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Für meine Liebsten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Handlung dieses Romans, sowie die handelnden Personen sind frei erfunden.

Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Schwartz, Stephanie M.

Alle Rechte vorbehalten.

Der Inhalt dieses Buches ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung nicht vervielfältigt oder weitergegeben werden.

1.

Wie beinahe jeden Tag um diese Uhrzeit holte der Wecker Carolina unsanft aus dem Tiefschlaf. Wieder einmal wachte sie aus diesem seltsamen Traum über Baywatch auf, der sie in letzter Zeit immer häufiger beschäftigte. Warum wurde sie diese Träume einfach nicht los? Immerhin war es Jahre her, seit sie das letzte Mal die Serie gesehen hatte. Noch schlimmer war allerdings, dass ihr diese dunkelhaarige Schauspielerin nicht mehr aus dem Kopf ging.

Ein warmes Gefühl durchströmte sie, als das Gesicht der Frau vor ihrem geistigen Auge vorüberzog.

Mit einer Handbewegung wischt sie das Bild von sich und wälzte sich murrend aus ihrem Bett. Es wurde langsam notwendig, dass sie ihr Zimmer wieder einmal aufräumte. Dieses Durcheinander war mittlerweile selbst für ihre Verhältnisse zu viel.

Aus den kleineren und größeren Kleiderhaufen fischte Carolina ein Paar Socken und einen Tanga, die sauber aussahen und nicht stanken. Die Schranktür stand offen und für einige Augenblicke betrachtete sie sich im darin angebrachten Spiegel.

Wirklich hübsch fand sie sich nicht, auch wenn sie sich über mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Jungs nicht beschweren konnte. Gut, der Bauch war schön flach und das Piercing darin, von dem ihre Eltern nichts wussten, glitzerte aufregend.

Aber sonst?

Die Oberschenkel waren zu dick, die Hüfte zu breit. Das was dort zu viel war schien dafür an ihrem Busen zu fehlen. Ein mickriges A-Körbchen. Damit war Carolina mehr als unzufrieden.

Warum hatte sie nicht die Brüste ihrer Mutter geerbt? Die waren schön groß und auch nach vier Kindern und mit über 40 noch fest und straff.

Gähnend kratzte sie über ihren Bauch und schloss die Schranktür. Für heute hatte sie sich genug über ihren Körper geärgert. Der anstehende Tag verdarb ihr ohnehin bereits so kurz nach dem Aufstehen die Laune. Ein typischer Schultag eben.

Der einzige Lichtblick war, wie eigentlich immer, dass sie Philip jetzt gleich im Bus treffen würde. Er war wirklich ein Traum von einem Jungen und jede ihrer Freundinnen war von Neid zerfressen, dass ausgerechnet sie ihn sich geangelt hatte.

Seit über drei Monaten waren sie nun bereits zusammen und langsam aber sicher wurde es ernst. Philip war mittlerweile bereits bis in ihr Höschen vorgedrungen und drängte immer mehr darauf mit ihr zu schlafen. Noch war sich Carolina nicht wirklich sicher, ob sie das auch wirklich wollte.

Allerdings fühlte sie langsam aber sicher den Druck, der von allen Seiten auf sie einzudringen schien. Ihre Freundinnen waren alle keine Jungfrauen mehr und so manche trieb es bereits jetzt schon mehr als wild. Carolina war dafür, dass sie ihren Spaß hatten, doch für sich selbst, sah sie die Sache etwas konservativer.

Nicht, dass ihr etwas an dem Häutchen liegen würde oder, dass sie gar Angst vor dem ersten Mal gehabt hätte. Aber sie wusste nicht, ob Philip wirklich der Richtige dafür war.

Etwas fehlte einfach.

Noch konnte Carolina nicht mit dem Finger darauf zeigen, doch sie wusste es. Die Beziehung zwischen ihnen war nicht so, wie sie es sich erträumt hatte. Sie mochte Philip, das stand außer Frage, doch Liebe?

War das wirklich Liebe, was sie fühlte? Wenn ja, dann übertrieben Sänger und Drehbuchschreiber wirklich maßlos.

Abermals öffnete Carolina die Schranktür und blickte sich selbst in die grünen Augen. Das schwarze, lange Haar wirkte fettig und nicht sonderlich gepflegt, doch sie hatte am Vortag keine Lust gehabt, es zu waschen.

Wieder wanderte ihr Blick an ihrem nackten Körper hinab und mit einem Kopfschütteln schlug sie die Tür wieder zu.

›Es wird so oder so bald passieren‹, dachte sie, ›Dann doch lieber mit einem Typen, den ich mag.‹

Ihre Hand strich über ihren Bauch, hinab zu ihrem Schamhaar. Seit zwei Wochen hatte sie sich nicht mehr rasiert. Es störte sie auch nicht, denn so dicht wuchsen sie noch nicht, doch vielleicht würde es Philip stören.

Bevor sie in ihren Tanga schlüpfte, beschloss sie, sich am Abend ein Bad zu gönnen und sich wieder einmal gründlich zu rasieren.

Als sie ihre Socken angezogen hatte fehlte noch ein BH. Genervt ging Carolina auf die Knie und durchwühlte die verschiedenen Wäschehaufen, bis sie endlich einen gefunden hatte. Wie es der Zufall wollte, passte der sogar farblich einigermaßen zu ihrer Unterhose.

Im gleichen Haufen fand sie auch ihren schwarzroten Rock mit Rautenmuster und eine weiße Bluse. Zwar hatte das etwas von einer Schuluniform, doch sie mochte es.

Noch einmal öffnete sie ihre Schranktür und stellte sich vor den Spiegel. Rock und Bluse waren schnell angezogen und es ging ans Styling. Mit schnellen Griffen teilte Carolina ihre schwarzen Haare in zwei Zöpfe, links und rechts über den Ohren und befestigte sie mit zwei großen, roten Schleifen.

Ihr Blick fiel auf ihre alte Hello-Kitty-Wanduhr. Die Farbe war bereits ausgeblasst und die Zeiger etwas verbogen, doch sie hing an dieser Verbindung zu ihrer Kindheit.

Kurz vor sechs Uhr, Carolina war bereits spät dran. Allerdings musste sie vorsichtig und leise sein, denn die Familie schlief bestimmt noch.

Vorsichtig öffnete sie die Tür und huschte hinüber ins Badezimmer. Auch hier herrschte das Chaos. Das war allerdings nicht weiter verwunderlich. Immerhin benutzten nur sie und ihren drei Geschwistern dieses Bad und waren auch dafür verantwortlich, dass es sauber gehalten wurde. Kein Wunder also, dass das nicht wirklich funktionierte.

Auf dem höchsten der Regale standen Carolinas Sachen. Sie musste sie dort oben in Sicherheit bringen, damit Stefanie, ihre kleine Schwester, sich nicht noch einmal mit ihrem wasserfesten Kajal selbst tätowieren konnte. Allerdings war sie mittlerweile fünf Jahre alt und sollte es eigentlich besser wissen.

Das helle Gesichtspuder ließ ihre sonst eher dunkle Haut beinahe weiß erscheinen. Wie immer am Morgen von einer eher düsteren Stimmung beseelt, geriet der Kajalstrich viel zu dick, was sie mit dunklem Lidschatten und schwarzer Wimperntusche allerdings auch kaum kaschierte.

Die Lippen zeichnete sie mit einem knallroten Lippenstift nach und betonte das rechts neben ihrer Lippe gelegene Muttermal. Am Schluss sprühte Carolina noch etwas Deo unter die Achseln, indem sie die Hand mit der Dose in ihre Bluse schob.

Sie machte ein paar Schritte zurück und betrachtete sich im Spiegel. Anscheinend nannte man den Stil Gothic-Lolita, aber sie glaubte eher es wäre mehr in Richtung Punk angesiedelt. Allerdings war es ihr auch egal, es war ihr Stil, den sie für sich selbst entwickelt hatte.

Gedankenverloren schluckte sie die Pille und erkannte, dass noch etwas fehlte.

Natürlich!

Die blickdichte Strumpfhose.

Schnell huschte Carolina zurück in ihr Zimmer, zog die weiße Strumpfhose an, die schwarzen Strümpfe darüber und suchte ihre letzten Sachen für die Schule zusammen.

Als der Rucksack gepackt war ging es leise hinunter ins Untergeschoss des Hauses. Eigentlich war ihr ja auch egal, wenn ihre Geschwister aufwachten, doch die waren wie kleine Steine, die eine Lawine in Gang setzten. Sie würden ihre Eltern aufwecken. Mama und Papa kamen nach unten und sahen ihre Älteste. Dann könnte sie sich wieder eine Standpauke über ihren Aufzug anhören. Und genau das fehlte ihr noch um diese Uhrzeit.

Frühstücken wollte sie nicht, aber Carolina packte einen Apfel für die Schule ein, damit sie wenigstens etwas zwischen die Zähne bekam. Zu viel wollte sie ohnehin nicht essen, sonst würde sich ihr Arsch noch weiter ausdehnen und das wollte sie unbedingt vermeiden.

Der Blick auf die Uhr verriet, dass es allmählich Zeit wurde, zum Schulbus zu gehen. Der Weg zur Haltestelle war zwar nicht sehr weit, doch wie immer geriet sie gleich unter die anderen Schüler, die auch auf dem Weg waren. Und wie immer dauerte es auch nicht lange bis die ersten blöden Sprüche kamen. Man zog sie wegen ihrer Kleidung auf oder weil sie noch Jungfrau war und Carolina revanchierte sich mit Sprüchen über ihre Pickelgesichter und Minischwänze. Insgeheim trafen die Sticheleien Carolina jedoch tiefer, als sie es sich selbst eingestand. Einerseits waren es nur Kinder und selbst die würden wohl irgendwann erwachsen werden. Andererseits bildeten sie den Kern der Gesellschaft. Die angepasste Masse, sozusagen.

Wie würden sie sich wohl in Zukunft verhalten. Würden sie weiterhin jedem Fremden derart feindlich gegenüberstehen? Oder würden sie bereit sein sich Neuem zu öffnen, Anderes zu akzeptieren oder gar selbst über ihren Schatten zu springen?

Für Carolina war dies eine rein rhetorische Frage. Sie hielt die Masse der Menschen ohnehin für dumm. Je mehr Menschen sich zu einem Haufen zusammenrotteten, umso dümmer und irrationaler wurden sie. Das schien ein Naturgesetz zu sein. Nicht anders war es hier. Wer zu schwach war sich selbst zu erkennen und zu akzeptieren, der passte sich der Masse an und übernahm ihren Geschmack und ihre Vorlieben.

Nein, sie würden sich nie ändern, schloss Caro still für sich ab und diese Einsicht machte sie doch etwas traurig. Immerhin stellten diese Kinder, genauso wie sie selbst, die Zukunft dar.

Nach außen wirkte Carolina selbstsicher, als könnten ihr der Spott und die Sprüche nichts anhaben. Doch innerlich war sie zerbrechlicher als ihr selbst bewusst war. Ihre Kleidung war für sie wie eine Maske. Hinter ihr konnte sie sich selbstbewusst geben. Außerdem brachte sie ihr Aussehen oft ins Gespräch, wenn sie niemanden kannte. Andererseits schreckte es auch ab, doch damit konnte sie leben.

Carolina war nicht dumm, auch wenn sie sich gerne so stellte. Jungs in ihrem Alter konnten mit klugen Mädchen nicht umgehen. Vermutlich genauso wenig wie die meisten Männer mit intelligenten Frauen. Sie fühlten sich von ihnen bedroht oder in ihrer Männlichkeit angegriffen oder welch lächerliche Gründe dahinter auch stecken mochten. Caro wusste es nicht und es war ihr auch egal. Sie hatte sich damit abgefunden ständig aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt und nicht für voll genommen zu werden. Doch sie würde es allen beweisen!

An der Haltestelle wartete bereits Lily auf sie. Lily war ihre beste Freundin, schon seit sie gemeinsam in den Kindergarten gegangen waren. Sie war ähnlich gekleidet wie Carolina und hätte sie nicht knallrote Haare gehabt, hätte man sie gar für Zwillinge halten können.

Wie jeden Tag begrüßten sie sich mit einem Kuss auf den Mund. Die Jungs lästerten immer über die, wie sie meinten, Lesben, die sich jeden Tag küssten, doch die Mädchen reagierten nicht darauf.

Insgeheim musste sich Carolina sogar eingestehen, dass es immer einer der schönsten Momente des Tages war, wenn sie Lily küsste. Es war so angenehm ihre Lippen zu fühlen, so weich und zärtlich.

Carolina schnitt eine Grimasse und wischte den Gedanken beiseite.

Mit Philip war es schöner, versicherte sie sich mehrfach, als sie in den Bus stiegen.

Da saß er auch schon. Wie immer breit grinsend und mit seiner Baseballkappe. Wortlos zog er sie auf seinen Schoß und steckte Carolina seine Zunge so tief es ging in den Hals.

›Als wäre mein Hals ein Glas und er fischt mit seiner Zunge nach der letzten Olive darin‹, schoss Carolina durch den Kopf.

Wirklich gut küssen konnte er nicht, aber wenn es ans Streicheln ging, dann war er sehr zärtlich. Zumindest fühlte es sich schön an, wenn er sie berührte.

»Hi mein Süßer, wie geht’s dir?«, wollte sie wissen, nachdem er von ihr abgelassen hatte und rutschte von seinem Schoß auf den Platz neben ihn.

»Super. Was tust du heute nach der Schule? Meine Eltern sind nicht daheim.«

Er war selten direkt, das war typisch für ihn.

Warum sagte er nicht einfach, was er wirklich dachte: ›Komm zu mir und lass mich endlich zwischen deine Beine!‹

Irgendwie mochte Carolina doch genau dieses Verhalten an ihm. Auch wenn er es nicht aussprach, so wusste sie doch gleich, woran sie war. Und waren sie alleine, dann lag sowieso alles in seiner Hand. Es gefiel ihr, dass er die Zügel in die Hand nahm und sie führte. Allerdings ob sie wirklich heute mit ihm den Nachmittag alleine verbringen wollte, wusste sie noch nicht.

Ihre Zweifel verdrängend antwortete sie, ohne groß darüber nachzudenken: »Cool, klingt gut.«

Die Fahrt zur Schule nahm ihren gewohnten Lauf. Wie immer fummelte Philip etwas ungestüm und alles andere als zärtlich an ihren Brüsten herum, während er ihr seine Zunge so tief er konnte, in den Hals steckte. Doch es störte Carolina nicht weiter. In gewisser Weise war es doch auch angenehm.

Hand in Hand wanderten sie von der Haltestelle in die Garderobe und dann hinauf zu ihren Klassen. Da blieb er schließlich stehen und sah Carolina tief in die Augen.

»Dann sehen wir uns nach der Schule? Du fährst einfach gleich mit zu mir?«

»Klar können wir machen. Bis dann«, hauchte sie und wandte sich ab.

Abermals stiegen Zweifel in ihr hoch, doch sie unterdrückte sie, wie bereits so oft. Es würde seinen Weg gehen. Das war nun einmal so.

 

Obwohl es ein Freitag war und nur sechs Stunden am Plan standen, wollte die Zeit nicht vergehen. Besonders die letzten zwei Stunden Sport würden wieder anstrengend und vor allem nervend.

Vielleicht sollte sie über Regelschmerzen klagen, dann dürfte sie aussetzen, aber das konnte sie kaum. Nicht schon wieder! So oft hatte niemand die Regel, das würde sicher auch Frau Schuster auffallen.

Nein, sie würde in den sauren Apfel beißen müssen. Und ihrem Arsch würde etwas Bewegung bestimmt auch nicht schaden. Außerdem mochte sie Frau Schuster.

Die Mädchen im Umkleideraum waren laut wie immer. Carolina war die Einzige, die mit wirklich allen der Mädchen befreundet war und auch in der Klasse war sie sehr beliebt. Ihre Maske half ihr dabei sich zu verstellen. Keiner wusste, wie es in ihr aussah. Wenn sie ehrlich zu sich war, wusste sie es selbst nicht genau.

Ihre Klasse verstand sich ohnehin als Einheit. Es gab nur einen Außenseiter, mit dem sich niemand verstand und der allerdings auch nicht versuchte sich in diese Gruppe zu integrieren.

Wie jedes Mal wanderte ihr Blick unbewusst durch die Umkleide, als die Mädchen in Unterwäsche dastanden. Sie war sich dessen zwar bewusst, konnte es aber nicht verhindern. Unwillkürlich musterte sie die andern Mädchen und verglich sich mit ihnen. Viele hatten bereits eine viel weiblichere Figur als sie, aber auch einige, die noch immer sehr knabenhaft wirkten. Doch am besten gefiel ihr Kisha.

Kisha war die Tochter eines Einwanderers aus dem Kongo, der eine Einheimische geheiratet hatte. Die Mulattin hatte eine wunderschöne, dunkle Haut und bereits mit fünfzehn einen äußerst sinnlichen Körper. Ihre großen, mandelförmigen Augen wirkten so offen und in den unzähligen, engen Locken hätte sie am liebsten ihre Hände vergraben.

Mit einer Handbewegung wischte sie auch diese Gedanken von sich. Immer wieder in letzter Zeit wurde sie davon überrascht und immer weniger war sie dazu in der Lage sich dagegen zu wehren.

Nach über einer Stunde Volleyball war sie erschöpft, verschwitzt und freute sich bereits auf eine heiße Dusche. Glücklicherweise mussten sie nicht mit den Jungs der Klasse Sport machen. Vierzehn Mädchen unter sich waren viel angenehmer und sie musste sich nicht mit der sinnlosen Brutalität und Aggressivität der Jungs herumplagen.

Wie immer war Carolina eine der Letzten in der Dusche. Sie timte das immer so, denn so konnte sie einen Blick auf all ihre Mitschülerinnen werfen.

Der Vergleich mit ihnen gab Carolina ein Gefühl der Sicherheit. Sie konnte sich davon überzeugen, dass sie ihr körperlich nicht so weit voraus waren, wie sie manchmal dachte. Aber dieser Vergleich war nicht der wahre Grund.

Der dampferfüllte Raum leerte sich mit der Zeit zusehends und immer wieder ertappte sich Carolina wie sie ihren Freundinnen kurz nachstarrte, als sie zurück in die Umkleide gingen, um sich wieder anzuziehen.

»Ciao Mädels«, tönte die Stimme von Frau Schuster durch die Garderobe, »Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!«

Die Lehrer benutzten immer die gleiche Dusche wie die Schüler, wenn auch immer erst nach ihnen. Es dauerte nicht lange, bis der schlanke, durchtrainierte Körper von Carolinas Lehrerin in den dichten Dampfschwaden auftauchte.

»Oh, hallo Carolina. Noch nicht fertig?«

»Nein, Frau Professor. Ich bin immer etwas langsamer, weil ich das warme Wasser genieße.«

Frau Schuster lachte. Es war ein glockenhelles, aufrichtiges Lachen. Wenn sie bloß einmal zu ihr käme und Carolina berührte.

Erschrocken über diesen Gedanken fühlte das Mädchen, wie sie langsam rot wurde. Sofort begann sie ihre Haare intensiver zu waschen um sich davon abzulenken.

»Ich verstehe dich gut, ich genieße es auch, besonders wenn es draußen kalt ist«, sagte Frau Schuster.

Etwas entspannter seifte sich Carolina ein und streifte dabei immer wieder ihre Klitoris, was sofort ein warmes Gefühl in ihrem Bauch auslöste. Sie beobachtete ihre Lehrerin, deren Körper von den unzähligen Wassertropfen glänzte. Wie gern würde sie diese von der glatten, hellen Haut von Frau Schuster ablecken.

Entsetzt schüttelte Carolina den Kopf und stellte das Wasser ab. Sie war bereits stark erregt und fühlte ,wie sie abermals rot wurde. Hoffentlich bemerkte die Professorin das nicht.

»Ein schönes Wochenende«, wünschte Carolina mit gesenktem Kopf und hörte die Erwiderung erst, als sie bereits in der Umkleide war.

Schnell trocknete sie sich ab, die erogenen Zonen so gut wie möglich aussparend um sich nicht noch mehr in Fahrt zu bringen und zog sich an.

Woher kam bloß diese ungewohnt starke Erregung? Und warum immer dann, wenn sie an Frau Schuster dachte?

Ein Blick auf die Uhr bewies, dass sie kaum noch Zeit hatte. Der Bus würde nicht auf sie warten.

Sie hetzte durch die Gänge runter in die Garderobe, zog ihre Straßenschuhe an und rannte den Weg hinter der Schule entlang bis zur Haltestelle. Der Bus stand noch da, aber viel zu viele Schüler drängten sich, wie immer, in die beiden Busse.

Laut dem, was in den Bussen stand, wie viele Passagiere sie befördern durften, wären die Verkehrsbetriebe noch nicht einmal mit dreien ausgekommen. Aber so quetschte man sich einfach hinein und auch Carolina fand noch einen Platz direkt an der Eingangstür.

Irgendwo musste hier auch Philip sein, doch sie konnte ihn nicht entdecken.

Im selben Augenblick läutete ihr Handy.

»Ja?«

»Hey Baby, wo bist du?«

»Ich bin im Bus und du?«, antwortete sie leicht genervt.

»Ich auch. Ich hoffe, du vergisst jetzt dann nicht auf mich?«

»Nein, nein, ich steige bei dir aus.«

»Gut, dann bis gleich.«

Der Bus ruckte an und Carolina wurde gegen Kisha gedrückt. Für einen Augenblick spürte sie ihre weichen Brüste, roch das nach Blumen duftende Shampoo und fühlte ein seltsames, vertrautes Gefühl, ehe sie sich wieder von ihr trennte.

»Sorry.«

»Kein Problem. Gehst du heute fort?«, fragte Kisha.

»Ich weiß nicht. Philip hat heute sturmfrei.«

»Oh«, machte ihre Freundin leise und lächelte wissend, »Endlich der Abschied von der Jungfräulichkeit?«

»Ich weiß nicht Kisha. Ich weiß nicht, ob ich dafür schon bereit bin«, antwortete Caroline, »Und das ist nun wirklich nicht der richtige Ort für solche Gespräche.«

»Ach was«, lachte Kisha, »Kein Mensch hört uns hier zu. Pass auf: Ficken!«

Carolina fühlte, wie sie errötete, doch niemand kümmerte sich um das, was Kisha gesagt hatte.

»Siehst du«, meinte sie triumphierend, »Das erste Mal ist nicht so schlimm, wie man denkt. Ich fand es ganz schön, auch wenn mich der Kerl danach total verarscht hat.«

»Vielleicht hast du ja recht«, gab Carolina zu, »Aber ich habe meine Zweifel. Auch an Philip.«

»He, wir sind fünfzehn«, antwortete Kisha, »Meine Mutter war mit dem Alter schon mit mir schwanger.«

»Ich weiß.«

»Du siehst allerdings nicht so aus, als ob du es wolltest.«

»Müssen wir wirklich hier darüber reden, Kisha?«

»Hier ist so gut wie woanders auch.«

Sie lächelte und zeigte ihre wunderbaren, weißen Zähne. In Carolina stieg plötzlich das Verlangen auf ihr ein Kompliment zu machen, doch sie unterließ es.

»Also?«, fragte Kisha und legte ihre Hand auf Carolinas Schulter.

Die Stelle an der ihre Schulkameradin sie berührte, schien heiß zu werden.

»Es ist nichts. Ich weiß nur nicht, ob er der Richtige ist«, antwortete Carolina schließlich flüsternd.

»Ach was«, machte Kisha, »Wenn du auf den Richtigen wartest, entgeht dir unendlich viel Spaß, das kannst du mir glauben. Und selbst wenn es dir nicht gefällt, dann gibt es noch so viele Jungs da draußen. He, du siehst doch gut aus, auf deine etwas abgedrehte Art. Und irgendwann kommt der Richtige und du hast schon Erfahrung und es wird besser als du dir jemals vorstellen könntest!«

Kisha lachte abermals und drückte Carolina an sich. Die wünschte, dieser Moment würde ewig dauern, doch viel zu schnell lösten sie sich wieder voneinander.

»Du hast bestimmt recht«, meinte Carolina, »Ob jetzt mit ihm oder mit jemand anderem ist auch schon egal.«

»Meine Rede. Mehr Spaß für uns Mädel!«, lachte Kisha, »Das erste Mal wird sowieso überbewertet. Normalerweise ist es Scheiße, weil oft beide nicht wissen, was sie tun. Wirklich gut wird es erst mit der Zeit. Wenn du weißt, was du willst und er sich etwas besser auskennt.

Außerdem wird die Jungfräulichkeit überbewertet. Dieser ganze Reinheits-Scheiß, das geht mir sowieso auf die Nerven.«

»Um das geht es mir nicht«, antwortete Carolina, »Es ist kompliziert. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt will. Ach, vergiss es.«

»Hast du Angst vor den Schmerzen oder was?«

»Vergiss es, ich glaube, ich tu es einfach. Dann hab ich es endlich hinter mir.«

Der Bus hielt in einer kleinen Ortschaft. Wie immer war an diesen Stellen das Gedränge am größten und auch für Kisha war es an der Zeit auszusteigen.

»Also wir sehen uns vielleicht heute Abend. Vielleicht bist ja dann um ein paar Erfahrungen reicher«, meinte Kisha, zwinkerte und verließ den Bus.

»Vielleicht«, erwiderte Carolina mit schwacher Stimme.

»Ruf mich an!«, rief Kisha dem Bus hinterher, der sich langsam wieder in Bewegung gesetzt hatte.

 

Noch immer war Carolina verwirrt. Woher kamen dieses Gefühl der Geborgenheit und Wärme, dass sie in Kishas Gegenwart gespürt hatte?

Woher kam diese unheimliche Anziehung, die von ihr und Frau Schuster ausging?

Das alles war nicht richtig. Sie sollte sich von Jungs angezogen fühlen, nein, sie fühlte sich von Jungs angezogen. Zumindest glaubte Carolina das. Allerdings mochte sie auch Mädchen, wie ihr ein weiteres Mal klar wurde.

Natürlich gefiel ihr auch Philip. Warum auch nicht? Er war ein hübscher Kerl, nett, zärtlich, treu. Aber trotzdem fehlte etwas.

Wenn sie sich küssten, dann war da zwar eine gewisse Spannung und es war durchaus befriedigend, wenn er sie streichelte, aber dennoch fehlte etwas. Was es war konnte sie einfach nicht sagen.

Vielleicht war es einfach, weil sie ihn nicht wirklich liebte.

Erschrocken über diese Erkenntnis hielt sie ich die Hände vor den Mund, als wollte sie verhindern, dass sie die Worte aussprach.

Nein, wenn sie ehrlich mit sich war, dann liebte sie Philip nicht. Sie mochte ihn, verbrachte gern Zeit mit ihm, aber es war bestimmt keine Liebe.

Der Bus leerte sich zusehends und hielt schließlich endlich in der Nähe des Hauses von Philips Eltern.

In diesem winzigen Kaff gab es nicht viel außer zwei Gasthäusern, einem kleinen Geschäft und ein paar Wohnhäusern. Wenn er am Wochenende fortgehen wollte, musste Philip in den nächsten Ort fahren. Wenigstens hatte er schon ein Auto und seit ein paar Monaten auch den Führerschein, wenn auch mit Einschränkungen, weil er erst siebzehn war.

Kaum war Carolina aus dem Bus gestiegen, kam auch er aus der hinteren Türe. Erst ignorierte er sie vollständig und verabschiedete sich von seinen Freunden, doch dann kam er endlich zu ihr. Ungestüm packte er Carolina um die Hüften und drückte sich fest an sie. Wie immer drängte seine Zunge forsch zwischen ihre Zähne und suchte die ihre, während seine Hände sanft, aber bestimmt über ihre kleinen Brüste streichelten.

»He«, meinte Carolina neckisch, »heb dir was für später auf.«

Ohne weitere Worte marschierten sie Hand in Hand zum Haus von Philips Eltern und direkt hinauf in sein Zimmer. Als er die Tür schloss, wurde Carolina ganz flau im Magen, während sie sich auf dem Bett ausstreckte.

Obwohl sie alleine im Haus waren verschloss Philip die Zimmertür, ehe er sich neben sie ins Bett fallen ließ.

Carolina wurde sich in diesem Moment gleich mehrerer Dinge bewusst. Es würde passieren. Hier und heute. Und morgen wüsste sie, ob sie es noch ertragen, könnte auch weiterhin mit Philip zusammenzubleiben.

Sie schloss ihre Augen und fühlte Philips Atem auf ihrer Haut. Seine Hände, wie sie langsam über ihren Körper streichelten und sie unterdrückte ein Stöhnen.

Es würde passieren.

Es musste endlich passieren.

Carolina hatte keine Angst davor. Dennoch war sie froh, als die aufkommende Erregung ihre Zweifel langsam abtötete und ihre Bewusstsein vernebelte.

2.

Lange hatte die Beziehung mit Philip nicht gehalten. Die Zeit war zwar wie im Flug vergangen, aber wahre Liebe kam, vor allem von Carolinas Seite, nie auf. Also beendete sie schließlich die Geschichte, bevor es sich noch mehr vertiefte und die Trennung noch schmerzhafter wurde.

Es folgte ein Jahr, in dem sich ihr Privatleben las, wie das Drehbuch eines schlecht geschriebenen Pornos. Freund kam nach Freund, Affäre folgte auf Affäre. Carolina fühlte sich wie getrieben. Sie war auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit. Doch mittlerweile war sie sich darüber im Klaren, dass sie genau das in ihren oberflächlichen Sexbeziehungen niemals finden würde.

Also nahm sie sich vor, vorerst einfach nur Spaß zu haben und das Leben zu genießen. So folgte weiterhin Mann auf Mann, One-Night-Stands wechselten sich mit Beziehungen ab, die jedoch nie länger als ein paar Monate hielten.

Immer häufiger ertappte sich Carolina allerdings dabei, dass sie selbst während des Sex an Kisha oder Frau Schuster dachte. Was sie in den Momenten zwar irritierte, ihr andererseits zu größter Lust verhalf.

Ansonsten hatte sich in den letzten beiden Jahren kaum etwas geändert. Außer, dass sie mittlerweile um einiges zufriedener mit ihrer Figur war. Zwar waren ihre Hüften noch immer viel zu breit und ihr Arsch zu groß, doch nachdem ihre Brüste einen wahren Wachstumsschub hinter sich und nun drei Körbchengrößen zugelegt hatten, passte wenigstens das Gesamtbild. Zumindest fand das Carolina.

Doch erst als Lily und später auch Kisha feste Freunde fanden, mit denen sich auch ernsthafte Beziehungen entwickelten, beruhigte sich Caro langsam wieder.

Es war Montagmorgen und sie lag mit offenen Augen im Bett. Der Wecker hatte noch nicht geläutet, aber ihr ging zu viel durch den Kopf, um wieder einschlafen zu können. Sie hatte bisher mit fünfundzwanzig verschiedenen Männern geschlafen, rekapitulierte sie.

Der jüngste war siebzehn gewesen, der älteste zweiunddreißig. Jeder war besser als der andere, zumindest hatte sie den Eindruck. Sie hätte auch nicht behaupten können, ihr hätte der Sex nicht gefallen. Sie fühlte sich, mehr oder weniger, jedes Mal befriedigt. Doch das war es auch. Es schien keine Nähe zu den Männern zu geben, kein Gefühl der Geborgenheit.

Das fehlte.

Seit Monaten fühlte sie nun diese unendliche Leere in sich, die immer mehr von ihrem Selbst Besitz zu ergreifen schien. Eine unerfüllbare Leere, wie ein gähnendes schwarzes Loch, das sich aufmachte, ihre Seele zu verschlingen.

In den vielen Stunden, die sie immer wieder wach im Bett gelegen hatte, versuchte sie sich darüber klar zu werden, was sie vermisste. Was sie brauchte, um diese Leere in sich zu füllen. Langsam kristallisierte sich eine Antwort auf all ihre Fragen heraus. Und diese Antwort machte ihr Angst.

Immer wenn sie an Kisha, Lily oder Frau Schuster dachte schien sich diese Leere für einen kurzen Augenblick zu füllen. Es war, als würden ihre Gesichter wie Kerzen einen dunklen Raum erhellen, der sich dort befand, wo eigentlich Carolinas Herz sein sollte. Doch das Licht währte immer nur kurz, ehe sich ihr Geist dagegen auflehnte.

›Nein, das kann nicht sein. Das ist nicht richtig so!‹, dachte sie und glitt aus dem Bett.

Im Dunkeln schlich sie an ihren Laptop und schaltete ihn ein. Das vertraute Summen ertönte und es dauerte einige Zeit, bis er endlich hochgefahren war. Die Systemzeit zeigte 4:18, der Wecker würde erst um 5:45 läuten, so

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 13.01.2015
ISBN: 978-3-7368-7105-2

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