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Kapitel Eins

Das Erste, was Eli sah, war Licht. Helles Licht, das er durch seine geschlossenen Augenlider sehen konnte. Es war so hell, dass er es für das Beste hielt, seine Augen geschlossen zu halten.  Dann hörte er es.

»Öffne deine Augen, Bruder. «

 So viel zu seinem letzten Entschluss. Seinen kompletten Körper anspannend, begann Eli zögerlich seine Lider anzuheben. Sofort brannte das direkte Licht so sehr, dass er nichts weiter tun konnte, als seine Augen direkt wieder zusammenzupressen. Dieses Mal konnte er ein tiefes Seufzen hören, bevor die Stimme wieder zu ihm sprach.

»Öffne deine Augen. Der Schmerz wird verschwunden sein, bevor du es realisierst. «

Sich fest auf die Lippe beißend, öffnete er qualvoll langsam seine Augen. Sein durch den Schmerz ausgelöstes Stöhnen war das Einzige, was er wahrnahm.  Endlich nach einer gefühlten Ewigkeit hob er seine Augenlider die finalen Millimeter an und schon waren die Schmerzen verschwunden.

Eli atmete erleichtert aus. Erst dann begann er Dinge zu sehen. Sein Blick fiel auf einen Mann, der ihm mit unbeeindruckter Miene, mit verschränkten Armen gegenüber stand. Instinktiv versuchte Eli einen Schritt auf ihn zuzumachen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht und so fiel er.  Vom Boden aus, auf seine Hände und Knie gestützt, schaute er gerade noch rechtzeitig nach oben, um zu sehen, wie der Mann seine Augen verdreht.

 

 Plötzlich packte ihn eine Hand am Arm und brachte ihn in eine aufrechte Position zurück.

»Wir haben hier wohl einen Aufgeweckten, hm? «

Elis Augen fixierten den Mund des Mannes, der nun einen Mundwinkel nach oben gezogen hatte, bis dieser letztlich wieder fiel. Erst dann wanderte sein Blick nach oben, nur um auf dunkelblaue Augen zu treffen, die ihn mit hochgezogenen Augenbrauen erwartend ansahen. 

»Na gut. Es wird wohl das Beste sein, wenn wir beginnen.  «

Der Mann wedelte mit einer Hand zunächst vor Elis Gesicht herum, bis seine Augen diese fixierten, nur um diese Hand dann auf seine eigene Brust zu legen.

»Ich bin Evander. Du bist mir unterstellt. Meine Aufgabe ist es, dich zu überwachen und sicherzustellen, dass alles seine Richtigkeit hat. Verstehst du das bis dahin? «

 

 Evander wartete, bis Eli langsam genickt hatte, und fuhr dann fort. Diesmal beide Hände auf Elis Schultern legend.

» Du bist Eli. Du wurdest soeben erschaffen. Deine Aufgabe ist es, meine Anweisungen zu befolgen und keine Alleingänge zu unternehmen. Oh, und das Wichtigste: Du bist ein Engel. «

Als Eli dies alles zu verarbeiten begann, weitesten sich seine Augen immer mehr. Zum ersten Mal beschloss er, seine Sprache, die er instinktiv verstand, zu benutzen, und öffnete den Mund.

» Habe ich auch solche? », fragte er auf Evanders Flügel deutend.

Evander drehte den Kopf, um seinem deutenden Finger zu folgen. Als er danach wieder Eli ansah, wirkte er beinahe aufgeregt.

 

» Ich sollte dir zeigen, wie du aussiehst. Das ist stets eine der ersten spannenden Erfahrungen für die Unseren. «

Damit begab er sich leicht hinter Eli, um ihn nach vorne zu bewegen. Nach wenigen Schritten landeten sie vor einer langen dunklen Wand, vor der etwas Riesiges stand, das mit einem schwarzen Tuch verhüllt war.

Beinahe lautlos ließ Evander seine Schultern los und platzierte sich neben dem Etwas. Er nahm das Tuch in eine Hand, warf ihm Lächeln zu und zog schließlich so fest, dass das Tuch den Blick freigab.

 

 Es war ein Spiegel. Das wusste Eli genauso, wie er alles wusste. Er wurde mit dem gesamten Wissen erschaffen.

Dann klatschte er einmal in die Hände und lief auf Eli in schnellen Schritten zu.

 Sobald der Ältere bei ihm angekommen war, drehte er Eli sanft zum Spiegel.

Resigniert hob Eli seinen Blick und nahm alles in sich auf.

Er konnte Evander kaum unähnlicher sein. Wo er gebräunte Haut und schwarze Haare hatte, traf blasse, mit Sommersprossen übersäte Haut auf rote Locken. Nicht einmal seine grünen Augen ähnelten Evanders blauen. Das Einzige, was die beiden gemeinsam hatten, waren die riesigen weißen Flügel, die hinter ihnen emporragten. Während Evanders glänzend und robust aussahen, sahen Elis allerdings flauschig und eher wolkenartig aus.

 

 Zögerlich hob er eine Hand und berührte die Federn. Sie waren so sanft, wie sie aussahen. Seine Finger verschwanden beinahe gänzlich darin. Er wiederholte diese Bewegung mehrmals. Es war das Schönste, was er bis dato erlebt hatte. So geschah es, dass er über den Spiegel Evanders Blick einfing und das erste Mal in seinem Leben lächelte.

 Als Nächstes führte Evander ihn herum. Außer die eine Wand in dem Raum, wo er erwacht war, war alles weiß.  Alle von ihnen hatten ebenfalls weiße beeindruckende Flügel, jedoch ähnelten sie eher Elis als Evanders.

 

»Das ist Fiona, sie wird dir beratend zur Seite stehen. «, erklärte Evander auf eine jung aussehende Frau deutend.  Mit ihren asiatischen Gesichtszügen und der makellosen weißen Haut ähnelte

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Saskia Hellriegel
Bildmaterialien: R.S.
Cover: R.S.
Lektorat: Saskia Hellriegel
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2022
ISBN: 978-3-7554-1156-7

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