Sirius
Ich öffne die Tür und trete in den Garten hinaus. Es ist 23 Uhr, längst ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden. Die Welt ist mit einer Schneedecke zugedeckt und es scheint als sei es noch gar nicht so dunkel. Die Luft ist eiskalt und glasklar. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich schaue zum Himmel auf. Der Vollmond leuchtet hell neben den Sternen.
Ich mache noch ein paar Schritte nach vorn und schlinge die Arme um meinen Körper.
So bleibe ich stehen und beobachte die Sterne. Es gibt so viele von ihnen. Unzählige, funkelnde Punkte, angeordnet zu Bildern und Figuren. Früher hatte ich sie stundenlang betrachtet und mein Vater hatte mir mit seinem Teleskop die vielen Sternbilder gezeigt und mir ihre Namen genannt. Längst habe ich sie alle vergessen. Das Rad der Zeit hatte sich weiter gedreht ohne nachzufragen. Ich war älter geworden und hatte diese andere Welt vergessen.
Heute steht das Teleskop verstaubt in der alten Villa, mein Vater sieht nur noch selten hindurch und auch für mich hatten die Sterne ihren zauberhaften Glanz verloren.
Bis jetzt. Ich hatte heute Mittag den Keller aufgeräumt als ich die Kiste mit meinen alten Tagebüchern fand. Verstaubt und vergessen lagen sie dort und ich nahm sie mit ins Wohnzimmer. Den ganzen Nachmittag hatte ich in ihnen gelesen.
So viele Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit waren in mir wach geworden als ich die Zeichnungen von Sternbildern sah, die ich einst dort hinein gemalt hatte.
Jetzt stehe ich hier draußen und blicke diesem uralten Mysterium entgegen. So viele alte Kulturen hatten sich mit Göttern und Sagen diese Wunderwelt erklärt. Heute kommen sie mit Sonden und wissenschaftlichen Formeln.
Die ganze Magie, die ich früher gesehen habe ist unsichtbar für so viele Menschen. Wie lange habe ich nicht mehr an Orion und das Skorpion gedacht? Wann habe ich zum letzten Mal in den Himmel geblickt und die kleinen Sterne beobachtet?
Meine Augen wandern suchend über den Himmel. Früher sah ich Geschichten und Bilder, jetzt erkenne ich nichts.
Da fällt mir ein besonders heller Stern auf. Er ist großer und strahlender als die anderen. Ich schaue mir die Sterne um ihn herum an und kann plötzlich ein Bild erkennen, dass ich vorher in einem meiner alten Tagebücher gesehen habe.
Der Stern heißt Sirius aus dem Sternbild großer Hund. Er gehört zu den sagenumwobensten Sternen der Geschichte.
Ich erinnere mich wie ich einmal in der Schule eine Präsentation über ihn gemacht habe. Auch habe ich mir einmal eine Geschichte über ihn ausgedacht. Ich beschließe sie zu suchen, vielleicht ist sie ja auch irgendwo im Keller.
Ich senke den Blick und spüre auf einmal die Kälte die ich bis jetzt kaum wahrgenommen habe. Langsam gehe ich zurück ins Haus.
Ich mache mir einen Tee und setze mich in meinen Sessel. Lange denke ich nach, dann gehe ich endlich schlafen.
Ich glaube, ich werde morgen meine Eltern besuchen. Das Teleskop sollte nicht länger verstauben.
Tag der Veröffentlichung: 21.01.2012
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