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Pepe lebte in einem kleinen Dorf in Norddeutschland auf dem Bauernhof. Seit dem Tod seiner Frau musste er sich alleine um seine Tiere kümmern. Wieder stand Weihnachten vor der Tür.
Pep hatte heute eine Einladung für die Festtage von seiner Tochter aus Frankfurt bekommen. Mit der Fahrkarte. Er saß am Tisch und hielt den Brief ganz fest in der Hand und dachte nach. Vor allem über seine Tiere.
Wer sollte die Kühe melken, die Hühner und die Schweine füttern na ja, das müsste er noch sehen. Er ging zum Wandkalender. Heute war der 8. Dezember, also ein paar Tage Zeit hätte er ja noch. Vielleicht käme er ja doch mal ins Dorf, um mit ein paar Leuten zu quatschen und jemanden zu finden, der aushelfen könnte.
Pepe überlegte schon, was er für die Feiertage mitnehmen soll. Festliche Kleidung hatte er überhaupt nicht, wovon soll er sich die auch leisten? Von dem bisschen Geld, dass er für die Milch bekommt? Auf jeden Fall freute er sich auf den Frankfurter Weihnachtsmarkt. Die vielen Lichter und den großen Tannenbaum am Römer, den er nur aus dem Fernsehen kannte. Denn hier um seinen Hof herum findet er alles so trist und dunkel. Und ruhig bia auf die Tiergeräusche, die er jeden Tag hörte.
Am nächsten Tag war Pepe unten im Dorf auf dem Wochenmarkt und erzählte stolz von seiner Reise, die er vorhatte. Andere Bäuerinnen beneideten ihn aber keineswegs. „Und meinst du, Weihnachten in der Großstadt ist besser“ fragte die eine . „Und wer kümmert sich um deinen Hof“ die andere. „Ja, das ist noch das einzige Problem. Hast du einen Vorschlag?“ gab Pepe prompt zurück. Die Bäuerin drehte sich nach links. „Schau mal, da an dem Obststand steht meine ehemalige Magd, ich glaub die sucht Beschäftigung und noch weitaus mehr, die hab ich letztens gefeuert. Pepe dachte sich den Rest. „Egal,, Hauptsache ich habe jemanden. „Danke“ sagte er noch und war schon in Richtung Obststand.
Die nächsten Tage hatte unser Bauer noch jede Menge zu tun. Ihm wurde wieder bewusst, dass er weder ordentliche Kleidung noch Geschenke für seine Kinder hatte. Na ja, er könnte ja noch in den Kaufhäusern nach was Schönem zum Anziehen schauen, vielleicht fände er auch noch Geschenke auf dem Weihnachtsmarkt.
Der Anreisetag war gekommen. Und bereits gegen acht Uhr saß Pepe im Zug. Träumend schaute er hinaus. Allels zog vorbei. Er zog vorbei. Vorbei an der Küste, an den Marschen, an Kornfeldern, Kühen und Pferden. Er wusste, dass Viele diese Landschaft liebten und hier gerne ihren Urlaub verbringen, aber momentan fand er alles trist hier oben, noch war kein einziger beleuchteter Baum zu sehen. Pepe sah einen Tunnel kommen und weitere und schloss seine Augen. Irgendwann war die Tunnelphase vorbei und er erkannte die ersten größeren Städte. Teilweise sah er beleuchtete Firmenschilder auf Dächern. Und auch die ersten Lichtertannen hier und da. Wie schön müsste es erst sein, wenn er in Frankfurt wäre. Bevor er zu seinen Kinder ginge, würde er seinen kleinen Koffer an der Hauptwache in ein Schließfach stellen und über den Weihnachtsmarkt laufen. Mit der großen Tanne und den ganz vielen Lichtern. – Pepe war ganz in seine Gedanken an ein Lichtermeer vertieft, als er bereits die ersten Hochhäuser Frankfurts sah. Er staunte und wurde fast geblendet von den vielen Neonleuchten und Lichtern rundherum. Endlich war der Zug am Hauptbahnhof, endlich durfte er aussteigen. Er wusste, dass es noch zwei Stationen mit der S-Bahn weiterging bis zur Hauptwache. Bereits auf dem Hauptbahnhof staunte er über die Menschenmasse, aber hier war es noch schlimmer. Er hatte sich noch nicht ganz nach oben zur Zeil begeben, als er eine kleine Holzbude sah. Mit Lichterkette natürlich. Was bei ihm daheim fehlte. Er hatte nur fast abgebrannte Kerzen. Und oben auf dem Platz über der S-Bahn Station wurde er fast umgerannt. Menschenmassen im Lichterglanz, soweit er sehen konnte. Aber die Menschen rannten nur so aneinander vorbei. Im Dorf war das ganz anders, da kannte man die Meisten und grüßte natürlich. Pepe erkannte das Schild, wo es zum Römer ging, da wo die riesengroße beleuchtete Tanne stand. Würden ihre Lichter überhaupt noch wirken wenn hier überall Lichter sind?
Also, die Zeil und den großen Platz hier verlassen und durch die enge Gasse. In der Mitte Bude an Bude. Und was die zum Verkauf anboten? Wer brauchte sowas wie Figuren aus Keramik, Glas und Holz, das sind doch nur Staubfänger. Hatte er deshalb eine so lange Reise angetreten? Mit der Menschenmasse die Straße überqueren, angerempelt werden, Achtung Straßenbahn! Am liebsten wäre er schon unten am Main, wo sicher nicht mehr so viel Rummel und Geschiebe wäre. Dort über den Eisernen Steg und am anderen Ende der Brücke wollten ihn seine Tochter mit ihren Kindern empfangen.
Der Gang über den großen Weihnachtsmarkt war ja eine Reise für sich. Hatte er sich das so vorgestellt? Tiere in einem kleine abgezäunten Bereich zum Anschauen? Wie hatte er sich über die ersten Lichter gefreut, die er auf der Bahnfahrt erblickte. Aber hier, diese vielen Lampen, Lämpchen und leuchtende Schilder aller Art, würden die Wärme nach innen ausstrahlen? Und Bettler auf dem Boden sitzend, das hatte er in seinem Dorf noch nicht gesehen.
Es wurde bereits dunkel. Als Pepe vom Römer aus Richtung Mainufer überhaupt nicht mehr durch die Menschenmasse kam drehte er sich wieder um und schlängelte sich Richtung Hauptwache. zurück. Er wollte sich eine Seitengasse suchen, wo er vor dem Treiben seine Ruhe hatte und sicher schneller vorwärts, d.h. wieder Richtung Main kommen würde. Auch wenn er bisher keine Geschenke gefunden hatte. Auch wenn er noch nicht in einem Kaufhaus zumindest nach einem neuen Hemd Ausschau gehalten hatte. Was für ein Lärm hier. Autohupen, Karusellmusik, Kindergeschrei und Töne aus einem Leierkasten. Mit einem Male wurde die große Geräuschkulisse übertönt. Kirchenglocken hörte er. Ganz aus der Nähe. Er lauschte. Ein junger Mann stand gerade vor der Liebfrauenkirche und rief. Treten Sie ein, gleich um 19 Uhr ist Adventssingen. Pepe überlegte nicht lange, vergaß alles um sich herum und trat ein. Wie lange lief er schon kreuz und quer hier herum oder – besser gesagt – wurde geschoben. Ein Sitzplatz täte ihm jetzt bestimmt auch gut. Er entschied sich für die hinterste Reihe und schaute sich um. Eine gewisse Ruhe umgab ihn, was ihm jetzt gut tat. Pepe bestaunte die Fensterbilder und schaute dann ganz intensiv in die Kerzenlichter am Altar. Das war es, was er suchte. Vergessen waren die Menschenmassen, seine wartenden Kinder, der Lärm und die vielen Lichter da draußen. Ein Chor stellte sich nun fast geräuschlos auf. Pepe nahm das Advents-Liederheft in die Hand. Und noch während er darin blätterte, ertönte ganz leise: Es kommt ein Schiff geladen. Pepe hörte andächtig zu und dachte bei sich. Seine Reise nach Frankfurt hatte sich doch gelohnt. Und auf sein Zuhause würde er sich auch wieder freuen. Obwohl er keine großen Kaufhäuser in der Nähe hat. Obwohl er nur Kerzen statt Lichterketten besitzt. Trotz seiner vielen Tiere, die ihm Dreck und Arbeit machten. Auf einmal wurde er aus seinen Gedanken gerissen, es wurde wesentlich lauter denn Jeder hier in dem heiligen Raum sang nun. Die Nacht ist vorgedrungen.

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Tag der Veröffentlichung: 18.12.2009

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