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Sternenhimmel

 

„Jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht“, murmelte er und strich durch ihr langes, blondes Haar, „Ich bin doch in einem halben Jahr wieder da.“ Seufzend lehnte sie sich an seine Brust, versuchte die nahenden Tränen herunterzuschlucken. „Ich weiß...“, ihre Stimme klang trotz ihrer Anstrengungen erstickt. Der Mann legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. Sein Blick fiel auf die Anzeigetafel über ihnen. Jeden Moment würde sein Flug aufgerufen werden.

„August ist doch Sternschnuppen-Saison“, fing er an, „Lass uns wenn ich wiederkomme die Sterne ansehen.“ Er trennte sich aus ihrer Umarmung und legte ihr eine Hand unters Kinn. Langsam hob er ihren Kopf um ihr in die grünen Augen zu sehen. „Und“, er schluckte, die andere Hand fest um den Griff seines Koffers geschlossen, „für jede Sternschnuppe die wir sehen bekommst du eine Kugel Eis.“

Sie konnte nicht anders als zu lachen. Als sie seinem Blick zur Anzeigetafel folgte, wusste sie, dass es nun wirklich Zeit für den Abschied war. Seine Hände zogen sie in einen kurzen, schmerzenden Kuss bevor er sich auf den Weg machte. „Versprochen?“, rief sie ihm hinterher. „Versprochen!“, antwortete er grinsend. Tränen verschleierten ihren Blick als er sich das letzte Mal umdrehte.

 

 

Der Himmel war in wunderschöne Rottöne gehüllt als die Sonne als glühender Ball am Horizont verschwand. Sie lag im nassen Gras des Hügel auf dem sie sich verabredet haben. Zum Glück war der Himmel wieder aufgeklart, nachdem es den ganzen Tag geregnet hatte. Ihr Plan war kurz davor gewesen, wortwörtlich ins Wasser zu fallen.

Seitdem das Plätschern des Regens verstummt war, hörte sie nur noch das Dröhnen in meinem Kopf. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Als Kind hätte sie sich nun wohl auf die Suche nach einem Regenbogen gemacht. Doch diese Zeiten waren vorbei. Sie starrte in den Himmel und wartete auf die Dunkelheit. Mit der Dunkelheit kamen die Sterne und mit den Sternen würde er endlich heimkommen. Schließlich hatte er es versprochen.

Sie hatte schon so lange auf ihn gewartet. Sie wollte nicht mehr warten. Warum wurde es denn nicht endlich Nacht? Wieso ließen die Sterne sie warten? Wieso ließ er sie warten?

Ein schwacher Windhauch ließ sie erzittern. Ihre Kleidung klebte nass am Körper und sie sehnte sich nach einer warmen Dusche. Doch sie konnte nicht gehen, dann würde sie ihn verpassen. Jeden Moment würde er bei ihr sein, dann würde er sie aufwärmen. Schließlich hatte er es versprochen.

Mit einem Stöhnen richtete sie sich auf. Seit Stunden lag sie nun hier, ihre Knochen verlangten nach Abwechslung. Sie begann sich zu strecken, als sie eine Stimme hinter sich hörte.

„Lena“, hörte sie ihren Namen, ihr Herz machte einen Sprung, „endlich hab ich dich gefunden!“ Erwartungsvoll drehte sie sich um. Doch er war es nicht. Vor ihr stand ihr großer Bruder, mit blassem Gesicht und außer Atem. Sie musste lachen. Für einen Moment hatte sie geglaubt seine Stimme zu hören. Und in diesem einen Moment war sie glücklich gewesen. Sie wollte diesen Moment zurück, sie wollte ihn festhalten. „Bist du schon die ganze Zeit hier?“, murmelte ihr Bruder besorgt und legte ihr seine Jacke auf die Schultern.

Langsam nickte sie. „Ich warte“, murmelte sie und schaut in den Himmel. „Warten?“ „Ich warte auf Kyle“, murmelte sie, die Augen leer. Sie waren noch immer gerötet von ihren Tränen, die der Regen davon gewaschen hatte.

„Lena...“, er verstummte als sie zu ihm drehte. In ihren Augen lag Schmerz, unglaublicher Schmerz. „Er hat es versprochen“, ihr Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie zieht die Jacke näher um ihren nassen, zitternden Körper. „Er hat es versprochen. Und er hat noch nie ein Versprechen gebrochen“, ihre Kehle zieht sich zusammen, und wieder füllen sich ihre Augen mit Tränen. Schluchzend lehnt sie sich an ihn. „Ich weiß doch, dass er nicht kommt“, murmelte sie. Geschlagen. Eingeholt von der Realität.

Sein Flugzeug war im Meer versunken. Keine Überlebenden. Heute sollte ein Tag der Freude werden. Heute hätte er sie wieder in seine Arme geschlossen. Sie hätten sich zusammen die Sterne angeschaut.

Sie starrt in den Himmel, der die Erde in eine schwarze Decke gehüllt hatte. Die ersten Sterne funkelten ihr entgegen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie auf diesem Hügel gestanden und in den Himmel gestarrt hätten. Bittersüße Erinnerungen ließen ihr Herz in Schmerzen ertrinken. Tränen liefen ihre kalte Wangen hinab. Als sie ihre Augen vom Firmament abwenden möchte, huscht eine Sternschnuppe durch den klaren Nachthimmel, als ob sie nur auf ihren Moment gewartet hätte. Er hatte Recht gehabt.

Sie holte tief Luft und schaute zu ihrem Bruder.

 

„Wollen wir uns zusammen die Sterne ansehen?“

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Bildquelle: https://pixabay.com/photos/moon-sky-nature-dusk-sun-3031977/

Text geschrieben von Bookrix-User Xelene

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Tag der Veröffentlichung: 10.08.2019

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