Im Jahre 1948 verfaßte George Orwell einen Klassiker der dystopischen Literatur, der eine Welt in der Zukunft beschreibt, in der die herrschende Klasse unter anderem eine aktive Sprachsteuerung durchführt. Dies wird im Roman als „Neusprech“ tituliert. Beispielhaft sei etwa die Reduktion der Adjektive „gut“ sowie „schlecht“ aufgeführt. Stattdessen benutzt man im Neusprech „gut“ und „ungut“. Die Steigerung erfolgt mit einem plus. Also zum Beispiel plusgut („besser“) beziehungsweise plusungut („schlechter“). Was sich im Roman noch recht lustig anhört, das ist in Wirklichkeit gar nicht so weit von uns entfernt. Wir erleben es sogar bereits alltäglich, obgleich es nicht auf derart triviale Weise passiert. Die Manipulation der Sprache wird mit Hochdruck betrieben, um politisch motivierte Ziele zu verfolgen. Dabei geht es natürlich nicht um die Sache an sich, auch wenn das meistens behauptet wird, sondern es geht einzig und allein um Kontrolle. Um die Macht einer Gruppe, die den anderen vorschreiben will, was sie zu sagen haben, welche Wörter sie zu benutzen haben. Wer dieses „Neudeutsch“ verwendet, der wird als Anhänger der gemeinsamen Idee verstanden und akzeptiert, Verweigerer werden als Widersacher der eigenen Position entlarvt, die es zu bekämpfen gilt. Die Macht, die Leute zu zwingen, ist das Zentrum dieser Sprachdoktrin. Ihr sollt so reden, wie es von uns vorgeschrieben wird, lautet die Parole. Ansonsten werden wir alle Hebel in Bewegung setzen, um euch unterzubuttern. Aber wir sind natürlich für Freiheit. Eh klar, außer ihr sagt etwas, was wir euch verbieten. Das geht selbstverständlich nicht, weil so frei wollen wir es dann auch wieder nicht haben. Ihr müßt so sprechen, wie wir es definieren, denn auf diese Art manifestiert sich unser Einfluß. Wir sind natürlich die Guten, sowieso. Wehe, wenn jemand etwas anderes behauptet. Den Scheiterhaufen haben wir schon aufgeschichtet.
Beginnen wir ganz unverfänglich mit dem Plural von Substantiven. Im Deutschen gibt es bekanntlich drei verschiedene Artikel, die für die drei Geschlechter stehen, also beispielhaft „das Mädchen“, „die Frau“, „der Mann“. Im Plural wiederum gibt es nur einen einzigen Artikel, nämlich „die“. Jetzt könnte man auf den Gedanken kommen, diese Form sei mit dem weiblichen Artikel identisch. Folglich würden im Plural (Nominativ) sämtliche Substantive verweiblicht werden. Theoretisch könnte man sich um diese logische Folgerung herumdrücken, wenn man konstatiert, daß der weibliche Artikel im Singular zwar identisch aussieht wie der Pluralartikel, aber durch die andere Funktion (Pluralmarkierung) sozusagen separat daseinsberechtigt ist. Das ändert aber nichts daran, daß die beiden „die“ weder lautlich noch graphisch voneinander zu unterscheiden sind, sofern man das Umfeld, also das Substantiv, unberücksichtigt läßt. Ergo gibt es im Deutschen keinen männlichen Pluralartikel. Betrachten wir weiter, wie sich bestimmte Pluralformen ausdrücken, dann gibt es zum einen Fälle, in denen die weibliche und männliche Mehrzahl klar unterscheidbar ist. „Männer“ bezeichnen nur Männer und keine Frauen, „Mädchen“ wiederum nur Frauen, die ziemlich jung sind. Hier gibt es scheinbar keine Probleme. Doch es gibt ja so böse, böse Wörter, denen sieht man es nicht an, ob da Frauen und Männer oder nur oder wie auch immer gemeint sind, so etwa beim Wort „Schüler“. Deshalb findet man immer öfter die Formulierung „Schüler und Schülerinnen“, „Schüler/innen“ oder „SchülerInnen“. Letzteres ist graphologischer Schwachsinn, denn es gibt seit dem Althochdeutschen kein einziges Wort, in dessen Inneren ein Großbuchstabe auftaucht. Höchstens bei Abkürzungen wie z.B. „VfB“, also Fußball jetzt, doch das ist streng genommen kein Wort, sondern nur eine abgekürzte Schreibform für eine Äußerung bestehend aus drei Wörtern. Das „VfB“ ist also eigentlich ein „V. f. B.“, was wiederum „Verein für Ballsportarten“ oder dergleichen heißt. Dann die Form mit dem Schrägstrich in der Mitte … abenteuerlich, höchst ungewöhnlich. Vielleicht könnten wir noch ein paar chinesische Hieroglyphen einführen!?! Aber sehen wir einmal ab von der Schreibung, sondern wenden wir uns lieber dem Inhalt zu. Was bezeichnet denn das Wort „Schüler“? Das sind Personen, die zur Schule gehen oder eine Tätigkeit lernen – man denke hier etwa an Fahrschüler. Was ist folglich der Kern des Wortes „Schüler“? Worauf kommt es an? Auf die Person und dessen Geschlecht oder vielmehr auf die Tätigkeit? Wenn
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 28.09.2014
ISBN: 978-3-7368-5107-8
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