Cover

Vorwort

Liebe Leser,

Im Gegensatz zur ersten Folge dieser Reihe stammen unsere Hauptakteure aus der Unterschicht, was sich auch sprachlich niederschlägt. Das könnte vielleicht dem einen oder anderen Leser mißfallen, doch möge man an das Milieu denken, in dem die Handlung stattfindet. Ganz unten am Rande der Gesellschaft, da spricht man nun einmal anders. Da wird geflucht, geschimpft und mit Ghettobegriffen um sich geworfen. Tatsächlich habe ich mich beim Erzähler eh zurückgehalten, obwohl er eine der Hauptfiguren ist. Trotzdem ist natürlich die Sprache erstens vulgärer und zweitens auch sexistischer, was eigentlich nicht meinem Stil entspricht und daher eine besondere Herausforderung war. All zu sehr übertreiben wollte ich es im Hinblick auf ästhetische Motive auch wieder nicht. Daher möge man die gemäßigte Umsetzung als das verstehen, was sie ist: sie soll andeuten, wie es dort zugeht, aber nicht maßlos übertreiben, um ein Abgleiten ins Satirische zu vermeiden.

Der Ich-Erzähler AB wollte zu diesem Thema auch noch ein paar Worte sagen und ich mußte ihm versprechen, ihn wörtlich zu zitieren:

"Natürlich muß es Nigger heißen, weil das haben wir immer so gesagt. Jetzt komm mir nicht an, so von wegen, du mußt Afroamerikaner oder Schwarzer schreiben, Alter. Politische Korrektheit interessiert mich einen Scheißdreck, Mann. Ich komme aus Skid Row, Nigger. Da kommst du mit so einer Scheiße nicht weit. Wenn du so einen Mist in meinem Namen verbreitest, dann werde ich dir die **** ****, Alter."

Dann hielt er mir seine Faust entgegen und ich schlug in Ghettomanier ein. Ja, so war das. Und wenn AB sagt, ich soll "Nigger" schreiben, dann mache ich das auch, das ist klar. Weil sonst kommt er in ein paar Jahren wirklich zu mir und beschwert sich, ich hätte ihn beleidigt, weil ich ihn als Schwarzen titulierte, obwohl seine Haut weißer ist als meine. Ihr wißt nach der Lektüre selbst, wie der Typ drauf ist. Das geht gar nicht. Also wie gesagt, ich habe mich ganz an das gehalten, was mir AB erzählt hat und habe das literarisch so umgesetzt, weil er selbst das natürlich nicht so kann, das ist klar. So von wegen Bildung und Verständnis für Literatur. Deshalb hat er auch mich beauftragt, seine Lebensgeschichte zu erzählen, was mir bei aller Bescheidenheit eindrucksvoll gelungen ist. AB war begeistert, als ich ihm die Erstfassung vorgelesen habe.

Band 3 dieser Reihe wird Anfang November erscheinen und handelt von einem Auftragskiller, der auf das schöne Hawaii bestellt wird, um dort aktiv zu werden. An dieser Stelle wünsche ich jedoch erst einmal viel Freude beim Schmökern des vorliegenden Kurzromans.

 

Der Autor

Die Drogengang von Los Angeles

Wir wollten unbedingt das große Geld. Möglichst rasch, am besten ohne zu arbeiten. Denn mit einem normalen Gehalt wird man nie reich, egal wie lange man auch malocht. Dafür sorgten schon die laufenden Lebenshaltungskosten, die Steuern und die Inflation. Das wurde uns allen schnell klar. Wir, das waren Hotdog, ein fetter Neger, der diesen Spitznamen einem ausgeprägten Fettwulst im Nacken verdankte. Ohne Scheiß, ich habe nie jemanden gesehen, der ähnlich dick war wie er. Manche vorn zu flach geratene Tussi wäre sicherlich neidisch auf seine Titten, die erschreckende Ausmaße annahmen. Eine schwabbelige Fleischmasse, die eine Handspanne locker ausfüllte. Der Wanst eine einzige Ansammlung von Speck, der ausreichte, ihn vor dem Ertrinken zu bewahren. Entsprechend behäbig bewegte er sich fort.

Dann war da noch Lee, das genaue Gegenteil. Schmächtig, klein, ein Strich in der Landschaft, beinahe unterernährt. Man bekam beinahe Mitleid mit seiner physischen Verfassung. Seine Schlitzaugen hatte er von seinem chinesischen Vater geerbt. Was er von seiner Mutter, einer Latinaschlampe, hatte, das wußte er selbst nicht, weil sie sich nach seiner Geburt abgesetzt hatte, um mit irgendeinem neureichen Wichser aus Brooklyn durchzubrennen. Eigentlich hieß er zwar Chan, aber es weiß doch jeder, daß alle Chinesen Lee heißen. Also nannte man ihn eben so oder Schlitzi, wenn man ihn ärgern wollte, denn das hörte er nicht sehr gern. Aber uns beiden verzieh er das immer.

Meine Wenigkeit stelle ich auch noch vor. Damit habe ich bis zum Schluß gewartet wegen Respekt vor den anderen, aus Höflichkeit und alles. Mich nannte man nur AB. Das steht für arische Bruderschaft. Ja, das ist eine lustige Sache. Ich habe da mal während der verfluchten Schulzeit in Geschichte dem verdammten Lehrer erzählen müssen, daß die Neger vor dem amerikanischen Bürgerkrieg gar nicht unterdrückt worden seien, weil die hatten ja eine lebenslange Arbeitsplatzgarantie. Schau dir dagegen mal die heutige Arbeitslosenquote in New York an! Vor allem Neger sind davon überproportional betroffen. Jedenfalls meinte der Penner von Pauker, ich spräche wie einer von der arischen Bruderschaft. Das fanden alle ziemlich lustig. Seitdem trug ich eben diesen Spitznamen. Als einer der wenigen meines Jahrgangs mit lauter weißen Vorfahren mußte es wohl so kommen. Manchmal nannten sie mich auch „weißer Nigger“, weil ich mit ihnen im selben abgefackten Viertel hauste, in dem Schwarze eben in der Mehrzahl waren. Ja, so war das.

Wir drei kannten uns seit der High School, Basketballplatz, aus dem Hood (Viertel), fürs College waren wir ohnehin nicht fit genug. Wir saßen auch gemeinsam auf der Straße, denn uns wollte keiner haben. Manchmal reichte es bereits aus, wenn man das Viertel nannte, aus dem man stammte. Reduzierte die Einstellungschancen rapide.

Lee hatte mal 'ne Stelle bei einer Autowerkstatt gefunden, aber da flog er raus, weil er Ersatzteile mitgehen ließ. In einer Konservenfabrik lief es besser, zumindest solange, bis der Chef von der alten Sache erfuhr und ihn hochkant hinauswarf.

Hotdog war ohnehin zu fett, wodurch ihn keiner wollte. Kannst du ihn dir vielleicht bei der Post vorstellen? Der schafft es in der Stunde vielleicht drei Briefe auszutragen. Naja, bei einem Schnellrestaurant stellte man ihn sogar ein, aber er hat den Streß nicht lange durchgehalten. Lee und ich haben ihn mal während seiner Schicht besucht. Der hat geschwitzt wie eine Sau. Alter, war das geil! Der hat uns mit Ach und Krach unsere Burger herangekarrt, hat geschnauft wie ein Walroß und die Achseln waren völlig durchgeschwitzt. Wir haben so derbe gelacht.

Meiner einer hat es bei einem Supermarkt an der Kasse probiert, aber das ist ja Ausbeutung. Hab gekündigt, weil verarschen kann ich mich selbst. Für die paar Piepen ist das echt unterbezahlt, besonders zu den Stoßzeiten. Bei einer Tankstelle war ich auch, aber da mußte ich immer ziemlich früh aufstehen. Hab ein paar mal verpennt, da hat mich das Arschloch von Chef rausgeworfen. Naja, das war mir eh zu gefährlich geworden, denn während der paar Wochen, wo ich da Dienst schob, wurden wir gleich zweimal überfallen von irgendwelchen Wichsern. Ist nicht so lustig, wenn dir jemand eine Knarre vor die Nase hält und du das Arschloch bist, das ohne Knarre hinter der Kasse steht.

Wir saßen also alle wieder auf der Straße herum und brachten uns mit Besorgungen aller Art mehr schlecht als recht durch. Hier mal ein Auto aufgebrochen, dort mal ein kleiner Überfall. Nie wirklich schlimme Sachen, so Kleinkriminalität halt.

Wir waren übrigens alle gebürtig in Los Angeles, der zweitgrößten Stadt der USA nach New York. Entsprechend laut ging es hier zu, ein ständiges Kommen und Gehen. Nachtschichtarbeiter, von denen es nicht wenige gab, kamen tagsüber kaum zum Schlafen, doch in der Nacht war es auch nicht wirklich ruhig. An bestimmten Tagen lag ein dichter Smog über den Straßenschluchten. Weiß der Geier, welchen Dreck man hier einatmete. Bemitleidenswerte Massen vegetierten hier, gingen von früh bis spät zur Arbeit, hausten tagein, tagaus in einem grauenerregenden Schmelztiegel, in dem die Kulturen aber dennoch nicht verschmolzen. Voneinander getrennt lebten hier Kaukasier, Neger, Asiaten und Latinos. Vor allem letztere waren optisch in der Überzahl, auch spanisch hörte man recht häufig. Bei uns im Viertel nicht, denn wir waren hier im Armenviertel Skid Row. Offiziell hieß das Ganze zwar Central City East, aber vom Rathaus aus sieht alles ganz anders aus. Wenn man selbst in einem ebenso teuren wie noblen Viertel wohnt und die weniger bevorzugten Gegenden nur von der Stadtkarte her kennt, dann sieht man einiges ganz anders. Sitzt man hingegen mitten in der Scheiße, dann nennt man sie meistens auch so. Wobei man dazu sagen muß, daß wir eh noch zu den Reichsten in unserem Bezirk gehörten. Worauf wir uns aber wenig darauf einbildeten, denn im Vergleich zu anderen Bewohnern dieser großartigen Stadt hatten wir nicht viel davon.

Eines Tages saßen wir wieder mal in unserem Viertel und haben eine geraucht. Da meinte Hotdog:

„Jo, ich hab da eine Idee, wie wir an richtig viel Kohle herankommen, Alter.“

„Laß mich raten“, setzte Lee an, ohne mit der Wimper zu zucken sprach er ernsthaft weiter. „Wir werden Zuhälter und du gehst für uns auf den Straßenstrich?“

„Scheiße Mann, nein, ich kenne da so einen Typen in Mexiko, der kann uns Stoff besorgen.“

Lee warf seinen Joint weg.

„Woher kennst du 'nen Typen aus Mexiko, Mann?“

„Ich hab da meine Kontakte. Das ist ein Kumpel von Bomber.“

Mehr sagte er nicht. Bomber war irgendein Möchtegern-Boxer, den Hotdog mal bei einer Sauferei kennengelernt hatte oder wie auch immer. Der wollte ganz groß rauskommen wie Mohammed Ali, boxte aber noch immer in derselben üblen Kaschemme unten in Inglewood.

„Von wem redest du denn, Alter?“ erinnerte sich Lee nicht.

„Nigger, ich spreche von dem Typen, mit dem wir vor drei Wochen einen gesoffen haben. Der Kerl, der aussieht wie Tracy Murray.“

Hotdog immer mit seinen Basketballspielern. Der eine Nigger schwärmte für Baseball, der andere für Basketball und ich mittendrin, obwohl mich weder das eine noch das andere faszinierte. Ist doch alles Scheiße, der Profisport sowieso. Doch in einem hatte Fettsack Recht – der Typ machte tatsächlich ordentlich was her. Ein Hüne von einem Kerl. Mit dem willst du keinen Ärger haben.

„Ach ja, das Riesenbaby. Und der kennt einen Mexikaner?“ wiederholte Lee ungläubig.

„Ja klar, bei dem Motherfucker läuft es ja momentan nicht so gut mit dem Boxen, obwohl er eine gute Statur hat. Kein Manager bringt ihn groß heraus, der ist total sauer, Alter. Deshalb hat er sich mal nach einer Nebeneinkunft umgesehen. Der Nigger aus Mexiko beschafft ihm Stoff, aber alleine kann er das nicht durchziehen. Dafür braucht er uns. Wir nehmen den Scheiß in Empfang und liefern es dann weiter an die Spaghettis. Die kaufen direkt bei den Mexikanern und wir kassieren 2 % Provision für den Transport, Alter.“

„Du willst mit Drogen handeln?“ faßte Lee zusammen. „Weißt du auch, wie schnell man da in den Knast kommt, Mann?“

„Keine Sorge, Papa macht das schon. Ich passe auf und ihr zwei Nigger gebt mir Schützenhilfe. Zu dritt sind wir unschlagbar. Was wollen die denn unternehmen? Wir holen das Zeug bei den Mexikanern ab, fahren damit durch die Gegend und schon machen wir ein paar tausend pro Nase. Steuerfrei! Die Bullen merken das nicht mal.“

Ehrlich gesagt gefiel mir der Gedanke nicht besonders, Zwischenhändler für ein Drogenkartell zu spielen. Das stank nach Risiko wie alter Fisch. Einen besseren Einfall hatte ich aber auch nicht.

„Das wird schon“, meinte Hotdog. „Denkt einfach an die Knete. Da kann nichts schiefgehen. Seid ihr dabei?“

Lee blickte mich von der Seite an, ich sah weiter zu Hotdog, dessen schwammige Visage eine Antwort erwartete.

„Ist eh alles Scheiße, völlig egal, was wir machen“, zuckte ich mit den Schultern. „Bevor wir unser halbes Leben hier herumsitzen ...“

„Sag ich doch! Lee, was ist mit dir, Mann?“

Unser Schlitzauge machte seinem Namen alle Ehre, denn er kniff die Augen ganz eng zusammen, was die Linienform weiter verstärkte. Ihm war klar, daß wir beide erwarteten, daß er zumindest einen Schnaufer tat, aber nichts geschah. Er räusperte sich und spuckte auf die Straße. Seit er sich regelmäßig einen Joint reinzog, warf er Schleim gelblicher Farbe aus, der nun auf dem Teer austrocknen würde, sofern kein unachtsamer Nigger hineintrat.

„Ok“, akzeptierte Lee. „Versuchen wir es.“

Hotdog klatschte sich mit seinen Pranken begeistert auf die Schenkel.

„Ihr werdet schon sehen, wir ziehen das durch. Das ist unsere Chance. Ich rufe gleich mal Bomber an.“

Über dreihundert Pfund Speck setzten sich langsam in Bewegung. Er sah beinahe wie ein Pinguin aus, als er den Bürgersteig entlang zur nächsten Telefonzelle watschelte. Manchmal verwunderte es, daß er mit seiner Leibesfülle überhaupt in die kleine Telefonzelle paßte. Nach wenigen Minuten kam er zu uns zurück.

„Am Freitag abend bei Gary's“, ließ er uns wissen. Das war eine

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 02.10.2015
ISBN: 978-3-7396-1636-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meinem alten Kumpel AB gewidmet, den ich im Gefängnis besuchte, wo er mir seine Lebensgeschichte erzählte.

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