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Ich schnaubte. Das konnte meine Mutter mir doch nicht antun. Sie wollte zu ihrem Verlobten Don ziehen. Und der wohnte in Irland. Außerdem hatte er einen Sohn der etwas älter als ich war. Und meine Mum meinte er wäre nett. Und nett heißt bekanntlich hässlich und dumm.

„Komm schon Mum! Meine ganzen Freunde sind hier! Ich will nicht nach Irland. Warum können wir nicht hier bleiben in New York? Don kann doch her kommen!“

„Du weißt das das nicht geht süße. Außerdem hat er ein großes Haus und du wolltest doch schon immer mal nach Irland.“

„Ja, aber doch nicht für immer!“, rief ich. Ich war von Irland fasziniert. Von den riesigen Grünflächen und dem Meer.

„Komm schon, du schaffst das! Jetzt pack bitte fertig ein.“ Ich seufzte und ging in mein Zimmer. Eigentlich war schon alles in den Kartons. Ich trug sie runter in den Flur, wo sie von irgendwelchen Helfern in einen Laster gepackt wurden. Unsere ganzen Sachen würden erst in einer Woche per Container kommen. Bis dahin hatte ich nur das, was sich in meinem Koffer befand.

„May, komm endlich, das Taxi wartet!“ Ich ging raus und stieg in das Taxi das uns zum Flughafen bringen würde. Ich stöpselte meinen IPod in meine Ohren und hörte In the end von Linkin Park. Die Häuser zogen vorbei. Ich würde meine Freunde vermissen. Meine Schule. Und die City. Der rapp hämmerte in meine Ohren.

 

Ich zog meinen Koffer hinter mir her während ich meiner Mum folgte. Sie rannte auf Don zu und warf sich ihm lachend um den Hals. Ich gönnte es ihr. Sie war lange nicht mehr so glücklich gewesen wie jetzt.

„Hey Don!“, begrüßte ich den riesigen schwarzhaarigen Mann.

„Hallo May. Alec konnte leider nicht mit zum Flughafen. Aber du lernst ihn morgen kennen.“

„Yeah“, machte ich, meine Stimme triefte vor Sarkasmus. Wir stiegen in Dons Auto und fuhren los. Die Fahrt dauerte eine Stunde und ich döste ein, immer hin war es schon nach Mitternacht und durch die Zeitverschiebung fühlte ich mich auch nicht besonders wach.

„Aufwachen, May, wir sind da!“, sagte meiner Mutter. Ich rieb mir die Augen und stieg aus. Oha. Das Haus war nicht groß, aber auf keinen Fall klein. Don führte mich die Treppe hoch in den ersten Stock.

„Das ist dein Zimmer, Alec schläft direkt neben an.“

„Cool“, murmelte ich und wankte in den Raum. Ich zog meine Jeans und mein Top aus und ließ mich in Unterwäsche auf mein Bett fallen wo ich sofort einschlief.

 

Ich hörte eine Stimme meinen Namen rufen und öffnete in dem Moment meine Augen als ein gutaussehender Junge mein Zimmer betrat. Als er mich sah, ließ er seinen Blick über mich schweifen und grinste mich dann dreckig an. Mir fiel auf, dass ich nur schwarze Unterwäsche trug und auch noch über der Decke lag. Ich quietschte erschrocken auf und riss die Decke über mich.

„Ähm… Bist du Alec?“

„Du hast’s erfasst“, meinte der Typ und es war unübersehbar das er ein Lachen unterdrückte. Er war groß, hatte schwarze etwas längere Haare, die ihm ins Gesicht hingen und hellblaue Augen. Er war muskulös wie ich sehen konnte, da er nur ein enges schwarzes T-Shirt und eine Jeans trug.

„Gefällt dir was du siehst?“, schurrte Alec und ich beschloss ihn aus Prinzip nicht zu mögen.

„Was hast du in meinem Zimmer verloren?“, zischte ich.

„Ich sollte dich wecken, weil es gleich Mittagessen gibt.“

„Mittagessen?“ Oh Gott, ich hatte den ganzen Vormittag verpennt. „Ja ich komm gleich.“ Alec machte nicht den Eindruck als ob er verschwinden würde, also fragte ich: „Sonst noch was?“

Er öffnete den Mund und grinste wieder dreckig, doch bevor er etwas sagen konnte, dass ich nicht hören wollte, meinte ich: „Hau ab.“ Er lachte, drehte sich aber um und schloss hinter sich die Tür.

Ich stand auf und schlüpfte in die enge schwarze Jeans von gestern und wühlte ein dunkelgrünes Top aus meinem Koffer. Da ich nicht wusste wo das Bad war, kämmte ich mich nur vor meinem Handspiegel, bis meine hellblonden Haare nicht mehr wie ein Vogelnest aussahen. Ich schminkte mich nicht, da meine Wimpern sowie so lang und dunkel waren. Ich gähnte noch mal ausgiebig und ging dann die Treppe runter. Ich folgte den Stimmen und fand so die Küche, wo schon alle am Tisch saßen. Ich setzte mich neben meine Mum, beugte mich zu ihr und flüsterte so laut, dass es alle hörten: „Du hast mich angelogen. Er ist kein bisschen nett!“ Dann lächelte ich unschuldig und machte mich über mein Essen her, während die anderen mich dumm anglotzten.

„Ist was?“, fragte ich. Meine Mutter schüttelte den Kopf und nahm das Gespräch zu Don wieder auf. Ich hörte nicht zu, sondern ließ meinen Blick durch die Küche schweifen. Bis er an Alec hängen blieb der mich unverwandt ansah. Ich runzelte die Stirn, beachtete ihn aber nicht weiter.

Nachdem ich fertig gegessen hatte, war mir ziemlich langweilig, also ging ich ins Wohnzimmer und rief meinen besten Freund Sam an.

„Hey, Süße, wie geht’s?“

„Hey, Süßer. Ach was weiß ich. Irland ist langweilig. In dem Kaff gibt’s nicht mal ein Kino!“ Ich sah das Alec ins Zimmer kam, das kümmerte mich aber nicht.

„Wir vermissen dich alle schrecklich.“

„Ich euch auch.“

„Wie ist dein Stiefbruder so?“

„Der? Idiotisch!“

„Ist er heiß?“

„Du hättest eh keine Chance, ich glaub nicht, dass er schwul ist!“ Ja, einer der Gründe warum Sam und ich uns so gut verstanden war, dass er schwul war.

Ich sah wie Alec eine Augenbraue hob.

„Hat Brad schon eine neue?“

„Ja, Chelsea!“

„CHELSEA?“, kreischte ich. Brad hatte mit mir Schluss gemacht, als er erfahren hatte, dass ich weg zog. „Diese Schlampe?!“

„Das dachte ich auch. Die ist wirklich unter seinem Niveau.“

„Oh Mann. Ich fass es nicht. Er ist echt das letzte. Kaum bin ich weg vögelt er schon eine neue und dann auch noch Chelsea.“

„Aber echt.“

„Und vor zwei Wochen schwört er mir er liebt mich.“ Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte eigentlich Schluss machen wollen, doch Brad meinte er liebe mich. Jetzt hatte er selbst Schluss gemacht, was mich nicht sehr störte.

„Süße, ich muss auflegen.“

„Okay. Sag Grüße, hab euch lieb.“

„Bye.“ Und die Leitung war tot. „May? Don und ich fahren in die Stadt, einkaufen. Wir kommen aber zum Abendessen wieder.“

„Okay.“ Und schon waren sie weg. Nach einer Weile klingelte es und Alec stand auf. Ich verzog mich in mein Zimmer, und packte meine Sachen aus. Drüben, in Alecs Zimmer, dröhnte laute Musik. Irgend so ein Techno Zeug. Nach einer Stunde reichte es mir und ich verließ mein Zimmer, um ihm zu sagen dass er den Scheiß leiser machen sollte. Ich platzte ohne anklopfen ins Zimmer, weil er es eh nicht gehört hätte.

„Alec, du Penner. Mach diesen Scheiß leiser!“, rief ich über den Lärm. Er drehte es tatsächlich leiser und ich sah dass sich noch drei andere Jungs im Zimmer befanden. Sie sahen alle samt scharf aus. Also, an irischen Jungs war nichts auszusetzten.

„Leute, darf ich vorstellen: May, meine Stiefschwester.“

„Alter, warum hast du nicht gesagt, dass sie so heiß ist?“, fragte ein blonder Junge.

„Ja, ernsthaft, Mann!“, rief ein einer mit braunen Haaren. Der dritte sagte nichts, sondern sah mich nur freundlich an. Er hatte wie Alec schwarze Haare.

„Willst du mir nicht deine reizenden Freunde vorstellen?“, fragte ich, meine Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Äh, der blonde heißt Seth, der da“, er deutete auf den braunhaarigen, „heißt Tom, und der hier ist Logan, mein Cousin.“

„Hi“, meinte ich kurzangebunden und wollte wieder gehen, als einer, Seth, fragte: „Hast du n Freund?“

Ich drehte mich um, musterte ihn eingehend, stellte fest, dass er geil aus sah und sagte dann: „Ja.“ Kleine Notlüge, aber ich wollte nichts mit den Freunden meines Stiefbruders anfangen.

„Hat sich vorher am Telefon anders angehört. Hast du nicht was von einem Brad gesagt, der eine Chelsea vögelt, kaum dass du weg bist?“, fragte Alec unschuldig.

„Öhm… das war… ja okay, ich hab keinen Freund, sonst noch was?“, fragte ich genervt.

„Gehst du mit mir aus?“, fragte Seth und schenkte mir ein Grinsen, bei dem wahrscheinlich jedes Mädchen ja gesagt hätte. Nicht so ich. Ich sah ihn mitleidig an, dann sagte ich: „Wenn ich vorhätte, mit dir auszugehen, warum sollte ich dann sagen, dass ich einen Freund hab?“

„Man kann’s ja mal versuchen“, meinte Seth und lachte. Ich verdrehte wiedermal die Augen und verließ das Zimmer. Kaum fiel die Tür hinter mir ins Schloss, hörte ich, dass die Musik wieder hochgedreht wurde, also stieß ich die Tür erneut auf und lehnte mich mit Killer-Blick in den Türrahmen.

„Hab ich nicht gesagt, dass ich nicht will, dass diese bekiffte Scheiße so laut ist?“, fragte ich mit eiskalter Stimme.

„Oh Gott, ich glaub, jetzt ist sie wütend!“, meinte Tom lachend.

„Bist wohl n ganz schlauer, was?“

„Bist wohl ne ganz…“

„Halt, ich will‘s gar nicht hören!“, unterbrach ich ihn. „Alec, machst du jetzt bitte die Musik leiser?“

„Weils du bist“, grinste er und ich ging wieder in mein Zimmer. Hilfe! Ich ließ mich auf mein Bett sinken und beschloss, weil ich sonst nichts zu tun hatte, zu pennen.

Als ich die Augen öffnete, blickte ich in die Gesichter von Seth, Tom, Logan und Alec, die sich alle auf meinen Bettrand gesetzt hatten.

„Was is n los?“, murmelte ich verschlafen und zupfte mein Top zu Recht.

„Du hast geschrien“, klärte Logan mich freundlicher Weise auf.

„Ah. Und was sitzt ihr hier rum wie die letzten Idioten?“, fragte ich schon etwas wacher.

„Wir wollten schauen ob alles klar ist“, meinte Alec.

„Öhm, okay. Ein Alptraum anscheinend. Schön.“

„Dann haben wir beschlossen zu bleiben, weil du im Schlaf geredet hat, was äußerst lustig war“, meinte Seth. Oh, Scheiße.

„Was hab ich denn gesagt?“, fragte ich vorsichtig, denn ich wusste beim besten Willen nicht mehr was ich geträumt hatte.

„Du hast meinen Namen gesagt“, meinte Alec.

„Äh, ich glaub nicht. Obwohl, dass würde doch dazu passen, dass ich einen Alptraum hatte“, meinte ich kichernd.

„Alec hat sich falsch ausgedrückt. Du hast seinen Namen förmlich gestöhnt!“

„Oh. Nein. Nein, ihr habt euch verhört. Das war ein anderer Name. Totsicher.“

Die Jungs grinsten mich weiter dämlich an.

„Ich hab… ich hab… Alex! Ich hab nicht Alec gesagt, oder gestöhnt, sondern Alex!“, rief ich.

„Und das sollen wir dir jetzt abkaufen?“, hakte Seth nach.

„Ja. Ich war mal mit einem Alex zusammen. Ist aber schon ein Jahr her.“ Das stimmte sogar. Und er hatte mir schon ein paar Mal feuchte Träume beschert, denn der Typ war einfach geil. Aber nicht so geil wie… STOPP!

„Sicher doch“, meinte Tom.

„Doch das stimmt! Ihr könnt meine Mum fragen, oder nein, fragt sie besser nicht. Sonst könnte sich eure Meinung über mich ändern. Von unschuldigem Mädchen zur naja ich will jetzt nicht sagen Schlampe…“ Alec hob eine Augenbraue und ich war versucht ein paar Sachen über Alex zu erzählen, hielt mich aber zurück.

„Warum sollten wir dich für eine Schlampe halten?“

„Weil meine Mum nichts von ihm hält und alles ganz falsch darstellt.“

Die Jungs sahen sich an und begannen zu lachen. „Was lacht ihr so blöd?“

„Kopfkino!“, brachte Tom hervor.

„Ach, haut doch ab!“, murmelte ich und wollte aus dem Bett steigen doch Alec hielt mich fest.

„Wo willst du hin?“

„Ins Bad. Ach da fällt mir ein… Wo ist das Bad eigentlich?“

„Du wohnst hier, aber du weißt nicht, wo das Bad ist?“, fragte Logan.

„Ich wohn hier noch nicht mal 24 Stunden.“

„Den Gang runter, direkt neben meinem Zimmer“, meinte Alec und ich ging ins Bad.

Als ich etwas erleichterte und geduscht wieder kam, waren die doch tatsächlich immer noch da, und ich hatte mir nur ein Handtuch umgewickelt.

„Raus, sofort!“, meinte ich und sie ging tatsächlich und Alec schenkte mir noch ein Casanova-Grinsen, schloss dann aber dir Tür. Ich schüttelte verwirrt den Kopf und zog mir dann eine Jeans und ein enges T-Shirt an. Ich hörte das Mum und Don wieder da waren und ging in die Küche zu ihnen.

„Mummy, ich hab dich lieb!“, rief ich und warf mich ihr um den Hals. Jetzt erst mal einschleimen. Ich wollte sie nämlich bitten wieder heim zu fahren!

„Was hast du kaputt gemacht?“, fragte sie misstrauisch.

„Nichts. Mum, warum kann ich nicht wieder heim? Ich könnte doch bei Sam wohnen!“

„May, das hatten wir doch schon mal! Du bist doch noch gar nicht richtig angekommen. Morgen ist Schule und dann lernst du neue Leute kennen. Da wird es bestimmt klasse.“

„Woher nimmst du diesen Enthusiasmus?“, fragte ich interessiert. Ich hörte wie die Jungs die Treppe runter polterten und durch die Haustür verschwanden. Dann kam Alec in die Küche und wir aßen zu Abend.

„Ich nahm dich morgen mit zur Schule“, meinte Alec schließlich. Ich wusste, dass man unsere Schule nur mit dem Auto erreichte also nickte ich einfach.

 

Am nächsten Tag duschte ich und zog Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck Sexy and I know it! an und ging in die Küche.

„Morgen!“, rief ich müde in die Runde und meine Mum sagte: „Willst du nicht was anderes anziehen?“

„Jetzt sind wir sogar auf einem anderen Kontinent und du fragst mich das immer noch?“ Meine Mum mochte meinen Kleidungsstil nicht. Deshalb fragte sie mich ständig, ob ich mich nicht umziehen wolle.

„Wie du meinst…“, seufzte sie und Alec schenkte mir ein Grinsen.

Als wir fertig waren nahm ich meine Ledertasche, in der sich mein Schulzeug befand und schlüpfte in meine Chucks. Dann wartete ich bis Alec fertig war, schnappte meine schwarze enge Lederjacke und folgte ihm zu seinem Auto. Es war ein Porsche. Porsche. Ich steh drauf.

Ich stieg hinten ein, da ich darauf verzichtete neben ihm zu sitzen, doch Alec lachte nur und fuhr los.

„Ähm, irgendwo neben dir sollte dein Stundenplan liegen. Die Direktorin hat ihn mir am Freitag gegeben.“ Ich sah mich um und fand das Blatt.

„Wo ist der Raum 234?“, fragte ich. Das war der Raum in dem Heute mein Schultag mit Mathe beginnen würde.

„Keine Sorge, ich bring dich hin.“

„Ich will nicht mit dir gesehen werden.“

„Wieso? Weil ich dich mit meinem Aussehen total in den Schatten stell?“

„Nein, weil du beschissen bist!“

„Hey, hey, hey! Nicht so viele Komplimente auf ein Mal, wenn ich bitten darf!“

Ich verdrehte die Augen. Als wir bei der Schule angekommen waren, stieg ich aus und ließ mich tatsächlich von Alec zu dem Raum führen.

„Okay, wir treffen uns nach dem Unterricht bei meinem Auto, Süße!“, sagte er und ging weiter.

„Nenn mich noch mal Süße und du bist tot!“, rief ich ihn hinter her doch er lachte nur.

Wütend betrat ich den Raum und ließ mich auf einen Platz in der letzten Reihe fallen. Die anderen sahen mich an. Dann kam ein Mädchen mit langen blonden Haaren zu mir und fragte: „War das gerade der super heiße Alec McSilvan, der dich Süße genannt hat?“

„Nein, das war mein bescheuerter Stiefbruder, der auch Alec McSilvan heißt. Zufall oder?“, grinste ich.

„Du wohnst mit ihm unter einem Dach?“ Das Mädchen schien kurz vorm Hyperventiliren und ich meinte beruhigend: „Ja, und es ist die Hölle!“

„Oh Mann. Ich bin übrigens Sue!“

„Hi. Ich bin May.“ Da betrat die Lehrerin, die laut meinem Stundenplan Miss Firewall hieß, das Zimmer und begrüßte die Klasse. Dann sah sie mich.

„Ah, du bist also die Neue. Stellst du dich bitte vor?“

Ich stand auf und meinte: „Hi, ich heiße May Silver, bin vorgestern mit meiner Mum aus New York hier her gezogen. Und ich bin 16.“

Ein Mädchen aus der ersten Reihe fragte mich neugierig: „Sind die Jungs in Amerika heißer als unsere?“ Ich kicherte, als ich an Alecs Freunde und an Alec selbst dachte… äh STOPP! Dann ließ ich meinen Blick provozierend langsam über die Gesichter der Jungs meiner Klasse schweifen, die alle ziemlich gut aussahen, dann sagte ich: „Naja, ich kenn hier nicht so viele wie in New York, aber es herrscht so ziemlich Gleichstand!“ Die Mädels lachten und ein Junge rief: „Hast du n Freund?“ Ich öffnete den Mund, doch die Lehrerin meinte: „So, das reicht, jetzt machen wir Mathe.“ Ich ließ mich auf meinen Platz sinken und sah zu dem Jungen der mich das gefragt hatte. Er blickte mich immer noch erwartungsvoll an, also schüttelte ich den Kopf und er grinste. Und dieses Grinsen konnte nicht mit Alecs mithalten… STOPP! Was dachte ich da eigentlich?

Als der Unterricht vorbei war, strömten wir aus der Schule. Sue und ich verstanden uns super und beschlossen uns bald zu treffen. Wir tauschten die Handynummern aus und ich machte mich auf den Weg zu Alecs Auto. Der ließ auf sich warten und ich lehnte mich gelangweilt an die Beifahrertür. Als er schließlich auftauchte, sah er ziemlich verschwitzt aus. Und sexy. Ja, ich geb’s zu, er ist heiß. So. Zufrieden?

„Sorry, mein Sportlehrer hat überzogen.“ Nanu? Alec entschuldigte sich? War ja mal was ganz neues.

Am Nachmittag lag ich gelangweilt auf meinem Bett und machte Hausaufgaben. Da Sue erst morgen Zeit hatte, würde ich mich wohl mit mir selbst beschäftigen müssen. Ich fuhr meinen Laptop hoch und checkte meine Mails. Werbung, Werbung und noch mehr Werbung. Ich fuhr meinen Laptop wieder runter, als Alec in mein Zimmer kam.

„Schon mal was von anklopfen gehört?“, fauchte ich.

„Äh, ja. Ich wollt fragen, ob du weißt wo Don ist.“

„Warum zur Hölle sollte ich das wissen?“, zickte ich und Alec verdrehte die Augen und verschwand. Ich ließ mich stöhnend auf mein Bett fallen. In New York wäre ich ins Kino gegangen oder shoppen oder sonst was. Irland war echt langweilig. Plötzlich klingelte mein Handy. Sue!

„Hey Sue, was gibt’s?“

„Hey May. Du am Freitag ist diese Strandparty. Wir sollten da unbedingt zusammen hin. Dann lernst du ein paar Leute kennen.“

„Ja, klasse. Ich freu mich schon riesig.“

„Wir könnten morgen mit dem Bus in die Stadt fahren und shoppen gehen, damit wir was Cooles zum Anziehen haben.“

„Auf jeden Fall.“

„Okay bis morgen.“

„Ja, ciao.“

Jetzt hatte ich zumindest etwas auf das ich mich freuen konnte. Ich musste nur noch meine Mum fragen ob ich wirklich durfte.

„Och Mum, komm schon!“

„Nein May. Und du weißt genau warum!“ Wir, Don, Mum und ich, saßen am Esstisch und aßen zu Abend. Alec war weg, was mich freute. So bekam er diese riesen Blamage nicht mit.

„Mum, ich hab erst eine Freundin. Die Party ist die Gelegenheit um Leute kennen zu lernen.“

„Nein. Ich will nicht, dass du wieder Sturz besoffen mitten in der Nacht nachhause kommst, mit einem gebrochenem Bein.“ Ja, das warf sie mir schon ewig vor. Dabei war das schon ein Jahr her! Und ich war seither nie mehr betrunken gewesen.

„Nein May. Ende der Diskussion.“ Ich stand wütend auf und verließ die Küche. Später am Abend hatte ich schließlich einen Plan. Obwohl er mir ziemlich gegen den Strich ging. Aber ich wollte unbedingt auf diese Party. Alec war mittlerweile wieder da, und seine drei Kumpels auch. Zumindest dröhnten ihre Stimmen durch die Wand. Hatten die Iren eigentlich schon mal was von Schalldämpfung gehört? Ich stand auf und ging zu Alecs Zimmer. Ich atmete tief durch, setzte meinen süßesten Unschuldsblick auf und klopfte.

„Ja?“, rief Alec von drinnen. Ich öffnete die Tür. Alec und Seth saßen auf dem Bett während Logan und Tom auf der Couch saßen.

„Was gibt’s?“ Oh nein. Alec war wohl noch sauer wegen heute Mittag. Ich watschelte zu ihm und hockte mich seitlich auf seinen Schoß.

„Alec“, sagte ich mit Babystimme. „Du weißt doch, dass du mein allerliebster Lieblings-Bruder auf der Welt bist, oder?“ Ich blinzelte ihn an.

„Was hast du kaputt gemacht?“, fragte er misstrauisch.

„Warum denken alle immer, dass ich was kaputt gemacht hab, wenn ich nett bin?“, rief ich empört. Dann verfiel ich wieder in eine Bettelstimme und fragte: „Jedenfalls, weil du so ein toller Bruder bist, tust du mir doch bestimmt einen Gefallen!?“

„Ha, wusste ich‘s doch, dass du nie freiwillig so … komisch wärst!“ Seth kicherte. Und Tom meinte: „Von mir aus kannst du auch mal zu mir ‚komisch‘ sein.“ Ich schenkte ihm einen vernichtenden Blick und wandte mich wieder zu Alec.

„Also, tust du mir jetzt einen Gefallen?“, fragte ich mit normaler Stimme.

„Kommt auf den Gefallen an.“ Er grinste.

„Freitag ist so eine Strandparty, aber meine Mum erlaubt mir nicht hin zu gehen.“

„Was hat das mit mir zu tun?“

„Sie hält dich aus unerklärlichen Gründen für vorbildlich und vernünftig. Wenn sie jemand überreden kann mich da hin zu lassen, dann du.“

Alec grinste böse. „Was hab ich davon?“ Oh. Mist. Da war er doch nicht so selbstlos wie ich gehofft hatte.

„Meine ewige Dankbarkeit?“, versuchte ich es.

„Hm, nein. Ich bin eher für einen Kuss.“ Ich baute mich vor ich auf und zischte: „Wenn du meinst, du kannst mich dazu zwingen dich zu…“

„Hey! Wer will hier auf die Party? Du oder ich?“

Ich rang mit mir. Ich wollte Alec nicht küssen, schon gar nicht vor Freunden von ihm. Das war es nicht wert. Ich seufzte und verließ das Zimmer.

Ich konnte nicht schlafen. Ich wälzte mich die ganze Zeit in meinem Bett hin und her, doch es half nichts. Schließlich stand ich auf und tapste leise zu Alecs Zimmer. Mir war kalt, da ich nur Stoffhotpants und ein Top trug also fackelte ich nicht lang, sondern schob mich schnell in sein Zimmer. Alec schlief seelenruhig in seinem Bett. Er sah richtig niedlich aus mit den verwuschelten Haaren. Ich setzte mich auf seine Bettkannte und stupste ihn an.

„Alec. Wach auf.“ Was hatte der den für einen Tiefschlaf? „Alec?“, versuchte ich es etwas lauter. Er drehte sich zu mir und blinzelte mich verschlafen an.

„May? Was is n los?“ Anstatt zu antworten beugte ich mich zu ihm herunter und küsste ihn. Wahrscheinlich lag es daran, dass er nicht richtig wach war, aber Alec stöhnte leise auf und dann… dann schaltete mein Gehirn ab und das einzige was ich dachte war: Der kann besser küssen als alle die ich davor geküsst hatte zusammen! Schließlich löste ich mich von ihm und er murmelte: „Du darfst mich ab sofort immer wecken wann du willst.“ Ich beachtete das nicht, sondern zischte (oder auch keuchte, ich war noch etwas außer Atem): „Wenn ich nicht auf die Party darf kannst du was erleben!“ Alec grinste nur, dann stand ich auf und ging wieder in mein Zimmer.

Als ich auf mein Bett fiel konnte ich immer noch seine Lippen auf meinen spüren und  ich schlief endlich ein. Ihr könnt euch wahrscheinlich denken von wem ich diese Nacht träumte…

Ich wurde am nächsten Tag von dem Nerv tötenden Piepsen meines Weckers geweckt. Ich grunzte wütend und warf ihn gegen die Wand. Schließlich stand ich auf und machte einen Abstecher ins Bad. Ich zog mir dunkle Jeans an und ein T-Shirt auf dem stand: You AREN‘T sweater then me! Es war weiß und die Buchstaben waren rot, daneben war ein Kussmund. Als ich die Treppe runter ging betete ich zu Gott, dass Alec den Kuss nicht ansprechen würde. Gott, ich wurde schon bei dem Gedanken rot. Ich atmete tief durch und betrat die Küche. Es sah aus als hätten meine Mum und Alec sich gerade unterhalten und Don meinte nun auch: „Ich denke unter diesen Umständen solltest du sie wirklich gehen lassen, Miri.“ Miri war der Spitzname meiner Mum. Eigentlich hieß sie Miriam, aber so nannte sie keiner.

„Ah, guten Morgen May!“, rief meine Mum als ich mich setzte. „Ich habe mir überlegt, dass du doch auf die Party gehen kannst. Du darfst auch so lange bleiben wie du willst. Aber nur unter einer Bedingung!“

„Und die wäre?“, fragte ich misstrauisch.

„Alec fährt dich hin und nimmt dich auch wieder mit nachhause. Das dürfte kein Problem sein, da er ja auch auf die Party geht.“

„WAS?!“ Ich starrte Alec wütend an, der nur dumm auf seinen Teller grinste und versuchte nicht los zu lachen.

„Entweder so oder gar nicht!“, stellte meine Mutter klar und ich nickte ergeben. Als ich und Alec schließlich in seinem Auto saßen zischte ich: „War das wirklich nötig?“

„Du wolltest doch unbedingt dahin.“ Ich schüttelte verdrossen den Kopf und flüchtete aus dem Auto sobald wir hielten.

„Hey May!“, rief mir Sue entgegen, als ich hier in der Cafeteria entgegen kam. Wir hatten uns heute noch nicht gesehen, da wir unterschiedliche Fächer gehabt hatten.

„Hey, wie geht’s?“

„Super. Ich hab mir gedacht, dass wir gleich nach dem Unterricht zum Shoppen losgehen, okay?“

„Gut ich schreib Alec schnell eine SMS, damit er später nicht auf mich wartet.“

„Warum sagst du‘s ihm nicht direkt? Er sitzt gleich dort drüben“, informierte mich Sue. Ich sah Alec mit Seth und Tom an einem Tisch in unserer Nähe sitzen. Logan ging so weit ich wusste nicht auf diese Schule und war deshalb nicht dabei. Konnte ich das wagen? Hoffentlich hatte er nichts von dem Kuss erzählt, sonst würde ich mich ja total zum Affen machen.

„Also gut, bis gleich.“ Ich stand auf und ging zu Alec. Ich tippte ihm auf die Schulter und er drehte sich überrascht um. Wie konnte man nur so schöne Augen haben? Okay, nicht sabbern!

„Ich äh, wollt nur sagen, dass du nachher nicht auf mich warten musst, weil Sue und ich nach der Schule shoppen gehen.“

Alec nickte und ich ging wieder. Gott, war das peinlich gewesen.

„May, schau mal, ist das Top nicht süß?“, fragte Sue mich und hielt mir einen rosa Stofffetzen unter die Nase.

„Ja total!“, meinte ich. Ich war nicht wirklich so der Shopping-Freak. Ich ging gern in ein paar Läden, aber vier Stunden waren einfach zu viel. Wir hatten beide schon je zwei Oberteile und Sue hatte sich noch einen Rock gekauft.

„Hey, Sue, ich glaub wir sollten langsam Heim. Es wird schon dunkel.“

„Oh ja, du hast recht. Warum sagst du denn nichts? Komm schon, in fünf Minuten fährt glaub ich ein Bus!“ Und schon zog sie mich aus dem Laden. Sue war etwas stürmisch, sie redete viel und sie schwärmte für Alec, aber alles in allem war sie echt okay und man konnte richtig Spaß mit ihr haben.

Wir stolperten lachend zu dem Bus, der gerade ankam und setzten uns nach ganz hinten. Als wir an meiner Halte waren umarmte ich Sue schnell und stieg dann aus.

Der Mittwoch und der Donnerstag verliefen so Ereignislos, dass sie an mir vorbei zogen und ich fast nichts davon mit bekam. Sue und ich sprachen viel über die Party am Freitag, Alec war irgendwie nie zuhause und ich redete nur mit ihm wenn es wirklich nötig war. Meine Mum plante mit Don einen Ausflug den sie am Wochenende machen wollten. Sie fuhren schon Freitagabend, obwohl meine Mum ein schlechtes Gewissen hatte, nicht hier zu sein wenn ich von der Party kam. Don versicherte ihr, dass nichts passieren würde, da die Partys hier nicht so wild waren. Außerdem wäre Alec ja auch noch da.

Am Freitagabend war ich dann tatsächlich nervös. Mum und Don waren schon weg, ich hatte geduscht, trug mein neues Top (eins von diesen Wasserfall-Dingern), eine schwarzblaue Jeans und war dezent geschminkt. Als Alec endlich in mein Zimmer kam, sprang ich erleichtert auf.

„Kommst du, wir können jetzt… scheiße!“, rief er. „Süße, du siehst endgeil aus und als dein Bruder werde ich heute viel damit zu tun zu haben, dir lästige Kerle vom Hals zu halten.“ Er zwinkerte mir zu und verschwand durch die Tür. Ich starrte ihm mit offenem Mund hinter her. Was zur Hölle…? Ich kam ihm hinter her, schlüpfte in meine Chucks und folgte ihm zum Auto.

„Erholst du dich je wieder davon, dass ich dir ein Kompliment gemacht habe?“, fragte er vorsichtig und versuchte, ernsthaft bemüht, ein Lachen zu unterdrücken.

„Ach, sei einfach leise, Alec.“ Als wir unten am Strand waren, war es schon dämmrig. Ich stieg aus und Alec meinte: „Es sind zwar viele Leute da, aber ich behalt dich im Auge. Ruf mich um ein Uhr auf dem Handy an, damit ich weiß, dass du noch lebst.“ Er zwinkerte mir zu und ich verdrehte die Augen. Dann sah ich Sue, die mich zu sich winkte und verließ Alec ohne eine weitere Bemerkung. Der Sand knirschte unter meinen Schuhen. Sue umarmte mich zur Begrüßung und zog mich näher zum Wasser wo ein Lagerfeuer brannte. Einige Leute saßen darum, lachten und unterhielten sich über die laute Musik hinweg.

„Hey Leute! Das ist May, sie ist neu hier!“, brüllte Sue in die Runde und reichte mir ein Bier. Die, die sie gehört hatten nickten mir zu oder winkten.

Wir setzten uns und unterhielten uns mit den anderen. Irland war doch nicht so schlimm. Die Partys waren auch cool und mindestens so lustig wie zuhause. Ich war schon etwas beschwipst, als Sue mich zu einer Gruppe zog, die Wahrheit, Wahl, Pflicht spielte. Eigentlich fand ich das kindisch, hatte aber genug getrunken um mich überreden zu lassen mitzumachen.

„Wer ist dran?“, fragte Sue. Ein Mädchen deutete auf Tom. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er auch da war.

„Wahrheit“, meinte er schließlich.

„Mit wie vielen Mädels hast du schon geschlafen?“, kam es von irgendwo her. Tom grinste schief, dann sagte er: „So weit kann ich nicht zählen.“ Er zwinkerte und alle lachten. Sogar ich. Oh Gott, ich musste wirklich betrunken sein.

„Okay, ich würd sagen, nehmen wir doch mal unsere New Yorkerin May.“

Ich nickte. „Ich bin kein Schisser… also nehme ich mal Pflicht.“

Sie berieten, was ich machen musste. Viele Jungs waren für rum machen oder ausziehen. Ich schüttelte den Kopf.

 „Seid bitte gnädig!“, bat ich kichernd.

„Okay, du musst mit Logan rum machen“, verkündete jemand.

„Ach, der is auch da“, murmelte ich und schaute mich um. Da stand er. Er grinste mich fast entschuldigend an. Süß. Ich ging zu ihm, dann fragte ich über die Schulter: „Wie lang denn?“

„Eine Minute.“

Das ging ja nochmal. Ich drehte mich wieder Logan zu und lächelte ihn kurz an, dann presste ich mich an ihn und küsste ihn was das Zeug hielt. Und ich musste zugeben, dass Logan ziemlich gut küssen konnte. Nicht so gut wie Alec, aber… STOPP! Das war ja nicht zum Aushalten, wie oft ich an den Idiot dachte! Logan legte die Hände an meine Taille und ich hielt mich an seinen Schultern fest. Die anderen zählten die letzten Sekunden, dann ließen wir uns los.

„Ich bin verliebt!“, verkündete ich theatralisch und Logan zwinkerte mir zu. Es war wie ein Witz unter alten Freunden. Ich ging wieder zu Sue und bemerkte Alec, der nicht weit entfernt stand und zu uns rüber blickte. Irgendwie sah er sauer aus. Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich von einem Jungen, der in meiner Klasse war, zum Tanzen auffordern. Nach einer Weile meinte er: „Komm mal mit.“ Mike (so hieß er) zog mich mit sich von den anderen weg zum Wasser.

„Schau mal. Von hier aus sieht man ganz viele Sterne.“

Wir standen eine Weile herum, nippten an unserm Bier. Mike erklärte mir wie die Sternbilder hießen und ich hörte einfach zu. Mein Handy klingelte plötzlich.

„Hallo?“, lallte ich, endgültig dicht.

„May, es ist zwei Uhr.“

„Dange, dass du mir des sagst, aber ich wollts gar nich wissen.“

„May, kann es sein, dass du betrunken bist? Du solltest mich um ein Uhr anrufen.“

„Ich bin nich betrunken. Überhaupt nich.“

„Wo bist du?“, stöhnte Alec ergeben.

„Am Strand mit Mike.“ Plötzlich wurde mir schwindlig und ich setzte mich kichernd in den Sand.

„Jetzt hat er einfach aufgelegt!“, verkündete ich traurig und sah zu Mike hoch. Der ließ sich neben mich fallen und aus irgendeinem Grund begannen wir zu singen, bis mir jemand auf die Schulter tippte.

„Was is n los?“

„Komm May, wir müssen gehen“, meinte Alec freundlich, aber bestimmt.

„Ich will aba noch hier bleiben.“

„Komm schon, wir gehen.“ Er zog mich hoch und führte mich weg.

„Tschüss Mike!“, rief ich noch während ich Alec hinter her stolperte. Er verfrachtete mich in sein Auto und fuhr los.

„Alec, ich glaub ich bin dicht!“, verkündete ich leise.

„Ach, glaubst du, ja?“ Ich nickte und sah ihn ernst an. Alec schüttelte den Kopf und sah plötzlich wütend aus.

„Hattest du Miri nicht versprochen dich nicht zu betrinken?“ Wir waren mittlerweile da und Alec hielt an.

„Sag ihr bidde nix!“ Ich schaute mich mit meinem Hundeblick an und bemerkte mal wieder wie scharf er war. Hilfe, ich war wirklich Steinhagel voll. Alec half mir auszusteigen und zog mir im Haus sogar die Schuhe und meine Jacke aus. Als er sich anschickte hoch zu gehen,  streckte ich die Arme aus und sagte: „Trag mich!“

Er warf mir einen Gott-bist-du-zu-Blick zu, nahm mich aber wie ein kleines Baby in seine Arme und trug mich hoch, als ob ich federleicht wäre. Er setzte mich in mein Bett und half mir meine Jeans und mein Shirt auszuziehen, dann meinte er: „Schlaf mal deinen Rausch aus, okay?“

„Bleib da!“, quäkte ich, als er gehen wollte. Er hob eine Augenbraue. „Du wirst mich morgen umbringen, wenn ich bleibe.“

„Nee. Ehrenwort.“ Er grinste und zog dann aber seine Jeans und sein T-Shirt aus und legte sich neben mich.

„Ich hab dich ganz arg lieb!“, meinte ich, kuschelte mich an ihn und schlief sofort ein.

Als ich aufwachte tat mir alles weh, vor allem mein Kopf. Ich drehte mich auf den Rücken und öffnete stöhnend die Augen. Scheiße, war das hell! Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte in Alecs grinsendes Gesicht!

„AAAAH! Was machst du hier!?“, kreischte ich. Ich sah an mir herunter. Oh Gott, ich trug ja nur Unterwäsche. „Nein, so betrunken war ich nicht… bitte, sag nicht das wir… oh heilige scheiße!“

„Dir auch einen guten Morgen“, meinte er kichernd. „Zu deiner Information: Wir haben weder rum gemacht noch sonst was.“ Ich atmete erleichterte aus.

„Warum liegst du dann in meinem Bett?“

„Weil du meintest, dass ich bleiben soll.“

„Oh nein. Ich hab den totalen Blackout. Ich weiß nur noch, dass du mich angerufen hast, aber danach…“ Ich sah ihn hilfesuchend an.

„Ich hab dich heimgefahren, dann musste ich dich in dein Zimmer tragen… warte, warte: du wolltest, dass ich das mache, also schlag mich bitte nicht!“ Ich ließ meine Hand wieder sinken. „Jedenfalls, du warst so dicht, dass du dich nicht selbst ausziehen konntest, deshalb hab ich das gemacht…“

„DU HAST WAS?!“

„Hey, beruhig dich. Dann meintest du ich soll bleiben, nein, du hast mich richtig überredet hier zu bleiben. Du bist richtig niedlich, wenn du besoffen bist. Du hast gesagt, dass du mich lieb hast.“

„Oh Gott. Bitte erschlag mich!“ Ich stöhnte wieder und schlug mir die Hände vors Gesicht. Wie peinlich! Alec kicherte wieder und zog mich in seine Arme.

„Nimms nicht so schwer.“

„Lass mich los!“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Weil ich nicht will.“

„Lass mich los, oder es passiert was!“, knurrte ich. Alec kicherte nur in meinen Nacken, dann nuschelte er gegen meine Haut: „Ich würde auch gern wissen, was passiert, wenn Miri erfährt, dass du schon auf deiner ersten Party hier total betrunken nach Hause gekommen bist.“

„Das traust du dich nicht!“, rief ich erschrocken.

„Oh doch.“ Scheiße, dieser Idiot hatte mich in der Hand. Und ich konnte nichts tun.

„Bitte sag ihr nichts!“, flehte ich.

„Krieg ich einen Guten Morgen Kuss?“

„Nein!“, empörte ich mich.

„Wann kommen Miri und Don nochmal heim?“, fragte Alec unschuldig.

„Das ist Erpressung.“

„Ich weiß“, kicherte Alec. Ich drehte mich in seinen Armen um und sah ihn böse an. Dann küsste  ich ihn ganz kurz auf den Mund, stand auf und verschwand ins Bad um erst mal zu duschen.

 

Ich saß wütend auf dem Sofa im Wohnzimmer und starrte verärgert vor mich hin. Dieser miese, durchtriebene, verblödete, kriminelle… gut aussehende, sportliche, perfekte Typ! Ach Mist, jetzt konnte ich nicht mal mehr richtig schimpfen. Wütend wählte ich Sams Nummer.

„Hast du schon mal was von Zeitverschiebung gehört?“, gähnte dieser in die Leitung.

„Sorry, Mann. Mein Stiefbruder nervt mich nur so.“

„Kein Problem. Also, was gibt’s?“

„Dieses Drecksschwein erpresst mich!“, rief ich wütend.

„Aha. Sind wohl doch nicht so lahm, diese Iren. Wie erpresst er dich genau?“

„Also, wir waren gestern auf so einer Party und da hab ich mich besoffen obwohl ich Miri versprochen hatte, dass ich nüchtern bleib. Miri und Don sind auf einem Ausflug und wissen noch nichts davon. Und Alec dieser Penner will mich verraten, wenn ich nicht mache was er will.“

„Und was genau will er?“, gähnte Sam. Danke für die Anteilnahme, BESTER FREUND!

„Weiß nicht. Aber heute Morgen musste ich ihn küssen!“, rief ich empört.

„Süße, kann es sein, dass du total auf diesen Alec stehst? Du beschimpfst ihn schon die ganze Zeit und, dass machst du nur so extrem wenn du auf jemand abfährst.“

„Du… Ich… NEIN!“

„Oh doch“, meinte Sam ruhig.

„Du bist mir eine große Hilfe.“

„Ich leide unter Schlafentzug.“

„Okay, na gut. Bis bald, bye!“ Ich legte auf und rief Sue an. Diese ging aber nicht an ihr Telefon, wahrscheinlich schlief sie noch den Schlaf der Gerechten. Ich schob die Unterlippe vor und verschränkte die Arme. Was jetzt?

Alec kam ins Zimmer. Seine Haare waren nass und er lächelte mich an.

„Weißt du, wenn man den Tag positiv beginnt, endet er auch positiv.“

„Die Möglichkeit ihn positiv zu beginnen, hat Selbstmord begangen als ich neben dir aufgewacht bin“, sagte ich düster.

„Charmant wie immer. Ich geh mit den Jungs ins Kino, ich komm wahrscheinlich erst spät heim. Okay?“

„Meine Fresse, jetzt frag nicht so dumm, sondern verschwinde endlich!“, rief ich wütend. Er lachte nur und ich hörte wie die Haustür ins Schloss fiel.

Ich raffte mich auf und beschloss mir Mittagessen zu kochen. Ich machte mir Spagetti mit Bolognese Soße. Als ich fertig war, war es zwölf Uhr. Die perfekte Zeit zum Essen. Ich setzte mich an den Küchentisch und wollte gerade die erste Gabel in den Mund schieben als es klingelte. Ich ließ frustriert die Gabel wieder sinken und ging zur Tür.

Ein Mädchen, vermutlich ein  bisschen älter als ich stand vor mir. Ich konnte sie auf den ersten Blick nicht leiden. Sie hatte diese wasserstoffblonden Haare, viel zu pinke Lippen und zu viel Liedschatten. Sie trug Top und Minirock und machte auf mich einen Barbie-Eindruck.

„Was?“, fragte ich.

„Ist Alec da?“ Gott, was hatte die denn für eine Kreissägen Stimme!?

„Nope.“

„Sag bloß du bist seine neue Schlampe! Kaum bin ich weg, schon holt er sich eine Andere. Ich kann es nicht fassen!“

„Okay, Barbie. Lass mich mal was klar stellen. Erstens: Ich bin nicht die Schlampe von diesem Penner,  ich bin seine Stiefschwester. Zweitens: Bei so einem Pfosten wie Alec, wäre es kein Wunder, wenn er schon drei Neue hätte und Drittens: Wer zur Hölle bist du eigentlich?“

„Ich bin seine Ex, Trisha. Wir haben vor zwei Wochen Schluss gemacht.“

„Und was willst du hier?“ Ich war genervt bis zum Geht-nicht-mehr. Jetzt musste ich mich auch noch mit einer Ex von diesem Deppen rum schlagen.

„Ich wollte mit ihm reden.“

„Ernsthaft, Süße. Da ist nichts mehr zu retten. Ich bin sicher, dass er dich auf keinen Fall zurück will.“ Punkt. Und jetzt die Türe vor der Nase zuknallen und wieder zurück in die Küche zu meinem Essen. Jam, jam. Aber drei Bissen später klingelte es schon wieder.

„Himmel und Hölle, kann man hier nicht mal in Ruhe essen?“ Mit diesen Worten öffnete ich die Tür.

„Oh, hi Logan!“ Ich lächelte ihn an. Er starrte kurz verblüfft zurück, dann lächelte er auch.

„Ist Alec da? Wir wollten heut ins Kino, aber er ist nicht aufgetaucht und an sein Handy geht er auch nicht.“

Sofort verschwand mein lächeln.

„Er ist vor einer Stunde los. Hoffentlich ist ihm nichts passiert!“, rief ich erschrocken.

„Hey, mach dir keine Sorgen, er ist wahrscheinlich schon da und wir haben uns einfach verpasst.“ Logan zog sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer während ich ihn in die Küche führte.

„Hey Tom. Ist Alec in zwischen da? .... Nein, hier ist er nicht …. May sagt, er wäre vor einer Stunde los …. Okay, alles klar.“ Er legte auf.

„Tom meint, dass er noch nicht da ist und auf seinem Handy können wir ihn nicht erreichen. Weißt du ob er mit dem Auto los ist?“

„Nein. Schau doch, ob es noch in der Garage steht.“ Gesagt getan. Kurz darauf war Logen wieder da.

„Sein Auto ist weg. Hey, May bitte beruhig dich. Ihm ist bestimmt nichts passiert. Er hatte noch nie einen Unfall.“ Logan verfrachtete mich aufs Sofa. Ich zog meine Beine an und schlang meine Arme um sie.

„Was machen wir denn jetzt?“

„Tom und Seth kommen her. Wenn sie da sind, sehen wir weiter.“ Er legte mir einen Arm um die Schultern. Wieder mal fühlte ich mich, als würden wir uns schon ewig kennen.

Die Zeit verging langsam und ich schaute alle paar Sekunden auf die Uhr, während Logan auf und ab lief und versuchte, Alec zu erreichen. Als es klingelte stürzte ich zur Tür, aber es waren nur Tom und Seth. Natürlich, Alec hatte ja auch einen Schlüssel.

„Habt ihr ihn erreicht?“, fragte Tom.

„Nein“, sagte Logan.

„Rufen wir doch im Krankenhaus an. Vielleicht…“, meinte ich als wir wieder im Wohnzimmer waren.

Logan zog wieder sein Handy heraus und wählte.

„Hallo?... Mein Name ist Logan McSilvan. Ich bin der Cousin von Alec McSilvan…. Ja, es könnte sein, dass er einen Unfall hatte…. Okay…. Was?... Aha, danke…. Ja, mach ich…“ Logan legte auf und sah uns an. „Alec hatte einen Autounfall. Er liegt auf der Intensivstation.“

Innerhalb der nächsten Sekunden geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Seth sprang erschrocken auf, Tom rief „Scheiße!“ und ich begann zu weinen. Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst um jemanden gehabt.

 

Als wir endlich im Krankenhaus waren stürzen wir zur Rezeption und Logan fragte: „Wo ist Alec McSilvan?“

„Zimmer 265. Er ist grad von der Intensiv runter“, erklärte die Dame. Vor Erleichterung musste ich nur noch mehr weinen und stolperte den Jungs hinterher. Bei Alecs Zimmer angekommen, hielt uns ein Arzt zurück.

„Bitte seien sie leise und regen sie den Patient nicht auf. Er braucht Ruhe! Und informieren sie bitte die Eltern.“ Logan nickte und schickte sich an Don anzurufen während ich den Arzt auf die Seite schob und in das Zimmer lief.

„Alec? Oh Gott, du Idiot! Ich hatte solche Angst!“, sagte ich erstickt und setzte mich neben ihn aufs Bett. Er schlief doch ich redete die ganze Zeit leise auf ihn ein. Ich klammerte mich an seine Hand und versuchte ihn nicht zu sehr an zusehen. Alec sah nämlich ziemlich scheiße aus. Der Arzt kam rein und informierte uns: „Er hat sich das Bein gebrochen, einige Schnittwunden an den Armen und im Gesicht, außerdem eine leichte Gehirnerschütterung. Es geht ihm soweit gut, aber sein Wagen ist Schrott. Er sollte spätestens in einer Stunde aufwachen.“ Der Arzt ging und ich krallte mich weiter an Alecs Hand fest. Es hätte viel schlimmer kommen können. Alec hätte sterben können, und ich hatte ihn heute sogar angeschrien!

„Taschentuch?“, fragte Logan leise und reichte mir eins.

„Danke“, sagte ich und putzte mir die Nase.

Es dauerte tatsächlich eine Stunde bis Alec aufwachte und die Jungs saßen alle noch im Zimmer rum, während ich meine verkrampften Finger nicht von seiner Hand lösen wollte.

„Was…?“, ächzte er.

„Alec, du Idiot. Bau noch einmal einen Unfall und ich bring dich um!“, flüsterte ich. Er grinste mich verschlafen an, dann sagte er: „Da hat sich wohl jemand Sorgen gemacht, was?“

„Natürlich hab ich mir Sorgen gemacht, du Depp!“

„Sag mal, hast du geweint?“, fragte Alec erstaunt.

„Alter, May hat fast die ganze Zeit geweint“, sagte Seth lachend, worauf er einen bösen Blick von mir erntete.

„Stimmt das?“, fragte Alec, doch mir wurde die Antwort erspart, weil meine Mum und Don ins Zimmer platzten.

„Alec! Ist alles in Ordnung? Logan meinte, du hattest einen Unfall!“, rief Don.

„Ja, ist alle okay. Irgend so ein Freak ist mir hinter rein gefahren. Aber er hat sofort den Krankenwagen geholt.“

Miri lächelte erleichtert. Wahrscheinlich erinnerte sie sich gerade daran, wie sie mich eines Tages vom Krankenhaus abholen musste, weil ich mir den Arm gebrochen hatte, als sie im Urlaub gewesen war. (Im Urlaub! Ohne mich! Stellt euch das mal vor.)

Später verabschiedeten die Jungs sich und Miri und Don wollten etwas Essen während ich bei Alec blieb. Bitte fragt nichts warum. Ich… ach keine Ahnung.

Alec öffnete gerade den Mund als der Arzt rein kam.

„So, noch eine letzte Untersuchung und wenn alles gut geht, können Sie schon heute wieder heim.“

„Ich warte draußen“ sagte ich schnell und wurde ein bisschen rot, weil Alec mir zu zwinkerte. Gott, was stimmte nur nicht mit mir. Auf dem Flur rief ich erst mal Sue an und erzählte ihr alles.

„Wie romantisch!“, seufzte sie am Ende.

„Jetzt nicht du auch noch. Ich will nichts von ihm!“

„Warum hast du dann sogar geweint?!“

„Meine Güte, immerhin sind wir Stiefgeschwister!“

„Jaja. Schon klar, May. Wir besprechen das morgen dann weiter!“ Sie legte lachend auf und ich steckte das Handy in meine Tasche. In dem Moment kam Alec mit Krücken aus seinem Zimmer gehumpelt. Wie konnte man mit gebrochenem Bein nur so sexy aussehen? Hilfe, war ich denn auch auf den Kopf gefallen? Wieso dachte ich so was? Ich brauchte dringend einen Freund, der nicht Alec war.

„So, nächste Woche müssen sie nicht zur Schule. Und schonen sie sich.“

„Okay, das werde ich bestimmt.“ Alec grinste und der Arzt wollte ihm einen Zettel in die Hand drücken, was nicht ging, weil Alec ja die Krücken hatte, also gab er ihn mir. Er verabschiedete sich und Miri und Don kamen auf uns zu.

„Ich soll nächste Woche nicht in die Schule“, verkündete Alec sachlich und ich reichte Don den Zettel.

„Gut. Dann fahren wir jetzt erst mal nachhause“, sagte meine Mum und kurz darauf saßen wir alle in Dons Auto.

 

Don half Alec die Treppe hoch und verzog sich dann zu meiner Mum ins Wohnzimmer. Ich saß auf meinem Bett rum, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich sprang auf und ging zu Alecs Zimmer. Ich öffnete vorsichtig die Tür und schlüpfte in den Raum. Es war dunkel und Alec lag mit geschlossenen Augen in seinem Bett. Ich setzte mich vorsichtig neben ihn. Ich hob meine Hand und strich ihm die Haare aus der Stirn.

„Du bist so ein Idiot!“, seufzte ich leise.

„Warum das denn?“, nuschelte er und hielt meine Hand fest, sodass ich sie nicht weg ziehen konnte.

„Weil du einfach einen Unfall baust. Ich steh immer noch unter Schock.“

„Das war doch keine Absicht. Obwohl… im Nachhinein stört es mich nicht im Geringsten.“

„Was? Wie kannst du so was sagen?“ Ich schaute Alec erschrocken an. Dieser grinste schwach und öffnete die Augen ein bisschen.

„Du hast dir richtig Sorgen gemacht, Süße. Ich bin mir sicher, dass du in nächster Zeit netter zu mir bist.“

Ich zog meine Hand weg und zischte wütend: „Du bist so ein selbstverliebtes Arschloch. Ich mach mir ernsthaft Sorgen und du nimmst es nicht mal ernst!“

„Und dabei sind wir noch nicht mal zusammen“, stöhnte Alec genervt und öffnete seine Augen ganz. Ich schnappte empört nach Luft.

„Und das werden wir auch ganz bestimmt nie sein!“

„Jaja, ist gut, May.“ Irgendwie klang das jetzt herab lassend. Ich wollte unbedingt das Thema wechseln, also sagte ich: „Da war vorhin so eine Trisha, die irgendwas von dir wollte. Ich hab gesagt, dass du nichts von ihr willst.“

„Trisha? Oh Gott, danke. Ich kann sie nicht ausstehen.“

„Warum warst du dann mit ihr zusammen?“

„Ich war nicht… mit ihr zusammen. Wir haben mal rum gemacht und seit dem rennt sie mir hinter her.“

„Aha. Ich geh dann mal wieder.“ Ich stand auf und flüchtete mich in mein Zimmer. Nachdem ich mich unter meiner Bettdecke verkrochen hatte begann ich zu weinen. Ich weiß. Niveaulos. Aber es verletzte mich einfach, wie herablassend Alec zu mir gewesen war. Und auch irgendwie die Tatsache, dass… Oh Mann, ich war eifersüchtig auf Trisha! Wieso machte er mit so einer Barbie rum und nicht mit … Nein, ich durfte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. Das würde sowie so nichts bringen. Ich legte mich gerader hin und wischte die Tränen weg. So etwas hatte ich nicht nötig.

 

Weil ich in der Nacht so gut wie gar nicht geschlafen hatte, war es nur verständlich, dass ich am nächsten Morgen wie ausgekotzt aus sah. Da Alec nicht in die Schule ging, hatte ich noch weniger Zeit, da ich mit dem Bus fahren musste. Welchen ich fast verpasste. Ich hatte Monsteraugenringe und keine Zeit zum Duschen oder Frühstücken gehabt. Ich drückte meine Tasche an mich und quetschte mich in den Bus.

„Oh, hi May. Ich wusste gar nicht, dass du mit dem Bus fährst.“ Mike stand neben mir und lächelte mich an.

„Ja, Alec kommt heute nicht in die Schule. Deshalb kann er mich nicht fahren.“

„Ein Unfall?“ Mike klang allarmiert.

„Nichts Schlimmes. Hat sich das Bein gebrochen. Und er muss die ganze Woche nicht in die Schule!“, empörte ich mich. Mike sah mich eine Weile lang an. Dann sagte er grinsend: „Sorry, aber du siehst heute echt scheiße aus.“

„Ich dich auch, Mike.“ Ich streckte ihm die Zunge raus dann sagte ich: „Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen, und dann auch noch das mit dem Unfall. Mir geht’s einfach nicht so gut.“

Mike nickte verständnisvoll. Der Bus hielt und wir stiegen aus. Gemeinsam schlenderten wir in Richtung Klassenzimmer wo uns Sue entgegen kam und mir einen bedeutungsvollen Blick zu warf.

„Sorry Mike. Aber du bist jetzt nicht erwünscht. Frauengespräch!“ Mike zuckte mit den Schultern und winkte noch mal. Schon war er verschwunden.

„Jetzt erzähl schon! Was ist gestern noch passiert?“, drängte Sue.

„Weiß nicht. Irgendwie nichts mehr. War ja schon spät als wir heim gekommen sind.“ Ich stierte vor mich hin, doch dann kam zu Glück die Lehrerin rein und der Unterricht begann.

 

„Bin wieder da!“, grölte ich und schmiss meine Tasche in den Flur. Auf der Heimfahrt im Bus war mir schlecht geworden und Mike hatte mich die ganze Zeit dumm angelabert.

„Hallo May!“, begrüßte mich meine Mutter. „Don ist arbeiten und ich muss auch gleich los. Könntest du so nett sein und dich ein bisschen um Alec kümmern, ja? Danke!“ Und schon war sie weg. Ich schleppte mich in die Küche. Mich um Alec kümmern. Ja, klar. Schon recht. Ich aß etwas von den Spagetti, die auf dem Tisch standen. Während dessen sah ich einen Zettel auf dem Tisch liegen. Ich hob ihn auf und las.

 

Hallo May!

Für den Fall, dass ich dich nicht mehr erwische: Bring Alec bitte sein Essen hoch und kümmere dich ein bisschen um ihn. Don und ich kommen erst spät heim.

Liebe Grüße,

Mum

 

Demütigung! Jetzt durfte ich auch noch Diener spielen oder was? Ich stellte meinen Teller in die Spüle, dann nahm ich Alecs und trug ihn hoch. Ich klopfe und öffnete die Tür. Alec saß auf seinem Bett und hatte seinen Laptop auf dem Schoß. Als er mich sah klappte er den Laptop zu und legte ihn weg.

„Ich mach das nicht freiwillig!“, zischte ich wütend, als ich sein Grinsen sah.

„Ach jetzt komm schon! Nimms nicht so schwer.“ Er nahm mir den Teller ab, dann fragte er versöhnlich: „Hast du Lust ein bisschen hier zu bleiben? Mir ist echt langweilig.“ Ich ließ mich seufzend auf sein Bett sinken und sah ihm beim Essen zu.

„Und, wie war die Schule?“

„Mies. Total ätzend. So wie immer. Alle machen sich schreckliche Sorgen um dich. Ich soll dir von der halben Schule gute Besserung wünschen. Und von Trisha soll ich dir sagen, dass sie noch eine Chance will“, sagte ich entnervt. War ich ein Postbote oder was?

Alec verzog das Gesicht. „Bloß nicht. Sag ihr, sie soll sich jemand anderen zum Stalken suchen!“

„Sag’s ihr selbst. Alec, du musst bald wieder in die Schule kommen. Ich hasse es, Bus zu fahren! Man wird die ganze Zeit dumm von der Seite an gequatscht.“

„Tss, tss, tss. Du willst nur das ich gesund werde, damit du nicht mehr Busfahren musst?“, fragte er gespielt verletzt.

„Nein, also doch. Ach, keine Ahnung.“

Er grinste, dann fragte er: „Wie hast du das früher in New York gemacht?“

„Sam oder Brad haben mich gefahren.“

„Du bist echt verwöhnt.“ Alec war fertig mit essen und wir redeten noch ein bisschen über die Schule, dann brachte ich seinen Teller runter und ging in mein Zimmer Hausaufgaben machen.

„May!“ Ich hob den Kopf. Hatte Alec da eben nach mir gerufen? Ich stand auf und ging in sein Zimmer um zu schauen was los war.

„Ähm, könntest du mir vielleicht die Treppe runter helfen?“, fragte er zerknirscht.

„Warum sollte ich?“

„Weil ich so nett gefragt hab?“

„Was hab ich davon?“ Jetzt grinste Alec. „Du kriegst alles was du willst, Süße!“ Ich verzog das Gesicht. „Ich will, dass du mir schwörst, mich nicht mehr mit der Betrunkenen Sache zu erpressen.“

„Und das nur, wenn du mir die Treppe runter hilfst? Pff, da bleib ich lieber hier. Allerdings habe ich da eine andere Idee: Wie wäre es, wenn ich Miri erzähle das du betrunken warst, es sei denn du hilfst mir die Treppe runter.“

„Weißt du was? Ich lasse mich nicht von dir erpressen! Sag es ihr halt, wenn‘s dir Spaß macht.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“

„Dann lass ich‘s. Ist nicht lustig, wenn‘s dich nicht stört.“ Er zuckte mit den Schultern. Ich ließ mich neben Alec aufs Bett fallen und lehnte mich gegen ihn.

„Als ich aus New York weg musste, hab ich gedacht, dass ich so schnell wie möglich zurück kehre“, erzählte ich nach einer Weile leise. Fragt nicht warum. „Aber jetzt habe ich bemerkt, dass mir eigentlich kaum etwas fehlt.“

Alec nickte.

„Ich hab gedacht, dass ich alles hätte. Freunde, gute Noten, ich war beliebt… Aber jetzt komm ich hier her und… ach, sorry das ich dich damit voll labere, das interessiert dich ja nicht.“ Ich wollte aufstehen aber Alec legte seine Arme um meine Taille und zog mich zurück.

„Schon okay.“

Ich schaute ihn an. Er sah ernst aus und in Gedanken.

„Was ist los?“, fragte ich leise.

„Nichts. Lass uns einfach ein bisschen hier rum sitzen…“ Er drehte die Musik lauter und ich lehnte mich bequemer an ihn. Linkin Park dröhnte durch das Zimmer. Somewhere I belong. Ich liebte dieses Lied. Ich seufzte und schloss die Augen. Mir fiel auf, dass ich mich hier in Alecs Armen total wohl fühlte. Ich wollte eigentlich gar nicht mehr aufstehen. Langsam döste ich weg…

„Weißt du, du bist richtig niedlich wenn du schläfst, May!“

„Was is los?“, murmelte ich verschlafen und sah in Alecs grinsendes Gesicht. Hm, bei diesem Anblick wurde man doch gerne wach, Moment, mein Gehirn war wohl noch im Land der Träume…

„Ich meinte, dass du niedlich bist wenn du schläfst.“

Erst jetzt merkte ich, dass ich auf Alecs Schoß lag.

„An mir ist überhaupt nichts niedlich!“, murmelte ich und rappelte mich auf.

„Wie spät ist es?“, fragte ich und fuhr mir durch die Haare.

„Kurz nach fünf.“

„Was? Ich muss noch einen Aufsatz fertig schreiben. Scheiße, scheiße, scheiße!“ Fluchend stolperte ich in mein Zimmer und hörte Alec lachen. Mistkerl. Ich setzte mich also an diesen Aufsatz und sog mir etwas aus den Fingern um die drei geforderten Seiten zu füllen. Als ich fertig war, war es bereits halb sieben und Mum und Don waren wieder da.

„Es gibt essen!“, rief Don und kam gerade die Treppe hoch. Ich sprang auf und wollte schon mit knurrendem Magen nach unten stürmen, wurde aber aufgehalten, weil Alec und Don vor mir auf der Treppe waren und sich im Tempo eines 90jährigen Ehepaares mit Rollator bewegten. Langsam trottete ich ihnen hinter her.

Es gab irgendeine eklige kalte Cremesuppe und ich würgte einen Teller runter. Danach beschloss ich, heute hungrig schlafen zu gehen und wollte schon aufstehen, doch meine Mutter sah mich mit diesem bleib-sitzen-wir-müssen-was-besprechen Blick an. Also ließ ich mich kraftlos zurück sinken.

„Also, Kinder“, begann Mum und ich stöhnte auf. Das konnte ja was werden. „Wie ihr wisst, sind Don und ich verlobt. Und wir haben jetzt tatsächlich beschlossen in 10 Tagen zu heiraten. Eigentlich wollten wir es euch früher sagen, aber irgendwie schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein.“

„Hey, cool! Ich freu mich“, meinte Alec grinsend. Meine Mum und Don lachten erleichtert auf.

Heiraten? Nein. Das war so endgültig… Ich wusste nicht… ich konnte nicht akzeptieren, dass das hier meine neue Familie werden würde. Also so richtig. Ich stand auf und verließ das Haus.

Ich weiß gar nicht ob ich das erzählt habe, aber hinter dem Haus gab es einen kleinen Garten mit Hecken drum rum und einer Holzterrasse. Das Gras war mindestens zehn Zentimeter hoch. Außerdem gab es einen großen Baum. Auf dieser Holzterrasse ließ ich mich jetzt jedenfalls nieder. Ich zog die Knie an und wartete auf die Tränen. Aber es kamen keine. Dafür kam Don und setzte sich neben mich. Eine Weile saßen wir schweigend neben einander, dann sagte er: „Ich kann verstehen, dass du das nur schwer akzeptieren kannst, dass deine Mutter wieder heiratet. Als ich in deinem Alter war hat mein Vater auch neu geheiratet. Ich wollte das nicht wahr haben und bin einfach abgehauen.“

„Echt?“, fragte ich überrascht und Don grinste schief. Mir viel auf wie ähnlich er Alec war.

„Naja, ich bin zwei Wochen bei einem Freund untergetaucht. Dann bin ich aber trotzdem zur Hochzeit gegangen und hab gesehen wie glücklich mein Vater und meine Stiefmutter waren. Und irgendwie war ich dann auch glücklich. Und der Punkt ist, dass die zwei auch glücklich geblieben sind. Was ich dir sagen will ist, dass ich deine Mutter niemals verletzten werde, weil ich sie wirklich liebe. Und ich möchte, dass wir vier eine richtige Familie sind. Aber wenn das für dich nicht okay ist, dann…“

„Don. Es ist okay.“

Don atmete erleichtert aus. „Gut, ich lass dich dann noch ein bisschen alleine.“ Als er weg war verdrehte ich die Augen. Dons Gebrabbel hatte mich nicht wirklich weiter gebracht. Aber irgendwie war mir klar, dass wenn meine Mum wieder heiratete, dann ihn. Die beiden passten super zusammen. Was mich mehr störte war einfach Alec. Warum musste er mein Stiefbruder sein? Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen ging ich rein und legte mich schlafen obwohl es noch ziemlich früh war.

 

„May?“ Ich drehte mich um und schaute zur Tür. Alec stand dort und schaute mich schmunzelnd an. Ich stöhnte auf als mir klar wurde, dass ich nur Unterwäsche trug. Ich schmiss ein Kissen nach ihm.

„Dreh dich gefälligst um oder schau wo anders hin!“ Alec grinste nur noch breite, drehte sich aber nicht um. Ich zog die Decke über mich.

„Ich soll dir sagen, dass du langsam mal aufstehen musst, wenn du nicht zu spät kommen willst.“

Heute war der große Tag. Heute war die Hochzeit. Die letzten Tage waren wie im Flug vergangen. Ich hatte mit Sue ein Kleid für die Hochzeit gekauft, hatte meiner Mutter bei den letzten Vorbereitungen geholfen und mich von Alec nerven lassen.

„Ist das Bad schon frei?“, fragte ich gähnend.

„Japp.“

„Okay.“ Ich stand auf und ging hoch erhobenen Hauptes an Alec vorbei. Ich duschte und zog mir mein Kleid an. Es war dunkelblau und eng. Es ging mir bis zur Hälfte meiner Oberschenkel und hatte nur einen breiten Träger über der rechten Schulter. Ich schminkte mich leicht und ließ meine Haare lockig über meine Schultern hängen. Alles in allem war ich ziemlich zufrieden mit meinem Erscheinungsbild. Ich schlüpfte in meine schwarzen High Heels und hörte wie Alec nach mir rief.

„Komm endlich! Wir müssen los!“ Ich ging schnell nach unten und verließ das Haus. Alec saß schon im Wagen und betrachtete mich bewundernd als ich einstieg.

„Ich erlaube dir mir ein Kompliment zu machen“, sagte ich.

„Wie großzügig. Also dann: Du siehst mega scharf aus!“

Ich verdrehte die Augen.

„Du siehst auch ganz gut aus.“ Alec sah total heiß aus mit seinem Anzug, aber das musste ich ihm ja nicht unter die Nase reiben, oder?

 

Wir hielten und ich sah die große Kirche. Es standen schon viele Gäste davor, einige gingen auch schon rein. Alec wollte aussteigen, aber ich streckte blitzartig die Hand aus und hielt ihn fest.

„Was ist?“, fragte er verwundert und ich ließ ihn los.

„Ich, ähm… ach egal, gehen wir.“ Mir war richtig schlecht und schwindelig. Meine Mum würde heute einen Mann heiraten, der nicht mein Dad war.

„Hey. May, ich bin auch irgendwie… nervös.“ Er lächelte mich an und drückte kurz meine Hand. Wir stiegen aus und während wir zusammen in die Kirche liefen war ich richtig froh, dass Alec bei mir war.

Wir saßen in der zweiten Reihe eng neben einander, weil die Kirche so klein war, dass alle dicht an dicht saßen. Drei Reihen hinter uns saß Logan mit seinen Eltern ich winkte ihm kurz als ich ihn sah. Er zwinkerte mir zu und ich drehte mich wieder um. Von meiner kleinen Familie waren nur meine Tante und ihr Mann und ihre Tochter da. Jeanne war so alt wie ich, aber eine totale Zicke. Aber meine Tante mochte ich. Ansonsten hatte ich keine Verwandtschaft, weil meine Großeltern früh gestorben waren.

„Also, ich hätte nie gedacht, dass ich dieser kleinen Kirche und meiner großen Verwandtschaft mal dankbar sein würde“, meinte Alec plötzlich.

„Warum?“ Ich schaute ihn verwirrt an und sah, dass er grinste. Ach so. Weil wir so eng aneinander saßen. Haha.

„Ich lach später“, meinte ich kalt und schaute nach vorn. In dem Moment begann die Zeremonie.

 

Wow. Gerade hatten Miri und Don sich das Jawort gegeben. Irgendwie war ich total gerührt und glücklich. Wir standen auf und folgten den anderen in den angrenzenden Garten, der für die Feier hergerichtet worden war. Es sah aus wie im Film: Ein Buffet mit Torte, eine Tanzfläche und ein kleines Streichquartett.  Es wurden Reden gehalten, dann eröffneten Don und Miri das Tanzen. Ich ging zu Logan, Alec hatte sich irgendwo hin verkrümelt.

„Hey, wie geht’s?“, begrüßte ich ihn.

„Gut. Ist echt toll hier.“ Wir redeten eine Weile über unbedeutendes Zeug, bis ich plötzlich eine Stimme hörte, die einen allzu vermissten amerikanischen Akzent hatte.

„Wie kommt es, dass mir meine beste Freundin noch nicht hallo gesagt hat?“

Ich wirbelte herum und kreischte fröhlich: „Sam!“ und viel meinem besten Freund um den Hals.

„Wie geht’s dir? Oh Mann, niemand hat mir gesagt, dass du kommst!“

„Unsere Mums sind doch so gute Freundinnen. Wir wollten dich damit überraschen, dass ich auch komme.“

„Logan, das ist mein bester Freund Sam, Sam, das ist Logan, ein Cousin von Alec.“

Die beiden begrüßten sich und unterhielten sich eine Weile. Ich hatte Sam wirklich vermisst. Er sah echt richtig gut aus, aber war total schwul.

Ich ließ meinen Blick schweifen und sah Alec und meine Cousine Jeanne knutschend in einer Ecke stehen. Ich riss erschrocken die Augen auf. Es versetzte mir einen Stich ihn mit einer andern zu sehen. Ich wandte den Blick ab und verschwand in Richtung Frauenklo.

Aus dem Spiegel blickte mir ein blasses Mädchen mit weit aufgerissenen Augen in denen Tränen standen. Fucking shit! Ich hatte mich tatsächlich in Alec, meinen Stiefbruder, verliebt.

Die Tür öffnete sich und Sam stellte sich neben mich ans Waschbecken.

„Mann, das ist ein Frauenklo. Du darfst hier nicht rein.“

„Doch. Ich bin schwul.“ Er grinste mich schief an, wurde aber schnell wieder ernst. „Sagst du mir jetzt was los ist?“

„Es ist nichts.“

„Nichts, außer, dass du total in diesen Alec verknallt bist?“ Ich sah ihn verwirrt an.

„Woher weißt du das?“

„Ich hab einen sechsten Sinn für so was.“ Ich seufzte und lehnte mich gegen Sam.

„Ich wollte das gar nicht. Er ist eigentlich ein totales Arschloch, aber dann ist er wieder total süß und ich weiß einfach nicht weiter, weil er sich sowieso an alles rann macht, dass nicht bei drei auf dem Baum ist!“

„Hey, jetzt beruhig dich mal wieder. Verliebtheit hat noch keinen umgebracht. Weißt du was? Du gehst jetzt einfach da raus und zeigst ihn, dass er dir egal ist. Dann kommt er sofort angelaufen, du wirst schon sehen.“ Missmutig ließ ich mich von ihm wieder nach draußen ziehen. Wir standen eine Weile rum und Sam erzählte mir das neueste aus New York.

„Ivy ist tot“, meinte er plötzlich.

„Was?!“ Ivy war ein stilles Mädchen aus meiner Paraklasse gewesen. Sie war unauffällig und immer schwarz angezogen gewesen und hatte nie etwas Unsinniges getan, soweit ich wusste.

„Ja, sie hat Drogen genommen. Dann war‘s wohl mal eine Dosis zu viel und schupps… Jetzt haben wir ein Antidrogen Programm an der Schule.“

Ich wollte gerade noch etwas dazu sagen als sich Alec zu uns gesellte.

„Ähm, Alec, das ist Sam, Sam, das ist Alec“, stellte ich sie kurz vor und sie nickten sich abschätzend zu. Dann fragte Alec mich grinsend: „Schenken sie mir den nächsten Tanz, Milady?“

Ich spielte mit und sagte: „Mit größtem Vergnügen, Milord.“

Er führte mich auf die Tanzfläche. Gerade fing ein Stehblues an und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das alles von Alec geplant war. Er zog mich enger zu sich und legte seine Hände an meine Taille. Ich verschränkte meine hinter seinem Nacken und schaute ihn etwas verlegen an.

„Und, wie verstehst du dich mit Jeanne?“ Mist, das war ja wohl das Blödeste, was ich hätte sagen können. Alec schaute mich komisch an, dann grinste er anzüglich.

„Bist du etwa eifersüchtig?“

„Nein!“

Er lachte. „Okay, im Ernst. Wer ist Jeanne?“

Verblüfft schaute ich ihn an. „Meine Cousine? Das Mädchen, dass vorhin an deinem Gesicht hing?“ War er so dreist, dass er sich nicht mal die Namen seiner Schlampen merkte? Und in den hatte ich mich verliebt…

„Ach ja stimmt. Sie ist ein bisschen …stürmisch. Sie hat mich etwas überfallen.“ Warum versuchte Alec sich zu rechtfertigen?

„Jaaa... Ich mag sie nicht.“

Alec lachte leise und mein ganzer Körper begann zu kribbeln.

 

Stöhnend goss ich mir ein Glas Wasser in der Küche ein. Die Hochzeit war gut verlaufen, nur jetzt mussten die Gäste aus Amerika bei uns einquartiert werden. Soll heißen: Jeanne schlief in meinem (meinem!) Bett, meine Tante und mein Onkel auf dem Ausziehsofa im Wohnzimmer und ich hatte die Ehre in Alecs Bett zu pennen. Mit ihm. Also, nicht MIT ihm, sondern eben mit ihm, im Sinne von neben ihm, bei ihm… Ja, ihr wisst was ich meine. Sam und seine Mutter waren leider schon wieder abgereist, sie hatten Bekannte in Irland, die sie besuchen wollten. Seufzend ging ich ins Bad und zog meine Schlafklamotten an. Ich hoffte, dass Alec schon schlief oder das alles einfach unkommentiert lassen würde, aber Hoffnung ist eben etwas sehr naives.

„Na, ist das nicht meine Bettpartnerin? Ich hab extra auf dich gewartet!“

„Wie überaus nett von dir“, knurrte ich und ließ mich neben ihn sinken.

„Ich…“

„Sei einfach leise!“

Sein Grinsen erlosch nicht und er meinte gespielt empört: „Ich bitte dich! Es gibt etwas das nennt sich Redefreiheit!“

„Und es gibt etwas das nennt sich Nachtruhe.“ Ich schaltete die Nachttischlampe aus und schloss die Augen.

„Du fällst aus dem Bett, wenn du dich auch nur einen Zentimeter nach vorne bewegst“, sagte Alec plötzlich und zog mich näher zu sich.

„Lass das!“

Doch er schlang einen Arm um meine Taille und leider war er stärker als ich und ich konnte mich nicht befreien.

„Du hast schon mal freiwillig mit mir in einem Bett geschlafen.“

„Was? Dieses traumatische Erlebnis muss ich wohl verdrängt haben.“

„Ach was. Traumatisch.“

“Meine Güte, ich war total blau!“

„Na und? Betrunkene sagen stets die Wahrheit.“

„Steck dir deine Weisheiten sonst wo hin.“ Mann, der Typ ging mir vielleicht auf die Nerven! Ich war todmüde und wollte einfach nur noch schlafen.

„Kann ich dich mal was fragen?“ Er klang plötzlich richtig ernst und… vernünftig.

„Japp, aber beeil dich. Ich bin echt müde.“ Ich drehte mich in seinen Armen um, um ihn ansehen zu können. Dass hatte jedoch nur zur Folge, dass unsere Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren.

„Du hast immer so komische Stimmungsschwankungen. Meistens zickst du mich an, aber manchmal bist du wieder total nett.“

Ich sah ihn fragend an und er zuckte mit den Schultern.

„Auf der Hochzeit zum Beispiel, warst du eigentlich richtig nett und wir haben uns gut verstanden. Aber jetzt tust du wieder so, als wäre ich dein größter Feind.“

Ich schaute ihn eine Weile an. Er hatte Recht. Aber ich …

„Es ist schwierig für mich. Weißt du, plötzlich hat meine Mum seit Jahren einen wieder einen Freund. Ist ja okay, aber der ist ausgerechnet aus Irland. Ich musste hier her ziehen und habe so viel verloren. Meine Freunde, meine Umgebung… Hier ist alles so anders und du bist…“

„Was? Was bin ich?“ Alec schaute mich neugierig an.

Total süß, gut aussehend, perfekt…, dachte ich.

„Ich weiß nicht“, sagte ich. Dann schloss ich wieder die Augen.  Alec gab keinen Laut mehr von sich und nach einer Weile war ich mir sicher dass er eingeschlafen war. Und in dem Moment in dem ich die Augen

öffnen wollte, um sicher zu gehen, legten sich seine Lippen auf meine.

Ich war total verwirrt und überrumpelt, weshalb ich den Kuss erwiderte. Oh Mann, ich war sofort auf alle Mädchen neidisch bei denen er so gut küssen gelernt hatte… Moment! Alec verwechselte mich wohl mit einem seiner Betthäschen. Ich schubste ihn weg und so ihn wütend an.

„Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“, stöhnte Alec genervt und ließ sich wieder zurück sinken.

„Was du falsch…? Ich glaub es hackt! Du kannst mich doch nicht einfach so küssen?!“ Obwohl… eigentlich war es gar nicht so schlimm gewesen… Aber ich konnte das nicht. Ich konnte nicht mit jemand rum machen der für mich keine Gefühle hatte, ich aber schon.

„Mit Logan hast du auch rum geknutscht“, murte er beleidigt.

„Bist du jetzt etwa eifersüchtig?“

„Ja, also ich meine nein! Ich versuche mich nur zu rechtfertigen. Mein Gott, sogar ein Blinder sieht, dass du auf mich stehst, aber immer wenn ich versuche dir näher zu kommen, dann…“

„Du glaubst ich stehe auf dich?“ Was ich ja auch tat, aber das musste er ja nicht wissen.

„Nein. Ich weiß es.“

„Ich glaub du verwechselst mich mit einer von deinen oberflächlichen Tussis.“

„Nein. Du bist ganz anders als die.“

Oh Gott. Jetzt komm mir nicht auf die Tour! Er schaute mich ernst an und ich wäre fast darauf rein gefallen.

„Du glaubst doch nicht, dass ich dir das abkaufe?! Doch, du glaubst es tatsächlich. Alec, du hast zwar deine Momente, in denen du nicht allzu unausstehlich bist, aber meistens kann man einfach nichts mit dir anfangen.“

Alec schüttelte den Kopf, gähnte und schloss die Augen. Ich starrte ihn fassungslos an. Dieser Penner! Dieser wunderbare, süße, perfekte, schöne… Penner.

 

Als ich am nächsten Morgen erwachte lag ich immer noch in Alecs Armen. Mein Gesicht war an seine Brust geschmiegt und ich wollte für immer in dieser kuscheligen Wärme liegen bleiben. Mein Inneres zog sich zusammen, als mir schmerzlich bewusst wurde, dass Alec mir nie gehören würde.

Gott, warum hasst du mich so sehr, dass du zu lässt, dass ich mich in ihn verliebe? dachte ich sarkastisch. Vorsichtig atmete ich Alecs Geruch ein. Dann schloss ich wieder die Augen. Ich wollte diesen Moment für immer abspeichern. Es fühlte sich ganz anders an, als bei allen Jungs mit denen ich bis jetzt zusammen gewesen war. Nur mit dem Unterschied, dass ich nicht mit Alec zusammen war…

„Ich weiß, dass du wach bist“, meinte Alec leise und ich konnte das Grinsen in seinem Gesicht beinah hören. Ich wollte mich nicht bewegen, wollte einfach nur so liegen bleiben.

„Bist echt süß, wenn du schläfst. Du redest die ganze Zeit vor dich hin und…“

„Was?“ Ich riss den Kopf hoch und starrte ihn erschrocken an.

„Keine Sorge, du hast nichts schlimmes gesagt“, meinte er und ich atmete erleichtert aus. Alecs grinsen wurde breiter. „…nur meinen Namen.“

„Nicht schon wieder“, seufzte ich.

„Ha, jetzt hast du zugegeben, dass es damals auch mein Name war.“

„Bist jetzt stolz drauf in meinen Alpträumen vorzukommen?“

„Alpträume, pah. Du hast aber die ganze Zeit gelächelt.“

Ich verdrehte die Augen, dann stand ich auf und verließ das Zimmer in Richtung Bad.

 

In der Küche lag ein Zettel auf dem stand das Miri und Don die Gäste zum Flughafen gefahren hatten und bald wieder kommen würden. Allerdings nur kurz, weil sie heute in die Flitterwochen fuhren. Ich gähnte noch mal ausgiebig, dann rief ich Sue an.

„Hey May. Und, wie ist es gestern gelaufen?“ Ich erzählte ihr ein bisschen von der Hochzeit und dann auch noch davon, dass ich heute bei Alec geschlafen hatte. Den Kuss ließ ich weg.

„Oh Mann. Da kann man richtig eifersüchtig werden. Aber ich steh übrigens nicht mehr auf ihn. Du kennst doch bestimmt Logan, seinen Cousin. Ich hab ihn neulich kennen gelernt. Der ist sooooo süß.“ Sue schwärmte noch eine Weile, dann verabschiedeten wir uns, weil es bei mir an der Tür klingelte und Alec anscheinend zu faul zum Aufmachen war.

Ich öffnete schwungvoll die Tür und… wenn man von Teufel spricht: Vor mir standen Logan, Seth und Tom.

„Hey“, machte ich und presste die Lippen aufeinander um nicht laut los zu lachen.

„Ist irgendwas?“, fragte Seth und ich johlte los.

„Kommt …rein. Alec ist… oben!“, japste ich und kriegte mich gar nicht mehr ein, weil sie so dumm glotzten.

„Alec, was ist denn mit May los. Hat die Lachgas gefrühstückt?“, hörte ich noch, dann schlug die Zimmertür zu.

Ich ging auch in mein Zimmer und setzte mich an ein paar Hausaufgaben. Schon bald hörte ich Miri und Don heim kommen und ging zu ihnen.

„Hi May. Kannst du mir mal helfen?“ Meine Mum drückte mir eine Einkaufstüte in die Hand und ich lief ihr hinter her in die Küche.

„Wir haben noch ein paar Sachen eingekauft. Mensch, ich hab so ein schlechtes Gewissen, dich die ganzen Ferien allein zu lassen.“

„Sind doch nur zwei Wochen“, meinte ich gespielt gleichgültig. Yeah, yeah, yeah!!!

„Alec ist ja auch noch da.“, meinte Don.

„Wou-hou!“, machte ich, aber in Irland war Sarkasmus wohl nicht bekannt. Miri und Don wuselten noch eine Stunde durch das Haus und packten ihre Sachen, dann verabschiedeten sie sich. Ich stieß einen Freudenschrei aus als sie weg waren und begann durch das Haus zu tanzen. Vor Alecs Tür machte ich halt und klopfte.

„Alec, kannst du mir… was ist?“ Alle im Zimmer waren verstummt und vier Augenpaare starrten mich an. Ich schaute an mir herunter, ob da irgendetwas war und zuckte anschließend mit den Schultern. Wahrscheinlich hatten sie

gerade über etwas nicht Jugendfreies geredet.

„Ähm… also, Alec, kannst du mir dein Auto leihen?“

„Was?“

„Du. Mir. Können. Auto. Leihen??“, fragte ich überdeutlich.

„Wie…? Nein! Du bist erst 16…“

„… und habe seit einem Jahr einen Führerschein. Warst du noch nie in Amerika? Da darf man früher fahren. Komm schon, ich hatte noch einen Unfall. Im Gegensatz zu manchen anderen Leuten“, setzte ich noch hinzu.

„Wofür brauchst du denn mein Auto?“

„Zum Fahren.“

„Wohin fahren?“

„Geht dich nichts an.“

„Wenn du mit meinem Auto fährst schon.“

„Jetzt komm schon.“

„Was hab ich davon?“

„Nicht schon wieder…“, stöhnte ich genervt und verdrehte die Augen.

„Du verrätst Miri und Dad nichts von der Party, die ich heute schmeiße. Dann kannst mein Auto haben.“ Ich überlegte kurz, dann nickte ich.

„Okay.“ Alec warf mir die Schlüssel zu.

„Fahr vorsichtig“, rief er noch, aber da war ich schon halb die Treppe unten.

Ich rollte also jetzt mit Alecs Auto die Straße runter in Richtung Sue. Vor ihrem Haus parkte ich und klingelte.

„Hey May. Was machst du hier?“, fragte sie überrascht.

„Ich hab Alecs Auto. Komm wir fahren in die Stadt.“

„Kannst du überhaupt fahren?“

„Ja. Hab meinen Führerschein mit 15 gemacht.“

Sue strahlte, holte ihre Tasche und schon düsten wir los.

 

Das Shoppen war echt lustig gewesen, doch ich war froh, als ich die Wohnung aufschloss und wir hinein stolperten. Ich war total müde.

„Steigt hier eine Party?“, fraget Sue.

„Oh ja. Stimmt.“ Die laute Musik war ziemlich Nerv tötend, aber jetzt waren wir schon mal hier. Plötzlich tauchte Logan auf und Sue wurde feuerrot.

„Hey, ihr kommt genau richtig. Die Party hat grad erst angefangen.“ Er schnappte sich unsere Handgelenke und zog uns ins Wohnzimmer, das ziemlich voll war. Die meisten Leute hier kannte ich nicht, aber ich vermutete, dass die meisten aus Alecs Jahrgang waren. Ich ließ Logan und Sue allein und steuerte in Richtung Küche um mir was zu trinken zu holen.

Wie erstarrt blieb ich stehen. Alle Luft wich aus meinen Lungen, als hätte mir jemand kräftig in den Bauch geschlagen. Meine Augen tränten.

Alec lehnte am Küchentresen und irgendeine Schlampe klebte an seinem Gesicht. Er hatte die Hände an ihre Hüften gelegt und sie ihre in seinem perfekten Haar vergraben. Ein ersticktes Wimmern drang aus meiner Kehle und Alec zuckte zusammen. Er öffnete die Augen. Als er mich erkannte, stieß er die Schlampe von sich.

„May! Das ist nicht wonach es aussieht!“

„Natürlich nicht“, wisperte ich, drehte mich um und verließ das Haus. Warum war mein Leben so scheiße?! Irgendwie hatte ich mir doch Hoffnungen gemacht. Irgendwie hatte ich gedacht, dass Alec mich auch mochte. Der naive und romantische Teil von mir, zwang mich dazu mich umzudrehen und zu schauen ob Alec mir hinter her kam. Er kam nicht. Ich begann zu rennen, die Straße runter, durchs Gebüsch bis an den Strand. Ich war hier noch nie gewesen, aber Sue hatte mir erzählt, dass es hier eine kleine Bucht gab.

Ich hörte das Meer rauschen und kurze Zeit später sah ich es schon. Die Sterne spiegelten sich darin und das Wasser glitzerte. Ich lief nah ans Wasser und ließ mich dort in den Sand fallen. Eine kühle Brise ließ mich frösteln. Ich schluchzte auf. Das war genau die richtige Atmosphäre um zu heulen. Und das tat ich. Wie ein Schlosshund. Okay, vielleicht nicht so laut, aber schon ziemlich arg.

„May?“ Die Stimme war nur leise. „May? Bist du hier?“

Ich hielt mir die Ohren zu. Ich wollte diese wunderschöne Stimme nicht mehr hören. Mein romantischer Teil war in der letzten viertel Stunde mit den Tränen aus mir heraus geflossen.

„May, da bist du ja!“

„Hau ab.“

„Bitte, ich kann dir das erklären.“

„Ist mir scheißegal.“

Alec ließ sich neben mir in den Sand sinken. „Ich wusste nicht, dass du so früh kommst.“

„Das entschuldigt natürlich alles.“ Ich schluckte um weitere Tränen zu verhindern. Eine Weile herrschte Stille, dann meinte Alec leise: „Es tut mir leid.“

„Klar doch.“ Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Wirklich, ich…“

„Es ist egal“, unterbrach ich ihn monoton.

„Was?“

„Es ist egal. Ist ja nicht so als ob ich irgendeinen Anspruch auf dich hätte.“

„Hättest du gern welchen?“ Mist, warum konnte ich nie meine Klappe halten? Alec war ganz nah. Ich spürte seine Körperwärme und seinen Atem.

„Ich…“ Meine Stimme verabschiedete sich und ich schloss wieder den Mund. Alec beugte sich noch weiter vor und küsste mich. Ich seufzte glücklich und im gleichen Moment schmeckte ich den billigen Lipgloss dieser Schlampe.

„Mann Alec! Wie kannst du im einen Moment mit so einer Tussi knutschen und dann im nächsten…“

„Ich hab doch gesagt, dass es mir Leid tut.“

„Das hilft nicht, weil du dich erstens nicht entschuldigen musst, weil wir ja nicht zusammen sind und zweitens nichts an der Tatsache ändert, dass du das gemacht hast!“

„Was soll ich machen, dass du mir verzeihst?“

„Eine Erklärung wär n guter Anfang!“ Ich dachte schon Alec würde schweigen, aber nach einer Weile begann er.

„Du musst das verstehen. Ich hatte noch nie eine richtige Beziehung mit Gefühlen und so. Und jetzt bin ich total verwirrt, weil ich immer wenn ich dich sehe, ich dich küssen oder einfach bei dir sein will. Und weil ich nicht damit klar komme in dich verliebt zu sein, habe ich versucht dich aus meinem Kopf zu kriegen. Deshalb hab ich mit der und deiner Cousine rumgemacht. Aber ich habe dabei immer nur denken können, wie es mit dir wäre.“

Ich starrte ihn an. Nach „in dich verliebt“ hatte mein Gehirn abgeschaltet.

„Es tut mir wirklich leid. Bekomm ich noch eine Chance?“

„Ob du noch eine…?“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Ich zog ihn näher zu mir heran und küsste ihn. Und was für eine Chance er bekommen würde!

 

Hand in Hand liefen wir zur Party zurück.

„Sind wir jetzt zusammen?“, fragte ich vorsichtig.

„Ich hoffs doch!“ Alec grinste mich an und die Schmetterlinge, ach was Flugzeuge, in meinem Bauch spielten verrückt.

Auf der Party hatte niemand unser Verschwinden bemerkt, niemand außer…

„So mein Fräulein, wo. Warst. Du? Oh, hi Alec!“

„Hey, Sue.“ Alec unterdrückte ein Grinsen. Ich verdrehte die Augen.

„Keine Sorge Sue. Es geht mir gut. Ich bin weder ausgeraubt, geschwängert noch verprügelt worden.“

„Hmm…“ Mit einem misstrauischen Blick auf Alec, der immer noch meine Hand hielt, verschwand sie wieder.

„Du hast komische Freunde.“

„Ich? Was ist mit Seth und Tom?“ Alec öffnete den Mund und schloss in wieder. Legte den Kopf schief und wiederholte das Ritual. Er sah aus wie ein Fisch und ich musste laut lachen.

„Sorry, aber du siehst… total… lustig aus…“, quiekte ich.

„Alles nur für dich mein Schatz.“ Er küsste mich schnell auf die Lippen, dann schoben wir uns ins Partygetümmel.

Es war echt eng auf der improvisierten Tanzfläche doch Alec störte das nicht. Mich auch nicht. Wir tanzen nah bei einander und als ein Stehblues kam zog er mich noch näher. Dann küsste er mich wild und ich vergaß alles um mich herum und spürte nur noch seine Lippen… und seine Hände auf meinem Arsch!

„Alec! Finger weg da“, zischte ich.

„Wir sind aber zusammen…“

„Das gibt dir kein Recht mich in aller Öffentlichkeit zu befummeln!“

„Wenn dich nur die Leute stören können wir in mein Zimmer gehen.“ Er grinste frech und ich verdrehte die Augen. Von da an behielt Alec seine Finger bei sich, das heißt sie landeten nicht mehr auf meinem Arsch, aber waren entweder in meinen Haaren vergraben oder hielten meine Hand.

Wir wollten kurz Pause machen und setzten uns aufs Sofa. Es war allerdings nur wenig Platz, deshalb setzte ich mich auf Alecs Schoß.

„Na, was läuft denn hier?“, fragte Logan grinsend. Er war wie aus dem Nichts aufgetaucht uns ich zuckte zusammen.

„Darf ich vorstellen, meine Freundin May!“, meinte Alec und ich konnte sein Grinsen hören. Er legte sein Kinn auf meine Schulter und schlang die Arme um meinen Bauch.

„Oh, meine Glückwünsche! Hey kommt ihr mit? Die spielen im Garten Partyspiele.“

„Klar“, meinte ich und wir folgten Logan nach draußen.

Wer hätte es gedacht, Wahrheit oder Plicht. Das war in Irland wohl ziemlich angesagt. Schon bald kam Alec dran. Dieser Feigling nahm natürlich Wahrheit, obwohl ich schon froh darüber war, denn ich wollte nicht dass er mit irgendeiner Tussi rum knutschen musste.

„Wie viele Beziehungen hattest du schon?“ Obwohl es eine banale Frage war, bekam ich Herzklopfen. Ich wollte nicht unbedingt gleich am Anfang unserer Beziehung von Alecs Exen hören.

„Meinst du jetzt ernste Beziehungen oder halt Beziehungen?“

„Insgesamt.“

„Also…“ Alec schien zu rechnen. „Ich hatte zehn Beziehungen und eine ernste. Und gerade hab ich meine Zweite ernste.“ Er grinste mich an und küsste mich kurz. Eine ernste Beziehung. Wow. Dass er das vor seinen ganzen Freunden zu gab fand ich echt cool, aber die anderen elf hatte ich nicht überhört. Ein Knoten bildete sich in meinem Magen. Ich hatte wie Alec vor uns nur einmal was Ernstes gehabt, nämlich mit Brain. Obwohl es am Ende nichts Richtiges mehr gewesen war. Aber davor hatte ich erst zwei Freunde. Gut, Alec war zwei Jahre älter, aber trotzdem. Ich hörte nicht mehr zu und rief schließlich, dass ich schlafen gehen würde.

Erst als ich im Bett lag fiel mir auf, wie laut es eigentlich war. Nach einer Weile hörte ich aber, dass es leiser wurde und die Leute gingen. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Zwei Uhr nachts. Plötzlich schlich jemand in mein Zimmer und legte sich zu mir.

„Hey. Ist es okay wenn ich hier schlafe?“, flüsterte Alec.

„Klar. Warum sind denn alle gegangen?“

„Hab sie heimgeschickt, weil‘s spät wird und weil du schlafen willst.“

„Süß von dir“, murmelte ich und küsste ihn flüchtig.

„Bevor wir schlafen, kann ich dich was fragen?“

„Klar.“

„Warum hattest du schon so viele Freundinnen? Ich mein ich bin auch keine Jungfrau mehr, aber elf Stück?“

Alec seufzte. „Meine meisten Beziehungen haben nicht mal einen Monat gedauert. Das waren nur so… naja, ich hatte halt keine Lust Single zu sein. Aber das war was anderes. Ich war noch nie so verliebt wie jetzt.“ Er küsste meine Schläfe.

„Ist das… ein Problem?“

„Nein. Schon okay. Ich wollte es nur wissen. Gute Nacht.“ Ich schloss die Augen. Ein Monat. Mir war klar, dass wenn wir Schluss machen sollten, wir friedlich auseinander gehen sollten. Wir wohnten direkt neben einander und konnten uns nicht aus dem Weg gehen. Doch was mich am meisten Beschäftigte: Was würden „unsere“ Eltern dazu sagen? Wir waren zwar nicht blutsverwandt aber…

 

Die nächsten zwei Wochen vergingen rasend schnell. Alec und ich unternahmen viel oder saßen einfach zusammen auf der Couch. Zwei Tage bevor Miri und Don heim kamen hatte rief Sue an und erzählte mir die Neuigkeiten: Sie und Logan waren zusammen gekommen! Ich freute mich riesig für sie. Und sie freute sich auch riesig für sich. Ich hoffte der stille Logan würde dieses Quasselmonster aushalten. Aber vielleicht war er ja auch genau der richtige für sie.

Heute war jedenfalls der große Tag. Miri und Don würden in wenigen Minuten aus den Flitterwochen zurückkommen und Alec und ich würden ihnen unsere Beziehung beichten. Würden sie einverstanden sein? Und wenn nicht, was bedeutete das für uns? Würden sie uns trennen?

„Ganz ruhig, das wird schon“, meinte Alec und zog mich enger in seine Arme. Wir saßen auf dem Sofa und warteten nervös.

„Und was wenn nicht?“, fragte ich.

„Dann lassen wir uns etwas einfallen. Keine Sorge.“ Er lächelte und mein Herz schlug sofort schneller.

In diesem Moment öffnete sich die Haustür und mein Herz legte noch einen Zahn zu.

„Wir sind wieder da!“, rief meine Mutter fröhlich.

„Hi“, rief ich zurück und meine Stimme hörte sich irgendwie zu hoch an.

Ich hörte Schritte im Flur und plötzlich standen sie in die Wohnzimmertür.

Miris unbeschwertes Lächeln wurde etwas verwirrt, als sie sah, wie Alec mich umarmte. Don runzelte die Stirn.

„Seid ihr gut klar gekommen?“, fragte er vorsichtig.

„Ja, klar“, sagte Alec und ich meinte gleichzeitig: „Natürlich.“

„Okay“, sagte Miri zögerlich. Immer noch lächelte sie verwirrt. Sie und Don tauschten einen Blick. „Ist alles in Ordnung bei euch?“

„Also…“

„Ähm…“

„Wollt ihr uns irgendwas sagen?“, versuchte es Don und hob eine Augenbraue.

„Ja. Genau.“ Alec nickte und holte tief Luft. „Wir sind… also, May und ich sind… ähm…“

„Wir sind zusammen“, platze es aus mir heraus. Sofort war es totenstill im Zimmer. Miris Lächeln war gefroren und Don stand mit weit aufgerissenen Augen erstarrt da.

Ich biss mir nervös auf die Lippe. Meine Nerven waren zum Zerreisen gespannt.

Dann begann meine Mutter zu kichern und Don blinzelte verwirrt wie ein Fisch.

„Sind sie jetzt durchgeknallt?“, flüsterte ich Alec zu.

„Abwarten.“

Meine Mutter rang nach Atem. „Ihr wollt uns doch nicht erzählen, dass ihr… ihr zwei… ein Paar?“

„Ehm, doch eigentlich schon“, meinte ich vorsichtig.

Augenblicklich wurde meine Mutter ernst und Don straffte die Schultern. Sie tauschten noch einen Blick, dann meinte Don zögernd: „Also, ich denke, Miri und ich… sollten da erst mal drüber nachdenken.“

Wir verstanden sofort, sprangen auf und gingen in Alecs Zimmer.

„Oh Gott, oh Gott. Was machen wir denn jetzt?“, fragte ich.

„Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut. Was sollen sie schon machen?“ Alec zog mich an sich und ich lehnte mich gegen ihn.

Nach einer halben Stunde wurden wir endlich wieder ins Wohnzimmer gerufen. Miri und Don saßen auf der Couch und wir blieben nervös stehen. Was würde jetzt geschehen?

„Setzt euch“, sagte Don. Das war ja schon mal kein guter Anfang. Zögernd ließen wir uns auf den zwei Stühlen nieder, die sie aufgestellt hatten.

„Also es ist so“, begann meine Mutter vorsichtig. „Wir sind nicht gegen eure Beziehung. Aber wir möchten euch sagen, dass ihr euch den Komplikationen, die diese mit sich bringt, bewusst seid.“

Halleluja.

„Es ist euch ja klar, dass ihr beide auf Lebenszeit Stiefgeschwister seid“, meinte Don. „Solltet ihr euch trennen, werdet ihr euch nie wirklich aus dem Weg gehen können. Außerdem würde es den Familienfrieden stören, wenn ihr euch total verkracht.“ Er sah uns ernst an und meine Mum fuhr fort: „Zu einer Beziehung gehört auch, dass man sich mal streitet. Wir wollen nicht, dass ihr euch mit so was unglücklich macht, versteht ihr?“

Wir nickten. Das Ganze wirkte irgendwie einstudiert, auch wenn es mir sinnvoll vorkam.

„Klar“, meinte Alec und ich nickte.

„Nun ja, und dann ist es ja so, dass ihr noch ziemlich jung seid und praktisch Tür an Tür wohnt. Deshalb sollten wir gewisse Regeln aufstellen, was nächtliche Besuche angeht.“

Mit klappte der Mund auf. Die wollten uns doch nicht etwa verbieten…? Ich meine, wir waren beide keine Jungfrauen mehr und die beiden machten es ja auch hier also… Bei diesem Gedanken wurde mir etwas übel und ich schob ihn schnell beiseite um wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren. Ich hatte nicht vorgehabt so bald mit Alec zu schlafen, aber dass Mum und Don es uns verbieten wollten, fand ich echt mies.

„Wir möchten nicht, dass sich eure Beziehung auf eure schulischen Leistungen auswirkt. Auch braucht ihr beide noch viel Schlaf also, haltet euch bitte zurück.“

Wow, das war ja gar kein richtiges Verbot gewesen.

„Wenn ihr bereit seid, das alles zu berücksichtigen und euch verantwortungsbewusst zu verhalten, ist es okay.“ Sie sahen uns abwartend an und Alec und ich tauschten einen Blick, dann sagte mein Freund: „Davon abgesehen, dass mich nichts davon abhalten könnte mit May zusammen zu sein, okay.“

„Geht mir genauso“, fügte ich hinzu und Miri und Don nickte zufrieden.

„Gut.“

 

Das folgende Abendessen, war das seltsamste, das ich je erlebt hatte. Niemand sprach, und die jeweiligen starrten sich verliebt an. Erst als alle fertig waren, räusperte Don sich und meinte: „Also, morgen ist wieder Schule, was?“

„Oh nein, stimmt ja“, murrte ich.

Kurz redeten wir noch über Arbeiten und Hausaufgaben, dann verzogen Alec und ich uns in sein Zimmer.

„Das hätten wir schon mal geschafft“, meinte ich und ließ mich neben ihn aufs Bett fallen.

„Ja. Die Ansprache war ja echt schräg.“

„Aber ich bin froh, dass sie nicht gegen uns waren.“

„Schon“, meinte Alec schulterzuckend. „Aber das hätte für mich eh keine Bedeutung gehabt. Du wirst mich nicht mehr los, May, ist dir das klar?“, fragte er und sah mich an. Ich lachte und nickte.

„Das hoff ich doch. Du wirst mich nämlich auch nie mehr los.“

„Dann passen wir ja super zusammen“, meinte Alec grinsend und küsste mich.

 

Ungefähr ein Jahr später

 

Wir saßen am Strand und ließen uns den Wind durch die Haare wehen. Alec und ich hatten uns von der Feiergesellschaft abgeseilt. Unsere Eltern feierten heute ihren Hochzeitstag und alle waren gekommen. Jetzt picknickten wir an einem Strand und die etwas jüngeren Gäste plantschten im kalten Wasser. Das würde ich an den Iren nie verstehen. Wie sie bei der Kälte schwimmen konnten.

Alec legte einen Arm um meine Schultern und zog mich näher.

„Weißt du noch, als wir zum ersten Mal hier waren?“

Oh ja und wie ich das noch wusste. Hier hin war ich mit gebrochenem Herzen geflüchtet und hier hin war Alec mir gefolgt um mir zu sagen, dass er in mich verliebt war.

„Wie könnte ich das vergessen?“ Ich lehnte den Kopf an seine Schulter.

Das vergangene Jahr war so schön gewesen, dass ich es kaum glauben mochte. Klar, wir hatten uns schon ein paar Mal gestritten, aber das tat jedes Paar. Und wir hatten so viel Schönes zusammen erlebt! Vor allem als Alec in den Sommerferien mit mir nach Amerika gegangen war und ich meine alten Freunde und meine Familie besucht hatte. Damals war mir klargeworden, dass Irland jetzt meine Heimat war und ich nach der Schule auch hier studieren würde. Alec würde das schließlich auch tun. Ich wandte den Kopf und lächelte meinen Freund an.

„Alec?“

„Hm?“ Er hatte die Augen auf den Horizont gerichtet und ich wusste, dass er in Gedanken ganz wo anders war. Alec wollte Schiffsingenieur werden und war hellauf begeistert von allem, was sich da draußen so bewegte. Er mochte sogar den Film „Titanic“ und hatte mir genau erklärt was bei dem Schiff falsch gewesen war.

Ich küsste ihn um seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch.“

 

-Ende-




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Hab übrigens ne Gruppe: "Bücher von Clara S."

Impressum

Texte: ich hab die rechte
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2012

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