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Inside the American Family

Zitternd hob er den tragbaren CD Player hoch. Er war zersprungen und kaputt, nicht mehr zu retten.

„Warum hast du das getan?“, wimmerte er und trat nach dem reglosen Mädchen am Boden.

Sie gab keine Antwort. Das konnte sie auch nicht mehr.

Schniefend wischte Daniel sich die Nase an seinem Ärmel ab und ging zu der Puppe hinüber, die auf seinem Bett lag.

Es war eine dieser Porzellanpuppen, die immer bei älteren Leuten als Dekoration standen.

Diese Puppe war sein ein und alles gewesen, seine Peggy Sue.

Bis die Tochter der Nachbarn gekommen war, und mit Peggy Sue hatte spielen wollen. Sie hatte sie angefasst und mit einem Wachsmalstift verschmutzt.

Und dann wollte sie ihm Peggy Sue nicht wieder geben.

Dabei gehörte sie doch ihm. Schmollend setzte sich Daniel auf sein Bett und hielt seine Puppe im Arm. Zärtlich strich er über die blonden Locken und wischte die grüne Farbe von ihrer Wange. Ein langer Riss zog sich über ihre Wange, genau dort, wo sie auf dem Boden aufgeschlagen war, als Sindy sie hatte fallen lassen.

„Alles wird wieder gut“, versicherte er der Puppe und stand wieder auf.

Langsam, von einer morbiden Neugierde getrieben, schlich er zu dem leblosen Mädchen hinüber. Sie war vielleicht acht oder neun Jahre alt. Neugierig zog Daniel an ihrem langen, blondem Haar. Es fühlte sich ganz anders an, als das von Peggy. Viel weicher, nicht so strohig. Sindys lichtlosen, blauen Augen starrten zur Decke hinauf.

Er hatte ihr das Leben genommen. Hatte sie mit der Vase geschlagen, bis sie keinen Mucks mehr von sich gegeben hatte. Sie hatte Peggy weh getan. Sie hatte es verdient.

Interessiert zog er Sindy leicht über den Boden. Dort, wo ihr Kopf gelegen hatte, verdreckte Blut den Boden.

Er musste ein Grab ausheben. Für Peggy Sue. Er konnte sie nicht wegschmeißen. Dafür liebte er sie zu sehr. Seine Mutter sagte, er sei zu alt für Puppen. Er sei ja schon 16.

Er musste sich beeilen, bevor seine Mutter wieder heim kam. Sie mochte es gar nicht, wenn er diese Dinge mit Peggy Sue tat.

Schnell rannte er nach unten, ins Wohnzimmer hinein. Mülltüten stapelten sich dort. Daniel hätte sie noch rausbringen müssen.

Er rannte nach draußen, und nahm die Schaufel mit, die an der Tür lehnte.

Es dauerte nicht lange, und er hatte ein tiefes Grab ausgehoben. Es war viereckig, und aus seiner Sicht das schönste, was es gab.

Lächelnd rannte er zurück in sein Zimmer. Der Geruch von Tod hatte sich ausgebreitet. Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum, bevor er zu Sindy trat. Sie hatte sich nicht bewegt. Wie auch? Sie war ja tot.

Obwohl er 16 war, hatte er noch nie ein Mädchen geküsst. Vielleicht war es heute ja soweit. Zögerlich beugte er sich nach vorne und küsste die kalten Lippen der Toten.

Plötzlich schlug die Tür gegen die Wand, und betroffen zuckte Daniel von der Leiche zurück. Seine Mutter stand im Türrahmen, die Schaufel in der rechten Hand.

„Was tust du denn da Daniel? Du solltest doch den Müll rausbringen!“

Zitternd senkte Daniel den Kopf, sagte aber nicht. Wütend schlug seine Mutter mit der Schaufel zu, und ihr Sohn sackte ohnmächtig zu Boden.

 

Verzweifelt versuchte Daniel, seine Augen zu öffnen. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Ängstlich tastete er nach seinen Augenlidern, und spürte die dicken Nähte unter seinen Fingerspitzen. Jemand hatte seine Augen zusammengenäht.

Er wollte schreien, doch er konnte seine Lippen nicht bewegen. Jemand hatte ebenfalls seinen Mund vernäht.

Plötzlich traf ihn etwas hartes in der Magengegend und er zuckte zusammen. Sein Peiniger wollte ihn begraben, und das sogar in dem Grab, dass er selbst ausgehoben hatte.

Immer mehr Erde regnete auf ich nieder, und Erde drang in seine Nase ein. Bald konnte er nicht mehr atmen, seine Lungen schrieen schmerzhaft nach Luft, doch er konnte ihr nicht nachgeben.

Schließlich kroch die bedrohliche Schwärze des Todes auf ihn zu...

 

Oberhalb der Erdoberfläche richtete sich Daniels Mutter auf und wischte sich die Hände an ihrer Hose ab.

„Er war genau wie sein Vater. Er war schlecht. Alles schlechte muss vernichtete werden. Das ist so in einer Familie.“

 

 

Impressum

Texte: Mephistopheles Manson
Bildmaterialien: Symbol14/ magickalgraphics.com; Schrift: Das große Fantasy Druckstudio; Wackly Callygraphik/ Wizzard
Tag der Veröffentlichung: 14.03.2015

Alle Rechte vorbehalten

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