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Blutmond

Ihr rotes Ballkleid wirbelte über den glänzenden Marmorboden. Das Licht des Kronleuchters brach sich in den Diamanten ihres Haarschmucks, die wie Sterne in ihrem nachtschwarzen Haar funkelten. Fest umschlossen von den Armen ihres Tanzpartners glitt sie durch den Ballsaal. Doch egal wie attraktiv, stark oder mächtig der Mann war der sie durch diesen endlosen Tanz führte, so schien keiner ihrer Aufmerksamkeit würdig. Die Blicke des Saals klebten an ihr, an ihrem schönen Körper, ihrer grazilen Ausstrahlung. Die Männer begehrten sie, die Frauen beneideten sie.

Doch all dies schien sie nicht zu interessieren. Wenn die geigen ein neues Lied anstimmten, warf sie sich in die Arme eines anderen Mannes, der sie versuchte mit süßen Worten bei sich zu halten. Worte konnten sie nicht überzeugen. Worte konnten ihre Aufmerksamkeit nicht gewinnen. Ihre roten Lippen wurden von leeren Lächeln umspielt, niemals öffneten sie sich um den Avancen der Männer zu antworten. Ihr Tanzpartner schien nicht mal ihres Blickes würdig, so war sie auf etwas, auf jemanden anderen, fokussiert. Für einen Moment huschte ein Schatten über ihr Gesicht, die Lippen verzogen sich zu einem Strich, die Augen funkelten. Ihr Gegenüber war abgelenkt, die lüstigen Blicke auf ihren Körper gerichtet.

Mit Leichtigkeit übernahm sie die Führung um zum Ende der Tanzfläche zu gelangen. Bald würde dies Alles ein Ende haben. Schnelle, anmutige Schritte führten sie in den Garten, der verlassen in der Dunkelheit auf sie wartete. Vielleicht waren die Menschen nicht fähig, ihre Absichten zu verstehen, doch dies würde sie nicht daran hindern, ihren Plan zu vollenden. Diese Nacht würde die letzte sein.

Nur wenige Fackeln spendeten Licht. Lange, zitternde Schatten hüllten den Garten in Dunkelheit. Der Vollmond spiegelte sich im großen Springbrunnen, das leise Plätschern wurde selbst hier noch von der Musik und den feiernden Menschen übertötnt. Außer ihr befand sich im Moment nur eine andere Person im Garten: Die Person die ihrer Aufmerksamkeit den ganzen Abend lang entwichen war.

„Ich hatte Recht“, der großgewachsene, schlanke Mann hatte sich am Brunnen niedergelassen. Sein Blick war selbstsicher und sie spürte wie er sie eingehend musterte. „Sie scheinen es tatsächlich auf mich abgesehen zu haben“, stellte er belustigt fest.

„Nun, das klingt aber so negativ“, entgegnete sie mit ihrer melodischen Stimme. Der Saum ihres Kleides streifte über das dunkle Gras als sie sich zu dem Mann begab. „Womit habe ich denn ihr Interesse verdient? Einige der mächtigsten Männer des Kontinents haben gerade um ihre Aufmerksamkeit gekämpft.“ Sie legte die Hände auf ihre Brust als sie vor ihm stehen blieb. „Wissen Sie, ich habe keine Interesse an materiellen Werten. Schönheit vergeht, Reichtum verdirbt, Macht verschwindet“, erklärt sie mit ruhiger Stimme, die dunklen Augen auf ihn gerichtet, „doch Sie verfügen über etwas für die Ewigkeit: Wissen. Wissen über die Magie die unser Land, unsere Welt formt.“

Leicht verlegen kratzte er sich am Hals. „Mein Ruf scheint mir vorauszueilen“, stellte er seufzend fest und erhob sich vom Brunnenrand. Er nahm die behandschuhte Hand der Frau vor ihm in die Hand und hauchte einen Kuss auf den schwarze Samt der sich über ihre zierlichen Finger spannte.„Mein Name ist Adrian Mekarius, und, wie sie bereits wissen, habe ich mich den Magiestudien verschrieben“, stellt er sich, noch immer in einer tiefen Verbeugung, vor. „Sie sollten sie nicht unter Wert verkaufen“, ein wissendes Lächeln breitet sich auf ihren vollen Lippen aus, „Sie sind im ganzen Land bekannt, für ihre Durchbrüche. Vor allem für die Entdeckung und Rekonstruktion jahrhundertealter Formeln!“ Ihre Stimme schwoll vor Begeisterung an und füllte den Garten mit ihrem lieblichen Klang.

„Entschuldigen sie meine Unhöflichkeit“, sie legt ihre Hand an ihre Wange, „mein Name ist Renea von Krisa. In all meiner Aufregung habe ich ganz vergessen mich vorzustellen!“ Adrian lacht. „Wie könnte ich einer so schönen Frau nicht vergeben?“, seine Stirn legte sich in Falten, „Krisa...diesen Namen höre ich zum ersten Mal.“

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Ich komme aus dem Ausland, meine Familie besitzt lediglich ein kleines Anwesen, es ist nichts worüber man prahlen könnte“, erwiderte sie. „Das meine Forschungen über die Landesgrenzen Minerias bekannt sind, war mir nicht bewusst“, noch immer verlegen drückte er seine Hand gegen seinen Nacken.

„Nun hören Sie doch mit dieser falschen Bescheidenheit auf! Wenn Ihre Forschungen nicht so außergewöhnlich wären, hätte ich mich kaum auf die Suche nach Ihnen begeben!“, sie legte die Hände an seine Brust, verführerisch streckte ihren Körper nach ihm aus. Selbst in dem schummrigen Licht der Fackeln und des Mondes erkannte sie wie sich seine Augen weiten und sich seine Wangen röteten.

Er räuspert sich und lässt sich erneut am Brunnenrand nieder. „Welcher Teil meiner Forschung hat sie denn hierher geführt“, fragt er als er seine Fassung wieder erlangt hat. Als sie sich neben ihn setzt, huscht wieder dieser Schatten über ihr Gesicht. Nur für einen Moment. Die Dunkelheit mag ihr Schutz verleihen, doch sie darf der Ungeduld nicht unterliegen. Alle Mühen wären umsonst, und das konnte sie nicht zulassen.

„Sie haben die Lunar-Ruinen studiert. Doch der Bericht den ich über darüber las, hat mich nicht befriedigen können“, erklärte sie, den Körper an seinen Arm gelehnt. Als sie die Ruinen erwähnte, hatte sich seine Haltung verändert. Mit gestrafften Schultern und festem Blick scheint ihr standzuhalten. „Es ist richtig, dass ich mich meine Forschungen zu den Lunar-Ruinen geführt haben. Jedoch hat es gute Gründe, warum diese Ergebnisse der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.“ Schmollend legte sie den Kopf zur Seite, eine Strähne ihres seidig schimmernden Haares fiel ihr ins Gesicht.

„Aber das ist nicht fair! Ich finde dieses Thema so faszinierend. Was kann denn in diesen Ruinen sein, dass so strenger Geheimhaltung unterliegen muss?“ Er räusperte sich erneut und wendete den Blick ab. „Nun, wenn ich Ihnen das jetzt erzählen würde, dann...“

Ein schweres Seufzen unterbrach ihn. „Ich verstehe schon“, enttäuscht sanken ihre Lider. „Es tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen. Aber es ist zu Ihrem Besten wenn sie nicht erfahren, was sich in diesen Ruinen versteckt“, entgegnete er mit warmer, weicher Stimme. Sie spürte wie seine Hand ihre Wange streifte als er die flüchtige Haarsträhne aus ihrem Gesicht strich.

Ihre Hand legte sich auf seinen Oberschenkel. „Es muss hart für sie Sein, mit solch einem Wissen zu leben. Sicherlich ist es eine Last für Sie“, murmelte sie verführerisch. Sie hörte wie sich sein Atem beschleunigte. „Sie haben selbst gesagt, wie mächtig Wissen sein kann. Und als Forscher ist es meine Pflicht mit diesem Wissen verantwortungsvoll umzugehen.“ „Sie haben mich wirklich durchschaut“, kicherte sie als sie ihre andere Hand an seine Wange legte. Ihre Blicke trafen sich und nach einigen, schier endlosen Sekunden, zog sie ihn in einen leidenschaftlichen Kuss. Sie spürte wie sich seine Arme um ihren schlanken Körper legten. Seine Hände strichen über ihre Wangen, ihre Schultern, ihren Rücken. Auch ihre Finger begaben sich auf Wanderschaft über seinen Körper.

Als sich ihre Lippe voneinander lösten beugte sie sich vor. „Haben sie denn auch das Kuun-Rätsel entschlüsselt?“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Der Mann stockte, jeder Muskel in seinem Körper schien sich anzuspannen. Ihr unheilvolles Lachen hallte durch den dunklen Garten. Sein Blick fiel auf ihre Arme. Schneeweiß waren sie mit eingebrannten Malen übersät. „S-sie…sie“, die Erkenntnis traf ihn wie einen Schlag. Er sprang auf, doch noch bevor er fliehen konnte, beging er den Fehler in ihre Augen zu schauen, die nun in einem bedrohlichen Rot leuchteten. Seine Muskeln entspannten sich und er sackte langsam zu Boden. Als würde er von plötzlicher Müdigkeit übermannt begann sein Bewusstsein zu schwinden.

Sie kniete sich zu ihm und nahm sein Gesicht in ihre Hände. „Es tut mir ja schon fast leid“, murmelte sie mit leerem Gesichtsausdruck. Sein Mund öffnete sich, doch statt Worten entkam nur ein Röcheln seiner Kehle. Sie drückt ihre Daumen gegen Seine Schläfen und die Male an ihren Händen leuchten auf.

Die Augäpfel des Mannes verdrehten sich bis nur noch das Weiße zu sehen war und sein ganzer Körper verkrampfte sich. Unzählige Informationen prasselten auf Renea ein, die sich das ganze Wissen dieses Mannes zu eigen machte. Doch sie begehrte nur eines: Der Schlüssel zum Rätsel, das letzte Puzzlestück das ihr fehlte.

Als sie gefunden hatte was sie suchte, ließ sie den Körper des Mannes ins Gras fallen. Seufzend zog sie ein Messer aus ihrem Korsett als sie beobachtete wie er seinen Krämpfen erlag. Mit einer schnellen Handbewegung hatte sie seine Kehle durchtrennt und ihn von seinem Leiden erlöst. Diese Reise hatte sie wohl doch etwas weich gemacht.

Sie richtete sich auf, und reinigte das Messer im Brunnen um es danach in der Flamme einer Fackel zu erhitzen. Als sich das heiße Metall auf der Haut ihrer Arme niederließ, strömte ein stechender Schmerz durch ihren Körper. Doch noch nie hatte dieser sich so gut angefühlt. Ihr Mund war zu einem gierigen Grinsen verzogen, als die letzten zwei Zeichen in ihre Haut brannte. Vorfreude ließ ihren Körper erschaudern.

Als der letzte Schritt, der sie von ihrem Ziel trennte, vollzogen war, warf sie das Messer neben den Toten und wandte sich zum Himmel. Sie streckte die Hände dem Vollmond entgegen und ihre Stimme hallte durch die Nachtluft. Wörter aus vergangenen Zeiten ließen ihre Arme erglühen. Als das letzte Wort ihren Körper verließ, durchfuhr sie ein Schlag der sie zu Boden riss. Sie wurde von unsäglicher Hitze überrollt. Ihre Haut schmerzte und spannte. Ein unaussprechlicher Schmerz fuhr durch jeden Winkel ihres Körpers. Doch so sehr es sie verlockte den Schmerzen nachzugeben und ihr Bewusstsein aufzugeben, so musste sie an ihnen festhalten.

Nach qualvollen Minuten ebbten die Schmerzen ab. Langsam erhob sich Renea, dessen tauber Körper sich noch immer gegen ihre Kontrolle zu wehren schien. Unter großer Anstrengung schaffte sie es sich zum Brunnen zu ziehen um ihr Spiegelbild in der Wasseroberfläche betrachten zu können. Ein wissendes Lächeln umspielte ihre Lippen als ihre Finger über ihre Wangen strichen. Die Augen rot, die Haut makellos weiß, von schwarzen Runen verschönert. Das Ritual war vollendet. Sie war zu ihrer alten Stärke zurückgekehrt.

Ihr Blick fiel auf den Mann der neben ihr im Gras lag. Ein lang vergessenes Gefühl fuhr durch ihren Körper, ließ ihre schmerzenden Glieder erzittern. Ihre Haare, die in der Farbe des Mondes schimmerten, streckten sich aus, wuchsen bis sie ihren ganzen Körper umspielten. Sie leckte sich die blutroten Lippen.

Ihre Haare begannen sich zu bewegen, näherten sich dem toten Mann im Gras. Als würden sie ein Eigenleben entwickeln, legten sie sich um seinen Gesicht, seinen Hals, seine nackten Armen. Rissen tiefe Furchen in seine Haut bei ihrer Berührung. Doch sie spürte, wie sie die Kontrolle über ihren Körper vollends zurückerlangte – bis in die Haarspitzen.

Enttäuscht versuchte sie sich am Blut des Mannes zu bereichern, doch es war nicht das frische, warme Blut was sie so sehr begehrte. Schwerfällig erhob sie sich, den Blick auf die Tür gerichtet, durch die sie gekommen war.

Als sie den Saal betrat, spürte sie wie sich wieder alle Blicke auf sie richteten. Doch es lag keine Begierde in ihren Augen, stattdessen wurden sie von ihrer Furcht übermannt. Die grazile, anmutige Ausstrahlung der Frau war der eines wilden Tieres gewichen. Ihr tiefes, manisches Lachen ließ jeden im Zahl erschaudern. Wachen wollten sie aufhalten, die Gäste wollten fliehen, doch sie alle ereilte das selbe Schicksal. Wer in ihre glühenden Augen sah, war dem Untergang geweilt. Einer nach dem anderen fiel ihrer Blutlust zum Opfer. Die angstverzerrten Gesichter und Schreie erfüllten sie mit einer Befriedigung die sie seit Jahrhunderten vermisst hatte.

Noch immer benommen vom Blutrausch schaute sie auf den Saal, in dem die Musik und die Schreie mittlerweile verklungen waren. Lachend begann sie im blutgefluteten Saal zu tanzen. Ihr rotes, blutgetränktes Kleid, klebte an ihrem neugeborenen Körper, die blutroten Haare erstrahlten im Glanz des Kronleuchters.

 

 

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Cover-Bild: https://pixabay.com/photos/blood-moon-moon-night-full-moon-3567619/

Text geschrieben von Bookrix-User Xelene

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Tag der Veröffentlichung: 10.08.2019

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