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Müde öffnete ich die Augen. Ich streckte meine Hand Richtung Nachttisch aus, um nach meinem Wecker zu tasten, doch mein Nachttisch hatte sich verkrümelt. Ebenso wie meine restlichen Möbel. Okay, das war eindeutig nicht mein Zimmer! Ich lag in einem Bett in einem kahlen grauen Raum ohne Fenster. An der Decke hing eine Lampe die so schwach leuchtete als wäre sie kurz vorm verrecken. Ernsthaft, was ging hier ab? Ich bemerkte, dass ich nur meine Unterwäsche trug und meine Klamotten waren nirgends zu sehen.
„Okay, Lis, nicht panisch werden. Was ist das letzte an das du dich erinnerst?“ Ja, Selbstgespräche haben mir schon immer geholfen.
„Gut, also ich hab gestern als letzte das Café verlassen und abgeschlossen. Und es war schon 22 Uhr. Ich bin die Straße runter und dann…“ Ja, was dann? Vorsichtig stand ich auf. War ich entführt worden? Ach was, so was passierte doch nur den anderen! Oder?
Ich ging auf die Tür des Raumes zu. Yeah, nicht abgeschlossen! Glücklich trat ich auf einen Flur. Alter Falter, das war ja mal ne Villa! An den Wänden hingen irgendwelche potthässliche Gemälde, die Wände waren in einem zarten orange gestrichen.
„Okay, jetzt suche ich am besten jemand, der mir meine Situation erklärt!“ Ich ging den Flur entlang bis ich an einer breiten Treppe ankam. Und was für eine! Die breiten Marmorstufen flossen förmlich in Richtung Boden. Der Boden war eine Halle, das heißt ein Saal. Ich ging die Treppe runter. Unten angekommen sah ich immer noch niemand also schrie ich einfach mal laut: „Hallo?“
„Du brauchst nicht so schreien, ich steh direkt hinter dir“, sagte eine tiefe Stimme. Erschrocken schrie ich auf und wirbelte herum. Direkt, echt direkt, vor mir stand ein Typ, ein absolut geiler Typ! Er hatte schwarze glatte Haare, von denen ihm ein paar Strähnen ins Gesicht vielen, stechend blaue Augen, die wundervollsten Lippen die ich je gesehen hatte und einen absoluten Traumkörper. Durchtrainiert, nicht protzig, und ich konnte die Konturen eines Sixpacks unter seinem Shirt ausmachen. Er war einen Kopf größer als ich und einfach nur heiß.
„Lange genug gestarrt?“, fragte er grinsend. Ich machte einen Schritt zurück. Und noch einen. Sicherheitshalber.
„Wer bist du?“, fragte ich vorsichtig. „Und ich hab überhaupt nicht gestarrt!“, empörte ich mich.
„Also, du bist hier in MEINEM Haus, also solltest du mir erst mal sagen wer du bist und was du hier machst.“ Er ließ seinen Blick über meinen Körper wandern und ich fühlte mich sofort nackt, ach Moment. Ich war ja so gut wie nackt.
„Ich heiße Lis. Sag mal, kannst du vielleicht wo anders hinschauen?“, giftete ich. Ehrlich, ich seh echt nicht schlecht aus und ich hab kein Problem mit meinem Körper, aber ich kanns echt nicht ab, wenn mich n Typ so anstarrt.
„Man soll seine Gesprächspartner doch ansehen!“, meinte er immer noch grinsend.
„Man soll seine Gesprächspartner in die Augen sehen, und du kuckst grad n bisschen zu tief für meine Augen!“, zickte ich.
Plötzlich sah er mir wirklich in die Augen und kam näher. Ich machte einen Schritt zurück und stieß gegen die Wand. Jetzt stand er wieder direkt vor mir und stützte seine Hände seitlich von meinem Kopf an die Wand. Mist, flüchten ausgeschlossen.
„Besser?“, hauchte er.
„Äh… ich…“
„Seth, wärst du so nett und würdest unseren Gast nicht bedrängen. Das würde ich gern übernehmen.“, hörte ich plötzlich eine fröhliche Stimme von Richtung Treppe. Seth stieß sich von der Wand ab, zwinkerte mir zu und wandte sich ab.
„Jake, wärst DU so nett und würdest mir erklären was sie hier verloren hat? Nicht das ich was dagegen hätt…“ Ich machte einen Schritt zur Seite um Jake sehen zu können. Er sah Seth sehr ähnlich, nur sah er doppelt so gut aus. Ich sah in seine Augen, schwarz wie die Nacht. Plötzlich zuckten Bilder durch meinen Kopf.
Ich schließe das Café ab. Ich gehe die Straße runter. Geräusche aus einer Seitengasse. Ich gehe in diese Seitengasse. Ein Mann liegt stöhnend vor Schmerzend am Boden. Etwas beugt sich über ihn, trinkt sein Blut. Das Etwas richtet sich auf, ein Mann, mit schwarzen Augen. Er kommt auf mich zu. Filmriss.
„Alles in Ordnung?“ Jakes Stimme brachte mich in die Realität zurück. JAKE! Ich quietschte ängstlich auf und versteckte mich schnell hinter Seth.
„Hey, Süße! Was ist los?“, fragte dieser.
„Ich vermute mal sie hat sich gerade an mich erinnert.“, murmelte Jake und kam auf uns zu. Ängstlich quickte ich nochmal auf bis er stehen blieb.
„Alter, Jake, was hast du mit der Kleinen gemacht das sie solche Angst vor dir hat?“, fragte Seth stirnrunzelnd.
„Hey, ich tu dir nichts, versprochen!“, meinte Jake ruhig und machte noch einen Schritt.
„Er hat… er… einen Menschen…“, flüsterte ich erstickt. Seth sah mich erschrocken an.
„Du weißt das wir Vampire sind?“, fragte er verwirrt.
„IHR?!“, kreischte ich auf und sprang von Seth weg.
„Ganz toll, Seth!“, meinte Jake. „Hey komm schon, hab keine Angst! Wir tun dir echt nichts!“
Ich atmete durch, entspannte mich. Dann viel mir ein, dass ich immer noch nur Unterwäsche trug.
„Wo sind meine Klamotten?“, fragte ich.
Jake sah beinahe erleichtert aus. „In der Wäsche. Die waren etwas… blutig.“
Ich sah ihn wie versteinert an.
„Nein, nein, nein! Nicht dein Blut. Komm mit ich geb dir was zum Anziehen.“
Er ging die Treppe hoch und ich folgte ihm misstrauisch. Ein Vampir. Das kann ja mal was werden.
Als wir endlich an Jakes zimmer angekommen waren (die Villa war echt groß) drehte er sich zu mir um.
„Wie heißt du eigentlich?“
„Warum hast du mich entführt?“
„Ich hab zuerst gefragt.“ Oh, Mann. Bei dem Grinsen konnte man echt anfangen zu sabbern. Aber ich sabbere nicht. Niemals.
„Okay, ich heiße Lis. Warum hast du mich entführt?“
„Schöner Name. Ist das ne Abkürzung?“
„Ja, aber ich hab dich was gefragt!“ Lis war die Abkürzung für Linor, aber das musste ja keiner wissen.
„Also, ich hab dich entführt, weil du mich gesehen hast. Besser gesagt, weil du gesehen hast was ich gemacht hab.“ Wir betraten sein Zimmer und er ging zu einem Schrank.
„Aha. Toll, pass auf: Ich wird das so wie so niemand verraten, weil mir das keiner glauben würde. Kann ich jetzt nach hause?“
„Nein, nicht bevor wir deine Erinnerungen gelöscht haben. Hier, was anderes hab ich nicht.“ Er hielt mir eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues Top entgegen.
„Danke… Moment, WAS?!“ Erinnerungen löschen? „Das geht nicht! Ich will nicht das irgendwer an meinem Hirn rum pfuscht. Außerdem kann man Erinnerungen nicht löschen!“
„Doch kann man. Es tut nicht weh oder so. Du musst echt keine Angst haben! Aber wir können deine Erinnerungen im Moment nicht löschen, weil Jessy grad nicht da ist und sie kommt erst in einer Woche wieder.“
„Ich hab doch keine Angst, du Idiot! Wer ist Jessy?“ Hatte er womöglich eine Freundin? Klar, hatte er eine Freundin bei dem Aussehen. Was denkst du da schon wieder, Lis, er hat dich entführt. Du musst ihn hassen!
„Jessy ist meine und Seths Schwester. Sie ist auch ein Vampir. Viele Vampire haben Fähigkeiten, Jessys Fähigkeit ist Erinnerungen löschen.“ Oha. Das wird ja immer besser.
„Naja, ich kann mir vorstellen das du duschen möchtest?“
„Ähm, ja.“ Wie aufmerksam.
„Okay, dort ist das Bad.“ Jake drehte sich um uns zeigte auf eine Tür. Dann verschwand er durch eine andere und ließ mich zurück.
Unter der Dusche konnte ich mich ein bisschen entspannen. Ich war also in einem Haus mit zwei Vampiren eingesperrt. Und die wollten meine Erinnerungen löschen, was sie momentan nicht konnten, weil eine gewisse Jessy nicht da war. Aha. Alles klar.
Als ich mich angezogen hatte verließ ich das Bad. Es war keine Menschen- oder Vampirseele zu sehen, deshalb ging ich Richtung Treppe um sie zu suchen.
„Suchst du wen?“, ertönte hinter mir, mal wieder direkt hinter mir, Seths Stimme. Ich schrak zusammen und wäre fast die Treppe runter gefallen, aber zwei Arme schlangen sich um meine Taille und hielten mich fest.
„Kannst du das vielleicht mal lassen?“
„Was? Dich auffangen?“, hauchte er unschuldig in mein Ohr. Uh, wenn er kein Vampir wäre… aber Jake…
„Nein, dich immer so an mich ran schleichen und dann erschrecken.“
„Nein, ich denke nicht.“
„So weit war ich auch schon, dass du nicht denkst.“, murmelte ich mürrisch und versuchte mich zu befreien, aber Seth ließ mich nicht los.
„Weißt du das du echt unhöflich bist?“, schnurrte er. Okay, Seth war möglicher weise echt sympathisch, aber langsam reichte es mir.
„Wenn du mich nicht sofort los lässt dann…“
„Dann was?“
„Keine Ahnung. Wie bedroht man einen Vampir?“ Peinlich, peinlich. Seth fing an zu lachen. Wenigsten ließ er mich los. Dann strubbelte er mir durch die Haare und sagte im vorbei gehen: „Du bist echt süß, Kleine!“
„Hey, das war eine ernstgemeinte Frage!“ Ich lief ihm hinterher in eine Küche, wo Jake an einem Tisch saß.
„Was war eine ernstgemeinte Frage?“ Jake sah verwirrt zu Seth, dann zu mir.
„Sie hat mich gefragt wie man Vampire bedroht.“, kicherte Seth vor sich hin.
„was ist daran jetzt so lustig?“ Nerv tötend, diese Blutsauger!
„Naja, du kannst einen Vampir weder verletzten noch töten. Deshalb kann man uns nicht richtig bedrohen.“
Ich schob meine Unterlippe vor. „Das is jetzt echt nich fair!“, nuschelte ich und ließ mich auf einen Stuhl fallen. „Irgendwie müsst ihr doch zu schrotten sein! Was würden denn sonst die ganzen Vampirjäger machen?!“
„Es gibt keine Vampirjäger. Das einzige was uns tötet ist, wenn wir kein Blut mehr trinken. Wir müssen pro Woche vier Liter trinken, also geht das schon, aber wenn wir einen Monat nichts trinken, werden wir total schwächlich und sind wie Menschen verletzbar“, erklärte Jake.
Ich nickte nachdenklich. Dann sah ich von Seth zu Jake und begann nochmal mit meiner Überredungsaktion: „Also, es wäre doch für alle Beteiligten am besten, wenn ihr mich einfach gehen lassen würdet, weil ich das so wie so keinem erzähl und ich euch doch nur Umstände mache und das ist übrigens Freiheitsberaubung und strafbar und ich will nicht das jemand meine Gedanken löscht!“ Seth kicherte wieder los und Jake meinte schlicht und einfach: „Nö.“
„NÖ?! Das ist alle was dein imaginäres Hirn zu bieten hat? Und kann dein blöder Freund mal auf hören wie n 13jähriges Mädchen rum zu kichern?!“ Jap, jetzt war ich wütend.
Seth hörte auf zu kichern und legte den Kopf schief. „Du hältst mich für ein Mädchen?“, fragte er gespielt verletzt.
„Geeenau. Du hasts erfast.“, murmelte ich trocken.
„Soll ich dir beweisen, dass ich kein Mädchen bin?“, meinte er wieder mir seiner sexy verführ-Stimme. Anstatt mir zu helfen verließ Jake die Küche ganz un-ritter-like und ließ mich mit Mister-ich-bin-so-cool-und-alle-mädels-stehn-auf-mich zurück.
„Ähm, nein danke. Kein Bedarf“, wehrte ich ab.
„Sicher?“, fragte Seth. Ich beschloss mir das nicht länger an zu tun und verließ die Küche. Ich fand Jake im Wohnzimmer auf der Couch. Er hatte die Augen geschlossen und sah irgendwie müde aus.
„Hey. Alles klar?“, fragte ich. Er öffnete die Augen und sah mich an.
„Ja.“ Hm, einfallsreich, der Junge.
„Du hast doch gemeint, dass Vampire Fähigkeiten haben.“ Ich tat mein bestes um ein Gespräch auf zu bauen.
„Ja, die meisten.“
„Was ist dann deine?“ Ich setzte mich neben ihn aufs Sofa. Obwohl ich immer noch Angst hatte, dass er gleich über mich herfiel wie bei dem Typ in der Gasse, gab ich mir mühe ihn normal anzuschauen. Oh Gott, der Typ sah verdammt gut aus!
„Ich kann kontrollieren.“
„Aha. Hä?“
„Ich kann die Kontrolle über andere Menschen übernehmen. Ich kann … ja, wie erklär ich das jetzt… ich kann ihre Bewegungen kontrollieren.“ Oha. Die ganz fiese Nummer.
„Das glaub ich dir nicht. Du kannst mir nicht jeden Scheiß erzählen und denken, dass ich dir glaub.“ Ernsthaft, wer denkt sich solche Sachen aus? Gedanken löschen, Bewegungen kontrollieren…
„Es stimmt wirklich.“
„Beweis es!“, verlangte ich.
„Du darfst dich nachher aber nicht beschweren, dass ich es gemacht hab.“ Jake schmunzelte.
„Jaja, schon klar.“ Plötzlich bewegte ich mich auf Jake zu, der immer noch dumm grinste. Ich setzte mich rittlings auf seinen Schoß und, Alter, was soll der Scheiß, beugte mich über ihn um ihn zu küssen. Meine Hände legten sich auf seine Brust und ich konnte seine Muskeln spüren. Er erwiderte den Kuss auch noch, dieser hinterlistige Trottel. Mann, konnte er gut küssen! Nach kurzer Zeit schaltete mein Hirn ab und das einzig in meinem Kopf war mh… und mehr!
Nach einer Weile löste er sich von mir und grinste mich an.
„Glaubst du mir jetzt?“
„Du … bist… grmpf!“
„Ich bin grmpf?“ er zog eine Augenbraue nach oben.
„Das hast du mit Absicht gemacht!“, rief ich, immer noch auf seinem Schoß.
„Klar, was denkst du denn?“, fragte Jake verwirrt. „Außerdem hast du am Ende freiwillig mit gemacht. Da hab ich dich nicht kontrolliert“, grinste er wieder. Ich war kurz davor ihm eine zu scheuern als Seth rein kam.
„Ich will euch ja wirklich nicht stören, aber was machen wir jetzt mit ihr?“
„Wie wärs mit gehen lassen?“, versuchte ich erneut. Dann rutschte ich von Jakes Schoß und stellte mich hin.
„Ach was, wo du doch so gut küssen kannst!“, lachte Jake.
„Du…“, fing ich an, doch Seth unterbrach mich mit einer Handbewegung.
„Ich mein Jessy braucht noch eine Woche.“
„Ja, stimmt. Hm, am besten wir…“, meinte Jake strategisch.
„Hey, hey, hey! Ich weiß ja nicht warum, aber ihr scheint die ganzen Vorteile beim mich-gehen-lassen nicht kapiert zu haben: ich sag sowie so niemand was von euch, ihr seid mich los und…“
„Süße, ich weiß nicht wie oft ich das noch sagen soll, aber wir lassen dich nicht gehen“, meinte ein etwas genervter Jake.
Ich schob schmollend die Unterlippe vor und sah ihn strafend an. Dann verließ ich das Wohnzimmer und setzte mich in die Küche, wo ich mich langweilte.
„Langweilig?“, fragte Seth. Es wunderte mich, dass er mich nicht irgendwie bedrängte oder komische Kommentare machte.
„Was denkst du denn? Ich bin kurz vorm Verrecken!“
„Soll ich was mit dir machen?“, fragte er immer noch in einem neutralen Tonfall. Ich beäugte ihn misstrauisch, dann fragte ich: „Was meinst du?“
„Denkst du etwa, ich würde Anspielungen machen?“, fragte er schockiert.
„Ja.“
„Ach so. Mach ich grad aber nicht. Wir könnten zum Beispiel DVDs schauen.“
„Okay“, meinte ich immer noch misstrauisch. Wir gingen ins Wohnzimmer und ich setzte mich auf das Sofa. Jake saß immer noch da und stierte durch die Gegend.
Wir schauten Django. Ein Western mit vielen Leichen, aber keiner Handlung. Ich kuschelte mich an Jakes Brust. Der legte grinsend einen Arm um mich und ich sagte leise: „Ich weiß genau, dass du grad deine Fähigkeit eingesetzt hast.“
„Jaja.“ Ich werte mich nicht, weil es irgendwie gemütlich war.
Nach einer Weile ließ Jake mich los. „Sorry, aber ich muss los.“ Er stand auf und verließ den Raum. „Wo geht er hin?“, fragte ich.
„Keine Ahnung.“ Ich zuckte mit den Schultern und Lehnte mich gegen Seth.
„Was ist eigentlich deine Fähigkeit?“
„Ich kann Frauen dazu bringen mit mir zu schlafen.“
„Dafür brauchst du ne Fähigkeit?“, fragte ich. Bei Seths Aussehen konnte er jede haben.
„Eigentlich ist es so, dass ich die Gefühle von jemand kontrollieren kann.“ Plötzlich wurde mir ganz heiß und ich spürte wie ich feucht wurde. Ich drückte mich näher an Seth, keuchte aber: „Hör sofort auf!“ Tatsächlich verschwand das Gefühl wieder. Ich rückte etwas von Seth ab, dann fragte ich: „Jakes Fähigkeit und deine sind sich echt ähnlich.“
„Wir sind ja auch Brüder.“ Ich nickte und kuschelte mich wieder an Seth, weil ich einfach tot müde war.
Als ich aufwachte lag ich in einem Doppelbett und dirket vor meinem Gesicht war eine muskulöse Brust. Ich sah auf und erkannte Jake, der mich angrinste.
„Gut geschlafen?“ Ich merkte das ich nur noch Unterwäsche trug.
„Hast du mich ausgezogen?“
„Ja, wenn ich ehrlich bin.“ Ich funkelte ihn wütend an, doch dann merkte ich, wie ich sich mein Körper an ihn presste.
„Hör auf!“ Ich rutschte zu ihm hoch und unsere Lippen waren nur noch Zentimeter voneinander entfernt. Ich merkte wie er mir wieder die Kontrolle zurück gab, rückte aber nicht weg.
„Äh…“ War das einzige was ich heraus brachte.
„Geistreich wie immer.“
„Ich…“
„Ja?“
„Äh…“
„Das hatten wir schon.“ Er schaute mich belustigt an. Immer noch waren wir nur Zentimeter voneinander entfernt.
„Du verwirrst mich.“ Jetzt grinste er und mein Herz klopfte immer schneller.
„Weißt du, ich kann das hören.“
„Was?“ Hä, wovon redete er?
„Dein Herz. Es schlägt immer viel schneller, wenn ich in deiner Nähe bin.“
„Kein Wunder.“ Er runzelte die Stirn und ich fügte schnell hinzu. „Du könntest mich umbringen. Und du hast mich entführt.“
„Bei Seth hast du keine ‚Angst‘.“ , stellte er sachlich fest.
„Seth hab ich auch nicht dabei beobachtet wie er einem Menschen das Blut aussaugt.“
„Du glaubst wirklich ich würde dir was tun?“ Jake hörte sich schon fast sauer an.
„Ja.“ Er kniff die Augen zusammen. Schließlich stand er auf und verließ einfach so das Zimmer.
„Ach jetzt warte doch mal!“, rief ich genervt und stand auf um ihm hinterher zu laufen.
„Jake, du Idiot, komm gefälligst hier her!“ Ich konnte es nicht ausstehen, wenn jemand auf mich sauer war und wollte das jetzt klären, aber ich hörte unten die Haustür zuschlagen. Ich stöhnte genervt.
„Alles klar?“, fragte Seth, der um die Ecke kam und plötzlich stehen blieb. Er starrte mich an, dann grinste er.
„Was. Ist. Eigentlich. Dein. Verdammtes. Problem?“, fragte ich und betonte jedes Wort einzeln.
„Darf ich fragen was ihr gemacht habt, bevor er abgehauen ist?“ Was sollte das denn jetzt?
„Wir haben geredet.“
„Geredet.“, wiederholte er und starrte mich immer noch an. Und blickte an mir herunter und bemerkte, dass ich nur Unterwäsche trug. Ich wurde rot. Nicht nur, weil Seth mich so sah, sondern weil er dachte Jake und ich hätten rum gemacht.
„Das ist nicht… wir haben nur… ich … oh Gott hör auf mich so anzuschauen!“, rief ich und verschwand wieder in dem Raum in dem ich aufgewacht war. Seth folgte mir.
„Also, eigentlich finde ich es schon schade, dass du jetzt doch auf ihn rein gefallen bist.“
„Bin ich nicht!“
„Ich dachte du wärst anders.“, fuhr er unbekümmert fort. „Tja, verrätst du mir wie er dich rum gekriegt hat?“
„Meine Güte, Seth! Das einzige, was passiert ist, ist das wir neben einander in einem Bett lagen und ich erst nichts davon mitbekommen hab, weil ich geschlafen hab! Und als ich aufgewacht bin,…“
„… habt ihr rum gemacht.“
„Nein! Also, schon, aber da war nichts. Er hat nur versucht mich zu küssen. Oder auch nicht, ist ja egal. Wir haben einfach geredet, er ist sauer geworden und abgehauen.“ Seth kicherte.
„Ich weiß.“
„Aber…“
„Ich hätte es mitbekommen.“ Oh. Der hatte mich nur verarscht! Frechheit.
„Im Übrigen, glaube ich sogar, dass Jake dich mag.“
„Wieso das denn?“ Mein Herz begann gegen meinen Willen schneller zu schlagen.
„Na, wenn er dich nicht mögen würde, hätte er dich wahrscheinlich umgebracht.“
„OH.“
„Versteh mich nicht falsch, Jake ist echt nett, aber wir Vampire sind eben… praktisch veranlagt.“
„Was soll ich jetzt machen?“
„Warten bis er zurück kommt.“ Seth zwinkerte mir zu und verließ dann das Zimmer. Seufzend zog ich meine Kleider an und überlegte was ich mit Jake machen sollte.
Ich saß jetzt schon seit einer gefühlten Ewigkeit in der Küche und überlegte was ich machen sollte. Ich könnte mich bei Jake entschuldigen. Nein. Ich hatte schließlich auch meinen Stolz, und es war ja er, der mich entführt und ausgezogen (!) hatte. Missmutig schaute ich auf die Uhr. Es war bereits Mittag. Mein Magen knurrte wie ein Bär und ich stand auf und durchsuchte die Küche nach etwas essbaren. Meine Ausbeute war gewaltig. Sarkasmus trieft. Ich fand eine alte Glühbirne in einem der Schränke und im Kühlschrank waren nur Beutel und Flaschen, die mit einer roten Flüssigkeit gefüllt waren, von der ich nur zu gerne geglaubt hätte, sie sei Kirschsaft.
Ich schrak zusammen als ich hörte, dass jemand die Eingangstür aufschloss. Ich rannte durch den Eingangssaal und sprang Jake förmlich an, der fast ängstlich zurück wich.
„Biiiiiiiiiiiiiitte sag, dass du was zu essen mitgebracht hast!“, rief ich und schaute ihn aus meinen besten Hundeaugen an.
„Ähm… Ja.“ Er hob die Hand und ich sah dass er einen Pizzakarton darin hielt. Er ging an mir vorbei in die Küche und ich folgte ihm, besser gesagt der Pizza.
„Es tut mir leid, dass ich vorhin einfach gegangen bin.“, sagte Jake plötzlich und drehte sich so abrupt um, dass ich gegen ihn knallte. Was jetzt? Einfach ein ‚schon okay‘ und die Sache war vergessen? Nein, nicht mit mir!
„Du denkst ein ‚es tut mir leid‘ und schon ist alles vergessen? Du hast mich entführt, du bist außerdem ein Vampir, du hast vor meine Erinnerungen zu löschen, aber du verlangst allen Ernstes dass ich weder sauer bin, noch Angst habe?“, rief ich empört.
„Also ängstlich hörst du dich nicht wirklich an.“, stellte Jake ziemlich sachlich fest, und ich schwöre, wenn Blicke Untote töten könnten, dann würde er auf der Stelle tot umfallen. Jake zog den Kopf ein.
„Okay, okay! Ist ja gut. Was soll ich machen, damit du nicht mehr sauer bist?“
„Es kann dir doch eigentlich egal sein, ob ich auf dich sauer bin. Ich bedeute dir schließlich nichts und bin nur noch hier, weil die Gedankenlösch-Tussy noch nicht eingetrudelt ist.“, meckerte ich weiter.
„Stimmt.“ Jakes Stimme klang trocken und er sah mich einfach nur kalt an. Irgendwie verletzte mich das total und Tränen stauten sich in meinen Augen.
„Wenn du Vergebung willst, war dass die falsche Antwort!“, brachte ich erstickt heraus und verzog mich ins Wohnzimmer.

Jake hatte sich verkrümelt und Seth war nach einer Weile rein gekommen mit der Mission mich auf zu muntern. Nachdem wir eine Weile rum gealbert hatten, kamen wir irgendwie auf das Thema Anmachsprüche.
„Ich find Anmachsprüche total blöd.“, meinte ich.
„Ach was. Du kennst wahrscheinlich nur wenige.“
„Ich wette ich kenne mehr als du.“ Seth nahm die Herausforderung an und nun bombardierten wir uns mit Sprüchen, während wir die ganze Zeit dumm kicherten. Jake war vergessen.
„Okay, was ist mit dem“, meinte Seth. „Du musst ein Lichtschalter sein. Immer wenn ich dich sehe, machst du mich an.“
„Der war ja echt blöd. Aber warte, der ist noch schlimmer: Du kannst zwar nicht mehr der erste sein, aber der nächste!“
„Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick? Nein? Dann komm ich gleich noch mal vorbei.“
„Du bist der passende Mann zu meiner Bettwäsche.“
„ich hab gehört, dass küssen glücklich macht. Darf ich dich glücklich machen?“
„Oh, da kenn ich einen ähnlichen“, lachte ich. „ich habe gelesen, dass Küssen Kalorien verbrennt. Hilfst du mir beim Abnehmen?“ Wir lachten und sagten immer mehr Sprüche. Und in dem Moment als Seth mit einer verführerischen Stimme „Deine Kleidung würde sich gut auf meinem Schlafzimmerboden machen!“, sagte kam Jake rein und starrte uns ziemlich verwirrt an.
„Was soll das denn werden?“, knurrte er.
„Kann dir doch egal sein“, meinte ich gleichgültig.
„Lis, komm mal. Ich muss mit dir reden“, sagte Jake genervt. Ebenso genervt erhob ich mich und folgte ihm auf den Flur.
„Was sollte das gerade?“, fragte er wütend.
„Mann, du hast doch echt Probleme!“, zickte ich. „Wir haben gewettet, wer die meisten Anmachsprüche kennt.“, fügte ich hinzu.
Jake senkte demütig den Kopf und kam näher. Ich wich zurück, aber halt. Da war ja diese blöde Wand. Jake stützte seine Hände seitlich von meinem Kopf ab.
„Was soll ich machen, damit du nicht mehr sauer bist Lis?“, fragte er leise. Durch seine Nähe verschnellerte sich mein Herzschlag. Ich atmete stockend und flüsterte: „Ich… egal.“
„Wirklich. Ich weiß nicht warum. Aber ich mag dich irgendwie.“ Er lächelte schief und sein Gesicht kam noch näher.
„Ich bin nicht mehr sauer.“, hauchte ich erstickte.
„Gut.“ Seine Lippen kamen näher und näher und…
„Jake? Jessi ist am Telefon!“, rief Seth und kam aus dem Wohnzimmer. Jake stöhnte genervt auf.
„Ich bin beschäftigt, Mann!“
„Ja, dass sehen ich. Aber es ist wichtig.“ Seth schaute uns ernst an. Jake stöhnte erneut und stieß sich von der Wand ab. Dann riss er Seth das Telefon aus der Hand und verschwand ins Wohnzimmer. Ich ging wütend in die Küche und machte mich über die kalte Pizza her. So ein Mist.
„Ach, jetzt nimm es nicht so schwer.“, meinte Seth und setzte sich neben mich.
„Du… ach, du bist blöd.“, seufzte ich. Nach einer Weile kam Jake zu uns.
„Wir müssen gehen. Sie haben Jessi entdeckt, wir treffen uns in einer Stunde am Waldrand.“ Seth sprang entsetzt auf und Jake packte mich am Arm und zerrte mich aus dem Haus.
„Was soll das? Lass mich los!“, rief ich, doch keiner beachtete mich. Jake stopfte mich auf den Beifahrersitz eines schwarzen Autos und Seth stieg hinten ein.
„Leute ich find das echt nicht witzig!“ Jake gab Gas und wir jagte über die Straße. Es dämmerte schon und wir kamen nur selten an einem anderen Wagen vorbei.
„Es gibt ziemlich viele Vampire auf der Welt“, erklärte Seth und beugte sich etwas vor. „Normalerweise verstehen wir uns gut untereinander und haben kaum was miteinander zu tun, aber es kann vorkommen, dass sich Gruppen oder Familien gegen andere zusammenschließen. Unsere Familie, also Jake, Jessie und ich, sind durch ein, naja, Missverständnis mit einer anderen Gruppe verfeindet. Und die haben jetzt Jessi erwischt. Das bedeutet, dass wir fliehen müssen, uns ein neues Heim suchen und sie dadurch abschütteln müssen.“
„Warum kämpft ihr nicht einfach gegen sie?“
„Weil es zu viele sind.“
„Holt euch Hilfe?“
„andere Vampire würden sich nie in so was einmischen.“
Ich seufzte resigniert. „ich nehme an, ihr habt nicht Lust, mich zwischen durch daheim raus zu lassen?“
„Nein. Ich bin mir sicher, dass sie bereits von dir erfahren haben. Du bist jetzt genau wie wir in Gefahr.“


Ich saß neben Jake vorne im Auto und starrte aus dem Fenster. Seth fuhr mit seinem eigenen Auto einen Umweg um mögliche Verfolger abzulenken.
„Ich will nicht mitkommen.“, murte ich zum 100. Mal.
„Dann tut es mir leid, dass ich dich trotzdem mitnehme. Aber ich verspreche, ich machs wieder gut.“
„Komm bloß nicht auf dumme Gedanken! Nur weil wir uns vorher fast geküsst haben, heißt das nicht, dass ich was von dir will!“
Jake streckte locker die Hand aus und strich mir leicht über den Arm. Mein Herz begann zu rasen und Jake nahm lachend die Hand weg.
„Im wahrsten Sinne des Wortes: dein Herz sagt da was anderes.“
„Du bist scheiße.“
„Oh, danke. Noch mehr Komplimente auf Lager?“ Ich verdrehte die Augen und schaltete das Radio an.

Als wir an einem Waldrand hielten, der fern ab der Stadt lag, war es bereits dämmrig. Wir stiegen aus und gingen auf eine Frau zu. Sie hatte blonde Korkenzieher Locken, strahlende blaue Augen, Sommersprossen und war fast so groß wie Seth, der schon neben ihr stand.
„Was ist der Plan?“, fragte Jessi, ohne mich zu beachten.
„Wir fahren erst mal zum Flughafen. Dann nehmen wir die erste Maschine Richtung Süden die wir bekommen. Jessi, du fährst bei Seth mit, ihr fahrt einen Bogen und kommt von Westen. Ich und Lis nehmen den direkten Weg über die Landstraße. Wir treffen uns dort.“ Die anderen nickten und wir stiegen wieder ins Auto und brausten los.
„Ist es nicht gefährlich bei Nacht über die Landstraße zu fahren, wenn man von Vampiren gejagt wird?“
„Eigentlich ist da alles gefährlich. Aber mach dir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen.“
„Wenn du das sagst…“, meinte ich sarkastisch. Das radio war wieder aus und mir war langweilig.
„Jake?“
„Hm?“
„Mir ist langweilig.“
„Ich würd ja zu gern anhalten, aber…“
„JAKE!“
„Is ja gut.“
„Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?“
„Mein momentaner Nachname ist Philips.“
„Und dein richtiger?“
„Hab ich vergessen.“
„Was?“
„Naja, wenn man schon so lange lebt und ständig den Namen wechselt, ist das unwichtig.“
„Und wenn du mal heiraten willst?“
„Wie kommst du auf die Idee ich wöllte heiraten?“
Daraufhin schwiegen wir eine Weile und ich hatte einen kranken Alptraum in dem ich Jake heiratete.

„Komm schon, steig aus, wir sind da.“, meinte Jake grob. Als ich trotzdem nicht gleich aus dem Wagen sprang, riss er meine Tür auf und zerrte mich heraus.
„Hey!“
„Tut mir leid, aber wir haben nicht viel Zeit.“ Er zog mich über den Parkplatz und erklärte mir währenddessen: „Also, unsere Tarnung lautet wie folgt: Du bist meine Freundin und wir fliegen zusammen in den Urlaub.“
„Ich bin ganz bestimmt nicht…“
„Es ist nur zur Tarnung. Ich will nicht das die Vampire uns so schnell entdecken. Außerdem giltst du noch immer als vermisst.“
„Ach so.“ Ich wusste das Wieder stand zwecklos war. Als wir die Flughafenhalle betraten, schnappte sich Jake meine Hand und zog mich näher zu sich.
„Wir sind ein Paar, schon vergessen?“ Ich verdrehte die Augen, genoss es aber irgendwie so dicht neben ihm zu laufen. Wir gingen zu einem Ticketschalter und Jake begann auf die Frau einzureden. Ich schaute mich solang in der Halle um, aber ich konnte niemand blutrünstiges entdecken.
„Komm Schatz, wir müssen los.“, meinte Jake und zog mich in Richtung Kontrolle.
„Jake, wir haben doch gar keine Pässe, wir haben nicht mal Gepäck…“
„Ich kenn Schleichwege.“ Er zog mich durch eine Tür, von der ich sicher war, dass wir sie nicht benutzen durften und drückte mich dann gegen die Wand. Wir waren in einem Flur. Jake spähte um die Ecke und ich tat es ihm nach.
Zwei Wachmänner saßen an einem Tisch und spielten Karten. Hinter ihnen war eine Tür. Dan starrte die beiden konzentriert an und plötzlich standen sie auf und bewegten sich auf eine zweite Tür zu, auf der ein WC Aufkleber war.
„Komm schnell. Gleich merken sie, dass was nicht stimmt.“ Jake zog mich schnell mit sich und wir eilten durch die Tür. Dahinter befanden sich schon die Gates.
„Okay, komm unser Flug ist in einer halben Stunde.“
„Was ist mit Jessy und Seth?“
„Ah, gut das du mich erinnerst.“ Er zog sein Handy aus der Tasche und rief Seth an.
„Hey, wir fliegen gleich Richtung Cote d’azur. … ja, genau dort. Ist so wie so besser, wenn wir getrennt fliegen… Ja… Gut, wir treffen uns dort.“
„Cote d’azur? Ist das nicht das totale Touri gebiet?“
„Das stimmt, aber ich kenne eine Stelle, da bin ich vor hundert Jahren mal vorbei gekommen. Schön abgeschieden. Wir mieten uns erst mal ein schönes Strandhaus und vielleicht kaufen wir es später, wenn die Luft rein ist.“
„Aber…“
„Spätestens morgen stoßen die anderen dort zu uns.“ Ich schüttelte resigniert den Kopf und folgte Jake Richtung Flugzeug.

Wir saßen in der ersten Klasse. Außer uns saßen nur fünf alte Ehepaare hier, aber etwas hinter uns, so das wir unsere Ruhe hatten. Ich wollte mich von ihm weglehnen, aber Jake legte seinen Arm um mich.
„Wir sind ein Paar.“
„Ich bitte dich. Hier ist niemand der…“
„Ach jetzt komm schon. Wollen wir nicht da weiter mach, wo wir vor Jessis Anruf aufgehört haben?“ Sein Gesicht kam immer näher und näher und…
„Lass das bitte.“
„Na gut.“ Ich hätte nicht gedacht das er so schnell aufgab, aber Jake lehnte sich in seinem Sitz zurück und schloss die Augen.
„Was soll das denn werden?“
„Ich schlafe. Solltest du auch.“
„Lässt du mich los?“ Zur Antwort grinste er nur mit geschlossenen Augen und drückte mich enger an sich. Mir blieb also nichts anderes übrig als mich an ihn zu kuscheln und zu schlafen.

Wir schlichen uns wieder aus dem Flughafen, wie wir uns in Deutschland rein geschlichen hatten und gingen in Richtung Taxistand. Es war ziemlich warm und ich schwitzte in meiner langen Jeans.
Jake erklärte dem Taxifahrer auf Spanisch wohin wir, beziehungsweise er wollte.
„Wohin fahren wir?“, fragte ich.
„Zu einem Autoverkäufer.“
„Du willst ein Auto kaufen?!“
„Ohne wären wir ziemlich aufgeschmissen.“

Jake bezahlte das Auto (so ein schickes teures Teil) bar.
„Woher hast du das Geld?“
„Aktien. Es hat sich über die Jahre hinweg angesammelt. Es ist praktisch wenn man keine Lebensmittel oder so kaufen muss.“ Wir führen eine staubige Straße entlang und ließen die große Stadt hinter uns und das Meer kam immer näher. Ich konnte es jetzt schon sehen, während wir uns einen Hügel hinab schlängelten.
„Sag mal, du musst das Strandhaus doch noch mieten, oder?“
„Ja.“
„Und wo willst du das machen, mitten in der Pampa?“
„Siehst du schon.“ Wir bogen um eine Kurve und vor uns lag eine kleine Stadt.
„In dem Kaff willst du was auftreiben?“
Wir hielten und Jake schloss mich kurzer Hand im Auto ein. Vor Wut kochend beobachtete ich wie er in einem Kaufhaus verschwand. Nach einer Weile kam er mit ein paar Tüten beladen zurück.
„Wir haben das Haus und neue Klamotten.“, verkündete er.
„Erstens: Wo hast du …“
„da drin ist ein Reisebüro.“
„Aha, ähm, und woher weißt du meine Größe?“ Er warf mir ein freches Grinsen zu.
„Ich hab geschaut, als ich dir dein Kleid ausgezogen hab.“
Ich beschloss, dass es sinnlos war mit ihm zu reden und schloss genervt die Augen. Waren alle Vampire so arrogant und selbstgefällig und egoistisch und gut aussehend und sexy und… Okay, meine Gedanken gingen in die falsche Richtung.

Das Haus war mehr eine kleine Villa und lag fast direkt am Strand. Direkt hinter ihr begann der Weiße Sand und dahinter schimmerte das Meer. Am liebsten wäre ich sofort schwimmen gegangen, aber ich musste Jake ja zeigen wie angepisst ich von ihm war. Also verschränkte ich die Arme und blieb im Auto sitzen.
Jake beachtete mich gar nicht und trug die Tüten ins Haus. Egoist. Warum konnte er nicht her kommen, damit ich meine Wut an ihm auslassen konnte? Anscheinend gibt es Gott wirklich, denn Jake kam wieder aus dem Haus und öffnete meine Autotür.
„Ähm, kommst du?“ Schweigen.
„Lis?! Wenn du nicht freiwillig…“ Ignorieren! Bleib stark, Lis.
„Du willst es ja nicht anders!“ Jake grinste böse und hob mich kurzerhand aus dem Auto.
Ich wollte schon aufschreien, war aber hin und her gerissen zwischen ignorieren und auf ihn einschlagen. Wenn ich auf ihn einschlug würde ihm das nicht wehtun und wenn ich ihn ignorierte würde er mich wahrscheinlich so lang ärgern bis ich damit aufhörte. Schwierig.
Im Haus ließ er mich auf ein Doppelbett fallen.
„Also, ich empfehle dir nicht wegzulaufen, weil du dich nur verirren würdest und ich dich finden würde. Ähm, ja, irgendwelche Fragen?“ Ich spielte mit dem Gedanken ihn anzuschreien, ließ es aber.
„Du ignorierst mich?“, fragte er und legte den Kopf schief. Bist ja ein ganz schlaues Kerlchen.
„Hm. Das hältst du nicht lange durch.“ Und damit verließ er das Zimmer.
Beim reingehen (oder getragen werden) hatte ich einen Garten mit Liegen entdeckt. Ich wühlte in den Taschen, die Jake hier abgestellt hatte und fand einen schwarzen Bikini. Ich zog ihn an und raus. Jetzt würde ich erst mal entspannen und mich nicht über Jake aufregen.

Ich war auf der Liege eingeschlafen und ich wachte auf als es schon zu dämmern begann. Erst jetzt bemerkte ich den Pool im Garten. Merkwürdig. Das Meer war doch praktisch nebenan, wozu ein Swimming Pool? Ich beschloss ihn gleich zu testen und stand auf.
Ich sah mich um während ich mich elegant ins Wasser gleiten ließ, doch Jake war nirgends zu sehen. Ich schwamm ein paar Bahnen und tauchte anschließend.
Als ich wieder nach oben kam schaute ich zu fällig am Haus hoch, zu den oberen Fenstern. Und wer schaute dort raus: Jake.
„Was glotz du so blöd?“, rief ich. Jake trat vom Fenster weg. Was war denn mit dem los?
Plötzlich stand er vor mir und ich schrie erschrocken auf und bekam Wasser in den Mund.
„Ah, du Idiot! Du blöder Vampir musst du mich denn unbedingt so erschrecken?“
„Sorry Süße.“ Er setzte sich an den Pool und ließ seine Beine im Wasser baumeln. Mir viel auf, dass er kein T-Shirt trug. Oh Mann, wie hatte ich dieses Sixpack nur übersehen können…
„Ach Süße, wenn ich dir jetzt sage, dass du mich anstarrst wirst du verneinen, also lass ichs gleich. Seth und Jessi kommen übrigens morgen Abend.“
„Jake? Warum habt ihr mich eigentlich mitgenommen? Jessi hätte doch schnell meine Erinnerungen löschen können und fertig.“ Ich schaute ihn ernst an.
„Hab ich doch gesagt. Die verfeindeten Vampire wissen wahrscheinlich, dass du bei uns bist oder warst und würden dich töten.“
„Na danke auch. Hey, du kannst froh sein, dass ich keine Familie hab die nach mir sucht! Sonst würd ich nämlich weglaufen.“
„Du würdest nur wegen deiner Familie weglaufen? Was ist mit Freunden?“
„Ich würde mir nur dann Mühe geben. So warte ich einfach auf den passenden Augenblick und bis dahin ärger ich dich. Und nein ich hab keine guten Freunde.“
„Irgendwie ärger ich dich mehr als du mich.“
„Du musst einem echt immer den Spaß verderben“, schnaubte ich und wuchtete mich elegant aus dem Wasser.
„Ja so bin ich. Was möchtest du zum Abendessen?“, fragte er während er mir grinsend dabei zusah wie ich mich flüchtig abtrocknete.
„Schau wo anders hin du Perverser. Keine Ahnung, irgendwas halt.“
„Warum bist du denn so zickig? Hast du deine Tage oder was?“ Die beiläufige Erklärung ließ mich erbleichen.
„Der wievielte ist heute noch mal?“, piepste ich.
„Der 17. Warum?“ Verdammt. Meine Tage waren immer pünktlich und das hieß es war soweit. Und zwar heute. Ich rannte ins Bad und Jake folgte mir langsam. Ich schloss ab und er rief verunsichert durch die Türe: „Ähm… Brauchst du irgendwas?“ Hastig öffnete ich die Schränke und Schubbladen. Das durfte doch nicht sein!
„Tja Süßer. Du musst mir anscheinend Obs kaufen“, rief ich so locker wie möglich lief aber rot an. Gut das Jake mich jetzt nicht sehen konnte.
„Lass mich kurz rein.“ Ich schloss auf und Jake ging schnurstracks zum Fenster. Auf der Außenseite befand sich ein Gitter und er klopfte prüfend dagegen.
„hmhm. Solide.“ Dann ging er zur Tür und zog den Schlüssel ab.
„Was soll das denn werden.“
„Während ich dir das Zeug kauf, könntest du weglaufen. Also muss ich dich einsperren.“
„Das. Ist. Doch. Nicht. Dein. Ernst!?“, stieß ich hervor doch Jake verließ das Bad und schloss von außen ab.
„Keine Sorge, ich beeil mich. Ach ja, brauchst du ne bestimmte Größe?“
„FICK DICH!“, kreischte ich wütend und Jake machte sich lachend vom Acker.

Als Jake endlich wiederkam war ich total am Ende. Ich hatte die wütende, die klaustrophobische, die verzweifelte und die genervte Phase hinter mir und hatte mich noch nicht entschieden, wie ich mir Jake gegenüber verhalten sollte. Auf jeden Fall nicht nett. Endlich klopfte es an der Tür und Jake rief: „Kann ich rein?“
Er konnte schon rein, nur konnte ich nicht raus weil dieser Bastrad mich eingesperrt hatte.
Jake kam rein und hielt mir eine Schachtel unter die Nase. Ich nahm sie ihm aus der Hand und schubste ihn raus. Als ich versorgt war, verließ ich das Bad und ging ins Wohnzimmer.
„Willst du was essen?“, fragte Jake. „Hier.“
Er reichte mir einen Teller Spagetti. Ich nahm ihn wortlos entgegen und setzte mich damit aufs Sofa. Ich hatte beschlossen kein einziges Wort mehr an Jake zu verschwenden. Er setzte sich neben mich und beobachtete mich beim Essen, was ich völlig ignorierte. Dieser Vampir dachte wohl er dürfte sich alles rausnehmen und mich einfach einsperren ohne dass das Folgen haben würde.
„Hast du Lust was zu machen?“, fragte er. „Sam und Jessi kommen erst morgen Mittag an.“
Aha. Ich sah keinen Zusammenhang zwischen den beiden Sätzen, sagte aber nichts.
„Redest du jetzt nicht mehr mit mir?“, fragte Jake verblüfft.
Ich stand auf und brachte den Teller in die Küche. Dann schaltete ich den Fernseher an und setzte mich wieder.
„Du ignorierst mich tatsächlich!“ Er lachte. Ja, super witzig. Es lief ein Actionfilm mit Bruce Willis und ich versuchte mich auf den Film zu konzentrieren.
„Ich glaube nicht, dass du das lange durch hältst.“
Schön, nur hat dich keiner nach deiner Meinung gefragt.
„Ich könnte gemein sein und deinen Körper kontrollieren. Aber ich glaube ich mach es nicht.“
Mein Herz hatte einen Schlag ausgesetzt. Wer weiß wozu Jake mich gezwungen hätte… Ich hasste es, dass er diese Macht über mich hatte.
„Also, Süße, wie gesagt du wirst nicht lange durchhalten.“ Er plapperte eine Weile vor sich hin, was ich einfach ausblendete. Wenn das alles war, was er drauf hatte…
Er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Ich schluckte. Okay, er wird mich schon nicht begrabschen, so was machte Jake nicht.
Auf einmal saß er viel dichter neben mir und ich spürte seinen heißen Atem am Hals. Ich würde ihn jetzt nicht wegschieben. Diese Genugtuung gab ich ihm nicht. Ich konnte das durchstehen.
„Weist du, dass du verdammt heiß aussiehst?“, hauchte er mir ins Ohr. Mein Puls raste. Seine Lippen wanderten über meinen Hals.
Oh Gott. Oh Gott. Ich starrte immer noch auf den Fernseher, bekam aber nichts mehr davon mit.
„Ich kann dein Herz hören“, flüsterte er. Seine Lippen schwebten nur einen Zentimeter vor meinen.
Alles in mir schrie Küss mich, und mein Verstand hatte sich längst ausgeschalten.
Und dann küsste er mich. Erst ganz sanft, dann stieß seine Zunge gegen meine Lippen und ich hielt es nicht mehr aus und erwiderte den Kuss heftig. Ich vergrub meine Hände in seinem wundervollen Haar und drückte mich an Jake.
Ich konnte an nichts anderes denken, als an seine Berührungen und ich wollte nie mehr aufhören ihn zu küssen. Ich stöhnte gegen seine Lippen. Jake kostete den Moment noch ein paar Sekunden aus, dann löste er sich von mir und grinste mich diebisch an.
„Dein Ignorieren macht mich richtig scharf.“
Mir wurde klar, was ich da gerade getan hatte und starrte ihn perplex an.
„Du… bist… Ich hasse dich!“, stieß ich hervor, sobald ich wieder zu Atem gekommen war.
„So hat sich das gerade aber nicht angefühlt.“
Ich war einfach total schlecht im Leute ignorieren. Obwohl ich es ständig versuchte hielt ich nie lange durch. Wütend auf mich selbst und vor allem auf Jake ging ich in das Zimmer in dem Jake die Taschen abgestellt hatte und ließ mich auf das Bett fallen.
Kaum zwei Sekunden später stand Jake grinsend in der Tür.
„Hau ab“, nuschelte ich und drehte mich weg.
„Nein. Dir ist klar, dass wir im gleichen Bett schlafen werden?“
„Niemals!“, kreischte ich und setzte mich kerzengerade auf.
„Ach komm schon, Lis. Du würdest abhauen, sobald ich dich auch nur eine Minute aus den Augen lasse.“
„Du kannst mich ja einsperren, das machst du doch so gerne“, zickte ich.
„Nicht mal annähernd so gern, wie mit dir in einem Bett schlafen.“
Ich kniff die Augen zusammen. Ich war müde und es war bereits dunkel.
„Wenn du mich anfasst, dann schneide ich dir jeden Finger einzeln ab, kapiert?“ Ohne auf eine Antwort zu warten rauschte ich an ihm vorbei ins Bad und duschte ausgiebig. Dann putzte ich Zähne. Jake war so ein dummer Draufgänger. Wahrscheinlich war er angepisst, dass er auf mich aufpassen musste anstatt durch die Gegend zu vögeln. Obwohl er im Prinzip freiwillig auf mich aufpasste.
Ich ging wieder ins Schlafzimmer, doch Jake war nirgends zu sehen. Ich legte mich ins Bett und versuchte einzuschlafen. Mein Leben hatte sich innerhalb von zwei Tagen total verändert. Vorgestern hatte ich mich noch durch mein Leben gelangweilt und heute Nacht würde ich mit einem Vampir in einem Bett schlafen. Einem sehr heißen Vampir. Ich musste verrückt sein. Jake flirtete die ganze Zeit mit mir und ich ging nicht darauf ein. Weil er nur Spaß haben wollte. Aber was wollte ich eigentlich von Jake? Ich kannte ihn ja noch gar nicht richtig…
Ich zuckte zusammen, als Jake sich lautlos neben mich legte. Er berührte mich nicht, doch ich spürte, dass er dicht hinter mir lag. Er sagte nichts, wahrscheinlich war er sauer, schlecht gelaunt oder einfach nur müde.
„Wenn dein Herz einen auf Presslufthammer macht, kann ich nicht einschlafen“, sagte er plötzlich belustigt.
„Niemand zwingt dich hier zu sein“, knurrte ich. „Können Vampire überhaupt schlafen? Und wie wird man überhaupt zum Vampir?“
„Klar können wir schlafen. Wir sind stärker, schneller, haben ausgeprägtere Sinne als Menschen und brauchen Blut zum Überleben, aber ansonsten unterscheiden wir und nicht von euch. Na gut, wir sind außerdem unsterblich und im Prinzip unverwundbar.“
„Du hast meine zweite Frage nicht beantwortet.“
„Warum willst du das überhaupt wissen?“
„So halt. Keine Sorge, ich verspüre kein Bedürfnis ein Blutsauger zu werden.“
„Also gut. Wenn man Blut direkt von einem Menschen trinkt und ihn komplett aussaugt stirbt er. Es sei denn, er bekommt eine Transfusion mit Vampirblut. Diese Prozedur schwächt den Erschaffer aber so sehr, da er ja sein eigenes Blut verwendet, dass es nur sehr selten gemacht wird.“
Ich ließ es mir durch den Kopf gehen.
„Hast du schon mal einen Menschen getötet?“, fragte ich leise.
Es dauerte eine Weile bis Jake sagte: „Ja.“
„Oh. Okay.“ Ich schluckte hart. Ich liege neben einem Mörder im Bett.
„Das verstehst du nicht“, seufzt er.
„Dann erklär es mir.“
„Ich bin ziemlich alt. Im 19. Jahrhundert waren wir Vampire noch nicht so zivilisiert wie heute. Aber ich habe seit zwanzig Jahren niemanden mehr umgebracht. Ich trinke sowieso nur selten direkt von Menschen.“
„Wieso das?“, fragte ich sarkastisch.
„Weil ich … es ist … unmoralisch.“ Jake rang mit den Worten. „Man kann Blut auch ganz einfach kaufen. Und das neulich… das war ein Ausrutscher und es tut mir leid, dass du es mit ansehen musstest.“
„Lebt er noch?“, fragte ich kleinlaut.
„Ja. Aber er war so betrunken, dass er sich an nichts mehr erinnern wird. Er lag schon blutend auf der Straße und ich war ziemlich hungrig. Wir fallen in eine Art Rausch, wenn wir Blut riechen. Es ist zwar nicht schwer zu unterdrücken, wenn wir unsere vier Liter pro Woche schon intus haben, aber wenn man sehr hungrig ist…“
Es schien Jake unangenehm zu sein darüber zu reden und mir auch. Also wechselte ich das Thema.
„Wie alt bist du?“
„25.“
Ach wirklich. „Wie alt bist du wirklich?“
„Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es dürften knapp 200 Jahre sein. Und du?“ Ich hörte den Schalk ich seiner Stimme und verdrehte die Augen. „23.“
„Dacht ich’s mir doch. Warum hast du eigentlich keine Familie und Freunde?“
„Meine Eltern haben mich in ein Heim gegeben, da war ich drei. Ich kann mich nicht mehr an sie erinnern, ich weiß nichts über sie. Ich möchte auch nichts über sie herausfinden. Und Freunde habe ich keine weil ich vor kurzem umgezogen bin. Ich brauchte einen Neuanfang und bis jetzt habe ich in meiner neuen Stadt noch nicht richtig Fuß gefasst. Es ist ein Wunder, dass ich einen Job als Kellnerin habe… Obwohl ich den jetzt wahrscheinlich verliere, weil ich mich nicht mehr melde.“
„Warum der Neuanfang?“
„Als ich mit 18 aus dem Heim kam – keine Familie wollte mich adoptieren, weil ich ein ziemlich rebellisches Kind war – bin ich an die falschen Leute geraten. Drogen und so. Ich wollte da einfach nur noch weg.“ Plötzlich wurde mir klar, was ich da gerade machte: ich erzählte einem Vampir, den ich kaum kannte, meine Lebensgeschichte. Ich musste übergeschnappt sein.
„Warum interessiert dich das?“, fragte ich und drehte mich endlich zu ihm um. Uns trennten nur wenige Zentimeter und ich versank sofort in seinen nachtschwarzen Augen. So schön und tief…
„Weil ich dich besser kennen lernen möchte.“
Warum sollte Jake das wollen? Er scheint mir nicht der Typ, der gern mit Mädchen redet sondern eher andere Dinge mit ihnen macht.
Auf einmal wurde mir bewusst wie müde ich war. Meine Lieder flackerten und fielen zu obwohl ich noch nicht eingeschlafen war.
„Gute Nacht, Lis“, flüsterte Jake.
„Komm her“, nuschelte ich. Ich war zu müde um mich zu bewegen, aber ich wollte mich hier und jetzt an meinen Vampir kuscheln. Ja, meinen.
Jake zog mich an seine Brust und hielt mich fest. Kurz darauf war ich eingeschlafen.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich immer noch an Jake gekuschelt und er hatte die Arme fest um mich geschlungen. Es war so wunderbar warm und gemütlich, dass ich nicht mal die Augen öffnen wollte. Ich seufzte zufrieden und vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge. Er trug kein T-Shirt und seine Haut war so schön warm…
„Gut geschlafen?“, fragte mein Kuschelvampirkissen und ich hörte das Jake breit grinste.
„Mach’s nicht kaputt, weil wenn du’s tust, dann wird ich sauer und rutsch weg und ich hab absolut keine Lust mich zu bewegen“, nuschelte ich. Jake lachte und drückte mich noch fester an sich.
Ich genoss es bei ihm zu liegen und nicht daran zu denken was für ein Arschloch und Player er war. Ich dachte nicht daran, dass er wahrscheinlich keine Gefühle für mich hatte und ich das hier bereuen würde. Ich kostete den Moment voll aus. Ich fühlte mich so wohl in seinen Armen wie ich mich noch nirgends gefühlt hatte. Und das machte mir Angst. Ich wich zurück und setzte mich auf.
„Was ist? Ich hab doch gar nichts gemacht“, beschwerte Jake sich und ich sah zu ihm runter. Wie konnte man nur so heiß aussehen? Ich ließ meinen Blick über seinen Oberkörper gleiten und nahm jedes noch so perfekte Detail war. Auch die lange Narbe, die sich von seinem Schlüsselbein zwanzig Zentimeter abwärts zog schien mir perfekt. Ich schluckte. Bevor ich etwas wirklich Dummes tun konnte ließ ich meinen Blick höher wandern und schaute direkt in sein perfektes Gesicht.
„Wie spät ist es?“, fragte ich.
„Kurz vor sechs.“
Ich verzog unwillig mein Gesicht. Warum war ich so früh aufgewacht? Ich wankte ins Bad und tat das, was man so tat wenn man seine Tage hatte. Dann ging ich zurück zu Jake und legte mich ins Bett. Mein Körper fühlte sich noch schwer vor Müdigkeit an und am liebsten hätte ich mich wieder an Jake gekuschelt, aber ich wollte ihm nicht zu deutlich klar machen, wie sehr ich ihn anhimmelte. Gott, war das peinlich. Da viel mir etwas ein, was noch viel peinlicher war.
„Jake?“, fragte ich vorsichtig.
„Hm?“
„Kannst du… also, ähm, tust du…“ Ich brach ab. Was lief nur mit mir schief, dass ich ihn das hatte fragen wollen?!
„Was ist?“, fragte Jake und sah mich fragend an.
„Nichts, nichts. Ich hab nur … egal.“
„Raus damit. Jetzt hast du mich neugierig gemacht.“
„Nein, es ist mir zu peinlich.“
„Ich lache nicht. Versprochen.“
„Vergiss es.“ Warum hatte ich nur damit angefangen? Plötzlich schwebte Jakes Gesicht direkt über meinem.
„Sag es mir bitte“, hauchte er und mir wurde gleichzeitig heiß und kalt.
„Wenn du dein Gesicht da weg nimmst“, brachte ich hervor, doch es hörte sich nicht annähernd so cool an wie geplant.
Jake wich trotzdem zurück und sah mich erwartungsvoll an.
Ich seufzte resigniert, dann sagte ich: „Ich wollte fragen, ob du riechen kannst, dass ich… also, das Blut…“
„Du willst wissen, ob ich rieche, dass du deine Tage hast.“ Jake blieb voll kommen ernst doch ich wollte im Boden versinken oder sterben, so peinlich war es mir.
„Ich kann es riechen“, sagte Jake. „Und es riecht ziemlich… Sagen wir so, wenn ich kein so rücksichtsvoller und zurückhaltender Kerl wäre, hätte ich dem Verlangen mit dir zu schlafen – und ich meine nicht nur in einem Bett – nicht wiederstanden.“
„Wie bitte?“ Okay, jetzt war es NOCH peinlicher.
„Es gibt für einen männlichen Vampir kaum etwas Antörnenderes als eine Frau die ihre Tage hat.“
Okay. Oooookay. Sollte das etwa heißen, er war gerade heiß auf … mich?!
Ich räusperte mich. „Ach so.“
„Genau.“ Es schien Jake überhaupt nicht peinlich zu sein. Na dann.
„Äh“, machte ich und wusste nicht so recht was ich sagen sollte. „Ich schlaf noch ein bisschen“, verkündete ich schließlich und drehte mich von Jake weg. Ich schloss die Augen und wurde noch röter als feuerrot während ich daran dachte, dass ich mich bis vor ein paar Minuten an einen Mann gekuschelte hatte, der dank meines… speziellen Blutgeruchs scharf auf mich war. Okay. Naja, Jake hatte aber auch kein bisschen gezeigt, was er fühlte. Er war sogar ziemlich nett gewesen und alles.
Plötzlich gab Jake einen genervten Laut von sich, dann spürte ich seine Hände an meiner Taille die mich zu ihm zogen.
„Lass…“
„Ich beiße nicht, Süße.“ Jake kicherte über seinen Witz. Ja, haha, sehr lustig, ein Vampir der nicht beißt. „Im Ernst, mach dir keine Sorgen. Solange du es nicht willst, falle ich nicht über dich her.“ Er kicherte wieder.
„Du bist total unlustig.“ Es fiel mir schwer überhaupt etwas heraus zu bekommen, da Jake schon wieder bestätigte, dass er mich… wollte.
„Komm schon, entspann dich. Ich bekomm es ja schließlich auch hin.“ Er lachte schon wieder.
„Du bist bescheuert!“ Ich wand mich in seinen Armen und wollte nur noch weg. Das schlimmste an allem war, das er mich nur wegen meinem Geruch wollte und kein bisschen wegen mir.
„Ich werde dich jetzt nicht loslassen, aber hör trotzdem auf dich an mir zu reiben.“
„Ich reibe mich nicht an dir, du dreckiger Blutsauger!“, zickte ich, hielt aber still.
„Schon klar, Süße. Schlaf einfach.“ Er lachte wieder.
Ich weiß nicht wie, aber irgendwann schlief ich dann doch wieder ein.


Als ich ein paar Stunden wieder erwachte, schien die Sonne ins Zimmer. Jake saß neben mir und saß auf mich herab.
„Warum starrst du mich so an?“, nuschelte ich und räkelte mich ausgiebig.
„Machst du es mir absichtlich so schwer?“, fragte er sarkastisch.
Ich starrte ihn verwirrt an, bis mir klar wurde, was er meinte.
„Ähm, ich hab nur… Du bist doch selbst schuld, wenn du die ganze Zeit da rum sitzt“, verteidigte ich mich unbeholfen.
„Klar.“ Jake sah mich immer noch unverwandt an. Seine Hand zuckte, dann hob er sie und begann mit meinen Haaren zu spielen.
„Hast du heute auf irgendwas bestimmtes Lust?“, fragte Jake beiläufig.
„Äh…“ Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, solange er na meinen Haaren rumfummelte und seine Hand immer wieder meine Wange streifte.
„Hast du Hunger? Ich hab vorhin schon was… zu mir genommen.“
Ich riss die Augen auf.
„Keine Sorge, es war aus der Flasche.“ Jake zwinkerte mir zu.
„Wo kauft man eigentlich Blut?“
„Nun ja, es gibt Vampire die Bluthandel betreiben. Und die bekommen es aus Blutbanken. Es gibt aber nicht viele, die Flaschenblut trinken, weil frisches Blut besser schmeckt und stärkender ist.“
„Was ist mit Tierblut?“, fragte ich.
„Das schmeckt überhaupt nicht und wenn man sich davon ernährt, braucht man viel mehr.“ Er legte Hand an meine Wange. „Weißt du eigentlich, wie hübsch du bist?“
Ich lief feuerrot an, doch Jake blieb vollkommen ernst. Mir war es peinlich, im Bett zu liegen und von einem fast fremden, heißen Vampir gesagt zu bekommen, ich sei hübsch. Ja, so sieht’s aus.
„Warum sagst du das?“, fragte ich.
„Weil es stimmt.“
„Ich muss aufs Klo“, brauchte ich schließlich heraus und flüchtete mich aus dem Zimmer. Was war nur los mit Jake? Gut, er flirtete zwar ständig mit mir, aber doch nur um mich zu ärgern, oder? Und jetzt, wo ich meine Tage hatte, war er total… Er flirtete immer noch mit mir, aber irgendwie ernsthafter. Lag es an meinem Geruch oder mochte er mich tatsächlich? Gott, ich brauchte dringend jemanden zum Reden!


Der restliche Tag verlief folgender maßen: Ich saß auf der Couch und starrte den Fernseher an, ohne auch nur ein Wort von dem Programm mitzubekommen. Neben mir saß Jake, der mich anstarrte und ich vermute jetzt mal waghalsig, dass auch er nichts von dem Fernsehprogramm mitbekam.
„Okay, dass reicht! Hör auf mich anzustarren!“, rief ich um vier Uhr nachmittags als ich es gar nicht mehr aushielt. Jake grinste.
„Nö.“
„NÖ!? Was stimmt eigentlich nicht mir dir?“
„Nichts. Ich werde ja wohl noch dahin schauen dürfen wo ich will.“
„Aber doch nicht vier Stunden am Stück“, wimmerte ich verzweifelt.
„Es sind schon vier Stunden vergangen?“, fragte Jake verwirrt.
„Nein, wirklich? Im Ernst, hör auf mich anzustarren.“
Jake lehnte sich vor, sodass sein Gesicht direkt vor meinem schwebte. „Mache ich dich denn nervös?“
„Mich machen alle Leute nervös die mich anstarren“, presste ich hervor und versuchte nicht in seinen unglaublichen Augen zu versinken.
Jake lachte und lehnte sich wieder weg. Er schloss die Augen und grinste still in sich hinein.
Ich seufzte und ging in die Küche um meinen Magen zu befriedigen. Ich fand Ravioli aus der Dose und während sie aufgewärmt wurden, stattete ich dem Bad einen Besuch ab.
Als ich wieder in die Küche kam war mein Essen fertig und ich begann es in mich reinzuschaufeln.
Jake beobachtete mich schmunzelnd.
„Waf if dein Prohem?“, fragte ich genervt mit vollem Mund.
„Du hast wohl ziemlich Hunger.“
„Dank dir und deinen Vampirfreunden sind meine regelmäßigen Essgewohnheiten flöhten gegangen. Wenn ich jetzt zunehme ist es deine Schuld.“
„Klar.“ Jake schüttelte immer noch schmunzelnd den Kopf.
„Hast du eigentlich nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag hinter mir her zu dackeln?“, fragte ich stirnrunzelnd.
„Ich weiß nicht… Nö, ich glaub du bist mein neues Hobby.“
Ich stöhnte gequält auf und aß meine Ravioli. Als ich fertig war und alles aufgeräumt hatte sah ich auf die Uhr. Kurz vor fünf.
„Wann kommen die anderen?“, fragte ich.
„Demnächst.“
Jake musterte mich auf eine Art, die mir gar nicht arg gefiel und ich lief unruhig hin und her.
Schließlich klingelte es. Jake ging aufmachen und ich setzte mich auf die Couch. Endlich war ich nicht mehr allein mit Jake. Hoffentlich war diese Jessi nett und würde mir keine Erinnerungen wegnehmen, da ich in ihr eine potenzielle Gesprächspartnerin wegen Jake sah.
Ich hörte Stimmen und dann kamen sie ins Zimmer. Als erstes Jessi, dann Jake und als letztes Seth. Dieser blieb wie erstarrt in der Tür stehen und sein hungrig bis notgeiler Gesichtsausdruck machte mich geringfügig nervös.
„Ähm, hi Seth?“, sagte ich vorsichtig.
Er schluckte, dann riss er seinen Blick von mir los und sah Jake an. „Du hättest mich auch vorwarnen können.“
„Ach so. Ja, tut mir leid. Geht’s?“ Er sah tatsächlich etwas besorgt aus. Allerdings nicht wegen Seth, sondern wegen mir! War dieser Blutmief wirklich so schlimm?
„Ja. Aber ich denk ich geh trotzdem erst mal raus. Nimm es nicht persönlich, Süße“, rief er mir noch zu, dann war er weg. Super.
„Hmpf“, machte ich. Jessi setzte sich neben mich und lächelte mich breit an.
„Ich freue mich ja so dich kennenzulernen. Es wird bestimmt total toll, wenn du bei uns bist. Mit den Jungs durch die Gegend zu reisen ist zwar schön und gut, aber man hat einfach niemand zum Reden!“
Jackpot! Da hatte ich eine bereitwillige Gesprächspartnerin.
„Ich geh mal zu Seth“, meinte Jake und verkrümelte sich.
„Es ist seltsam, dass Jake dich nicht angefallen hat, wo ihr doch alleine ward. Oder hat er etwa…?“ Jessis Augen wurden groß.
„Nein, nein. Vielleicht ist es für ihn ja nicht so schlimm, aber er war eigentlich relativ normal.“
„Für ihn ist es genauso schlimm wie für Seth. Für jeden männlichen Vampir ist es das. Für mich riecht es eher schlechter als normales Blut, also musst du keine Angst haben.“ Jessi zwinkerte mir zu.
„Wenn Seth gerade raus musste und es für Jake genauso schlimm ist, wie hat er es dann letzte Nacht ausgehalten?“, fragte ich mich verwundert.
„Willst du mir sagen, dass ihr in einem Bett schlaft?“, fiepte Jessi.
„Unfreiwillig! Er macht ständig was er will ohne nach meiner Meinung zu fragen!“, verteidigte ich mich.
„Hast du eine Ahnung, wie gefährlich das für dich ist?“ Jessi betonte jedes einzelne Wort.
„Hä?“
„Wenn Jake Nachts neben dir liegt und sich plötzlich nicht mehr beherrschen kann, was willst du dann tun?“
„Schreien? Außerdem seit ihr ja auch noch da…“
„Jetzt schon. Aber ich glaube nicht, dass Seth sich beherrschen könnte. Der würde eher noch mitmachen, als dir zu helfen.“
„Und du?“ Langsam bekam ich Angst.
„Ich würde dir natürlich helfen, aber ich weiß nicht ob ich gegen zwei Vampire im Blutrausch ankomme.“
„Ich glaube nicht, dass Jake mir etwas tun würde“, sagte ich schließlich.
Jessi pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich auch nicht. Ich wollte dir nur klar machen, in was für einer Situation du bist.“
Ich nickte. „Können die uns eigentlich hören?“
„Nein, sie sind Richtung Strand abgehauen. Ich glaube sie schwimmen.“
„Okay. Also, ich wollte dich was fragen. Aber du musst versprechen, es niemandem zu sagen.“
„Heiliges Vampirehrenwort.“
Oh Gott.
„Na ja, also ich wollte wissen ob Jake immer SO ist.“
„Wie?“
„Mischung aus nett und ständig flirtend.“
„Naja, ich weiß nicht…“
„Weil er nämlich immer so zu mir ist, aber wenn er mit mir flirtet, dann so, dass ich nicht weiß, ob er es ernst meint, oder ob er mich einfach nur ärgern will.“
„Also, Lis, ich glaube auf jeden Fall, dass er dich mag. Vampire sind eher praktisch veranlagt und er würde dich nicht vor unseren Feinden beschützen, wenn er dich nicht mögen würde.“
„Definition von mögen?“
Jessi lachte. „Also eins ist klar, du bist total in ihn verknallt.“
„Bin ich nicht! Ich will nur wissen, ob er so wegen meinem… Geruch ist.“
„Wie war er denn davor?“
„Naja, auch so, aber jetzt ist er irgendwie ernsthafter.“
„Hm. Das passt überhaupt nicht zusammen. Weißt du, das einfachste wäre, wenn du ihn fragst.“
„Soweit kommt’s noch. Der denkt doch sowieso schon, dass ich ihn total anhimmle. Damit würde ich den Verdacht nur bestärken und er würde mich wieder so verwirren, dass ich doch mit ihm schlafe und dann lässt er mich fallen und Hasta la vista.“
„Okay. Du stehst definitiv auf ihn.“ Jessi grinste.
Ich gab einen unwilligen Laut von mir. „Aber das ist doch total sinnlos. Er ist irgend so ein Player und ich, ich bin… ich bin… eben ich.“
„Hey ganz ruhig. Warte doch einfach ab, wie er ist, wenn du nicht ehr deine Tage hast. Und dann kannst du dich langsam rann tasten.“
Ich lächelte sie an. „Danke, dass du mir zugehört hast.“
„Klar, kein Problem.“
Wir schauten etwas fern, dann ging ich duschen. Ich schwitze hier wie verrückt. Eigentlich mochte ich das warme Klima nicht sonderlich, aber das Haus gefiel mir sehr.
Als ich mich abtrocknete stöhnte ich auf. Wie klischeehaft. Ich hatte meine Sachen im Schlafzimmer vergessen. Mist, Mist, Mist! Ich wickelte das Handtuch eng um mich und legte ein Ohr an die Tür. Es war nichts zu hören, also wagte ich mich auf den Flur. Ich hastete schnell ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter mir – und erstarrte.
„Ups“, machte ich.
„Oh“, machte Jake, der auf dem Bett saß und die Ellenbogen auf den Knien abgestützt hatte. Wie konnte man nur so heiß aussehen? Und warum dachte ich ständig diesen Satz wenn ich Jake sah?!
Allerdings gefiel mir Jakes hungriger Blick nicht sonderlich.
„Machst du das mit Absicht?“, fragte er langsam mit rauer Stimme.
„Nein, tut mir leid. Ich hab meine Sachen vergessen und ich wusste ja nicht das du hier bist und…“ Warum entschuldigte ich mich eigentlich? Er zog mich ja hier mit Blicken aus und nicht andersrum. Okay, also das war jetzt nicht ganz wahrheitsgemäß…
„Ah…“, machte Jake. Er hatte sich immer noch nicht vom Fleck bewegt.
„Gehst du jetzt hier raus oder was?“, fragte ich leicht nervös.
„Hm.“ Jake schluckte. „Ich glaube, wenn ich mich jetzt bewege, falle ich dich an.“
„Okay. Okay, dann gehe ich einfach.“ Ich schnappte mir den Kleiderstapel, den ich mir vorhin zu Recht gelegt hatte und floh ins Bad zurück. Ach du Scheiße.
Ich betete, dass Jake heute nicht bei mir schlief. Einerseits musste ich mir eingestehen, dass ich gerne neben ihm lag. Aber andererseits machte er mir in diesem Zustand ein bisschen Angst.
Nachdem ich fertig angezogen war, ging ich runter in die Küche und aß etwas. Dann setzte ich wieder neben Jessi, die immer noch fernsah.
„Ging das da oben grade? Ich hab überlegt ob ich kommen muss.“
„Nö, ist nichts passiert.“ Ich versuchte gleichgültig auszusehen doch eigentlich war ich total aufgewühlt.
„Wo ist Seth?“, fragte ich.
„Ich glaube, er wollte noch jagen gehen.“
„Jagen?!“
„Keine Sorge, keine Menschen“, sagte Jessi schnell. Zu schnell.
Ich seufzte gequält. Wegen mir musste jetzt ein Mensch sterben. Super. War das Beihilfe zum Mord?
Weil ich in Gedanken damit beschäftigt war, Argumente, um ein Gericht von meiner Unschuld zu überzeugen, zu finden, bemerkte ich gar nicht, dass Jake den Raum betrat. Erst als er sich neben mich setzte, zuckte ich überrascht zusammen und versuchte ihn nicht anzusehen. Es war mir aber so unangenehm, dass ich aufsprang und verkündete, schlafen zu gehen.
Als ich im kuschligen Bett lag, presste ich mein Gesicht ins Kissen und schrie unterdrückt hinein. Ich war total angespannt und stand unter Strom und schreien half mir da immer.
Nach einer halben Minute hörte ich auf. Ich fühlte mich besser, aber nicht viel. Ich seufzte ergeben und schloss die Augen. Ob ich schlafen wusste ich nicht, schon gar nicht in der Ungewissheit, ob Jake nachher kommen würde oder nicht.

Ich hatte noch kein Auge zu getan als die Tür sich öffnete und da ich wusste, dass Jake merkte, wenn ich nur so tat als schliefe ich, versuchte ich es erst gar nicht. Ich zog die Decke einfach bis zum Kinn und drehte mich weg.
Jake räusperte sich, dann spürte ich wie sich die Matratze bewegte, als er sich neben mich legte.
„Lis?“, fragte Jake nach einer Weile.
„Hm?“
„Also… Ich… Ich hab das Gefühl, dass du auf mich sauer bist“, sagte er schließlich etwas unbeholfen. Ich konnte nicht anders als zu kichern.
„Du hast mich entführt und hältst mich gegen meinen Willen hier fest. Was glaubst du denn? Dass ich dich dafür anbete?“
„Du betest mich an“, stellte er überheblich klar. Er hatte zwar in gewisser Weise Recht, doch das sollte er ja nicht wissen also widersprach ich.
„Das stimmt nicht.“
„Doch. Du müsstest mal sehen wie du mich ansiehst.“ Ich hörte förmlich wie er grinste.
„Entweder hältst du jetzt die Klappe oder du schläfst wo anders“, forderte ich.
Es sah nicht so aus, als wollte Jake verschwinden, denn er hielt tatsächlich die Klappe.
Wie hielt er es nur aus direkt neben mir zu liegen und Seth konnte sich mir nicht einmal nähern? Die Frage geisterte erneut durch meinen Kopf und ich drehte mich auf den Rücken.
Moment. Nicht ich hatte mich auf den Rücken gedreht.
„Jake!“, fauchte ich, doch er gab mir die Kontrolle über meinen Körper nicht zurück.
Während ich mich nicht mehr bewegen konnte, kam er näher. Er stützte den einen Arm rechts von mir ab und kam mit seinem Gesicht soweit herunter, dass wir nur noch Zentimeter weit voneinander entfernt waren.
„Hör auf“, wisperte ich.
„Willst du das wirklich?“, hauchte er und gab mir die Kontrolle wieder. Ich konnte mich dennoch nicht rühren, so angespannt war ich.
Jakes Atem streifte meine Haut und ich unterdrückte ein wohliges Seufzten. Seine Lippen kamen immer näher… und stoppten nur einen Zentimeter vor meinen.
Ich hielt den Atem an und sah ihm in die Augen welche auf meine Lippen gerichtet waren.
„Jetzt mach halt“, flüsterte ich ganz leise. Jake atmete tief ein und schloss die Augen. Warum küsste mich dieser Idiot nicht? Dann ließ er sich plötzlich wieder in die Kissen zurück sinken und fuhr sich seufzend übers Gesicht.
„Was ist?“
„Dein Geruch.“
„Das ist eine faule Ausrede“, murte ich.
„Also, wolltest du, dass ich dich küsse. Jetzt hast du es zugegeben.“ Er grinste mich blöd an und ich verdrehte die Augen.
„Nein, wollte ich nicht.“
„Doch.“
„Okay, aber nur weil du mich verwirrt hast.“ Ich schob trotzig die Unterlippe vor und setzte mich auf.
„Ja klar.“
„Mann Jake, sag mir doch einfach was du von mir willst, dann können wir auch mit diesen dummen Hin und Her aufhören!“, rief ich genervt, aber Jake sah mich einfach perplex an.
„Ich mag dich, okay?“, sagte ich frustriert, und da er immer noch nicht zu verstehen schien, fragte ich: „Magst du mich?“
„Ähm…“
„Ja oder nein, ist ganz einfach“, knurrte ich um mein wildschlagendes Herz zu übertönen.
„Was meinst du mit mögen?“, fragte er schließlich gedehnt.
„Na, eben mögen. Im Sinne von Zuneigung.“ Gott, machte ich mich hier lächerlich. „Hör mal Jake, ich weiß einfach nicht was das soll. Ständig kommst du an und willst mich küssen oder auch nicht. Und jetzt, wo Seth nicht mal mit mir in einem Raum sein kann, liegst du einfach neben mir. Ich verstehe nicht, was das soll!“
Er schluckte und legte den Kopf schief, sofern das in seiner Position möglich war.
„Was meinst du damit, dass du mich magst?“, fragte er und ich war mir sicher, dass er seine Antwort so lange wie möglich herauszögern wollte.
„Ich… hasse dich nicht, obwohl ich das eigentlich tun sollte, immerhin hast du mich entführt.“ Ich konzentrierte mich auf einen Punkt auf der Bettdecke um Jake nicht ansehen zu müssen. Jetzt würde ich es ihm sagen. Ich hatte genug von diesem Rumgemache. „Ich bin immer total nervös wenn du da bist und ich verstehe das gar nicht… und obwohl ich dich kaum kenne, will ich dich ständig küssen.“ Meine Wangen brannten und ich war feuerrot angelaufen. Jake setzte sich auf, sodass kaum noch Luft zwischen uns war.
„Jetzt gerade auch?“, fragte er leise und legte eine Hand an meine Wange, damit ich ihn ansah.
„Ja“, wisperte ich und schon lagen seine Lippen auf meinen, aber nur ganz kurz, dann wich Jake schon wieder zurück. Ich legte meine Hände auf seine Schultern und wollte ihn zurückziehen, doch er lachte nur leise.
„Du bist wirklich süß, Lis.“
„Bekomm ich jetzt eine Antwort?“ Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihm direkt in seine wundervollen Augen.
„Ich mag dich auch, Lis“, meinte er schließlich. „Aber nicht so wie du mich. Ich finde dich echt toll und ich will dich auch ständig küssen, aber für mich ist das eher ein körperliches Gefühl.“ Und so sanft er das auch sagte, die Worte zerrissen mein Herz in Fetzen.
„Bitte sei nicht sauer. Du bist klasse und alles, aber ich denke nicht, dass wir jemals ein Paar werden oder so.“
„Oh“, presste ich hervor. „Schon okay. Ich muss nochmal aufs Klo.“
Und schon war ich aus dem Zimmer verschwunden und hatte mich im Bad eingeschlossen. Jake folgte mir nicht und ich ließ mich auf den Boden sinken. Ich schlang meine Arme um meinen Körper und ärgerte mich über meine naive Hoffnung. Warum musste ich mich auch in diesen Arsch verlieben? Hatte ich gedacht er würde auf so einen Durchschnittsmensch wie mich stehen? Wahrscheinlich hatte er sonst einfach niemand zum Knutschen… Ein körperliches Gefühl, war alles was er für mich empfand. Klasse. Tränen rannen mir über die Wangen, doch ich wischte sie wütend weg. Immerhin wusste ich jetzt, woran ich war…

Am nächsten Tag erwachte ich auf den harten Fließen des Badezimmers und hatte furchtbare Kopfschmerzen. Immerhin war meine Periode zu Ende und ich beschloss im Pool ein paar Runden zu schwimmen. Schon dumm in den Pool zu gehen, wenn das Meer gleich neben an war, was?
Nach zehn Bahnen hörte ich auf zu zählen und kraulte einfach auf und ab bis ich jemand meinen Namen rufen hörte. Jessie stand am Rand des Pools und ich schwamm zu ihr. Schwer atmend stemmte ich mich aus dem Wasser und sah sie abwartend an.
„Ist alles okay?“, fragte sie vorsichtig.
„Ja, klar.“
„Naja, weil du jetzt schon seit einer Stunde durchs Wasser pflügst und heute Nacht im Bad geschlafen hast…“
„Oh. Ähm… Ja. Nein, mir geht’s super.“ Ich stand auf und merkte, dass ich mich ziemlich ausgepowert hatte. Aber das hatte ich jetzt wirklich gebraucht.
„Na gut, also es gibt dann jetzt Essen“, meinte Jessie beruhigt.
„Okay ich komm gleich.“ Ich trocknete mich ab und schlüpft in das Sommerkleid, dass ich mir mit nach draußen genommen hatte. Während ich Jessie nach drinnen folgte wurde ich mir bewusst, dass es mir wirklich nicht schlecht ging. Ich fühlte mich eher leer und irgendwie gleichgültig.
Die Jungs saßen schon am Tisch und gerade als ich eintreten klingelte es.
Automatisch lief ich zur Tür öffnete. Ein Pizzabote stand vor mir und lächelte mich an. Er hatte braungebrannte Haut und dunkle Locken, die ihm in die Augen hingen.
„Eine Lieferung für Madame Lis.“
„Ich habe nichts be…“ Ich erstarrte als er mir eine Pistole in den Bauch drückte und vom Haus wegzog. Noch bevor ich schreien konnte zog er mich auf die Rückbank eines schwarzen Van und dieser fuhr mit quietschenden Reifen davon.
„Was soll das?“, rief ich ängstlich während er mir die Hände mit Handschellen auf den Rücken fesselte. Ich wehrte mich doch der Mann hatte eine unglaubliche Kraft. Dann drückte er mir einen Streifen Klebeband auf den Mund und steckte die Pistole in seinen Gürtel zurück.
„Du hast seltsame Freunde, Kleine. Das könnte dich noch das Leben kosten?“
„Hm?!“, fiepte ich.
„Du hast schon verstanden.“ Das Lächeln war verschwunden und einem kalten Ausdruck gewichen. „Allerdings ist die Gesellschaft, in der du jetzt bist, auch nicht gerade pflegeleicht.“ Er schnallte mich und dann auch sich selbst an. Vorne sah ich noch einen Mann und einer Frau, die wie eine Nutte angezogen war, sitzen.
„Mhmhmm?!“, machte ich ängstlich. Was zur Hölle wurde hier gespielt? Und wo blieben Jake und sein nichtsnutziger Vampirklub? Schließlich wurde ich gerade entführt von einem Psychopaten der aus irgendeinem Grund meinen Namen kannte.
„Deine Freunde sind leider gerade etwas abgelenkt, deshalb werden sie dir nicht zur Hilfe eilen können.“ Er lachte böse und ich riss erschrocken die Augen auf. „Sie sind aber selbst schuld. So lange haben wir sie gejagt, aber sie waren gut im Davonlaufen. Und sie hatten einfach keine Schwachstelle. Bis sie den Fehler gemacht haben sich ein zerbrechliches kleines Spielzeug anzuschaffen.“
Spielzeug? Wovon schwafelte der Psycho? Wer war er überhaupt? Eine dunkle Vorahnung keimte in mir auf, doch das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.
„Haben dir deine Vampire nicht etwa nicht erzählt, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten sind?“
Oh nein. Das hier war also tatsächlich ein Vampir aus der verfeindeten Familie von Jake und Co. Verdammt nochmal! Würden die mich jetzt abmurksen oder was? Ich wollte noch nicht sterben, mein ganzes lahmes Leben lag noch vor mir!
„Keine Sorge, wir tun dir nichts, solange du brav bist.“
Konnte Psycho Gedankenlesen oder sah ich aus, wie ein verängstigtes Häschen?
„Beides.“ Er grinste mich fies an.
Verdammte Scheiße. Okay, Psycho, dann hör mir mal genau zu! Du lässt mich jetzt einfach gehen oder ich reiße dir einen gewissen Körperteil ab, sobald meine Hände wieder frei sind! Ich schickte noch den bösesten Blick, den ich drauf hatte, doch Psycho lachte amüsiert.
„Tut mir leid, aber das wird nicht gehen. Sobald sich deine Freunde von dem Giftgas, das wir in eurem Haus versprüht haben, erholt haben werden sie uns verfolgen, weil sie ihr Spielzeug – dich – zurück haben wollen werden. Aber wir werden sie in eine Falle locken und töten. DANN lassen wir dich vielleicht gehen, aber NUR wenn du wirklich schön brav bist.“
Oh Gott. Oh nein, bitte nicht. Tränen stiegen mir in die Augen. Auch wenn Jake, Seth und Jessie mich eigentlich entführt hatten, waren sie doch meine Freunde. Und dass ich Jake liebte war mir ja schon länger klar. Obwohl er das Gefühl nicht erwiderte, war es nicht schwächer, sondern sogar stärker geworden.
„Du liebst ihn? Das ist ja mal eine interessante Neuigkeit“, meinte Psycho nachdenklich. „Vielleicht bringt mich das ja auf eine Idee.“
Jetzt liefen die Tränen in Strömen und vor lauter Angst konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es war meine Schuld. Ich hatte sie in Gefahr gebracht und Psycho und seine Gang würden sie erbarmungslos töten. Alles meine Schuld…
Die Luft im Van war extrem stickig und ich bekam kaum Luft, aber wir hielten einfach nicht an. Wollten die bis nach Spanien, oder was? Mein Mund war abgetrocknet und die Haut unter dem Klebeband juckte. Die Angst steckte mir tief in den Eingeweiden und meine Muskeln waren verspannter denn je. Außerdem waren meine Hände eingeschlafen, da die Handschellen das Blut abschnürten. Die Vampire im Auto unterhielten sich nicht. Nutti, wie ich sie getauft hatte, feilte gelangweilt ihre krallenartigen Fingernägel. Der Fahrer trommelte ständig auf dem Lenkrad herum und Psycho saß schlafend neben mir.
Draußen war es bereits dunkel als wir auf einen schmalen Feldweg einbogen und schließlich vor einer kleinen Hütte hielten. Ich wurde aus dem Van und in das Haus gezogen. Psycho zog an meinen Handschellen sodass ich unsanft gegen ihn stolperte. Links von mir sah ich eine Couch auf der zwei weiter muskulöse Männer saßen und gelangweilt einen Film in dem kleinen Fernseher verfolgten. Rechts war eine Einbauküche, die relativ unbenutzt aussah.
„Lis, darf ich dir jetzt deine reizenden Gastgeber verstelle: Stella“ – Nutti – „Tommy“ – der Fahrer – „Stephan und Bite“ – die Typen auf dem Sofa – „und zu guter Letzt, ich, Jackson.“ Soll heißen Psycho.
„Mh mhmhm hmhmmh hmmm!“, machte ich und meine Stimme überschlug sich fast.
„Sie sagt, sie freut sich, euch kennen zu lernen“, meinte Jackson ironisch lächelnd. Naja, eigentlich hatte ich „Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken“ gesagt. War ja fast das gleich.
Die anderen lachten spöttisch und Jackson zerrte an meinen Handschellen. Verdammt, das tat weh! Penner. Penetranter Pisspenner. Psycho lachte nur über meine kreativen Beleidigungen, dann zerrte er mich durch eine Tür in einen kleinen Nebenraum, in dem ein Bett und ein Stuhl standen. Er öffnete die Handschelle an meinem linken Handgelenk und kettete mich an einen Bettpfosten.
„Mach’s dir bequem, Süße.“ Er schenkte mir einen letzten, überlegenen Blick, dann ging er wieder nach nebenan. Die Wände waren dünn und ich hörte was er zu den anderen sagte.
„Tommy und Bite, ihr geht in das Lagerhaus und bereitet alles vor. Wir haben vermutlich nur noch ein paar Stunden. Stephan, du gehst jagen. Und bring uns was mit, wir wollen schließlich bei Kräften sein, für unseren Show down.“ Ich hörte dumpfes Gekicher. „Stella, du bleibst hier bei mir. Also, das wär’s. Dann los.“
Ich hörte Schritte und ein Türschlagen. Dann wurde es still. Naja, nicht ganz still. Ich hörte schmatzende Geräusche und es dauerte eine Weile bis mir klar wurde, dass Jackson und Stella gerade rumknutschten. Boah, verdammt noch mal, ging das nicht leiser? Meine Freunde, der Junge, den ich liebte und ich selbst standen kurz vor dem Tod und die knutschten jetzt allen Ernstes rum?
Ich unterdrückte ein Würgen, da es mit Klebeband vor dem Mund nicht gerade schön war zu kotzen, und zählte langsam im Kopf auf zehn. Es würde alles gut werden. Jake würde mich befreien und dann würde er mir seine unsterbliche Liebe gestehen und wir würden glücklich bis ans Ende unserer Tage leben. Da fiel mir ein, dass Jake unsterblich war und meine Disney Happy End Träume lösten sich in Luft auf. Jake würde sterben. Ich würde sterben. Und er leibte mich nicht. Mann, das war ECHT zum Kotzen.

 

Es verging eine Ewigkeit und ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, als endlich die Tür aufging und Psycho alias Jackson eintrat. An seinen Lippen klebte frisches Blut und sein Blick hatte einen noch wahnsinnigeren Ausdruck als vorhin.

„Hallo Kleine“, säuselte er und schlug die Tür hinter sich zu.

Okay…

„Also ich will dir mal unseren Plan erklären“, begann er und musterte mich ausführlich.

Ach du Schande. Ruhig bleiben und unauffällig verhalten! Man soll wilde Tiere ja nicht in die Ecke drängen oder herausfordern.

„Wir haben eine Spur gelegt, sodass deine dreckigen Freunde direkt zu dem Lagerhaus gelockt werden, in das wir dich gleich bringen. So locken wir sie in einen Hinterhalt und sobald sie nur noch auf dich konzentriert sind, bringen wir sie alle um.“

Er grinste zufrieden und setzte sich neben mich. Er streckte die Hand aus und riss mir mit einem Ruck das Klebeband von meinem Mund.

Ich keuchte vor Schmerz auf und Psycho strich beinahe sanft über meine geschundenen Lippen.

Mein ganzer Körper verkrampfte sich und ich versuchte nicht schreiend um mich zu schlagen. Gott, dieser Typ widerte mich an! Und außerdem bedrohte er Jake und die anderen.

Ich unterdrückte die Tränen und fragte trotzig: „Sie werden sich durch mich nicht so ablenken lassen. Wir kennen und erst seit ein paar Tagen und richtige Freunde sind wir eh nicht.“

Jackson lachte auf und zerrte meinen Kopf brutal an den Haaren zurück.

„Du BIST ihnen wichtig, das kannst du mir schon glauben. Außerdem werde ich dafür sorgen, dass du sehr… aufmerksamkeitserregend aussiehst.“

„Wie meinst du das?“, krächzte ich und hob meine freie Hand.

„Das wirst du gleich merken, meine Süße.“

Und dann krachte seine Faust in mein Gesicht.

 

Mein Körper stand in Flammen. Ich wünschte mir tot zu sein oder wenigstens endlich zu sterben, denn die Schmerzen, die der Vampir mir zugefügt hatte, waren auch jetzt noch unerträglich.

Ich lag zusammengekrümmt auf dem Boden eines dunkeln Lagerhauses und wurde durch eine hässliche Stehlampe geblendet.

Die Stille dröhnte mir in den Ohren und meine Augen brannten, doch ich traute mich nicht, sie zu schließen, aus Angst eine neue Gefahr zu spät wahrzunehmen. Aber was hieß da zu spät – wehren konnte ich mich sowieso nicht. Dank diesem psychopathischen Frauenschläger konnte ich mich nicht mal mehr bewegen!

Ein Wimmern entfuhr, doch ich bereute es sofort, da der Schmerz nur noch heftiger in meiner Kehle zustach.

Ich hatte nicht alles mitbekommen, was Jackson mit mir gemacht hatte, da mein Gehirn vor Panik gelähmt gewesen war. Er hatte mich mehrmals in den Hals gebissen, meine Kleidung zerfetzt, mich geschlagen und getreten bis jeder Zentimeter meines Körpers sich die Bewusstlosigkeit wünschte, die ich dann während der Fahrt hier her auch kurz erhalten hatte. Ich war davon aufgewacht, dass einer der Gorillas mich auf den harten, kalten Boden geworfen hatte und Stephan die Scheiß Stehlampe an geschalten hatte um mich gut in Szene zu setzen.

Bei Gott, Allah und was die Religionen dieser Welt sonst noch zu bieten hatten, ich betete das Jake, Seth und Jessi NICHT kommen würden. Denn das wäre ihr sicherer Tod.

Psychos Gang hatte sich hier versteckt und sie würden sie alle umbringen, wenn sie kämen. Meine einzige Hoffnung war, dass ich ihnen nicht wichtig genug war. Warum dachte Jackson überhaupt, dass sie mich retten wollten? Sie hatte mich doch nur „behalten“, weil sie noch keine Zeit gehabt hatten um meine Erinnerungen zu löschen.

Oh nein, wenn sie jetzt nur wegen mir starben… Ich konnte die Tränen der Verzweiflung nicht länger zurück halten und sie verschleierten meine Sicht.

Hektisch blinzelte ich und hob unter größter Anstrengung die rechte Hand, um mir übers Gesicht zu wischen.

Schluchzend krümmte ich mich zusammen und jetzt, wo ich mich erst mal der Verzweiflung hingegeben hatte, überrollte sie mich wie eine riesige Welle. Mein Weinen wurde heftiger und ich stieß einen gequälten Schrei aus, da meine Bauchmuskeln brannten, als hätte jemand heißes Öl darüber gegossen.

Oh, wie ich ihn hasste! Der Hass den ich auf Jackson verspürte, war fast größer als der Schmerz und als ich mich darauf konzentrierte, schaffte ich es, mich etwas zusammen zu reisen. Ächzend stemmte ich mich hoch und versuchte mich etwas umzusehen, doch außerhalb des Lichtkreises der Stehlampe, war es in der Lagerhalle stockfinster. Ich wusste auch nur, dass ich in einer Lagerhalle war, weil Jackson das gesagt hatte.

Von Jake und Co war noch nichts zu bemerken, und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich davon ausgegangen, allein zu sein. Aber das war ich nicht, denn diese Kakerlaken von Vampiren trieben sich hier irgendwo in der Dunkelheit herum und waren schon allein dadurch im Vorteil, dass sie alles sehen und hören konnten. Ganz zu schweigen davon, dass sie auch wenn ich voll intakt gewesen wäre, mir auch so körperlich völlig überlegen waren.

Ich tastete über den Boden und merkte, dass es sich nur um festgestampfte Erde handelte. Mittlerweile war ich mir fast sicher, dass ich nicht gerettet werden würde, da Jackson davon ausgegangen war, dass sein Feind jeden Moment auftauchen würde und das war jetzt keine Ahnung wie lange schon her. Mein Zeitgefühl hatte sich also auch verabschiedet.

Zusätzlich zu Schmerz und Wut gesellte sich nun ein drittes Gefühl: Mein Fluchtinstinkt. Ich musste hier raus und ganz weit weg! Aber wie sollte ich auch nur die Lagerhalle verlassen, wenn ich nicht mal die Hand vor Augen sehen konnte, sobald ich ein paar Schritte gegangen war und mich überhaupt nur schwerfällig und langsam bewegen konnte? Vielleicht könnte ich mich tot stellen und bis morgen früh warten und dann, sobald die Psychos abgehauen waren, klamm heimlich verschwinden. Aber ich konnte noch lange regungslos daliegen, wahrscheinlich hatte ich ADHS oder so… Also doch humpeln bis der Vampir kommt.

Ich versuchte aufzustehen, doch schon beim ersten Schritt wurde mir schwindlig und meine Knie knickten ein. Ich versuchte es noch und nochmal und dann war ich aus dem Lichtkreis draußen und sah nichts mehr. Okay, einfach grade aus kriechen und nicht anhalten immer weiter und weiter und…

„Ah!“

Mein Schrei hallte in der Dunkelheit wieder. Da hatte eben etwas meine Hand gestreift. Oh verdammt! Gab es hier jetzt auch noch Mäuse und Schlangen?! Ich kam mir vor wie in einem schlechten Indiana Jones remake, währen dich stöhnend weiter kroch. Ich warf einen Blick über die Schulter und konnte die Lampe zwanzig Meter hinter mir ausmachen. Gut, einfach weiter krabbeln, bis jetzt hatte mich noch niemand aufgehalten.

Ich versuchte erneut aufzustehen und kam tatsächlich hoch, doch als ich mit dem rechten Fuß auftrat, schoss ein stechender Schmerz mein Bein nach oben und ich biss mir fest in die verdreckte Hand um nicht erneut aufzuschreien.

Das Adrenalin, das durch mein wild klopfendes Herz durch meinen Körper gepumpt wurde, gab mir Kraft und ich setzte mich wieder hüpf-humpelnd in Bewegung. Psycho lachte sich jetzt bestimmt seinen verschissenen Arsch über mich ab. Bei dem Gedanken entwich mir ein wütendes Knurren und im selben Moment schlug ich volle Breitseite gegen etwas Hartes.

Leise fluchend tastete ich es ab und stellte überrascht fest, dass es eine Wand war. Die Wand der Lagerhalle! Und was findet man immer in Wänden? Genau! Türen! Das war meine Rettung. Aufgeregt wandte ich mich nach links und drückte mich an der Wand entlang.

Jetzt war die Rettung so nah… Vielleicht war ich tatsächlich allein, niemand würde mich aufhalten und gleich war ich in Sicherheit!

Als ich kurz einen Blick in die Halle warf, konnte ich kein Licht mehr sehen, was mich irritierte. Hatte jemand die Stehlampe ausgeschalten? Lauschend blieb ich stehen, doch außer dem Keuchen meines Atems und dem Rauschen meines Blutes konnte ich nichts hören. Ich zuckte mit den Schultern und ging weiter.

Doch dann war da ein Rascheln, ein dumpfer Aufprall und Stimmen riefen durch die Halle. Eine davon erkannte ich sofort und mein Herz setzte für einen Schlag aus. Jake war hier, und die anderen dann wohl auch. Ich stolperte von der Wand weg, wollte auf die Geräusche zu laufen, doch sie schienen von oben zu kommen. Metallisches Klirren, Fauchen und dann ein hoher Schrei, der von Stella kommen musste und kurz darauf ein weiterer dumpfer Schlag.

Und dann flammten tausend gleißende Lichter auf und ich presste erschrockene eine Hand auf die Augen.

Verdammt, was sollte die Scheiße denn jetzt? Blinzelnd versuchte ich etwas zu erkennen, doch bevor ich soweit war ertönte ein schallendes Lachen aus dem Inneren der Halle und ich duckte mich reflexartig. Psycho!

Meine Pupillen, die sich auf Stecknadelgröße minimiert haben mussten, ließen die Bilder von verschwommenen Farben wieder zu der Lagerhalle werden, die hell erleuchtete war. Die langen Neonröhren summten leise und schufen eine leicht surreale Atmosphäre.

Hektisch glitt mein Blick durch den Raum.

An den Wänden, die seitlich zu mir lagen, waren Gerüste aufgebaut, in denen sich Psychos Freunde offensichtlich positioniert hatten, während er selbst in der Mitte der Halle stand.

Stella lag zwanzig Meter von mir entfernt seltsam verdreht auf dem Boden, anscheinend war sie herunter gestürzt – oder gestoßen worden, denn fünf Meter über ihr stand Jake mit dem Rücken zu mir leicht schwankend auf dem Gerüst und wurde von Stephan und Bite in Schach gehalten, während Tommy bei Stella kniete und sie untersuchte.

„Die wird schon wieder, du Schwachkopf!“, fauchte Jackson wütend und Tommy stand auf.

Jackson grinste wieder sein Psycho Grinsen und breitete die Arme aus.

„Und jetzt wollen wir doch mal sehen, wo die anderen beiden stecken“, sagte Psycho und sein irrer Blick fand mich.

Schneller als ich auch nur zusammen zucken konnte, war er bei mir und hatte mich an sich gerissen. Einen Arm legte er mir scheinbar locker um den Hals und schnürte mir so die Luft ab.

„Schau mal Jaky, was ich hier habe…“

Langsam drehte Jake sich um und als er mich sah loderte unbändiger Zorn in seinem Gesicht auf. Er stieß ein wildes Knurren aus und wollte auf uns zu springen, doch Bite warf sich gegen ihn und riss ihn vom Gerüst.

Ich schrie erschrocken auf, als sie auf dem Boden aufprallten und mein Vampir ein knacken von sich gab. Bite stand auf und zerrte ihn hoch, doch gerade als er seine Faust in Jakes Gesicht rammen wollte, wurde er zurück gerissen und  ich erkannte Seth, der sich auf die Schultern des Muskelbergs kauerte und die Hände unter sein Kinn legte als wollte er ihm den Kopf abreißen. Dann ertönte ein ekliges, schmatzend-krachendes Geräusch und Bites Kopf hing nur noch schräg verdreht auf dessen Kopf.

Psycho schrie wütend auf, als Bites Körper um fiel und Seth von ihm abließ, während Jake bereits mit Tommy verkeilt war.

„Aufhören!“, kreischte Psycho an meinem Ohr. „Sofort aufhören, oder ich bring sie um!“

Stephan, der ebenfalls vom Gerüst gekommen war und Seth eben zu Boden hatten reißen wollen, hielt inne und Jake ließ von Tommy ab, der ihn sofort im Polizeigriff festhielt.

„Lass sie los!“, rief er wütend, doch Jackson lachte nur.

„Nein… Du sagst mir lieber, wo deine kleine Schwester ist, sonst seid ihr gleich alle tot!“

Jake und Seth, der jetzt von Stephan festgehalten wurde, tauschten einen abschätzenden Blick, dann sahen sie Psycho still an.

„Na gut“, grinste Psycho leicht hysterisch. „Komm raus, Jessica, ich weiß, dass du hier bist!“

Aus dem Augenwinkel nahm ich war, dass Stella sich erhob und ihre Gliedmaßen sich knacken und zuckend wieder an die richtige Stelle bewegte.

Jacksons Griff wurde härter und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Verzweifelt krallte ich mich an Psychos Arm fest und versuchte freizukommen.

Jakes Augen verengten sich und er runzelte konzentriert die Stirn. Er versuchte Jacksons Körper zu manipulieren! Aber warum klappte es nicht?

„Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen, Kleiner. Wir haben in Andorra eine Hexe getroffen, die uns gegen die… Gaben anderer Vampire immun gemacht hat.“

Jakes Augen weiteten sich leicht. Plötzlich wurde Psychos Arm von meinem Hals gerissen und ich stolperte nach vorne.

Hinter mir ertönte Kampfgeräusche, doch bevor ich mich umdrehte, rannte ich ein paar Meter zur Seite, um wenigstens einen kleinen Abstand zu bekommen.

Jessi war wie aus dem nichts aufgetaucht und hatte sich auf Psycho gestürzt, doch dieser war stärker als sie und rang sie zu Boden.

Stella, die sah, dass ich frei war, wollte einen Satz auf mich zu machen, doch Jake riss sich von Tommy los und drehte ihr im Sprung den Hals um. Er packte ihren Kopf fester und riss heftig daran, doch im selben Moment warf Tommy sich gegen ihn.

Ich kreischte erschrocken auf, doch ein anderes Kreischen übertönte meines und mein Kopf fuhr herum. Bei dem Anblick, der sich mir bot, drehte sich mein Magen um. Psycho hatte Jessi, die liebe, unschuldige Jessi, zerfetzt. Ihr Unterleib war samt Beinen abgetrennt und aus ihrem Torso strömte dunkelrotes Blut. Ihr Mund und ihre Augen waren aufgerissen und ihre Hände wie zu Klauen verkrampft. Ihre Glieder zuckten und dann enthauptete Jackson sie.

Seth stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus und wehrte sich mit aller Macht gegen Stephan und Jake und Tommy wälzten sich wie wilde Löwen auf dem Boden.

Alles ging so schnell, dass der Schmerz über Jessis Verlust mich gar nicht erreicht und ich nur wie gelähmt dastehen konnte.

Da lagen zwei Vampirleichen vor mir auf dem Boden – und eine erneut bewusstlose, verdrehte Stella – und Jake und Seth lieferten sich einen Kampf mit zwei Schwergewichten! Und jetzt hatte Psycho keine Ablenkung mehr und stand nur schwer atmend über der zerstückelten Vampirin.

Doch mich beachtete er nicht mehr, sondern wandte sich Seth zu, um dessen Gegner zu Hilfe zu eilen und mir wurde klar, dass ich hier keine Rolle spielte. Ich war nur eine hilflose Geisel, mehr nicht.

Doch irgendwas musste ich tun! Denn die beiden Brüder schienen die Oberhand, die sie nach Bites Bewusstlosigkeit zusammen mit Jessi kurz gehabt hatten, zu verlieren und sobald der Gorilla und auch Stella wieder aufwachten, würden sie verlieren.

Panisch sah ich mich um. Anscheinend waren Vampire nur durch Kopfabreißen zu töten und wie sollte ich einen Stein bitte so zersprengen?

Sprengen! Da hinten standen drei graue Tanks auf denen orangene Hoch-explosiv-Aufkleber prangten. Die Tanks selber waren mit großen, schwarzen Hs versehen. H ist Helium. Wasserstoff! Und Wasserstoff explodiert beim Kontakt mit Sauerstoff.

Aber wenn ich das tat… Dann starben alle. Keine Option.

Ich sah mich weiter um, doch da war nichts anderes hier im Raum.

Dann kam Bite langsam hoch und sein Kopf ruckte wieder an die richtige Stelle. Der riesige Vampir sah sich etwas verdutzt um, dann prallte Seth, den Psycho eben von Stephan gerissen hatte, gegen ihn und er taumelte zurück.

Seth, der zwar schon angeschlagen war, war im Vorteil, da er geistig komplett anwesend war und mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung beendete er, was er vorhin begonnen hatte und riss Bite den Kopf ab.

Stephan stürzte zu Seth und riss ihm einen Arm aus.

Mein Schrei verschmolz mit dem von Seth, während Stephan auch noch seinen zweiten Arm abtrennte.

Diese Schweine! Diese verabscheuungswürdigen, ekelhaften Mistkerle!

Tränen der unbändigen Wut stiegen mir in die Augen, während ich bebend und hilflos zusehen musste, wie der zweite meiner Freunde brutal erledigt wurde.

„Lis!“, brüllte Jake. „Raus hier, wir schaffen das nicht!“

„Nein! Jake!“

Ich stolperte zurück und stieß mit der Hüfte gegen Metall. Es war einer der Tanks.

Jessi war tot. Seth war tot. Und Jake würde gleich sterben.

Ich presste die Hände auf den Mund und schluchzte verstört auf.

Doch da war ein Gedanke, der nicht zuließ, dass ich den Verstand verlor. Sie würden davonkommen. Diese abartigen Mörder würden einfach hier rausspazieren, nachdem sie meine einzigen Freunde und meine große Liebe getötet hatten. Doch das würde ich nicht zulassen. Ohne meine Freunde, ohne Jake, hatte mein Leben keinen Sinn. Denn was sollte ich in dieser kalten Welt denn noch, allein mit dem Hass auf diese Mörder? Meine Hand fand das Rad, das den Deckel des Tanks entriegeln würde.

In Zeitlupe sah ich, wie Jake auf dem Boden aufschlug. Er wandte den Kopf und sah mich an. Blut floss aus seinem Mund und seiner Nase.

Blicke sagen mehr als tausend Worte. Dieser sagte „Ich liebe dich“, „Vergib mir“, „Das ist nicht das Ende“ und unaussprechliche Dinge, die nur in Gefühlen und Farben ausgedrückt werden könnten. Meiner sagte „Ich liebe dich auch“, „Zwischen uns ist alles gut“, „Ich werde immer bei dir sein“ und er sagte alles, was ich in meinem Leben nie über die Lippen gebracht hatte.

Die Zeit stand still und unsere Blicke verflochten sich, knüpften ein starkes Band, stärker als Leben und Tod es waren und wir wurden eins. Die Entfernung die uns trennte, schmolz wie Eis in der Sonne und mir wurde warm. Jeglicher Schmerz und Angst verschwand und ein wohliges, ruhiges Gefühl breitete sich in mir aus. Da waren nur noch Jake und ich und unsere Liebe.

Es war okay. Klar, da hätte noch so viel sein können, so viele Dinge hätten getan werden können, doch das war jetzt alles nebensächlich und unwichtig. Denn das durfte, konnte nicht das Ende sein und ich spürte mit ganzer Gewissheit, dass da nur ein dünner Schleier war, der unsere Welt von etwas viel größerem trennte. Eine andere Dimension, in die wir eintreten würden und in der man vereint war, mit denen die man liebte. Und in diese Dimension würden Jake und ich eintreten, denn dort wartete die Glückseligkeit auf uns.

Die Welt, die still gestanden hatte, drehte sich weiter und alles wurde in Stücke zerrissen.



Ende

 

 

 

Jetzt sind sie alle tot. Schnief. Aber immerhin sind sie ja zusammen und lieben sich!
Wer trotzdem noch über meine anderen Bücher bescheid wissen will, kommt bitte in meine Gruppe "Bücher von Clara S."

Hoffe man ließt sich! <3

LG, Clara

Impressum

Texte: ich hab die rechte
Tag der Veröffentlichung: 12.03.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die trotzdem noch meine Bücher lesen :P

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