Vermutlich hat der Leser bereits eine ganz konkrete Vorstellung davon, was ein Haiku überhaupt ist. Möglicherweise ergab sich das Interesse auch aus der Unwissenheit heraus, bedingt durch die Neugierde für Lyrik im Allgemeinen. Daher erscheint eine kleine Einführung angemessen. Haiku ist natürlich kein deutsches Wort, sondern ein japanisches. Es steht für eine Gattung von Gedichten, die durch ihre Kürze auffallen. Stets finden sich drei Verse, deren Silbenzahl festgelegt ist. Der erste Vers mit 5 Silben, der zweite mit 7 und der dritte Vers abermals mit 5. Genauer gesagt müßte man eigentlich von Moren sprechen, aber die gibt es im Deutschen nicht, weshalb uns das wenig kümmert. Auf dem Titelbild sind merkwürdige Schriftzeichen abgebildet, die ein japanisches Beispielgedicht zeigen. Haiku werden im Japanischen nämlich nicht in den Hieroglyphen notiert, die dem Europäer unwillkürlich an die Bildzeichen der alten Ägypter erinnern, sondern in der Silbenschrift Hiragana. Der Wortlaut der Verse ist wie folgt:
shiroi kumo
tori hayaku tobu
aoi sora
Übersetzung:
Weiße Wolken
Vögel fliegen schnell
Blauer Himmel
Wenn man das Haiku (sachlicher Artikel, weil es im Japanischen keine Artikel gibt, Plural bei Substantiven auch nicht) nun als Deutscher liest, so wird man feststellen, daß die oben angegebenen Silbenzahlen nicht passen. Wir lesen ungefähr folgendes: Schi-roi-ku-mo, also 4 Silben, der zweite Vers paßt, der dritte abermals nicht: a-oi-so-ra. Wenn man sich nun das
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2015
ISBN: 978-3-7396-2822-6
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