Je nach Anzeigegerät wird die Karte nur sehr klein angezeigt. Daher verweise ich auf die Seite von Baba Nobuharu ( http://babanobuharu.deviantart.com/art/Karte-zum-Roman-Die-letzte-Elfenkoenigin-474286793 ), der diese Grafik freundlicherweise nach meinen Vorgaben erstellt und hochgeladen hat. Die resultierenden Unannehmlichkeiten sind durch die Grenzen dieses Mediums bedingt.
Das Land der Elfen ist im Westen sowie Süden durch den großen Ozean und im Osten durch die hohen Berge eingerahmt, die nur über wenige Pässe gangbar sind. Je weiter man nach Norden gelangt, desto unwirtlicher wird die Umgebung, deren Vegetation allmählich in Buschland übergeht, um sich dann in eine bis zum Horizont reichende Steppe zu verwandeln. Dort hat sich eine eigene Elfenrasse etabliert, die einst aus den Waldelfen hervorgegangen ist, doch eine ganz andere kulturelle Entwicklung genommen hat. Die offene Landschaft, das Fehlen von großen Bäumen und der Zwang auf ebener Erde zu wohnen, hat diese Elfen zäh gemacht. Sie trotzen den eisigen Winden im Herbst und sind die einzigen Elfen, die wilde Pferde gezähmt haben und sie auch zu reiten wissen. Die Steppenelfen besiedeln die großen Ebenen von den Buschländern im Süden bis zu den nördlichsten Gegenden, wo fast das ganze Jahr lang Schnee liegt. Niemand weiß, was noch weiter im Norden liegen mag. Manche behaupten, der ewige Winter.
Die Gebirgsketten im Osten sind das Heimatgebiet der Hochelfen, die, wie der Name es vielleicht irrtümlicherweise vermuten läßt, keineswegs besonders groß sind, sondern lediglich „hoch“ oben wohnen. Flink und von exzellenter Ausdauer findet man unter ihnen die besten Magier der Elfen. Ihre Siedlungen sind häufig an Bergrücken angelehnt oder an exponierten Stellen, die schwer zu erreichen sind, plaziert. In der Provinzhauptstadt Malakor, was soviel heißt wie „Stadt, die hoch oben liegt“, befindet sich das zentrale Wissensarchiv, das sogar noch jenes in der Hauptstadt an Umfang übertrifft, obgleich es sich ausschließlich auf magisches Wissen konzentriert. Aber was hilft einem schon Magie, wenn man ein Feld bestellen möchte? Hierfür taugt weltliche Erfahrung weitaus mehr als Hokuspokus mit farbigen Flüssigkeiten, die zusammengeschüttet irgendwas anderes ergeben. Endlose Wälder bedecken die Urheimat der Elfen, denn niemand hier käme auf den Gedanken, mutwillig einen Baum zu fällen. Bäume sind ihnen heilig und das mag auch der Grund sein, warum man den Tag der Geburt mit einem bestimmten Baum verbindet. Eichen werden mit dem Herbst verbunden, Buchen mit dem Frühling, weil sie als erste austreiben. Jedem Geburtsbaum rechnet man bestimmte Eigenschaften zu, von denen man glaubt, daß sie auf das Neugeborene übergehen. Weidengeborene etwa werden als exzellente Bogenschützen gehandelt. Im Zeichen der Eiche Geborene gelten als die besten Schwertkämpfer, wohingegen das Ahornzeichen für Anführerqualitäten spricht. Denn es war ein Ahorn, unter dessen Schatten ein mythischer Elfenfürst einst zu seiner Armee sprach, ehe er sie in eine siegreiche Schlacht führte. Doch nicht nur in der Mythologie, auch im täglichen Leben haben Bäume eine wichtige Rolle für die zahlenmäßig größte Gruppe, die Waldelfen. Zum Zeitpunkt der Volljährigkeit sucht sich jeder Elf eine Baumart aus, mit der er eine besondere emotionale Verbindung eingeht. Diese Wahl ist unabhängig vom Baumzeichen, sondern spiegelt vielmehr eine Art Leitmotiv wider, das man zu beherzigen trachtet. Kurz: Bäume sind den Waldelfen sehr wichtig. Ihre Siedlungen befinden sich darum auch mitten im Wald, zumeist oberhalb des Erdbodens in Baumhäusern, die über Strickleitern erreicht werden können. Die Häuser wiederum werden zwar teilweise auch mit Holz gebaut, aber dazu sammelt man herumliegende Äste oder verwendet gezimmerte Bretter aus den im Sturm oder wegen Altersschwäche umgefallenen Bäumen. So hat man es seit Urzeiten gehalten und so soll es auch in Zukunft sein, denn kein Elf soll das Leben eines Baumes beenden – so steht es geschrieben im großen Buch, das zahlreiche Gesetze auflistet, die im Verlauf der Jahrhunderte fester Bestandteil der elfischen Kultur wurden.
Die Wälder des Elfenlandes beheimaten mehrere Lebensformen, die den Elfen freundlich gesinnt sind. Die mythischen Einhörner durchstreifen in kleinen Gruppen das Unterholz. Anderswo halten sie manche für Fabelwesen, doch die Pferdeartigen mit dem langen Horn auf der Stirn existieren tatsächlich. Zwar können sie nicht sprechen, aber ihr Gewieher kann praktisch von jedem Elfen verstanden werden – zumindest was die grundsätzliche Stimmungslage der edlen Tiere angeht.
Andere Lebewesen, die mit den Elfen ein enges Bündnis eingegangen sind, wären die Feen. Filigrane Geschöpfe mit kleiner Statur, die allesamt mit durchsichtigen, bläulich schimmernden Flügeln ausgestattet sind. Ihre friedliche Veranlagung hindert sie nicht daran, ihren Wald zu verteidigen, was ihnen auch gelingt, denn sie sind in der Magie äußerst begabt und verstehen es besonders, sich Illusionen zu bedienen, die jeden Eindringling in ihre Gefilde vertreiben.
Doch auch zu den Zwergen bestehen ausgesprochen freundschaftliche Verhältnisse. Südöstlich des vereinten Königreichs der Elfen folgt eine ausgedehnte Hügellandschaft, die rasch in gebirgige Regionen übergeht – dort herrschen die Zwerge. Jene kleinen Gesellen tragen zumeist Bart und ihre bevorzugte Waffe ist die Streitaxt. Sie sind Meister der Schmiedekunst und ihre unterirdisch angelegten Städte sind in der Regel von raffinierten Fallensystemen an den Eingängen geschützt.
Obwohl Zwerge auf Grund ihrer gedrungenen Gestalt auf den ersten Blick nicht besonders gefährlich wirken, sind sie außerordentliche Kämpfer, die vor keinem Gegner zurückschrecken. In den muskulösen, stämmigen Körpern steckt nämlich mehr Kraft als man erahnt. Zwerge sind schlau, listig, aber auch extrem geizig. Nur ungern trennen sie sich von einer verdienten Münze. Ihre Schmiedekunst ist legendär und jeder, der eine Zwergenklinge sein Eigen nennt, kann beruhigt in die nächste Schlacht ziehen, denn er weiß, daß ihn die Waffe nicht im Stich läßt. Im Gegensatz zu den Elfen betrachten sie Bäume lediglich als Holzlieferant und dementsprechend nutzen sie die Nadelwälder in ihrer gebirgigen Heimat. Zum Abstützen ihrer unterirdischen Stollen, für Möbel, Spielzeug und die Werkzeug- sowie Waffenherstellung. Also für den Griff eines Hammers oder dergleichen, denn als Brennmaterial schwört man schon seit langem auf einen schwarzen, großkörnigen Stein, der eine effektivere Hitze ergibt und sich daher zum Schmieden wesentlich besser eignet. Weitreichende Stollenanlagen wurden in die Berge gegraben, um nur diesen Rohstoff zu fördern. Daß man die entstandenen Tunnels nachher für andere Zwecke verwenden kann, ist ein erfreulicher Nebeneffekt. Beispielsweise für die Transportwägen, die – von Dampfmaschinen angetriebenen kleinen Geräten – ohne Kraftanstrengung ganze Städte miteinander verbinden. Zwar sind die Zwergensiedlungen im Prinzip autark, dennoch existieren untereinander Handelsbeziehungen und auch persönliche, die gepflegt werden wollen. Zudem bietet das unterirdische Transportsystem die Möglichkeit, binnen kürzester Zeit größere Truppenkontingente vom überirdischen Feind unbemerkbar hin und her zu verlegen. Natürliche Feinde der Zwerge sind die Riesen – wer hätte es auch anders gedacht? Dabei handelt es sich um urwüchsige, mehrere Meter große Wesen mit ungeheurer Körperstärke, die handwerklich äußerst geschickt sind. In ihrer eigenen Sprache nannten sich die körperlich Überdimensionierten Oger – laut Sprachforschern des Elfenhofs stellt dieses Wort eine Ableitung vom Riesenwort für „gigantisch“ dar. Wobei ein Thema angeschnitten wäre, nämlich die Sprache der Oger. Diese war recht trivial, wie überhaupt alles an diesen Wesen etwas einfach war. Ihr geistiges Untermaß machten sie jedoch mit gewaltigen körperlichen Kräften wieder wett. ‘Pach Krork hieß ihre Hauptstadt jenseits des Meeres. „Pach“ bedeutet dabei so viel wie „Siedlung“ und das „a“ wird lang ausgesprochen. Also nicht wie das „e“ in „Pech“, sondern eher wie das „a“ in „Waage“. In Verbindung mit dem tiefen Rachenlaut am Ende ergab das eine nur für Oger wirklich aussprechbare Kombination. Aber seien wir uns ehrlich – interessiert es uns überhaupt, wie die Riesen das aussprechen? Die Elfen sprachen das eher wie „Pack“ aus und die Menschen, nun, bei ihnen klang es wie „Pech“ mit „a“ anstatt dem „e“.
Ferner sind die Dunkelelfen zu nennen, die nicht nur dem Namen nach mit Elfen verwandt sind. Alte Legenden erzählen davon, wie während der ersten Ära der Elfenherzog der Westprovinz mit einem anderen Herzog um den Königstitel wetteiferte. Dabei verstieß er gegen etliche Gesetze und wurde daraufhin vom Rat der Elfen verstoßen. So kam es, daß er verbittert auszog, um mit seinen Getreuen nach Süden zu wandern. Nachdem er den Ozean überquert hatte, fand er nach längerem Marsch eine fruchtbare Ebene vor, in der er sich mit seinen Gefährten niederließ. Doch irgend etwas mußte seinen Charakter verdorben haben, denn er verfaßte ein Buch, das er seinen Nachfahren als religiöses Leitwerk widmete. Im Lauf der Jahrhunderte entfaltete sich die anfangs kleine, aber fanatische Gemeinschaft zu einem großen Volk, das eine eigenständige Kultur entwickelte. Im Andenken an den Reichsgründer erklärte man dessen schriftliches Werk als heilig und baute den gesamten Staat darauf auf. Soweit, so gut. Nun muß man jedoch wissen, daß das Werk voll von Hetztiraden auf die Elfen steckt, die den verletzten Stolz des Verfassers widerspiegeln. Von Zwergen ist zwar lediglich am Rande die Rede, doch werden auch sie als „dekadente Handlanger der verkommenen Spitzohren“ bezeichnet. Wenig ist bekannt über die Dunkelelfen, bevölkern sie doch eine abgelegene Region, zu der kein Kontakt besteht. Sie sollen auf Riesenspinnen reiten, den Mond anbeten, ihren finsteren Göttern Opfer bringen und des nachts mit den Wölfen heulen. Aber das waren sicherlich nur Schauergeschichten von Fernhändlern. Viel greifbarer waren da die Gnome, die sich selbst Kobolde nannten. An Körperwuchs mit den Zwergen vergleichbar, aber von geradezu schwächlicher Statur mit dünnen Armen, die kaum eine Waffe halten konnten. Sie waren daher als feige verschrien, die grundsätzlich nie angriffen, wenn sie nicht mindestens zehnfach zahlenmäßig überlegen waren. Diese kleinen Gesellen bewohnten in erster Linie die Wüste Ankom, die sich im Osten des Südmeers anschloß. Dort bauten sie ihre primitiven Lehmstädte, in denen sie zu zehntausenden wohnten. An Fruchtbarkeit nahmen sie die erste Position des Kontinents ein. Weiter im Süden, wo abermals ein Gebirgszug in den Himmel strebte, wohnten sie bevorzugt unterirdisch. Diese Lebensart trug dazu bei, daß viele Zwergenwitze eine Anspielung auf Kobolde beinhalteten. Da fällt mir gerade ein entsprechender Witz ein und zwar handelt der von einem Zwerg, der an einer Brücke einen Kobold stehen sieht … aber wir machen eigentlich gar keine Witze über Zwerge, weil man diese kleinen freundlichen Gesellen nicht ständig wegen ihrer Körpergröße diskriminieren sollte.
Drei Tage waren vergangen, seitdem ich mit meinen beiden Begleitern Falkenstein verlassen hatte. Immer gen Westen reitend passierten wir Festung Dunkelwald, ließen den smaragdgrünen Thoralfsee südlich liegen, um über die Berge zu gelangen. Das konnte man beritten nur über den Feratpaß schaffen, doch auch diese Passage galt als beschwerlich. Dort hatten uns Elfenwächter kontrolliert, lag der Paß doch genau auf der Grenze, denn so ohne weiteres gelangte man nicht in das Reich der Spitzohren. Die mochten keine anderen Völker, blieben lieber unter sich, so hieß es. Uns gewährte man jedenfalls die Weiterreise, denn ich war Abgesandter meines Bruders Olaf, des Königs von Falkenstein. Als ältester Sohn hatte er die Krone unseres Vaters erhalten, wohingegen mir die Rolle des Beraters zufiel. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, denn diese Rollenverteilung war von Anfang an so geregelt. Unsere Schwester Clara war mit dem König des Nachbarreiches Ortonien verheiratet. Diese arrangierte Verbindung sollte die Stabilität zwischen unseren Reichen langfristig sichern. Mit den Elfen gedachte mein Bruder eine Art Abkommen zu treffen, das ich in seinem Namen aushandeln sollte. Nachdem wir also das Gebirge hinter uns gelassen hatten, durchquerten wir die große Ebene von Suran, in dessen Zentrum die gleichnamige Stadt lag. Es war die erste größere Elfenstadt, die ich zu Gesicht bekam. Eine sehr beeindruckende Erfahrung. In der Mitte der Stadt ragte ein sich verjüngender spitzer Turm in den Himmel, den man bereits aus weiter Entfernung sehen konnte. Offenbar ein religiöses Bauwerk, denn er erstrahlte im Licht der Sonne gleißend hell, was an seiner weißen Farbe liegen mußte. Doch auch die Wohnhäuser wirkten um ein vielfaches imposanter als die kleinen Häuser in den Dörfern, durch die wir bisher gekommen waren. Mehrstöckige Bauten mit abgerundeten Fensteröffnungen, elegante Backsteinwände, hohe Ziegeldächer mit Verzierungen an den Giebeln. Dazwischen enge Gassen, die auf die größere Hauptstraße mündeten, die direkt auf den großen Turm zuführte. Es sah wirklich prächtig aus. Entsprechend sprachlos bewunderte ich das Treiben, die vielen Bewohner, die durch die Gegend eilten. Einige musterten mich neugierig, wandten sich aber rasch wieder ab. Gaffen war offensichtlich verpönt. Wir kehrten im erstbesten Gasthaus ein, wo für meinen Magen ausgefallene Köstlichkeiten auf der Speisekarte standen, ehe wir unsere Reise fortsetzten, immer zielstrebig nach Westen, wo die Hauptstadt liegen mußte. Immer öfter begegneten uns nun Elfen, die uns zu Pferd oder zu Fuß entgegenkamen. Fast alle grüßten, niemand schien sich besonders wegen unserer Anwesenheit zu wundern. Einer war sogar so neugierig, sich nach dem Ziel unserer Reise zu erkundigen.
„Nach Elanor?“ rief er begeistert. „Da komme ich gerade her. Ihr werdet sehen – eine prachtvolle Stadt, der Stolz im ganzen Reich. Ein paar Tage werdet Ihr aber schon noch unterwegs sein.“
Der Mann hatte nicht gelogen. Wir erreichten sie schließlich am Nachmittag des elften Tages seit unserem Aufbruch von Zuhause. War ich von der Provinzstadt Suran bereits begeistert, so überwältigte mich nun Elanor. Eine monumentale Stadtmauer trennte das Innere vom Äußeren. Alles schien noch größer, noch pompöser. Gleich drei der spitzen Türme ballten sich im Stadtzentrum, wobei sie unterschiedlich hoch waren. Beinahe demütig ritt ich mit meinen Gefährten, die mir letztlich als Leibwächter dienten, auf das Tor zu, das von mehreren Elfen mit langen Lanzen flankiert wurde.
„Halt!“ versperrte einer von ihnen den Weg. „Was ist Euer Begehr?“
„Ich bin Abgesandter König Olafs.“
Zugleich überreichte ich ein Dokument mit dem königlichen Siegel, das meine Aussage bestätigte. Der Wachhauptmann studierte das Papier kurz, ehe er auf einen Stall ganz in der Nähe zeigte.
„Pferde sind in Elanor nicht erlaubt. Wenn Ihr erlaubt, kümmern wir uns um Eure Pferde. Zwei meiner Männer bringen Euch zum Palast.“
Wir folgten den beiden durch ein für mich schwer durchschaubares Gewirr von Straßen, bis wir schließlich in der Nähe eines der weißen Türme ankamen, die mir als Wegweiser dienten. Wir hatten den Palast erreicht. Unsere Eskorte verabschiedete sich und wir wurden von anders gekleideten Soldaten ins Innere des Palastes geführt. Einen Gang entlang, durch mehrere Seitentüren, bis wir einen Vorraum erreichten, in dem ein prachtvoll gekleideter Mann stand. An seiner Seite ein Kurzschwert, einen Bogen locker über die Schulter gehängt.
„Ich muß darauf bestehen, daß Ihr Eure Waffen ablegt“, erklärte der Anführer der Garde, denn nur um einen solchen konnte es sich handeln. Ein Bediensteter des Hofes trüge keine solche Bewaffnung. Sein Gesicht verriet keinerlei Emotionen, weder Ablehnung noch Sympathie. Meine Gefährten legten auf mein Kommando ihre Waffen ab und dann führte man uns in einen geräumigen Saal. Kerzenleuchter zeugten von erhabenem Stil, Säulen aus Marmor stützten die Decke, den Boden schmückte ein buntes Mosaik. Vor einigen Treppenstufen gebot man meinen Leibwachen stehenzubleiben. Nur mir allein gestattete man das Weitergehen. Treppauf ging es zu einem Plateau, das von unten nicht zu erkennen gewesen war, in dessen Mitte ein Springbrunnen stand. Statuen von Schwänen säumten das Gebilde, aus deren Schnäbeln Wasser hervorquoll. Dort am Brunnen stand eine Elfin, mit dem Rücken zu mir. Sie trug ein weißes Kleid, das fast den Boden berührte. Schritt um Schritt verringerte sich der Abstand zu ihr. Als ich bis auf wenige Meter herangekommen war, überlegte ich schon, ob ich räuspern sollte, um auf mich aufmerksam zu machen, doch sie drehte sich von allein herum. Ihr edler Anblick überwältigte mich für einen Moment, wodurch sie es war, die zuerst das Wort ergriff.
„Ihr müßt der Abgesandte sein, den man mir gemeldet hat?“
Der Anflug eines höflichen Lächelns umspielte ihre Lippen. Ich hätte eigentlich sogleich antworten müssen, aber ich war noch immer mit dem Studium ihrer Anmut beschäftigt. Ihre hellblauen Augen zogen mich in ihren Bann, die grazile Nase besaß aristokratische Züge, hellblondes Haar rahmte ihr Gesicht ein, üppig bis auf die Schultern herabwallend, doch ihre spitzen Ohren blieben dennoch sichtbar, was eine eigenartige Erotik versprühte. Das Amulett um ihren Hals war mit roten und blauen Edelsteinen verziert und machte einen äußerst wertvollen Eindruck. Kein Zweifel, mir stand die Königin gegenüber, was mich etwas wunderte, denn man hatte mir gesagt, daß ich mit König Sardon sprechen sollte. Ihr Alter einzuschätzen, das vermochte ich schwerlich. Man erzählte sich gar wundersame Dinge über das mögliche Lebensalter von Elfen. Angeblich sollten sie mehr als tausend Jahre alt werden können, aber diesbezüglich war ich skeptisch. Das nahm ich mir vor herauszufinden.
„Ja“, bestätigte ich. „Mein Bruder, König Olaf, hat mich zu Euch geschickt, um diplomatische Verhandlungen aufzunehmen.“
„Folgt mir“, wies sie mit der Hand in eine Richtung. Sie führte mich durch ein geschwungenes Tor bis in einen kleineren Saal, in dem mehrere bequeme Sessel um einen runden Tisch standen.
„Nehmt doch Platz“, gebot sie mir. „Ihr wollt doch sicher eine kleine Erfrischung?“
Ohne auf meine Antwort zu warten, klatschte sie in die Hände, woraufhin eine Dienerin hereinkam. Sie stellte ein großes Tablett auf den Tisch und stellte die mitgebrachten Köstlichkeiten darauf, ehe sie sich wieder entfernte. In einem Dutzend Schälchen lagen unterschiedlichste Früchte, kandiert, getrocknet, in Öl gelegt, ästhetisch aufbereitet. Auch exotische Leckereien befanden sich darunter, die ich selbst nicht kannte, obgleich es am Hof meines Bruders auch eine Unzahl an Luxusspeisen gab. Ausgiebig probierte ich von allem, dazu trank ich eine Art Wein, der mir sogleich zu Kopf stieg.
„Um auf den Grund meines Kommens zu sprechen zu kommen ...“, setzte ich an, doch die Königin unterbrach mich sanft, aber bestimmt.
„Darüber sprechen wir morgen. Laßt uns heute über andere Dinge reden. Ihr seid zum ersten mal im Reich der Elfen?“
„Ja, das stimmt.“
„Dann werdet Ihr sicherlich manches als gar wundersam erachten.“
„In der Tat“, bestätigte ich. „Also mir wurde gesagt, ich solle mich an den Elfenkönig wenden, dabei wurde ich von Euch empfangen. Also, bitte versteht mich nicht falsch, Ihr habt mich gut willkommen geheißen, aber ich dachte eben, ich würde … also, bei uns …“
„Bei Euch haben Frauen nichts zu sagen?“ vollendete sie meinen Satz. „Es irritiert Euch, daß Ihr mit mir vorlieb nehmen müßt?“
Mann, war ich nervös. „Nein, also … ich weiß nur nicht genau, was das zu bedeuten hat. Wo ist der König?“
Ihre Miene bekam einen enttäuschten Ausdruck und ich bereute unwillkürlich meine Frage.
„Der König ist derzeit verhindert, aber wenn Ihr es bevorzugt, mit ihm zu sprechen, dann werde ich einen Boten entsenden.“
„Nein, nein“, lehnte ich ab. „Eure Gesellschaft ist hervorragend. Ihr seid eine wahrlich perfekte Gastgeberin.“
Daraufhin erklärte ich, daß es bei uns zu Hause so war, daß der König alle politischen Dinge regelte, wohingegen die Königin nur repräsentative Aufgaben erfüllte.
„Ach, jetzt verstehe ich. Bei uns Elfen ist das etwas anders. Frau und Mann ergänzen sich, sie bilden eine Einheit. Der eine spricht für den anderen. Meine Anwesenheit bedeutet also nicht, daß der König sich nicht mit Euch befassen will oder Euer Kommen ihm unangenehm wäre.“
Sie lächelte heiter, wovon ich mich anstecken ließ. Diplomatie ist ein weites Feld, in dem kleine Mißverständnisse stets vorkommen können. Ich hatte in diesem speziellen Fall nicht besonders professionell reagiert. Ob das an ihr lag?
Die Königin hatte mir ein Quartier zuweisen lassen, denn sie wollte am Tag meiner Anreise über keine fachlichen Fragen debattieren. „Schnelle Entscheidungen sind selten gute Entscheidungen“, hatte sie erklärend hinzugefügt. Ich erinnerte mich, diesen Spruch schon einmal gehört zu haben, als ich von einem Berater meines Bruders eine Art Einführung in die elfische Kultur erhielt. Die Elfen hatten viel Geduld. Vielleicht lag das daran, daß sie weniger Schlaf benötigten und dadurch bedingt ihre Tage länger waren. Womöglich trug auch die angeborene Ungeduld der Menschen ihren Anteil daran. Jedenfalls überstürzten sie nichts, was sich mir auch in diesem Fall zeigte. Wir hatten lediglich über Belanglosigkeiten gesprochen, bis meine Erschöpfung wegen der langen Reise bemerkt wurde und man mich in eine unterdessen vorbereitete Unterkunft in einen Seitenflügel des Palastes brachte. Keine billige Absteige, sondern vom allerfeinsten. Selbst der Boden war mit teuerstem Stoff ausgelegt, weshalb ich mich beinahe genierte, mit Schuhen darüber zu gehen. Das Bett flauschig weich, die Möbel mit künstlerisch gefertigten Schnitzereien. Das war kein einfaches Gastzimmer, sondern ein Schlafgemach, das selbst einem König angemessen wäre. In der Nacht schlief ich herrlich und erwachte anderntags, nachdem ich von einer schönen Elfin geträumt hatte, die in einem weißen Kleid an einem Brunnen gestanden hatte. Ein wenig ärgerte ich mich über mich selbst, denn ich hatte scheinbar mein Unterbewußtsein nicht unter Kontrolle. Die erstbeste Elfin, der ich begegnet war, faszinierte mich bereits. Nun gut, „erstbeste“ war leicht untertrieben. Es handelte sich bei ihr um die Königin, die noch dazu verheiratet war. Also durfte ich nicht einmal im Traum an sie denken. Das mußte wohl der Reiz der Elfenfrauen sein, von dem ich in Büchern so viel gelesen hatte. Ja, sie gefiel mir. Ich fieberte dem Augenblick entgegen, in dem ich ihr wieder gegenüberstand, sei es auch nur, um mich an ihrer Anwesenheit zu berauschen. Als Gast mußte ich mich natürlich davor hüten, unbedachte Äußerungen zu tätigen, denn letztlich vertrat ich als Diplomat mein Königreich. Meine Aufgabe war es, mit ihr zu verhandeln, als säße ich dem König persönlich gegenüber. Aber ein bißchen schwärmen, das durfte ich doch wenigstens insgeheim. Immerhin war ich unverheiratet, weil mein Bruder noch keine Ehefrau für mich ausgesucht hatte. Nun, er hatte mir zwar vor etlichen Monaten eine potentielle Kandidatin vorgestellt, aber auf meine Bitte hin, erst in einigen Jahren verheiratet zu werden, hatte er dieses Thema nicht weiter verfolgt, worum ich recht dankbar war. Schließlich war ich noch so jung, da war meine Begeisterung wenig ausgeprägt, eine Dame heiraten zu müssen, die man für mich aussuchte. Um so erfreuter war ich gewesen, als mein Bruder eines Abends zu mir kam, um mir zu eröffnen,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Bildmaterialien: Bildmaterial: Mirish ( http://mirish.deviantart.com/art/Dovahkiin-2-346689527 )
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2014
ISBN: 978-3-7368-4339-4
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Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags und des Rundfunkvortrags, auch einzelner Abschnitte.
Einbandgestaltung mit freundlicher Genehmigung von Mirish:
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Für die Anfertigung der Karte bedanke ich mich bei Baba Nobuharu:
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