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In der Gewalt der Sukkubus

„ ... diese Aspekte der Psychologie besprechen wir dann in der nächsten Vorlesung“, verkündete Professor Dorfner. Allgemeine Unruhe nebst Beifallsgeklopfe war die Folge, als sich die im Saal anwesenden Studenten gen Ausgang begaben. Auch ich packte meine heutigen Aufzeichnungen zusammen, steckte sie in den Rucksack und strömte den anderen hinterher. Ein Gedränge war das wieder mal – eine Kopftuchfrau unbestimmbaren Alters wollte sich gerade an mir vorbei zwängen, aber Türken gegenüber hatte ich nun mal schon immer ein besonderes Verhältnis, weshalb ich sie gnadenlos gegen meine Schulter prallen ließ. „Oh, das tut mir aber leid“, murmelte ich mit heuchlerisch leidender Stimme, um anschließend einfach weiter zu gehen. Gelegentlich verhielt ich mich echt wie ein Arschloch, aber bei Türken galten nun mal spezielle Verhaltensnormen. Das hatte ich schon anno dazumal auf dem Gymnasium gelernt, wo sie mir desöfteren negativ aufgefallen waren, was meine Abneigung gegen sie stark gefördert, wenn nicht sogar erzeugt hatte. Jetzt studierte ich Psychologie an der Uni in Kiel und leider fiel auch hier der Türkenanteil genauso hoch aus wie an meinem ehemaligen Gymnasium. Ein Umstand, der mir etwas mißfiel, denn ich hatte noch zu schlechte Erfahrungen an die damaligen Zeiten. Beispielsweise an den Tag, als mich vier Türken nach der Schule abgepaßt hatten, um mich grundlos zu vermöbeln ...

Aber das war lange her, was meinen Haß allerdings nicht sonderlich gemindert hatte.

„Servus Günter!“ grüßte mich jemand auf dem Gang.

„Hey Flo – servus. Wie geht es dir denn so?“ fragte ich ‚Flo’, den ich noch aus dem Gymi kannte und der lustigerweise auch hier im entlegenen Kiel studierte. Allerdings in einem anderen Fachbereich, nämlich Informatik.

„Also ich kann eigentlich nicht klagen. Hab grad eine Java-Vorlesung sausen gelassen und war dafür in der Mensa – den Kalbsbraten kann ich dir übrigens echt empfehlen. Nicht schlecht, das Teil.“

„Eigentlich hab ich gar keinen Hunger mehr“, gestand ich. „Hab schon während Verhaltenspsychologie was gegessen, aber das nächste Mal probier' ich ihn.“

„Spielst du heute abend noch ne Runde ‚Master of Orion 2’ mit? Georg und Stefan sind auch mit von der Partie.“

Master of Orion bezeichnet ein Runden-Strategiespiel, welches wir im Wohnheim immer zu viert über Netzwerk spielten – jeweils zwei gemeinsam gegen die beiden anderen. In dem Spiel besitzt jeder am Anfang einen Planeten, den man erst einmal ausbauen muß, um überhaupt andere Planetensysteme besiedeln zu können. Zur Produktionssteigerung gibt es beispielsweise Roboterfabriken, automatisierte Fabriken, Fertigungsanlagen, mit denen man schneller weitere Gebäude bauen kann. Wichtig ist auch die Forschung, denn durch sie gelangt man zu neuen Erfindungen im Bereich Waffensysteme, Technik, Energie, Computer, Panzerung und so weiter. Nach einer gewissen Zeit kolonisiert man dann zuerst alle Planeten im eigenen Startsystem, dann die umliegenden. Besonders interessant wurde es dann, wenn sich zwei Seiten um ein bestimmtes System beziehungsweise einen Planeten streiten – dann beginnt der Galaxiekrieg.

„Hmm, eigentlich müßte ich ein bißchen lernen ... ich überleg' mir's noch“, versprach ich, denn besonders arbeitsmotiviert war ich nicht gerade.

„Kannst mir ja ne Email schicken, wenn du doch Lust hast“, meinte Flo. „Gut, also ich muß langsam wieder los. Hab gleich ne Vorlesung in Objektorientierter Programmierung ... man sieht sich.“

Weiter ging es Richtung Uni-Nebenausgang. Zielstrebig marschierte ich durch einige Seitengassen, bis ich das Studentenwohnheim erreichte. In meinem Zimmer angekommen setzte ich mich erst einmal vor den PC, um meine Emails abzurufen. Da hatten mir seit heute früh wieder ziemlich viele Leute geschrieben, denen ich jetzt einzeln antwortete. Flo schrieb ich an, daß ich heute abend wohl nicht mitspielen würde, denn ich wollte zur Abwechslung mal in einem Psychologiebuch lesen, das ich mir durchzulesen schon seit längerem vorgenommen hatte zwecks Erzielung eines tieferen Verständnisses der Materie. So kam es, daß ich mich an diesem Abend einbunkerte und auf dem Bett liegend zu lesen begann. Also das Phänomen des Weibchenschemas war mir bisher noch gar nicht in der Gestalt aufgefallen wie im Buch beschrieben, aber je mehr ich las, desto faszinierender fand ich es. Nach ungefähr achtzig Seiten intensiver Lektüre blickte ich kurz auf meine Armbanduhr. 22 Uhr 42 schon. Zeit um ins Bett zu gehen, denn morgen mußte ich gegen halb 8 aufstehen, weil ich um 8 Uhr eine wichtige Vorlesung hatte, die ich nicht verpassen sollte. Meine Diplomarbeit würde sich nämlich in eben diesem Fachgebiet ansiedeln. Zumindest hatte ich mir das vorgenommen. Da es in meinem Schlafzimmer etwas stickig war, öffnete ich das Fenster einen Spalt, um in der Nacht den Sauerstoffaustausch zu gewährleisten. Nach diesen Vorbereitungen legte ich mich schlafen.

Am nächsten Morgen weckte mich das penetrante Surren meines Elektronikweckers. Ein absolutes Folterinstrument, welches sich allerdings seltsamerweise die meisten Leute antun. Die Menschheit ist einfach pervers. Wie schön wäre es doch ohne ständig auf die Uhr sehen zu müssen nur so in den Tag hineinzuleben? Aufstehen, sobald man wach ist, ins Bett gehen, wenn es dunkel wird. Aber offenbar braucht diese Erkenntnis etwas länger, bis sie sich etabliert hat. Beim Frühstückmachen erinnerte ich mich an einen Traum, den ich gehabt hatte. Die Handlung war inzwischen schon ziemlich verschwommen – ich konnte mich nur noch an eine hübsche, blonde Frau erinnern. Vermutlich wollte mir mein Unterbewußtsein dadurch mitteilen, daß Melanie mehr für mich bedeutete, als ich glaubte das sie tat. Melanie war übrigens eine Kommilitonin, mit der ich erst seit einigen Wochen locker befreundet war. Naja gut, mehr als miteinander gelernt hatten wir bisher noch nicht, aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Früher oder später würde ich sie schon noch herumkriegen ...

Ich maß dem Traum gar keine besondere Bedeutung mehr bei und als ich mein Honigbrot mampfte sowie meinen Kaba schlürfte, war ich in Gedanken schon in der Vorlesung. Kaum zwanzig Minuten später stand ich pünktlich zu Beginn derselbigen im zweitgrößten Saal der Uni. Mit suchendem Blick versuchte ich Melanie zu entdecken, doch ich konnte sie einfach nicht finden. Enttäuscht setzte ich mich irgendwo in der Mitte an den rechten Rand. Der Dozent Prof. Greuther kam wie immer etwa fünf Minuten zu spät, aber daran hatte ich mich schon gewöhnt. Nach 90 Minuten Vortrag traf ich Meli dann doch noch an. „Servus Mel, wie geht's so?“

„Moin Günter, bis auf daß ich noch ein wenig müde bin, eigentlich recht passabel und dir?“

„Paßt schon“, erwiderte ich. „Was machst du jetzt?“

„Ich wollte mir Grundlagen der Psychologie antun. Warum?“

„Na ja, wir hätten sonst in den Park gehen können zum Quatschen oder so ...“

„Hmm“, überlegte sie. „Also du führst mich echt in Versuchung.“

„Dann sag doch einfach ja. Ich hab jetzt nämlich keine Lust mir nochmal eineinhalb Stunden Dauerlaberei anzuhören ...“

Einen Moment konnte sie sich nicht entscheiden, dann besann sie sich lächelnd anders: „Ok, gehen wir.“

Über einen Nebenausgang gelangten wir einigermaßen schnell hinaus auf die Straße. Der Park war nicht weit entfernt, so daß wir schon nach fünf Minuten dort ankamen. Auf einer im Schatten stehenden Bank setzten wir uns eng aneinander, um wie verabredet zu plaudern.

„Hast du dich schon auf die Klausuren vorbereitet?“ fragte mich Melli.

„Ein wenig“, gab ich zu. „Aber ich muß da noch ein Buch lesen, sonst versteh ich das mit der Schizophrenie sowie dem paranoiden Verhalten nicht ...“

„Das hab ich eigentlich schon begriffen – was ist dir daran denn unklar?“

„Wie kann jemand ein gespaltenes Bewußtsein besitzen und gar nicht bemerken, daß das so ist? Das muß man doch einfach mitkriegen!“

Eine längere Diskussion folgte, die mich auch nicht wirklich schlauer machte. Es tat aber dennoch gut, mit Mel zu reden. Sie war echt ein nettes Mädel. Vielleicht hatte ich mich sogar ein klein wenig in sie verliebt. Genau konnte ich das nicht sagen, ich mochte sie einfach.

Ein kühler Wind zerzauste mein Haar und sorgte für wohltuende Erfrischung, denn die aggressive Sommersonne trieb die Temperatur heute wieder ziemlich in die Höhe. In einem Anfall von romantischer Euphorie überlegte ich, ob ich Melanie einen Kuß geben sollte, aber als sie merkte, daß ich etwas nervös wirkte und mich darauf ansprach, traute ich mich dann natürlich erst recht nicht. Es würde wohl besser sein auf eine passendere Gelegenheit zu warten. Nachdem wir uns circa eine Stunde unterhalten hatten, kehrten wir zurück zum Vorlesungssaal, denn mehr als eine Vorlesung pro Tag wollte auch ich nicht ausfallen lassen. Wir setzten uns nebeneinander in eine der letzten Reihen, um noch weiter ein wenig tuscheln zu können. Am Ende der Vorlesung, die über Paranoia handelte, lud ich Melanie ein, bei Gelegenheit mal wieder bei mir vorbeizuschauen.

„Dann spiele ich dir mal ein paar meiner Lieblings-MP3s vor oder so.“

„Mal sehen – vielleicht komm ich dich mal besuchen“, meinte sie. „Obwohl ich momentan ein bißchen Streß hab, aber ich finde schon mal Zeit für dich.“

Zum Schluß lächelte sie mich noch geheimnisvoll an, ehe sich unsere Wege trennten. Auf halbem Weg zum Wohnheim – zwecks Befriedigung körperlicher Bedürfnisse (nein, nicht wichsen, sondern essen) – knallte ich plötzlich aus Unachtsamkeit wieder mal gegen eine „Kopftuch-Frau“.

„Hast du Problem oder was?“ schubste mich ihr Begleiter. Zornig drehte ich mich um. Ein mittelgroßer, etwa 25-jähriger südländischer Mann mit kurzen, schwarzen Haaren stand vor mir. Offensichtlich ein waschechter Türke.

„Wenn du nochmal rempeln meine Schwester, ich dich schlagen tot.“

„Leck mich doch, du schwule Ratte!“ zischte ich ärgerlich.

„Na komm her Mann, ich dir klatschen auf Boden. Krasse Sache – verstanden?“

Wenn ich ehrlich war, hatte ich keine große Lust mich mit einem wütenden Türken herumzuprügeln, obwohl ich mich natürlich auch nicht demütigen lassen wollte.

„Hör mal zu, Kollege“, setzte ich daher beinahe höflich an. „Das mit deiner Schwester war ein Mißverständnis. Wenn sie mir nicht mehr unter die Augen kommt, dann passiert das sicher nicht wieder. Ist das angekommen?“ provozierte ich mit ironischem Stimmfall.

Offenbar hatte er mich nicht richtig verstanden, denn er meinte nur:

„Du passen besser auf nächstes Mal, sonst ich holen meine Brüder.“

Eine Weile schimpfte er noch vor sich hin, ehe er sich trollte. Oh Mann, diese Ausländer ... abschieben sollte man die. Zurück im Wohnheim machte ich mir erst mal was zu essen. Während der Zubereitung schaltete ich den Fernseher ein, um die Kanäle rauf bzw. runter zu gehen. Vielleicht kam ja irgendwo etwas Sehenswertes. Auf dem Kinderkanal kamen gerade die Teletubbys.

„ ... winki-winki ... Lala biesln ...“ Leicht erheitert schaltete ich weiter, denn dafür war ich wohl doch schon etwas zu alt. Auf Kabel 1 lief gerade ein Krimi mit Dick van Dyke – „Diagnose Mord“ also. Eben wurde von einer vermummtem Gestalt eine Bank überfallen. Also das sah schon mal recht vielversprechend aus. Gebannt starrte ich auf das Spektakel und vergaß dabei beinahe meine Pizza im Ofen.

„Verdammt ...“, erinnerte ich mich nach 24 Minuten daran und eilte sofort zum Herd. Wenigstens war sie jetzt ganz sicher schon fertig. Auf dem Sofa vor dem Fernseher essend schaute ich mir „Diagnose: Mord“ zu Ende an, ehe ich wieder zurück in die Uni trottete. Heute wollte ich nämlich noch eine Nachmittagsvorlesung besuchen. Man gönnt sich ja sonst nichts oder zumindest nur sehr selten. Das Seminar „Hormone und Verhalten“ im Anschluß lief immerhin recht interessant ab. Testosteron sowie Östrogen waren schon irgendwie lustige Stoffe, ohne die zwischen Männlein und Weiblein nichts laufen würde – weil das Bedürfnis gar nicht vorhanden wäre. Wie langweilig. Ohne dieses Zeugs würde man beim Anblick einer Frauenbrust wahrscheinlich nicht „geil!“ denken, sondern vermutlich „welch unpraktische Form und so völlig nutzlos“. Darüber hinaus wüßte man dann nicht einmal, welche Funktion Frauen überhaupt haben. Auto fahren können sie nicht, kochen können die meisten heutzutage auch nicht, klar denken fällt dem Großteil sehr schwer, PC-Spiele finden die meisten „blöd“ – wofür gibt es sie dann überhaupt noch? Womit wir bei der Erkenntnis wären: Frauen sind zum Vögeln da! Fritz wäre sicher stolz auf mich auf Grund dieser hochintellektuellen Schlußfolgerung.

Am Abend spielte ich noch mit einigen Freunden eine Netzwerkorgie „Master of Orion 2“. War schon spaßig, als ich mit je 2 Großkampfschiffen des selbstdefinierten Typs „Günterator 1“ (Bewaffnung: 50 Phaser, 20 Protonentorpedos, Jägerbuchten, 30 Zeon-Raketen) sowie mit dem Typ „Günterator 2“ (10 Todesstrahlen, 20 Plasmatorpedos, 30 Protonentorpedos) zu den 14 Planetensystemen von Flo aufbrach. Erst recht als dieser dann ebenfalls meine nur noch schwach verteidigten Planeten attackierte ...

Am Ende gewannen dann aber doch Fritz und ich (wir spielten nämlich zusammen gegen Georg und Flo). Gegen halb 3 kam ich endlich ins Bett. In dieser Nacht träumte ich wieder etwas von einer blonden Frau, nur daß ich mich diesmal besser an die Handlung erinnern konnte: ich lag an einem Strand im Sand und war völlig nackt. Machte allerdings nichts aus, denn außer mir schien niemand hier zu sein. Zumindest war ich davon überzeugt, bis ich plötzlich eine Stimme von hinten vernahm.

„Hallo mein Süßer.“ Als ich mich umdrehte, sah ich eine Blondine mit blauen Augen, die mich ehrfürchtig anlächelte. Auch sie war nackt – ein absolut atemberaubender Körper ...

Brüste groß wie Kokosnüsse, eine zierliche Taille, darunter ein Hintern wie das Brauereiroß vom Flötzinger. Einfach geil! Sie kam langsam auf mich zu und ehe ich es mich versah – wie soll ich es ausdrücken? Es war nicht so, daß ich mit ihr, nein, sie vögelte mich! Sie tat es mit unglaublicher Ausdauer, was mich ehrlich gesagt ein wenig überforderte, aber ich wagte nicht sie zu stoppen. Etwas Mächtiges ging von ihr aus gegen das ich mich nicht zu wehren vermochte. Als sie fertig war gab sie mir noch einen flüchtigen, fast mütterlichen Kuß auf die Stirn, ehe sie verschwand.

Soeben war ich aufgewacht, wohl auf Grund der Intensität des Traums. Was spürte ich denn da so unangenehm in der Lendenregion? Ach herrje: jetzt hatte ich mir im Schlaf in die Hose ... verdammter Mist. Auf dem Klo reinigte ich meinen Schlafanzug so gut es eben ging. Sperma ist nun mal leider recht klebrig. Siehe Bill Clinton und Monica Lewinsky. Bevor ich mich nochmal ins Bett legte, blickte ich kurz auf die Uhr, denn ich wollte wissen wie lange ich überhaupt noch schlafen konnte. 4:47 – das würde sich also auf jeden Fall noch rentieren. Leider konnte ich so schnell nicht mehr einschlafen, weil ich immerzu an den mysteriösen Traum denken mußte. Sehr seltsam war das gewesen. So einen Käse hatte ich auch noch nie geträumt. Obwohl es mich auf der anderen Seite ziemlich erregt hatte.

Nach längerem Grübeln schlief ich allerdings doch nochmal ein, wobei ich jedoch den Eindruck hatte, nicht wirklich lange geschlafen zu haben, als mein lieber Wecker die Aufstehenszeit verkündete. Gähnend zog ich mir wieder mal die Hose an, die ich bereits seit drei Wochen jeden Tag anhatte. Aber als Junggeselle und Wohnheimbewohner konnte man sich das schon erlauben. Getreu dem alten Motto, es gibt zwei Arten von Gewand: „schmutzig“ und „schmutzig, aber noch tragbar“. So gekleidet schlenderte ich also in die Uni.

„Hallo, du schaust aber fertig aus“, erklang hinter mir eine bekannte Stimme. Es war Fritz. „Hast du gestern nacht wieder mal ordentlich ...“

An dieser Stelle machte er verschmitzt grinsend eine eindeutige Geste.

„Du weißt doch, daß ich nicht aus Kiel bin“, klärte ich ihn auf. „Außerdem bin ich schon verlobt ...“

„Macht doch nichts. Du kannst doch hier gerade deswegen die Sau rauslassen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Oder hast du Angst, daß deine Angetraute bei dir daheim Wind davon bekommt?!?“

„Nun, also, ehrlich gesagt ...“, setzte ich unsicher an.

„Sag bloß du bist verliebt. Mensch Alter – da verpaßt du doch den ganzen Spaß. Nimm dir mal ein Beispiel an mir. Ich verspreche keiner was und schau in erster Linie auf meine eigenen Bedürfnisse. Da bin ich bisher ganz gut auf meine Kosten gekommen. Das solltest du auch mal machen.“

„Hmm“, brummte ich neutral, damit ich wenigstens irgend eine Art des Kommentars abgab. wußte nämlich nicht, was ich darauf erwidern sollte.

„Siehst du die Schwarzhaarige da drüben mit dem tiefen Ausschnitt? Die wäre doch sicher was für dich“, fuhr Fritz fort. „Ich wette, die hat Maße von 96 - 62 - 95 und so geil wie die aussieht, kann man die sicher leicht ... das wäre doch was, oder?“

„Also ich weiß nicht so recht“, meinte ich vorsichtig.

„Gefällt die dir vielleicht nicht?“ wunderte er sich. „Also in dem Fall stimmt irgendwas nicht mit dir. Wenn du beim Anblick von der keine Latte bekommst, dann ...“

„Natürlich gefällt sie mir“, gab ich zu, damit Fritz endlich Ruhe gab. „Aber ich hab dir doch schon mal was über Treue, Ehrlichkeit und Loyalität erzählt oder?“

„Jetzt fang nicht wieder mit diesem Käse an. Hast du eine Ahnung, was deine Freundin in Bayern gerade macht? Die liegt vermutlich im Bett und läßt sich von einem Typen vögeln, den sie gestern abend kennengelernt hat ...“

„Sprich nicht so über Sophie. Sie ist keine billige Schlampe.“

„Alle Frauen sind Schlampen, den meisten kann man es nur nicht nachweisen“, entgegnete mein Kumpel lapidar. „Wenn du das immer noch nicht eingesehen hast, dann weiß ich auch nicht weiter. Ich gebe dir nur einen Tip: nimm was kommt! Geh halt mal rüber zu der da drüben und frag sie, ob du ihr die Muschi auslecken darfst. Die steht voll drauf.“

„Na ja gut, laß uns ein anderes Mal weiterreden – die Vorlesung geht gleich los und ich will noch einen guten Platz bekommen.“

Ich ließ den schelmisch dreinblickenden Fritz stehen und eilte in den Hörsaal, in dem „Angewandte Psychologie“ stattfand. Der hatte mich jetzt aber wieder mal ganz schön zugelabert mit seinen sexistischen Weisheiten. Obwohl er irgendwie doch recht hatte, denn die meisten Frauen haben es gar nicht verdient, daß man ihnen treu ist, aber ... na ja gut. Man sollte den Glauben nie aufgeben, daß gerade die eine, der man treu ist, es wert ist.

„ ... Guten Morgen. Ich würde vorschlagen wir fangen an“, riß mich die Stimme des Professors aus meinen Gedanken. „Wie immer am Anfang der Überblick ...“

Nach drei Vorlesungen besuchte ich wieder mal die Mensa zwecks Happa-happa-Beschaffung für die Kauleisten. Jeden Tag hatte ich wirklich keine Lust mir im Wohnheim selber was zu essen zu machen, deshalb ging ich verhältnismäßig oft in die Mensa, die im übrigen vom Essen her nicht schlecht war. Dafür konnte man die Anstehzeiten bemängeln. Heute ging es einigermaßen zügig, denn ich war rechtzeitig an der Futtertheke. Je später man kam, desto länger wurde dann die Schlange ...

An einem noch freien Tisch ließ ich mich nieder, um mein Schnitzel mit Kartoffeln und Spätzle zu verzehren.

„Hier ist noch frei, oder?“ erkundigte sich ein Typ bei mir, ehe er sich nach meinem bestätigenden Kopfnicken setzte. Kaum fünf Minuten später war der gesamte Tisch besetzt. So schnell ging das hier. Als ich das Essen beendet hatte, brachte ich mein Zeug noch zurück, um anschließend in die nächste Vorlesung zu gehen. Mal schauen, worum es diesmal in der Vorlesung „Arbeitsmotivation“ gehen würde. Vielleicht darum, wie ich sie 2 Stunden lang durchhielt? Beim Betreten des Saals blickte ich mich gründlich nach bekannten Gesichtern um. Ein paar Reihen weiter entdeckte ich jemanden, neben den ich mich sogleich setzte. „Servus Ralf – na was geht ab?“

„Hey, grüß dich“, meinte er. „Paßt schon. Ich überleg' mir gerade, ob ich mir ne Digitalkamera mit 4,5 Megapixeln kaufen soll oder nicht ...“

„Das mußt du natürlich selber wissen. Was willst du denn fotografieren?“

„Leute, Veranstaltungen und so was halt.“

„Da genügt aber wohl auch eine Auflösung von 1600 mal 1200, das heißt ein Gerät mit 2 MP genügt völlig und ist auch wesentlich billiger.“

Ralf jedoch erwies sich wieder mal als unbelehrbar, denn er bildete sich trotzdem die teure Kamera ein. War mir dann im Endeffekt allerdings auch egal, weshalb ich mich auf die Vorlesung konzentrierte.

An diesem Nachmittag besuchte ich noch einen zweiten Vortrag – über pädagogische Psychologie. Ein äußerst interessanter Themenbereich. Den restlichen Tag verbrachte ich mit ein paar Kommilitonen in einer Studentenkneipe, wo wir ein paar Bier tranken und ein Kickerturnier austrugen, in dem ich recht passabel abschnitt. Gute Reflexe und ein schnelles Reaktionsvermögen hatte ich eben schon immer. Irgendwann nach Mitternacht kehrten wir angeheitert zum Wohnheim zurück.

„Ein bißchen schlafen sollten wir vielleicht doch noch“, schlug Fritz lachend vor. „Damit morgen wenigstens nur eine Vorlesung ausfällt ...“

Im 1. Stock trennte ich mich von den anderen, denn ich war als einziger unserer Saufgruppe im 2. Stock beheimatet. Durch die wegen der späten Stunde leeren Gänge gelangte ich bis zu meinem Reich mit der Nummer 212. Vom Alkohol leicht benommen sperrte ich die Tür auf, um erst mal den Lichtschalter zu betätigen. Nachdem ich die Tür wieder verriegelt hatte, wollte ich ins Bad gehen zwecks Zähneputzen, waschen und so weiter, doch entgeistert blieb ich an der Tür meines Zimmers stehen, als ich beim Zurückblicken auf meinem Bett eine Frau liegen sah.

„Wie ... wie kommst du denn hier herein?“ sagte ich überrascht, denn ich hatte immerhin abgeschlossen. „Und wer bist du überhaupt?“

„Ich bin die Frau deiner Träume – ich bin eine Sukkubus“, antwortete die Blondine und stand langsam auf, um auf mich zuzugehen.

„Sukkubus?“ Dieses Wort hatte ich schon mal gehört, aber ich konnte mich jetzt nicht mehr erinnern in welchem Zusammenhang. Gab es da nicht eine Rockgruppe, die so oder so ähnlich hieß? „Was willst du von mir?“

Ein flüchtiges Lächeln umglitt die Mundwinkel ihres schönen Gesichts.

„Ich will deinen Körper – ich will dich!“

Zuerst glaubte ich nicht recht gehört zu haben. Nicht genug, daß eine wildfremde Frau in meiner Bude lag. Nein, sie wollte auch gleich mit mir ins Bett – wo gab es denn so was? Verdammt Günter, das kann doch alles nicht wahr sein. Da muß dir heute abend irgend jemand Speed oder LSD ins Bier gekippt haben. Das müssen einfach Halluzinationen sein. Etwas derartig verrücktes passiert in der Realität einfach nicht.

„Was ist? Hast du Angst vor mir?“ störte die Blondine meine Gedankengänge.

„Ich ... äh ... wieso sollte ich vor dir Angst haben?“

„Dann können wir doch anfangen. Komm, leg dich aufs Bett ...“

„Ob das so eine gute Idee ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht so recht.“

„Leg dich aufs Bett!“ befahl sie mir und irgend etwas bewirkte, daß ich gehorchte ohne mir weiter Gedanken zu machen. Ehe ich mich versah, riß sie sich die Kleider vom Leib. Mensch, das waren Maße ... die Liebesgöttin Aphrodite in Person. Solch imposante Brüste hatte ich in meinem ganzen Studentenleben noch nicht gesehen. Trotz der Größe maßvoll schwellend, nicht zügellos überfließend, sondern sanft zurückgedrängt. Langsam begann ich scharf auf sie zu werden. Ihr Auftreten war mir zwar nach wie vor nicht ganz geheuer, aber angesichts solch schwergewichtiger Argumente konnte ich einfach nicht widerstehen. Eigentlich spielte es auch keine Rolle, wie sie herein gekommen war – Hauptsache, sie war hier!

„Komm her“, bat ich sie nicht umsonst. Ihre zarten Finger berührten mich beinahe gleichzeitig am ganzen Körper. Ebenso spürte ich ihre feuchte Zunge mal hier, mal dort, aber immer an einer Stelle, wo es gut tat. Der absolute Wahnsinn! Mir war gar nicht aufgefallen, daß sie mich wie nebenbei ausgezogen hatte, denn jetzt nahm sie meinen „besten Freund“ in sich auf. Wellen der Ekstase durchzuckten meinen Körper und ich schwebte wie auf Wolke Nummer 7, meine Nase zwischen ihren Hügeln versenkend, bis die Erregungskurve schließlich wieder nach unten ging. Doch meine Bettpartnerin hatte noch nicht genug, denn sie begann von neuem mich zu erregen. „Du bist ja unersättlich“ stellte ich fest. Nach meinem dritten Höhepunkt in Folge kam auch sie zur Ruhe. Also so einer außergewöhnlichen Frau war ich auch noch nie begegnet. Sexuell sehr ausfüllend und ein Geheimnis in sich, denn ihr plötzliches Auftreten sowie ungewöhnliches Verhalten konnte ich mir bis jetzt noch nicht erklären. Ehrlich gesagt waren mir ihre Motivationen auch ziemlich egal. Es kam darauf an, was sie tat und das gefiel mir sehr gut.

„Wie heißt du eigentlich?“ flüsterte ich ihr ins Ohr.

„Man nennt mich Layla“, erklärte sie.

„Man?“ wunderte ich mich. „Wer ist denn ‚man’?“

„Die Leute eben. Komm, wir schlafen eine Runde und reden morgen über alles.“

Da ich recht müde war, akzeptierte ich den Vorschlag. Als ich am nächsten Morgen erwachte, bemerkte ich, daß Layla nicht mehr neben mir lag. Offensichtlich war sie schon gegangen. Auf dem Tisch in der Küche sah ich einen Zettel. „Mußte zeitig weg. Bis heute abend, Layla“

Beruhigt frühstückte ich mit leichtem Entzücken an die vergangene Nacht denkend. Mein Mitbewohner Tom kam soeben herein.

„Morgen“, murmelte er verschlafen. „Hast du schon Teewasser aufgesetzt?“

„Na logo“, bestätigte ich. „Brot mußt du dir selber herunterschneiden ...“

Unser dritter Mann im Bunde war Toni, doch der pflegte meistens immer auf den letzten Drücker in die Vorlesung zu kommen. Als Langschläfer blieb er solange es irgendwie ging im Bett. Da wir außerdem zu verschiedenen Zeiten Vorlesungsbeginn hatten, bekam ich ihn am Morgen selten zu Gesicht. Tom, der Elektrotechnik studierte, verhielt sich da um einiges gewissenhafter und stand meistens in etwa zur selben Zeit wie ich auf.

Nach dem Frühstück machte ich mir noch ein Wurstbrot zurecht, ehe ich mich zur Uni aufmachte. Heute würde ich mich zwar sicherlich nicht besonders gut konzentrieren können, aber das war auch schon egal. Zufälligerweise setzte sich Fritz neben mich, der gleich einen seiner blöden Späßchen reißen mußte: „Na? Alles senkrecht in der Hose?“

„Jepp. Hab die halbe Nacht durchgevögelt“, meinte ich.

„Ich hab schon befürchtet, du hast dir gestern abend wieder selber einen runterholen müssen. Hast du dir meine Worte doch zu Herzen genommen, was?“ grinste er. „Hab dir doch gleich gesagt, daß das Spaß macht.“

Das hatte es in der Tat. Voller Vorfreude auf den heutigen Abend bekam ich von der Stunde ziemlich wenig mit, aber wen kümmert das schon? In der folgenden Vorlesung, die in einem anderen Hörsaal stattfand, setzte sich Melanie neben mich. „Hast du heute nachmittag schon was vor?“ fragte sie mich geheimnisvoll. Normalerweise hätte ich jetzt „Ja“ sagen müssen, aber vielleicht hatte Fritz wirklich recht, wenn er sich soviel Spaß gönnte, wie nur eben möglich war. Das sollte ich echt auch machen, daher fiel meine Antwort entsprechend aus: „Nein, ich hab noch nichts vor.“

„Hast du Lust, daß wir ein bißchen raus an die Küste fahren? Da kann man ganz nett spazieren gehen.“

„Von mir aus gern. Wann treffen wir uns?“

„Um 14 Uhr bei dir? Ist das ok?“

Ich hatte nichts dagegen. Am Ende der Vorlesung verabschiedete sich Mel mit fröhlicher Stimme von mir: „Also dann bis heute nachmittag. Ich freue mich schon drauf ...“

Mittags beschloß ich nur kurz ein Brot zu essen, denn wahrscheinlich wollte Meli mit mir noch was essen gehen. So kam es, daß ich noch ein wenig im Wohnheim blieb, um fernsehzuschauen – vor allem aber, um auf Melanie zu warten. Ein paar Minuten vor zwei Uhr kam sie schließlich. Zuverlässigkeit schätzte ich schon immer.

„Komm rein“, meinte ich. „Ich mach nur noch schnell den Fernseher aus, dann kann's losgehen.“

Kaum fünf Minuten später brausten wir mit Melanies VW Golf davon. Am Strand der Ostsee parkten wir in der Nähe eines kleinen Dorfes, um anschließend zu Fuß weiter zu gehen.

„Ist es nicht atemberaubend schön hier?“ wollte Mel wissen.

„Ja“, bestätigte ich. In der Tat, die Gegend hatte einen speziellen Charme. Milder Meerwind, der kaum von Spuren von Salz durchsetzt war, denn der Salzgehalt der Ostsee ist sehr gering trotz Verbindung zur Nordsee sowie dadurch auch zum Atlantik. Außer uns bemerkte ich hier am Strand niemanden. Lag wohl daran, daß Schleswig-Holstein generell nicht so dicht besiedelt ist als andere Bundesländer bzw. der Strandabschnitt relativ betrachtet besonders lang ist. Wir spazierten aufs gerate wohl am Strand entlang bis wir einen gelb-rot gestreiften Leuchtturm erreichten, der auf einer kleinen Anhöhe stand.

„Die mag ich doch so gern“, bekannte Melanie schwärmend.

So kam es, daß wir am Fuß des Turms ein Päuschen machten.

„Ach Günter, hier könnte ich ewig einfach nur so sitzen.“

Ihre Hand tastete wie beiläufig nach meiner. Instinktiv wollte ich meine Hand zurückziehen, doch mir fielen rechtzeitig die Worte von Fritz ein. ‚Nimm was kommt und mach dir keine Gedanken darüber.’

Die Stille tat genauso gut wie Melanies Nähe. Sie war ein nettes Mädel und warum sollte ich denn nicht auch zeitgleich mit ihr anbandeln? Es gab keinen triftigen Grund es nicht zu tun. Höchstens falsche Vorstellungen von Ehre oder Moral. Mit einem Grinsen mußte ich an meine Verlobte in Oberbayern denken. Wenn die wüßte ...

„Mir ist grad ein guter Witz eingefallen“, erklärte ich, da Mel mein Grinsen bemerkt hatte, aber nicht zuordnen konnte.

„Erzähl ihn doch“, spornte sie mich an.

„Also gut: ein Mann kommt ins Polizeirevier und sagt: ‚Herr Wachtmeister, Sie müssen mich festnehmen – ich habe meine Frau ... ge ... geamselt ...’

‚Sie wollen wohl sagen, daß Sie ihre Frau gevögelt haben, oder?’, grinst der Polizeibeamte.

‚Jetzt fällt mir das Wort wieder ein’, meint der Mann. ‚Ich hab meine Frau erdrosselt.’"

Lachend legte Melanie ihren Kopf auf meine linke Schulter, denn sie saß zu meiner Linken. „Oh Mann, arschgeil! Wo hast du denn den her?“

„Ach, den hab ich mal im Freundeskreis gehört.“ – „Nicht schlecht.“

Eine Weile blieben wir noch hocken um dem Gezwitscher der Vögel zu lauschen sowie uns einfach nur an der Stille der Umgebung zu erfreuen.

„Langsam wird es spät“, stellte ich nach einem Blick auf die Uhr fest. „Wir sollten langsam zurückgehen, damit wir noch im Hellen zum Auto kommen.“

„Wäre es so schlimm, wenn wir hier draußen allein im Dunkeln wären?“ fragte Melanie mit einem verschmitzten Lachen.

„Nun, nicht unbedingt, aber wir könnten ja genauso gut solange beim Auto warten bis es dunkel geworden ist.“

Gegen dieses logische Argument wußte sie nichts mehr zu entgegnen, deshalb brachen wir allmählich auf, um den Rückmarsch zu beginnen. Als wir beim Auto angekommen waren, neigte sich der Tag schön langsam dem Ende hingegen. War also doch nicht verkehrt gewesen zügig zu marschieren.

„Gut, meinetwegen können wir uns jetzt noch ein Weilchen in den Sand legen, wenn du magst“, bot ich an. „Dann müssen wir nicht einmal im Dunkeln zum Auto zurückstolpern, weil wir ja nicht weit haben.“

In der Nähe unseres Stellplatzes war eine kleine Sanddüne, wo wir uns nebeneinander legten. Der feinkörnige Sand war weich und angenehm auf der Haut.

„Ist das nicht himmlisch hier zu liegen und das Abendrot zu bewundern?“ stellte Melanie eine rhetorische Frage. „Wir sollten öfter hierherkommen.“

„Von mir aus gern.“

„Hast du eigentlich ne feste Freundin?“ wollte Mel plötzlich von mir wissen.

„Nein“ log ich, denn ich wollte mir ja nicht selbst im Weg stehen. Außerdem wollte ich vermeiden, daß Mel irgend welche moralischen Hemmungen entwickelte. Das konnte man am einfachsten dadurch bewerkstelligen, indem man ihr die Wahrheit vorenthielt. Eine Weile schwiegen wir beide bis sie meine Hand mit ihrer drückte. Mehr geschah (noch) nicht. „Mmmh“ seufzte sie, als ich ihre Finger küßte. Zu mehr Engagement ließ ich mich nicht verleiten. Nach etwa einer Stunde, in der wir eine recht nette Unterredung führten, brachen wir doch auf, um wieder zurückzufahren.

Um kurz nach 22 Uhr kamen wir vorm Wohnheim an, wo Meli den Wagen parkte, was um diese Uhrzeit kein Problem war, denn bis auf ein paar Dauerparker war alles frei.

„Willst du noch kurz mit rauf kommen?“ fragte ich höflich, aber mit eindeutigen, schmutzigen Hintergedanken. „Wir könnten noch was essen oder was trinken ...“

„Na ja, wenn du mich schon so nett fragst ...“

Auf meiner Bude angekommen bot ich ihr gemäß meinem Angebot in der Tat was zum Essen an und auch ein Glas Apfelsaft, der noch im Kühlschrank stand. Den Orangensaft hatte offenbar Tom leergesoffen ...

Nach einem kleinen Imbiß, der allerdings mit belegten Broten recht dürftig ausfiel, weil wir nicht mehr viele Lebensmittel daheim hatten, entschuldigte sich Melanie kurz, um mal für kleine Mädchen nach nebenan zu entschwinden. Währenddessen flegelte ich mich schon mal wegweisend auf mein Bett. Meli würde diesen kleinen Fingerzeig sicher richtig verstehen und sich dementsprechend verhalten. Zumindest war ich fest dieser Hoffnung. Wie ich so dalag berührte mich auf einmal eine Hand auf der Schulter. Perplex zuckte ich zusammen.

„Aber, aber ... ich bin es nur. Hast du mich etwa schon vergessen?“ hörte ich eine weibliche Stimme. Es war Layla.

„Wie kommst du denn auf einmal hierher?“ wunderte ich mich ebenso wie gestern über ihren spontanen Auftritt. „Du störst jetzt jedenfalls ziemlich. Kannst du nicht später vorbeikommen?“

Falls Meli zu prüde Ansichten hatte, fügte ich in Gedanken hinzu. Ein Flotter Dreier ist schließlich nicht nach jederfraus Geschmack.

„Du willst dich wohl mit dieser Melanie vergnügen?“ erriet Layla. „Daraus wird aber nichts, denn jetzt bin ich hier.“

Mit sanfter Gewalt zog sie mich zu sich heran um mich überall zu befummeln. Weiß der Geier, wie sie das machte, jedenfalls war es mir nach kurzer Zeit vollkommen egal, ob Meli in jedem Augenblick zurückkam oder nicht. Sollte sie uns doch so sehen. Wen kümmerte das schon? Layla entführte mich in eine Welt der Ekstase, die ähnlich intensiv wie beim letzten mal war. Als ich neben ihr einschlief hatte ich Melanie längst vergessen.

Am nächsten Tag traf ich Mel zufällig in der ersten Vorlesung, wo sie mich gleich auf den vergangenen Abend ansprach.

„Servus Günter. Du mußt gestern aber ganz schön müde gewesen sein.“

„Wieso?“ wunderte ich mich wegen der Frage und der Tatsache, daß sie nicht mitbekommen hatte, daß ich mit Layla geschlafen hatte. Erst jetzt fiel mir ein, daß ich Mel gestern gar nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, nachdem sie ins Bad gegangen war.

„Als ich vom Klo zurückkam, lagst du auf deinem Bett, hast tief und fest geschlafen und geschnarcht.“

„Echt? Kann mich gar nicht erinnern“, gestand ich verblüfft.

„Kein Wunder – du hast ja gepennt, als das geschehen ist.“

Hatte ich das? War ich nicht mit Layla ... ? Vermutlich war Melanie gestern vom Klo zurückgekommen, hatte mich mit Layla gehört, um anschließend still und heimlich zu verschwinden, weil es ihr peinlich gewesen war, da sie gehofft hatte, sie bedeute mir etwas. Aus diesem Grund behauptete sie jetzt, ich sei einfach eingeschlafen. Das hatte sie aber ziemlich überzeugend gesagt. Das ergab allerdings irgendwie keinen Sinn. Langsam kannte ich mich überhaupt nicht mehr aus. Wenn Melanie wirklich nichts von mir und Layla mitbekommen hatte, dann hieß das, daß etwas nicht stimmen konnte.

Was hatte Layla erzählt, das sie war? Irgend was mit Omnibus ... Sukubus oder so ähnlich. Nach der aktuellen Vorlesung, der ich nur halbwegs folgte, schaute ich in der Uni-Bibliothek in ein Lexikon um die Bedeutung von „Sukkubus“ zu erfahren. Was ich dort fand, haute mich fast von den Socken:

„ ... weiblicher Dämon, der Männern im Schlaf erscheint und sie zu sexuellen Handlungen nötigt ...“

Konnte mich gar nicht erinnern, daß mir Layla im Schlaf erschienen wäre. Das war eigentlich alles ziemlich real gewesen. Vielleicht tickte ich auch nicht mehr ganz richtig. Aber ich konnte mir doch nicht alles nur eingebildet haben?!? Irritiert schlug ich das Lexikon zu, um in die Mensa zu gehen. Erst mal was essen würde jetzt vermutlich das beste sein. Nachdenklich kaute ich auf den Kartoffeln sowie dem Fleisch herum. Falls ich heute abend wieder auf Layla traf, würde ich sie gründlich befragen, was das alles zu bedeuten hatte. Das irgendwas mit ihr nicht stimmte, konnte durchaus sein, denn bisher war sie immer von einem Schlag auf den anderen dagewesen, ohne daß ich eine plausible Erklärung dafür hätte finden können.

Eine langweilige Vorlesung über erziehungspsychologische Aspekte später kehrte ich am frühen Nachmittag ins Wohnheim zurück. Es konnte wohl nicht schaden, wenn ich mich geistig etwas ablenkte. Aus diesem Grund sah ich etwas fern. Zu anfangs klapperte ich lediglich alle Kanäle ab. Auf Matt 1 blieb ich hängen, wo gerade eine der zahlreichen nachmittäglichen Billig-Laberrunden mit dem hochgeistigen Titel „Der Bruder meines Vaters ist mein Onkel“ ausgestrahlt wurde. Schnell weiter ... auf Contra 7 lief aber auch nur eine artverwandte Serie mit dem sinnigen Thema „Meine Verlobte ist 30 Jahre älter als ich – dafür ist meine Geliebte 10 Jahre jünger“. Kam heute wieder mal gar nichts Gescheites? Auf WDR lief ein alter Piratenfilm mit Errol Flynn. Ja, den kann man sich direkt mal zu Gemüte führen. Um 17 Uhr war der Film zu Ende und ich nutzte die Zeit um noch etwas spazieren zu gehen. Die Allee entlang durch den Stadtpark in Richtung Außenbezirk, wo die Besiedlungsstruktur immer offener wurde. Hier wurde der Straßenverkehr spürbar geringer. Wirklich erstaunlich wieviel hundert Meter Differenz ausmachten. Je weiter ich marschierte, desto klarer schien mein Verstand zu werden. Letzten Endes war ich davon überzeugt, daß es für die Vorkommnisse mit dieser Layla logische Erklärungen geben mußte. Euphorisch drehte ich um, damit ich bald wieder zurück im Wohnheim war.

Um kurz nach sieben erreicht ich mein Apartment, in dem alles ruhig schien. Tom war noch beim Sport – er spielte Fußball – und Toni hatte heute noch Abendvorlesung. Das hieß, ich hatte vorerst die ganze Bude für mich allein. Entspannt holte ich mir eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank um mich darauf vor dem Fernseher niederzulassen – doch wer saß da auf dem Sofa? Layla!

„Hallo“, begrüßte sie mich. „Wo warst du denn so lange?“

„Ich ... ich hab einen Spaziergang gemacht“, erklärte ich. „Wo kommst du überhaupt schon wieder her? Hat dir Tom unseren Schlüssel gegeben ?!?“

„Ich brauche keinen Schlüssel. Hast du vergessen, was ich dir gesagt habe? Ich bin ein weiblicher Dämon – ich kann jederzeit überall sein, wo ich will.“

„Das kann doch nicht sein! Es gibt keine Dämonen.“

„Traust du deinen eigenen Augen nicht? Ich bin doch ziemlich real, oder?“

Sie entblößte ihre Brust und nahm meine Hand, um sie zwischen ihre Rundungen zu führen. „Fühlt sich das realistisch genug an oder muß ich dich anderweitig von meiner Existenz überzeugen?“

„Wahnsinn!“ murmelte ich. „Ich kann es einfach nicht glauben. Wo kommst du dann her und was für eine Art von Lebewesen bist du?“

„Ich habe keinen bestimmten Ursprung – ich bin überall. Um auf deine zweite Frage zurückzukommen: ich bin unsterblich, einzigartig und brauche dennoch – vielleicht auch gerade deshalb Gesellschaft ... so wie deine ...“

„Warum gerade mich? Es gibt so viele Menschen – was ist an mir so besonders, daß du ausgerechnet auf mich kommst?“

„Du wirst es noch früh genug erfahren.“ Pause. „Ok, genug geredet. Laß uns weitermachen, wo wir das letzte mal aufgehört haben ...“

Mit einem bloßen Fingerzeig von ihr schloß sich die Tür, der Schlüssel drehte sich im Schloß und flog in hohem Boden auf die Kommode neben dem Bett. „Damit wir auch sicher ungestört sind ...“

Wie ich soeben gesehen hatte, verfügte sie also auch über telepathische Fähigkeiten, denn anders konnte ich mir nicht erklären, wie sie Gegenstände durch ihren bloßen Willen bewegen konnte. Layla zog mich herab aufs Bett um mich zu befummeln. Ihre Augen schimmerten vor Geilheit, was von ihren rhythmischen Bewegungen unterstrichen wurde, die mir zeigten, daß sie es kaum erwarten konnte. Noch immer fand ich es absolut unglaublich, was mir passierte. Irgendwann schlief ich neben der Dämonin ein, die am kommenden Morgen schon wieder verschwunden war, als sei sie nie neben mir gelegen. Interessanterweise fand ich den Zimmerschlüssel auf der Kommode an, also dort, wo Layla ihn gestern auf so ungewöhnliche Weise hinbefördert hatte. Fasziniert sperrte ich die Tür auf, um in die Küche zu gehen. Wie ich auf der Wanduhr über dem Tisch sehen konnte, hatte ich ordentlich verschlafen – 9 Uhr 12. Um 8 Uhr hatte meine Vorlesung begonnen, doch das lohnte sich nun nicht mehr extra dorthin zu latschen. Wenigstens würde ich rechtzeitig zur zweiten kommen. „Lernen und Gedächtnis“ stand da bei mir auf dem Programm.

Die Uhr im Gang zeigte zwei Minuten vor Vorlesungsbeginn, als ich den Saal betrat, der gerammelt voll war. In der vorletzten Reihe fand ich noch einen Platz. Meinen Rucksack stellte ich auf den Boden, um gleich mal meine Aufzeichnungen hervorzukramen. Nachdem ich sie auf die Schreibfläche gelegt sowie die zuletzt angefangene Seite aufgeschlagen hatte, begann auch schon der Vortrag von Professor Oberrauter.

„So, meine Damen und Herren, heute kommen wir zu einem umfangreichen Thema.“

Es folgten Ausführungen über die Struktur des Gedächtnisses, die schematische Einteilung in Kurz-, Mittel- und Langzeitgedächtnis sowie deren jeweilige Kapazitäten laut wissenschaftlichen Forschungen. Auf einmal flüsterte mir von hinten eine Stimme ins Ohr: „Hier verbringst du also deine Vormittage ...“ Ruckartig drehte ich meinen Kopf herum – diese Stimme kannte ich doch! Hinter mir in der letzten Bank saß Layla, die amüsiert über meinen überraschten Ausdruck lächelte.

„Sag mal, was machst du denn hier?“ murmelte ich. „Ich kann jetzt nicht mit dir reden – ich muß mich auf die Vorlesung konzentrieren.“

„Der gnädige Herr hat also keine Zeit für mich?“ spottete sie.

„Was willst du denn jetzt eigentlich?“

„Pssst!“ herrschte mich mein linker Nebenmann an, dessen aufmerksame Art auf einen Streber hindeutete, der kein Wort des Profs überhören wollte, aus Angst, er könne sonst etwas Wichtiges verpassen.

„Ja ...“, wandte ich mich leicht ärgerlich zu ihm herum. Als ich mich wieder nach hinten umdrehte, war Layla wie so oft einfach spurlos verschwunden. Schräg links hinter mir saß dafür noch ein dünner Kerl, der mich verwundert wie einen Geisteskranken anblickte. Offenbar hatte er Layla gar nicht wahrgenommen, was dies begründen könnte.

„Mikrofon“, erklärte ich ihm und hielt einen Stöpsel meines Walkmans hoch, damit mich der Hintermann nicht für verrückt hielt. Dennoch war mir die Angelegenheit irgendwie peinlich. Wenn außer mir niemand Layla sehen konnte, war das in der Tat etwas ganz Besonderes. Vermutlich hatte sie mich auserwählt, mich allein. Mir war zwar nicht klar, weshalb, denn Adonis gehörte wohl nicht zu meinen Vorfahren, wenngleich ich mich auch nicht als mit dem Glöckner von Notredame verwandt bezeichnen konnte. Normales Mittelmaß eben. Jedenfalls mußte ich auf irgend eine Art außergewöhnlich sein, denn sonst wäre Layla wohl kaum ausgerechnet auf mich zugekommen.

„ ... mit einer Kapazität von 10 hoch 10 bis rund 10 hoch 14 Bit ist das Langzeitgedächtnis mit Abstand am leistungsfähigsten, allerdings ist die Zuflußrate mit 0,03 bis 0,1 Bit pro Sekunde relativ gering“, brachte mich die monotone Stimme des Profs wieder zurück zum Thema. Am Ende des Vortrags verließen alle Studenten den Saal. Irgendwo im Gewurl entdeckte ich Fritz, den ich am Ausgang abpaßte.

„Steigt heute abend wieder ne Zockerrunde?“ fragte ich ihn.

„Na logo. Du bist dabei?“ – „Ja, sowieso.“ – „Wir wollten um 7 anfangen ... heute macht auch Martin mit, aber mit den drei werden wir zwei doch fertig, oder?“

„Blöde Frage – die stampfen wir in den Boden!“

„Dann sind wir uns ja einig. Also: bis dann ...“

Eben wollte ich Richtung Bibliothek entschwinden, als mich von hinten ein erfreutes „Günter!“ erreichte. Zögernd drehte ich mich herum – es war Meli.

„Servus Meli“, begrüßte ich sie freundlich.

„Grüß dich“, erwiderte sie. „Hast du morgen nachmittag Zeit?“

„Eigentlich müßte ich noch was lesen, aber ich kann mir Zeit nehmen. Was ist denn morgen?“

„Nichts spezielles, aber ich hab mir gedacht, du könntest einfach mal so vorbeischauen. Zum Tee oder so, falls du Lust hast ...“

„Von mir aus gern. Dann komm ich ungefähr um 16 Uhr, wenn dir das Recht ist.“

„Geht klar“, bestätigte Melanie. „Ich freu' mich.“

Unsere Wege trennten sich, denn die Bibliothek lag ziemlich zentral und ich wußte von gestern noch, daß Mel sich für heute nachmittag vorgenommen hatte, ihre Seminararbeit in „Persönlichkeitspsychologie“ zu vollenden. Meine Planung beinhaltete ein bißchen herumzuschmökern, um ein paar gute Bücher ausfindig zu machen. Wider Erwarten waren außer mir nur einige andere Studenten in der Uni-Bücherei. Mal überlegen, für „Konfliktmanagement“ brauchte ich unbedingt noch etwa Stoff. Na bitte, wer sagt's denn?

„Konfliktmanagement im Alltag und im Arbeitsleben“ lautete der Titel eines Fachbuches, das ich mir sofort unter den Arm klemmte. Weiter ging es und ich sicherte mir auch noch die Bücher „Personalmanagement“ sowie „Allgemeine Psychologie I“. Das sollte vorerst ausreichen. Mit den benannten drei Büchern verließ ich die heilige Halle der Bücher, um zurück ins Wohnheim zu schlendern, wo ich mich sogleich in das erste einlas.

Ehe ich es versah, kam im Fernsehen „Star Trek – Das nächste Jahrhundert“ und unmittelbar darauf begann sowieso schon unser Zockerabend. Wie immer Master of Orion 2. Meine Mitbewohner konnten meine Euphorie nicht verstehen – typisch Techniker! Die hatten einfach keinen Sinn für angespannte Unterhaltung. Dabei gab es nichts herrlicheres als die eigenen Planeten in Festungen zu verwandeln und alle feindlichen Angriffsversuche abzuwehren.

Spät in der Nacht kam ich endlich ins Bett. Erst jetzt wurde mir bewußt, daß mich Layla heute gar nicht aufgesucht hatte. Vermutlich hatte sie gerade keine Lust. Naja, sollte mir nur Recht sein, denn dann konnte ich jetzt in Ruhe schlafen.

Der kommende Tag begann für mich erst gegen viertel nach elf. Mann, hatte ich gut geschlafen. Unter der Woche konnte ich praktisch nie lang ausschlafen, weil meine Vorlesungen zumeist um 8 Uhr begannen, weshalb ich mir am Wochenende die Freiheit nahm, solange zu pennen, bis ich es nicht mehr im Bett aushielt.

Nach dem Aufstehen trottete ich erst mal in die Küche, wo ich überlegte, ob sich ein Frühstück überhaupt noch rentierte. Nein, am besten machte ich mir gleich was richtiges zu essen. Was war überhaupt noch im Kühlschrank? Tiefkühl-Pizza ... hmm, warum nicht? Während ich die Pizza in den Ofen schob, las ich in der Zeitung, die auf dem Tisch lag. Offenbar von Tom, denn der pflegte bei uns samstags immer eine Zeitung zu kaufen. Wie ich an den Brotkrümeln, die überall verstreut lagen, erkennen konnte, hatte auch Toni schon gefrühstückt. Keine Ahnung, wo die beiden jetzt weilten. Toni trieb sich vermutlich irgendwo am Strand herum (Mädchen aufreißen), während Tom wahrscheinlich im Training (Fußball) war. Um mir die Wartezeit auf die Pizza zu verkürzen, holte ich mir ein Buch zu lesen. Zur Abwechslung fing ich „Personalmanagement“ an. Darin wurde laut Inhaltsverzeichnis beschrieben, wie man mit seinen Mitarbeitern umgehen muß, um optimale Ergebnisse zu bekommen und so fort. 80 % der Kommunikation läuft nämlich auf der Beziehungsebene ab und daher stellt eine gute Arbeitsatmosphäre einen wichtigen Faktor im Wirtschaftsleben dar, las ich auf den ersten Seiten. Dem Geruch nach schien meine Pizza jetzt fertig zu sein. Hmm, ja, höchste Zeit sie rauszunehmen.

„So. Einen guten Appetit!“ wünschte ich mir selber. Als Hintergrundmusik legte ich eine CD von Metallica in den Spieler.

„Sänkt Änga aut mai näck“, oder so ähnlich rief die Stimme vom bärtigen Sänger, dessen Namen ich nicht kannte. Die Jungs hatten schon was auf dem Kasten ... verglichen mit Sachen wie Jeanette oder Britney Spears geradezu eine Erleuchtung. Letztere wird sowieso eine selten komische Kuh sein. Wer heiratet denn sonst angeblich im Suff, um sich nach 55 Stunden wieder scheiden zu lassen? Um einige hunderttausend Dollar Abfindungszahlung ärmer. Aber ich will ja gar nicht über geistig minderbemittelte Blondinen lästern.

Nach dem Essen stellte ich die Musik auf ein normales Maß ein, damit ich mich noch auf meine Lektüre konzentrieren konnte. Gegen 15 Uhr 50 legte ich das Buch zur Seite, um zu Melanie zu fahren. Sie hatte schon eine eigene Wohnung ganz in der Nähe der Uni, so daß ich getrost mit dem Rad fahren konnte. Nach kaum fünf Minuten Fahrzeit stellte ich mein 21-Gangrad vor dem Haus ab um zu klingeln. Meli öffnete mir und nachdem wir uns begrüßt und sie mich hereingebeten hatte, folgte ich ihr ins Wohnzimmer.

„Der Tee dauert nicht mehr lange“, informierte sie mich. „Mach es dir inzwischen gemütlich.“

Im Wohnzimmer stand in einer Ecke ein grünes Sofa, auf dem ich Platz nahm. An der Wand gegenüber stand in einer Nische eines Schranks ein Fernseher, links sowie rechts daneben ein Bücherregal. Direkt vor dem Sofa befand sich ein ovaler Holztisch, an dem an den Seiten noch zwei Sessel standen. Es wirkte gemütlich und das weiche Sofa, auf dem ich saß, überzeugte mich von diesem ersten Eindruck. Auf dem Tisch vor mir lag neben einer aktuellen Fernsehzeitung ein Buch. „Erziehungspsychologie“. Interessiert blätterte ich das Inhaltsverzeichnis durch. Vielleicht würde ich diese Vorlesung bei Gelegenheit auch mal besuchen. Ließ sich höchstwahrscheinlich auch gezielt im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht bestens einsetzen. Stichwort: wie erziehe ich meine zukünftige Ehefrau?

Nach kurzer Wartezeit brachte Meli ein Tablett mit der Teekanne sowie dem Geschirr mit. Gekonnt wie eine Bedienung servierte sie den Marmorkuchen und goß den Tee in die Tassen ein. „Ich hoffe du magst schwarzen Tee.“

„Klar“, bestätigte ich und warf zwei Stück Zucker in die Tasse.

Süß mußte es schließlich schon schmecken. Nachdem sich Melanie neben mich auf die Couch gesetzt hatte, schlürfte ich vorsichtig am noch recht heißen Tee. „Welche Klausuren schreibst du eigentlich in diesem Semester?“

„Wahrscheinlich Allgemeine Psychologie II, Sozialpsychologie II, Gruppenprozesse und Theorien der Persönlichkeit. Kommt natürlich auch drauf an, wozu ich in der nächsten Zeit noch komme ...“

„Ein bißchen was hab ich auch schon gemacht“, bekannte ich. „Aber teilweise brauche ich wirklich noch etwas Vorbereitungszeit. Naja gut, der Prüfungszeitraum beginnt ja erst in drei Wochen. Da genügt es wohl, wenn ich in einer Woche richtig anfange.“

Genüßlich mampfte ich ein Stück des schwarz-weißen Kuchens.

„Selbst gemacht?“ Nickend bestätigte Melanie meinen Verdacht.

„Den hab ich gestern abend gebacken, weil ich mal ein neues Rezept ausprobieren wollte.“

Soeben schnitt ich mir das zweite Stück ab, denn das Teil war erstens echt nicht schlecht und zweitens lag meine Pizza von heute mittag auch schon wieder eine Zeit zurück. Als wir die Teekanne leergetrunken hatten, fragte mich Meli, ob sie noch mal welchen hinstellen solle, aber ich verneinte dankend.

„Glaubst du eigentlich an Schicksal?“ fragte ich plötzlich.

„Nun, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube schon, daß es da irgend etwas gibt“, vermutete Meli. „Man kann sich aber aussuchen, welchen Weg man einschreitet bzw. welchen nicht.“

„Welchen Weg willst du nehmen?“ hauchte ich ihr einen Kuß auf die Wange. Einen Moment reagierte sie überhaupt nicht, doch dann lächelte sie mich nur an und erwiderte: „Den richtigen. Den, der mir vorbestimmt ist.“

Vorsichtig preßte sie ihre Lippen auf meine. Es war nicht mehr als eine flüchtige Berührung, aber es kam mir wie Magie vor. Als ich versuchte sie richtig zu küssen, wich sie zurück.

„Das geht mir zu schnell“, bekannte sie. Leicht enttäuscht wandte ich mich ab. ‚Mir geht's zu langsam ...’ dachte ich. Wir quatschten noch eine Weile, ohne daß ich neue Annäherungsversuche unternommen hätte. Bei so etwas mußte man behutsam vorgehen. Mit der Tür ins Haus fallen war ganz schlecht, aber den ersten Schritt hatte ich immerhin schon gemacht und früher oder später würde sie mir gehören. Mir ganz allein. Man darf das jetzt nicht falsch verstehen: Meli war in meinen Augen nicht ausschließlich Sexobjekt, sondern vor allem auch ein netter Mensch, mit dem ich gern meine Zeit verbrachte.

„Hab ich dir eigentlich schon die neue Ferris MC-CD vorgespielt?“ wollte Meli wissen. Als ich den Kopf schüttelte, stand sie auf um die CD in den Spieler zu legen. „Ist eben erst neu herausgekommen – hab ich mir natürlich gleich aus dem Internet runtergeladen und gebrannt. Im Rechenzentrum der Uni, denn da sind ja 16-fach-Brenner.“

‚Alleine der Gedanke an Jobsuche – eine Belästigung ...’, grölte der Hiphopper aus Hamburg (?) beim ersten Lied los. Meli stand auf Hip Hop. Ferner noch auf HardRock und Metal. Mit Hip Hop hatte ich zwar wenig am Hut, aber Rammstein, Böhse Onkelz & Co mochte ich auch ganz gern. Obwohl speziell Ferris MC einen gewissen Stil drauf hatte, der in gewisser Weise seinen eigenen Reiz besitzt. Jedenfalls bestand Melanie darauf, daß ich mir „seine besten Lieder“ anhöre.

Dies waren ihrer Meinung nach „Audiobiographie“, „King is back“ (Zitat: „Der Hardcore-Rapper MC, das Monster der Zeremonie, einer von viel zu vielen, der unbesiegbare Rapper, Kamikaze-Rapper, Scheiß auf alle Rapper, ich rap besser!“) und das Bonuslied der CD, das mit einem grandiosen Text brilliert: „Ich bin der Herr der Schmerzen deiner Depression. Ich schenk dir mein ganzes Magazin – du hast es dir verdient! Ich – hab – ne – Uzi! Und ich benutz' sie!“

Der Typ hatte schon echt krasse Texte drauf, das mußte man ihm lassen. Irgendwie teilweise richtig geil, das gab ich gern zu.

Nach diesem musikalischen Zwischenspiel diskutierten wir noch etwas über einen Vorlesungssachverhalt, ehe wir noch eine Runde am PC zockten.

„Tja, dann werde ich langsam heimfahren ...“, meinte ich nach einem Blick auf die Uhr. Es war inzwischen spät geworden. Zwar noch nicht so spät, als daß es draußen schon dunkel gewesen wäre, aber dennoch Zeit. Hierbei muß ich bemerken, daß mein Rad über kein funktionierendes Licht verfügte und ich so höchst ungern bei Dunkelheit fuhr. Normalerweise konnte ich dies ja auch – wie heute – vermeiden.

„Komm gut heim“, wünschte mir Meli an der Tür und umarmte mich noch einmal.

„Bis Montag“, verabschiedete ich mich.

An diesem Abend beschloß ich nur noch etwas fernzusehen. Wie ich am Geräuschpegel feststellte, hörte Tom gerade seinen Rap-Kram. „M und M“ oder so ähnlich. „Live aus dem Negerghetto“ oder dergleichen ... ätzend! Erleichtert schloß ich die Tür meines Zimmers hinter mir. Auf Matt 1 kam ein Krimi – mal was ganz neues – aber ich sah ihn mir dennoch an. Einzig nervig waren die regelmäßigen fünfminütigen Werbepausen.

„Na wartet, euch Pennern mach ich die Hölle heiß ...“

Schadenfroh schaltete ich meinen PC ein und nachdem das olle Windoof 2000 endlich hochgefahren war, klickte ich auf „E:\Mailbomber\Mailbomber.exe“ .

Zieladresse? Blöde Frage – natürlich werbung@matt1.de . Nachrichteninhalt? Mir egal – meinetwegen „Fickt euch ihr Wichser.txt“ haha! Anzahl der Nachrichten? Hmm, so viele, bis ich ins Bett gehe ... Bombardieren! Grinsend betrachtete ich die Anzeige – die würden sich schön freuen, wenn sie ein paar zigtausend Emails von mir bekamen. Na ja gut, eigentlich nicht direkt von mir, denn ich hatte ja einen „Anonymisierer“ verwendet, der die Herkunft der Nachrichten verschleierte. Das Internet ist schon ein lustiges Spielzeug.

Als ich damit fertig war, bemerkte ich, daß auch der Film schon wieder lief. Besonders aufregend konnte man die Handlung zwar nicht bezeichnen, denn ich wußte schon eine Stunde vor Schluß, wer der Täter war, aber was soll's. Eben als ich aus dem Bad vom Zähneputzen zurückkam um mich hinzulegen, entdeckte ich eine Person auf meinem Bett – Layla!

„Hast du dich heute schön bei dieser Melanie amüsiert?!?“ begann sie. „Man könnte glatt meinen, du magst sie.“

„Was willst du?“ fragte ich direkt.

„Nichts Besonderes. Dieselbe Prozedur wie jeden Abend und da ich gestern verhindert war, will ich heute einen kleinen Ausgleich.“

„Das kommt mir sehr gelegen, denn ich bin eh grad geil“, erklärte ich.

„Hat dich diese Meli nicht zum Zug kommen lassen, was?“

Ein überlegenes Lachen kam aus Laylas Mund. Im Dunkeln des Zimmers sah ich dort, wo bisher Laylas Augen gewesen waren, für den Bruchteil einer Sekunde zwei rote Punkte aufleuchten. Vielleicht hatte ich mich aber auch nur getäuscht. Auf alle Fälle ging danach richtig die Post ab. Layla beackerte mich auf ihre unverwechselbare Art und an diesem Abend bemerkte ich zum wiederholten Mal, daß ich keine „normale“ Frau auf mir hatte, sondern ein Wesen aus einer anderen Dimension. Sie war auch nicht so verklemmt wie manche Ex-Freundin von mir, die sich nicht traute, über ihre speziellen Wünsche/Bedürfnisse zu sprechen und dann am Morgen wie beiläufig über ein „Unbefriedigtsein“ jammerte, wenn ich mangels Wunschanregung einfach „mein eigenes Ding“ abzog. In dieser Hinsicht unterschied sich Layla grundlegend: sie nahm sich einfach, was sie wollte – ohne Rücksicht auf Verluste. Nachdem sie mich viermal aufeinanderfolgend gefordert hatte und noch nicht genug zu haben schien, wurde es mir zu viel:

„Willst du mich fertig machen oder was?“

„Hast du etwa schon genug?“ murmelte sie in mein Ohr. „Na gut, dann lassen wir es für heute gut sein. Eine schöne Nacht noch ...“

Von einem Moment auf den anderen verschwand sie direkt vor meinen Augen. Die nächste Woche verbrachte ich primär damit, mich in die Bücher einzulesen. Natürlich traf ich mich auch mehrmals mit Meli, die mir gegenüber immer aufgeschlossener wurde. Zu meinem Erstaunen ließ sich Layla während all dieser Zeit nicht blicken. Sollte mir nur recht sein. Ich brauchte sie nicht. Sie war mir sowieso etwas zu – dominant. In den kommenden zwei Wochen unternahm ich mit Melanie einige Ausflüge, die sich allesamt sehr schön entwickelten. Da wir uns mitten während des Prüfungszeitraumes befanden, standen naturgemäß diverse Klausuren an, die wir aber beide recht passabel hinbekamen. Dank ausreichenden Vorbereitungsmaßnahmen. Von Layla erhielt ich in dieser Periode genau zweimal Besuch. Nach so langer Abstinenz fand ich es sogar mal wieder richtig geil, mit ihr das zu machen, wozu Meli bisher noch zu schüchtern war.

„Was findest du eigentlich an diesem Mädchen?“ fragte mich Layla an einem der beiden Abende. „Die ist doch total gewöhnlich, ganz im Gegenteil zu mir.“

„Du verstehst das nicht, weil du kein Mensch bist“, erwiderte ich knapp.

„Versuch doch es mir zu erklären.“

„Nein. Das würdest du nie begreifen.“

Tja, und wieder mal war Layla einfach weg. Offenbar hatte sie meine Antwort verwirrt. Zurück zum Programm, nämlich einem Jerry Cotton-Krimi. Nach einer Weile rief mir Tom von draußen zu, daß ein Telefonanruf für mich gekommen sei. „Ich komme gleich ...“, versprach ich.

Wie mir erst jetzt klar wurde, hatte ich seit Laylas Verschwinden immer noch nichts angezogen. Hastig zog ich mir einen Schlafanzug über, ehe ich auf den Gang lief um ans Telefon zu gehen.

„Günter?“ Bei der Anruferin handelte es sich um Meli. Sie lud mich für das kommende Wochenende zu sich ein, denn sie wollte mit mir den Beginn der Semesterferien feiern.

„Du kannst auch zu mir kommen“, schlug ich vor. „Tom und Toni haben drei Kästen Bier besorgt – da könnten wir ordentlich einen drauf machen. Mal schauen wer sonst noch vorbei kommt ...“

„Hmm“, überlegte Meli. „Eigentlich wollte ich mit dir allein sein.“

„Na ja gut, dann komm ich halt zu dir. Ist dir 17 Uhr Recht?“

„Ja, du kannst auch gerne früher kommen. Ich bin in jedem Fall zu Hause.“

„Ok, dann bis Samstag. Servus!“ – „Servus!“

Den restlichen Abend verbrachte ich lesend in meinem Zimmer. So ein Jerry Cotton-Heft war doch immer wieder spannend zu lesen. Irgendwann schaltete ich das Licht aus, um zu schlafen. Der Samstag empfing mich mit scheppernden Metal-Klängen. Offensichtlich war Tom über Nacht wieder mal durchgedreht. Schlaftrunken polterte ich auf den Gang, wo ich den Krach noch besser hörte. Das kam eindeutig aus Toms Zimmer. Wütend hämmerte ich an die Tür. Die Musik wurde plötzlich um Faktor 3 leiser und die Tür öffnete sich einen Spalt. „Na? Auch schon wach?“ begrüßte mich Tom. „Hast du vergessen, daß ich dich wecken sollte? Du wolltest doch heute bei unserem Fußballspiel mitmachen ...“

Jetzt fiel es mir wieder ein. „So ein Dreck! Das hab ich ganz vergessen ...“

Nun aber schnell frühstücken und anziehen. Eine halbe Stunde später begleitete ich Tom zu einem kleinen Hobby-Stadion etwas außerhalb von Kiel. Dort übte er immer mit seiner Mannschaft und ich hatte ihm für heute versprochen, für den verletzten Libero Gerhard einzuspringen. Es fand zwar nur ein Freundschaftsspiel gegen eine andere Kieler Freizeitmannschaft statt, aber Tom ging das Ganze dennoch generalstabsmäßig an. Nach einem mit 3:7 verlorenen Spiel gingen wir im Kreis der Mannschaft einen saufen, ehe ich wieder zurück zum Wohnheim fuhr, wo ich mich erst mal duschte. So verschwitzt wie ich war, konnte ich unmöglich Meli besuchen. Frisch angezogen schaute ich noch eine Runde fern, ehe ich zu meiner liebreizenden Verabredung aufbrach. Meli empfing mich recht herzlich und wir zockten unter anderem eine Runde Space Assault gegeneinander, ehe wir uns im Schlafzimmer aufs Bett legten, um ein wenig miteinander zu kuscheln.

„Meine süße, kleine Maus ...“, murmelte ich in ihr Ohr und knabberte ein bißchen an ihrem Ohrläppchen. Zärtlich strich sie mit der Hand meine Wange entlang. Gleichzeitig berührte ich ihren Oberschenkel, um etwas weiter nach oben vorzufühlen. Nach einer Weile schien mir Meli in Stimmung gekommen zu sein, woraufhin ich mit der Hand bis zu ihrem Reißverschluß tastete um ihn zu öffnen. Langsam tasteten meine Finger unter ihre Unterhose ... wohlig fing sie zu stöhnen an, als ich – aber das kann man sich wohl selbst vorstellen. Sie öffnete ihrerseits meine Hose um meinen Willi herauszuholen.

„Ja!“ freute ich mich, als sie ihn in den Mund nahm wie einen Lutscher. Dann ging die Post richtig ab und wir kamen voll zur Sache. Die Nacht verging wie im Flug und der Morgen brachte fast so etwas wie Glück mit sich – als ich die Augen aufschlug, sah ich Melanie neben mir liegen. Halbnackt, friedlich schlummernd in erotischer Pose ...

„Guten Morgen“, flüsterte ich leise, als sie halb ihre Augen aufmachte.

„’Morgen, wie spät ist es denn?“

Nach einem Blick auf den Wecker auf dem Bettkästchen konnte ich es ganz genau sagen: „10 Uhr 26.“

„So spät schon? Soll ich gleich Frühstück machen oder bleiben wir noch ein bißchen im Bett?“

Wir entschieden uns für zweiteres ... das Frühstück eilte nicht. Gegen 11 Uhr 30 stand Meli auf, um zum Bäcker zu fahren zwecks Semmeln besorgen. „Ich komme in einer viertel Stunde zurück“, versprach sie.

„Ist gut“, bestätigte ich und blieb noch faul im Bett liegen. Meli war schon eine atemberaubende Partie. Kein Vergleich mit meiner Verlobten Sophie. Entspannt schloß ich die Augen und hörte gerade noch, wie Mel die Haustür ins Schloß warf. Ich sehnte jetzt schon ihre Rückkehr herbei. Auf einmal spürte ich etwas feuchtes an meinen Lippen. Entsetzt riß ich die Augen auf – neben dem Bett stand eine Person, die sich über die Matratze gebeugt hatte und mich küßte. Feuerrote Augen leuchteten für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie in ein tiefes blau wechselten. Layla!

„Du hast mich aber erschreckt!“ stellte ich fest.

„Oh, das tut mir aber leid. Ich wußte doch nicht, daß du so schreckhaft bist. Jedoch solltest du inzwischen wissen, daß ich zu jedem beliebigen Zeitpunkt erscheinen kann.“

Sie erhob sich, schnippte mit den Fingern und schon war sie nackt. Ohne auf mein Zutun zu warten, zog sie die Bettdecke zurück, um sich auf mir niederzulassen. Mit ihren Fingern umschlang sie meinen besten Freund und führte ihn ins Loch ein. Wie ein Preßlufthammer drückte sie mich mit gleichmäßigen Bewegungen gegen die Matratze, daß es nur so quietschte. Leise stöhnend spritzte ich meinen Saft in sie, was ihr aber wie meistens noch nicht genügte.

„Ich kann nicht mehr ...“, erklärte ich erschöpft.

„Vielleicht solltest du dich nicht so bei deiner kleinen Freundin verausgaben, dann kannst du bei mir besser. Ich will darum, daß du sie sofort verläßt und dich in Zukunft nicht mehr mit ihr triffst.“

„Das soll wohl ein Witz sein? Ich lasse mir doch nicht verbieten, mit wem ich mich verabrede!“ rief ich zornig.

„Mein Süßer, du bist so ein Dummkopf“, meinte Layla. „Wenn ich es wollte, könnte ich dich in eine Fliege verwandeln oder in einen Ochsen. Du solltest daher meinen freundschaftlichen Rat beherzigen ...“

„Ich sehe nicht ein, mich erpressen zu lassen!“

„Mit wem redest du?“ wunderte sich Melanie, die soeben ins Zimmer getreten kam.

„Ähm, ach ich hab mich nur laut geärgert“, stammelte ich zur Ausrede. „Ich hab dich gar nicht kommen gehört ...“

„Bin auch eben erst zurück. Ich mach jetzt das Frühstück. Wenn du Lust hast, kannst du mir ja dabei helfen.“

Da es mir nun allein im Schlafzimmer etwas unheimlich war, folgte ich ihr in die Küche, wo ich mich auch anzog. Der kommende Tag verstrich in trauter Geselligkeit mit Meli, wobei ich mir Mühe gab, ständig in ihrer Nähe zu sein. Auf diese Weise hoffte ich Layla fernzuhalten, was mir auch ganz gut gelang. Da erstens Sonntag war und zweitens die Semesterferien begonnen hatten, konnte ich also getrost bis morgen hierbleiben. Leider mußte ich dann zwar weg, denn ich pflegte in der vorlesungsfreien Zeit immer nach Hause zu fahren. Einzig aus dem Grund, damit ich wieder mal mit meinen Freunden, Eltern, Verwandten sowie meiner Verlobten zusammenkam.

Letztere hatte ich das letzte mal vor drei Wochen übers Wochenende besucht. Danach war ich wegen den Prüfungen so im Streß gewesen, daß ich es nicht mehr geschafft hatte. Tja, dieses mal würde ich ihr wohl etwas beichten müssen: nämlich daß ich unsere Verlobung als aufgehoben betrachtete. Das würde ihr sicher nicht schmecken, aber im Augenblick war mir Meli wichtiger und meine bisherige Verlobte nur noch ein Klotz am Bein. Meli wußte bereits, daß ich am kommenden Tag per Bahn nach Hause fahren würde. Sechs Wochen wollte ich daheim verbringen, ehe ich wieder nach Kiel kommen würde. Lange Wochen, in denen wir getrennt sein würden ...

„Aber bevor ich dich verlasse, haben wir noch Zeit bis morgen vormittag. Ich fahr so gegen 11 Uhr weg, weil ich vorher noch mal zurück ins Wohnheim zum packen muß.“

„Ist zwar nicht mehr viel Zeit, die wir miteinander verbringen können, aber wir werden sie nutzen“, meinte Mel. „Außerdem können wir auch telefonieren, solange du in Rosenheim bist. Meine Telefonnummer hast du eh. Oder wir schreiben uns mal.“

„Wird trotzdem ziemlich langweilig ohne dich werden ...“, befürchtete ich. Meli drückte mich ganz fest an sich und gab mir einen Kuß. Wir freuten uns beide schon auf die Nacht, in der wir auf mein Drängen hin auch einmal etwas unkonventionellere Sachen ausprobieren wollten. Schließlich war es unsere letzte Nacht für eineinhalb Monate. Da mußte das dann ein bißchen vorhalten. Das würde eine lange Periode der Enthaltsamkeit werden, denn ich hatte nicht vor, ihr untreu zu werden.

Die Nacht war wunderschön wenngleich auch etwas kurz, aber dennoch hatten Meli und ich viel Spaß zusammen. Doch alles schöne geht einmal zu Ende. Das ist das Gesetz der Zeit, was irgendwie auch wieder gut ist, denn wir wünschen uns schließlich genausowenig, daß schlechte Phasen nie vorbeigehen. Beim gemeinsamen Frühstück küßte ich Meli unwillkürlich noch einmal auf die Stirn, weil mir danach zumute war. Anschließend strich ich mir mit meinem Messer den Butter auf das Brot. Vergeblich suchte ich den Honig, den ich mir sonst immer zum Frühstück aufs Brot tat.

„Den Honig hast du bereits gestern leergegessen“, erklärte Meli meine suchenden Blicke. Dann mußte ich wohl oder übel mit Aprikosenmarmelade vorlieb nehmen. Kurz nach 11 Uhr verließ ich Meli, um wie bereits erwähnt nochmal ins Wohnheim zu fahren. Außer mir war niemand da, als ich ankam. Klar: Tom hatte bereits gestern seinen Zug nach Frankfurt genommen und auch Toni war schon weg. Heim nach Eckernförde oder wie das hieß. Hastig kramte ich die wichtigsten Sachen zusammen, also diejenigen, die ich nicht hierlassen wollte. Im speziellen waren dies einige Bücher, die ich lesen wollte sowie diverse Musik-CDs. Darüber hinaus natürlich Ausweis, Leporello und ein paar Klamotten, welche ich beim selber waschen nicht wirklich sauber bekommen hatte. Das sollte mir meine Mutter zeigen, wie man die Flecken herausbekam ...

Eben als ich mit meinen beiden Koffern auf den Gang hinaus trat, um zur Tür hinüber zu gehen, erstarrte ich zu Stein: an der Eingangstür lehnte lässig niemand anderes als Layla.

„Laß mich durch, ich komm sonst zu spät zum Bahnhof.“

Doch obwohl ich Anstalten machte, mich an ihr vorbeizuzwängen, wich sie nicht von der Stelle und grinste mich stattdessen nur schelmisch an.

„Verdammt – laß mich vorbei!“

„Wieso hast du es denn auf einmal so eilig?“ flunkerte Layla. „Hast du eine Vorstellung, wo deine süße Melanie gerade ist?“

„Was soll die Frage? Sie wird vermutlich in ihrer Wohnung sein.“

„Das stimmt auch und was glaubst du, was sie momentan macht?“

„Woher soll ich das wissen?“ nervte mich die Fragerei. „Machen wir jetzt fröhliches Ratespiel oder was? Ich geh jetzt ...“

„Einen Moment noch“, hinderte mich Layla am Gehen. „Deine Meli macht gar nichts mehr, denn sie ist tot.“

„Tot?“ rief ich bestürzt. „Das glaube ich nicht!“

„Fahr hin und überzeuge dich selbst. Ich sage die Wahrheit.“

Die Dämonin trat zur Seite und öffnete mir die Tür. Verwirrt ließ ich die beiden Koffer im Gang stehen, um ohne sie nochmal mit dem Rad zu Melis Wohnung zu fahren. In mir stieg Verzweiflung hoch. Meli konnte doch nicht einfach tot sein. Das durfte nicht wahr sein. Dabei konnte es sich nur um eine ganz ehrfurchtslose Lüge handeln! In neuer Rekordzeit kam ich vor ihrer Wohnung an, wo ich noch bei voller Fahrt vom Rad sprang um ins Haus zu gehen. Woher ich den Haustürschlüssel hatte, wußte ich nicht, jedenfalls schloß ich damit die Tür auf und stürmte nach innen.

„Meli?“ rief ich, doch ich erhielt keine Antwort. Im Wohnzimmer fand ich sie genauso wenig vor wie in der Küche oder im Bad. Als ich das Schlafzimmer betrat, sah ich sie auf dem Bett liegen. Sie lag auf dem Rücken und hatte nichts an. Ihre Beine wurden halb von der zurückgeschlagenen Bettdecke zugedeckt. Zwischen ihren Brüsten ragte der schwarze Griff eines Messers heraus. Atemlos ging ich einige Schritte auf sie zu. Geronnenes Blut hatte die Matratze besudelt und auf Melis Oberkörper zog sich eine Blutspur entlang. Ihre blauen Augen starrten in meine Richtung, doch es war kein Leben darin zu erkennen. Sie war tot! Es zerbrach mir fast das Herz, denn ich hatte sie wirklich gemocht, wenn nicht sogar geliebt. Mit der rechten Hand ergriff ich den Griff des Messers, um es herauszuziehen. Die Klinge des Messers war rot gefärbt – ich ließ es achtlos auf den Boden fallen. Ehrfürchtig berührte ich Melis Haut, die noch leicht warm war. Ein letztes mal küßte ich sie, doch unwillkürlich zuckte ich zurück. Das waren nicht die weichen, warmen Lippen von Meli, die ich fühlte. Es war nur noch leblose Materie. Weinend erhob ich mich und warf beim Hinausgehen einen letzten Blick auf ihre Leiche. Dieses Bild würde ich wohl nie wieder vergessen.

Mir war klar, daß sie umgebracht worden war, wenngleich ich natürlich nicht wußte, von wem. Das wichtigste war, schnell von hier weg zu kommen, damit der Verdacht nicht ungerechtfertigterweise auf mich fiel. Zur Polizei gehen konnte ich wohl kaum, denn wie sollte ich erklären, daß ich am Vormittag bei ihr gewesen war und dann eine Stunde später nochmal zu ihr gefahren war, wo ich sie dann tot aufgefunden hatte? So kurz vor der Tat bzw. so kurz nachher wäre das ein sehr schlechtes Zeichen. Da die Haustür unbeschädigt gewesen war, würde der Verdacht automatisch auf mich fallen. Eine verzwickte Situation. Draußen auf der Straße sah ich mich unauffällig nach allen Seiten um.

Hastig stieg ich auf mein Rad, um zurück ins Wohnheim zu fahren. Den geplanten Zug nach Rosenheim hatte ich zwar schon verpaßt, aber den nächsten würde ich sicherlich kriegen. Was anderes als das Normalprogramm durchzuziehen schien mir jetzt nicht ratsam. Im Wohnheim traf ich erneut auf Layla, die auf meinen Koffern sitzend auf mich gewartet hatte oder gerade eben wieder erschienen war. Weiß der Geier. Jedenfalls war sie anwesend.

„Na? Hast du dich jetzt selbst davon überzeugt, daß ich die Wahrheit gesagt habe?“

„Woher wußtest du das so früh?“ rief ich erregt. „Hast du etwas damit ...“

„Ich bin ein übernatürliches Wesen. Ich weiß sehr viel.“

„Kannst du mir auch sagen, wer das war?“ Meine Stimme bebte vor Haß. Haß auf diejenige Person, die mir meine geliebte Meli weggenommen hatte.

„Schau mal rüber zum Tisch. Das ist die Tatwaffe.“

Auf dem Küchentisch lag ein Messer mit schwarzem Griff, deren Klinge rot von Blut gefärbt war. Das war eben jenes Messer, das ich aus Melis Brust gezogen hatte!

„Es sind übrigens deine Fingerabdrücke drauf“, klärte mich Layla auf. „Nur deine. Aber da ich auf deiner Seite stehe, habe ich es per Telekinese hierher gebracht, damit du nicht verhaftet wirst.“

„Das ... das ist wohl ein schlechter Scherz. Ich hab sie doch nicht umgebracht! Ich hab sie doch geliebt!“

„Das weiß ich doch“, beruhigte mich Layla. „Aber die Polizei weiß es nicht und wird dich für den Täter halten. Wenn du auf mich hörst, kann dir aber dennoch nichts passieren. Du mußt sofort die Tatwaffe verschwinden lassen.“

„Wie denn? Soll ich sie in den Müll stecken?“

„Um Gottes Willen – alles nur das nicht. Wasch es zuerst ab, vor allem am Griff, damit deine Fingerabdrücke weg sind. Steck es in eine Tüte und werfe es am nächsten Gulli in die Kanalisation.“

„Kannst du es nicht wegzaubern?“

„Erwartest du etwa von mir, daß ich alles für dich tue? Sei froh, wenn ich dir überhaupt helfe ...“

Willig hörte ich auf ihren Rat. Mit klammen Fingern hielt ich die feuchte Plastiktüte mit dem Messer in der Hand.

„Na also. Jetzt mußt du dich aber sputen, damit du den Zug noch erwischt. Wir sehen uns demnächst bei passender Gelegenheit wieder ...“

Schwupp-di-wupp, schon war ich wieder allein, doch diesmal war ich zu beschäftigt, um mich darüber zu wundern. Mit beiden Koffern verließ ich das Wohnheim Richtung Bahnhof. Zuvor ließ ich jedoch noch die kleine Tüte in einen Abwasserschacht hinab gleiten, ehe ich meinen Weg fortsetzte. Am Automaten besorgte ich mir eine Fahrkarte bis Rosenheim und suchte sogleich das in Frage kommende Gleis auf, denn der Zug war bereits eingefahren. Schnell atmend stieg ich in den Zug ein. Der erste Waggon, durch den ich kam, war zur Hälfte voll, weshalb ich weiter ging. Im nächsten Abteil stank es wie die Sau – Scheiß Raucher! Zwei Wagen weiter fand ich ein leeres Viererabteil, wo ich mich mit meinem Gepäck breit machte. Da ich auf den letzten Drücker gekommen war, stiegen keine weiteren Fahrgäste mehr zu, die mir meine exquisiten Plätze hätten wegnehmen können. Über Platzmangel konnte ich mich demnach nicht beschweren. Langsam kam der Zug ins Rollen, was ich aus dem Fenster starrend beiläufig zur Kenntnis nahm.

Hinter mir ließ ich nicht nur Kiel, sondern auch die damit verbundenen Geschehnisse. Die Uni, Layla, Meli, ihr grausamer Tod. Alles gehörte nun für einen symbolischen Moment der Vergangenheit an. In Hamburg stiegen mehrere Dutzend Leute zu, von denen sich ein älterer Herr zu mir ins Abteil setzte. Der Höflichkeit halber wechselte ich ein paar Worte mit ihm, doch in Hannover stieg er bereits wieder aus. Gleichzeitig gesellten sich zwei spätpubertäre Frauen zu mir, die auf der gesamten Fahrt bis Frankfurt herumkicherten, ehe sie endlich ausstiegen. Nervig!

Die restliche Weiterfahrt über Augsburg, München bis Rosenheim verlief dafür einigermaßen beschaulich. Nach knapp 9 Stunden Zugreise fuhr der IC endlich in meinen Zielbahnhof ein. Draußen begann es allmählich dämmrig zu werden. Kein Wunder – immerhin hatten wir bereits 21 Uhr 10. In einer der Bahnhofstelefonzellen wählte ich die Nummer von Sophie, meiner Noch-Verlobten.

„Hallo Sophie! Mein Zug ist gerade angekommen. Holst du mich ab? Ok, bis gleich ...“

Zehn Minuten mußte ich warten, ehe ich einen Fiat vor der Bahnhofshalle halten sah. Das konnte nur Sophie sein. Zuerst verfrachtete ich die Koffer in den dafür vorgesehenen Kofferraum, ehe ich auf der Beifahrerseite einstieg. Vor dem Losfahren umarmten wir uns erst noch einmal inklusive Herumknutschen wie es Verlobte eben tun.

„Wie war die Fahrt?“ erkundigte sich Sophie.

„Lang, aber ansonsten ganz in Ordnung.“

„Es ist schön, daß du endlich wieder hier bist.“

„Ja“, meinte ich nur knapp. War es das wirklich? Nach einer kurzen Autofahrt erreichten wir unsere gemeinsame Wohnung im Außenbezirk der Stadt. Hier wohnten wir seit unserer Verlobung zusammen. Natürlich: seit ich mein Studium in Kiel begonnen hatte, taten wir das vorübergehend nicht mehr, aber meine offizielle Adresse war es nach wie vor. Die Wohnung lag im ersten Stock eines Reihenhauses, in dem es dank der Außenbezirkslage allerdings ziemlich ruhig war. Nachdem wir oben angelangt waren und Sophie die Tür aufgeschlossen hatte, trat ich in den Gang ein, den ich schon seit fast einem Monat nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Meine Jacke hängte ich an der Garderobe auf und wandte mich dann zu Sophie herum.

„So“, meinte diese. „Jetzt kann ich dir endlich zeigen, wie sehr ich dich in den vergangenen Wochen vermißt habe ...“

Mit beiden Händen schlang sie mich an sich, um mich an ihren Busen zu drücken. Zur selben Zeit fing sie damit an, mich zu küssen. Meine Hand wanderte gehorsam unter ihren Pullover und schob sich langsam aufwärts. Weniger als eine Minute später hatte Sophie meine Hose geöffnet, um nach meinem Freund zu grapschen, den dies sehr erregte. Zwecks größerer Komfortabilität ging es nebenan weiter mit den richtig befriedigenden Tätigkeiten ...

Nach getanem Akt griff eine heimliche Müdigkeit nach mir, die mich schon bald in einen sanften Schlaf wiegte. Es tat gut wieder daheim zu sein. Da wurden einem wenigstens die jüngsten, negativen Ereignisse der Vergangenheit nicht mehr so bewußt. Sie belasteten mich komischerweise nicht mal mehr. Melis Tod schien weit zurückzuliegen und selbst Layla schien in Vergessenheit geraten zu sein. Ein stiller, dunkler Schleier umgab mich. Es folgte ein erholsamer Schlaf bis zum Beginn des Morgens, der sich mit Sonnenschein ankündigte. Nur unwillig schlug ich die Augen auf. Meine Hand berührte einen warmen Körper, der direkt neben mir lag: Sophie.

„Hmm, noch ein bißchen ...“, murmelte sie, als sie meine beginnende Aktivität bemerkte. Zehn Minuten später gab es Frühstück, das etwas spartanisch ausfiel, da wir beide nicht besonders viel Appetit hatten. Wir hatten unseren Hunger bereits anderweitig gestillt ...

Seltsam wie das Leben oft spielt: noch gestern hatte ich in Gedanken mit Sophie Schluß gemacht, doch angesichts Melis plötzlichem Tod war die bisherige Nummer 2 auf einmal wieder gut genug. „Was machen wir heute?“ fragte mich Sophie nach meinen Plänen zur Gestaltung des heutigen Tages.

„Nun, wir könnten über Mittag zu meinen Eltern fahren. Anschließend besuchen wir einen Freund von mir und dann fahren wir wieder heim.“

Genauso machten wir es auch. Bei meinen Eltern war die Wiedersehensfreude natürlich groß. Zum Mittagessen gab es Schweinebraten mit Knödel.

„Den hab ich extra für dich bereit gehalten“, erklärte meine Mutter. Das Leben als Einzelkind hatte selbst nach 25 Jahren noch seine Vorzüge.

„Schön, daß ihr wieder mal bei uns seid“, meinte mein Vater und nickte mir sowie Sophie, die zu meiner Linken saß, aufmunternd zu.

„Guten Appetit“, wünschten wir uns, bevor wir uns daran machten, das arme Schwein zu vertilgen, das so unsanft aus dem Leben gerissen worden war.

„Wann wollt ihr beiden eigentlich heiraten?“ fragte abrupt meine Mutter. „Jetzt seid ihr schon so lange verlobt und habt uns noch immer nicht genau gesagt, wann eure Hochzeit stattfinden soll.“

„Irgendwann im kommenden Frühling“, erklärte Sophie. „Da ist es schöner als jetzt im Herbst oder im Winter. Was hältst du von Ende März, Schatz?“

Damit war offensichtlich ich gemeint.

„Ja, von mir aus eben März. Mir ist das im Prinzip egal, aber im Frühling ist es wohl wirklich schöner, weil man auch im Freien feiern kann.“

Nach dem Essen unterhielten wir uns noch eine Weile mit meinen Eltern, ehe wir uns verabschiedeten, denn wie bereits erwähnt stand als nächstes auf unserem Plan, einen guten Freund von mir zu besuchen, mit dem ich schon in der Schule gewesen war.

„Hey, servus Günter, Sophie – lange nicht gesehen. Wie geht's denn so?“

„Servus Dieter. Also bei mir läuft's ganz in Ordnung und bei dir?“

„Meine Freundin macht mir zur Zeit ein bißchen Probleme, aber ansonsten gibt es nichts zum meckern. Kommt doch rein.“

Wir folgten Dieter in seine Bude, wo er uns sogleich was zu trinken anbot.

„Studierst du noch immer Informatik oder hast du dir es anders überlegt?“ fragte ich den Gastgeber.

„Sagen wir mal so: wenn ich die sieben Klausuren, die ich in diesem Semester geschrieben habe, alle bestanden habe, dann wird der Rest wohl auch kein Problem mehr sein.“

„Hattet ihr besonders schwere Themengebiete?“ schaltete sich Sophie ein.

„Kann man wohl sagen. Compiler ist sowieso ein Fall für sich, Datenkommunikation war wider Erwarten auch ziemlich kompliziert und in Betriebssysteme ist es mir auch nicht besonders gut gegangen. Wenn mich jetzt noch einmal was nervt, dann wechsle ich zu BWL – das soll ziemlich einfach sein.“

„Da wäre ich mir lieber nicht so sicher“, belehrte ich ihn. „Mir ist zu Ohren gekommen, daß es selbst da teilweise bis zu 70 Prozent Durchfallquote gibt.“

„Hmm“, überlegte Dieter. „Aber ich bin nicht so faul wie die normalen BWLer, also gehöre ich in jedem Fall zu den glücklichen 30 Prozent.“

„Wenn du meinst ...“

Gegen 16 Uhr bot uns Dieter an, einen Tee zu machen, was wir gern annahmen.

„Kuchen hab ich zwar keinen mehr, aber ich kann euch Kekse anbieten.“

„Ist schon in Ordnung“, akzeptierte Sophie.

Nach dem Tee machten wir zu dritt noch einen Spaziergang, ehe Sophie und meine Wenigkeit aufbrachen. Den Abend gestalteten wir gemütlich mit Fernsehschauen und lesen. Am nächsten Tag fuhr meine Verlobte zum Einkaufen, denn erstens wollten wir frische Semmeln zum Frühstück und zweitens hatten wir auch sonst nicht mehr viel zu Hause. Währenddessen entschied ich mich, die Zeit mit duschen zu nutzen. Als ich nichts ahnend in der Dusche stand und mir das Wasser den Rücken hinunterlaufen ließ, berührte mich aus heiterem Himmel etwas am Nacken.

„Layla?“ erschrak ich, die hinter mir stand und mir soeben ihre Brüste an die Schulterblätter drückte. Mit beiden Händen umgriff sie mich und flüsterte mir leise ins Ohr:

„Trenn dich von Sophie. Schmeiß sie raus – noch heute ...“

„Das mach ich nicht. Ich tue, was ich will. Laß mich endlich in Ruhe!“

Einen Moment tat sich gar nichts, weshalb ich annahm, sie hätte es geschluckt, doch ich sollte rasch einsehen, daß ich mich gewaltig getäuscht hatte.

„Du wirst tun, was ich dir sage. Willst du wissen, warum? Ganz einfach: weil dein Leben für immer mir gehört. Wenn ich möchte, dann füge ich dir Schmerz zu oder aber ich erfülle dir deine geheimsten Wünsche. Da du aber momentan nicht zu wissen scheinst, was das in der Realität bedeutet, zeige ich dir, was Schmerz heißt ...“

Sie drehte mich zu sich herum und stellte das Wasser ab. Völlig nackt stand sie dicht vor mir, aber ihre feuerrot glimmenden Augen verhinderten, daß ich sie als erotisch empfunden hätte. Mit ihrer linken Hand strich sie beinahe zärtlich meinen Bauch entlang bis zu meiner Brust, wo sie genau in der Mitte der beiden Brustwarzen verhielt. Plötzlich schien sich ihre Hand aufzulösen und in mich zu gleiten. Es fühlte sich ziemlich kalt an, was noch dadurch verstärkt wurde, daß sich die Kälte bald auf meinen gesamten Oberkörper ausbreitete. Es wurde mir so klirrend kalt, das ich hätte schreien wollen, doch es ging nicht, da eine eiserne Faust meine Kehle umschlossen hatte.

Meine Befürchtung mein Blut würde einfrieren, sollte sich wider Erwarten nicht erfüllen. Mit einem mal verschwand die frostige Temperatur, um in eine Affenhitze überzugehen, die mir schier den Verstand zu rauben schien. ‚Verdammt, wenn das so weiter geht, dann fängt mein Blut zu kochen an!’ dachte ich verzweifelt. Mit einem Schlag war das Gefühl der Hitze fort, aber stattdessen spürte ich etwas unbeschreibliches langsam meinen Bauch hinunter wandern bis in meinen Penis, der sich daraufhin ziemlich rasch vergrößerte. Allerdings in überproportionalem Ausmaß – er wuchs bis auf eine Länge von rund 50 Zentimeter, was aber alles andere als angenehm war. Als die Dämonin auch noch meine Hoden in die andere Hand nahm, um dann langsam zuzudrücken, ging ich stöhnend vor Schmerz in die Knie. Schlagartig hörte der Schmerz auf und ich bemerkte, daß Layla endlich von mir abgelassen hatte.

„Jetzt hast du mal erlebt, was ich alles mit dir machen kann“, meinte sie zu mir herab schauend. „Wenn du dich ein bißchen erholt hast, dann zeige ich dir, was ich anstelle des gerade erlebten noch mit dir machen kann. Das setzt natürlich deine Kooperationsbereitschaft voraus ...“

Allmählich stand ich auf. Zu meiner großen Beruhigung stellte ich fest, daß mein Schwanz wieder eine normale Größe besaß. Auch Layla bemerkte, daß ich mich bereits erholt hatte. Sie zog mich aus der Dusche heraus und kniete sich vor mich hin.

„Keine Angst, das tut jetzt ganz sicher nicht weh – ganz im Gegenteil“, versprach sie. Mit einer Hand griff sie nach meinem Penis, um ihn in den Mund zu stecken. Mit stetig schneller werdenden Frequenz umspielte ihre feuchte Zunge alle wichtigen Stellen.

„Aaaah!“ gab ich einen Luststöhner von mir, als ich das erste mal kam. Doch das sollte noch längst nicht alles sein: wie vorher legte Layla eine Hand auf meinen Bauch, um dort hin und her zu streichen. Dann griff sie wieder in mich – nur mit dem großen Unterschied, daß ich diesmal alles andere als Schmerz verspürte. Während ihre Zunge nach wie vor um meine Eichel rotierte, hatte ich schon die nächste Erektion und unmittelbar darauf schon die dritte. Auf einmal konnte ich sie schon gar nicht mehr voneinander unterscheiden. Die einzig passende Bezeichnung wäre wohl Dauererektion. Offensichtlich wußte die Dämonin ganz genau, wie gut das tat, denn auf mein Flehen hin machte sie noch eine Weile weiter. Irgendwann flaute die Erregungskurve dann allerdings leider doch wieder ab. Laylas Mundhöhle war offenbar voll, denn sie schluckte das gesamte Sperma hinunter. Wohl bekomms.

„Na? Hat dir das gefallen?“ fragte sie mich und ein intensiver Spermageruch lag in der Luft.

„Blöde Frage ...“, erwiderte ich.

„Also“, fügte sie hinzu. "Wenn du ab sofort meine Anweisungen befolgst, dann mußt du nicht mehr damit rechnen, daß ich dir Schmerzen zufüge, sondern du bekommst dann stattdessen eine Belohnung. Wie hört sich das an?! Nein, sag nichts. Ich weiß daß du dieses Angebot nicht ablehnen kannst ...“

Poff, machte es und weg war sie. Erschöpft saß ich auf den Badfliesen. Das war eben der absolute Wahnsinn gewesen! Zwar hatte ich noch immer eine negative Erinnerung an die höllischen Schmerzen, die sie mir anfangs beigebracht hatte, aber das zum Schluß hatte in gewisser Hinsicht einen himmlischen Beigeschmack. Layla stellte eine Kombination aus Hölle und Paradies dar. Sie hatte mir die Wahl gelassen, was ich wollte. In der Tat gab es da nicht besonders viel zu überlegen. Eine masochistische Veranlagung hatte ich nämlich nicht. Folglich blieb mir nichts anderes übrig, als ihr bei unserer nächsten Zusammenkunft meine „Kooperationsbereitschaft“ zu signalisieren. Während ich noch in Gedanken das eben erlebte durchging, öffnete sich plötzlich die Tür und herein kam – Sophie!

„Was machst du denn?“ wollte sie neugierig wissen.

Erst jetzt begriff ich, was sie meinte: ich saß nackt mit dem Hintern auf dem Boden und vor mir erkannte man noch einige Spermatropfen, die offensichtlich danebengetropft waren.

„Ach, ich hab mir nur eben einen runtergeholt, weil du so lange weg warst“, erklärte ich kurz. „Du darfst mich eben nicht so lange allein lassen.“

Grinsend stand ich auf und küßte sie auf die Wange.

„Warum mußt du dann den Boden so versauen?“

„Ganz einfach“, erklärte ich fachmännisch. „Weil die Soße einfach unkontrolliert weggespritzt ist ...“

Lächelnd starrte sie auf meinen erigierten Schwanz, der sich allmählich wieder nach unten zu senken begann.

„Ich helfe dir dabei, deinen Hormonhaushalt wieder in den Griff zu bekommen – aber vorher laß uns frühstücken, ja?“

Das war akzeptabel. Auf meine Semmeln schmierte ich mir zur Hälfte Honig bzw. Aprikosenmarmelade. So konnte der Tag beginnen. An diesem Tag hatte Sophie vor, mal wieder eine Wandertour zu unternehmen, wogegen ich nichts einzuwenden hatte. Aus diesem Grund fuhren wir an den Chiemsee, wo wir einige Stunden am Ufer entlang marschierten, ehe wir umkehrten. Erschöpft kamen wir um kurz nach 20 Uhr wieder daheim an, wo wir gleich duschten und natürlich Abendessen machten. Auf Sophies Drängen hin ließ ich mich überreden frühzeitig ins Bett zu gehen. Der Geschlechtsverkehr mit ihr war nicht schlecht, aber wie immer – und mit jeder anderen Frau vor ihr ebenso – zu kurz. Tja, eine Dämonin hatte da schon ganz andere Sachen drauf, aber die konnte man auch schlecht als „Frau“ bezeichnen. Das was Layla konnte, war zum Leidwesen der gesamten Männerwelt nun mal überirdisch und den meisten vorenthalten. Im Traum hatte ich bereits meine nächste Begegnung mit ihr: wir befanden uns an einem Strand in der Südsee und sie fragte mich, wie ich mich entscheiden wollte. Also ob ich ihr von nun an gehorchte oder nicht.

„Hey – das ist mein Traum!“ stellte ich fest. „Wenn ich schon mal an der Südsee bin, dann möchte ich auch surfen, also bringe hier nicht meinen Traum durcheinander ...“

Ich packte ein herumliegendes Surfbrett und wollte Richtung Meer abdampfen, doch die Traum-Layla kam auf mich zu, riß mir das Brett aus der Hand, um mich mit der Faust niederzuschlagen, so daß ich zu Boden ging.

„Ich bin echt!“ erklärte Layla. „Ich bin in deinem Traum – was spricht denn da bitte dagegen? Also, ich frage dich erneut: gehorchst du mir?“

„Ja, ja, natürlich“, stammelte ich verlegen.

„Sehr gut. Dann verlange ich für den Anfang einen Beweis von dir: töte Sophie! Noch heute nacht!“

„Ich kann sie nicht töten, ich mag sie ...“

„Natürlich kannst du es. Du mußt es nur wollen. Ich gebe dir die Kraft es zu tun. Den Rest mußt du allein machen.“

„Aber ich kann doch nicht ...“

„Widersprich jetzt nicht – denk daran, daß du die Wahl zwischen Himmel und Hölle hast. Begehe nicht den Fehler das falsche zu tun!“

Als ich am kommenden Morgen aufwachte, konnte ich mich noch schwach an den seltsamen Traum erinnern. So ein Blödsinn! Was man so alles träumte. Meine Hand suchte Sophie, die schlummernd seitlich mit dem Rücken zu mir lag. Zärtlich strich ich ihr übers Gesicht und legte meinen Arm dann über sie.

‚Nie würde ich dir etwas antun’, dachte ich in Erinnerung an den Traum. Sophie schien noch zu schlafen, weshalb ich auch noch etwas liegen blieb. Nach einer Weile fiel mir auf, daß Sophies Haut an der Schulter plötzlich so kalt war. Als ich mich über sie beugte, fiel mir auf, daß ihre Augen geöffnet waren. Erstaunt bemerkte ich, daß sie nicht etwas mich ansah, sondern mit einem komischen Ausdruck an die Decke starrte.

„Sophie?“ rief ich mit einer bösen Ahnung. „Sophie!“

Energisch rüttelte ich sie, doch sie wachte nicht auf. Zaghaft berührte ich ihren Hals, um nach dem Puls zu fühlen, doch ich fühlte nichts. Erst jetzt fiel mir ein roter Striemen am Hals auf. Sophie war erdrosselt worden. Um Gottes Willen! In der anderen Hand hielt ich einen roten Schal. Wo kam der denn her? Ich konnte mich gar nicht erinnern mit dem ins Bett gegangen zu sein. Sollte das etwas heißen, daß ich sie ...?

Entsetzt sprang ich aus dem Bett und rannte zum Telefon, um die Polizei anzurufen. Doch halt – was sollte ich denen den erzählen? daß ich meine Verlobte erwürgt hatte? Oder daß mich eine Dämonin dazu verleitet hatte? Nein, das konnte ich mir abschminken. Verdammt, was sollte ich nur machen? Nachdenkend stand ich nackt auf dem Gang auf der Suche nach einem Ausweg.

Zuerst mußte ich mich mal anziehen. In der Eile zog ich die erstbeste Jeans an, die ich fand sowie irgend ein kurzärmeliges Hemd. Es spielte immerhin keine Rolle, was ich anhatte. Mein Blick fiel auf die Küchenuhr – 10 Uhr 40. Ich mußte mir irgend etwas einfallen lassen, um Sophies Leiche zum verschwinden zu bringen. Die konnte schließlich nicht ewig hier liegen bleiben. Verzweifelt lief ich zurück ins Schlafzimmer, wo sie immer noch so da lag, wie ich sie vorgefunden hatte. Ich drehte sie von der Seite auf den Rücken, um sie gründlich zu betrachten. Sie sah eigentlich sehr friedlich aus. Wenn nur die Striemen am Hals nicht wären ... Mir war es noch immer ein Rätsel, wie sie zu Tode gekommen war. Ich hatte ihr doch wissentlich nichts getan – oder? Auf der anderen Seite befand sich die ganze Zeit niemand anderes außer mir mit ihr im Zimmer. Es konnte folglich nur ich als Täter in Frage kommen. Mir schien das alles zu Kopf zu steigen. Ich hatte Sophie wirklich gemocht. Das kleine Zwischenspiel mit Meli war doch nur ein bißchen Abwechslung gewesen. Verzweifelt setzte ich mich auf sie. Ein wenig scheu berührte ich ihre Brüste, die man fast schon als kalt bezeichnen konnte.

Schweigend saß ich wohl eine halbe Stunde da und starrte sie nur an, als erwarte ich, daß sie plötzlich zu zwinkern anfängt und wieder lebt. Nach einer halben Ewigkeit brachte ich endlich den Mut auf, ihr mit der Hand die Lider zu schließen. Vorsichtig hauchte ich ihr einen letzten Kuß auf den Mund. „Ich werde dich vermissen.“

Langsam stand ich auf und tigerte durch die halbe Wohnung, weil ich noch immer nicht wußte, was ich als nächstes machen sollte. Irgendwie mußte ich die Leiche beseitigen, doch ich konnte sie doch nicht am hellichten Tag einfach raus ins Auto tragen. Das mußte einfach irgend jemandem auffallen. Mir blieb also nur übrig zu warten, bis es dunkel werden würde. Bis dahin mochten wohl annähernd noch 9 Stunden vergehen. Eine lange Zeit ... unruhig lief ich im Wohnzimmer auf und ab, denn ich getraute mich nicht mehr ins Schlafzimmer. Allein die Vorstellung schien mir unheimlich.

Den Versuch etwas im Fernseher anzuschauen, gab ich bald auf, denn ich konnte mich nicht auf die Sendung konzentrieren. Irgendwann am Nachmittag klingelte das Telefon. Himmel, Arsch und Wolkenbruch – wer mochte das denn bitte sein? Vielleicht wäre es besser, nicht ran zu gehen?

„Günter Huber?“ meldete ich mich dennoch unsicher.

„Hallo Günter, ich hab gehört, daß du wieder zu Hause bist. Wie geht's dir denn so? Waren die Prüfungen recht anstrengend?“

Es war die Mutter von Sophie.

„Ja“, erwiderte ich mit leicht zitternder Stimme. „Die Klausuren sind schwer gewesen, aber wahrscheinlich hab ich alle bestanden. Ansonsten gibt es eigentlich nichts Besonderes ...“

„Kannst du mir schnell Sophie geben?“

„Ähm, nein, das geht leider nicht, weil sie zum Einkaufen weggefahren ist.“

„Schade, richte ihr aus, sie soll mich zurückrufen, wenn sie wieder da ist.“

„Werde ich machen. Du, ich muß auflegen, weil mein Teewasser kocht ...“

„Na dann will ich dich nicht länger aufhalten. Mach's gut und tschüß!“

„Servus“, hängte ich den Hörer ein.

Puuh – das hätte ich jetzt beinahe nicht hinbekommen. Das mit dem Teewasser war natürlich gelogen, aber ich hatte einfach nicht den Nerv auf ein längeres Telefonat mit meiner beinahe-Schwiegermutter. Die Wahrheit sagen stellte ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit dar. Bis zum Abend hatte ich zumindest genügend Zeit, um mir einen Plan zurecht zu legen. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit wagte ich mich ins Schlafzimmer, wo ich mir Sophies Körper über die Schulter warf. Mühsam schleppte ich sie zur Haustür und von dort aus weiter bis zum Auto, wo ich sie auf die Rückbank legte. Danach setzte ich mich hinters Steuer um aufs Land hinaus zu fahren. Da nicht mehr besonders viel Verkehr auf den Straßen herrschte, kam ich einigermaßen zügig heran. Eine Landstraße entlang fuhr ich bis zu einem größeren Wald, wo ich in einen abzweigenden, kleinen Feldweg einbog. Mit Tempo 30 ging es den holprigen Weg entlang ein Stück in den Forst hinein.

Als um mich herum lauter Bäume die Sicht verdeckten, hielt ich an. Gehetzt sah ich mich nach allen Seiten hin um, doch außer mir schien niemand hier zu sein. Kein Wunder – wer streift denn um 23 Uhr schon durch den Wald? Etwas beruhigt, aber dennoch mit einem gehörigen Muffensausen zerrte ich Sophies Körper aus dem Auto, um ihn irgendwo zwischen die Büsche zu legen. Anschließend fuhr ich weg, wobei ich allerdings den Wagen in der Nähe eines Supermarkts am Stadtrand stehen ließ, wo Sophie immer eingekauft hatte. Sorgsam wischte ich meine Fingerabdrücke vom Steuerrad weg. Nach dem Absperren des Wagens marschierte ich zu Fuß nach Hause. Die Autoschlüssel hängte ich an ihren angestammten Platz am Schlüsselbrett. Erschöpft ging ich ins Bett. Es war leer so ganz ohne Sophie. Verdammt, was hatte ich nur getan? Und wieso konnte ich mich nicht mehr daran erinnern?!?

Unruhig schlief ich ein, doch der Schlaf war alles andere als erholsam. Am nächsten Vormittag suchte ich erst mal die Polizei auf, wo ich Sophie als vermißt angab. Ganz leicht war mir dieser Gang – im wahrsten Sinne des Wortes, weil ich das Auto nicht benutzen konnte, denn offiziell durfte ich ja nicht wissen, wo es stand – nicht gefallen, aber er war nötig, da ich mich sonst erst recht verdächtig machen würde.

„Seit wann ist sie denn verschwunden?“ erkundigte sich der zuständige Beamte.

„Gestern vormittag ist sie zum Einkaufen gefahren, aber nicht zurückgekommen. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.“

„Haben Sie schon in Erwägung gezogen, daß sie vielleicht spontan zu einer Freundin oder zu Verwandten gefahren sein könnte?“

„Nun, falls sie das getan hätte, dann sicher nicht ohne mir Bescheid zu geben. Da sie sich aber nicht gemeldet hat, kann ich das ausschließen. Sophie ist sehr zuverlässig, müssen Sie wissen ...“

„Gut, Herr Huber, ich habe ihre Verlobte auf die Vermißtenliste gesetzt. Wir kümmern uns darum und geben Ihnen Bescheid, sobald wir eine Spur von ihr finden. Einen schönen Tag noch.“

Das war geschafft! Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich die Streife, um nach Hause zu trotten. Das hatte ich schon mal hinter mich gebracht. Als nächstes mußte ich zuerst meine Eltern und dann meine Schwiegereltern anrufen ... jetzt sage ich schon Schwiegereltern. Verheiratet war ich mit Sophie ja (noch) nicht gewesen. Nichts desto trotz fühlte ich mich mit ihnen verbunden, so als wären sie meine Schwiegereltern.

Nach diesen Anrufen, die ich beide schnell hinter mich brachte („Nein, ich weiß nicht, wo sie ist. Die Polizei wird sie schon finden ...“) pflanzte ich mich vor den Fernseher. Ein bißchen Ablenkung konnte jetzt nicht schaden. Irgendwann im Laufe des Nachmittags läutete es an der Tür. Wer mochte das denn sein? Hoffentlich niemand meiner Verwandtschaft. Von denen mochte ich jetzt eigentlich keinem Rede und Antwort stehen. Nichts böses ahnend öffnete ich die Tür und erblickte zwei uniformierte Polizeibeamte.

„Ja?“ fragte ich erstaunt. „Wollen Sie zu mir?“

„Herr Huber?!“ setzte der eine an. „Dürfen wir kurz reinkommen?“

„Ja, bitte.“ Ich bat die Herren in die Küche. „Nehmen Sie doch Platz. Haben Sie irgend welche Neuigkeiten wegen meiner Verlobten?“

„Ja“, sah mich der ältere der beiden Polizisten ernst an. „Wir haben vor einigen Stunden in einem Waldstück ihre Leiche gefunden.“

„Um Gottes Willen“, rief ich entsetzt und ich war mir sicher, daß meine Reaktion nicht gekünstelt gewirkt hatte, denn in gewisser Weise stellte mich diese Neuigkeit vor unabänderliche Tatsachen: jetzt war es amtlich, daß Sophie tot war.

„Wie ist sie denn dahin gekommen?!“ redete ich halb mit mir selbst.

„Das wissen wir noch nicht. Wir konnten ihren Wagen ausfindig machen – er steht zehn Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt vor einem Supermarkt.“

„Das verstehe ich einfach nicht. Wie kommt sie dann in den Wald? Sie wollte doch nur kurz einkaufen gehen ... war es ein Unfall?“

„Man hat sie ermordet“, erklärte der Beamte. „Höchstwahrscheinlich erdrosselt, aber das genaue Ergebnis steht erst nach der Obduktion zur Verfügung.“

Betroffen schaute ich nervös auf die Tischplatte.

„Würden Sie uns noch ein paar Fragen beantworten?“ brachte mich die Stimme des Polizisten wieder zurück.

„Ja, sicher, was wollen Sie wissen?“

„Wann haben Sie Ihre Verlobte das letzte mal gesehen?“

„Gestern vormittag, als sie aufgestanden ist, um zum Einkaufen zu fahren. Sie wollte Semmeln fürs Frühstück holen ...“

„Was haben Sie gemacht, als Sie bemerkten, daß Ihre Verlobte überfällig war?“

„Nun, ich habe ... ich wollte die Polizei anrufen, aber ich weiß ja, daß man nur jemanden als vermißt melden kann, der schon länger als 24 Stunden verschwunden ist. Ich habe den ganzen Tag gehofft, daß sie wieder auftaucht. Am kommenden Morgen bin ich dann zur Polizei gegangen.“

„Ok, das wäre alles. Mein persönliches Beileid. Falls wir noch was von Ihnen brauchen, melden wir uns wieder.“

Ich begleitete die Beamten noch bis zur Tür, die ich aufatmend schloß. Das wäre ebenfalls geschafft. Jetzt konnte ich nur abwarten in der Hoffnung, man würde den Täter nicht finden ...

Den restlichen Tag verbrachte ich zu Hause. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, bekam ich ein halbes Dutzend Anrufe von Freunden sowie Verwandten von mir, die von den Neuigkeiten Wind bekommen hatten – beruhigend war das nicht gerade, ständig wieder über den Tod von Sophie zu reden. Noch dazu, wo ich ein erschreckendes Geheimnis hütete, das niemand erfahren durfte. Deshalb gab ich mich auch ziemlich wortkarg und beendete die Gespräche auch verhältnismäßig rasch mit der Andeutung, mir gehe es nicht gut. Angebote mich zu besuchen, wies ich vorschnell ab mit der Begründung, ich wolle lieber allein sein, um über alles nachzudenken. Als ich endlich etwas Luft hatte, surfte ich zur Abwechslung ein wenig im Internet. Gerade als ich dabei war, den Namen einer Seite einzutippen, berührte mich etwas an der Schulter. Erschrocken zuckte ich zusammen.

„Aber, aber, ich bin's doch nur“, beruhigte mich Laylas süßliche Stimme. „Machst du bitte den Computer aus? Wir wollen doch nicht, daß die Tastatur feucht wird, oder?“

Natürlich wollte ich das nicht. Ferner war es mir hier vor dem PC auch ein bißchen zu ungemütlich für das, was Layla höchstwahrscheinlich im Sinn hatte. Ich kannte sie doch inzwischen ein bißchen.

„Gehen wir hinüber ins Schlafzimmer“, schlug ich deshalb vor.

Sie ging mir voran und legte sich mit dem Rücken aufs Bett.

„Das mit Sophie hast du übrigens gut gemacht. Dafür hast du dir nun eine ganz besondere Belohnung verdient ...“

Nach ihren Bemühungen mich zu „belohnen“, war ich davon überzeugt, daß mein Leben mit Layla trotz aller Widrigkeiten an Wert gewonnen hatte. Sie war wirklich einzigartig und sie hatte mich erwählt! Nach euphorischen Träumen wachte ich auf. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte mich Layla bereits irgendwann des Nachts verlassen. Das nächste mal mußte ich sie echt mal fragen, wohin sie immer ging. In welche Dimension oder was weiß ich.

Weil ich irgendwie wenig Lust darauf hatte, heute aus dem Haus zu gehen, bunkerte ich mich vor dem PC ein, um endlich mal wieder richtig durchzuzocken. Zu meiner Überraschung bekam ich gegen 16 Uhr Besuch. Neugierig öffnete ich – fünf Polizisten standen da. Einer von ihnen hielt mir einen Wisch entgegen. Das konnte eigentlich nichts gutes heißen ...

„Herr Huber, ich erkläre Sie hiermit für festgenommen. Das hier ist der Haftbefehl und das“, damit deutete er auf ein zweites Schreiben „ist der Hausdurchsuchungsbefehl.“

„Was, wie, warum?“ stammelte ich unbeholfen, während ich die Dokumente las, die in der Tat von einem Staatsanwalt bzw. Richter abgesegnet worden waren. Da stand irgendwas von Mordverdacht – so eine verdammte Scheiße!

„Kommen Sie bitte mit?“ nahmen mich zwei Beamte in die Mitte, um mich nach draußen zu führen, wo zwei Polizeiwagen standen. Marke BMW = Bayrischer Mist-Wagen. Mit einem fuhren wir davon. Betreten schaute ich zum Fenster hinaus. Wie waren mir die bloß auf die Schliche gekommen? Hatte ich irgend einen Fehler gemacht? Aber welchen? Ich war mir keiner Schuld bewußt. Zumindest was das Vertuschen der Mordtäterschaft anging. Man brachte mich in die städtische Polizeizentrale, wo mich meine zwei Begleiter in ein spezielles Verhörzimmer führten.

„Setzen Sie sich und warten Sie hier – der Kollege kommt gleich.“

„Eigentlich würde ich lieber gehen ...“, versuchte ich einen schwachen Scherz, über den ich jedoch selber nur müde grinsen konnte.

„Das kann ich Ihnen nicht raten“, meinte der Polizist, ehe er nach draußen ging. Keine Minute später trat ein anderer Mann in Zivilkleidung herein, der sich mir gegenüber an den kleinen Tisch setzte.

„Also Herr Huber, Sie wissen ja bereits, daß wir Sie beschuldigen in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch Ihre Verlobte Sophie Neumann ermordet zu haben. Wollen Sie mir zu diesen Anschuldigungen irgendwas sagen?“

„Nein“, erwiderte ich knapp. „Ich sage gar nichts.“

„Das ist Ihr gutes Recht, aber das wird Ihre Situation sicher nicht verbessern.“

„Aber auch garantiert nicht verschlechtern“, fügte ich hinzu. Der Beamte versuchte nochmal mit ein paar psychologischen Tricks, die ich als Student der Materie natürlich sogleich bemerkte, mich zum Reden zu bewegen, doch er sah bald ein, daß ich schweigen würde. Seufzend brach er das Verhör ab und man brachte mich in einen Gefängnistransporter, von wo aus ich direkt weiter ins Untersuchungsgefängnis gebracht wurde. Noch immer hatte ich keine Ahnung, über welche Beweise die Polizei verfügte, die auf meine unmittelbare Täterschaft deuteten. Nach den üblichen Verwaltungsangelegenheiten gab man mir Gefängnisklamotten, in denen mich zwei Wächter in meine Zelle führten, die wie ich geahnt hatte, nicht besonders groß war. Eher ein Mauseloch als ein Raum. Ob ich es hier wohl lange aushalten würde? Bis auf weiteres würde mir wohl oder übel nichts anderes übrig bleiben. Zumindest bis zum Prozeß.

Da man mir erlaubte ein Telefongespräch zu führen, kontaktierte ich per zufälliger Suche im Telefonbuch einen Rechtsanwalt meines Vertrauens, der versprach in spätestens einer Stunde bei mir im Knast vor Ort zu sein. In der Tat bekam ich nach nicht all zu langer Zellensitzerei Besuch. Die Wache führte mich in einen speziellen Raum, wo er mich mit dem Anwalt allein ließ, aber ich vermutete, daß man uns sowieso per Mikrofon abhörte, sofern das bei uns in Deutschland erlaubt ist. Oder war das nur in den USA erlaubt? Keine Ahnung – vermutlich hatte ich zu viele amerikanische Krimis gesehen. Der Anwalt, etwa Mitte 30, machte einen geschäftigen Eindruck auf mich. Er fragte mich auch, ob er irgendwelche Verwandte von mir verständigen sollte.

„Meine Eltern“, fiel mir ein und ich diktierte ihm die Adresse, denn er wollte persönlich bei ihnen vorbeischauen.

„Ok, dann erzählen Sie mir doch mal ihre Sicht der Ereignisse, derer man Sie zur Rechenschaft ziehen will.“

„Was soll ich dazu viel sagen? Ich war es nicht!“

„Das glaube ich Ihnen gerne, obwohl das eigentlich keine Rolle spielt. Mir ist es egal, ob Sie es waren oder nicht – meine Aufgabe ist es nicht Sie zu verurteilen, sondern Sie davor zu bewahren. Nur könnte es sich eventuell als nachteilig erweisen, wenn Sie mich belügen und ich meine Verteidigungsmaßnahmen in der Gestalt anpasse. Vor allem, wenn dann in der Verhandlung was gegenteiliges herauskommt und wir spontan unsere Taktik umstellen müssen. Verstehen Sie was ich meine?“

„Ja, ich denke schon“, erklärte ich. „Aber ich war es wirklich nicht.“

„Schildern Sie mir doch einfach den Tag, an dem die Tat geschah.“

Ich erzählte ihm also in groben Worten, daß ich aufgewacht war und Sophie zum Einkaufen fortfuhr. Da hatte ich sie zum letzten mal gesehen.

„Herr Huber, ich habe Ihre Aussage bei der Polizei gelesen. Mit mir können Sie offen reden. Da muß doch noch irgend etwas gewesen sein? Gibt es noch irgend etwas, was Sie mir verschwiegen haben?“

Auf sein eindringliches Drängen hin erzählte ich ihm die Wahrheit. Also daß ich Sophie tot neben mir im Bett aufgefunden hatte. daß ich sie mit meinem Wagen in den Wald gefahren hatte, aus Angst ich könnte des Mordes verdächtig werden.

„Allerdings habe ich es nicht getan!“ versicherte ich mit Nachdruck.

Der Anwalt – sein Name lautete Harald Lüders – nickte eifrig und dankte für meine Offenheit.

„Jetzt haben Sie aber gerade noch die Kurve gekriegt. Da wir genügend Vorbereitungszeit haben, könnten wir eine gute Chance besitzen, Sie trotz allem freizupauken, auch wenn Ihnen der Staatsanwalt Ihre Geschichte wohl nicht glauben wird, wenn Sie behaupten, Sie hätten Ihre Verlobte nicht umgebracht. Denn wer soll es denn sonst gewesen sein? Besitzt eigentlich noch jemand den Schlüssel zu Ihrer damaligen gemeinsamen Wohnung?“

„Nur noch meine Eltern und die Eltern von Sophie ...“, zählte ich auf.

„Hmm, darauf können wir wohl kaum setzen. Außerdem könnte man unterstellen, Sie hätten hören müssen, wenn jemand in Ihre Wohnung eindringt und neben Ihnen jemand ermordet wird. Das können wir uns also abschminken. Also, Herr Huber, ich lasse mir einen Plan einfallen, informiere Sie über alles weitere und wir wollen hoffen, daß Sie bald wieder auf freiem Fuß sind.“

Er drückte mir aufmunternd die Hand, ehe er den Raum verließ. Ein Wächter brachte mich zurück in mein grandioses Reich. Klirrend hörte ich, wie sich die Schlüssel drehten – eingeschlossen!

In der Zelle hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Wie sich mein Leben doch in den letzten Wochen verändert hatte. Nie werde ich diesen Tag vergessen, als mir Layla zum ersten mal erschienen ist. Die Nacht, die alles ändern sollte. Langsam begann ich mich zu fragen, ob ich Sophie überhaupt getötet hatte. Vielleicht hatte das Layla getan, um mich gefügig zu machen, denn sie wußte sicher sehr genau, das mir sonst niemand mehr nahestand. Womöglich hatte sie zuvor auch schon Meli umgebracht – wohl aus den gleichen Motiven. Diese Version hatte ich bisher noch gar nie in Erwägung gezogen, aber sie schien mir jetzt durchaus realistisch. Schließlich konnte ich mich weder daran erinnern, Meli etwas angetan zu haben geschweige denn meiner Verlobten. Man kann doch niemanden töten und das dann einfach vergessen? Diesbezügliches konnte ich auf Grund meines bisherigen psychologischen Fachwissens praktisch ausschließen. Theoretisch wäre natürlich noch denkbar, daß ich schizophren war. Meine aktuelle Identität, Günter Huber, war der brave Student, der lediglich seine Verlobte mit einer anderen betrogen hatte, ansonsten jedoch nichts auf dem Kerbholz hatte.

Die andere – versteckte – Identität hingegen wäre dann der eiskalte Mörder, der ohne ersichtlichen Grund zu Werke schritt. Das könnte direkt passen, denn bei beiden Leichen hatte ich keinerlei Abwehrspuren gefunden. Soll heißen, beide haben ihrem Mörder wohl vertraut, denn sonst wären sie wohl kaum im arglosen Zustand erledigt worden. Blieb die Frage, wer solch eine Person war. Da blieb eigentlich nur ich übrig. Keine sehr schöne Erkenntnis. Da mochte ich schon viel lieber an die andere Möglichkeit glauben: daß Layla hinter allem steckte. Aber auch hier fehlte genau wie bei mir das Motiv. Welchen Vorteil sollte es ihr bringen, wenn zwei Freundinnen von mir krepierten? Aber weshalb hatte sie mir dann im Traum quasi befohlen, Sophie zu töten? Als Test, ob ich ihr gehorchen würde? Hatte ich das getan oder wollte Layla nur, daß ich es glaubte? Aber was brachte ihr das ein? Welchem Zweck sollte das bitteschön dienen? Fragen über Fragen, die mich nur noch mehr verunsicherten. Grübelnd lag ich auf dem Bett des nur drei mal fünf Meter großen Raumes, um an die Decke zu schauen, als stünde dort die Wahrheit. Leider wurde ich dadurch auch nicht schlauer. Im Gegenteil: jetzt wurde mir erst recht bewußt, wie klein Gefängniszellen in Wirklichkeit waren. Hier jahrelang eingesperrt zu sein, würde ich wohl nicht aushalten. Soll heißen, für mich gab es nur Freispruch als erstrebenswertes Prozeßziel!

Irgendwann am späten Nachmittag bekam ich mein Abendessen. Gar nicht mal so schlecht. Verhungern wollte man hier offenbar keinen lassen. Da ich nachher nicht wirklich etwas anzufangen wußte, legte ich mich schlafen. Kurz bevor ich beinahe eingeschlafen wäre, flüsterte eine Stimme ganz nahe an meinem Ohr: „Günter ... wir stehen das gemeinsam durch.“

Natürlich war es Layla. Wer sonst kam denn ohne weiteres hier herein?

„Was meinst du?“ murmelte ich leicht verschlafen.

„Den Prozeß, das Gefängnis, alles.“

„Mir wäre ganz recht, wenn du mich irgendwie hier herausholen könntest. Kannst du mich denn nicht einfach wegzaubern?“

„So leicht geht das leider nicht, wie du dir das vielleicht vorstellst“, mußte mich Layla enttäuschen. „Aber ich werde schon zu verhindern wissen, daß du dich hier im Knast einsam fühlst ...“

Eng drückte sie sich an mich und zog die Decke weg. Nach einer Weile begann ich wohlig zu stöhnen. „Aaaaaha ... mhmm, hmmm ...“

Nachdem sie von mir abgelassen hatte, setzte sie sich beinahe wie eine Schwester neben mich ans Bett.

„Kannst du mir verraten, welche Beweise die Polizei hat, die darauf hindeuten, daß ich Sophie ermordet habe?“ fragte ich sie.

„Nun, momentan weiß ich es nicht, aber ich kann es für dich herausfinden, wenn es dich interessiert.“

„Ja, das wäre toll. Bin mir nämlich keines Fehlers bewußt.“

„Ok, bis morgen kann ich es dir sagen. So – ich muß jetzt gehen. Schlaf gut und bis morgen.“

Zack – schon war sie verschwunden. Es dauerte nicht lange, ehe ich einschlafen konnte. Meine erste Nacht in Gefangenschaft. Der Moment, in dem ich erwachte, brachte mir mit aller Vehemenz die Erkenntnis vor Augen, daß ich nicht wie sonst daheim in meinem Bett lag, sondern ganz woanders. An einem mir völlig fremden Ort, wo mir nicht die Möglichkeit zustand, mich frei zu bewegen. Eine sehr schlimme Erkenntnis. Hoffentlich würde heute irgend etwas passieren. Beispielsweise daß mir der Anwalt berichtete, wann der Prozeß stattfinden würde oder dergleichen. Oder noch besser: daß man mich sofort auf freien Fuß setzte auf Grund neuer Erkenntnisse, die meine Unschuld zweifelsfrei bewiesen. Leider geschah letzteres nicht.

Zum Frühstück führte mich ein Wächter in eine Art Kantine, wo schon eine ganze Horde hungriger Häftlinge wartete. Allerdings nicht auf mich, sondern auf den Anstaltskoch, der das Happa-happa auftischte und verteilte. Ein Mithäftling, von dem ich nur wußte, daß er die Zelle direkt neben meiner bewohnte, setzte sich zu mir an den Tisch.

„Wenn du dir das nächste mal in der Nacht einen runterholst, dann gefälligst ruhig – hast du verstanden?“ raunte er mir zu.

„Was?“ wunderte ich mich, ehe ich begriff, daß er die nächtlichen Geräusche falsch gedeutet hatte. „Ach so ... ja, klar. Tut mir leid“, fügte ich daher entschuldigend hinzu. Wenn der wüßte, daß ich eine echte Dämonin auf meiner Seite hatte ...

Insgeheim mußte ich grinsen auf Grund meiner für mich offensichtlichen Überlegenheit. Ganz abgesehen davon, daß ich im Gegensatz zu ihm meinen Prozeß noch vor mir hatte und demzufolge auch eine Chance, doch noch bald hier rauszukommen.

Am Nachmittag gewährte man mir eine Runde Freigang im umzäunten Innenhof zusammen mit anderen Gefangenen. In einer Ecke standen drei Männer herum, die neugierig in meine Richtung blickten. Die wollten offenbar wissen, wer da neues dazugekommen war.

„Na, Jungs, alles klar?“ gesellte ich mich zu ihnen. Derjenige, der links außen stand und der Kleinste der drei war, ignorierte meine Bemerkung. Der mittlere, ein muskulöser Hüne mit einer Adlertätowierung auf dem rechten Oberarm, schnaubte nur verächtlich. Der dritte im Bunde, strohblondes Haar, gedrungene Gestalt, grinste gequält und deutete mit dem Finger auf die Gefängnismauer.

„Hundert Meter in diese Richtung wäre alles ok ...“

„Wem sagst du das, Kamerad?“ stellte ich eine rhetorische Frage. „Also ich weiß nicht, wie es euch geht – aber ich will hier in Bälde wieder herauskommen.“

„Da bist du nicht der einzige“, entgegnete der Kleine. „Aber ich werde wohl noch zehn Jahre warten müssen. Dir wird es wohl auch nicht viel besser gehen oder hast du mit der Frau des Innenministers gevögelt?!“

„Nicht wirklich. Aber ich hab meinen Prozeß noch vor mir und hoffe, daß da was ordentliches dabei herauskommt.“

„Dann hoffe mal nicht zu viel, Junge.“ mischte sicher der Hüne ein. „Die da oben stecken doch alle unter einer Decke. Ganz egal ob Richter, Staatsanwalt oder Verteidiger. Am Ende verknacken sie dich doch.“

Sollte ich mich von diesen Langweilern entmutigen lassen? Nein!

„Also Jungs, ich dreh noch ne Runde“, wandte ich mich ab, um mich noch ein bißchen zu bewegen. Spurt, im Kreis joggen und ein wenig Schattenboxen, damit ich nachher in der Zelle keinen Bewegungsdrang mehr verspürte. Am Abend tauchte wie verabredet Layla auf, um mir die Ergebnisse ihrer Nachforschungen mitzuteilen.

„Im Kofferraum des Autos hat die Polizei Haare von Sophie gefunden. Ferner hat man an den Reifen Walderde mit Tannennadeln entdeckt, was darauf hindeutet, daß jemand die Leiche mit ihrem Wagen transportiert hat und denselbigen nach dem Abladen im Wald anschließend wieder zurück in die Stadt gefahren hat.“

„Na und? Das deutet doch nicht zwangsläufig auf mich hin. Es kann doch jeder andere auch damit gefahren und damit ebenfalls der Täter sein.“

„Stimmt“, gab mir die Dämonin recht. „Jedoch hat man Spermaspuren gefunden, die eindeutig von dir stammen. Aber keine Angst: ich hole dich hier schon wieder irgendwie heraus. Und jetzt: zieh dich aus und leg dich hin ...“

Je näher der Prozeß rückte, desto unruhiger wurde ich. Schließlich hatte die Staatsanwaltschaft alle Zeit der Welt Beweise zu sammeln, während ich mich hier auf die Tätigkeit meines Verteidigers verlassen mußte. Layla mal außen vor gelassen. Die eigene Unfähigkeit etwas zu tun machte mich ganz krank. In einer Unterredung mit meinem Anwalt Harald Lüders sprachen wir unsere Verteidigungsstrategie durch.

Lüders: „Sie geben zu, daß Sie mit Sophie geschlafen haben, streiten aber ab, den Mord begangen zu haben. Sophie ist um circa 10 Uhr 10 zum Einkaufen weggefahren. Die angeblichen Beweise des Staatsanwalts können wir als wage Vermutungen herunterspielen. Mit dem Auto kann jeder gefahren sein. Das reicht nicht für eine Verurteilung. Wenn da nicht noch irgend welche Zeugen aus dem Hut gezaubert werden, haben wir zumindest eine faire Chance.“

„Hoffentlich ...“

Einige Wochen später, in der ich mich nicht wirklich an das Leben im Knast gewöhnt hatte, dank Layla allerdings etwas leibliche Genüsse erfahren durfte, fand die Hauptverhandlung statt. Zwei Polizisten brachten mich in Begleitung meines Anwalts in den Gerichtssaal, wo wir an der Anklagebank Platz nahmen. Kurz darauf erschien ein schwarz gekleideter rund 40-jähriger Mann, der uns gegenüber Platz nahm – der Staatsanwalt Reumer, wie auf dem Namensschild stand. Etliche Minuten später kamen die Richter unter Vorsitz von Jan Koller.

„Bitte nehmen Sie Platz. Ich eröffne die Hauptverhandlung des Verfahrens gegen Günter Huber. Kommen wir nun zur Überprüfung der Personalien: Ihr Name ist Günter Huber?“ – „Ja.“ – „Geboren am 17.11.1976 in Rosenheim?“

„Genau.“ – „Sie studieren momentan Psychologie in Kiel?“ – „Richtig.“

„Familienstand: ledig ...“ – „Ja, bis zuletzt war ich verlobt.“

„Na ja, das hat sich ja von selbst erledigt.“

Eine kleine Pause entstand, nach der sich Koller an den Staatsanwalt wandte.

„Herr Staatsanwalt, lesen Sie bitte die Anklage vor.“

Auf diese Weisung stand Herr Reumer auf, um seine Anklageschrift zu verlesen.

„Dem Psychologie-Studenten Günter Huber wird folgendes zur Last gelegt: am Morgen des 17.7.2004 hat er seine Verlobte Sophie Neumann in der gemeinsamen Wohnung erwürgt und anschließend im Kofferraum ihres Wagens in den nahen Tauberstätter Forst gebracht. Der Angeklagte wird daher des Mordes bezichtigt, strafbar gemäß §211 StGB.“

Reumer setzte sich wieder, ehe der Richter meinen Verteidiger befragte:

„Macht Ihr Mandant Angaben?“

„Er wird sich dazu äußern“, erklärte Rechtsanwalt Lüders, woraufhin sich der Richter mir zuwandte.

„Was sagen Sie denn zu den Vorwürfen des Staatsanwalts?“

„Das ist völliger Blödsinn. Ich habe nichts damit zu tun. An dem besagten Tag ist Sophie am Vormittag weggefahren, um noch was zum Essen einzukaufen. Ich weiß nicht, wer sie getötet hat – ich war es jedenfalls nicht. Wir wollten im kommenden Jahr heiraten ...“

„Gut, dann beginnen wir mit der Beweisaufnahme. Nehmen Sie bitte neben ihrem Verteidiger Platz. Herr Weissenfeld – bitte den ersten Zeugen.“

Der Gerichtsdiener oder weiß der Henker was das für ein Lulatsch war, holte von draußen den ersten Zeugen herein. Einen Polizeibeamten. Der Kern seiner Aussage befaßte sich mit den Ergebnissen der Hausdurchsuchung meiner Wohnung. Man hatte die Autoschlüssel für Sophies Fiat am Schlüsselbrett gefunden. Da niemand weitere Fragen an den Polizisten hatte, entließ der Richter ihn, um im Anschluß dem Staatsanwalt die Möglichkeit zu geben, nochmal mich zu befragen.

„Wie erklären Sie sich das denn?“ wollte Reumer von mir wissen. „Wie ist denn der Schlüssel dorthin gekommen, wenn Sie nicht mit dem Wagen gefahren sein wollen?“

„Die Autoschlüssel bei mir daheim sind doch nur die Zweitschlüssel.“

„Das dachte sich der Kollege zuerst auch, aber das waren die einzigen Schlüssel für den Fiat, der in der Wohnung auffindbar war. Interessanterweise haben aber die Nachforschungen ergeben, daß der einzige bekannte Zweitschlüssel bei den Eltern der Verstorbenen aufbewahrt wird. Laut unseren Recherchen gab es keinen dritten Ersatzschlüssel – also sind Sie doch mit dem Wagen gefahren. Sie haben das Opfer wahrscheinlich im Bett erwürgt, im Kofferraum des Autos in den Wald gefahren und dort deponiert. Anschließend haben Sie den Fiat vor dem Supermarkt abgestellt, damit es so aussieht, als wäre das Opfer zum Einkaufen gefahren. Nur das mit dem Schlüssel haben Sie nicht bedacht. Ferner die Tatsache, daß wir den Mordzeitpunkt auf den Zeitrahmen 9 Uhr 30 bis 10 Uhr 30 festlegen konnten.“

„Was hätte ich denn für ein Motiv?“ entgegnete ich nervös, denn langsam aber sicher zog sich die Schlinge zu.

„Das weiß ich nicht. Aber die Indizien sprechen jedenfalls für mich eine einwandfreie Sprache. Ein Geständnis würde helfen ...“

„Ich habe mit dem ganzen nichts zu tun“, rechtfertigte ich mich. „Ich weiß nicht, wieso die Schlüssel bei mir zu Hause waren. Vielleicht ist Sophie auch zu Fuß zum Einkaufen gegangen.“

„Jetzt erzählen Sie doch keinen Unsinn“, mischte sich Reumer ein. „Wir haben an den Reifen des Wagens Spuren von Fichtennadeln sichergestellt. Am Tattag hat es geregnet und dadurch sind auch Reste des Waldbodens an den Reifen des Autos hinterlassen worden – der Fiat war also definitiv irgendwo im Wald unterwegs. Ferner kommt dazu, daß wir Haare der Toten im Kofferraum gefunden haben. Wir müssen nun wirklich nicht darüber debattieren, wie sie in den Wald gekommen ist. Das dürfte sogar Ihnen einleuchten, Herr Verteidiger.“

„Es mag sein, daß die Tote mit diesem Auto transportiert wurde“, schaltete sich Lüders ein. „Aber das weist noch lange nicht auf meinen Mandanten hin, denn es ist doch denkbar, daß der Täter das Opfer vor dem Einkaufen abgepaßt, sie umgebracht sowie in den Wald gefahren hat, um anschließend den Verdacht auf meinen Mandanten zu lenken, indem er zur Wohnung der Toten geht, die er mit dem Hausschlüssel geöffnet hat, um die Autoschlüssel dort ans Schlüsselbrett zu hängen ...“

„Das sind doch hanebüchene Märchen, die Sie uns hier auftischen wollen.“

„Herr Staatsanwalt – lassen Sie mich bitte ausreden? Danke! Wie gesagt könnte diese Theorie durchaus möglich sein, denn es gibt weder Beweise dafür, daß der Angeklagte am Steuer gesessen ist, noch daß er mit dem Mord etwas zu tun hat. Oder haben Sie am Steuerrad des Wagens Fingerabdrücke gefunden, Herr Staatsanwalt?!? Außerdem fehlt jegliches Motiv. Hätten Sie an dieser Stelle etwas intensiver recherchiert, dann wäre selbst Ihnen aufgefallen, daß etwas nicht stimmen kann.“

An dieser Stelle bestand Reumer darauf, den Obduktionsbericht vorzulesen, der besagte, daß in Sophie Spermaspuren gefunden worden waren, die natürlich von mir stammten. Von wem sonst? Ferner noch diverse leichte Hautabschürfungen, deren Ursache jedoch nicht genau herzuleiten war.

„Ich habe nie bestreitet, daß ich die Nacht zusammen mit Sophie verbracht habe“, rechtfertigte ich mich. „Also was soll das bitte?“

„Das erklärt vielleicht die Spermaspuren“, gab der Anwalt zu. „Aber das macht trotzdem keinen guten Eindruck – Kollegen aus Kiel, also dort wo Sie studieren – haben berichtet, daß eine Kommilitonin von Ihnen genau am selben Tag erstochen wurde, als Sie mit dem Zug nach Hause gefahren sind.“

„Was hat denn das jetzt mit dieser Geschichte zu tun?“

„Das könnte uns ein Motiv liefern. Kollegen von Ihnen haben uns nämlich erzählt, daß angeblich etwas zwischen Ihnen und der Ermordeten in Kiel gelaufen sei. Vielleicht haben Sie sogar etwas mit der Tat zu tun?! Womöglich hat sie Sie unter Druck gesetzt, daß Sie sich endlich von Ihrer Verlobten trennen sollen und es ist zum Streit gekommen. Aber ich will Ihnen hier nichts unterstellen. Jedenfalls sind Sie nachgewiesenermaßen mit dem Zug nach Hause gefahren und dort hat Ihnen Ihre Verlobte beispielsweise gesagt, daß sie sich von Ihnen trennen will, weil sie einen neuen Freund hat oder weiß der Kuckuck warum. Auf Grund der langen Zeit, die sie schon zusammen waren, hat sie dann vielleicht angeboten, eine letzte gemeinsame Nacht miteinander zu verbringen und weil sie es aus Eifersucht nicht überwunden haben, sie zu verlieren, haben Sie sie einfach umgebracht. Getreu dem Motto: Was ich selbst nicht haben kann, das soll auch niemand anders bekommen. So könnte es doch gewesen sein, oder?“

„Nein!“ rief ich entsetzt. „So war es nicht.“

„Wie war es denn dann?“

Mein Verteidiger räusperte sich.

„Herr Staatsanwalt, Ihre Schlußfolgerungen sind heute wieder mal sehr hinterm Mond. Präsentieren Sie uns doch mal handfeste Beweise und keine wagen Vermutungen. Außerdem hat der Mordfall in Kiel nichts mit diesem Verfahren zu tun.“

„Ich habe im Moment keine weiteren Fragen mehr.“

Nachdem Staatsanwalt Reumer sich wieder gesetzt hatte, begann die Vernehmung des nächsten Zeugen. Zur Abwechslung mal ein Freund von mir, der dem Gericht die Beziehung zwischen mir und Sophie schildern sollte. Dieter hatte doch einige Sachen mitbekommen, weil wir desöfteren zu dritt Unternehmungen gemacht hatten.

„Ihr Name ist Dieter Holzer, wohnhaft in Rosenheim, 24 Jahre, von Beruf Student, Familienstand ledig und weder verwandt noch verschwägert mit dem Angeklagten?“ begann Richter Koller mit den Personalien, was Dieter bejahte.

„Sie müssen vor Gericht die Wahrheit sagen. Wenn Sie sich selbst belasten müßten, dürfen Sie schweigen – Sie dürfen nur zu keiner Zeit lügen. Soweit angekommen? Gut, dann erzählen Sie uns doch mal, wie Sie die Beziehung zwischen der Verstorbenen und dem Angeklagten mitbekommen haben.“

„Na ja, also was soll ich dazu groß sagen? Die beiden haben sich bestens miteinander verstanden und sie hatten ja auch schon ihre Hochzeit geplant. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der Günter irgendwas mit der Sache zu tun hat. Immerhin kenne ich ihn schon seit dem Kindergarten.“

Endlich jemand, der auf meiner Seite stand. Weiter ging es mit einigen anderen Zeugen – unter anderem der Mutter von Sophie, die sich ebenfalls nicht vorstellen konnte, daß ich etwas mit der Sache zu tun hatte.

„Günter ist echt ein netter Kerl und war immer total lieb zu unserer Tochter. Wir haben uns schon gefreut ihn als Schwiegersohn zu haben ...“

Gegen Ende der Beweisaufnahme, die sich wohl vier Stunden inklusive Pausen hinzog, folgte zuerst das Plädoyer des Staatsanwalts:

„Hohes Gericht, Herr Verteidiger, meiner Meinung nach steht ganz klar fest, daß der Angeklagte die Tat begangen hat. Wir haben die Autoschlüssel in seiner Wohnung gefunden, er hat zur Tatzeit kein Alibi und an der Leiche gab es keine Abwehrspuren, was darauf hindeutet, daß das Opfer seinen Mörder gekannt sowie vertraut hat. Heimtücke liegt vor, denn Sophie Neumann wurde im Schlaf erwürgt und war daher arglos. Wie sich die Sache im Detail abgespielt hat, können wir auf Grund der Lügengeschichten des Angeklagten nicht nachvollziehen. Das spielt aber auch keine große Rolle. Jedenfalls steht die Schuld für mich wegen vieler Indizien fest. Aus diesem Grund beantrage ich den Angeklagten gemäß Paragraph 211 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen.“

Bei der Höhe des Strafmaßes verschlug es mir beinahe die Sprache. Soviel hatte ich gar nicht erwartet. Schließlich war ich nicht vorbestraft, aber so kann man sich irren. Wenigstens folgte unmittelbar nach diesem Schockerlebnis die Ansprache von Anwalt Lüders:

„Hohes Gericht, Herr Staatsanwalt, ich muß energisch widersprechen, wenn Sie hier von zweifelsfreien Beweisen sprechen. Was wissen wir denn wirklich? Eigentlich nichts. Die Autoschlüssel können von einem besonders raffiniert agierenden Dritten zurück in die Wohnung meines Mandanten gebracht worden sein. Die Wohnadresse kann er ganz leicht anhand des Personalausweises des Opfers herausgefunden haben. Dieser Unbekannte hat auch den Mord begangen und wenn der Herr Kollege gründlicher recherchiert hätte, dann wäre er zum selben Schluß gekommen wie ich. Es liegen hier intrigenartige Verstrickungen vor, die den falschen belasten, während der wahre Täter noch irgendwo herumläuft. Hinzu kommt das fehlende Motiv, die Absicht meines Mandanten die Verstorbene zu heiraten sowie seine bisherige unauffällige Lebensführung. Mein Mandant ist daher wegen erwiesener Unschuld freizusprechen.“

Nach dieser Darbietung seitens meines Anwalts zum Retten meines Kopfes wandte sich der Richter an mich. „Sie haben das letzte Wort.“

„Ja, also ich hab mit der ganzen Sache nichts zu tun. Ich habe Sophie geliebt und wollte sie nächstes Jahr heiraten. Mehr will ich dazu nicht sagen.“

„Gut, dann zieht sich das Gericht zur Urteilsbesprechung zurück.“

Die drei Richter erhoben sich, um in einen separaten Nebenraum zu gehen. Bange Minuten verstrichen, in denen ich mich mit meinem Anwalt unterhielt.

„Was glauben Sie, besprechen die gerade?“

„Schwer zu sagen“, meinte Lüders. „Die werten das Beweismaterial aus. Hoffentlich kommen Sie zu dem Schluß, daß Sie unschuldig sind. Zwischen Freispruch und lebenslang gibt es nämlich sonst nichts ...“

„Das sind ja tolle Aussichten.“

„Tja, da müssen wir eben abwarten, was das Gericht entscheidet.“

Uns blieb auch nichts anderes übrig. Nur das dem Anwalt schlimmstenfalls ein verlorener Prozeß drohte – mir hingegen weitaus Unangenehmeres. Die Warterei wollte kein Ende nehmen. Offenbar konnten sich die Richter nicht einigen, was sie für ein Urteil fällen sollten. Das konnte gut für mich sein, aber auch schlecht. Je nachdem. Falls man mich freisprechen würde, nahm ich mir vor, zu aller erst eine Woche Urlaub in Italien zu machen. Faul am Strand liegen, im Meer baden und tauchen, Eis schlecken, Sandburgen bauen, abends Pizza essen ... ja, das wäre nach der Aufregung der letzten Wochen genau das richtige, um meine innere Ruhe wieder zu finden.

Nach einer schier ewigen Zeit ging die Tür des Nebenraums endlich auf und die Richter nahmen Platz.

„Ich verkünde jetzt das Urteil – bitte erheben Sie sich.“ Pause. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: der Angeklagte Günter Huber wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Haftbefehl bleibt in Vollzug. Gegen dieses Urteil gibt es das Rechtsmittel der Revision sowie der Berufung, das binnen einer Woche eingereicht werden kann. Ihr Verteidiger wird Sie weiter informieren.“

Betreten sackte ich in meinen Stuhl. Von wegen Urlaub in Italien. Aus der Traum vom Wellensaum. Stattdessen Urlaub auf Staatskosten, ohne Meer, ohne Sonnenschein. Nach den Erläuterungen des Richters zum Urteil, die ich nur halb mitverfolgte, redete mein Anwalt beruhigend auf mich ein.

„Jetzt fahren Sie erst mal mit in die Justizvollzugsanstalt, während ich Revision einlege und Sie dann später besuchen komme.“

Die zwei mich während der Verhandlung bewachenden Polizeibeamten brachten mich in Handschellen zurück in den Knast, wo ich erst mal auf meine Pritsche niedersank. Lebenslang! Noch immer konnte ich es nicht fassen. Diese Schweine wollten mich hier offensichtlich festnageln. Layla sollte mich gefälligst hier herausholen.

„Layla!“ rief ich, als könne ich sie dadurch herbeibeschwören. In der Tat tauchte sie kurz darauf in meiner Zelle auf. „Was gibt's denn?“

„Man hat mich zu lebenslang verurteilt – das gibt es. Hol mich hier gefälligst irgendwie raus ...“

Ein teuflisches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

„Wieso sollte ich dafür Energie aufwenden? Ich habe längst erreicht, was ich will. Du bist zu meinem Sklaven geworden, deine Seele gehört mir ...“

„Was soll das denn heißen?“

„Ist doch ganz einfach: ich hab von dir Besitz ergriffen. Du bist bereits ein Teil von mir selbst geworden. Deinen kümmerlichen Körper zu befreien würde mir nichts mehr bringen.“

„Aber ... aber ...“, stotterte ich irritiert. „Was hat das zu bedeuten?“

„Du weißt sehr wohl, was das heißt. Und jetzt leg dich hin – ich will dich noch ein letztes mal, ehe wir ...“

„Nein!“ schrie ich aus Leibeskräften, rannte zur Zellentür um dort wie ein Wahnsinniger mit den Fäusten dagegen zu trommeln. „Wache! Hilfe!“

Hinter mir erschallte ein höhnisches Lachen, begleitet von einer süßlichen Stimme.

„Du kannst versuchen zu fliehen, aber du entkommst mir doch nicht. Ich bin immer und überall. Im Gefängnis, in deiner Zelle, in dir, in deinem Geist.“

„Wache!“ versuchte ich sie panisch schreiend zu übertönen. Endlich öffnete sich der Sehschlitz und einer der Wächter sah herein. „Was ist denn los?“

„Da ist jemand in meiner Zelle ... Sie müssen mir helfen ...“, flehte ich verzweifelt. Bevor er die Tür aufsperrte, holte der Wachmann noch einen Kollegen als Verstärkung, ehe er eintrat. „Also: was ist passiert?“

„Da“, deutete ich Richtung Fenster, wo Layla immer noch wie zuvor grinsend stand und sich scheinbar köstlich amüsierte. „Da ist sie.“

„Wer ist da?“ wunderte sich der eine Wächter. Fragend starrte er mich an.

„Ja seht Ihr sie denn nicht?“ zeigte ich nochmals auf die ... nanu – wo war sie denn jetzt? Offenbar verschwunden.

„Gerade war sie noch da“, erklärte ich. „Ihr müßt mir glauben! Ich werde von einer Dämonin verfolgt; sie hat mich erst in diesen Schlamassel hinein gebracht und jetzt will sie meine Seele.“

Verwundert warf der eine Wächter seinem Kollegen einen tiefsinnigen Blick zu.

„Herr Huber, wenn Sie glauben mit solchen müden Tricks hier heraus zu kommen, dann haben Sie sich getäuscht. So einen bodenlosen Unsinn können Sie Ihrer Oma oder Ihrem Anwalt erzählen, aber nicht uns.“

„Verdammt, glaubt mir doch – sie war eben noch da und hat mich bedroht. Ihr müßt mir helfen!“

„Ach was“, wandte sich der zuständige Gefängnisbeamte ab, um die Tür von außen wieder zu verschließen, als ihn sein Kollege am Arm griff.

„Warte mal, Hans, wäre es nicht besser, wenn wir ihn zum Arzt bringen würden? Vielleicht leidet er ja unter Wahnvorstellungen. Du kennst die Verordnungen.“

„Meinetwegen.“ Pause. „Also, Herr Huber, kommen Sie mit, wir bringen Sie jetzt zum Gefängnisarzt. Aber keine Tricks!“

Mir war beileibe nicht nach dergleichen zumute. Ich wollte nur aus diesem Wahnsinn heraus. Man führte mich den Hauptgang entlang bis zum zentral gelegenen Arztzimmer, wo Doktor Heinzer für medizinische Zwischenfälle zuständig war. Nachdem die eine Wache dem Arzt mitgeteilt hatte, daß ich unter Wahnvorstellungen leiden würde – was zwar nicht den Tatsachen entsprach, denn Layla war sehr real, aber egal – untersuchte mich der Doktor.

„Mein Name ist Heizer“, stellte er sich kurz vor. „Manche meiner Patienten beklagen sich darüber, daß ich ihnen immer einheize.“ Er grinste dabei.

„Na dann legen Sie sich am besten mal hier auf das Sofa“, deutete er auf ein gepolstertes Möbelstück. „So, jetzt erzählen Sie mal, was Sie bedrückt.“

„Also vor ungefähr zwei Monaten hat mich in Kiel im Studentenwohnheim eine komische Frau aufgesucht, von der ich ziemlich bald bemerkt habe, daß mit ihr etwas nicht stimmt. Sie ist eine Dämonin und heißt Layla.“

„Eine Dämonin?“ fragte der Arzt, der seinen Titel übrigens in Psychologie gemacht hatte.

„Ja, genauer gesagt eine Sukkubus. Zumindest hat sie sich so vorgestellt.“

„Das ist interessant. Erzählen Sie bitte weiter.“

„Sie hat mich regelmäßig aufgesucht und wollte immer mit mir schlafen. Irgendwann habe ich dann meine damalige Freundin tot aufgefunden und es sah so aus, als hätte ich sie getötet, was allerdings nicht der Wahrheit entsprach. Da hat mir Layla geholfen, die Indizien, die auf mich hingedeutet hätten, zu beseitigen. Da zu dieser Zeit gerade die Semesterferien begonnen haben, bin ich dann zurück nach Rosenheim gefahren, wo auch meine Verlobte gelebt hat. Jedenfalls fand ich auch sie eines Tags tot in meinem Bett auf. Aber ich hab's nicht getan. Ich hab sie nur in den Wald gefahren, damit der Verdacht nicht auf mich fällt. Hat allerdings nichts genutzt. Jedenfalls verfolgt mich seitdem diese Dämonin und vorhin in der Zelle hat sie behauptet, daß ich ihr gehören würde, daß ich von ihr besessen sei.“

Der Psychologe kratzte sich nachdenklich an der Stirn.

„Haben Sie Angst vor ihr?“

„Natürlich habe ich Angst. Ich weiß ja, wozu sie alles in der Lage ist.“

Es folgte ein längeres Gespräch inklusive einer medizinischen Untersuchung, die damit schloß, daß Dr. Heizer meine sofortige Verlegung in eine psychiatrische Anstalt zur genaueren Untersuchung anordnete. Begleitet von drei Vollzugsbeamten wurde ich in einen Transporter gebracht, der mich zur besagten Anstalt bringen sollte. Dort angekommen erfolgte eine längere Untersuchung durch mehrere Ärzte, die sich daraufhin sicher waren, daß ich einen an der Waffel hatte. Kurz: sie hielten mich geistig für verrückt. Das war ich doch gar nicht! Jedenfalls verabreichten sie mir diverse Pillen, die mir dabei helfen sollten, zwischen Realität und Halluzination zu unterscheiden. Anschließend sperrte man mich in eine der berüchtigten Gummizellen. Die hielten mich offenbar wirklich für schwachsinnig. Dabei hatte ich doch einen IQ von über 130. Wenn die wüßten, daß Layla wirklich existent war ... weiß der Henker was in den Pillen gewesen war, die man mir gegeben hatte. Auf alle Fälle wurde ich rasch ziemlich müde und schon bald schlief ich ein. Ich träumte von Sophie und Melanie. Merkwürdig. Wir saßen zu dritt in einer Vorlesung, Sophie links von mir, Meli zu meiner Rechten. Bis auf die monoton nervige Stimme des Professors schien alles sehr harmonisch zu sein. Ein komischer Traum.

Als ich erwachte, wußte ich zuerst nicht, wo ich war. Dann fiel mir es wieder ein und irgendwie war ich erleichtert, daß mich Layla bisher noch nicht aufgesucht hatte. Womöglich hatte ich wirklich Halluzinationen. Immerhin war ich der einzige, der sie jemals gesehen hatte. Außerdem wußte ich ja aus meinem Studium, daß es durchaus möglich ist, daß sich eine Person irgend etwas einbildet, was sie selbst als real empfindet, was allerdings nur eine Illusion darstellt. Vielleicht lag es nur an dem Zeug, das ich geschluckt hatte, daß ich auf einmal dermaßen sachlich denken konnte. Auf der anderen Seite: wenn es Layla tatsächlich nicht gab, dann konnte das nur heißen, daß ich sowohl Meli als auch Sophie ermordet hatte. Daran konnte ich mich allerdings nicht erinnern. Vermutlich war ich wirklich schizophren ...

Obwohl mir dann die Variante doch besser gefiel, daß Layla wirklich existierte, denn dann schied ich als Täter nämlich aus. Dann kam nur sie als Mörder von Meli und Sophie in Frage. Ich hätte den beiden doch nie etwas antun können, denn ich hatte sie doch beide sehr gern gehabt. Aber genau wußte ich eben auch nicht, was nun die Wahrheit war. Verzweifelt schlenderte ich zur Tür des Raums, die genauso wie das restliche Zimmer gepolstert war. Da innen kein Griff zu sehen war, warf ich mich mit aller Gewalt dagegen, doch es tat sich natürlich nichts. Absolut ausbruchsicher, das Ding. Eben als ich mich umgedreht hatte, erblickte ich an der Wand gegenüber der Tür Layla. Sie verfolgte mich offenbar sogar bis hierher.

„Geh weg!“ schrie ich sie hysterisch an. „Dich gibt es doch gar nicht wirklich. Du bist doch nur meiner Phantasie entsprungen.“

„Das hättest du wohl gern, was?“ murmelte die Dämonin. „Ich bin so real, wie man nur sein kann. Komm her ...“

Mit ausgebreiteten Armen stand sie da und erwartete wohl, daß ich ihrer Aufforderung nachkam. Diesmal sollte sie sich wundern.

„Du kannst mich mal kreuzweise“, stieß ich ihr haßerfüllt entgegen. Mit geballten Fäusten stürzte ich mich auf sie, doch ehe ich sie richtig zu packen bekam, löste sie sich unter mir auf. Mit einem Poltern landete ich auf dem gepolsterten Boden.

„Du kannst mir nicht entkommen“, vernahm ich eine Stimme von der Decke her.

„Ich spüre dich überall auf. Niemand kann dich erlösen ...“

Gehetzt blickte ich nach oben, doch da war natürlich nichts. Irgendwie mußte ich doch aus diesem irren Spiel herauskommen. Wenn mich nicht einmal die Psychologen der Anstalt vor der Dämonin bewahren konnten, wie sollte ich mir denn dann selbst helfen? Wie konnte ich nur meinem Schicksal entfliehen? Es mußte doch irgend eine Möglichkeit geben, Laylas Fängen zu entkommen. Verdammt nochmal, Günter, denk nach! Nach einer längeren Denkpause hatte ich einen spontanen Einfall. Mit einem mal durchflutete nur noch ein einziger Gedanke meinen Geist. Eine Idee, die alle meine Probleme mit einem Schlag lösen konnte ...

Als eine halbe Stunde später zwei Anstaltswärter nach dem Patienten Günter Huber schauen wollten, um ihm sein Essen zu bringen, fanden sie eine leblose Gestalt am Boden liegen. Sie hatte sich mit den eigenen Händen selbst erwürgt.

Impressum

Bildmaterialien: Mit freundlicher Genehmigung von FanyCarmona => http://fanycarmona.deviantart.com/art/VAMPIRA-ELISA-294534271
Tag der Veröffentlichung: 29.07.2013

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