Konrad und fünf Schöffen. Vögte waren die Herren von Schönburg, sie waren die Vertreter des Erzbischofs im Gericht und übten in seinem Namen die Herrschaftsrechte aus. Es soll dabei nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein. Ja selbst Gräueltaten sollen vorgekommen sein.
Kaiser Friedrich II wollte sich selbst davon überzeugen, ob das rebellische Volk am Rhein noch seine Gunst verdiene. Er legte seine Prunkgewänder ab samt Krone und schlüpfte in die Kleider eines gemeinen Händlers und ließ sich in Wesel bei der Schönburg nieder. Er blieb unerkannt, war lediglich ein Fremdling mit guten Manieren. Dabei ging er ein Jahr lang bei den (heute Oberweselern) ein und aus, lernte ihre eigentümliche Sprache kennen, die Derbheit des Ausdrucks, aber auch ihren Humor, ohne den sie ihre Alltagssorgen nicht zu ertragen wussten. Er prüfte die Tugenden seiner Untertanen. Aufrichtigkeit, Barmherzigkeit, Frömmigkeit und Treue, Standhaftigkeit, Herzensgüte, Loyalität und Gastfreundschaft. So stellte er die Oberweseler auf mannigfache Proben. Nach Ablauf des Jahres war Kaiser Friedrich II überzeugt, dass die Menschen in dem Flecken Wesel würdig waren, die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen. Es gab sich zu erkennen, legte seine Kleider wieder an und löste 1232 die Pfandschaft ein. Als Entschädigung erhielten die Schönburger 300 Mark für die verloren gegangene Vogtei. Damit war Oberwesel freie Reichsstadt. Die Knechtschaft war vorüber. Die Menschen jubelten dem Kaiser zu und huldigten ihm. Schon 1253 führte Oberwesel ein eigenes Stadtsiegel. (Civitas = Hinweis auf Stadtrechte.)
Beim Versuch der Rechtfertigung verweist Schultheiß Humbert auf die Order von Vogt Konrad. Dieser schiebt die Verantwortung ab auf Otto von Schönburg, der wiederum beruft sich auf die Weisung des Erzbischofs. Doch jener hat von all dem keine Ahnung. Darauf schickt der der Kaiser den Otto von Schönburg nach England, um sich zu bewäh-
ren. (Engl. Kriege.)


1. Szene
Seher:

Um die Welt zu begreifen, musst du sehen lernen. Musst sehen, was ich sehe. Zeitgrenzen sind mir fremd. Was ihr Zukunft nennt, ist längst geschehen. Und was ihr gegenwärtig erlebt, jeder Hauch des Atem, jeder Kuss, jeder Schritt und jede Handbewegung bringt euch näher an den Grund der Verwesung, näher an die Vergangenheit, näher an das Vergessen.

Ich irre durch die Zeit und registriere, reklamiere und kommentiere, damit ihr verstehen lernt, was eure Vorfahren vor mehr als 750 Jahren bewegt hat, was ihre Herzen berührte, was sie durchlitten und was ihnen den Verstand geraubt hatte.
Im Jahre 1209 begannen die Albigenserkriege. Die Albigenser gehörten zur Sekte der Katharer, daher der Name Ketzer. Sie haben sich gegen kirchliche Dogmen aufgelehnt.
Zur gleichen Zeit stellte Franz von Assisi seine Ordens-
regeln auf und die erste gotische Kirche beginnt zu wachsen, es war der Baubeginn des Magdeburger Doms. Die Magdeburger werden euch übrigens noch zweihundert Jahre beschäftigen. Denn du und du und auch du, ihr alle, die ihr hier geboren seid, samt Schönburg und eure Behausungen im Flecken Wesel wurden dem Erzstift Magdeburg verpfändet.
1212 gründeten Franz von Assisi und die heilige Klara den Orden der Klarissinnen. Tausende Knaben und Mädchen unternahmen einen Kinderkreuzzug. Viele starben schon in Europa und andere landeten auf dem Sklavenmarkt in Alexandria.
Zwölf Jahre danach eroberten die Mongolen unter Dschingis Kahn Südrussland. Wilhelm von Auxerre beklagte die Häufigkeit außerehelicher Verhältnisse. Kurz darauf begann Kaiser Friedrich seinen 5. Kreuzzug gegen Jerusalem, gedrängt von Papst Gregor IX. Franz von Assisi wird heiliggesprochen
Am Rhein herrscht Chaos. Otto von Schönburg und seine Vögte leben ihre eigenen Gesetze. Güter und Ländereien gehen als Geschenke an gute Freunde. Die Vettern-
wirtschaft trieb seltsame Blüten. Und die Bürger darbten, waren der Willkür schwachsinniger Regenten ausgeliefert. Vor diesem Hintergrund spielt die nun folgende Geschichte.


2. Szene

Kaiser Friedrich II(Zwei Fuhrleute als Begleiter. Fanfaren künden den Kaiser an. Der Kaiser tritt mit Krone und Prunkgewand auf und spricht in Versform, während die übrigen Akteure in Prosa reden.

Kaiser Friedrich II:


Im fernen Magdeburg hab ich´s vernommen
Es sind einige Dinge vorgekommen,
die einen Kaiser auf´s Tiefste bestürzen.
Solch Händel kann meine Zeit nicht würzen.

Die Vögte dort droben im starken Gemäuer
Ihr Treiben ist wirklich ungeheuer.
Die Kerker sind voll, voll würdelos Schmachten.
Kann man so die menschliche Würde verachten?

Was mir meine Kundschafter hier berichten,
das sind ja abscheuliche Schauergeschichten.

Der Mammon, der hat sie wohl gänzlich verdorben.


Im Unrecht sind brave Männer gestorben.

Verhungert, verdurstet, geknebelt, in Ketten.
Ich komme zu Euch, um den Rest zu retten.
Verschenken die Ländereien und Güter.
Statt Hege und Pflege, statt sittsame Hüter.

Am Montag vor Lichtmess beim Gemeinen Ding
Gab Otto von Schönburg, wo´s Jesus-Kreuz hing.
Bei Gericht der Eberbacher Abtei.
Schenkungen, nicht eine, es waren gar zwei.


Der Erzbischof träumt seinen frommen Traum.
Vertraut seinem Günstling und merket doch kaum
Wie er selbst von Blindheit ist geschlagen,
Obwohl er sehend in seinen. Tagen

Ich glaube, der Fisch stinkt zuerst am Kopf.

Hier muß was geschehen, sonst krieg ich den Kropf

.
Bevor ich den Filz auf der Schönburg beende

Werd ich mich zunächst an die Kleinbürger wende.



Will prüfen Sittsamkeit und Güte.
Loyalität, Humanität und Gemüte.
Ob Ehrlichkeit, Gastfreundschaft und Humor
Wenn sie besteh´n , dann hab ich was vor.

Will wissen, ob das Volk hier am Rhein
Des Kaisers Gunst verdient allein.
Leg ab für ein Jahr mein Gewand samt Kronen
Um als Händler mitten unter Euch zu wohnen.

Als Fremdling komm ich incognito
So lern ich Euch kennen – sowieso.


Der Kaiser legt seine Kleider und die Krone ab, übergibt sie seinen Begleitern und schickt sie wortlos fort. Darunter trägt er die Kaufmannskleidung.

3. Szene Auf dem Marktplatz am Brunnen

Brunnenputzer:

(Schwitzend, jedoch lächeln und fröhlich)

Ich bin de wichtigste Mann em Ort.
Als Brunnenputzer sorg ich für die Gesundheit.
Für die Reinlichkeit vom Wasser.
Wasser für die Supp, Wasser fürs Vieh
Wasser für die Füße.


Doch Wasser für die Kehl, da ist nit mein Sach.
Und wenn de rote Hahn kräht, dann nix
Wie druff met d Brieh uff die Flamme.
Ihr seht, ihr Leut. Wasser is wichtig,
Wichtiger noch als de Wein.

Oder habt ihr mal met Wein Feuer gelöscht?
Trotzdem, ich würd auch mit Wein löschen.
Nur ging dann das Feuer nit aus.
Ich würd ja den Löschwein selbst trinken.

Ehrlich, ihr Leut, ein Brunnenputzer ist ein armer Hund. Wenig im Beutel, wenig am Leib, aber schaffen wie … ihr wisst schon. Wie ein Brunnenputzer.
Donnerwetter, wer kommt da anstolziert?
Kaiser:

Gott zum Gruße, guter Mann.
Brunnenputzer:

Gott zum Gruße, Fremder, wo kommt er her und
… mag er die Schönburg?
Kaiser:

Magdeburg
Brunnenputzer:

Ich mag de Burg auch.
Kaiser:

setzt sich auf den Brunnenrand und legt scheinbar unabsichtlich eine Goldmünze hinter sich auf den Steinrand, damit das Publikum es sieht.
Was tut ihr da? Ist es eure Profession, Brunnen zu pflegen?
Brunnenputzer:

Strahlt und klopft sich auf die Brust.
Jawohl, Fremdling, es ist meine Profession, alle Brunnen zu pflegen. Das muß dem Schultheiß Humbert erzähle, ich bin Professor für Wasserangelegenheiten.
Kaiser:

erhebt sich, will weiter gehen.
Ich sehe, ihr seid mit dem ganzen Herzen dabei, auch wenn es eine niedere Arbeit ist.
Brunnenputzer:

Ganz nieder, vierzehn Ellen nieder. Halt e mol. Ihr habet ein Goldstück aus dem Orschsäckel verloor.
Nimmt das Goldstück und gibt es dem Kaiser zurück.
Kaiser:

Was meint Ihr damit?
Brunnenputzer:

Ei, Ihr hab euer Vermeeche aus em Säckel verlore! Sag an, Fremder, was mach Ihr mit so viel Gold?
Kaiser:

Es gehört mir nicht, ich suche Kontakt zu Winzern. Man hat berichtet, es gibt hier einen guten Wein. Den will ich nach Magdeburg vermitteln und ihn dort den hohen Herren verkaufen.
Brunnenputzer:

(Nachdenklich)
Na, gibt`s dann so was aach?
Kaiser:

Zieht ein Büchlein aus der Tasche und notiert und spricht zum Publikum:
Erste Prüfung bestanden: E h r l i c h k e i t !
Brunnenputzer:

Wie war das vorhin met dem Gruße?
Kaiser:

Gott zum Gruße.
Brunnenputzer:

Das muß ich mir merke – Gott zum Gruße.
Brunnenputzer tritt ab.


4. Szene
Drei Winzer kommen des Weges mit Gerätschaften und mit einem Sack voll Lebensmittel – treffen auf den Kaiser.

1. Winzer:

Guckt, ein Fremdling.
2. Winzer:

Das is bestimmt kaane Handwerker.
3. Winzer: Dä will uns bestimmt was verkaufe.
1. Winzer:

Vadder tu die Mutter weg, sunschd will er war von ihr.
Kaiser:

Gott bewahre, gute Leute. Ich komme von weit, weit her, bin lange unterwegs gewesen. Und verkaufen will ich euch schon gar nichts. Mir knurrt der Magen. Und der Straßenstaub hat meine Kehle belegt. Durstig bin ich. Das ist meine Begehr.
2. Winzer

Da könne mir weiterhelfe. Aber bevor mir vier zum
Spachtele (Essen) komme, wolle mir wisse, met wem mir Brot un Wäin teile. Ich bin der Philipp, das ist de Josep und dä ist de Johannes.
Kaiser:

Also Philipp, Josef und Johannes, mein Name ist Friedrich, genau so, wie unser Kaiser. Doch der hat es im Augenblick besser. Der leidet keinen Hunger und hat auch keinen Durst. Nur wenn er in einen Kreuzzug zieht, kann ihm das passieren.
1. Winzer:

Ihr wisst gut Bescheid.
2. Winzer:

Das kimmt bestimmt dadevunn, weil Ihr viel rum kommt em Land.
3. Winzer:

Un er schwätzt so ganz annerschd wie mir.
Kaiser: Die Sprache ist die innere Empfindung, sozusagen
hörbare Gedanken. So entsteht Kommunikation.
1. Winzer:

Kommu – was?
Kaiser:

Kommunikation ist eine Erlebniswelt. Wenn Menschen miteinander reden, wird Neugierde befriedigt, werden Denkimpulse gesetzt, die wiederum zum Handeln anregen. Kurzum – wir verstehen die Menschen besser, wenn wir ihre Gedanken erfahren durch das Reden miteinander. Genau das, was wir gerade tun, ist Kommu-
nikattion.
3. Winzer:

So was ist ganz nei fier uns. (Die anderen nicken mit dem Kopf.) Ihr seid en schlaue Kopp. Unsereins kennt nur die Biewel (Bibel), Moses un die Prophete, de feurige Elias, de Stall en Bethlehem mit Ochs un Esel un die wunderbare Brotvermehrung. Das kenne mir vun em fromme Mann.
Kaiser:

Das ist eine wichtige Voraussetzung für Euer Leben. Ihr sollet mehr davon in Erfahrung bringen.
Da ich mich für eine Weile hier niederlassen werde, finde ich Gelegenheit, Euch mehr über die Heilige Schrift zu berichten.
Nun aber komme ich auf Euer Anerbieten zurück, mich zu stärken.
1. Winzer:

Packt Brot, Schinken und einen Weinkrug auf einem liegenden Baumstamm aus und animiert, zuzugreifen.
Kaiser:

Ich danke Euch, ihr braven Leute.
(Alle greifen zu)
2. Winzer:

Mir hon all net viel, dä Konrad Vogt vun de Schönburg, dä sahnt ab, mer misse bezahle, weil der Otto vun Schönburg das so angeschafft hat.
Kaiser:

Und Ihr wehrt Euch nicht?
3. Winzer:

Da säin Gesetzt wie die zehn Gebote, die komme
Vum Erzbischof. Packt zu, Friedrich, schmeckt´s?

Kaiser:

Schaut zum Himmel.
Es schmeckt famos, wie Manna im Gelobten Land.
Wenn hungriges Gedärm Gottesgaben ganz langsam
und sittsam sich einverleibt und trockne Kehlen kühles Wasser labend stillen ihren Durst, dann schmeckt es wie Euer süßer Wein, ein Vorgeschmack vom Paradies.
Kaiser nimmt sein Büchlein und schreibt zum
Publikum gewandt:
G a s t f r e u n d s c h a f t ist eine Tugend.
Dank Euch Dreien für die Bewirtung. Der Herr segne Euch dafür.

5. Szene Der Fischer wird von zwei Häschern gewaltsam zum Pranger gezerrt und dort eingezwängt. Burgvogt Konrad folgt ihnen.
Fischer:

Was hon ich äich beeses (böses) gedoon? Ich schaffe von morjens frieh bis en die Nacht, verrichte mein Gebet, wie sich´s geheert und geh regelmäßig zum Gottesdienst. Heleft mir doch ihr Leit, ich säin doch kane Verbrecher. Is dann niemand do, dä mir bäisteht?
Vogt:

Du hast deine Abgaben nicht bezahlt. Ich walte nur meines Amtes. Der Schultheiß Hubert hat berichtet, du willst nicht zahlen. Jetzt werde ich dich zwingen, bis du bereit bist, deinen Obolus zu entrichten. Ich bin Graf Otto von Schönburg Rechenschaft schuldig. Wenn du nicht zahlst, komme ich in den Schuldenturm.
Fischer:

Ich will ja bezahlen. Ich hoons aber nit. Wo soll ich es dann herhole? Euer Herr, der Otto von Schönburg zahlt zu schlecht für meinen Fischfang. Das lange Krankenlager hot meine Glieder geschwächt. Gib mir Aufschub, nur zwei Monde, un ihr bekommt das Geld.
Verlobte:

Stürzt auf die Bühne und fällt vor dem Pranger auf die Knie.
Mein Liebster, was machen die met dir? Ich hab dich wochenlang gesund gepflegt, Und der holt dich vom Krankenbett direkt an den Pranger.
Fischer:

Mein Liebes, sein nit traurig. Unser Herr em Himmel is gerecht.
Verlobte:

Zum Vogt gewandt.
Lasst ihn frei. Nehmt mich als Pfand. Ich will an seiner statt an den Pranger.
Kaiser:

Beobachtet das Geschehen aus dem Hintergrund und tritt heran.
Meine Seele ist angerührt von dieser Liebe. Vogt, sagt an, was ist er schuldig?
Vogt:

Zwei Taler sind´s. Und das seit drei Monden.
Kaiser:

Greift in seinen Beutel und löst den Fischer aus.
Die w a h r e L i e b e lebt in diesen Gassen. Das
Muß ich notieren.
1. Winzer:

Was schreib ihr do?
Kaiser:

Ich bin nur Schriftsteller. Ich sammle Augenblicke wie diesen.
Darauf lösen die Häscher den Pranger und lassen den Fischer frei. Das Paar fällt sich in die Arme. Alle Akteure gehen zufrieden von der Bühne.


6. Szene Kaiser und Schultheiß Humbert schreiten über die Bühne und sind ins Gespräch vertieft. Das Publikum hört nur Wortfetzen.
Kaiser:

Skandalöse Zustände.
Humbert:

Zwangslage.
Kaiser:

Menschenverachtung.
Humbert:

Abhängigkeiten.
Kaiser:

Verantwortung für die Menschen.
Humbert:

Hände gebunden.
Kaiser:

Wehret Euch.
Humbert:

Das ist ja Revolution.
Kaiser:

Leibeigenschaft ist eine Sünde wider das fünfte Gebot.
Humbert:

Ich habe die Verhältnisse nicht geschaffen.
Kaiser:

Doch traget ihr die Verantwortung.
Humbert: Ich riskiere meinen Kopf und mein Amt. Als Schultheiß dieses Flecken habe ich bei der Bibel dem Erzbischof und dem Kaiser Treue geschworen. Daran bin ich gebunden. Es ist kein leichtes Amt. Getreu dem Erbe meiner Vorgänger werde ich meinen Auftrag erfüllen. Vogt und der Schönburger sind die Erfüllungsgehilfen des Erzbischofs von Magdeburg. Und ihm muß ich gerecht werden.
Kaiser:

Lasst gut sein, verzeiht, dass ich eure Gedanken verwirrt habe. Ihr seit ein aufrechter Mann.
Schreibt in sein Büchlein:
L o y a l i t ä t


7. Szene Kaiser und die schöne Gattin des Schultheiß begegnen einander.
Kaiser:

Oh, schöne Frau, wohin des Wegs? Darf ich Euch begleiten? Mir war bisher nicht bekannt, dass dieses Fleckchen Erde so wohl geformte Kinder hat.
Frau:

Ihr verwirrt meine Sinne.
Kaiser:

Genau das ist mein Ansinnen. Ich habe auf meinen Reisen schon manches prachtvolle Weib gesehen. Doch ihr seid ein Juwel. Ich spür´s da drinnen. Und meine innere Stimme sagt mir, ihr könntet mir gefallen, könntet mich begleiten auf meinen Fahrten durch die Gebiete.
Frau:

Was erdreistet ihr euch. Wer seid ihr und was wollt ihr hier bei uns am Rhein. Ich bin eine anständige Frau und für solche Bändeleien nicht zu haben. Als Frau des Schultheiß Humbert gehöre ich nur Gott und meinem angetrauten Gatten.
Kaiser:

Ich bin ein wohlhabender Händler aus dem fernen Magdeburg und kenne den Erzbischof recht gut, doch bin ich nicht in seinen Diensten. Wohl könnte ich für Euren Mann ein gutes Wort einlegen, denn ich fürchte, die Kunde von den Übeltaten, die Euer Mann im Verein mit dem Vogt und mit dem Schönburger zu verantworten hat, wird den Erzbischof nicht gerade erfreuen. Ein – geneigtes Verhalten von Euch, vielleicht mit einem Mußestündchen könnte meinen Einfluss in Eurem Sinn bei Hof wesentlich beeinflussen.
Frau:

Paperlapapp – Fremder, geht Eurer Wege und ich geh meinen. Mit den Übeltaten dort oben hat mein Humbert nicht gemein. Zwar weiß auch ich von Kerker, Folter und von Mord. Verachtung denen, die es verübt haben. Der Herr im Himmel wird ihr Richter sein. Doch meinen Mann lasst bittschön aus dem Spiel. Und was mich betrifft, das merket Euch, das schlagt Euch aus dem wirren Kopf.
Ich liebe meinen Mann. Nur ihm gehör ich an. Nun schert Euch, aber schnell.

Kaiser:

Verzeiht, ehrbare Frau, ich habe Eure Gedanken verwirrt, Ihr seid fürwahr eine ehrbare Frau.
Im Hinausgehen notiert der Kaiser in seinem Büchlein:
G a t t e n l i e b e

8. Szene
Otto von Schönburg tritt sehr forsch auf, gefolgt von seinen beiden Töchtern. Kaiser steht versteckt im Hintergrund, jedoch für das Publikum sichtbar.
Otto v. Schönburg:

Und ich sage Euch, lasst Euch Zeit.
Lasst Euch Zeit mit den Kerls.
Auch wenn sie Euch tausendmal
Den schönen Kopf verdrehen.

Töchter:

Schauen enttäuscht drein.

Otto v. Sch.

Das Leben ist kein Kinderspiel
Das Liebesgesäusel ist rasch vorbei.
Lasst Euch nicht von Samt und Purpur,
Von den Liebesschwüren der Galane täuschen.

Das Leben ist hart, hart wie der Fels,
auf dem unsere Burg gebaut,
so hart wie dies Schwert.
Und ihr beiden seid noch so zart.

Wie die Knospen der Reben im Mai.
Die Freier verfolgen doch nur ein Ziel.
Sie wollen Euren Körper und begehren

die Mitgift und legen es drauf an,
meine Macht auf Schönburg zu teilen.
Töchter sind entsetzt.
Die Oberweseler sind arme Leut.
Vogt Conrad presst das Letzte aus ihnen raus.
Die Ernte auf den Feldern war miserabel.
Selbst Pranger und Kerker
Vermögen unsere Einkünfte kaum aufzubessern.

Ich kann doch nicht dulden,
sie allesamt zu vernichten.
Solange die Kuh noch Milch gibt,
schlachtet man sie nicht.

Die Zeiten sind halt schlecht.
Wir müssen uns wappnen gegen die Feinde.
Das niedere Volk verbündet sich mit den Schindern.
Die ziehen raubend und mordend durch das Tal.

Und ihr habt Flausen im Kopf.
Wer ist denn dein Auserwählter?
Zur ersten Tochter gewandt.

1. Tochter:

Ein Mann wie ein Denkmal – groß und stark
Und sanft wie ein Lamm.
Otto v. Sch.

Groß und stark – das kann nur ein Krieger sein.
Doch sanft wie ein Lamm. Nein, das ist nur eine
Memme.
1. Tochter:

Er ist ein Man von … Kurze Pause.
Einfachem Stand. Ein Winzer aus Oberwesel.
Otto v. Sch.

Schlägt die Hände vors Gesicht.
1. Tochter:

Ein Weinbauer aus Oberwesel. Ein gütiger Mensch,ehrlich und treu, gerecht und fromm, fleißig, strebsam und – zärtlich und allerliebst.
Otto v. Sch.

Ich muss mich hinsetzen.
Das haut mich von den Beinen. Setzt sich auf den Brunnenrand.
Donnerschlag und Kreuzgewitter. Fuchtelt mit den Händen.
Die Tochter von Otto von Schönburg verliert sich an einen Weinbauer.
Mein Kind hat den Verstand verloren.
Was wird der Erzbischof sagen, wenn er das erfährt?
Gott sei´s gedankt hab ich ja noch eine Tochter.
Wendet sich der zweiten Tochter zu.
Du mein liebes Kind, komm zu deinem Vater.
Und tröste mich in meinem Leid.
2. Tochter:

Armer Vater – tust mir wirklich leid.
Doch auch ich habe mein Herz
an einen Winzer verloren.
Otto v. Sch.

Erstarrt.
2. Tochter:

Die Liebe ist das allerhöchste Gut,
ist reicher als gülden Geschmeide
und größer als das Sternenzelt.

Sie gibt mir Kraft und innere Stärke.
Der Brunnen der Liebe wird niemals versiegen.
Sie wird auch Deine Zeit überdauern.
Selbst wenn du uns deinen väterlichen Segen wirst versagen.

Ja selbst, wenn du uns in Ketten legen solltest,
Du wirst die Liebe niemals zerstören.
Otto v. Sch.

Innerlich zerbrochen, stöhnend, greift an sein Herz

Ihr beide seid wohl behütet aufgewachsen,
derweil ich gekämpft gegen Torheit.
Dünkel und grenzenlose Überschätzung
Der Urteilsfähigkeit der Menschen.

Ich habe gekämpft mit dem Schwert, mit Lanzen
Und Keulen, habe Güter gesammelt,
Mauer und Türme erbauen lassen,
damit ihr dereinst ein würdiges und standesgemäßes
Dasein genießet.

Aber nein, meine Töchter wählen Entbehrung
Und Hunger statt Wohlstand mit Milch und Honig.
Kommt meine Töchter, lasset uns zur Schönburg
wandeln. Darüber muß ich einmal schlafen.
Beim Verlassen der Bühne zum Publikum gewandt:
Ich werde sie im Turmhaus gefangen nehmen und so lange bei Wasser und bei Brot darben lassen, bis sie vernünftig geworden sind.

9. Szene
Kaiser:

Steht alleine auf der Bühne und führt ein Selbstgespräch.
Ich wollte es nicht glauben.
Jetzt hab ich es mit Aug und Ohr erlebt.
In diesem Flecken leben Tugend
Und Untugend dicht an dicht.

Die Tugend schlicht und unaufdringlich.
Die Untugend jedoch umgibt sich mit
Farbenprächtiger Fassade.
Gleichsam wie fleischfressende Pflanzen,
verlockend nach dem Schmetterling
Ausschau haltend.

Oh, wenn die Hummel, die dicke Hummel
Nur wüsste, dass sie so kurze Flügel hat,
jedoch sie weiß es nicht.
Und deshalb kann sie fliegen.

Allein das Vorstellungsvermögen
Entscheidet über Gelingen und Misslingen.
Die Schritte über diesen Stamm
Geht über den Baumstamm.
Ja die sind leicht.

Doch führt der Stamm als einz´ger Steg
über die Schlucht, da kommen schon Bedenken,
weil die Vorstellung in unserm Kopf
uns des eignen Mut´s beraubt.

Ich werde meinen Entschluss verkünden.
Mein Vorstellungsvermögen ist untermauert
Von den Begegnungen in diesen Gassen.

Ich gehe über die Schlucht.
Und drüben wird Euch etwas erwarten!

Der Kaiser winkt seine beiden Begleiter aus dem Hintergrund herbei. Die bringen ihm Krone, Mantel, Zepter. Im Handumdrehen wird aus dem Händler ein Kaiser.
Kaiser:

Gehet hinaus in die Straßen und Gassen
Und rufet mir die Weseler Leute herbei!

Weggefährten – so höret gut hin,
was Friedrich der II. Euch allen verkündet,
was Euer Kaiser nun führet im Sinn,
was ihn mit den Menschen am Rhein verbindet:

Hab nun zwölf Monde unerkannt
Gelebt unter Euch in Wesel am Rhein.
Ich spürte, mein Herz ist dem Euren verwandt.
Ich hab Euch geprüft, auch bei Brot und Wein.

Die Tugenden sind bei den meisten gegeben.
Barmherzigkeit, Liebe, Gastfreundschaft, Treue.
Ihr seid fromm und loyal und standhaft im Leben.
Ich bin sicher, mein Plan wird mich nicht gereuen.

Vorbei sei die Knechtschaft von Burgherrn und Vogt.
Frei sollt ihr sein, dass das Herze Euch wogt.
Frei von der Folter, von Pranger und Ketten.
Die Freiheit des Geistes, die soll Euch erretten.

Zum Zeichen erkennet dies Stück Pergament.
Mit dem Siegel des Kaisers, das ihr wohl erkennt.
Damit dies auch rechtens, so lös ich Euch aus.
Mit 300 Goldmark für Vieh, Feld und Haus.

Kaiser übergibt sie an Otto von Schönburg.

Und nun zu Euch, Burgherr von Kaisers Gnaden.
Ich glaub´, eine Reise nach England könnt Euch nicht schaden.
Bewährt Euch im Kampf unter Kaisers Lanzen,
dann will ich den Stachel der Zwietracht verpflanzen.
Gebt Euern Töchtern die Freiheit der Wahl.
Damit sie sich wählen den rechten Gemahl.
Töchter fallen den Auserwählten in die Arme.
Kaiser:

Ihr alle vernehmet nun die Kunde
Aus Kaiser Friedrichs erhabenem Munde.
Kaiser entrollt die Urkunde und liest den Text:

Kaiser:

Wir, Kaiser Friedrich II. von Magdeburg haben uns nach reiflicher Prüfung im Herzen entschlossen, diesem Flecken Wesel (Oberwesel) das Privileg einer freien Reichsstadt im Heiligen Römischen Reiche zu verleihen.
Besiegelt daselbst: Kaiser Friedrich II.


10. Szene
Seher:

Freiheit ist eine subjektive Sache und sie ist
relativ. Niemals immerwährend. Jede Generation muß sie neu erkämpfen. Erkämpfte Freiheit ist gleichbedeutend mit Sieg über den, der die Freiheit verhindert hat.

Die Geschichte lehrt, dass Freiheit eine kurze Dauer haben kann. Auch die Oberweseler Freiheit wurde mehrfach unterbrochen.

Denkt nur an die Kriege und Besatzungszeiten auch in jüngerer Zeit. Auch wenn wir uns in Abhängigkeiten begeben, die Freiheit der Gedanken ist unerschütterlich.

Gehet nun und erfreut Euch der neuen Freiheit.
Doch geht behutsam und klug mit ihr um.

Schultheiß Humbert:

Heut feiern wir ein großes Fest.
Der Kaiser ist unser Gast.
Ihm wollen wir huldigen.
Spielleute herbei. Lasset uns tanzen!
Stimmet an die Polka der Freiheit.
Wir nennen sie ab sofort:
„Die Magdeburger Kaiserpolka“.

Zum Schluss tanzen alle vor Freude über die gewonnene Freiheit die „Magdeburger Kaiserpolka“. Der Kaiser steht erhöht auf dem Podest und ist sichtlich erfreut und zufrieden mit seinen Untertanen.


E n d e


Wie heißt der Bürgermeister von
Oberwesel?





Komödie




Personen:


Bürgermeister
Seine Frau
Erste Freundin
Zweite Freundin
Stadtschreiber (Stotterer)
Kurfürstlicher Gesandter (Pfandmeister)
Bürger von Oberwesel (Komparsen)
Delinquent am Pranger
Seine Frau
Sprecher
Gott Vater
Echo-Chor (Sprechchor)
Zwei Trompeter (Fanfaren)

Ort der Handlung:
Oberwesel im Mittelalter. (Umfeld wie Spectaculum, Requisiten und Kostüme vorhanden.)
Links im Bühnenbild steht ein Pranger. Daran angekettet ein Bürger. Rechts im Bild eine Amtsstube im Rathaus. Stehpult, Glocke, Tisch, Stühle, Bild an der Wand, Öl-Licht, Weinflasche und Becher.

Bürger am Pranger:

Das Volk gafft, schreit und gestikuliert.

Da häng ich nun, ich armer Tropf
Mit Eisenschellen an dem Kopf.
Mit Eisenschellen an den Armen.
Und keiner hat mir Erbarmen.

Elend mein Herz, die Seele betroffen.
Für andre ein Scherz, für mich nur Hoffen.
Ein Hoffen und Warten auf den Befreier

Doch find ich beim Pranger nur Gaffer und Schreier.



Ein Bürger:

Hämisch


Schuldenmacher
Wir, die Lacher.
Schulden dulden keine Gnade.
Schulden dulden kein Pardon.
Geh zurück zum rechten Pfade.
Zahlemann verschafft Räson.

Bürger am Pranger:

Krankheit warf mich auf mein Bett.
Monde lang kein Geld kam rein.
Wenn ich doch Dukaten hätt´
Würd´ ein freier Mann ich sein.

Seine Frau: Bringt ihm Brot und Wein, füttert und tränkt ihn.


Bist du auch in Ketten und Eisen.
So will ich dir doch Liebe erweisen.
Sei stark, lieber Mann, die Zeit wird vergeh´n.
Bald wirst den eigenen Herd wieder seh´n.

Bürger am Pranger:


Die Schande, sie naget an meiner Seele.
Der Spott dieser Leute beleidigt mein Herz.
Du siehst, meine Liebe, wie ich mich hier
quäle.
Die Meute, sie treibt mit mir ihren Scherz.

Die Vögel der Lüfte genießen den Himmel.
Ob Adler, ob Taube, ob Amsel, ob Star.
Die Fische im Wasser, oh welch ein Gewimmel
Genießen die Freiheit, wie immer sie war.

Die Freiheit des Menschen gibt´s nur in Gedanken.
Die Knechtschaft entspringet der Habgier und Macht.
Bringt meinen Glauben, den Glauben in´s Schwanken.
Werd´ ich von den eigenen Nachbarn verlacht.



Ist denn keiner da als Bürge?
Der mir hilft aus meiner Not?
Bürgermeister


tritt auf: Nehmt ihm ab die eiserne Würge!
Sonst ereilt ihn noch der kalte Tod.
Hier mein Freund, ich zahl´s von meinem
Unter Zeugen, frei und frank.
Kann nicht seh´n, wenn Bürger weinen.

Bürger am Pranger:

Bürgermeister – vielen Dank!

Knechte befreien ihn vom Pranger. Alle treten in den Hintergrund. Bürgermeister begibt sich in seine Amtsstube, nimmt eine Weinflasche und füllt seinen Becher mit Oberweseler Wein.

Bürgermeister:

Wein am Morgen verscheucht Kummer und Sorgen.
So will ich denn trinken Oberweseler Wein.
Und stets meinen Bürgern Vorbild sein.
Solang ich regier´ zwischen Mauern und Türmen.
Soll keiner der Feinde die Stadt je erstürmen.
Das Wohl meiner Leute, es liegt mir an Herzen
Wenn fröhlich sie sind, sie lachen und scherzen.

Regieren heißt Führen und Schmieren, Liieren.
Mit Worten verführen und zeitig kapieren.
Das ist mir von Gott auf den Leib geschrieben.
D´rum werden die Menschen mich alle nur lieben.
Erfüllet den Bürgermeister mit Stolz.
Zur Sicherheit klopfe ich dreimal auf Holz.
Klopft dreimal auf die Tischplatte.

Denn die Sorgen sind kleine quälende Geister.
Befallen auch einen Bürgermeister.

Doch halt´ ich sie fern von den Untertanen.
Die sollen von alledem nichts erahnen.
Ein liebendes Weib, das steht mir zur Seite.
Mit Schönheit und Klugheit in meinem Geleite.

Kein Widerspruch, nicht zänkisch, noch Streit.
Ist immer zum Lachen und Scherzen bereit.
Bestellt auch mein Haus, ist sittsam und fromm,
wenn ich vom Rathaus nach Hause komm.

S

tadtschreiber

kommt herein und stottert:

Dr .. dr .. außen steht der Pf ..Pfa .. Pfandmeister.
Bürgermeister:

Da steht er gut, ich bin auf der Hut.
Stadtschreiber:

zieht seinen Hut und sagt:
Der will aber rrr .. rein.
Bürgermeister:

So lass es denn sein!
Stadtschreiber verbeugt sich vor der Tür und ruft:
Der Herr Bü bü bürgerm meister lassen bi.bitten.
Kurfürstlicher Gesandter

tritt selbstbewusst auf, zieht seinen Hut und macht eine Verbeugung:
Im Auftrag meines hochwohlgeborenen Kurfürsten
Entbiete ich Euch, Bürgermeister von Oberwesel
wohlwollend Grüße und – (Pause) die Aufforderung, drei Eurer Bürger in den Schuldenturm einzusperren, weil sie den Zehnten schuldig geblieben sind.
Bestürzung bei dem Stadtschreiber, der den Mund aufreißt und ihn mit der flachen Hand wieder schließt.
Bürgermeister:

Genug. Den Steuerzettel her. Ich zahl´s aus meinem Beutel. (Nimmt seinen Lederbeutel mit Goldmünzen hervor und prüft den Inhalt der Urkunde.)
Pfandmeister:

Gehören die etwa zu Euren Verwandten?
Bürgermeister:

Wen meint ihr, die Ochsen?
Pfandmeister:

Bewahre, oh Herr mich vor solchem Sinn.
Ich bring gleich die Münzen zum Kurfürsten hin.
Der gütige Herre von Gottes Gnaden.
Verwaltet die Münzen zu niemanden Schaden.
Errichtet Paläste und Kirchen und Klöster.
Gibt Ablass und all seine Sünder erlöst er.
Grüßt förmlich und tritt ab.
Stadtschreiber steht staunend mit offenem Mund dabei.
Bürgermeister:

Was ist? Hat er noch nie eine gute Tat gesehen?
Stadtschreiber:

In der Ta . tat – eine gu …gute Ta at.
Herr Bürgerm …m … meister sind ein gütiger
M … mensch.
Bürgermeister:

Ein Narr bin ich, ein Narr. Vernarrt in mein Amt.
Was jedem bekannt.
Selbst nachts in den Träumen
regiere ich weiter,
mal traurig, mal heiter,
um nichts zu versäumen (zum Stadtschreiber gewandt)
Regieren ist schwer.
Das merke sich ER.
Und kein Wort nach draußen.
Er weiß ja Bescheid.
In den Hütten und Klausen
Da wohnet das Glück.
Vom Himmel ein Stück!
Stadtschreiber:

Schaut dabei verträumt zum Himmel.
Vom Hi .. him ..mel ein Stück.
Bin schweig .. sam wie ein G .. Grab.
Stadtschreiber tritt ab.

Bürgermeister

legt sich auf sein Lager.
Wer viel regiert, der braucht die schöpferische
Pause eines Julius Cäsar.
Bürgermeister schläft ein.
Frau des Bürgermeister:


Wo ist mein Geschmeide, mein wertvoller Ring?
Der Halsschmuck, der Armreif, das teure Ding?
Will schmücken mein Äuß´res, die ranke Gestalt.
Wenn er das versetzt hat, gebrauch ich Gewalt.
1. Freundin:

Tritt herein und hört die letzten Worte.
Die Gewalt ist zwar weiblich, doch steht sie uns schlecht.
Sie ziemet nicht grade dem weiblich´ Geschlecht.
Die Stärke der Weibsleut ist vielmehr die List.
Was manch eine Frau nur zu gerne vergisst.

Mit Klugheit gepaart kann sie Schlachten gewinnen
Und unabwendbares Schicksal bezwingen
Zur Torheit des Mannes gesellt sich die Tücke.
Das Weib jedoch nutzt eine Schicksals-Lücke.
Zweite Freundin

kommt hinzu und spricht:
Was höret mein Ohr von Tücke und List?
Frau Bürgermeister:

Da liegt er und träumt seinen groben Mist.
Hat all unser Geld an die Bürger verschwendet.
Dabei zwar ihr Unheil von ihnen gewendet.
Sogar meinen Schmuck, den hat er versetzt.
Wir müssen was tun – nicht morgen, nein jetzt!
Die drei Frauen stecken die Köpfe zusammen und tuscheln.
Frau Bürgermeister

:Der hohe Besuch, der kommt mir gelegen.
Ich darf wohl in Euch mein Vertrauen hegen.
Wir halten zusammen – der Plan ist famos.
Bald sind wir den lästigen Sendboten los.
Die Frauen treten ab, nur der Bürgermeister schläft weiter.

Echo-Chor

steht auf einer kleinen Anhöhe:

Wir sind das Gewissen vom Mittelrhein.
Wir fangen die Wörter und Lieder ein.
Wir prüfen Gedanken, Stück um Stück.
Und geben als Echo sie wieder zurück.

Das Echo wohnt drüben im Felsengestein.
Akteure

zeigen mit den Armen zum Rossstein.
Es hütet seit tausendmal tausend Jahr.
Die Blitze und Donner, die Töne und Stimmen
Huscht über den Strom, denn das Echo kann schwimmen.
Probiert es mal aus – es ist wirklich wahr.
Trompeter simuliert Echo.
1. Trompeter:

tä tä tä tä tä tä tä tä tä tä?
2. Trompeter:

täää täää (etwas verhalten)

An dieser Stelle wir das Publikum die Frage erkennen: Wie heißt der Bürgermeister von Oberwesel?
Es wird in die Antwort einfallen: Esel!

Sprecher

tritt aus dem Chor hervor und spricht:
Vor vielen hundert Jahren lebten die Bürger in Oberwesel wie im Paradies. Es gab nur Eintracht und Liebe zwischen den Menschen am Rhein. Zufriedenheit regierte. Die Bürger hatten ihr Auskommen, und der Winzerstand verzeichnete ebenso gute Ernten wie die Fischer auf dem Rhein. Handel und Wandel blühten prächtig.

Zu jener Zeit regierte im Rathaus ein Bürgermeister mit viel Verständnis für seine Schutzbefohlenen. Er verstand es prächtig, jede Bedrohung von außen oder von den über-
geordneten Obrigkeiten, dem Kurfürsten im fernen Trier von den Bürgern fernzuhalten. Was niemand wusste, er opferte sein ganzes Privatvermögen, um diesen paradiesischen Zustand aufrecht zu erhalten.
Jede Übereinstimmung mit noch lebenden Personen wäre rein zufällig.

Da ruht der Bürgermeister dieser Stadt vom Regieren müde. Auf seinem Lager träumt er vom lieben Gott.
Psst … hört mal hin, er spricht im Traum:
Bürgermeister

träumt von Gott Vater. Der erscheint ihm im Traum, für die Zuschauer sichtbar.

Oh Gott bist du´s wirklich, der mir im Traum erscheint?
Im Innern des Herzens hab ich geweint.
Gott Vater:

Weine mein Sohn, das steigert den Lohn.

Bürgermeister:

Hab ich nicht gottesfürchtig gelebt?
Sittsam und ehrlich das Gute erstrebt?
Gemeinnutz gefördert mit eifrig Bemüh´n.
Ließ nie einen Bettler von dannen zieh´n.
Mein ganzes Vermögen ist nunmehr zerronnen.
Bin nicht einmal auf den Hund gekommen.

Gott Vater:

Du erdenverbundener irdischer Sohn
Erlangst erst im Himmel gerechten Lohn.

Bürgermeister:

Ich darf Dich erinnern, Gott Vater im Himmel
An uns´re Gespräche am rheinischen Ufer.
Fernab vom Getriebe und Kriegsgetümmel
Wie einstens Johannes, Dein heimlicher Rufer.

Vier Spuren vom Fuß im schneeweißen Sand
Von Dir und von mir und nebeneinand.
Doch eines muß ich im Innern beklagen
Und werde Dich deshalb in Ehrfurcht befragen.

Zwei Paare von Spuren in Eintracht vereint
Nur wenn ich in Not und mein Herz hat geweint,
hast Du mich mit meinen Sorgen verlassen
und hast mich am Strande alleine gelassen.

Dann nämlich blieb eine Spur nur zu sehen.
Mein Gott ließ mich einsam im Regen stehen.

Gott Vater:

Mit Trommelwirbel und Blitze.
Wenn du in Not – und Grund war zu klagen
Hab ich dich, mein Sohn, auf Händen getragen.
Die Spur, die du sahest im silbrigen Sand
War die Deines Gottes, der deinen verwandt.

Gott Vater

tritt ab und verschwindet aus dem Lichtkegel. An dieser Stelle erscheint ein großes Fragezeichen.

Bürgermeister:

Verzeih, verzeih, auch dreimal verzeih.
Oh Gott – dieser Traum, ist er wirklich vorbei?

Stadtschreiber

aus dem Hintergrund:
Was gibt´s denn im R R Rathaus derlei G G Geschrei?
Auch ihr ssseits, Herr B B Bürger mmeister
Zum Publikum gewandt:
Jetzt w w wirken die Al Alko Alkohlgeister

Bürgermeister

schüttelt sich, um zur Realität zurück-
zukehren.
Paperlapapp – zische er ab.
Und hole er einen neuen Krug Wein
Ich brauch Besinnung – und lass mich allein.
Stadtschreiber bringt wortlos einen neuen Krug mit Wein und tritt ab.
Bürgermeister:

Der Beutel ist leer
Kein Goldstückchen mehr
Jetzt geht auch die Freude verloren
Ach wär ich doch niemals geboren.

Pfandmeister kommt herein, Bürgermeister tritt ab.
Pfandmeister:

Hab den Beutel voll Dukaten
Hab ein vornehm samtig Kleid
Bin ins Paradies geraten
Und der Kurfürst ist so weit.

Schmackhaft ist der Rebensaft
Und die Keule knusprig braun
Was mir jetzt noch Sorge schafft
Werde nach den Mädchen schau´n.

Fröhlich, lachend, lieb und hold
Sollte mein Feinsliebchen sein.
Mit dem Herz aus purem Gold
Soll sie mir gehör´n allein.

Ach, der Rhein hat schöne Kinder
Rank – und feurig wie der Wein.
Rosig küssen ihre Münder
Lasst mich Euer Liebster sein
Beim letzten Satz wendet er sich den drei Frauen zu.

Darf ich´s wagen schöne Frau
Darf ich´s wagen schöne Maid
Euch hier zu begleiten heut´
Nur zum Stelldichein zu zweit.

Bürgermeisters Frau:


Schöner Fremdling, ei wie sehr
Ehrt uns Euer Antrag heute
Seht, ihr werbt vor einem Heer
Ganz illust´rer Festtags-Leute
Mach eine Handbewegung zum Publikum.

Pfandmeister

schaut sich verwundert um und spricht:
Ach was störet mich das Volke
Bin vor lauter Sehnsucht blind.
Schwebe auf des Freiers Wolke
Bis den süßen Mund ich find.

1. Freundin:

Küssen möcht´ der Herr vom Stande
Küssen, dass die Schwarte kracht.
Küssen ist doch keine Schande
Wenn das Herz im Leibe lacht.

2. Freundin:

Habt ihr Eure Wahl getroffen?
Welche soll die Eure sein?
Zu den anderen Frauen gewandt:
Ist der auch noch nicht besoffen
Von dem Oberwes´ler Wein?

Pfandmeister

geht ungestüm auf die Frauen zu und spitzt den Mund zum Kusse.

Frau des Bürgermeisters:


Halt; doch nicht so ungestüm
Der Liebhaber hält ein.
Zarte Pflanze ist die Liebe
Edelmann als Ungetüm
Passt nicht zu dem zarten Triebe.

Ganz schön sachte – schöner Held.
Sagt, was sind Euch die Küsse wert?

Pfandmeister:

Hier nehmt all mein teures Geld
Übergibt des Bürgermeisters Frau den Lederbeutel mit allen Dukaten und zum Publikum gewandt:
Das Geschäft ist nicht verkehrt.
Frau des Bürgermeisters:


Tausend Küsse sollt Ihr haben
Tausendmal mit Ritual
Sollt Euch an den Lippen laben
Nacheinander, mal um mal.
1 Freundin:

Hol die Kusswand ganz geschwind.
2. Freundin:

Hurtig wie ein Wirbelwind.
1. Freundin:

Wollen wir den Herrn bedienen.
Frau des Bürgermeisters:


Unser Geld zurückverdienen.
Die Kusswand

wird mitten auf die Bühne gestellt, so dass rechts der Pfandmeister und links die Kussfrauen stehen, getrennt durch die Wand. In der Wand ist ein Herz in Kopfhöhe ausgeschnitten, damit man sich küssen kann.
Pfandmeister geht ungeduldig vor der Wand auf und ab, leckt sich die Lippen.
Wird tausendmal süße Lippen küssen
Wird schwelgen in Wonne am sonnigen Rhein.
Und nie mehr die fröhlichen Mägde vermissen.

1. Freundin:

lugt hinter der Kusswand hervor und spricht:
Mein Liebster, was hast Du heute noch Schwein.

Pfandmeister geht auf das Herz in der Kusswand zu in der Erwartung des ersten von tausend Küssen.
Die Frauen auf der anderen Seite der Wand ergreifen ein lebendes Ferkel und halten es auf der anderen Seite an die Kussöffnung.
Sprecher

tritt ins Bild nach vorne und spricht zum Publikum:
So wurde früher in Oberwesel ein untreuer Staatsdiener bestraft. Der Bürgermeister von Oberwesel belohnt die Klugheit seiner Frau nun seinerseits mit tausend Küssen. Eine auch heutzutage noch erlaubte weibliche List hat einen Mann vor dem Ruin gerettet. Die beiden umarmen sich. Eines ist sicher. Nimmer wird der Bürgermeister von Oberwesel die Steuern aus eigener Tasche zahlen. Seit diesem Tag im Mittelalter zahlen auch die Bürger dieser reichsfreien Stadt ihre Steuern und Abgaben selbst.

Echo-Chor:

Wir sind das Gewissen vom Mittelrhein
Wir fangen die Wörter und Lieder ein.
Wir prüfen Gedanken, Stück für Stück
Und geben als Echo sie wieder zurück.

Das Echo wohnt drüben im Felsengestein.
Akteure zeigen mit den Armen zum Rossstein.
Es hütet seit tausend mal tausend Jahr
Die Blitze und Donner, die Töne und Stimmen. Huscht über den Strom, denn das Echo kann schwimmen.

1. Trompeter:

tä tä tä tä tä tä tä tä täää täää?
2. Trompeter:

tää tää


Johannes Ruchrat, Rebell von Oberwesel



Historisches Schauspiel in drei Aufzügen




Personen:

Johannes Ruchrat
Mutter Ruchrat
Vater Ruchrat, Winzer
Teufel
Zeit
Inquisitionsgericht
(ein Oberrichter, sechs Beisitzer)
Erster Bürger
Zweiter Bürger
Bürgerin
Ballett
Neptun
Bacchus
Bote
Sprecher
Volk von Oberwesel

Requisiten:


Weinpokal
Ketten
Bibel
Harke
Kruzifix
Messgewand golden
Messgewand lila
Spiegel
Kerze und Zündhölzer
Sechs Masken
Hufeisen
Sandalen
Weiße Handschuhe
Schwarzes Trikot (Rückseite weiße Uhr)
Schwarze Strumpfhose
Neptungewand
Neptun-Spieß
Federkiel
Papierrolle
Weihwasserkessel
Tisch
Blitz und Donnerstag


Zeittafel



1308 Baubeginn Liebfrauenkirche.
1331 Weihe Liebfrauenkirche.
1415 Johann Hus, tschechischer Reformator.
wird auf dem Konzil in Konstanz verbrannt.
1418 - 1430 Otto von Ziegenhain lässt als Trierer Kurfürst
Bollwerk der Stadt Oberwesel ausbauen
wegen der Nähe zur Kurpfalz.
1430 – 1439 Erzbischof Raban.
1439 – 1456 Erzbischof Jakob von Sierck.
1425 Johannes Ruchrat wird in Oberwesel geboren.
1441 Studium an der Universität Erfurt.
1445 dortselbst Magister.
1456 Doktor der Theologie.
1455 Oberwesel weigert sich, die von Sierck. geforderten Steuern zu zahlen.
Oberwesel wird mit 1000 Gulden strafe belegt. Oberwesels Vorrecht, niemals in andere Hände zu gelangen, wird aufgehoben.
(Bestand seit 1257 von Richard von Cornvallis bestätigt)
1456 – 1457 Johannes Ruchrat ist Rektor an der Universität Erfurt.
1460 Johannes Ruchrat wird Domherr zu Worms, danach theologische Professur an der Universität in Basel.
1463 – 1477 Johannes Ruchrat wird Domprediger in Worms.
1477 Ruchrat wird abgesetzt wegen scharfer Kritik
an kirchlichen Lehren, versetzt als Dompfarrer zu Mainz. Hier Inquisitionsprozess.
1479 Öffentlicher Widerruf seiner „Irrlehren“.
Alle seine Schriften werden verbrannt.
1481 Trotzdem verbleibt er in klösterlicher Haft. Johannes Ruchrat verstirbt in Haft.
Das Ketzergericht befahl, alle Andenken an Johannes von Wesel zu beseitigen.


1434 Kurfürst gibt die seit 1005 selbstständige Gemeinde Niederburg an Oberwesel zurück.
1448 Vorstadt Kirchhausen wird zum Schutze der Liebfrau-
enkirche in die Umwehrung einbezogen.
Zitat von Ruchrat: „Besser noch als diese Mauer wär´die Einigkeit im Land“.
Oberweseler Bürgersoldaten kämpfen im Neusser Krieg.


Vorwort



Das ist die Welt des Johannes Ruchrat. Das ist auch unsere Welt. Er verlebte seine Jugend in denselben Gassen, im Schatten der Ringmauer und der Türme, wie unsere Vorfahren und wir heute. Freilich hat sich Oberwesel gewandelt. Die Stadt ist mit ihren Menschen gewachsen, ist größer geworden, moderner, attraktiver. Bürgerfleiß wurde sichtbar. Erhaltenswerte Traditionen wurden und werden gepflegt. Die geistigen Werte im Spannungsfeld der Jahrhunderte sind eingefangen und manifestieren sich zwischen den beiden Kirchtürmen von St. Liebfrauen und St. Martin. Dennoch geht ein Bruch durch die heile Welt von damals.
Ruchrat war ein Vorläufer der Reformation. Längst sind die Wunden aus der geistigen Auseinandersetzung geheilt. Die Erinnerungen diesen großen Sohn der Stadt Oberwesel stellt den Versuch einer Rehabilitierung dar.
Das hier vorliegende Schauspiel ist eine erdachte Geschich-
te, jedoch mit historischem Hintergrund. Die Figuren sind so gezeichnet, wie sie nach Ansicht des Stückeschreibers gelebt, gedacht und gehandelt haben könnten. Die Worte, die sie sprechen, wurden ihnen fünfhundert Jahre später in den Mund gelegt. Zuschauer, Zuhörer oder Leser dieser Rollenstudie begeben sich mit dem Autor auf eine Reise in die Vergangenheit und erleben das Wirken des großen Oberweselers.
Johannes Ruchrat, auch Johann von Wesel genannt, kommt 1463 nach seiner Professur von Basel zurück in seine Heimatstadt Oberwesel. Schon die ersten Dialoge lassen erkennen, wie schwer Johannes von Unrast und Zweifel beladen ist. In ihm reifen neue Grundsätze, die von der damaligen Kirchenlehre missbilligt werden und wird somit ein Vorläufer von Martin Luther.
Ruchrats Mutter ist darüber in tiefer Sorge um ihren Sohn.
Der Teufel ist mit im Spiel. Er nimmt für sich in Anspruch, den Geist des Johannes Ruchrat verwirrt zu haben und fordert seine Seele. Vater Ruchrat ist Winzer. Er hat eine Begegnung mit dem Teufel im Weinberg auf der rechten Rheinseite unterhalb des Pferdekopfmassivs. Der Leibhaf-
tige schlägt einen Handel vor. Schonung der jungen Reben gegen seinen Sohn, jenen Johannes Ruchrat. Dabei dräut der Teufel mit Unwetter in der ärgsten Form. Hier steht Menschenlist gegen Teufelslist.
Johannes Ruchrat steigert sich in sein „Irrlehren“ und gerät in Renitenz zum Klerus und zur Obrigkeit. Es kommt zur Strafversetzung des Ruchrat als Domprediger nach Mainz. Hier erwartet ihn ein Inquisitionsprozess. Johannes widerruft öffentlich, verbleibt dennoch in Haft und Ketten.
Das Ringen um Johannes´ Seele erfährt seinen Höhepunkt im Tauschhandel zwischen dem Vater Ruchrat und dem Teufel. Vater Ruchrat bietet dem Teufel an Stelle seines Sohnes jährlich ein Fass seines besten Weines an. Der Teufel nimmt den Handel an, weil er sich Chancen ausrech-
net, wenn er erst einmal im Geschäft sei, würde er auch weiter am Zug bleiben.
„Den kleinen Finger bietest mir, dann krieg ich auch die ganze Hand“. Bei der Übergabe des ersten Fasses kommt es zu der bekannten Szene auf dem Oberweseler Markt-
platz vor dem Hexenkeller. Das Weinfass überrollt den Pferdefuß. Dabei löst sich das Hufeisen, das noch heute dort zu sehen ist. Der Teufel verschwindet aus Oberwesel, und gleichzeitig lösen sich die Ketten des Johannes. Er wird von Engeln begleitet und unter Glockengeläute und Orgelklän-
gen wieder an den Altar geführt. Auf diese Weise erfährt Ruchrat seine Ehrenrettung auf der Bühne.
Die Schuld an der Verurteilung wird in dem Theaterstück dem Teufel zugeschoben und der Zeit, die als Figur mit auf der Bühne steht. Die Sprache des Stückes ist dem Rollen-
wert seiner Figuren angepasst. Die Titelfigur spricht in gehobener Versform, das Gericht im Madrigalstil und die Bürger in Prosa. Die Problematik seines Inhaltes ist in einer heute zumutbaren und verständlichen Form dargeboten, ohne gültige Normen des Moralempfindens zu verletzen.


1. Aufzug (1. Bild)

SPRECHER:


Das ist ein Spiel, ein vergangenes. Es will Figuren aufleben lassen, die vor mehr als fünfhundert Jahren gelebt haben. Sie haben unsere Heimat mitgeprägt, die Straßen und Türme und Mauer zu historischen Stätten werden lassen.
Hinter den Kulissen warten sie auf ihren Auftritt; brave Bürger unserer Tage. Sie warten auf das Zeichen, das sie zurückversetzen wird in das unruhige 15. Jahrhundert. Sie werden Texte sprechen, die ihnen der Autor in den Mund gelegt hat.
Das ist Johannes Ruchrat, Priester und Doktor und Professor der Theologie, ein Oberweseler Kind, ein kluger, aber kein bescheidener Geist. Ein suchender, ein unbequemer Oberweseler Winzersohn. Sein Weinberg ist die weite Welt, das Feld, das er bestellt, ist so steinigt wie die Erde seiner Heimat. Seine Berufung als Priester kann ihm zum Verhängnis werden.
Ihm zur Seite stehen seine Eltern, aus einfachen Verhäl-
tnissen und den Ideen ihres Sohnes nicht gewach-
sen. Sei Vater ist Winzer, an schwere Arbeit gewohnt. Die Mutter versieht in St. Liebfrauen den Küsterdienst.
Nun denn lasset uns sehen und hören, was sich vor fünfhundert Jahren zugetragen hat. Zeugen aus dieser Zeit gibt es genug. Nur die Zeugen an jenen Oberweseler Ruchrat wurden getilgt. Es stehen dem suchenden Schreiber nur spärliche nachprüfbare Daten und Beweise zur Verfügung. Die Gerichte von damals hatten gründlich gearbeitet. So weiß man nicht einmal, wo Ruchrats Geburtshaus stand. Ein bedeutender Mann seines Jahrhun-
derts, ohne bleibende Erinnerung. Vielleicht gelingt es der nun beginnenden Geschicht, das Andenken an Johannes Ruchrat zu erneuern.


Vorhang auf

JOHANNES RUCHRAT

kommt in Reisekleidung von seiner Professur zurück nach Oberwesel.
Mir brennt das Herz, denk ich Johann Hus,
der 1415 in Konstanz sterben musst.
Fürwahr, da war ich nicht ich.
Der Tscheche, er war wahrlich königlich.
Und mutig war er, der heilige Rebelle.
Man hängt´ihm an die feuerige Ketzerschelle.
Er musste auf der Scheiter Feuer sterben.
Die Religion, sie brachte ihm Verderben.
Verzeih oh Gott, er ist mein geistlich Vater.
In diesem unruhig Welttheater.
Du Gott, gib Du mir Deine Ganden.
Und hüte mich vor jeglich seelisch Schaden.
Auch mir, dem Oberweseler Winzersohn.
Gewähre mir den rechten Lebenslohn.
Mit Wein und Früchten auf diesen kargen Steinen
Da brachtet Du mich auf die immer müden Beinen.
Ich bitte Dich, Herr Jesu an den Balken.
Um einen rechten Geist, nicht den der Schalken.
Seit hundert Jahren steht nun der Dom Liebfrauen.
Sein gotisches Geläut kann Deinen Himmel schauen.
Und traget das Gebet der frommen Bürgersleute.
Hinauf in Höh´n, ihr Glockenschlag, die Erzengel erfreute.
Doch störet mich ein blechern´ Ton in ihrem Erz.
Der mit den reinen Tönen gemeinsam streben himmel-
wärts.

MUTTER

tritt herein und überrascht ihren Sohn Johannes beim Philosophieren.
Johannes, Johannes – willkommen in der Stadt.
Johannes, Johannes – bist das Studieren satt?

RUCHRAT

geht auf die Mutter zu und umarmt sie.
Oh Mutter, oh Mutter, will kurz verweilen nur,
ich komm des Wegs von Basel, von meiner Professur.

MUTTER


Hast nicht genug von Erfurt, der Universität,
wo lange Du studiertest von früh bis abends spät.
Dortselbst du warst Magister
Und später Doktorand.
wärst besser doch Minister
in Deinem Heimatland.

RUCHRAT

geht einen Schritt zurück und betrachtet die Mutter von oben bis unten und lächelnd:
Bist schöner noch als eh, die Mütterlein am Herd.
Mit Deiner Lieb und Güt´ hast manchmal mich beehrt.
Hast beten mich gelehrt, die Fremdsprache mit Gott.
Hast oftmals mich bewahrt vor Hunger und vor Not.

MUTTER


Ach Hannes, es ruft mein Mutterherz nach Dir.

RUCHRAT


Vieltausend Herzen, die brennen vor Begier
und schmachten nach dem Buch der Gnade.
Sollt diesem Rufe mich verschließen – Ihr
Mutter habt Frömmigkeit in Euch – und schade
wär´s um die reinen Seelen,
die sich im Glaubenszweifel oftmals quälen.

MUTTER

geht an einen Weihwasserkessel vor dem Haus und segnet ihren Johannes.
Es segne Dich durch diese Topfen Wasser,
der Vater, Sohn und Geist, der Psalmensang Verfasser.
Und Ablass gewähre uns der Herr …

RUCHRAT

verärgert
Schwätz Mütterlein nicht solcherlei Gescherr …

MUTTER


Verzeih, Herr Professeur, die einfach Leut sind dumm
und beten wie es kommt, ums Kruzifix herum.
Doch bitt´ ich Hannes, lass andre es nicht hören.
Sie könnten sonst die Geister, die bösen noch beschwören.

RUCHRAT


Genug, genug, dreimal genug.
Auf, auf, ins Haus, wo steht der Krug?
Für heut´ sei Theologie vergessen.
Ein Prediger muß auch mal kräftig essen.

Beide verlassen die Szene, doch Ruchrat kommt mit einem Pokal Wein aus dem Haus und spricht:

Im Keller und auch anderswo
Da trink ich goldenen Wein
Den Wein, den trink ich sowieso
Wie könnt es anders sein?

Doch im Gewölb, wo Spinnen hausen
Wo kühl die Tempratur
Verbringt der Winzer seine Pausen
Labt sich an der Natur

Die dort als Rebensaft im Fasse
Die höchste Reife findet
Als Lohn die Labsal in dem Glase
die neuen Mut begründet.

Und immer wenn er neu kredenzt
Den funkelnd goldnen Tropfen
wird Zuversicht mit Geist bekränzt
entfesselt durch den Pfropfen.

Lasst die Gläser hell erklingen,
funkelnd perlen goldnen Wein,
lasst im Kreis von Freunden singen.
Lasst uns heute fröhlich sein.

Dass beim Tranke wachsen Bande,
zwischen Mensch und Mensch zugleich,
und im ganzen Rebenland
Eintracht zwischen Arm und Reich.

Seht mir in das trunkne Auge,
in das lachende Gesicht,
wie ich aus dem Becher sauge,
was Unsterblichkeit verspricht.


Reinheit, Klarheit, ausgegoren,
glücklich wer den Becher hält.
Glücklich, wer am Rhein geboren,
Rhein, du Mittelpunkt der Welt.

Ruchrat stellt den Becher auf den Tisch, geht zur Seite und schaut gedankenverloren zum Himmel.

Welt, du hangest an dem Zwirn.
Sonne, Monde und Gestirn
Ziehen auf geheime Weise
Ihre unsichtbaren Kreise.

Zum Beispiel sei´s vermacht,
was die Deuter ausgedacht.
Wissenschaft und Bibelworte
Steh´n im Widerspruch der Zeit.

Doch ich bin von jener Sorte,
die Erkenntnis nie gereut.
Zweifel nagt an meinem Sinn.
Führ mich Gott zur Wahrheit hin.


2. Bild

VATER RUCHRAT

im Weinberg – ein Unwetter zieht auf.
Müh und Arbeit sind mein Los.
Steinig diese Erde.
Rebe, stellst den Manne bloß.
Forderst die Beschwerde.
Schiefersteine sind mein Gold.
Und mein Stolz die Reben.
Sonne sei dem Winzer hold.
Somit kann ich leben.
Müh und Arbeit – mein Gebet.
Hüte die Gewitter.
Und im Rheintal blüht und lebt.
Bürger, Vogt und Ritter.
Doch mit menschlichem Bemühen,
keiner mag´s erleben,
Wenn die gelben Schwaden ziehen.
Und die Donner beben.
Es donnert und blitzt – aus der Kulisse erscheint der Teufel




TEUFEL


Fleiß ist wahrhaft eine Zier.
Doch Vernichtung meine Gier.
Wenn des Domes Glocken schweigen.
Steigt der Teufel aus den Neigen.

Aus der Niederung des Rheins.
Und der Mord des Bruder Kains.
Herrschet selbst die Menschen an.
Drohet Schiffer und dem Kahn.

Wetter – Hagel – Graupelschauer.
Fürchtet dieser Winzerbauer.
Streue Krankheit und Verderben.
Bringe Siechtum, Tod und Sterben.

Teufel windet sich in gebückter Haltung mit den Händen gestikulierend.

Die Versuchung war gelungen.
In dem Paradies.
Gut und Böse hatt´ gerungen.
Sieg, wie warst du süß.

Wie das fleischliche Verlangen
endlich dort Erfüllung fand,
wie das hohe Lied der Schlangen
im Apfelbiss dem Satans-Stand
zum Siege führt:
Dir Schlangenbrut mein Dank gebührt.

VATER


Trügt mich meiner Augen Licht.
In den Felsen, in dem Nebel
Wandelt Traum- und Wahngestalt
Dort im Hagelschauer-Gischt
Schnürst Natur an meiner Knebel.
Dräust der zarten Knospen mit Gewalt.
Einhalt, schone meine Reben!

TEUFEL


Unheil soll durch Rheintal schweben.

VATER


Trugbild oder Satansbrut.
Gaukelei auf Zauberreise.
Teufelskerl, dich kenn ich gut.
Bann ich dich auf meine Weise.
Vater Ruchrat schleudert mit der Harke nach ihm, verfehlt

sein Ziel, aber trifft einen seiner jungen Rebstöcke.



TEUFEL


Ha – ha – armer Tor.
Machst dem Höllenfürst was vor.
Soll ich dich den Mose lehren?
Im fünften Buch, Vers zwanzig steht geschrieben:
Nur den Baum sollst schlagen du mit Hieben,
den nicht zur Speise wirst begehren.
Kurze Pause, dann wieder der Teufel:


Bisher hat noch keine Hand,
keine menschliche fürwahr,
je bedroht der Hölle Stand.
Ich, der Fürst der bösen Geister:
Streue Hagelkörner-Schauer:
In die Mauer deiner Berg.
Ich, der bösen Geister Meister.


VATER


Halte ein – halte ein!
Du vernichtest meinen Wein!


TEUFEL


Winsel nur, du braver Bauer.
Teufels Pläne, die sind schlauer.
Ein Geschäft schlag ich dir vor.
Schlägst du´s aus, bist du ein Tor.

Teufel tritt an ihn heran – Vater Ruchrat geht einen Schritt zurück.



TEUFEL

mit einschmeichelnder Stimme:
Deine Wingert will ich hüten.
Schützen sie vor Krankheit und Gewitter.
Doch als Gegengabe – lass mich brüten,
gibst du mir – es ist nicht allzu bitter:
Gibst du mir dafür als Lohn.
Teufel zögernd:


Deinen frommen Pfaffensohn!!! Blitz und Donner.



VATER

wendet sich ab und hält sich die Ohren zu.

TEUFEL


Und wieder komm ich dir mit Moses fünftem Buch.
Dass jenen Sohne treffe des Verderbens Fluch.
Dort heißt es:
Dieser Sohn ist störrisch und rebellisch.
Er höret nicht auf seiner Väter Stimm.
Gewähr ihn mir, der Johann, er ist schlimm.

VATER


Der Schall deiner Donner – wie Wagenräder.
Die Blitze erleuchtet – fruchtbares Land.
Die Erde erbebte und etwas später.
Ist´s, dass die Erde schwankend ich fand.


TEUFEL


Der Teufel versucht einen liebenden Vater.
Der Teufel erdreistet sich viel.
Verbürgt sich als Anwalt und Wetterberater.
Und treibet ein teuflisches Spiel.

Gut, es erbarmet mich dein Vaterherz.
Der Teufel hat am Rhein sogar Gefühle.
Gib mir zur Labsal Wein als Trank zur Kühle
So sparst du dir den Trennungsschmerz.

Vom besten Weine jedes Jahr ein Fass.
Damit ich dir die Unwetter erlass.
Dein Rebenland soll wachsen und mit Pracht.
Nur sollst dem Teufel zahlen eine Pacht.

VATER

erleichtert:


Es sei der Handel abgemacht!

TEUFEL

geht nach vorn zum Publikum gewandt:
Wer mit dem Teufel steht im Bund,
wird immer Feuer nur und Funken ernten,
geschürt aus der Hölle siebtem Schlund.

Den kleinen Finger gibst du mir.
Dann krieg ich auch die ganze Hand.
Des Teufels einzige Begier:
Zu festigen der Hölle Stand.


3. Bild

RUCHRAT


Kein Mensch ward sündig je geboren.
Die Erbsünd´ ist der Sünde tiefer Keim.
Die Fähigkeit zur Sünde. Doch verloren
ist jener nicht, der ungetauft kehrt heim.
Der Säugling an der Mutterbrust,
der frühzeitig schon sterben musst,
selbst wenn er nicht getauft.
Hat er auch den Keim zum Bösen,
wie jedwed´s menschlich Wesen,
ist er doch in Gottes Hand.

1. BÜRGER


Jetzt hat er gelästert.

2. BÜRGER


Das ist was für die Obrigkeit.

1. BÜRGER


Der Ruchrat bringt die Stadt noch in Verruf.

2. BÜRGER


Das dürfen wir nicht zulassen. Der beschwört den Weltuntergang herauf.

BÜRGERIN


Was gibt´s, ihr Kerle?
Gell, der Hannes rebelliert. Ich hab gehört davon. Er reißt damit den Lettner ein.
Guck an, wie scheinheilig der Hannes beten tut.
(währenddessen Johannes Ruchrat vor dem Kreuz steht.)

1. BÜRGER


Der betet ja im Stehen – sind dem die Knie zu schade?!
RUCHRAT


Oh Herr, gib mir die Gnad.

(Bürger stecken die Köpfe zusammen.)



BÜRGERIN


Der hat das Ablassgebet kritisiert, ich hab´s genau gehört. Er saß beim Wein und hat munter drauf los debattiert.


1. BÜRGER


Der Ruchrat denkt zu laut. Das war noch niemals gut.


2.BÜRGER


Gefährlich ist er, der studierte Mann.

BÜRGERIN


Er soll am Freitag Fleisch gegessen haben.

1. BÜRGER


Und unseren Heiligen Vater soll er kritisiert haben.


2. BÜRGER


Das müssen wir nach Trier berichten. Ein Kurier muß eine Botschaft nach Trier bringen. Der Fluch seiner Freveltaten bricht über uns herein.

(Es donnert und blitzt.)



BÜRGERIN


Da ziehen wieder Unwetter auf. Der Rossstein dort ist schwefelgelb verhangen, und die Gewitter bedrohen unsre Ernte.

2. BÜRGER


Auch meine Kuh gibt seitdem keine Milch.

BÜRGERIN


Seit wann?

2. BÜRGER


Seit er die Stadt betreten.

BÜRGERIN


Das steht doch im Zusammenhang.

(Volk tritt auf.)



1. BÜRGER


Und meine Pferde, sie scheuten auf dem Felde vor einem blühenden Holunderbusch.

BÜRGERIN


Da haben wir´s, die Geister, sie sind gegen uns.
Der Ruchrat muß weg.

BÜRGERIN


Nachbar hol den Federkiel!
Wer von euch kann schreiben?

1. BÜRGER


Er hat die Ältesten der Stadt verlacht, weil sie Kirchhausen jetzt befestigen.

(Ruchrat kommt kurz in die Szene und hört den letzten Satz)



RUCHRAT


Das beste Bollwerk ist die Einigkeit.
Statt diesen Dom dort zu vermauern,
müsst´ man ihn öffnen. Doch zu bedauern
sind jene Köpfe, die solches Tun betreiben.

(geht wieder ab.)


1. BÜRGER


Das geht zu weit:

2. BÜRGER


(geht ins Haus und hot den Federkiel und eine Papierrolle, setzt sich an den Tisch, bereitet die Rolle aus und spricht:)


Eminenz – Euer Hochwürden!
Dem eigenen Gewissen folgend zeig ich, der Viehhändler aus Oberwesel, Gemeindeglied der Pfarre unserer lieben Frau, die Freveltaten eines Johannes Ruchrat von hierselbst, Domherr zu Mainz und Doktor der – wie schreibt man Philosophie (buchstabiert) und der Theologie.

2. BÜRGER


Nicht Philosophie, nur Theologie.

1. BÜRGER


… an und beantrage, denselbigen als Zeugen wider sich im Angesichte des heiligen Kreuzes zu befragen nach seiner Haltung gegen unsere hochheilige Mutter Kirche, als da sind das Gebot des Fastens, die Gnade des Ablassgebetes, den Makel der Erbsünde und die Autorität des römischen Stuhles. Fernhin sei sein Verhalten zur Obrigkeit zu prüfen.
Zum Zeichen der Zeugenschaft haben die unterschriebenen Viehhändler, Schuster und Hufschmied, als auch der Gänsehüter Florian ihre Handschrift, letzterer seinen Fingerabdruck in Tinte darunter gesetzt.
Zu Oberwesel auf dem Marktplatz vor dem Kruzifix unseres Heilandes.
3. BÜRGER


Lass sehen! (Nimmt das Paper und unterzeichnet. Alle unterschreiben.)

HEROLD

(erscheint, nimmt die Rolle, sitz auf und ruft:)


Auf geht’s zum schwarzen Tor nach Trier.
RUCHRAT

(tritt hinzu.)


Ich habe die Sonne, den Mond entdeckt.
Die Straße der goldenen Sterne.
In ihr sind die heimlichen Wünsche versteckt.
Die glimmen, wie´s Licht der Laterne.

Und während mein Blick den Gestirnen verhaft´
Glüht schweigend ein Meteorit.

Ein pfeilschneller Wunsch, rausch zusammengerafft,


Schießt zum Himmel als menschliche Bitt´.

Trag meine Wünsche in Weite und All.
Verschmelz sie in ewigen Bahnen.
Lass sie mit himmlisch Posaunenschall
Den Hauch der Unendlichkeit ahnen.

Siehst du die Türme und Mauern und Zinnen.
Siehst du das Fachwerk, die Berge, den Fluss.
Schwermut erfasst mich, muß ich von hinnen.
Draußen bedecket der Staub meinen Fuß.

Drinnen doch treffen mich Pfeile und Neider.
Pfeil aus Verrat und Verleumdung geschnitzt.
Treffen den Sohn dieser Weinstadt – o leider.
Treffen ihn dort, wo das Priesterherz sitzt.

Weh mir, die Schergen, sie nah´n in den Schatten.
Tragen das Kreuz und den Schild und das Schwert.
Nagen am Geist mir, wie Mäuse und Ratten.
Neige dich, Ruchrat, der Glaube begehrt.

Fordert Gehorsam, wie Jesu am Stamm.
Fordert Geständnis des Herzens, des Sinn.
Kommt nur, ihr Häscher, hier wartet ein Lamm.
Führt es nach Mainz zum Gerichtshofe hin.

(Häscher treten hervor.)



1. BÜRGER


Ruchrat, der Rebell!

2. BÜRGER


Hol die Kette und die Schell!

SPRECHCHOR


Ruchrat Ketzer, Ruchrat Schwätzer!

1. BÜRGER


Nimm ihm weg die Heilige Schrift!

RUCHRAT


Weh dir, dass der Zorn die trifft!

SPRECHCHOR


Ruchrat Ketzer, Ruchrat Schwätzer!

MUTTER

(tritt von der Seite ins Bild.)


Hannes, Kind, mein Fleisch und Blut!

RUCHRAT


Mutter, alles wird bald gut.
Das Gericht wird rasch empfinden
Recht für einen rechten Mann.
Einen Freispruch wird´s verkünden,
dass ich wieder ziehen kann.


SPRECHER


Das Mittelalter steht im Herbst. Konstantinopel hat sich dem Sultan unterworfen. Rom rüstet unter Pius II. gegen die Türken. Das Baseler Konzil hält die Reformation zurück. Noch immer lodern die Hussitenkriege. Habsburg greift zur Kaiserkrone. Pilgerströme drängen nach Rom. Gutenberg druckt seine Bibel. Christoph Columbus erblickt das Licht der Welt. Ein Glaube, alt, gebrechlich, brüchig, löst sich auf. Man spricht von Zerfall. Gewalt regiert. Die Galgen werden nicht trocken. Ritter und Vögte und Adelsherren behaupten die Zinnen.
Es ist der Beginn der Renaissance. Es ist Abend, Vorabend

der Reformation. Die Menschheit lernt das Alphabet.



(Vorhang)



- Pause -




2. Aufzug (4. Bild)

Die Bühne ist dunkel. Sprecher tritt an ein Pult, zündet eine Kerze an und spricht, während ein Scheinwerfer auf ein weißes Zifferblatt deutet. Das Zifferblatt mit schwarzem Hintergrund ist auf dem Rücken der Figur ZEIT aufgenäht. Die ZEIT steht still in leicht gebückter Haltung, dem Publikum den gebeugten Rücken zukehrend. Das Trikot der ZEIT ist schwarz. Sie trägt eine weiße Gesichtsmaske und weiße Handschuhe.

SPRECHER


Das ist die ZEIT. Sie ist stumm. Sie hat eine Rolle ohne Text. Dennoch ist sie kein Statist. Ihre Rolle ist wesentlich für den Handlungsablauf. Sie begleitet die Figuren durch ihr Leben. Dabei führt sie Personen zueinander oder auseinander. Sie bringt ihnen die spärlichen Requisiten. Und die Personen müssen ihr Folge leisten. Sie müssen der ZEIT gehorchen und alle Gegenstände von ihr annehmen. Das ist das Gesetz dieses Spiels. Die ZEIT ist unsterblich. Sie unterliegt nicht dem Leben, nicht dem Wachstum und nicht dem Vergang. Sie trägt deshalb ein weißes Gesicht. Weiß ist die Farbe der Unschuld. Merken wir uns: Die ZEIT ist unschuldig am Geschehen. Schuld ist subjektiv. Schuld damals braucht nicht Schuld heute sein. Die Frage des Standpunktes der ZEIT spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Beweg-
gründe allein sind den Personen des Stückes eigen. Sie allein machen die Handlung aus.
(Die Zeit dreht sich um und blickt zum Publikum)



SPRECHER


Wir schauen der ZEIT ins Auge. Sie entführt uns in das 15. Jahrhundert. Im Jahre 1425, als Erzbischof Jakob von Sierck Kurfürst von Trier, am Rhein in Oberwesel herrschte, wurde Johannes Ruchrat in der stark befestigten Stadt geboren.
(Scheinwerfer geht auseinander, wird breit und erfasst im Hintergrund das Gericht.)



SPRECHER


Ich sagte, das Gericht hat entschieden, alle Zeugen der Vergangenheit an Ruchrat auszulöschen. Das kommt einem Urteil gleich. Urteile sind endgültig. Heute noch. 1441 studiert Ruchrat an der Universität Erfurt. 1445 wird er dortselbst Magister, elf Jahre danach Doktor der Theologie.

Zu jener Zeit weigert sich Oberwesel, die von Sierck gefor-
derten Steuern zu zahlen. Die Oberweseler sind selbstbe-
wusst. Ein Volk von Rebellen? Aufrührern? Die tausend Gulden Strafe nehmen sie hin. Was bleibt ihnen sonst übrig? Ihr Vorrecht, niemals in fremde Hände zu geraten, wird aufgehoben.
Von 1456 – 1457 wird Ruchrat Domherr zu Worms. Danach Theologieprofessor an der Universität Basel. 1477 steht er unter einem schlechten Stern. Er rebelliert.

(Waffen klirren und Donner grollt.)



Er kritisiert kirchliche Lehren und fällt in Ungnade. Man versetzt ihn als Domprediger nach Mainz. Hier erwartet ihn der Inquisitionsprozess.
Hohes Gericht – eröffne die Verhandlung!

(ZEIT führt Ruchrat vor das Tribunal, er folgt.)
(Das Gericht trägt Augenmasken. Ein Oberrichter und sechs Beisitzer – einer davon ist der Teufel, aber für das Publikum noch nicht erkennbar. Seitlich versammelt sich das Volk. Im Hintergrund der Dom zu Mainz.)



VORSITZENDER


Streife ab dein priesterliches Kreuz und dein Gewand.
Es ist an uns, nach Recht und Ordnung Spruch zu finden.
Du Ruchrat stehest vor dem Zeugenstand.
Und sollst uns helfen, der Weisheit Schluss ergründen.
Zieh an der Demut violettes Kleid.
Und höre, was des Kurfürst´s Order melden.
Die Weisheit suchend unbefriedigt Zeit.
Sie sei vorüber, was bleibet sind die Schelten.
Die schriftlich von den Bürgern deiner Stadt
Hier vor Gerichte zu verhandeln hat.

1. BEISITZER


Er soll den Papst in Rom nicht sonderlich verehren.

RUCHRAT


Oh könnte er die Liebe doch vermehren.

2. BEISITZER


Er soll den Ablass durch Gebet und gute Tat verschmähen.


RUCHRAT


Die Gnade Gottes ist so übermächtig groß.
Der Ablass stellt die Allmacht Gottes bloß.

3. BEISITZER


Wie steht er, Ruchrat zu der Erbsünd´?

RUCHRAT
Nicht Sünd´, nur Fähigkeit zur Sünde.
4. BEISITZER


Und wie stets mit der Obrigkeit?
Ich hört, er soll in aufrührerischer Weise auch gegen Steuergulden wettern. Das ziemet nicht dem Manne in dem schwarzen Rock. Er kennt doch: Was des Gottes sein und was dem Kaiser.

RUCHRAT

schweigt.



5. BEISITZER


Vieh soll er verhext haben durch Missbrauch des Kruzifix.

6. BEISITZER


Vom Fasten hält der Herr nicht viel.
Er trinkt den Wein aus großen Zügen.
Er treibt mit uns ein falsches Spiel.
Das Tribunal wird ihn gebührlich rügen.

RUCHRAT


Ihr Tugendwächter, die ihr Zucht ins Glashaus spiegelt.
Bleibt selber aufmerksam und bleibet auf der Hut.
In euren Reihen sind die Röcke aufgewiegelt.
Das ziemt euch nicht, und Steine werfen tut nicht gut.
Wer drinnen sitz, Moral verschwitzt,
der werfe nicht mit Steinen.
Was nicht ist, soll nicht scheinen.

VORSITZENDER


Du willst ein hochgelehrter Theologe sein, mein Sohn.
Doch spotten alle Anschuldigungen dir zum Hohn.
Du bist verwirrt in deinem klugen Kopf.

RUCHRAT

wendet sich um und fleht zum Himmel.
Unter gotischen Gewölben
Fasst mich himmlische Begier
Kniend bete ich zur Mutter.
Bete Mutter um Gehör.

Die mit lieblicher Figur,
unser aller Zuflucht gründet.
Und mit heiligerem Schwur
Frommer Herzen Glut entzündet.

Gotisch strebend wolkenwärts
Recken Säulen, Fenster, Turm
sich zum Himmel, freu mein Herz
dich auf Pfingstens Braus und Sturm.

Mutter aller Zeitgenossen
Mutter Jesu steh mir bei.
Christi Blut, für uns vergossen
Wäscht von aller Schuld mich frei.

1. Versuchung



NEPTUN


In den feuchten Nebelgrüften
Wohnt der Honigmond am Hang.
Singt in mostbelad´nen Lüften
den verlockend Elfensang.

(Sirenengesang ertönt.)



Komm du Wandrer auf den Grund,
wo des Stromes Kiesel liegen.
Stürz dich in der Neere Schlund,
wo sich sieben Jungfrau´n schmiegen.

Schließe ab dein irdisch Kämpfen.
Komm ins Reich der Nixenwelt.

Dort in feuchten Wasserdämpfen
Schlummert eine friedlich´ Welt.

Du entgehst dem Weltgerichte,
seinem Urteil dort im Dom.
Neptun zeigt dir die Geschichte
seiner Wasserwelt im Strom.

Küret dich zum Adjutant,
reich beschenkt mit holden Wesen.
Folgst mir nicht, wirst du verbannt.
Alles ist umsonst gewesen.

(Nixengesang ertönt)

NEPTUN


Jugend, Schönheit, Kraft und Frische
sind dir Ruchrat ewig eigen.
Weggefährten sind die Fische.

RUCHRAT


Nein und nein, gebiet dir Schweigen!

(Es folgen die Visionen des Ruchrat. Er ist ein Seher, sieht in das 20. Jahrhundert. Währen er spricht, werden auf halb-
dunkler Bühne im Hintergrund Diapositive auf eine Lein-
wand projiziert.)



ZEIT

hält Ruchrat einen Spiegel vor.

RUCHRAT


Viel Götter gibt’s, doch wenig Gott
in diesen dürren Landen.
Der Mensch drängt eifrig zum Schafott
und richtet sich zu Schanden.

Chrom und PS sind seine Monstranz.
Sein Christileib ist sein Geld.
Gebet ist ihm fremd, und den Totentanz,
Hiroshimas Ruf an die Welt.

Nimmt er auf wie den Hunger der Inder.
Wie die Glocken St. Peters in Rom.
„Warum zeugt ihr da drüben noch Kinder?
Dagegen gibt’s Pille oder Kondom!“

In Saus und Braus wie Jedermann
geht jener seine Lebensbahn.
Die Medien kennen nur Sensation.
Wann berichten sie von Gottes Sohn?

Die Menschen haben die Liebe verloren.
Die gemeinsame Sprache heißt Gewalt;
Und keiner macht vor den Toren
der Tugend der Vorfahren HALT.

In Terror und Rausch und in Lustgelagen
Verbringt seine Menschheit die Zeit.
Und falsche Propheten in unseren Tagen,
die künden von Wohlstand und Freud.

Kaum einer der Erdteile bleibet verschont.
Es wird immer wieder geschossen.
Wo die Liebe zum Nächsten im Innern nicht wohnt,
da bleiben die Herzen verschlossen.

Selbst in deinem Namen und Gottes Wort.
Bei Kreuz und beim Amen begehen sie Mord.
Wohin soll oh Gott das noch führen?
Wann wirst du uns alle verlieren?


Ich sehe die Tempel und Dome zertrümmert.
Zersprungene Glocken, sie rufen.
Und vor dem Altare ein Säugling, der wimmert.
Er liegt in dem Schutt auf den Stufen.

Das heilige Brot in den Hallen zerstreut.
Die Engel vom Lettner gerissen.
Das Tabernakel durch Frevler entweiht.
Sie kennen im Rausch kein Gewissen.

Und drinnen in düsterer Sakristei.
Sie halten den Priester gefangen.
Und lassen im Rausch ihrer Raserei
den Mann an dem Kreuze dort hangen.

Den Korpus aus Marmor mit Keulen zerschlagen.
Sie wollen lebendig ihn sehen.
Ein bebendes Priesterherz fängt an zu zagen.
Ihn zwingt man, den Kreuzweg zu gehen.

Ich sehe die Räuber und leisen Sohlen,
die nächtlich berauben mit rohem Gewissen.
Der Altar von Liebfrauen wird grausam bestohlen.
Figuren von Gold aus dem Holze gerissen.

Im Hauptquartiere der Hölle ein Jubel.
Der Endsieg scheint nunmehr gewiss.
Der Teufel stellt Sekt kalt, bezahlt ihn mit Rubel.
Genüsslich fletscht er sein Gebiss.

Die Kobolde, Gnome und Beelzebubs Geier.
Und Dracula, Frankensteins Braut.
Sie rüsten sich allesamt auf eine Feier
und flegeln sich faul auf die Haut.


Ein schallend Gelächter
und trunkene Wächter.
Dir Hölle dein Sieg.
Auf Erden ist Krieg.

Ja, Krieg ist auf Erden
mit allen Beschwerden.
Es klagen die Rassen
in Häusern und Gassen.

Die Saat der Gewalt.
Die Fäuste geballt.
Es lodern die Flammen.
Rückt niemand zusammen?

Familien sterben aus.
Die Mutter verlässt das Haus.
Sie weigert sich, zu gebären.
Schlägt sich zu den Reaktionären.

Die Welt atmet Gift.
Der, den es trifft
ist ohne Gnade verloren.
Nicht einer bleibt ungeschoren.

Die lieblichen Lilien greifen nach mir.
Selbst Veilchen und Rös´chen versprühen die Gier.
Und Astern und Tulpen und Nelken
beginnen aus Bosheit zu welken.

Die Amsel, sie flötet zur Zoten vom Baum.
Die Finken, sie fluchen und baden Schaum
der Jauche und jubeln „Hosianna“.
Pferdeäpfel sind „Manna“.


Die freundlichen Rehe, grazil und sehr scheu,
fressen die Leichen, statt Klee und statt Heu.
Die törichten Gänse, im Schnattern perfekt,
die haben das Menschenregieren entdeckt.

SPRECHER


Das reißt das Gericht von den Richterstühlen.
(Tumult auf der Bühne, die Richter halten sich die Ohren zu mit Ausnahme des einen Richters, unter dessen Maske der Teufel steckt.)

RUCHRAT



In felsigen Grüften
und schwindelnden Lüften
erwecken die Geister
die schummernden Meister.

Die heimlichen Kenner
und mutigen Männer.
Bei Donner und Wetter
erwachen die Retter.

Sie rüsten die Waffen.
Sie planen und schaffen
und sammeln und scharen,
die Welt zu bewahren.

Der Erzengel Schwerter blinken
vom Berg in dem kämpfenden Tross.
Und hinter den Wolken winken
Die Heerscharen. Reiter und Ross.

Erhalten von Gott seinen Segen.
Der Herr ist zur Rettung bereit.
Solang zwölf Gerechte noch leben,
hat Gott diese Tat nicht gereut.

Ins Bewusstsein schoss alsdann
mir als Frucht vom (Erkenntnis)-Baum:
So erschrecklich wirklich kann
Sein doch nur ein böser Traum.

Hebe Adler deine Schwinge.
Zünde Mond an dein Geleucht,
dass dem Herzen aller Dinge
nimmermehr die Lieb´ verscheucht.

SPRECHER


Zukunftsseherei ist verboten. Die ZEIT nimmt den Spiegel weg. Langsam kehrt wieder Ruhe ein. Ruchrat braucht sich nicht zu wundern über das Urteil des Inquisitionsgerichtes. Sprich Richter dein Urteil:

VORSITZENDER


Gnade hast du nun verwirkt, mein Sohn.
Höre, ich verkünde dir den Hohn als Lohn.
Frevelei kann nimmer straffrei bleiben.
Sieh, wir werden die Verurteilung jetzt schreiben.



SPRECHCHOR GERICHT


Keiner wird den Ketzer retten
aus dem Kerker von den Ketten.
Ketten sollen deinen Weg begleiten.
Dir den Weg zur Buße vorbereiten.

VORSITZENDER


Solange der Rhein seinen Quell versprüht.
Solange die Sonn´ überm Berg verglüht.
Solang bleibt Ruchrat von Ketten umschlossen.

SPRECHCHOR GERICHT


Solange bleibt Ruchrat von Ketten umschlossen.

RUCHRAT


Es wird Wolken geben
und Hagel und Gewitter.
Dein Groll vertreibt mich
aus deinem Paradies.

Ich werde leidend leben
als Häftling hinter Gittern.
Dein Schweigen entleibt mich.
Wie war die Zeit so süß.

2. Versuchung
BACCUS

tritt aus der Volksmenge.
Komm in das Land der lieblichen Reben.
Komm in das Land, wo der Rausch zuhaus.
Folge dem Bacchus, ich will dir geben
Labsal und Wonne, da kenn ich mich aus.

Liebreiche Holde.
Selige Zeit.
Purpurne Dolde.
Niemals gereut!

Werf´ ab die irdische Mühsal und Sorgen.
Schlüpf in den Keller der Trunkenheit Gier.
Dort unter Trinkern, da bist du geborgen.
Die Geister der Trauben, sie stehen Spalier.

Und huldigen der Frommen
wenn du entsagst der Sonnen.
Nur trinken musst du immer.


RUCHRAT


Papperlapapp, das macht´s noch schlimmer!

BACCHUS


Du könntest verweilen bei all diesen Schönen.
Die Töchter der Venus, sie seien dir hold.
Sie würden mit Nektar den Priester verwöhnen.
Sag Ja, du hast Schönheit schon immer gewollt.

RUCHRAT


Oh Mensch, du erliegst mythologischer Zwänge.
Versuchung, du treibst einen Mensch in die Enge.

1. BÜRGER


Er soll mit ihm gehen!

2. BÜRGER


Getrunken hat er ja schon immer.

1. BÜRGER


Ja, ich selbst hab ihn belauscht,
als er mit dem Weinkrug in der Hand
große Sprüche verkündet hat.
Er soll mit ihm gehen, dann sind wir ihn los.

VORSITZENDER


Feuer soll über deine Schriften kommen,
und läutern soll die Flamme den Verstand.

SPRECHCHOR GERICHT


Feuer soll über deine Schriften kommen,
und läutern soll die Flamme den Verstand.

RUCHRAT


Mein Ringen um Wahrheit war niemals Meutern.
Ihr Richter habt Ruchrat verkannt.

VORSITZENDER


Und alle Zeugen
an Ruchrat werden ausgelöscht wie Lichter.
Du wirst dich beugen
dem Urteil uns´rer Kirch und seiner Richter.

Unsres Glaubens heil´ge Mutter
Ist erzürnt ob solcher Reden.
Zucht und Ordnung hast du Ruchrat
Schmählich in den Schmutz getreten.

Zwiespalt deiner Zunge Worte
spiegelt Zwiespalt deines Herzens.
Fromme Männer deiner Sorte
Sah´n der Scheiter rote Glut.

Doch nicht gut
wär das Exempel
für den Tempel
unsrer Frömmigkeit.

Knie nieder, sei bereit!
Und sei´s auch nur der Lippen loses Werben.
Erspart es dir den Tod, ein grausam Flammensterben.

SPRECHCHOR GERICHT


Doch sollst du leben
und Zeugnis geben.

RUCHRAT


Ich beuge mich – ich widerrufe!

VOLK


Er beugt sich – er widerruft!


ZEIT

bringt die Ketten.

SPRECHER


Die Zeit hält ihren Atem an.
Die Zeit heilt große Wunden.
Die Zeit ist reif für jedermann.
Die Zeit hat´s überwunden.
Die Zeit trägt heut´ ein neu Gesicht.
Die Zeit beginnt zu werben.
Die Zeit geht mit uns zu Gericht.
Die Zeit … wird niemals sterben.

3. Aufzug (5. Bild)
(Gleiches Bild. Linke Bühnenseite Gericht. Rechte Seite Weinfass auf einem Wagen. Zwei Planken zum Boden. Winzer, Vater Ruchrat, steht auf dem Wagen und verkeilt das Fass.)

TEUFEL

tritt aus dem Gericht hervor.
Ei Winzer, grüß dich in Teufels Namen. Erinnerst du dich meiner? Sieh her, das Erkennungszeichen, das Hufeisen!
Mein Gehörn freilich, das habe ich versteckt. Schon der Leute wegen in der Stadt. Du weißt, es ist nicht gut, als Fremdling in einer andren Stadt. Nicht auffallen heißt die Devise. Der lange weite Umhang tarnt mich als Wanderer. Schau nicht so christlich drein. Das stört mich sehr. Erinnre dich an die Unwetter im April. Drüben unterm Pferdekopf im Rosssteinwingert hast du mir ein Versprechen gegeben. Jedes Jahr ein Fass vom deinem besten Wein soll mir gehören. Nun bin ich gekommen, es zu holen.

VATER RUCHRAT


Ich denn dich nicht, Fremdling.

TEUFEL


Du kennst mich nicht? Soll ich deinem Gedächtnis nachhelfen? Wer stand denn in Mainz vor dem Gericht? Wer hat rebelliert gegen die Schrift und gegen die Lehren? Dein eigen Fleisch und Blut. Wer wurde verurteilt und den Ketten anvertraut? Dein geliebter Sohn Johannes, der Rebell und Ketzer!

VATER RUCHRAT


Schweig still!

TEUFEL


Du willst es nicht hören. Steck nur den Kopf in den Sand. Ich werde berichten, wie er da stand und mit sich rang, den Fängen von Neptun und Bacchus zwar widerstand, aber der weltlich Gerechtigkeit anheimfiel.
Die Umwelt wird euch noch lange beschäftigen. Sie wird euch Kopfzerbrechen bereiten. Genauso, wie dein gelehriger Sohn zerbrochen ist an der Zeit und an seiner Umwelt, werden Generationen vor die Hunde gehen.

VATER RUCHRAT


Du frevelst schlimmer als der Hannes.

TEUFEL


Das ist mein Geschäft. Und nun zu uns.
Erinnerst du dich jetzt an mich?

VATER RUCHRAT


Du warst ja deutlich genug. Ich steh zu meinem Wort.

TEUFEL


Brav, mein Winzer. Sieh, ich stand zu meinem. Seit unsrer Begegnung überm Strom ward kein Unwetter mehr gesichtet.

VATER RUCHRAT


In der Tat, er hat recht.

TEUFEL


Der Teufel hat immer recht.
Wie gut ist der Tropfen?

VATER RUCHRAT


Viel zu gut für dich!

TEUFEL


Das Beste ist grad noch gut für mich.

VATER RUCHRAT


Gestatte, dass ich lache.

TEUFEL


Lach nur, lach nur, den letzten Zug mach ich.
Doch zuerst lass mich kosten. Der Teufel kaufet
Niemals eine Katz im Sack.



VATER RUCHRAT


Fürwahr, du bist der Teufel.

TEUFEL


Ja ich bin´s und wird´ es ewig bleiben.

VATER RUCHRAT


Du bist ein abtrünniger Erzengel.

TEUFEL


Genau, der bin ich. Und ich habe mir ein Reich erbaut nach meinen Maximen. Ich dulde keinen Herrscher über mir. Selbstständig hab ich mich gemacht., genauso wie der Johannes. Doch der ist gescheitert. Er hat seinen Irrlehren abgeschworen. Dieser Tor!
Ich habe meine Residenz aufgebaut auf den Schwächen der Menschen, auf den Unzulänglichkeiten der denkenden Kreatur. Ich habe Helfer und Helfershelfer in meinen Reihen. Sie führen Kriege und gewinnen Schlachten. Die Menschheit unterstützt sie in ihren Bestrebungen. Ihre Gedanken werden verwirrt und … in die Irre geleitet.

ZWEI BÜRGER

kommen des Wegs und grüßen.


Grüß euch Gott, Winzer. Habt wohl einen Käufer gefunden für euern Wein.
(Bürger gehen aus dem Bild.)



VATER RUCHRAT

ruft ihnen nach:


Es scheint so, es scheint so.

TEUFEL


Der Beelzebub soll sie holen mitsamt ihren frommen Grüßen. Und nun zu dir, geplagtes Vaterherz. Der Kirchenbann wird auf deinem Sohne lasten und Ketten werden ihn umschließen, solange wir beide im Geschäft stehen. Ich bin es gewesen, der die Sinne des Gerichtes verwirrt hat und mein Helfer, die ZEIT, hat das Übrige vollbracht. Bedenke, der Mensch, ob Bürger oder Professeur, er ist das Produkt seiner Umwelt.

VATER RUCHRAT

nimmt einen Schlauch, löst den Spund und hält den Schlauch in das Fass, saugt an dem Schlauch und lässt goldenen Wein in das Glas laufen, das er aus seiner Rocktasche hervorzaubert.
Koste nur, er ist zu schad´ für dich. Es sollt´ ein Messwein werden für das Abendmahl.

TEUFEL


Lass die Sprüche, ich mag sie nicht hören. Lange genug hab ich mir das fromme Gesabbel auf der Richterbank angehört. Gib her und lass mich prüfen.
TEUFEL nimmt das Glas, hält es gegen das Licht, riecht und schlürft den Wein.
Bei meiner Großmutter, ein edler Tropfen. Der mundet sogar dem Fürst der Hölle.

VATER RUCHRAT


Es ist ja auch ein Backofen.

TEUFEL


Gut gewählt, der Name Backofen.

VATER RUCHRAT


Tritt heran und halt das Fass. Ich will die Keile rasch befestigen. Dort kommen Leute aus der Stadt. Wir wollen Aufsehen vermeiden.

TEUFEL

tritt zwischen die Planken und stemmt sich gegen das Fass, während Vater Ruchrat die Keile sichtbar löst. Der Winzer hebt die Keile hoch, das Fass rollt über die Planken zu Boden und droht den Teufel zu überrollen. Der springt zur Seite. Aber das Fass überrollt seinen Fuß. Das Hufeisen löst sich.


Aah – aah! (schreiend)

Betrug, Betrug, Winzerlist, Betrug!
(Teufel verschwindet hinter der Bühne.)



SPRECHER


Menschenlist hat Teufelslist überwunden. Mit Argumenten ist keinem Bösewicht beizukommen. Der Bann ist gebrochen. Im selbigen Augenblick, als der Teufel aus Oberwesel verschwunden ist, fielen die Ketten des Johannes Ruchrat, der zum Rebellen geworden, der allen Versuchungen standgehalten und der nun frei ist.

JOHANNES RUCHRAT

tritt vor. Seine Ketten fallen, und aus der Reihe der maskierten Richter verschwindet einer hinter einem roten Magnesiumfeuer.





SPRECHER


Der Teufel saß nicht nur in den Herzen jener Menschen. Er war unter uns und saß sogar im Gericht. Die Zeit des unruhigen 15. Jahrhunderts war noch nicht reif. Ihr Namenlosen, (zum Publikum gewandt)

die ihr die Geschich-
te jenes Rebellen gehört und nachempfunden habt, urteilt selbst.

RUCHRAT


Hebe Adler deine Schwinge.
Zünde Mond an dein Geleucht.
Dass dem Herzen aller Dinge
Nimmermehr die Lieb verscheucht.

(Orgeltöne und Glockengeläute)



Der Tag heißt Freude.
Freude heißt auch der Triumph.
Wenn aus Bemühen ein Gelingen
Und Ende ohne Bitternis gezeugt.

Ziel kommt vor Start.
Und Wesensart
Vermählet sich mit gutem Tun
Das ist rechtschaffen, ungebeugt.

Zeig her dein Herz
Gesinnung ist geboren.
Und himmelwärts
Ward keiner je verloren.


- Ende -




Wer je ein Buch geboren,
weiß um Bitternis und Ringen,
was schwarz auf weiß
organisch sich verdingt,
auf Seiten in Kapiteln,
ist dem Urteil preis
gegeben und verloren.

Wie Fleisch und Blut
der Prüfung
les´geübter Aug´ und Ohren,
was sprachbewusst nach Achtung ringt.
Doch steh´n die Wörter
wie Eisen und wie Fels.

Und nur die Zeit
vermag daran zu schleifen
was noch nicht rund.
Ihr könntet ungelesen
Geschriebenes beiseite tun.
Ihr könntet Blatt für Blatt verbrennen.
Doch werdet ihr den Geist
vom Buche niemals trennen.





Impressum

Texte: (c) Alle Rechte beim Autor.
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Heimatstadt Oberwesel im Tal der Loreley

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