Asuremarin, die Stadt der Vampire. Meine Heimat. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Fernab von dem Zentrum Ataneks, der goldenen Stadt. So lange herrschte ruhe und frieden. Ich liebte mein Leben, meine Freunde. Ich war glücklich und wollte bald die liebe meines Lebens heiraten. Das alles ist erst vor wenigen Tagen gewesen. Als die Ohnmacht langsam nachließ, öffnete ich meine Augen. Alles war nur ein Traum gewesen. Ich richtete mich stöhnend auf, nachdem ich das schwere Gewicht von mir abstreifte. Kestrali, ein ehemaliger Freund von mir war gefallen."Noch einer", flüsterte ich und unterdrückte ein schluchzen. Ich sah zuerst in den düsteren Nachthimmel, dann auf das, was von meiner Geliebten Heimat übrig blieb. Alles war zerstört und lag in Schutt und Asche. Das Feuer hatte gewütet und alles verschlungen, was sich den Flammen in den Weg stellte. Mein Herz brannte bei dem Wissen, das ich es hätte verhindern können. Aber wie sollte ich meinen Freunden das geben, was sie von mir erwarteten? Ich lief an den noch glimenden Gebäuden vorbei und fragte mich dabei, ob der Krieg endlich vorbei war. Diese Frage wurde sogleich beantwortet, als ich einen Schrei aus einiger Entfernung hörte. Mein Herz zog sich zusammen.Ich wusste nicht, wer es diesmal war. So viele Opfer hatte der Krieg schon gefordert. Die ganze Schlacht der Seelendrachen. Ich wollte einfach nur, das es endlich vorbei war. Das dieser Kampf aufhörte. Es war doch sinnlos weiterzumachen, wenn am Ende eine ganze Welt vernichtet wurde. Das war es, was langsam passierte. Atanek verlor seine Existenz. Wenn ich an die Vergangenheit dachte ...Meine Mutter, meine Schwester, mein geliebter Bruder, sie alle waren schon längst tot und vermoderten unter der Erde. Aus der Ferne erklang Donnergrollen und ich fiel auf die Knie, die Tränen nicht mehr zurück haltend. Ich wollte schreien. Doch als ich die Lippen öffnete, drang nur ein gequältes Krächzen aus meiner Kehle. Ich war am Ende. Ich wusste nicht, wie es weiter gehen sollte. Mein Leben und das Leben meiner Freunde hing am seidenen Faden. Ich wünschte mir so sehr, das ich das tun konnte, was sie von mir erwarteten. Aber ich konnte diese Kraft nicht beschwören. Tränen rannen mir über die Wangen. Mit so einer Situation wurde ich noch nie konfrontiert. Ich wusste nicht, wie ich handeln konnte und was ich tun sollte. Ich hörte den Kampfeslärm meiner Freunde. Selbst wir, die Wächter, waren gefallen. Selina und Lexia getötet durch das Omegaschwert. Viktoria stürzte die Klippen mit einem feindlichen Krieger hinunter. Und ich, Mirai, die eigentlich als die Stärkste galt, konnte die anderen nicht beschützen. Ich fluchte und schlug mit der geballten Hand auf die Erde. Staub wirbelte auf und die Luft brannte in meinen Lungen. Es war heiß um mich herum. Das Feuer würde noch lange Zeit nachglimmen. Ich rappelte mich auf und rannte los. Meine Füße hinterließen tiefe Abdrücke in der Asche, die langsam zu boden fiel. Es sah fast du aus, als würde der Himmel um Atanek weinen.
Wie passend, dachte ich und rannte direkt auf das Schlachtfeld zu. Ich musste versuchen Kaleido zu finden. Sie war meine beste Freundin und Begleiterin. Wenn sie noch am Leben war, konnte ich versuchen mit ihr das Ruder noch herumzureißen. Auch, wenn ich bezweifelte, das wir es schaffen würden. Mein Herz wurde schwer, als ich die ersten meiner Gefährten san. Die ganzen bekannten Gesichter, die leeren Augen, die verzweifelt in den schwarzen Himmel sahen. Als hätten sie im letzten Moment auf Hilfe gehofft. Um mich herum tobte der Kampf. Metall klirrte und funken stoben, als neben mir die Klinge eines Schwertes auf Stein traf. Ich schrie auf und duckte mich unter dem nächsten tödlichen Hieb. Ich ließ mich auf den Boden fallen und stieß ihn dabei den Ellenbogen in den Magen. Stöhnend fiel er auf die Knie.Ich hatte keine Zeit sein Leben zu beenden.Kaleido zu finden hatte die höchste Priorität. Er schrie noch etwas, das ich nicht verstand, als ich wieder auf die Füße sprang und den Weg einschlug, wo ich Kaleido vermutete. Mein Ziel war der Drachenpalast, Zentrum Ataneks. Während ich durch die kämpfenden Massen lief, hielt ich Ausschau nach Kaleidos Feuerrotem Haar. Ich versuchte sie irgendwo zu spüren. Aber es war Hoffnungslos. Als sei meine Treue Gefährtin vom Erdboden verschluckt. Ich wollte ihren Namen rufen. Doch ich wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Mein Herz schlug schnell, meine Augen huschten hin und her. Dann sah ich sie. Kaleido stand mitten in der Menge und sie wehrte gerade einen Feindlichen Angriff ab. Geschockt riss ich die Augen auf, als ich erkannte, wer sie in die Enge trieb. Meine Kehle schnürte sich zusammen und verhinderte, das ich ihren Namen schrie. Kaleido schien meine Anwesenheit zu spüren, denn sie drehte langsam den Kopf in meine Richtung. In ihren Augen lag entsetzen und Angst. Sie wusste, das wir keine Chance mehr hatten. Kaleido hatte wirklich die Hoffnung verloren. Und all das nur, weil ich nicht in der Lage war, meine wahre Macht zu aktivieren. Kaleido gab auch ihren Kampf auf. Der feindliche Krieger lachte, als er erkannte, das er leichtes spiel mit ihr haben würde. Er stieß einen kurzen Schrei aus und sties ihr das Schwer bis zum Heft in die Brust. Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus, währned Blut ihren Wundwinkel hinab lief."Nein!", wolltei ich schreien, doch mir versagte die Stimme. Als Kaleido auf die Knie fiel, stürzte auch ich zu Boden. Mit letzter Kraft warf sie mir noch einmal einen Blick zu. In ihren Augen erkannte ich Trauer, Enttäuschung und Schmerz. Nun war auch meine Gefährtin gefallen. Der Himmel teilte sich und der volle Mond erhellte das Schlachtfeld. Das Blut wirkte wie flüssiges Silber, während das Schwert des Mörders aufblitze. Er lachte und starrte mich triumphierend an. Tränen rannen mir über die Wangen und tropften auf den Boden. Der Schmerz wurde unerträglich. Ich schrie und flehte, das es endlich vorbei war. In diesem einen Augenblick spürte ich die Kraft, nachder ich die ganze Zeit suchte. Die Macht durchstöhmte mich. Ich stand auf, zog das Schwert der Wahrheit aus der Scheide und stürmte auf meinen Feind zu. Ich erhob die Klinge, begleitet von einem goldenen Licht und ...
Ich erwachte. Schweißgebadet richtete ich mich auf. Mein Schädel brummte. "Schon wieder", flüsterte ich und starrte auf meine Hände. Es kam mir noch immer so vor, als würde ich den rauhen Griff des Schwertes fühlen. Meine Finger ballten sich zur Faust, während ich den Kopf schüttelte. Es war nur ein Traum, dachte ich. Obwohl ein Teil von mir das nicht glauben wollte. Ich starrte an die Decke und ließ den Traum noch einmal revue passieren. Trotz meines Widerwillens kam mir das alles so vertraut vor. Vielleicht lag es daran, das ich es fast jede Nacht träumte. Ich seufzte und drehte mich im Bett noch einmal herum. Während ich so dalag, beobachtete ich das Licht, das sich in den Prismen vor meinem Fenster in alle Farben des Regenbogens brach. Normalerweise hatte dieser Anblick immer etwas tröstliches. Nur heute nicht. Mein Herz wurde schwer. Ich wusste nicht, warum mir alles so weh tat. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Ich seufzte und stand endlich auf. Ich musste raus an die Frische Luft. Warum es mir so schlecht ging lag vielleicht daran, weil heute der Todestag meiner älteren Schwester Hikari war. Meine Mutter war bestimmt schon an ihrem Grab. Ich trat ans Fenster und schob die Gardinen zurück. Ich sah hinaus und beobachtete die Strahlen der Sonne, die sich ein wenig in den Pfützen der Straße brachen. Mein Herz wurde schwer, wenn ich an die Zeit von vor drei Jahren dachte. Damals war Hikari so alt, wie ich heute. Sie hatte alles, was sie wollte. Ihre große Liebe, eine schöne Wohnung und eine wunderbare Zukunft. Die Pläne für die Hochzeit waren auch schon geschmiedet. Und am Ende brach ihr Glück, als sie in einer verregneten Nacht von einem Auto erfasst wurde. Sie war allein gewesen und als endlich Rettung kam, war jede Hilfe zu spät gewesen.. Ich schluckte schwer bei dieser Erinnerung. Uhr ihr Geliebter war wenig später vom Erdboden verschluckt. Keiner wusste, was aus ihm geworden war.
Er war selber nach ihrem Tod am Ende mit den Nerven und zog sich zurück. Und das bedeutete auch, das er sich von uns zurück zog. Das konnte ich alles nur zu gut verstehen. Ich seufzte traurig, warf die Decke beiseite und stand auf. Mein Herz raste, während ich an die Vergangenheit dachte. So viel war geschehen, so viel passiert. Ich hatte so viele Fragen, und auf keine Einzige würde ich eine Antwort finden. Warum war das alles geschehen? Warum ausgerechnet Hikari? Ich schüttelte den Kopf ein weiteres Mal und ging zum Fenster. Es war warum und stickig in meinem Zimmer. Ein bisschen Frische Luft würde mir gut tun. Ich verstand bis heute noch nicht, was vorgefallen war in jener Nacht. Schwerfällig drückte ich den Griff nach unten und öffnete das Fenster. Ich zitterte, als die kühle Luft in mein Zimmer strömte. Letzte Nacht hatte ich große Probleme mit dem einschlafen. Vor dem Fenster tobte ein Sturm. Es hat mich sehr stark an die Nacht von vor drei Jahren erinnert. Auch damals herrschten starke Gewitter. Ich sah hinunter zur Straße, die in den ersten Strahlen der Morgensonne anfingen zu glitzern, als lägen überall kleine Diamenten. Normalerweise fand ich so einen Anblick immer wunderschönt, wenn die Pfützen funkelten. Aber heute nicht. Ich war mit den Nerven am Ende. Heute war wie immer ein schwerer Gang für mich. Heute, vor genau drei Jahren kam es zu dem Unfall, als Hikari von einem Auto erfasst wurde und die Polizei ...Ich verbot mir den Gedanken daran. Es würde schon so schwer werden. Und ich wollte diesen Weg so schnell wie möglich hinter mich bringen. Das letzte, was ich heute wollte, war an meine Schwester denken. Ich ertrug diesen Schmerz nicht. Nicht heute.Ich seufzte, drehte mich herum und ließ das Fenster aber noch auf. Durchlüften würde nicht schaden, während ich mich auf den Weg machte. Ich schnappte mir meine schwarze Bluse, die ich schon am Vortag zurecht gelegt hatte und streifte sie mir über. Danach war der Rock an der Reihe. Es war zwar etwas frisch draußen, aber mich störte die Kälte nicht.Dann würde ich wenigstens diese Leere nicht so fühlen.
Das erste, was ich machen wollte, war einfach eine Tasse Kaffee trinken. Ich musste den Traum von letzter Nacht erstmal irgendwie verarbeiten. Ich streckte mich und verließ mein Zimmer. Bevor ich den Weg in die Küche einschlug lauschte ich erst einmal, ob ich vielleicht meine Mutter hören würde. In der Wohnung war es totenstill. Ich überlegte einen Moment. Vielleicht war sie auch schon zum Friedhof gegangen. Das machte sie jedes Jahr. Kurz nach Sonnenaufgang war sie bereits an Hikaris Grab, betete für sie und danach ging sie zur Arbeit oder machte einen langen Spaziergang. Sie besuchte das Grab meiner Schwester regelmäßig, was ich dagegen nur einmal im Jahr tat. Ich konnte sie nur nicht so oft sehen, weil mir ihr Tot ein Teil meiner Seele raubte. Ich liebte Hikari sehr. Sie war meine Schwester gewesen und wir hatten uns nie gestritten. Zumindest nicht, was ich wüsste. Aber es gibt vieles aus meiner Vergangenheit, an das ich mich nicht wirklich erinnerte. Ich schaltete die Kaffeemaschine ein und wartete. Ich hasste es. Warten bedeutete sich mit den Gedanken auf die Dinge konzentrieren zu müssen. Und genau das wollte ich nicht. Mir stiegen die Tränen ins Gesicht, als ich an Aions letzten Besuch dachte. An dem Morgen, als wir erfuhren, das Hikari gestorben war, rief meine Mutter sofort ihren Verlobten an. Aion war eigentlich immer sehr nett gewesen und ich mochte ihn. Aber als er von ihrem Tod erfuhr, reagierte er so, als ob er es schon längst wüsste. Er kam einfach vorbei, richtete uns sein Beileid aus und überreichte uns noch einen Strauß Lilien. Danach ging er und ich sah ihn das letzt Mal. Vor drei Jahren wusste ich es noch nicht. Aber heute, immer wenn ich daran dachte, wusste ich, das mit ihm etwas nicht stimmte.Das etwas Faul war an der Sache. Doch nur was, das wusste ich nicht. Hätte ich damals auch nur einen Teil der Wahrheit gekannt, ich hätte ihn direkt damit konfrontiert. Alles hatte damals in mir geschrien, das etwas nicht stimmte. Aber ich hörte nicht auf mein Gefühl. Heute bereute ich es. Rückgängig machen konnte ich es nicht mehr. Dafür war inzwischen zu viel Zeit vergangen. Und Aion würde ich heute nicht mehr finden. Die Kaffeemaschine stieß ein piepen aus und ich nahm mir eine Tasse. Ich nahm Milch und Zucker und trank einen Schluck, während ich die Terassentür öffnete und den Morgen draußen verbrachte.
Texte: Nadine Stohl-Nguyen
Bildmaterialien: Asami
Tag der Veröffentlichung: 23.05.2015
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