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1. Kapitel

Sport. Wie ich Sport hasste. Vor allem wenn man in der 9. und 10. Stunde Sport hat und eigentlich nur noch heim will. Wie praktisch, dass wir grade dann Sportunterricht hatten. Da konnte ich gut mit dem Tag abschließen, während ich immer wieder einen Volleyball auf den Kopf bekam. Yeah.

Merkt man, dass ich gerade sarkastisch auf gelegt war?

Am besten ich stelle mich mal vor, während die Bälle auf mich prasselten und mein Partner und mein Sportlehrer verzweifelten. Ich war 16 Jahre alt, nicht groß, aber auch nicht klein. Ich hatte blonde Haare, die leicht gestuft waren, blaugraue Augen und helle Haut. Ich war das Gegenteil von dem, was man muskulös nennt, aber alles in allem sah ich gut aus.

„Amy, jetzt pass doch wenigstens auf, aus welcher Richtung der Ball kommt!“, stöhnte Alex, mein Partner.

Ich kicherte und wollte gerade etwas erwidern, als es geschah. Zwei Typen in Motorradkluft und –helmen stürmten in die Sporthalle und zielten mit Pistolen auf uns. Einen Moment lang geschah gar nichts. Die Spannung war förmlich zu greifen.

„Ruhig bleiben! Alle dort an die Wand stellen. Hände nach oben, dann passiert keinem was!“, rief einer der beiden.

Die Spannung löste sich und wir rannten alle durch einander zur Wand. Ein paar Mädchen fingen an zu weinen und der Sportlehrer rief hektisch wir sollten ruhig bleiben.

„Umdrehen. Gesichter zur Wand und kein Wort!“, rief der Typ.

Ich drehte mich um, die Hände immer noch oben. Adrenalin schoss durch meine Adern. Ich hatte höllisch Angst. Was wollten die denn hier? In meiner Klasse gab es niemanden mit reichen Eltern, den es sich gelohnt hätte zu entführen. Ich hörte wie die Männer näher kamen. Der, der noch nichts gesagt hatte, fragte leise: „Wer ist es?“

„Ich bin nicht sicher…“, murmelte der andere ebenso leise zurück.

Sie mussten direkt hinter mir stehen.

„Du wirst sie doch wohl erkennen, Mann!“

„Jaja, ich… Hey, du da!“ Ich spürte wie mir eine Pistole in den Rücken gedrückt wurde.

Ich schluckte. Bitte, bitte nicht.

„Umdrehen.“

Ich drehte mich langsam um und blickte den Typ an, der mir seine Knarre unter die Nase hob. Dass hieß, eigentlich drückte er sie mir in den Bauch.

„Amy?“

Ich nickte.

„Okay, du bleibst jetzt ganz ruhig und kommst mit.“ Er nahm meine Hand und zog mich mit sich, die Pistole in meinen Bauch drückend. Der andere folgte uns rückwärts und zielte auf die Leute in der Halle.

„Kümmre dich um die Handys“, sagte der Typ, der mich mit sich zog.

Der andere nickte und da verschwand er auch schon aus meinem Blickfeld und wir waren draußen. Ich unterdrückte die Angsttränen. Was hatten die nur mit mir vor? Meine Eltern waren nicht reich, niemand war da, den sie erpressen konnten. Ich und der Typ liefen zu den Motorrädern, die auf dem Schulparkplatz standen.

„Damit kommt ihr nicht weit, die werden uns ganz schnell finden.“ Meine Stimme zitterte. Ich stand noch unter Schock.

„Tu mir den Gefallen und sei leise.“

Ich presste die Lippen aufeinander und er bedeutete mir auf das Motorrad, vor dem wir standen, zu sitzen. Er stieg vor mir auf. Als er los fuhr, krallte ich mich ängstlich in seine Jacke. Während wir schneller wurden, bewegten sich meine Hände immer weiter nach vorn, bis ich ihn komplett umschlang und mein Gesicht in seiner Jacke vergrub. Mir war verdammt kalt, denn ich trug nur halblange Sporthosen, ein T-Shirt und Sportschuhe.

Nach einer Ewigkeit, nach der meine Finger und mein restlicher Körper taub von dem eisigen Fahrtwind waren, hielten wir endlich auf einem abgelegenen Parkplatz, wo der andere Typ schon neben einem Auto lehnte und auf uns wartete. Er hatte seinen Helm abgenommen und seine blonden Haare hingen ihm in die Augen. Eigentlich sah er richtig gut aus für einen Kriminellen.

„Dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr an.“

„Sorry, bin extra nicht so schnell gefahren, wegen der Kleinen.“

„Nicht so schnell?“, quietschte ich empört.

Der war viel zu schnell gewesen. Eindeutig. Ich wurde ignoriert und Motorradtyp zog mich zu Autotyp, wobei er nicht beachtete, dass ich noch auf dem Motorrad saß. Ich stolperte ihm hinter her und wurde zum Dank grob auf die Rückbank des Autos gestopft. Autotyp setzte sich ans Steuer, während Motorradtyp neben mich auf die Rückbank kletterte. Er packte meine Handgelenke, während er mich und sich anschnallte. Ich wehrte mich heldenhaft, aber er war einfach zu stark. Er saß direkt neben mir und dachte anscheinend nicht daran, mich los zu lassen. Er zog meine Hände auf seinen Schoß um sie bequemer halten zu können und setzte sich gemütlicher hin. Dabei zog er den Helm ab.

„Erklärt mir vielleicht heut noch jemand, was hier los ist?“, fragte ich genervt. Meine Stimme klang fester.

„Wir haben dich entführt.“

Ich musterte Autotyp und fragte dann: „Wirklich? Da wär ich im Leben nicht drauf gekommen.“ Ich legte eine Pause zum Augenverdrehen ein. „Aber warum? Meine Eltern haben nicht wirklich Geld. Außerdem sind die in Japan auf Geschäftsreise. Keiner wird was für mich zahlen!“

„Oh, wir wollen niemanden erpressen.“

Langsam regte Autotyp mich auf.

„Jetzt hör mir mal zu, du Freak. Du sagst mir jetzt ganz schnell warum ihr mich entführt habt!“

„Sonst was?“

„Mir fällt schon was ein.“

„Dan, die ist voll unhöflich zu mir!“, beschwerte Autotyp sich bei Motorradtyp, der anscheinend Dan hieß.

„Zu dir kann sie von mir aus unhöflich sein.“

„Danke für die Unterstützung.“

„Kein Problem“, sagte Dan fröhlich und schloss die Augen.

Der wollte doch nicht ernsthaft ein Nickerchen machen? Ich zog an meinen Händen doch er umschloss sie nur fester.

„Mein Gott!“, stöhnte ich und ließ mich in meinen Sitz sinken.

Dan öffnete die Augen und sah mich an.

„Was gibt’s?“

Haha. Der Witz war ja so alt.

„Du hältst dich wohl für cool, was?“

„Ne. Ich BIN cool. Großer Unterschied, großer Unterschied.“

Er schloss wieder die Augen und ich starrte ihn entgeistert an. Dabei stellte ich fest, dass er ziemlich gut aussah. Er hatte schwarze glatte Haare und helle Haut. Seine Lippen waren voll und schön geschwungen. Er hatte breite Schultern und ich vermutete, dass er ziemlich muskulös war.

„Ich kann förmlich riechen, wie du mich anstarrst“, kicherte er mit geschlossenen Augen.

Riechen?!

„Ich glaub, der Lady ist kalt. Leih ihr mal deine Jacke“, kam Autotyp mir zu Hilfe.

Dan öffnete die Augen und zog sich die Jacke so aus, dass er meine Hände immer mit einer Hand umschlossen hielt. Er trug unter der Jacke ein enges schwarzes T-Shirt und ich hatte richtig vermutet. Dan hatte ein Sixpack und seine Arme waren auch muskulös. Nicht zu sehr, einfach gerade richtig.

Hilfe, schmachtete ich gerade etwa meinen Entführer an? Sofort aufhören!

Dan öffnete meinen Gurt und zog mir die Jacke so an, dass ich in der Zeit kaum Bewegungsfreiheit hatte und seine Brust direkt vor meinem Gesicht war. Dann legte er einen Arm um mich, sodass er mich einerseits festhielt und andererseits wärmte. Meine Hände hielt er immer noch fest.

„Du könntest mich jetzt los lassen.“

„Ja, dass könnte ich.“

„Warum machst du es dann nicht?“

„Weil ich nicht möchte.“

„Ich aber. Und es sind schließlich meine Hände. Komm schon, ich versuch auch nicht dich zu erwürgen!“

Das war eigentlich mein Plan gewesen, aber Dan war sowieso viel stärker als ich. Er lachte und ließ meine Hände schließlich los, aber da sein Arm immer noch um mich lag, brachte das nicht viel.

„Sagt mir jetzt mal jemand, warum ich entführt worden bin?“, murrte ich und lehnte meinen Kopf wiederwillig an Dans Schulter.

„Ich verspreche, dass ich dir alles erkläre, wenn wir da sind.“

„Wo?“

„Da, wo wir wohnen.“

„Ach so.“

Wir schwiegen eine Weile, dann fragte ich: „Bekomm ich wenigstens eine kleine Information, über die ich nachgrübeln kann?“

„Wir sind Vampire.“

2. Kapitel

„Was?“, rief ich und hob den Kopf.

„Wir sind Vampire.“

„Es gibt … keine Vampire, du Depp.“

„Hier sitzt der Beweis.“

„Da sitzt kein Beweis, sondern irgendein hirnkranker Idiot.“

„Ich bin nicht hirnkrank.“

„Dann halt nur Idiot.“

„Damit kann ich leben!“

Er lächelte mich mit einem Lächeln an, bei dem ich wohl weiche Knie bekommen hätte, wenn ich nicht gesessen hätte.

„Ha! Da haben wir’s. Vampire sind untot.“

„Jetzt hast du zugegeben, dass es uns gibt.“

„Nein!“

„Doch“, meinte er seelenruhig.

„Beweis es. Dass du ein Vampir bist.“

Er dachte kurz nach, dann lehnte er seinen Kopf ein bisschen zurück und öffnete den Mund. Ich sah wie seine Eckzähne langsam länger und spitzer wurden.

„Stopp! Hör auf!“, kreischte ich verwirrt und ängstlich.

Er fuhr die Zähne wieder ein, dann fragte er: „Glaubst du mir jetzt?“

„Nein.“

Er dachte wieder nach. Dann nahm er meine Hand und presste sie gegen seine Brust. Ich wartete.

„Was soll das?“

„Was spürst du?“

„Nichts.“

Ich schaute ihn verwirrt an. Nichts. Kein Herzschlag! Ich zog meine Hand weg. Oh Gott. Oh Gott. Oh Scheiße. Ich sah ihn ängstlich an.

„Trinkst du jetzt mein Blut?“

Dan lachte mich doch tatsächlich aus. Idiot. Nein, hirnkranker Idiot. So.

„Vampire trinken nur Tierblut. Also als Nahrung zumindest. Menschenblut ist so was wie eine Droge.“

„Hm. Verbrennt ihr, wenn ihr in die Sonne geht? Und was ist mit Knoblauch und Kreuzen?“

„Hör mal, das einzige, was du Vampire wissen musst, ist, dass wir Tierblut trinken, untot sind, aber ansonsten normale Menschen. Wir altern zwar nicht, aber wir können normal essen, was uns nur nichts bringt, weil es nicht satt macht. Wir werden von Alkohol nicht betrunken, aber von Menschenblut schon. Und wir können ganz normal schlafen, sind aber stärker und schneller als Menschen. Auch unsere Sinne sind stärker ausgeprägt.“

„Du kannst aber nicht Gedanken lesen oder so?!“, rief ich erschrocken.

„Nein. Was denkst du denn so interessantes?“ Er grinste mich frech an, was ich ignorierte.

„Und wie wird man zum Vampir?“, fragte ich nach.

Langsam fing ich an den ganzen Müll zu glauben.

„Da gibt’s zwei Möglichkeiten. Entweder, wenn du gebissen wirst und komplett ausgesaugt, aber dein Körper nicht allzu beschädigt wird.“

„Oder?“

„Das erklär ich dir später. Wir sind noch eine Weile unterwegs. Du solltest schlafen.“

„Ich will aber nicht.“

„Dann ist das dein Problem. Ich werde das jetzt nämlich tun.“

Gesagt, getan. Dan schloss die Augen und gab keinen Laut mehr von sich. Ich beschloss auch zu schlafen und kuschelte mich bequemer an ihn. Und schon war ich eingeschlafen. (Ich weiß, es war dumm in einem Auto mit zwei Vampiren, die mich entführt hatten, zu schlafen. Ich schämte mich auch. Ehrlich. Aber ich war halt doch müde …)

Als ich aufwachte, lag ich irgendwie ziemlich unbequem auf irgendwas drauf. Ich gähnte und spürte die Hand auf meinem Arm. Ich erkannte, dass ich auf Dans Schoß lag und richtete mich schnell auf.

„Perfektes Timing zum Aufwachen, Süße. Wir sind da“, informierte er mich und das Auto hielt an.

Autotyp stieg aus und Dan auch. Ich folgte ihnen langsam und erkannte, dass wir vor einer Villa standen. Wer hätte es gedacht, die Vampire wohnten in einer Villa. Es war bereits dunkel und Dan zog mich zu dem Haus. Ich stolperte über ein paar Stufen und Dan meinte: „Sorry, hab ganz vergessen, dass du im Dunkeln nicht sehen kannst.“

Du aber schon, oder was? Ach so, klar. Vampir.

„Seth, wie lang brauchst du denn zum Türaufschließen?“, fragte Dan.

„Mein Gott, jetzt krieg dich wieder ein, Mann.“

Aha, Autotyp hieß also Seth. Gut zu wissen.

Ein Schlüssel kratze über Metall, dann rastete er ein.

Als wir dann endlich in der Villa waren, zog Dan mich kurzerhand in das riesige Wohnzimmer und schob mich auf die Couch.

„Willst du was trinken?“

„Nein, ich will, dass mir irgendjemand erklärt warum ihr Penner mich entführt habt, verdammt noch mal!“, rief ich frustriert und ließ mich tiefer in die Couch sinken.

Und da spürte ich es zum ersten Mal. Als ich ihm in die Augen sah. Sie waren smaragdgrün und leuchteten wie Sterne. Ich hatte noch nie so eine Augenfarbe gesehen. Ich war in seinem Blick gefangen und spürte ein Ziehen in meiner Brust. Ein Seil, das Dan und mich an einander band. Ich fühlte den Drang ihn zu berühren. Ihn zu küssen. Schnell schloss ich die Augen und das Gefühl verschwand bis auf ein leichtes Ziehen in meiner Brust. Was war das denn gewesen?

„Alles klar?“

„Ja.“ Ich räusperte mich.

Dan setzte sich neben mich und ich musste mich in den Couchbezug krallen, um nicht näher an ihn zu rücken.

„Also, wir haben dich entführt, weil … tja, wie soll ich das jetzt erklären?“

„Ich glaub, wenn du noch länger damit wartest, dreht sie dir den Hals um!“, kicherte Seth, verließ aber das Wohnzimmer.

„Also wir Vampire … wenn wir schon zwanzig Jahre lang Vampire sind, dann finden wir unseren Seelenverwandten. Das sind dann meistens auch zwanzigjährige Vampire oder Menschen. Zu diesen Seelenverwandten haben wir eine Art Bindung. Es sind sozusagen unsere perfekten Partner. Naja, jedenfalls ist da dann so eine Art Antrieb in unserem Kopf, der uns zwingt diese Person zu finden. Und ich habe dich entführt, weil ich sicher war, dass wenn ich dich einfach so angesprochen hätte, du mich für verrückt gehalten hättest.“ Er lächelte mich schief und ein bisschen unsicher an. Oha. Scheiße.

„Kann ich jetzt was zu trinken haben?“, krächzte ich.

Dan sprang sofort auf und holte mir ein Glas Wasser. Ich trank es vorsichtig, verschluckte mich trotzdem und als Dan mir auf den Rücken klopfen wollte, zuckte ich ängstlich zurück und kauerte mich an das andere Ende der Couch. Ich zog die Beine an und legte den Kopf auf die Knie.

„Soll ich…?“, begann Dan doch ich hob eine Hand um ihm zu bedeuten leise zu sein.

Heilige Scheiße. Dan war also mein Seelenverwandter. Bedeutete das, dass wir jetzt zusammen waren? Dass er mich liebte und ich ihn? Aber ich kannte ihn ja gar nicht! Trotzdem fühlte ich die Verbindung zu ihm.

Dann tat er das, was ich am wenigsten wollte. Er stand auf und verließ das Zimmer.

Als er die Tür hinter sich schloss, begann ich zu weinen und konnte einfach nicht mehr aufhören. Ich wusste nicht mehr weiter. Ich weinte immer weiter und in mir brannte alles. Ich wollte, dass Dan zu mir kam und mich in den Arm nahm. Und dass er mir sagte, dass alles wieder gut werden würde.

„Komm schon, du kannst nicht den ganzen Abend hier liegen und weinen!“, flüsterte Seth mir zu.

Ich zuckte zusammen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er ins Zimmer gekommen war. Er hob mich kurzer Hand hoch und trug mich aus dem Zimmer die Treppe hoch und stellte mich schließlich vor einem Zimmer ab. Ich schluckte und versuchte aufzuhören zu weinen.

„Das ist Dans Zimmer. Du gehst da jetzt rein und klärst das!“

Und damit verschwand er. Ich sah mich verzweifelt um, dann hob ich schließlich die Hand und öffnete vorsichtig die Tür.

3. Kapitel

 

Im Zimmer war es dunkel, doch ich konnte erkennen, dass Dan auf dem Bett lag und die Decke anstarrte. Ich schloss die Tür hinter mir und machte einen Schritt auf ihn zu. Was jetzt? Was sollte ich zu ihm sagen?

„Hey“, machte ich und ging noch einen Schritt auf ihn zu.

Dan hob den Kopf, sah mich an und stand dann schließlich auf. So, da standen wir. Zwei Meter voneinander entfernt und starrten uns an.

„Ich …“, begannen wir gleichzeitig.

Dann machte er einen Schritt in meine Richtung.

„Was bedeutet das für uns? Dass wir seelenverwandt sind“, fragte ich schließlich.

„Dass wir so zu sagen für einander bestimmt sind.“ Seine Stimme klang rau.

„Aber wir kennen uns gar nicht.“

„Ich kenne dich.“

„Nein!“

„Du bist 16. Du stehst auf Motorräder. Du hattest bis jetzt noch keinen Freund. Deine Lieblingsfarbe ist dunkelblau. Du stehst abends am Fenster und siehst die Sterne an, du führst Selbstgespräche. Du isst gerne Kekse, du liebst Cookie-Eis. Du …“

„Stopp! Woher weißt du das?“, fragte ich entgeistert.

„Ich beobachte dich seit einem halben Jahr. Ich habe überlegt, wie ich dich ansprechen soll.“

Oh. Na dann.

„Egal, ich kenne dich jedenfalls nicht.“

„Aber du spürst es, stimmt’s? Und du hast Angst davor.“

„Ich spüre eine … Verbindung. Aber ich versteh sie nicht. Ich meine, ich weiß gar nichts über dich und …“

Dan kam zu mir und nahm mich einfach in die Arme. Ich lehnte mich an ihn und atmete durch. Alles wird gut, dachte ich mir.

 

Als ich erwachte, lag ich gemütlich an einen warmen Körper geschmiegt in einem Bett und … Moment mal! Ich riss die Augen auf und erstarrte. Ich blickte auf Dans schwarzes T-Shirt und als ich den Blick nach oben wandte, sah ich direkt in Dans Gesicht. Er grinste mich frech an.

„Ausgeschlafen?“

Ich runzelte die Stirn.

„Warum…?“, begann ich, aber er zuckte mit den Schultern und meinte: „Du bist gestern in meinen Armen eingeschlafen und wolltest mich nicht mehr los lassen.“

„Oh.“ Ich schaute schnell an mir herunter und erkannte, dass ich zum Glück noch meine Kleidung trug. Nur meine Sportschuhe standen verlassen mitten im Raum.

„Dan?“, murmelte ich verschlafen.

„Ja, Amy?“

„Was ist die zweite Möglichkeit ein Vampir zu werden?“

Ich hatte schon einen Verdacht, aber ich wollte ihn nicht aus sprechen. Ich wollte ihn nicht mal zu Ende denken.

„Wenn der Seelenverwandte eines Vampirs ein Mensch ist, verwandelt er sich nach einiger Zeit.“

„Oh.“ Ich hatte recht gehabt.

„Tut mir leid.“

„Nein, ist schon okay.“

Eigentlich war es doch gar nicht so schlimm. Oder?

„Tut es … tut es weh?“ Oh Gott, wie kam ich immer nur auf so blöde Fragen?

„Nein.“

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er log, aber ich unterdrückte es. Obwohl ich Dan nicht kannte, vertraute ich ihm. Das lag wahrscheinlich an dieser Seelenverwandten-Sache.

„Wie lang hab ich noch?“ Meine Stimme zitterte leicht und Dan umarmte mich fester.

„Keine Sorge. Es dauert mindestens noch drei Monate.“

Drei Monate.

„Ich habe Hunger“, sagte ich plötzlich und Dan lachte.

„Willst du noch duschen?“

„Ja.“

Er zeigte mir das Bad und gab mir Kleidung. Als ich fragte, warum er Frauenkleidung in seinem Schrank hatte, stotterte er nur irgendwas von „ist lange her … weiß nicht“.

Ich lächelte, während das Wasser auf meinen Kopf prasselte. Als ich meine Haare gekämmt hatte und in die Jeans und das T-Shirt von Dan geschlüpft war verließ ich das Bad und ging die Treppe runter ins Wohnzimmer. Von dort aus kam ich in eine Küche, wo Dan mir etwas zu essen machte. Ich kicherte leise und setzte mich an den Küchentisch während er ein Spiegelei und Toast auf einen Teller lud. Als er es vor mir abstellte, wurde mir erst bewusst wie hungrig ich war.

„Isst du nicht?“, fragte ich zwischen zwei Bissen.

„Ich könnte schon. Aber ich muss nicht.“

„Ach so. Stimmt ja.“

Ich aß und Dan sah mir schweigend zu. Als ich alles aufgegessen hatte hob ich den Blick und sah in seine grünen Augen. Wieder packte mich dieses Gefühl, ihn berühren zu müssen.

„Ich bringe dich nachher heim. Wir haben die Schule schon informiert, dass dir nichts passiert ist und deine Eltern auch.“

„Was habt ihr genau gesagt?“, fragte ich misstrauisch.

Er grinste leicht. Oh Gott, ich liebte dieses Grinsen. Halt! Was war das denn? Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken los zu werden.

„Äh, du konntest fliehen als der eine Entführer mit dem Motorrad hielt, um ins Auto umzusteigen. Du konntest nicht erkennen welche Marke es war, das Kennzeichen hast du auch nicht gesehen und die Gesichter der Entführer schon gleich gar nicht. Wir haben dich zufällig gesehen, wie du die Straße lang gelaufen bist und haben dich mitgenommen. Das ist alles.“

Ich nickte.

„Dir ist klar, dass du keinem die Wahrheit sagen darfst, oder?“, fragte er vorsichtig.

„Ja.“

„Ist es okay für dich, wenn … wenn wir uns einfach weiterhin treffen, dass du mich kennen lernen kannst?“

Wie süß. Schüchtern war Dan auch noch. Ich nickte lächelnd. Und ich akzeptierte die Tatsache, dass sich alles ändern würde.

4. Kapitel

 

„Amy, hast du heute Zeit zum Shoppen?“, fragte Miri meine beste Freundin.

„Nein, sorry. Ich treffe mich mit Dan.“

„Schon wieder?“

Seit der Entführung waren zwei Wochen vergangen. Dan und ich trafen uns dreimal in der Woche. Und ich war mir mittlerweile sicher, dass ich ziemlich in ihn verliebt war. Nur traute ich mich nicht, ihm das zu sagen.

„Ich habe in diese Woche noch gar nicht gesehen!“, meinte ich zu meiner Verteidigung.

Dan war schon 19 (zumindest hatte er da aufgehört zu altern) und ging deshalb nicht in die Schule.

„Sicher, dass ihr nicht zusammen seid?“, fragte Miri grinsend.

„Ja! Das ist nur Freundschaft.“

Dan verhielt sich tatsächlich so, als wären wir nur Freunde. Dass er ein Vampir war, ignorierten wir, genau wie die Seelenverwandtschaft. Wir unternahmen einfach viel zusammen. Und jetzt war es eben passiert. Ich hatte mich in ihn verknallt. Aber wer hätte das nicht? Dan sah sehr gut aus, war lustig, hilfsbereit, höflich, wundervoll, perfekt, sexy …

„Erde an Amy!“ Miri riss mich aus meinen Schwärmereien.

„Ja, sorry, was?“

„Du bist in ihn verknallt, stimmt’s?“, fragte sie mit ihrer alles-wird-gut-ich-bin-für-dich-da-Stimme.

Ich nickte und sie umarmte mich kurz.

„Hey, das wird schon wieder.“

Ich nickte wieder. Wir verabschiedeten uns, da Miri in einer anderen Richtung wohnte als ich und machten uns auf den Heimweg.

Die Schule war wie immer langweilig gewesen und ich freute mich auf den Tag mit Dan. In den ersten Tagen nach der Entführung, hatte ich von den anderen Schülern ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen, aber das hatte sich zum Glück wieder gelegt.

Ich stellte zuhause meine Sachen ab, aß zu Mittag und wartete darauf, dass es klingelte.

„Amy?“, rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer.

„Was gibt’s, Mum?“, fragte ich und kam zu ihr.

„Dein Dad und ich fahren zu einer Weinmesse. Wir kommen erst morgen wieder.“

„Okay.“

„Pass bitte auf dich auf, Schätzchen!“, meinte mein Dad, der jetzt auch den Raum betrat.

Sie hatten wahnsinnig Angst, es könnte mir etwas passieren. War ja verständlich, nachdem was passiert war.

„Ich treffe mich nachher noch mit Dan“, informierte ich sie.

„Oh, gut. Viel Spaß!“

Meine Eltern waren begeistert von Dan. Sie hatten ihn sofort ins Herz geschlossen und ich hatte das Gefühl, dass seine natürliche Ausstrahlung dazu beitrug, dass sie dachten, ich wäre bei ihm sicher.

„Hab euch lieb!“, rief ich ihnen hinter her und die Tür fiel ins Schloss.

Eine Minute später klingelte es. Ich sprang auf und rannte zur Tür. Dan lehnte lässig im Rahmen und grinste mich an.

„Was ist?“, fragte ich.

„Ich kann hören wie du zur Tür rennst.“

Oh Shit. Und das Rasen meines Herzens wahrscheinlich auch. Ich wurde rot und ließ ihn rein. Wir gingen in mein Zimmer und Dan fragte: „Sind deine Eltern nicht da?“

„Nein, auf irgendeiner Weinmesse. Kommen erst morgen wieder.“

Wir redeten eine Weile über dies und das. Wir lachten viel, vor allem als Dan eine Kitzelattacke auf mich startete. Als wir schließlich müde und erschöpft auf meinem Zimmerteppich hockten, fiel Dans Blick auf die Uhr.

„Ist schon spät. Ich geh dann mal.“

„Warte!“

„Was?“ Mist, warum konnte ich nicht einmal meine Klappe halten?

„Ich äh … ich will …“ Komm schon, Augen zu und durch! „Du kannst bleiben. Wenn du willst. Meine Eltern sind ja nicht da.“

Er schaute mich eine Weile lang an. Dann grinste er.

„War das jetzt eine Anmache?“

„Nein! Ich …“ Ich lief rot an, aber Dan lachte nur.

Wir saßen noch eine Weile rum, dann aßen wir zu Abend. Soll heißen, wir setzten uns ins Wohnzimmer, sahen einen Horrorfilm und futterten Chips.

„Du ernährst dich nicht gesund“, meinte Dan nach einer Weile.

„Du auch nicht.“

„Ich ernähre mich für einen Vampir gesund. Aber du solltest was Anständiges essen.“

„Ich will aber nicht aufstehen. Halt! Ich will auch nicht, dass mein Kopfkissen aufsteht“, meinte ich als er mir etwas holen wollte.

Er grinste wieder. Ich lehnte mich gemütlicher gegen ihn und Dan meinte: „Du bist heute auch komisch drauf. Wenn ich das machen würde … ts, ts, ts!“, machte er empört und ich bekam einen Lachanfall.

„Wenn du was machen würdest?“

„Naja, du willst, dass ich hier bleibe, über Nacht! Du willst nicht mal, dass ich aufstehe, weil du dich lieber an mich kuschelst …“

„Ach, sei leise, du Idiot.“

„Solange du mich nicht hirntot bezeichnest …“

Wir schauten den Film zu Ende und ich überlegte, ob ich Dan irgendwie dazu bringen könnte, in meinem Bett zu schlafen, ohne mich zu verraten.

Als der Film aus war, schaltete ich den Fernseher aus und Dan fragte: „Sagst du mir jetzt, was los ist? Du bist heute anders als sonst. Ist irgendwas passiert?“

„Äh…“

Schon blöd, dass er immer wusste, wenn etwas nicht stimmte. Aber ich fand es total süß, dass er sich um mich Sorgen machte.

„Ich muss mit dir reden.“

Ich atmete tief durch und setzte mich wieder neben Dan.

„Okay.“ Er merkte wohl, dass es mir wichtig war, denn er schaute mich ernst an.

„Ich … ich kann damit nicht umgehen.“

„Womit?“

„Mit der Seelenverwandtschaft. Ich meine, ich mag dich und alles, aber ich weiß einfach nicht, was ich machen soll!“ Als ich in sein Gesicht blickte, wusste ich, dass ich die falschen Worte gewählte hatte.

„Also ich meine … ich wollte nicht …“ Verzweifelt versuchte ich ihm klar zu machen, was ich fühlte, aber Dan hatte diese Maske aufgesetzt bei der mir immer ganz schlecht wurde.

„Schau mich bitte nicht so an“, flüsterte ich und Tränen stiegen in meine Augen.

Er wandte den Blick ab.

„Was genau willst du mir sagen?“ Seine Stimme klang irgendwie kalt. Ich schniefte.

„Ich weiß nicht mehr weiter. Was passiert, wenn ich ein Vampir werde? Muss ich dann von hier weg gehen?“

Augenblicklich änderte sich Dans Gesichtsausdruck und er zog mich in seine Arme und ich heulte los.

„Scht, scht … alles wird gut. Ja, du musst weg. Aber nicht gleich. Es wird am Anfang nicht auffallen, dass du nicht alterst. Aber spätestens ein Jahr nach der Verwandlung solltest du gehen.“

„Ich will aber nicht allein sein“, schluchzte ich und Dan drückte mich fester an sich.

„Wirst du auch nicht. Ich bin da … Süße, hör doch bitte auf zu weinen!“

Als er mich Süße nannte zuckte ich zusammen. Ich sah zu ihm hoch. Jetzt war mir alles egal. Ich legte die Hände auf seine Schultern und zog mich zu ihm hoch. Dann küsste ich ihn.

5. Kapitel

 

Als wir uns voneinander lösten (viel zu früh, Dan konnte echt gut küssen), sah Dan mich überrascht an. Ich wurde rot und sah weg.

„Ich ähm … tut mir leid, dass war nur …“

„Schon okay“, meinte Dan einfach und zuckte mit den Schultern.

„Ich möchte nicht mehr mir dir befreundet sein. Das war es, was ich sagen wollte.“

Ich atmete erleichtert aus, aber Dan wurde wütend.

„Was soll das denn jetzt heißen?“

„Das soll heißen, dass ich nicht …“

„Verstehe. Ich geh dann mal besser.“

Jetzt verstand ich, warum er wütend war.

„Hey, warte, so hab ich das nicht gemeint!“

Ich sprang auf und folgte ihm zur Tür.

„Wie dann?“ Er sah mich wieder so kalt und abweisend an, dass mir schon wieder Tränen in die Augen schossen.

„Ich will nicht mehr mit dir befreundet sein, weil ich mit dir zusammen sein will“, brachte ich leise heraus.

Ich wusste nicht wie mir geschah, so schnell schloss Dan mich in eine Umarmung.

„Ich bin so ein Trottel.“

„Aber ein heißer Trottel“, murmelte ich gegen seine Brust. Er löste sich etwas von mir und küsste mich. Und zwar diesmal länger.

Irgendwie hatten wir es auf mein Bett geschafft, ohne damit auf zuhören uns zu küssen.

„Ich liebe dich“, sagte Dan plötzlich.

Ich lächelte ihn an. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich tot müde war. Ich kuschelte mich an ihn und schlief sofort ein.

 

Ich erwachte mit einem Lächeln auf den Lippen. Dass verschwand aber sofort wieder als ich auf die Uhr sah.

„Scheiße! Ich komm zu spät zur Schule!“, kreischte ich und sprang aus dem Bett. Dan sah mich verschlafen an.

„Aha“, war seine einzige Reaktion.

Ich duschte mich in Rekordzeit und machte mich schnell fertig. Ich griff nach meiner Tasche und wollte schon aus dem Haus stürmen, als Dan mich an der Hand fest hielt.

„Was ist, Dan? Es ist viertel nach Acht!“

„Ganz ruhig. Ich fahr dich.“

Wir verließen das Haus und ich sah Dans schwarzes Motorrad. Ich kicherte beim Aufsitzen, als ich mich an meine erste Fahrt erinnerte.

Als wir endlich da waren sprang ich ab und wollte schon in die Schule stürmen, doch Dan hielt mich wieder fest und küsste mich stürmisch.

„Muss ja für heute Vormittag reichen“, meinte er leise und küsste mich nochmal.

Ich lachte und wollte gar nicht mehr aufhören, aber Dan drückte mich leicht von sich weg.

„Ich hol dich nachher wieder hier ab.“

„Okay“, hauchte ich und schon war er weg.

Ich drehte mich dem Schulgebäude zu und stürmte hinein. Ich platze in das Klassenzimmer und keuchte außer Atem: „Tut mir leid, ich hab verschlafen.“ Alle starrten mich an und einige lachten. Mein Blick wanderte zum Fenster und ich wurde rot. Unser Schulparkplatz lag so, dass man ihn von unserem Klassenzimmer aus perfekt überblicken konnte. Alle hatten gesehen, dass Dan mich her gebracht und geküsst hatte.

Ich setzte mich schnell auf meinen Platz und versuchte unsichtbar zu werden.

 

„Mensch, Amy, warum hast du mir nichts erzählt?“ Miri war nach dem Klingeln sofort an meinen Tisch gekommen.

„Sorry, wir sind erst seit gestern Abend zusammen. Ich hatte noch keine Zeit dir etwas zu sagen.“

„Interessante Nacht gehabt? Dan ist echt ziemlich heiß …“, meinte sie grinsend.

„Miri! Wir haben nicht … weißt schon.“

„Ja, schon klar“, meinte sie lachend und zog mich auf den Schulhof.

Nach einigen blöden Kommentaren, langweiligem Unterricht und noch mehr blöden Kommentaren war die Schule endlich aus. Ich verabschiedete mich von Miri und sah Dan schon auf dem Parkplatz. Er stand lässig an sein Motorrad gelehnt und schaute mir grinsend entgegen.

„Hey“, sagte ich.

„Hey.“ Er zog mich an sich und küsste mich.

„Schule ist blöd“, murmelte er und ich stieg hinter ihm auf sein Motorrad.

„Warum?“

„Weil ich jetzt jeden Vormittag rum sitzen und auf dich warten muss. Ich hab mich heute echt gelangweilt.“

Ich lachte über seinen empörten Tonfall und wir fuhren los.

Als wir gegessen hatten, holte ich meine Hausaufgaben hervor und Dan setzte mich neben mich.

„Was machst du da?“, fragte er neugierig.

„Hausaufgaben?“ Ich hob eine Augenbraue.

„Ach, wirklich. Was für Hausaufgaben?“

„Mathe. Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Hilf mir!“, quengelte ich.

Dan schaute eine Weile auf mein Blatt, dann begann er mir alles haarklein zu erklären, dass ich (ja ich!) es verstand (ja, ich verstand!). Wir rechneten zusammen die Aufgaben durch. Dann holte ich mein Spanischbuch heraus und trichterte mir die Vokabeln ein. Was ziemlich schwer war, da Dan nach einer Weile anfing mit einer meiner Haarsträhnen zu spielen.

„Fertig!“, rief ich und klappte mein Buch zu.

Plötzlich hörte ich meine Eltern im Flur. Oh nein, sie waren schon wieder zurück.

„Hallo Amy. Oh hallo Dan!“ Meine Mutter kam freudestrahlend in die Küche.

Mein Vater nickte uns nur kurz zu und verschwand dann nach oben. Kurz darauf hörte ich, dass er unter der Dusche war.

„Und, hast du schon Hausaufgaben gemacht?“, fragte meine Mutter und machte sich einen Kaffee.

„Ähm ja. Bin grad fertig geworden. Komm Dan, gehen wir in mein Zimmer.“ Ich zog Dan aus der Küche.

„Warum so hektisch?“, fragte er leise an meinem Ohr und ich bekam eine Gänsehaut.

„Was mache ich denn nur, wenn sie was bemerken?“

Ich ließ mich auf mein Bett fallen und sah Dan hilfesuchend an.

„Was bemerken?“

„Mein Dad reist mir den Kopf ab“, jammerte ich weiter.

„Süße, ich hab keine Ahnung, was du meinst.“ Dan setzte sich neben mich.

„Ich rede davon, dass ich nicht weiß, wie ich meinen Eltern beibringen soll, dass wir zusammen sind."

6. Kapitel

 

Dan legte den Kopf schief.

„Warum glaubst du, dass es sie stört?“

„Weil … weil … ach, keine Ahnung … Elternzeugs halt.“

Er sah mich verstört an. Ich wurde rot und versuchte ihm weiter die Situation zu erklären.

„Immer wenn ich ihnen erzähle, dass ich verliebt bin, flippen sie total aus und wollen mich aufklären und so ein Scheiß. Als ich mit meiner Mutter zum ersten Mal über so was geredet hab, hat sie mich in die Apotheke geschleift und Kondome gekauft.“

Dan ignorierte, was ich gesagt hatte und fragte misstrauisch: „Wie oft warst du denn schon verliebt?“

„Nur drei Mal. Aber nur einmal richtig. Und lenk gefälligst nicht vom Thema ab!“

„In wen?“

„Was?“ Ich schaute ihn verwirrt an.

Dann erkannte ich, dass Dan gerade extrem eifersüchtig war.

„Och, komm schon Dan. Das ist schon ein Jahr her. Und es ist eh nichts draus geworden. Brauchst gar nicht eifersüchtig sein!“ Ich rückte näher an ihn und küsste ihn.

Plötzlich ging die Tür auf und ich fuhr erschrocken zurück. Meine Mutter stand mitten im Raum schaute kurz zwischen uns hin und her, dann fokussierte sie mich und sagte in neutralem Tonfall: „Miri ist am Telefon. Sie hört sich etwas … aufgelöst an.“

Ich stand auf und folgte ihr in den Flur. Wir hatten noch ein Telefon mit Kabel (ich versuchte bei jeder Gelegenheit meine Eltern zum Kauf eines schnurlosen zu überreden), also mussten wir immer im Flur rum stehen, wenn wir telefonierten.

„Hallo?“, meldete ich mich etwas diffus. Am anderen Ende der Leitung erklang ein Schluchzen. „Miri? Was ist los? Hast du wieder Streit mit Fabi?“, fragte ich mitleidig.

Fabi war Miris Freund. Die zwei waren schon seit zwei Jahren zusammen, und obwohl sie sich ständig zofften, waren sie total in einander verliebt.

„Fabiiii!“, krähte sie verzweifelt und heulte noch lauter.

„Süße, was ist passiert?“ Ich ließ mich an der Wand herunter gleiten.

„Er hat … er hat Schluss gemacht. An unserem Jahrestag!“, schrie sie wütend und verfiel wieder in ihr Schluchzen.

„Oh Scheiße! Miri, beruhig dich, ich komm gleich zu dir und dann erzählst du mir alles, okay?“

„Oka-ay“, brachte sie heraus.

Ich legte auf und stürmte zu Dan in mein Zimmer.

„Was ist passiert?“, fragte er.

„Tut mir echt leid, aber Miris Freund hat Schluss gemacht. Sie ist total durch den Wind, ich muss unbedingt zu ihr.“

Dan seufzte etwas unglücklich.

„Okay. Rufst du mich an, wenn du wieder daheim bist?“

„Ja, klar.“

Wir verließen gleichzeitig das Haus und verabschiedeten uns mit einem kurzen Kuss. Miri wohnte nicht weit entfernt und nach zehn Minuten war ich da. Sie öffnete die Tür und ich zuckte erschrocken zusammen. Sie hatte aufgehört zu weinen, aber ihr Gesicht war gerötet, ihre Augen verquollen und ihre Wimperntusche hoffnungslos verlaufen. Ich schloss sie in die Arme und wir pflanzten uns in ihrem Zimmer aufs Bett.

„So, jetzt erzähl mir erst mal genau, was passiert ist.“

„Also, wir haben ja heute Jahrestag und da bin ich halt zu ihm und hab … und hab …“ Schon wieder brach sie in Tränen aus, erzählte aber weiter. „ICH HAB IHN MIT SEINER SCHLAMPE ERWISCHT!“

„Was?!“ Ich schaute sie erschrocken an.

„Seine Mutter hat mich rein gelassen und ich bin in sein Zimmer und sie haben grad … sie haben …“ Ihre Stimme erstarb.

„Oh mein Gott! Dieses verdammte Arschloch!“, rief ich empört.

„Ja, und dann hat er mich erst angemotzt, was ich bei ihm will. Er hat unseren Jahrestag vergessen. Dann ist er mit mir auf den Flur gegangen und hat gemeint, dass das schon seit zwei Wochen so geht. Und dann hat er einfach Schluss gemacht. Fabi hat mich nicht mal zu Wort kommen lassen und mich einfach raus geschmissen. Ich dachte, … ich dachte, er liebt mich!“ Dieser Idiot! Ich hatte Fabi eigentlich für echt nett gehalten, aber dass er sich so was leistete … Scheißkerl!

„Och, Mensch, Miri! Dieser Depp hat keine einzige Träne verdient!“

„Aber … ich liebe ihn doch!“ Sie schluchzte und ich reichte ihr eine Packung Taschentücher.

Wir taten dass, was beste Freundinnen in solchen Fällen eben machen: Sie weinte, ich tröstete sie. Wir lästerten über Fabi, aßen riesige Mengen Eis und schauten uns schlechte Filme an. Als es draußen dunkel wurde, musste ich langsam los. Miri ging es deutlich besser und sie hatte seit einer Stunde nicht mehr geweint.

„Danke, dass du gekommen bist.“

„Kein Ding. Mach‘s gut und bis morgen.“ Ich lächelte noch mal an, dann machte ich mich auf den Heimweg.

Als ich zuhause ankam, wartete meine Mutter im Wohnzimmer auf mich. Sie schaute mich anklagend an.

„Wie lange bist du schon mit Dan zusammen?“

„Äh … hallo, übrigens. Seit gestern Abend?“, meinte ich.

Mir kam die Zeit viel länger vor.

„Hat er hier geschlafen, als wir weg waren?“

„Ja, aber …“

„Bist du noch Jungfrau?“, unterbrach sie mich.

„Ja, natürlich!“

„Gut, das war alles. Gute Nacht, Amy!“ Sie stand auf und verließ das Zimmer. Ich blieb einfach eine Weile dumm dastehend im Wohnzimmer, dann tapste ich ins Bad und machte mich bettfertig.

Als ich auf meinem Sessel saß und lesen wollte, fiel mir ein, dass ich noch Dan anrufen musste. Ich nahm mein Handy und wählte seine Nummer.

„Hallo, Süße!“, begrüßte er mich.

„Hey, Dan.“ Eine Glückswelle durchströmte mich, als ich daran dachte, wie perfekt mein Freund war. Im nächsten Moment, fuhr ich erschrocken zusammen als ich mir vorstellte, er würde mit mir Schluss machen oder mich betrügen.

„Was ist los, Amy? Alles klar?“, fragte er misstrauisch.

„Ich hab nur daran gedacht, wie es wäre, wenn du mich verlassen würdest“, meinte ich leise.

„Das würde ich nie tun!“

„Ich weiß.“ Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte ich: „Ich vermisse dich.“

„Wir haben uns doch vorhin gesehen“, lachte er.

„Trotzdem“, meinte ich trotzig.

„Ich dich auch“, sagte er ernst. „Am liebsten würde ich zu dir kommen.“

„Ich glaub nicht, dass meine Eltern das so cool fänden.“ Ich lachte.

„Das merken die nicht.“

„Ernsthaft?“

„Ich bin ein Vampir.“

Und als solcher hatte er bekanntlich Superkräfte.

„Ach so. Stimmt ja.“

„Also soll ich jetzt kommen?“

„Und da fragst du noch so blöd?“

7. Kapitel

 

Ich lag schon im Bett. Seit Dan und ich uns verabschiedet hatten, waren 20 Minuten vergangen. Langsam wurde ich nervös. Gut, ich konnte nicht erwarten, dass er in null Komma nichts hier war, aber ich vermisste ihn einfach schrecklich …

Ein leises Klopfen an meinem Fenster riss mich aus meinen Gedanken. Ich stand auf und öffnete es. Und da stand er. Seine Haare waren verwuschelt und er trug seine schwarze Lederjacke (ich liebte dieses Teil, wahrscheinlich trug er sie deshalb so oft).

„Geh weg vom Fenster“, rief er leise zu mir herauf. Mein Zimmer befand sich im ersten Stock und ich war mir nicht sicher wie er …

„Und da bin ich.“ Er kletterte einfach herein und zog mich in eine Umarmung während er gleichzeitig das Fenster schloss. Seine Jacke war kalt und mich fröstelte, worauf er mich sofort los ließ.

„Meine Mum weiß, dass wir zusammen sind“, erzählte ich leise während er seine Jacke auszog und auf einen Stuhl legte.

„Wie hat sie reagiert?“, fragte er grinsend.

„Sie hat mich gefragt, ob ich noch Jungfrau bin.“

Er lachte leise und wir legten uns wie selbstverständlich in mein Bett.

„Cooler Schlafanzug übrigens.“ Dan zwinkerte mir zu und ich verdrehte die Augen. Ich trug ein Top und Stoffhotpants. Müde kuschelte ich mich an ihn.

„Ich find‘s toll, dass du da bist“, murmelte ich.

„Glaub mir, ich auch. Seth hat … Besuch“, meinte er sarkastisch.

„Wäh, das wollte ich gar nicht wissen.“

Er legte einen Arm um mich und sah mich ernst an.

„Seth ist in letzter Zeit etwas durcheinander“, erklärte er.

„Wieso das denn?“

„Er wird innerhalb der nächsten Monate erfahren, wer seine Seelenverwandte ist. Weißt du, er hatte noch nie eine richtige Beziehung. Jetzt weiß er nicht, wie er sich verhalten soll. Er mag sein Leben, so wie es ist und hat keine Lust auf Veränderungen.“

Ich schaute Dan nachdenklich an.

„Tut mir leid, dass interessiert dich bestimmt gar nicht …“

„Nein! Ich mag Seth wirklich und …“

Sofort trat dieser bestimmte Ausdruck und Dans Augen, und ich kicherte.

„Du wirst immer so schnell eifersüchtig. Ich hab doch gar nichts gemacht!“

Dan brummelte etwas unverständliches, zog mich enger an sich und küsste mich stürmisch.

„Dan?“, fragte ich nach einer Weile.

„Was gibt’s?“ Er spielte mit einer meiner Haarsträhnen.

„Ich weiß, wir haben schon öfters darüber geredet, aber …“

„Sag mir einfach was los ist.“ Er lächelte mich an und zwinkerte mir gleich darauf zu.

„Ist immer wieder schön zu hören, wie dein Herzschlag sich beschleunigt.“

Ich wurde rot, redete aber weiter: „Ich habe immer noch Panik vor der Verwandlung.“

Dan nickte nachdenklich.

„Was genau passiert da? Wie lang dauert es? Und wie viel Zeit habe ich noch? Was passiert danach? Was ist anders?“

Dan unterbrach meinen Redefluss mit einem Kuss.

„Es wird alles gut gehen. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich werde dann bei dir sein. Versprochen.“

Ich schluckte und kuschelte mich enger an ihn. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich Dan jede Lüge glauben würde. Liebe macht eben nicht nur blind, sondern auch taub und stumm.

Nachdem wir wieder eine Weile geschwiegen hatte, meinte Dan: „Du solltest jetzt schlafen. Ist schon spät.“

„Bekomm ich einen Gutenachtkuss?“, fragte ich lachend.

Ich bekam natürlich einen. Einen von der Sorte, der nicht in die Kategorie Kuss, sondern Knutscherei fällt.

„Wenn du aufwachst, bin ich schon weg. Könnte sonst schwierig werden, dass deine Eltern zu erklären“, flüsterte er und ich schlief ein.

 

„Amy, wach auf. Du musst in die Schule!“, rief meine Mutter von unten. Ich öffnete gähnend die Augen. Dan war tatsächlich weg, aber neben mir, auf meinen Kopfkissen lag ein Zettel.

 

Guten Morgen, Süße

Gut geschlafen? Ich hol dich nach der Schule wieder ab.

Fühl dich geküsst, Dan.

 

Wie süß! Ich kicherte vor mich hin, während ich mich im Bad fertig machte. Mit bester Laune ging ich runter in die Küche und setzte mich zu meinen Eltern an den Tisch.

„Guten Morgen!“, rief ich fröhlich und begann zu essen.

„Du hast ja richtig gute Laune“, brummelte mein Vater. Er war ein totaler Morgenmuffel.

Fröhlich verschlang ich zwei Croissants mit Marmelade.

„Ich muss los.“ Ich verließ pfeifend die Küche, schnappte meine Tasche und machte mich auf den Weg in die Schule.

 

„Hey, Miri! Alles klar?“, fragte ich und hatte sofort ein schlechtes Gewissen, als ich daran dachte, wie schlecht es ihr gehen musste. Aber sie lächelte mich an und sagte: „Eigentlich ganz gut. Ich wird‘s überleben.“

Wir gingen ins Klassenzimmer und bereiteten uns auf eine lahme Mathestunde vor.

Als unser Lehrer aber nach 25 Minuten immer noch nicht da war, packten wir wieder alles ein und verließen mit dem Rest der Klasse das Zimmer. Draußen auf dem Schulhof ließen wir uns auf die Wiese fallen und schauten den Jungs beim Fußballspielen zu.

„Sag mal, hat Dan zufälliger weise einen scharfen Bruder?“, fragte Miri mich nach einer Weile.

„Ja, hat er. Seth. Aber der ist nichts für dich. Er ist der totale Player.“

„Hältst wohl nichts von ihm“, stellte Miri fest.

„Nein, Seth ist echt total nett. Aber … er ist einfach kein Beziehungstyp.“

Ich dachte daran, was Seth gerade durch machte. Er tat mir wirklich leid. Plötzlich hatte ich die kranke Idee, Seth und Miri könnten seelenverwandt sein. Zusammenpassen würden sie auf jeden Fall. Auf einmal bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich log Miri, meine beste Freundin, an. Am liebsten hätte ich ihr alles von Dan und Seth erzählt. Ich verwarf den Gedanken sofort wieder und wechselte das Thema.

8. Kapitel

 

Am nächsten Tag war keine Schule. Ich saß in meinem Zimmer und hörte Musik. Dan hatte versprochen, sobald er konnte zu kommen, aber dass dauerte anscheinend noch. Er meinte, er müsse Seth aufmuntern. Schließlich schrieb ich ihm eine kurze SMS, dass ich mit Miri shoppen gehen wollte und rief diese danach an. Wir verabredeten uns an der Bushaltestelle. Dort angekommen warf sie sich mir in die Arme und sagte traurig: „Ich vermisse Fabi so sehr! Ich hab ihn gestern Nachmittag mit seiner Neuen gesehen. Die sahen so … glücklich aus.“

„Ach komm schon, Süße. Der ist es nicht wert auch nur einen Gedanken an ihn zu verschwenden.“

„Wie würdest du denn reagieren, wenn Dan dich betrügen würde? Eben, und ihr seid ja noch gar nicht so lang zusammen!“

Ich nickte und da kam schon der Bus.

Wir stiegen ein und beschlossen nicht shoppen zu gehen, sondern lieber einen neuen Film im Kino zu schauen. Schließlich sahen wir uns ‚Ziemlich beste Freunde‘ an. Als wir aus dem Kino kamen war es schon Mittag und wir gingen zu McDonald‘s.

Plötzlich riss Miri die Augen auf.

„DAS ist Dans Bruder? Und den wolltest du mir vorenthalten!“

Ich drehte mich um und sah wie Dan und Seth herein kamen. Sie sahen beide ziemlich heiß aus, obwohl Dan in meinen Augen eindeutig der schärfere war. Ich erkannte, dass sie sich stritten und plötzlich drehte Seth sich einfach um und verschwand. Dan seufzte und ließ seinen Blick resigniert durch den Laden schweifen. Ich winkte und er kam zu uns rüber.

„Hey, Amy.“ Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich.

Miri räusperte sich lachend.

„Hi Miri“, begrüßte er sie. Dann setzte er sich müde neben mich.

„Was war da grade los?“, fragte Miri und sprach so meine Gedanken aus.

„Ach, mein Bruder hat gerade … eine Phase. Er ist total neben der Spur.“

„Warum denn?“ Sie schaute Dan aufmerksam an.

„Er … ähm, ist schwer zu erklären. Er ist ein bisschen durcheinander.“

„Hast du Lust mich mit ihm zu verkuppeln, wenn es ihm besser geht?“ Miri zwinkerte Dan zu und er sah sie erschrocken an.

Dann räusperte er sich und sagte ausweichend: „Seth ist nicht so der … Beziehungstyp. Aber ich werde dich empfehlen.“ Er lächelte sie halb an.

Miri sah auf ihr Handy.

„Oh, schon so spät. Ich geh dann mal. Macht’s gut!“ Sie grinste mir noch mal verschwörerisch zu und schon war sie verschwunden.

„Soll ich dich heim fahren?“, fragte Dan nach einer Weile.

„Natürlich sollst du!“ Ich küsste ihn kurz auf die Lippen und dann verließen wir Hand in Hand den McDonald‘s.

Dan hielt vor meinem Haus und ich löste meine Arme von ihm. Wie immer hatte ich mich fest an ihn geklammert, weil ich immer noch Angst hatte vom Motorrad zu fallen.

„Willst du mit rein kommen?“, fragte ich.

„Ich werde noch mal nach Seth sehen. Aber wenn du willst, komme ich später. Lass einfach dein Fenster offen. Es könnte aber spät werden.“

„Klar. Weckst du mich, falls ich schon schlafe?“

„Soll ich dich etwa um deinen Schlaf bringen?“, fragte er gespielt empört.

„Mach‘s einfach.“

Ich stieg vom Motorrad, küsste ihn noch schnell auf den Mund und schon war ich im Haus verschwunden.

„Ich bin wieder da!“, rief ich während ich meine Schuhe auszog. Mein Vater kam mir entgegen als ich zur Küche lief.

„Hi Dad. Wo ist Mum?“

„Sie ist einkaufen oder so was. Hör mal, Amy, ich muss mit dir reden.“

Oh nein. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.

„Was gibt’s?“, fragte ich vorsichtig und setzte mich an den Küchen Tisch. Mein Vater ließ sich mir gegenüber nieder.

„Also, deine Mutter hat mir erzählt, dass du jetzt mit diesem Dan zusammen bist.“

Ach, jetzt war es schon „dieser“ Dan. Ein Unbekannter, der sich an mich ran machte und vor dem mein Dad mich beschützen wollte. Warum sind Eltern immer so peinlich?

„Also, du weißt doch, dass du mir alles erzählen kannst, ja? Wenn Dan irgendwas macht, dass du nicht willst, dann sagst du es mir, oder?“

„Ja, Dad. Abgesehen davon würde Dan niemals etwas tun, das ich nicht will.“

„Davon bin ich überzeugt. Er scheint mir ein anständiger Junge zu sein. Er ist wirklich sehr nett. Wie wäre es, wenn du ihn für morgen Abend zum Essen einlädst? Damit deine Mum und ich ihn kennen lernen können.“

„Ihr kennt Dan doch. Er ist echt oft hier.“

„Ja, aber als deinen festen Freund kennen wir ihn noch nicht“, versuchte es mein Dad weiter.

„Ist das wirklich nötig?“, stöhnte ich.

„Ja.“

„Na gut. Ich ruf ihn dann mal an.“

Ich stand auf und ging genervt in mein Zimmer. Es gab nichts Schlimmeres als ein Essen mit seinem Freund und den Eltern. Ich nahm mein Handy und wählte seine Nummer. Ich wartete eine Weile, aber er meldete sich nicht. Und ich hatte keine Lust eine Nachricht zu hinter lassen. Ich legte auf und ging ins Bad um mich Bettfertig zu machen. Als ich wieder in meinem Zimmer war, öffnete ich das Fenster, setzte mich in meinen Sessel und las.

Irgendwann später in der Nacht wachte ich auf. Ich saß immer noch in meinem Sessel. Ich stöhnte und legte das Buch weg. Dann schleppte ich mich in mein Bett und sah auf mein Handy. 0:30. Hatte Dan nicht noch vorbei kommen wollen?

Wahrscheinlich kümmerte er sich noch um Seth, redete ich mir ein, aber irgendwie war ich auch verletzt, weil Dan nicht da war. Ich löschte das Licht und schloss die Augen. Kurz darauf war ich eingeschlafen.

 

Am nächsten Morgen war ich unausgeschlafen und schlecht gelaunt. Dan hatte mir nicht mal eine SMS geschrieben und ich war richtig sauer, obwohl ich wusste dass es unsinnig war. Ich ging müde zur Schule und quälte mich durch den Unterricht. Miri ließ mich in Ruhe, weil sie wusste, dass mit mir heute nichts anzufangen war. Dan wartete wie immer auf dem Parkplatz. Lustlos ging ich zu ihm und drehte meinen Kopf weg als er mich küssen wollte.

„Was ist los?“, fragte er verwirrt.

„Nichts“, meinte ich genervt.

„Bist du sauer, weil ich gestern nicht mehr da war?“, seufzte er.

Dan lehnte wie immer lässig an seinem Motorrad und jetzt verschränkte er die Arme vor der Brust.

„Amy, es tut mir leid.“ Er legte eine Hand unter mein Kinn und drehte mein Gesicht so, dass ich ihn ansehen musste. „Seth hat sich in einer Bar betrunken wie der letzte Depp. Ich musste ihn nachhause bringen. Dann war es schon so spät das ich dich nicht mehr wecken wollte. Süße, es tut mir leid.“ Er küsste mich und mein starker Wille verkrümelte sich in die hinterste Ecke meines Kopfes. Ich erwiderte den Kuss und Dan löste sich nach einer Weile von mir.

„Bist du noch sauer?“, fragte er kleinlaut.

„Du hättest mir wenigstens eine SMS schreiben können …“

„Ja, das hätte ich. Es tut mir ganz arg leid. Wie kann ich es wieder gut machen?“ Dan grinste mich frech an.

„Blamier dich einfach heute Abend nicht“, seufzte ich und lächelte ihn an.

Dan hob eine Augenbraue. „Heute Abend?“

„Du musst zum Essen kommen. Meine Eltern wollen dich kennen lernen.“

„Sie kennen mich doch schon“, meinte Dan verwirrt.

„Ja, eben! Aber ich konnte es ihnen nicht ausreden. Sei einfach nett und zeig dich von deiner besten Seite.“

„Ich hab nur beste Seiten!“

Ich stieg lachend hinter ihm auf und wir fuhren los.

9. Kapitel

 

Dan und ich waren den ganzen Nachmittag im Park gewesen. Um fünf Uhr lieferte er mich daheim ab und versprach in einer Stunde wieder zu kommen. Ich duschte und zog mir frische Klamotten an. Dann ging ich in die Küche und deckte den Tisch. Als ich fertig war, beobachtete ich nervös meine Mutter beim Kochen.

„Warum bist du denn so aufgeregt, Amy?“, fragte meine Mutter.

„Ich weiß nicht. Dan ist mir einfach wichtig. Bitte blamier dich nicht, Mum! Frag ihn nichts Peinliches.“

„Hab ich nicht vor, ich will ihn nur besser kennen lernen.“

„Jaja.“ Ich seufzte.

Dann klingelte es an der Tür und ich sprang auf, um zu öffnen.

„Hey“, brachte ich heraus.

Dan sah umwerfend aus. Er trug eine dunkle Jeans und ein blaues Hemd.

„Hey.“ Er lächelte mich schief an und küsste mich. Ich führte ihn in die Küche und meine Mum begrüßte ihn fröhlich.

„Ach, hallo, Dan! Wie geht es dir?“

„Gut, und Ihnen?“

„Ach, du kannst mich duzen, wir sind hier ja unter Freunden.“ Sie lachte und stellte das Essen auf den Tisch. In dem Moment kam mein Vater ins Zimmer. Er schüttelte Dan die Hand und begrüßte ihn.

Während dem Essen sprachen wir über belangloses. Dann, als wir uns später alle ins Wohnzimmer verfrachtet waren, fragte meine Mutter: „Was machen deine Eltern eigentlich von Beruf, Dan?“

„Ähm, sie sind tot. Ich lebe mit meinem Bruder allein“, erklärte Dan sachlich.

„Oh, dass tut mir leid“, meinte meine Mum betroffen.

Um das Thema zu wechseln, fragte mein Vater, was Dan eigentlich so machte, weil er ja nicht mehr in der Schule war. Dan neigte leicht den Kopf.

„Ich möchte gerne studieren, aber vorher würde ich noch gerne eine Weltreise machen.“ Er schaute auf, dann fügte er schief grinsend hinzu: „Außerdem helfe ich in einer Disco als Security aus. Aber die brauchen mich höchsten alle zwei Wochen.“

Meine Mutter zuckte etwas zusammen, aber mein Vater blieb locker.

„Dann muss ich mir ja keine Sorgen machen, falls ihr zwei mal länger draußen bleibt“, lachte er.

Plötzlich wurde mir klar, dass mein Vater eigentlich keine Ahnung hatte, was unsere Beziehung bedeutete. Vielleicht würde ich eines Abends länger mit Dan draußen sein und nie wieder zurückkommen, weil die Verwandlung bereits abgeschlossen war. Ich wurde von einem Impuls gepackt meinen Eltern alles zu erzählen. Dan schien zu merken, was in mir vorging, denn er nahm meine Hand und schüttelte seinen Kopf leicht. Natürlich, er hatte Recht. Sie würden nicht verstehen, würden Dan nicht akzeptieren und uns trennen. Was sie nicht schaffen würden, aber wenn ich mich wirklich irgendwann von ihnen verabschieden musste, dann nicht im Streit, sondern lieber mit einer Lüge.

Meine Gedanken entfernten sich und ich folgte dem Gespräch nicht mehr. Ich zuckte zusammen als Dan sich erhob. Ich sah ihn fragend an.

„Ich gehe jetzt dann“, erklärte er leise und ich stand auf.

Er verabschiedete sich von meinen Eltern und flüsterte mir an der Türe zu, dass ich mein Fenster offen lassen sollte. Dan zwinkerte mir zu, setzte sich auf sein Motorrad und fuhr davon.

„Dan ist ein netter Junge“, verkündete mein Vater zufrieden und verschwand in Richtung Schlafzimmer.

Meine Mutter lächelte mich an und sagte: „Du bist ziemlich in ihn verschossen, oder?“

„Ja. Aber kein Mensch sagt heute noch verschossen.“ Ich wurde rot.

Sie nickte, wünschte mir eine gute Nacht und folgte meinem Vater.

Ich zog mein Schlafzeug an und öffnete mein Fenster. Ich schaute eine Weile in die Nacht und war rundum zufrieden. Ich hatte einen wundervollen Freund.

Ich legte mich in mein Bett und schlief nach kurzer Zeit ein.

 

„Amy?“ Jemand sagte leise meinen Namen.

Ich blinzelte verschlafen und erkannte Dan, der neben mir lag und mich beobachtete.

„Ich dachte ich wecke dich mal, nicht dass ich morgen Ärger bekomme.“ Er zwinkerte mir zu und ich verdrehte die Augen.

„Und, was halten deine Eltern von mir?“

„Sie sind begeistert“, sagte ich leise und kuschelte mich an seine Brust.

Dan legte einen Arm um mich.

„Ist alles klar?“, fragte er nach einer Weile.

„Ja, warum?“

„Wegen vorhin. Du wolltest es ihnen erzählen, oder?“

„Ja. Aber nur kurz. Sie würden es nicht verstehen.“

„Wahrscheinlich.“

Wir schwiegen eine Weile, dann fragte ich: „Wie geht’s Seth?“

„Ganz gut. Er hat sich wieder gefangen. Er ignoriert das Gefühl.“

„Das Gefühl? Er weiß schon, wer es ist?“

„Er wird es erst erfahren, wenn das Gefühl zu stark wird oder wenn er es einfach akzeptiert.“

„Aber ist es dann der richtige Weg, wenn er es ignoriert?“

„Ich habe es auch erst ignoriert. Glaub mir, er wird das schon auf die Reihe bekommen.“

Ich seufzte, dann schlief ich ein.

 

Als ich am nächsten Tag erwachte lag Dan immer noch neben mir.

„Bist du verrückt? Was, wenn meine Eltern rein kommen?“

„Die schlafen noch. Es ist Samstag, Süße.“

„Oh.“ Ich streckte mich und küsste Dan. „Was machen wir heute?“

„Weiß nicht. Worauf hast du Lust?“, fragte Dan zurück.

Ich überlegte eine Weile dann sagte ich: „Es ist total warm. Wie wär‘s mit Freibad?“

Dan grinste.

„Da werde ich nicht nein sagen.“

10. Kapitel

 

Grummelnd schob ich meine Bettdecke zurück und stand auf. Dan und ich hatten vorgestern im Freibad ein Wettschwimmen veranstaltet. Was keine gute Idee gewesen war, obwohl ich ihm unterlegen war, hatte ich mich total angestrengt und er hatte mich sogar zwei Mal gewinnen lassen. Mir tat immer noch alles weh und ich hatte Muskelkater. Dazu kam noch, dass ich heute eine Mathearbeit schrieb, für die ich nicht gelernt hatte. Ich seufzte und ging duschen. Das Frühstück ließ ich ausfallen und machte mich gleich auf den Weg in die Schule. Dort angekommen setzte ich mich gleich auf meinen Platz, nahm mein Mathebuch raus und versuchte verzweifelt die Formeln in meinen Kopf rein zu bekommen.

„Hast du die Arbeit auch vergessen?“, fragte mich Miri, die soeben den Raum betrat.

„Ja, aber es hat ja doch keinen Sinn zu lernen.“ Ich packte mein Buch wider ein und stand auf.

„Und, wie war dein Wochenende?“, fragte sie mich auffällig unauffällig.

 

Ich hob eine Augenbraue.

„Gut. Ich war mit Dan im Freibad. Warum fragst du?“

„Nur so.“ Sie ließ ihren Blick scheinbar desinteressiert durch das Klassenzimmer schweifen, dann fragte sie: „Du weißt nicht zu fälliger Weise wie es … Seth geht?“ Sie hob den Blick, senkte ihn aber sofort wieder als er meinem begegnete.

„Es geht ihm, glaube ich, tatsächlich besser. Aber, Miri, mach dir bitte keine Hoffnungen! Seth ist nichts für dich, okay?“

„Mann, du bist nicht die einzige die ein Recht auf einen heißen Freund hat!“, zickte sie plötzlich und ich erkannte, dass sie Seth mochte.

„Och, Süße, du kennst ihn doch gar nicht“, meinte ich leise und sah die Tränen in ihren Augen.

„Es war so was wie Liebe auf den ersten Blick.“ Miri blinzelte die Tränen weg. „Er hat mich ganz kurz angeschaut und da hab ich irgendwie eine Verbindung zu ihm gespürt.“

„Was?!“

Das konnte nicht sein! Seth und Miri … Nein.

Der Lehrer betrat den Raum und meine Gedanken konzentrierten sich auf die Arbeit vor mir. Als ich schließlich abgab, war ich mir sicher, dass alles falsch war. Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und wartete darauf, dass die anderen fertig wurden. Wie immer hatte ich zu früh abgegeben, doch ich wollte mir meine Arbeiten nie noch mal anschauen. Das brachte ja so wie so nichts. Mein Schädel brummte, als wäre ich Koma Saufen und nicht schwimmen gewesen. Ich trank ein paar Schlucke aus meiner Flasche doch es half nichts. Mit jedem Pulsschlag wurden die Schmerzen schlimmer. Tränen stiegen mir in die Augen. Meine Sicht verschwamm und ich stöhnte auf.

„Sei leise, Amy. Manche Laute schreiben noch!“, meckerte mich Herr Schmitt an.

Ich hob hilflos den Kopf und wimmerte.

„Was ist denn los?“, fragte er.

„Mein Kopf …“ Und dann kippte ich von Stuhl.

„Amy? Oh Gott, Amy!“ Miris Stimme klang von weit her. Ich trieb in einer Schwerelosigkeit, alles war ruhig. Die Kopfschmerzen waren verschwunden … Und dann begann ich zu fallen. Mit einem Ruck waren die Schmerzen wieder da, nur dieses Mal viel heftiger. Verzweifelt klammerte ich mich an einer Hand fest, vermutlich Miris, und schrie auf.

„Amy?“, riefen andere Stimmen.

„Hilfe!“, schrie ich.

Immer noch fiel ich und fiel. Meine Haut fühlte sich furchtbar heiß an und irgendjemand schien Sand in meine Gelenke gestreut zu haben. Mein Blut war wie Säure und verätzte mich von innen heraus. Alles war ausgelöscht, da waren nur noch der Schmerz und der Gedanke an …

„Dan!“, schrie ich hilflos. Er würde machen, dass es aufhörte, er würde mir helfen.

 

*Miri*

„Wer ist Dan?“, fragte der Lehrer.

„Ihr Freund“, antwortete ich hektisch.

„DAN!“, brüllte Amy noch lauter. Sie wand sich auf dem Boden und klammerte sich an meiner Hand fest.

„Dann rufen sie ihn bitte an! Vielleicht weiß er ja weiter“, meinte Herr Schmitt. Ich zog Amys Handy aus ihrer Hosentasche. Sie ließ meine Hand los und begann um sich zu schlagen.

„Haltet sie fest! Sonst verletzte sie sich!“, kommandierte ich und ein paar Jungs kamen hinzu und packten Amys Arme und Beine. Diese wehrte sich und schrie noch lauter nach Dan. Ich wählte Dans Handy Nummer aus und drückte auf den grünen Hörer. Nach ein paar Sekunden ging er rann.

„Hey, Süße, was gibt’s? Ist schon Schule aus?“

„Hi Dan. Ich bin’s Miri.“

„Was ist passiert?“, fragte Dan sofort alarmiert.

„Sie … hat schreckliche Schmerzen und liegt schreiend auf dem Boden. Und sie ruft die ganze Zeit nach dir.“

„Scheiße, ich bin in fünf Minuten da. Ruft keinen Notarzt!“ Und schon hatte er aufgelegt.

„DAN!!!“, schrie Amy wieder und ich zuckte zusammen.

Ich beugte mich zu ihr herunter und sagte: „Er kommt. Ich hab ihn angerufen.“ Amy krümmte sich und wimmerte. Tränen rannen aus ihren Augen, die blind die Decke anstarrten.

Die Zeit verging schleppend. Wir standen hilflos um die schreiende Amy herum und warteten. Ich hatte furchtbare Angst um meine Freundin. Was passierte da nur?

Dan stürzte ins Zimmer und ging neben Amy in die Knie.

„Wann hat es angefangen?“, fragte er mich sachlich und zog Amys Oberkörper auf seinen Schoß.

„Weiß nicht, vor zehn Minuten?“

„Okay.“ Er beugte sich zu Amy herunter und flüsterte ihr etwas zu. Sie antwortete und er murmelte etwas Beruhigendes.

„LÜG MICH NICHT AN!“, brüllte sie plötzlich, immer noch sich vor Schmerzen windend.

Alle außer Dan zuckte zurück, doch er strich ihr nur sanft übers Gesicht und sagte so laut, dass wir es auch hören konnten: „Ich habe Steh angerufen. Er kommt gleich und dann bringen wir dich zu einem Arzt. Der kennt sich damit aus. Keine Sorge, alles wird gut.“

„Was hat sie denn?“, fragte ich nervös.

Dan schaute mich kurz an, dann meinte er: „Das sind Phantomschmerzen. Sie bildet sich das alles nur ein. Ich kenne einen Arzt, der darauf spezialisiert ist.“ Dann ging die Tür auf und Seth kam rein. Ich vergas sofort alles andere und starrte ihn an. Sein Blick begegnete meinem, doch er wandte sich sofort ab und ging zu Dan.

„Dan, mach, dass es aufhört. Mach, dass es aufhört!“, wimmerte Amy verzweifelt.

Dan und Seth nahmen meine um sich schlagende beste Freundin hoch und trugen sie aus dem Raum.

„Ich rufe später an!“, rief Dan mir noch über die Schulter zu, dann waren sie weg.

11. Kapitel

 

*Amy*

Der Schmerz war unerträglich. Immer wieder rief ich nach Dan. Er würde machen, dass es aufhörte. Ich spürte, dass mich einige Leute fest hielten, doch ihre Hände verbrannten meine Haut. Niemand von ihnen war Dan. Ich wollte, dass Dan hier war!

„Er kommt. Ich hab ihn angerufen.“, sagte Miri plötzlich von weit weg.

Er kam nicht. Ich wand mich unter den unerträglichen Qualen. Ich wollte sterben, wollte, dass es aufhörte. Mein Blut kochte und ich glaubte zu verbrennen.

Plötzlich war er da. Die anderen ließen mich los. Und Dan zog mich an sich. Ich wimmerte auf.

„Ich bin da, alles wird gut!“, flüsterte er mir zu.

„Es ist die Verwandlung, stimmt‘s? Du hast gesagt, es tut nicht weh!“, flüsterte ich verzweifelt zurück, angestrengt nicht zu schreien. Ich war noch nicht bereit, ich hatte gedacht, ich hätte mehr Zeit!

„Nein, alles wird gut. Ganz ruhig!“

Doch! Ich spürte es. Dan durfte mich nicht anlügen!

„LÜG MICH NICHT AN!“, brüllte ich hysterisch.

Er erklärte irgendwas, doch ich konnte es nicht verstehen. Ich ertrank in einem Meer aus Schmerzen …

Auf einmal wurde ich hochgehoben. Seth war auch hier! Sie trugen mich aus dem Raum. Ich blinzelte um wieder sehen zu können.

Seth setzte sich ans Steuer eines Autos und Dan zog mich zu sich auf die Rückbank.

„DAN!“, schrie ich wieder. Meine Knochen verbraten, ich verbrannte! „Dan, ich verbrenne!“

„Nein, dir passiert nichts, es ist gleich vorbei!“, meinte er.

„Hör auf zu lügen!“, schluchzte ich hilflos und klammerte mich an ihm fest.

„Okay, ich werde dir jetzt die Wahrheit sagen. Konzentrier dich auf meine Stimme, nicht auf die Schmerzen!“, befahl er und ich gehorchte.

„Es ist wirklich die Verwandlung. Man weiß nie, wann sie anfängt. Es kann Monate dauern, aber eben auch nur Wochen. Und die Tatsache, dass ich ein halbes Jahr gewartet habe, bis ich zu dir gekommen bin, hat es wohl nicht verbessert.“

Ich versuchte ruhig zu atmen. Es funktionierte nicht und ich keuchte weiter.

„Mach, dass es aufhört, bitte, bitte!“, flehte ich und sah ihn hoffnungsvoll an. Er begegnete meinem Blick gequält.

„Ich kann nichts tun!“, erwiderte Dan gepresst.

„Wie lange dauert es?“, wimmerte ich.

„Ich weiß nicht …“

„Wie lange!?“

„Noch ein paar Stunden. Aber irgendwann werden die Schmerzen so schlimm, dass du bewusstlos wirst. Wir fahren zu einem Vampirarzt, der das beschleunigen kann. Ich schwöre, wenn ich etwas tun könnte, würde ich es tun!“

Ein paar Stunden? Schmerzen bis zur Bewusstlosigkeit? Nein, das würde ich nicht aushalten!

„Dan, ich sterbe!“ Ich war fest von diesen Worten überzeugt. Ich hielt es nicht aus, keine Sekunde länger …

„Nein, bitte Amy, konzentriere dich nur auf mich, wir sind gleich da. Versprochen.“

Ich starrte ihn an. Sein Gesicht, seine wunderschönen Augen. Dan litt mit mir, das sah ich. Er machte sich für meine Schmerzen verantwortlich, aber ich wollte nicht das er traurig war, ich wollte, dass er lachte und …

„Ich liebe dich.“ Die drei Wörter kamen leicht über meine Lippen, leichter als alles was ich je gesagt hatte. Dans Augen weiteten sich ein bisschen. Klar, es war logisch, dass ich ihn liebte, weil wir seelenverwandt waren, aber im Gegensatz zu Dan hatte ich es noch nie ausgesprochen.

„Ich liebe dich!“, wiederholte ich und schaffte es, trotz meiner Qualen zu lächeln.

„Ich liebe dich auch, Amy.“

Und dann hielt das Auto. Dan hob mich aus dem Wagen und trug mich auf ein Gebäude zu.

„Was ist das? Wo sind wir?“, ächzte ich und krallte mich an ihm fest.

„Das ist das städtische Krankenhaus. Hier gibt es einen Vampirarzt. Er wird dich unauffällig behandeln, sodass keiner merkt, was eigentlich passiert.“

Jetzt waren wir drinnen. Dieser typische Krankenhausgeruch schlug mir entgegen. Ich atmete stoßweise und konzentrierte mich weiter auf Dan und nicht auf die Schmerzen.

„Hallo, wir müssen zu Doktor Raff.“ Seth diskutierte kurz mit einer Krankenschwester, dann legte Dan mich auf eine dieser fahrbaren Tragen und schob mich irgendwo hin.

Ich schrie erschrocken auf, als meine Lungen sich plötzlich mit Wasser füllten.

„Dan … Kann nicht atmen!“, keuchte ich verzweifelt.

„Nein, dir kann nichts passieren.“

„DAN!“ Hunderte Messer wurden mir in den Bauch gerammt und ich brüllte wie sonst was. Verschwommen nahm ich wahr, dass da jemand war. Ein Arzt. Er steckte mir eine Nadel in den Arm … etwas floss in meine Adern …

„NEIN!!“, schrie ich als alles noch schlimmer wurde. Mein Körper stand in Flammen, mir war unerträglich kalt und da war keine Luft in meinen Lungen.

„Ich verbrenne!“, kreischte ich verzweifelt und klammerte mich an etwas, von dem ich vermutete, dass es Dans Arm war.

„Nein, alles wird gut. Ich bin da!“, flüsterte er gequält.

„Mach, dass es aufhört, Dan, bitte!“

„Wenn ich könnte, dann würde ich das. Bald ist alles vorbei, keine Angst.“

„Ich kann nicht mehr. Ich sterbe!“, brachte ich hervor und wand mich unter den Schmerzen.

Und dann wurde es dunkel.

 

„Amy? Oh Gott, Amy? Sie wird wach, schau sie wird wach!“

Das erste, was ich beim Erwachen hörte, war die Stimme meiner Mutter. Ich blinzelte. Ich lag in einem Krankenhausbett. Links von mir saßen meine Eltern und rechts … Dan!

„Dan …“, flüsterte ich. Meine Stimme war rau und ich fühlte mich schrecklich. Erinnerungen schossen durch meinen Kopf. Schmerzen, unerträgliche Schmerzen. „Dan … ich …“

„Amy, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte mein Vater und warf Dan einen feindseligen Blick zu.

Moment mal, feindselig?

„Ja, mir geht’s ganz gut. Was ist los, Dad?“

„Hör mal Schatz“, begann meine Mutter. „Was immer er dir gegeben hat …“

„Was?“, unterbrach ich sie verwirrt.

„Deine Eltern glauben, dass ich dir Drogen gegeben hätte“, stellte Dan sachlich fest und sah mich entschuldigend an.

Entschuldigend und … distanziert.

„Aber das ist schwachsinnig“, meinte ich und sah wieder zu meinen Eltern.

„Süße, du kannst es uns sagen, dir wird nichts passieren!“, erklärte meine Mutter und sah mich eindringlich an.

„Überhaupt bin ich der Meinung, dass ER hier nichts mehr verloren hat!“, zischte mein Vater.

„Nein!“, rief ich erschrocken und nahm Dans Hand. Dann kam ein Arzt ins Zimmer.

„Wenn ich nun bitte kurz mit der Patientin allein sein könnte, ich muss sie untersuchen.“

Meine Eltern wollten protestieren, doch der Arzt sah sie streng an. Auch Dan erhob sich aber ich klammerte mich verzweifelt an ihm fest.

„Nein, geh nicht weg. Bleib, bitte!“ Ich war total hysterisch.

Aber wenn Dan ging … Nein. Ich brauchte ihn jetzt genau hier. Er durfte nicht weg, er konnte mich nicht alleine lassen.

„Es ist nur für ganz kurz“, meinte er ruhig.

„Nein! Ich will nicht, dass du gehst, bleib, bitte, ich …“

„Dir ist klar, dass du dich gleich ausziehen musst?“, fragte er skeptisch.

Was war bloß los mit ihm? War er sauer?

„Du kannst dich ja umdrehen“, meinte ich schüchtern.

Dan drehte sich tatsächlich um und der Arzt bedeutete mir mein T-Shirt auszuziehen.

„Mein Name ist Raff“, stellte er sich vor während er fachmännisch meine Haut abtastete. „Ich bin auch ein Vampir und untersuche dich deshalb. Alle außer Dan und mir in diesem Krankenhaus denken, dass du Phantomschmerzen hattest oder Drogen genommen hast. Und deshalb konnten wir nicht verhindern, dass du eine Sitzung mit unserm Krankenhauspsychiater haben wirst, bevor du gehen kannst. So, die Verwandlung ist gut abgelaufen. Ab jetzt solltest du jede Woche einen Liter Blut trinken und später dann auch mehr, je nach Bedarf.“

Ich schluckte hart, zog mein T-Shirt wieder an und Dan drehte sich um. Noch immer lächelte er nicht.

„Was muss ich bei der Sitzung machen?“, fragte ich vorsichtig und griff wieder nach Dans Hand.

„Er wird dich ausfragen und versuchen dahinter zu kommen, ob du von Dan Drogen bekommen hast. Das wird höchstens eine Stunde dauern. Du kannst jetzt sofort dort hin.“

Ich nickte und meine Eltern kamen wieder rein. Sie warfen Dan immer noch unfreundliche Blicke zu, die er ignorierte. Ich stand auf und zog meine Schuhe an, ohne Dan loszulassen.

„Okay, dann geh ich jetzt mal zu dem Seelenklempner, damit wir bald heim können.“ Ich lächelte gequält. Ich verließ das Zimmer und folgte Doktor Raff. Dan ließ ich natürlich nicht los.

Als wir vor einer Bürotür standen, sagte Dan: „Du weißt, dass ich nicht mit rein kommen kann, oder?“

„Warum nicht?“, fragte ich verwirrt zurück.

„Der wird allein mit dir reden wollen.“

„Aber … das geht nicht. Du musst mit kommen, ich kann nicht alleine …“

„Amy, warum hast du so Angst? Ich werde die ganze Zeit dort drüben sitzen und warten, dass du wieder raus kommst.“

„Bist du auf mich sauer?“ Scheiß Tränen. Na los, zurück in meine Augen! Mensch, hört doch auf über mein Gesicht zu kullern!

„Süße, ich bin doch nicht sauer! Hört bitte auf zu weinen!“ Er löste sein distanziertes Verhalten auf und nahm mich in den Arm.

„Warum bist du dann so zu mir?“, schluchzte ich leise.

„Weil ich mir Vorwürfe mache.“, antwortete er genauso leise.

„Wieso?“ Warum machte Dan sich Vorwürfe? Ohne ihn wäre ich ganz sicher gestorben. Die Schmerzen wären ohne ihn noch schlimmer gewesen, da war ich sicher.

„Ohne mich wäre das alles nie passiert. Wenn wir nicht seelenverwandt wären, hättest du niemals solche Schmerzen erleiden müssen. Es tut mir so leid, dass ich das nicht verhindern konnte.“

Er schaute mich traurig an. Ich schüttelte den Kopf und küsste ihn. Als ich mich wieder von ihm löste, sagte ich: „Sag so was nie wieder. Ich liebe dich und allein, dass ich dich habe, ist genug. Ich würde das noch mal machen, wenn ich dich sonst verlieren würde.“

Jetzt küsste Dan mich und zwar ziemlich lang.

12. Kapitel

 

„Amy! Geh jetzt da rein!“, befahl meine Mutter und zog mich von Dan weg.

„Ich bin immer noch da, wenn du wieder raus kommst.“ Dan zwinkerte mir zu und mir wurde sofort wärmer.

Zögernd sah ich zu meinen Eltern, die böse zwischen Dan und mir hin und her schauten.

„Wie kannst du nur überhaupt noch mit ihm reden!? Er hat dir doch diese Drogen gegeben!“, rief meine Mutter empört.

„Er hat mir keine Drogen gegeben!“, rief ich wütend und betrat ohne Anklopfen, dass Büro des Psychiaters.

„Hallo, Amy. Mein Name ist Doktor Schweizer“, begrüßte mich der große Mann hinter dem Schreibtisch.

„Hallo.“

„Setz dich doch.“ Er deutete auf eine hässliche grüne Couch.

Zögernd ließ ich mich auf ihr nieder. Wie erwartet, war sie noch unbequemer als sie aussah.

„So, Amy, wie alt bist du denn?“

„Ich bin 16.“ Ich war mir sicher, dass er das schon wusste.

„Ach, ein tolles Alter.“ Schleimer. „Willst du mir vielleicht etwas über dich erzählen?“

„Was denn?“

„Naja … Wie verstehst du dich zum Beispiel mit deinen Eltern?“

„Gut.“

„Hm, bist du gut in der Schule?“

„Es geht.“ Ha, der dachte wohl ich würde in Tränen ausbrechen und ihm irgendeine brandheiße Story erzählen, aber nicht. Mit. Mir. Freundchen!

„Schön, schön. Hast du denn auch einen Freund?“

Pff, das wusste der doch auch schon längst!

„Ja.“

„Und wie heißt der?“

„Dan.“

„Geht er in deine Klasse?“

„Nein. Er ist fertig mit der Schule. Er ist schon 19.“

„Oh, dann ist da ja ein ziemlicher Altersunterschied zwischen euch.“

Für wie alt hielt mich der Kerl? Fünf? Zumindest redete er mit mir so …

„Verstehst du dich gut mit Dan?“

„Ich liebe ihn.“

„Das eine schließt das andere nicht aus, weißt du?“

Ich verdrehte genervt die Augen.

„JA, ich verstehe mich gut mit ihm und NEIN, er hat mir keine Drogen gegeben! Darf ich jetzt gehen?“

„Du scheinst ja ziemlich angespannt zu sein, was dieses Thema betrifft.“

Meine Güte, verklag mich doch!

„Weißt du, nichts was du mir über Dan erzählst wird diesen Raum verlassen.“ Ich schaute gelangweilt aus dem Fenster.

„Hat Dan dich schon mal dazu gebracht, etwas zu tun, das du ohne ihn nicht gemacht hättest?“

Klar, er hat mich entführt.

„Nein“, meinte ich nach einer Weile.

„Nimmt Dan denn Drogen?“

„Nein, um Gottes willen!“

Herr Schweizer seufzte.

„Na gut. Du kannst gehen, aber wenn du irgendetwas loswerden willst oder Hilfe brauchst, kannst du einfach zu mir kommen, okay?“

„Okay.“ Ich stand auf und verließ das Büro, verwirrt von dem abrupten Ende des Treffens.

Dan stand augenblicklich bei mir und flüsterte: „Ich komm heute Nacht dann besprechen wir alles.“ Er küsste mich flüchtig und verschwand.

„Dan, warte …“ Ich streckte die Hand nach ihm aus, aber er war schon weg.

„Komm, Amy. Gehen wir.“ Mein Vater zog mich am Arm aus dem Krankenhaus und ich ließ es geschehen. Meine Eltern redeten auf mich ein doch ich hörte nichts.

Alles hatte sich heute verändert. Ich war jetzt ein Vampir. Ich musste jede Woche Blut trinken. Ich alterte nicht mehr. Ich war unsterblich.

Und ich würde früher oder später mit Dan verschwinden müssen.

 

Ich lag starr in meinem Bett und schaute an die Decke. Durch das offene Fenster wehte kühle Luft in das dunkle Zimmer. Ich hatte vorhin Miri angerufen, aber das Gespräch schnell beendet, nachdem ich ihr gesagt hatte dass es mir gut ging.

Jetzt lag ich hier und wartete auf Dan. Hoffentlich kam er bald. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als in seinen Armen zu liegen und einfach nur zu heulen. Mein ganzes Leben lag vor mir. Beziehungsweise, mein ganzes altes Leben lag hinter mir. Bald würde ich meine Eltern verlassen müssen, die Schule abbrechen und vor allem, Miri zurück lassen, ohne ihr die Wahrheit sagen zu können. Miri und ich kannten uns schon ewig und wir waren einfach unzertrennlich. Ich wollte doch gar nicht weg! Ich wollte das alles nicht verlieren, alles was mir wichtig war … Aber Dan würde bei mir sein und zwar für immer. Und das war es wert. Ich durfte niemals daran zweifeln, dass es das nicht wert war. Heiße Tränen rannen über mein Gesicht.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich dich unglücklich mache“, hörte ich eine leise Stimme neben mir sagen.

Dan saß neben mir auf dem Bett und sah mich traurig an. Ich setzte mich auf und schlang schluchzend meine Amre um ihn. Er zog mich auf seinen Schoß und hielt mich einfach nur fest.

„Du weinst so oft seit ich in dein Leben getreten bin. Früher, in der Zeit als ich dich beobachtet habe, warst du so glücklich. Und dann komme ich und mache alles kaputt.“

„Hör auf so einen Schwachsinn zu reden!“, brachte ich unter Tränen hervor und hob den Kopf um ihn ansehen zu können.

„Dan, du bist das Beste was mir je passiert ist, aber ich … ich will nicht alles verlieren, was ich habe. Ich will nicht weg, ich will …“

„Sch … Wir müssen ja nicht gleich gehen. Wir können bis zu den Sommerferien warten. Du kannst das Schuljahr beenden und dich von allen verabschieden. Aber dann sollten wir gehen. Die Menschen, die dich kennen, würde es auffallen, dass du dich nicht mehr veränderst!“

Bis zu den Ferien. Das waren noch zwei Monate. Ich schluckte, dann nickte ich und kuschelte mich an Dan und versuchte einzuschlafen.

„Dan?“, flüsterte ich, kurz vor dem Einschlafen.

„Ja?“

„Ich liebe dich.“

„Ich weiß.“

„Wollt es nur noch mal sagen.“ Ich spürte, dass er lachte.

„Ich liebe dich auch.“

Und dann schlummerte ich ein.

13. Kapitel

 

Die nächsten sieben Wochen verflogen und waren schnell vorbei. Ich unternahm viel mit Miri und meinen Eltern und genoss jeden Tag in der Schule. Obwohl er es nicht offensichtlich machte, begann Dan sich nach einer Wohnung für uns um zusehen. Er fragte mich, wo ich hin wollte und ich meinte Florida. Dan hatte genickt.

Ich schüttelte den Kopf, darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Ich saß mit Miri in einer Eisdiele und wir hielten Ausschau nach einem Date für sie. Obwohl sie Seth nicht mehr gesehen hatte, wusste ich, dass sie immer noch an ihn dachte. Aber damit sollte jetzt Schluss sein. Ich wusste ja, dass Seth eine Seelenverwandte hatte. Und ich war mir sicher, dass es nicht Miri war. Wäre ja auch ein komischer Zufall gewesen. Außerdem würde Miri hier niemals wegwollen. Sie hing sehr an ihrer Familie.

„Wie wäre es mit dem?“, fragte ich und deutete unauffällig zu einem blonden Typ.

„Nein. Ich weiß nicht, Amy. Wollen wir nicht nachhause gehen?“

Ich verdrehte die Augen, winkte aber dem Kellner, damit wir zahlen konnten. Noch eine Woche. Und ich hatte keine Idee, was ich Miri und meinen Eltern sagen sollte.

Wir zahlten und gingen dann. Es war ziemlich heiß und der Himmel war wolkenlos.

„Fährst du in den Ferien weg?“, fragte ich.

„Ja. Die kompletten Ferien auf Gran Canaria. Aber ich hab keine Lust drauf. Ich würd lieber hier bleiben. Gehst du weg?“

„Ich … weiß noch nicht. Ich geh vielleicht mit Dan wohin.“ Mist! Schlechte Ausrede!

„Cool. Du hast so ein Glück mit ihm. Er ist der perfekte Freund.“

„Ja, stimmt.“ Ich lächelte und warf einen Blick auf die Uhr.

„Oh, Mist. Ich muss los. Treff mich mit Dan.“

„Okay, bis morgen!“

Ich lief schneller und kam mit nur drei Minuten Verspätung an unserem Treffpunkt im Park an. Dan schlief jede Nacht bei mir, ohne dass meine Eltern, die ihre Abneigung gegen ihn noch immer nicht überwunden hatten, etwas mitbekamen. Außerdem trafen wir uns dreimal pro Woche im Park und gingen anschließend zu ihm, wo ich von seinem Blut trank. Ich weigerte mich Tiere zu jagen, so wie Dan und Seth, deshalb trank ich von Dan.

Dieser saß jetzt grinsend auf „unserer“ Parkbank und beobachtete mich beim Näherkommen.

„Hey, Süße!“, begrüßte er mich.

„Hey.“ Ich küsste ihn und ließ mich neben ihm nieder.

„Wie war dein Tag?“

„Ganz okay. Und deiner?“

„Langweilig. Ich hasse es, wenn ich dich nicht sehen kann.“

„Tut mir leid, aber es gibt da so was, und das nennt sich Schulplicht.“

„Schule. Pff.“

Ich lachte und lehnte mich an ihn.

„Schatz, ich will ja nicht drängen, aber ich hab unglaublich Durst“, erklärte ich und wurde ein bisschen rot.

Diese Art von Durst konnte nur durch Blut gestillt werden. Dan grinste und stand auf.

„Dann gehen wir mal.“

Ich folgte ihm zu seinem Motorrad und setzte mich hinter ihn. Ich liebte es Motorrad zu fahren, auch wenn ich mich nie getraut hätte selber zu fahren. Dan hatte mich deshalb ausgelacht und gemeint, dass mir als Vampir nichts passieren könne. Vampir. Ich war ein Vampir. An meinem Leben hatte sich nicht viel geändert. Gut, da war dieser schreckliche Blutdurst, die viel bessere Kondition, die große Kraft und die Unkaputtbarkeit, aber sonst fühlte sich alles normal an. Ach, ich konnte im Dunkeln sehen und mein Geruchssinn war spitze. Und Essen schmeckte für mich nicht mehr so gut, aber das fand ich nicht schlimm.

Dan hielt und ich sah das wir angekommen waren. Ich liebte die Villa der Jungs und war jetzt ja auch öfter hier. Seth sah ich nicht oft, aber wenn, dann war er eigentlich ganz gut drauf. Auch wenn er sich etwas zurückhaltender verhielt als früher.

Wir gingen direkt in Dans Zimmer, langsam wurde der Durst fast unerträglich. Ich konnte Dans Halsschlagader pulsieren sehen und roch den süßen Duft seines Blutes. Ein bisschen grob schubste ich ihn auf sein Bett und setzte mich rittlings auf seinen Schoß.

„Weißt du, dass du dienstags immer am stürmischsten bist?“, fragte Dan lachend und ich küsste ihn wild. Meine Lippen wanderten an seinem Hals entlang, bis ich dich richtige Stelle gefunden hatte. Dann biss ich zu.

Dan stöhnte unterdrückt und schlang seine Arme um meine Taille. Ich schmeckte sein Blut in meinem Mund und wie immer spürte ich dieses Ziehen im Bauch und drücke mich gegen ihn. Meine Gefühle wurden durcheinander gewirbelt. Freude und Genuss übernahmen die Führung. Ich saugte gieriger und wusste das Dan ähnlich wie ich fühlte. Ich hatte ihm einmal angeboten mich zu beißen, doch er hatte gemeint, dass es mich erschrecken könnte, da es sich für den Gebissenen etwas anders anfühlte. Ich spürte, dass ich genug hatte, wollte aber nicht aufhören. Ich wollte, dass die Gefühle blieben, wollte in noch länger schmecken …

Dan schob mich ein bisschen weg und ich leckte schnell über die Wunde um sie zu schließen. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und versuchte wieder ruhiger zu atmen. Dan ließ sich nach hinten sinken und zog mich mit aufs Bett.

„Alles klar?“, fragte er nach einer Weile, als er wieder zu Atem gekommen war.

„Natürlich und bei dir?“

„Mir geht’s gut, aber ich hatte heute den Eindruck, dass du … traurig bist?“

Ich schluckte und vergrub mein Gesicht an Dans Hals.

„Es ist meine letzte Woche“, murmelte ich undeutlich, wusste aber, dass er mich hörte.

Dan schlang seine Arme fester um mich und seufzte.

„Ich wünschte, wir könnten bleiben. Aber du bist jetzt mit der 10. Klasse fertig. Wenn wir bleiben würden, wäre es sinnvoll, wenn wir noch zwei Jahre blieben, damit du dein Abi machen kannst. Aber es würde auffallen, dass du dich nicht veränderst.“

„Ich weiß. Aber was soll ich ihnen denn sagen? Hey, sorry, aber ich ziehe mit meinem Freund weg und wir können uns nie mehr sehen, weil ich nicht mehr altere und euch das auffallen könnte?!“ Ich stützte mich seitlich von ihm auf und sah ihn abwartend an.

Dan meinte traurig: „Es tut mir wirklich leid, dass du wegen mir deine Freunde und deine Familie verlierst.“

„Hör auf. Ich bin ja wirklich traurig, aber hey, wir sind für immer zusammen. Das gleicht sich aus.“ Ich lächelte tapfer obwohl ich gerne geweint hätte.

„Du weißt genau, dass du mir nichts vormachen kannst, Amy!“

Mein Lächeln verschwand und ich spürte, wie mir etwas Nasses übers Gesicht lief. Dan drehte uns so, dass er oben lag, dann wischte er die Tränen weg und meinte: „Es tut mir so leid. Ich liebe dich.“

Dann küsste er mich und hielt mich eine geschlagene Stunde in seinen Armen, während ich weinte.

14. Kapitel

 

Noch drei Tage. Drei. Die Tickets waren gekauft, das Haus ebenso. Dan hatte mir ein Bild zeigen wollen, aber ich hatte abgelehnt. Ich war noch nicht so weit. Heute Abend würde ich meinen Eltern sagen, dass sie mich nie wieder sehen würden. Nie wieder.

Ich wollte mir reflexartig die Tränen weg wischen, doch da waren keine. Ich war leer geweint.

Mittlerweile wusste ich genau, was ich ihnen sagen würde. Wieder einmal übte ich mit stockender Stimme meinen Text.

„Dan hat eine Annahme in einer guten Uni in Florida bekommen … Ich werde mit ihm gehen. Meinen Abschluss kann ich auch in Amerika machen … Ich werde, … ich kann euch nicht besuchen kommen, aber wir können telefonieren … Wir brechen in drei Tagen auf. Oh mein Gott!“ Ich raufte mir die Haare und wählte Dans Nummer.

„Hey Schatz, was gibt’s?“, meldete er sich einiger Maßen gut gelaunt.

„Ich liebe dich.“

„Ich weiß. Ich liebe dich auch. Warum rufst du an?“

„Ich wollte das nur noch mal sagen. Ich wollte sicher gehen, dass …“

„Dass was? Ist alles okay?“

„Ja. Nein. Ich bin nur nervös. Meine Eltern kommen in einer Stunde heim.“

„Soll ich nicht doch auch kommen?“, fragte er unsicher.

„Nein! Ich meine, also, es ist besser wenn sie es erst mal von mir erfahren. Wir sehen uns ja dann heute Nacht.“

„Ja.“

„Ich liebe dich. Bis später.“

„Ich dich auch.“

Ich legte auf und starrte mein Handy an. Liebte ich Dan wirklich genug um für ihn alles aufzugeben? Ja. Aber der Haken war, dass es hier nicht um meine Liebe ging, sondern um mein Vampirdasein. Ich wusste, dass ich meinen Eltern nicht die Wahrheit sagen konnte. Das war unmöglich.

Ich schaltete den Fernseher an und zappte eine Weile durch die Kanäle. Ich blieb bei einer amerikanischen Soap hängen, die total dämlich war, mich aber ablenkte.

Ich musste irgendwie eingeschlafen sein, denn ich wurde von dem Klingeln unseres Telefons geweckt. Draußen war es schon dunkel und meine Eltern hätten schon vor zwei Stunden da sein sollen.

„Hallo?“, meldete ich mich am Apparat.

„Guten Tag, mein Name ist Doktor Ewert. Spreche ich mit Amy Donald?“

„Äh, ja.“

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Eltern einen Autounfall haben. Bitte kommen Sie so schnell wie möglich ins St. Jean Krankenhaus.“

Plötzlich stand alles still. Einen Unfall? Wie schwer waren sie verletzt? Waren sie in Lebensgefahr?

„Ich komme“, krächzte ich und legte auf.

Mein Puls raste, Adrenalin schoss durch meinen Körper. Schnell griff ich nach meiner Handtasche und packte Handy, Geldbeutel und Hausschlüssel ein. Dann rief ich ein Taxi.

Als ich zehn Minuten später darin saß, nannte ich dem Fahrer das Ziel und rief Dan an.

„Und? Wie haben deine Eltern es aufgenommen?“, meldete er sich.

Es tat so gut seine Stimme zu hören.

„Sie wissen noch nichts. Dan, meine Eltern hatten einen Autounfall.“

Es bereitete mir Schwierigkeiten vernünftige Sätze zu bilden.

„Was? Geht es ihnen gut?“

„Ich hab keine Ahnung! Ein Arzt hat mich gerade angerufen und gemeint ich soll ins St. Jean Krankenhaus kommen. Ich bin jetzt auf dem Weg.“

„Okay, wir treffen uns dort. Amy, ich bin sicher, dass alles gut wird!“ Dann legte er auf und kurz darauf hielt das Taxi. Schnell bezahlte ich und rannte dann ins Krankenhaus.

„Hallo? Meine Eltern sind hier eingeliefert worden. Sie hatte einen Autounfall“, sagte ich panisch zu der Dame am Empfang.

„Wie heißen sie denn?“

Ich nannte die Namen und die Frau nickte.

„Sie liegen auf der Intensiv.“

Sie erklärte mir den Weg und schon war ich unterwegs.

Noch vor kurzem hatte auch ich in einem Krankenhaus gelegen, schoss es mir durch den Kopf. Und ich hatte um mein eigenes Leben gebangt und nicht um das meiner Eltern. Scheiße, sie lagen auf der Intensivstation. Das bedeutete, dass sie instabil waren. Zwischen Leben und Tod schwebten. Ich schüttelte den Kopf, dann war ich da. Ein Arzt kam mir entgegen. Auf seinem Namensschild konnte ich erkennen, dass es Doktor Ewert war, der Arzt, der mich angerufen hatte.

„Sind Sie Amy?“

„Ja. Wie geht es meinen Eltern? Was ist passiert?“

Der Arzt sah mich mitleidig an. Dann zog er mich zu den Stühlen, die am Rand des Ganges standen.

„Setzten Sie sich.“

„WIE GEHT ES MEINEN ELTERN VERDAMMT!“, schrie ich und der Arzt zuckte zusammen.

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ihr Vater tot ist. Er starb noch an der Unfallstelle. Es tut mir sehr leid. Ihre Mutter liegt im Koma, aber wir sind sicher, dass sie in den nächsten Stunden aufwachen wird.“

Ich setzte mich. Mein Vater war tot. Mein Vater war tot. Mein Vater war tot. Der Satz hallte durch meinen Kopf. Eine Stimme schrie ihn mir unaufhörlich zu. Ich konnte nichts anderes denken. Ich hörte nicht, wie der Arzt mir den Unfall schilderte. Ich hörte nicht wie Dan kam und ich spürte nicht, wie er mich in seine Arme zog. Mein Vater war tot. Mein Vater war tot. Mein Vater war tot. Ich merkte nicht, wie ich den Mund öffnete und zu schreien begann. Auch nahm ich nicht war, wie Tränen über mein Gesicht liefen. Ich schrie immer weiter. Dann schlug mir jemand ins Gesicht und ich war wieder in der Realität. Ich schaute Dan an und brach schluchzend zusammen. Er zog mich auf seinen Schoß, wiegte mich hin und her, flüsterte mir zu, dass alles gut werden würde.

Doch es würde nichts mehr gut werden, denn mein Vater war tot. Ich würde nie wieder mit ihm sprechen können, nie wieder mit ihm lachen können. Ihn nie wieder umarmen können. Verzweifelt stieß ich noch einen erstickten Schrei aus. Dann klammerte ich mich an Dan und wurde ganz still, nur die Tränen flossen weiter. Immer weiter, wie kleine Bäche, die niemals mehr versiegen würden.

15. Kapitel

 

Dan und ich saßen in der Krankenhauscafeteria und tranken schlechten Kaffee. Ich hatte tatsächlich aufgehört zu weinen und Dan hatte mich in die Cafeteria gebracht. Hier saßen wir nun und wussten nicht weiter. Dan hatte eben mit Seth telefoniert und ihm erzählt was passiert war.

Doktor Ewert kam auf uns zu und sagte etwas, doch ich hörte nicht hin. Es interessierte mich nicht, was er zu sagen hatte.

„Schatz?“, fragte Dan vorsichtig.

Wir waren wieder allein, kein Wunder, es war mitten in der Nacht. Ich schaute Dan traurig an und er strich mir sanft über die Wange.

„Der Arzt meint, dass deine Mutter aus dem Koma erwacht ist, aber sie schläft jetzt erst mal. Wir können sie morgen Nachmittag dann besuchen.“

Ich nickte und schluckte hart.

„Weiß sie das mit Dad schon?“

Dan schüttelte den Kopf und ich senkte wieder den Blick.

„Amy, ich hab mit Seth gesprochen und wir sind der Meinung, dass du jetzt erst mal bei uns wohnen solltest. Deine Mutter wird noch ein paar Tage hier bleiben und ich will nicht, dass du alleine sein musst, okay?“

Ich nickte abwesend. Meine arme Mum. Sie würde seelisch total kaputt gehen, wenn sie erfuhr, dass Dad tot war. Tot. Nicht mehr da. Ich schüttelte den Kopf um den Gedanken zu vertreiben.

Dan nahm meine Hand und führte mich auf den Parkplatz wo sein Motorrad stand. Ich bekam von der Fahrt nicht viel mit. Dan trug mich in sein Zimmer und legte mich dort in sein Bett. Er ließ sich neben mich sinken und nahm mich in die Arme.

„Dan?“, flüsterte ich.

„Ja, Schatz?“

„Mein Vater ist tot.“ Das war das erste Mal, dass ich es laut aussprach. Ich sagte es so, als ob Dan es noch nicht wüsste. Als ob er nicht bei mir im Krankenhaus gewesen wäre.

„Ich weiß, Kleines.“

Und dann schlief ich ein.

 

„Amy?“ Eine wundervolle Stimme holte mich sanft aus dem Land der Träume. Sofort wusste ich wieder, was gestern Nacht passiert war, aber ich war nicht mehr so verzweifelt. Versteht mich nicht falsch, ich liebte meinen Dad und ich vermisste ihn, aber ich hatte akzeptiert, dass er tot war. Auch wenn ich vermutlich Jahre brauchen würde, um das zu verarbeiten, war es gewissermaßen … okay.

„Süße, du solltest Blut trinken. Du siehst total blass aus.“

„Ich kann jetzt nicht.“ Meine Stimme war rau und es bereitete mir Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Ich fühlte mich schwach und ausgelaugt.

„Ich helfe dir.“

Ich sah, dass Dan sich in den Arm schnitt und die Wunde vorsichtig an meine Lippen hielt. Ich brauchte nur die Lippen zu öffnen und schon rann mir der rote Saft in den Mund. Mit jedem Schluck wurde ich stärker, es war als würde ich Energie trinken. Das tat ich ja gewissermaßen auch. Ich zog seinen Arm näher und begann an ihm zu saugen.

Ich wurde wacher und meine Sinne schärfer. Ich roch Dans wunderbar süßes Blut und es schmeckte jetzt auch intensiver. Ich spürte wie sich die Hitze in meinem Bauch aufstaute und mein Herz schlug immer schneller.

Ich spürte, dass ich genug hatte und schaffte es dieses Mal von selbst aufzuhören.

„Wie spät ist es?“, fragte ich nach einer Weile.

„Kurz nach zwölf.“ Dan lag auf mir und stützte seine Ellenbogen neben meinem Gesicht auf um mich besser ansehen zu können.

„Geht’s dir wieder besser?“

„Ja. Ich glaube, das einzige was jetzt zählt, ist meine Mum. Ich weiß einfach nicht, wie sie das überstehen soll …“

„Amy … also, du weißt schon … es kann sein, dass …“

„Was ist los?“, fragte ich verwirrt.

„Amy, es kann sein, dass deine Mum Hirnschäden von dem Unfall hat. Es kann sein, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat oder sich wie ein Kleinkind verhält. Vielleicht ist sie …“

„Jetzt hör verdammt noch mal auf den Teufel an die Wand zu malen!“, schrie ich und schubste ihn von mir runter.

Dann stand ich auf und verzog mich ins Bad um zu duschen. Ich war ungerecht zu Dan, mir war klar, was mit meiner Mutter sein könnte, aber ich hatte schreckliche Angst auch noch sie zu verlieren. Als ich fertig geduscht hatte, schlich ich mich in Dans Zimmer, nur mit einem Handtuch bekleidet. Er war inzwischen nicht mehr hier und ich nahm mir schnell ein T-Shirt und eine Boxershorts von ihm aus dem Schrank. So angezogen ging ich dann runter in die Küche.

Dan stand an der Arbeitsfläche und schaute aus dem Fenster.

„Hey“, sagte ich vorsichtig.

Ich hoffte, dass er nicht sauer war. Aber Dan drehte sich lächelnd um und ich trat näher zu ihm und schmiegte mich an ihn.

„Tut mir leid wegen eben.“

„Schon okay.“ Er nahm mich in den Arm und in diesem Moment kam Seth in die Küche.

„Hey, Amy“, begrüßte er mich grinsend.

„Hey, Seth. Lange nicht gesehen. Wie geht’s dir so?“

„Joa, ganz gut.“ Plötzlich schaute er etwas betreten. „Tut mir leid, das mit deinem Dad.“

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte schnell vom Thema abzulenken.

„Wann gehen wir ins Krankenhaus?“

„Sobald du willst“, meinte Dan schnell.

Ich nickte, dann griff ich nach meinem Handy, das auf dem Küchentisch lag.

„Ich ruf noch schnell Miri an. Sie weiß ja noch nichts.“

Ich wählte ihre Nummer und verzog mich ins Wohnzimmer.

„Hey Amy! Endlich Ferien, ich werde verrückt! Was machst du so?“

Meine beste Freundin hatte wie so oft gute Laune. Das würde sich jetzt vermutlich schnell ändern.

„Hey Miri. Ich muss dir was erzählen.“ Und dann begann ich die vergangene Nacht zu schildern. Am Ende war Miri ganz still.

„Oh Gott“, brachte sie schließlich heraus. „Amy, das tut mir so leid. Oh Scheiße, das ist schrecklich.“

„Ich versuche irgendwie damit klar zukommen. Ich wohne jetzt in nächster Zeit bei Dan, bis wir wissen, wie es mit meiner Mutter weiter geht. Ich muss jetzt dann auch ins Krankenhaus …“

„Okay, wenn was ist, wenn du mich brauchst, dann melde dich, okay?“

„Ja, hab dich lieb.“

„Ich dich auch.“

Ich legte auf und sagte Dan, dass wir los konnten.

16. Kapitel

 

Dan und ich standen vor der Zimmertür meiner Mutter, gingen aber nicht rein. Hilfesuchend sah ich ihn an.

„Ich habe Angst“, gestand ich ihm.

„Schon okay. Komm.“

Er öffnete die Tür und schob mich in den Raum. Es war ein typisches Krankenhauszimmer. Weiße Wände, ein Fenster mit weißem Vorhang davor, ein hässliches Bild an der Wand und natürlich das Krankenbett. Die Apparaturen blinkten und piepten. Und dort, zwischen den Kissen und der Decke lag meine Mum.

Sie sah schlimm aus. Ihr braunes Haar hing ihr schlaff ins Gesicht, die Augen lagen tief in den Höhlen und ihre Haut war bleich. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie sähe aus wie ein Vampir.

„Hey, Mum“, flüsterte ich mit erstickter Stimme.

„Max?“ Sie riss die Augen weit auf und starrte im Raum umher. Max war der Name meines Vaters. „Amy, egal, was sie dir sagen, Max ist nicht tot. Er ist hier. Ich kann ihn sehen! Er steht dort am Fenster. Max! Komm her. Komm! Bitte!“ Mir stiegen Tränen in die Augen und Dan drückte meine Hand. Meine Mutter halluzinierte. Womöglich war sie komplett verrückt. Ich wimmerte leise und setzte mich ans Bett.

„Mum, Dad ist nicht mehr da.“

„Doch! Natürlich, ich kann ihn doch sehen. Ich kann ihn sehen!“ Die letzten Worte stieß sie verzweifelt aus, dann verklärte sich ihr Blick.

„Wer sind Sie?“ Ihre Stimme klang plötzlich viel älter und sie schaute mich an, als wäre ich eine Fremde.

„Ich bin’s Mum. Amy.“ Meine Tränen rannen über mein Gesicht und ich griff nach der Hand meiner Mum. Doch sie zog sie weg.

„Ich kenne Sie nicht! Bitte gehen Sie!“ Jetzt klang sie richtig ängstlich.

„Aber, Mum. Ich bin es doch! Amy!“

„Gehen Sie!“, rief sie verstört und Dan zog mich nach draußen.

In dem Moment kam Doktor Ewert auf uns zu.

„Gut, dass ich Sie erwische! Amy, wir konnten bei ihrer Mutter Anzeichen einer psychischen Störung feststellen.“

„Was soll das heißen?“

„Mittelschwere Depressionen. Die Tests sind noch im Labor, aber wir vermuten auch Schizophrenie.“

„Wie bitte?!“ Ich keuchte.

„Durch den Unfall und den Tod ihres Mannes hat ihre Mutter ein Trauma erlitten. Ein besonders schlimmes Trauma kann Depressionen hervorrufen, wie bei ihrer Mutter. Außerdem könnte es zu Persönlichkeitsspaltungen führen. Wir sind noch nicht sicher, aber es kann sein, dass ihre Mutter eine zweite Persönlichkeit entwickelt hat, die auftaucht, wann immer sie die Hauptperson vor dem, was passiert ist, schützen muss. Diese zweite Persönlichkeit kennt die andere nicht, und so ist es auch umgekehrt. Die Zeit, in der eine Persönlichkeit gerade da ist, verliert die andere, sie hat also keinerlei Erinnerungen an sie. Ihre Mutter weißt alle Anzeichen auf.“

„Kann man etwas dagegen tun?“, fragte Dan für mich, da meine Stimme versagte.

„Naja, es gibt Therapien und Heime, die man besuchen kann, aber heilen …“ Der Arzt schüttelte den Kopf. Ich blickte durch die offene Tür zurück ins Zimmer. Meine Mutter lag in ihrem Bett und brabbelte irgendetwas vor sich hin.

„Ihre Mutter muss erst alles verarbeiten. In ihrem psychischen Zustand wird das kompliziert, aber … Jedenfalls, die genauen Ergebnisse haben wir in einer Viertelstunde. Sie können hier solange warten, aber bitte nicht bei der Patientin. Das könnte sie verwirren.“

„Jetzt hören Sie mal, das ist meine Mutter!“, rief ich, meine Stimme war wieder zurück.

„Ich weiß, aber sie ist jetzt nicht im geeigneten Zustand für Besuche.“

Ich schüttelte den Kopf und zog Dan in Richtung einer Stuhlgruppe, die am Ende des Gangs war.

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich leise und setzte mich auf Dans Schoß.

Ich kuschelte mich an ihn. Meine Welt war am Ende. Mein Leben wäre am Ende, wenn Dan nicht hier wäre.

„Erst mal warten wir, bis …“

„Nein. Wir können nicht mehr gehen. Ich kann meine Mum nicht alleine lassen. Ich weiß, es ist gefährlich, weil jemand etwas merken könnte, aber ich kann sie doch nicht in diesem Zustand alleine lassen …“ Ich wusste nicht, wie viel ich in letzter Zeit geweint hatte, aber es würde bestimmt für einen zweiten Bodensee reichen.

„Ich weiß, dass es dir jetzt schwer fällt, zu gehen, aber wenn wir bleiben, können wir erst gehen, wenn deine Mutter …“

„WENN MEINE MUTTER WAS, DAN?!“, brüllte ich und sprang auf. „WAG ES NICHT! WAG ES NUR NICHT!“

Eine Schwester, die gerade vorbei kam sah mich strafend an, doch ich beachtete sie gar nicht. Dachte Dan etwa schon an den Tod meiner Mum?

„Ich hab gerade erst meinen Vater verloren und du, du …“ Ich fand keine Worte und knurrte ihn wütend an.

„Jetzt hör mir doch mal zu …“, begann Dan, doch ich unterbrach ihn.

„Gerade dachte ich noch, du wärst das einzige in meinem Leben, das mir geblieben ist und jetzt das!“

„Amy, ich …“ Dan war jetzt auch aufgesprungen und er sah verletzt und wütend aus.

„STECK’S DIR SONST WO HIN!“, kreischte ich.

„Hör auf hier rum zu schreien, Amy. Ich hab doch gar nicht gesagt …“

„HAU AB! Lass mich in Ruhe! Ich scheiß auf Seelenverwandtschaft, kapiert? Ich kann gar nicht glauben, dass ich so was mal Liebe genannt hab“, giftete ich.

Dan wurde ganz ruhig. Sein Gesicht und seine Haltung waren vollkommen neutral.

„Wenn du so empfindest, dann will ich dir nicht im Weg stehen. Mach’s gut, Amy.“ Er klang, als würde er über das Wetter sprechen.

Dan drehte sich um und verschwand um die Ecke. Erst als ich ihn nicht mehr sah, wurde mir klar, was ich gerade gesagt hatte.

„Oh, Scheiße! Scheiße, scheiße, scheiße!“, flüsterte ich und rannte ihm nach.

„Dan! Dan!“ Doch er war nirgends zu sehen. Als ich draußen vor dem Krankenhaus stand, war sein Motorrad bereits verschwunden.

„Verdammte Scheiße!“, wimmerte ich und brach heulend auf dem Gehweg zusammen.

17. Kapitel

 

Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, zückte ich mein Handy und rief ihn an. Die Mailbox ging rann.

„Hey, ich kann grad leider nicht ans Telefon, aber lass mir doch ne Nachricht da.“ Beim Klang von Dans Stimme musste ich schon wieder wimmern. Der Signalton ertönte.

„Dan, es tut mir leid … was ich gesagt habe … Ich… das war nicht so gemeint, es ist grad einfach zu viel für mich. Ruf mich bitte zurück. Ich liebe dich.“

Eine Stunde später, hatte Dan 50 solcher Nachrichten auf der Mailbox, außerdem 30 SMS in denen ähnliches stand. Wie konnte ich nur so dumm sein? Meine Nerven lagen blank. Ich ging wieder ins Krankenhaus und ließ mir von Doktor Ewert die Ergebnisse sagen. Meine Mutter hatte tatsächlich eine Persönlichkeitsspaltung. Der Doktor gab mir noch einen Prospekt, der für ein Heim für Schizophrene warb und dann machte ich mich auf den Heimweg. Das hieß, ich ging zu Dan. Ich musste mich entschuldigen. Wir hatten uns noch nie gestritten. Noch nie. Ich schämte mich unendlich. Auf dem Weg zu ihm versuchte ich ihn noch mal zu erreichen. Vergeblich.

Als ich endlich vor der Villa stand, war es schon dunkel. Ich klingelte Sturm und Seth öffnete mir schließlich.

„Hey Amy. Wo ist denn Dan?“

„Das wollte ich dich gerade fragen.“

Nachdem Seth mich ins Wohnzimmer gebracht, mir einen Kaffee gekocht und sich neben mich gesetzt hatte, erzählte ich ihm was passiert war.

„Ich wollte das gar nicht sagen, aber meine Nerven liegen blank. Es ist einfach zu viel im Moment und ich …“

Seth schaute auf einen Punkt hinter mir und ich drehte den Kopf. Dan stand in der Tür und zog sich gerade die Jacke aus. Er schaute mich immer noch mit diesem neutralen Gesichtsausdruck an. Ich sprang auf und lief zu ihm.

„Dan! Dan, es tut mir schrecklich leid, ich wollte das alles nicht sagen. Ich liebe dich doch, ich hab das nicht so gemeint, ich …“

Dan zog mich an sich und beendete meinen Wortschwall indem er mich küsste. Als er meine Lippen wieder frei gab, schlang er die Arme fester um mich und lehnte seine Stirn an meine.

„Es tut mir leid, dass ich gegangen bin. Ich weiß doch, was du alles durch machst. Wir bleiben natürlich so lange wie du willst. Wir finden schon eine Lösung.“

Diesmal war ich diejenige, die den anderen zum Verstummen brachte, indem ich Dans Mund mit meinem verschloss. Ich weiß nicht wie lange wir uns küssten, aber lang genug, um danach atemlos auf das Sofa zu sitzen und schweigend Händchen zu halten. Seth hatte sich verkrümelt und so waren wir allein.

Ich wusste nicht, wie lange wir hier schon auf dem Sofa aneinander gekuschelt lagen, aber mittlerweile war es draußen dunkel. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken und dachte an nichts. Ich wollte nicht daran denken, was geschehen war oder wie es weiter gehen sollte. Ich wollte einfach den Augenblick genießen.

„Amy, du zitterst“, meinte Dan nach einer Weile vorsichtig.

Ich schaute auf meine Hände. Ich zitterte tatsächlich. Ich fühlte mich schwach und müde.

„Du solltest noch etwas Blut trinken“, fuhr Dan fort.

„Ich will nicht.“

Es war mir immer noch unangenehm Blut zu mir zu nehmen. Ich wusste nicht ob ich mich je damit abfinden würde.

„Ich hab doch heute Morgen …“

„Du machst eine schwere Zeit durch. Du solltest wirklich etwas trinken.“

„Okay.“

Ergeben drehte ich mich zu ihm um. Sein Hals war direkt vor meinem Mund. Eine Weile schaute ich ihn einfach nur an, dann beugte ich mich vor, ritzte die Haut mit meinen Zähnen leicht an und legte meine Lippen auf die Wunde. Ich wollte Dan nicht beißen.

Als ich fertig war richtete ich mich auf und sah auf die Uhr. Halb neun. Noch nicht sehr spät. Also faste ich einen Entschluss.

„Können wir … essen gehen, oder so?“

Dan sah mich verdutzt an.

„Ich weiß, dass wir nicht essen müssen, aber es geht doch. Und wenn ich richtig überlege, dann waren wir noch nie zusammen essen.“

Dans Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.

„Alles was du willst, Süße.“

Wir machten uns schnell fertig und ich war froh, dass ich hier Klamotten hatte. Ich zog mir hellblaue Jeans und einen dunkelgrünen engen Pullover an. Dan wartete schon auf mich. Wiedermal sah er verboten gut aus.

18. Kapitel

 

Einen Monat später saßen wir wieder in dem gleichen Restaurant, wie an dem Tag, an dem wir uns so gestritten hatten.

In letzter Zeit war viel passiert und wir waren beide froh, dass wir jetzt das Schlimmste hinter uns hatten.

Nach vielen langen Überlegungen war mir klar geworden, dass es für meine Mutter das beste war, in ein Heim zu gehen, in dem Leute waren, die ihr wirklich helfen konnten. Dan hatte so ein Heim in Florida gefunden. Es schien richtig gut zu sein und die Ärzte hatten uns eine 20 prozentige Chance auf Heilung versprochen. Der Krankentransport hatte einiges gekostet, aber Dan hatte darauf bestanden, alles zu übernehmen. Auch wir wollten bald nach Florida nachkommen und dann dort ein friedliches Leben führen. Allerdings hatte ich Dan überreden können, dass ich erst meinen Abschluss machen wollte und noch etwas Zeit mit Miri verbringen wollte.

Seth wollte hier bleiben, aber er hatte versprochen, uns oft zu besuchen.

„Amy“, sagte Dan als wir mit dem Essen fertig waren. Seine Stimme klang nervös.

„Ist schon lustig als Vampir essen zu gehen“, sagte ich und trank einen Schluck Wasser.

„Ja, Amy …“

„Hat Seth jetzt eigentlich seine Seelenverwandte gefunden? Ich sehe ihn gerade kaum.“

„Ja, erst vor kurzem, aber …“

„Miri kann ihn einfach nicht vergessen. Ich verstehe das nicht und …“

„Amy! Ich versuche hier gerade dir einen Heiratsantrag zu machen!“

„Wie bitte?“ Verblüfft starrte ich Dan an. Ich hatte jetzt doch tatsächlich, verstanden, dass er …

Dan ging vor mir auf die Knie und meine Gedanken standen still.

„Amy, ich liebe dich. Du bist die außergewöhnlichste Frau, die ich je kennenlernen durfte. Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt, weil du mich auch liebst und es vergeht kein Tag, an dem ich dich nicht ansehe und mein Herz vor Liebe fast zerspringt. Du bist mein Leben und du bedeutest mir alles. Und weil es für uns tatsächlich die Ewigkeit gibt, frage ich dich: Willst du für immer mit mir zusammen sein? Willst du … Willst du meine Frau werden?“

In Dans Augen standen Tränen. Seine Worte drangen langsam zu mir durch, als müssten sie sich durch ein Meer aus Honig kämpfen.

Im Restaurant war es totenstill, aber vielleicht nahm ich auch einfach nichts mehr wahr, außer Dan, der vor mir kniete, meine Hände in seinen haltend.

Dan und ich waren schon ein Für immer und ewig. Ich wollte und würde ihn nie wieder hergeben, aber das er mich wirklich heiraten wollte, das war noch mal ein so großer Schritt.

Mir fielen tausend Sachen ein, die ich hätte sagen können, während mir die Tränen über die Wangen rollten. Es gab hunderte Dinge, die ich jetzt hätte sagen können. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Und als Dan immer unsicherer wurde und aussah als würde er gleich aufstehen, sagte ich mit erstickter Stimme: „Und da fragst du noch so blöd?“

Keine Sekunde später lag ich in seinen Armen und wir küsste uns, als wäre es das letzte Mal. Oder vielleicht auch das erste.

Ich war ziemlich froh, dass wir nicht mit dem Auto gekommen waren und auch jetzt mit dem Taxi nachhause fuhren. Dan war nämlich fürs selbst fahren viel zu abgelenkt. Von mir.

Vielleicht ist das bei allen Paaren so, die sich gerade verlobt haben, aber seit dem Moment, in dem Dan mir den Ring aus seiner Jackentasche geholt und mir angesteckt hatte, konnte ich einfach nicht mehr die Finger von ihm lassen.

Dan reichte dem Taxifahrer einen Schein und dann liefen wir ins Haus, ohne auf so etwas lächerliches wie Wechselgeld zu warten.

„Ich liebe dich“, hauchte ich gegen Dans Lippen, als wir endlich in seinem Zimmer waren und streifte das Jackett von seinen Schultern.

„Ich liebe dich auch.“

 

Am nächsten Morgen saß ich in einem von Dans T-Shirts in der Küche und trank Kaffee. Dan war noch oben und duschte.

Wie hatte ich es nur solange ausgehalten nicht mit ihm zu schlafen? Ich seufzte verträumt und dachte an die vergangene Nacht. Dan war so süß und vorsichtig gewesen. Ich schwebte auf Wolke sieben.

Ein leises Klirren ertönte, als mein Verlobungsring gegen die Tasse schlug. Mein Verlobungsring. Mir entfuhr ein fröhliches Quietschen und ich nahm gut gelaunt noch einen Schluck Kaffee. Dabei drehte ich mich um, und fasst hätte ich die Tasse fallen lassen.

„Miri?“

Meine beste Freundin kam gerade in die Küche und an ihrer Hand zog sie den verschlafenen Seth hinter sich her.

„Amy! Oh Gott, ich wollte es dir schon viel früher sagen, aber du warst ja so beschäftigt wegen deiner Mum und Seth wollte auch noch ein bisschen warten. Aber du darfst es mir nicht übel nehmen, weil du mir das mit den Vampiren ja auch nicht gesagt hast. Aber ich kann dir nicht böse sein, weil ich einfach so glücklich bin!“

Der Redeschwall endete in Gekicher und sie viel mir um den Hals. Ich konnte die Tasse gerade noch auf die Küchenfläche stellen.

„Moment mal. Was ist hier los?“, fragte ich verwirrt.

Seth fuhr sich grinsend mit einer Hand durch die Haare.

„Wir sind seelenverwandt, Amy. Wir haben das Gleiche wie Dan und du!“, quietschte Miri und ich öffnete verblüfft den Mund.

„Das ist … das ist wirklich toll!“ Vor lauter Überraschung konnte ich nichts weiter machen, als Miris Umarmung zu erwidern.

„Das ist wirklich toll. Miri, es tut mir so leid, dass ich es dich so lange angelogen habe! Und ich freue mich wahnsinnig für euch.“

Miri ließ mich los.

„Das ist doch nicht schlimm, ich verstehe es ja. Oh, wenn du nicht schon verwandelt wärst, hätte ich totale Panik. Aber jetzt können wir für immer beste Freundinnen sein, ist das nicht toll?“

„Es ist großartig.“

Mir stiegen die Tränen in die Augen. Bis eben hatte ich noch gedacht, meine beste Freundin bald verlieren zu müssen, aber jetzt … Jetzt war mein Leben perfekt.

Seths Augen strahlten vor Glück und ich wusste, dass jetzt alles gut werden würde. In dem Moment trat Dan in die Küche. Sein Blick wanderte von Seth zu Miri und wieder zurück.

„Ich wusste es“, grinste er und Seth wurde tatsächlich ein bisschen rot.

„Ach übrigens, Miri“, begann ich so cool wie möglich. „Dan und ich werden heiraten.“

Ich streckte ihr meine Hand mit dem Ring hin. Zwei Sekunden lang starrte Miri in an, dann sagte sie: „Ich bin deine Brautjungfer?“

„Natürlich bist du das.“

Sie fiel mir kreischend um den Hals und falls ich den Hörsturz überleben würde, dann – und da war ich mir sicher – würden wir vier ein wundervolles Leben führen.

19. Kapitel

 

- ungefähr zehn Jahre später -

 

Dan und ich leben seit acht Jahren hier in Florida. Vor sieben Jahren sind Seth und Miri zu uns gezogen. Miri ist der Abschied von ihren Eltern sehr schwer gefallen. Sie waren die ganze Zeit über gegen ihre Beziehung mit Seth, deshalb ist sie ein Jahr nach unserem Abschluss mit ihm „durchgebrannt“. Sie haben in Vegas geheiratet und es war die verrückteste Hochzeit, auf der ich je war.

Es war ja auch Miris Hochzeit.

Wenn ich jetzt an den Tag denke, an dem Dan und ich geheiratet haben, dann kommen mir schon wieder die Tränen. Wir haben gewartet bis ich mit der Schule fertig war.

Dann haben wir uns im kleinen Kreis in einem wundervollen botanischen Garten trauen lassen und waren in den Flitterwochen in Frankreich.

Dan ist der süßeste Ehemann der Welt und ich liebe ihn mehr denn je.

Hier in Florida wohnen wir in einem Haus nahe der Küste. Seth und Miri sind nur eine halbe Stunde Autofahrt von uns entfernt. Wir sehen uns oft und Miri ist genauso glücklich wie ich.

Ich habe im Moment nur noch einen Wunsch: ein Kind. Vampire können nicht schwanger werden, deshalb denke ich an Adoption.

Dan ist dagegen, wegen den moralischen Argumenten und meint, dass ein Kind, das bei Vampiren aufwächst nicht normal werden kann. Aber ich bin mir sicher, dass wir das hinkriegen würden und dass Dan ein wunderbarer Vater wäre.

Ich weiß, dass er auch Kinder möchte, aber er traut sich nicht, es zu zugeben. Es ist ja auch eine verrückte Idee, aber warum nicht?

Miri möchte auch ein Kind und sie hat Seth schon fast rumgekriegt. Ich werde Dan auch noch überreden, er konnte mir noch nie auf Dauer einen Wunsch abschlagen.

Ich sitze gerade am Strand und es ist unglaublich warm und schwül, aber ich mag das. In den letzten Wochen bin ich oft hier gewesen, während ich dieses Buch geschrieben habe. Es erzählt, wie ich meine große Liebe kennengelernt habe und was wir durchstehen mussten, bis wir endlich glücklich sein konnten.

Aber ich schreibe nicht nur das. Eigentlich schreibe ich von früh bis spät, wenn ich nicht gerade etwas mit Dan oder unseren Freunden mache. Ich habe damit angefangen, als meine Mutter gestorben ist. Ihr Zustand hat sich nie wirklich verbessert, aber jetzt ist sie wenigstens bei meinem Vater im Himmel. Ich stelle mir oft vor, wie sie mich beobachten und endlich die Wahrheit über mich und Dan erfahren. Ich glaube, sie würden es verstehen. Dass ich ihnen nicht alles erzählt habe.

Vor zwei Jahren ist mein erstes Buch in einem Verlag erschienen. Ich schreibe unter Pseudonymen, es ist mir nicht wichtig, dass irgendjemand weiß, wer die Bücher eigentlich schreibt. Hauptsache ich schreibe. Hauptsache ich habe Dan, Miri und Seth.

Hauptsache ich muss nie wieder damit aufhören glücklich zu sein.

 

Dan ruft mich. Ich werde jetzt rein gehen und das alles später abtippen. Niemand wird je wissen, dass das alles wirklich passiert ist.

Amy

 

 

Ende

 

 

Ich hoffe, es hat euch gefallen ;) freue mich sehr über Kommentare. News zu meinen Büchern gibt's wie immer in meiner Gruppe "Bücher von Clara S."

Impressum

Texte: ich hab die rechte
Tag der Veröffentlichung: 14.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle meine Leser. Danke fürs buch aufschlagen^^

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