Cover

Begrüßung

Hallo ihr Lieben,

 

An alle, die dieses Buch lesen:

Lest vorher bitte den ersten Teil, denn sonst werdet ihr hier nicht durchsteigen!

 

An alle, die den ersten Teil bereits kennen:

Ihr habt jetzt wirklich lange genug auf den zweiten Teil von HEIMATLOS gewartet und ich kann mit Freude verkünden

 

HIER IST ER!!!

 

Ich bin froh, dass ihr immer noch dabei seid und freue mich über jeden Kommentar, Votes, Verbesserungsvorschläge und auch über Komplimente ;)

 

Okay, jetzt bleibt mir nur noch eins:

VIEL SPAß BEI HEIMATLOS II. ❤️

Kapitel 1

* 2 Monate später*

"Amy?", klingt Jays Stimme gedämpft durch meine Tür.

"Ja?", verschlafen reibe ich mir meine Augen. Mein bester Freund steckt seinen Kopf ins Zimmer.

"Alles klar?", fragt er besorgt.

"Jaja, ich war nur ein wenig müde und hab mich hingelegt.", murmle ich und stehe auf. "Machst du Abendessen?"

"Ich komm doch grad erst von der Arbeit!", mault er, macht sich dann aber auf den Weg in die Küche, während ich einen kuscheligen Cardigan überstreife und mich an den Tisch setze.

"Wie war die Arbeit?", will ich wissen.

"Ganz gut. Ich habe... Sara hat mich wieder besucht...", fängt er an und ich ziehe eine Augenraue nach oben.

"Naja, wir waren jetzt ja schon ein paar Mal aus. Wäre es für dich in Ordnung, wenn sie mal vorbei kommt? Also wirklich nur wenn du nichts dagegen hast."

"Warum sollte ich etwas dagegen haben?"

"Ich dachte nur... also wegen Will... du hast sicher keine Lust auf ein verliebtes Pärchen." Ich muss schlucken. Ich will nicht an ihn denken! Allein sein Name lässt mich depressiv werden. Mein Blick verfinstert sich sofort und Jay holt unbehaglich Zutaten aus dem Kühlschrank.

"Du kannst sie ruhig einladen. Mir macht das nichts aus, solange du glücklich bist." Betont lässig zucke ich mit den Schultern. Wenn das mal keine Lüge war.

Mein bester Freund dreht sich freudestrahlend wieder zu mir und wirft mir dankbar eine Kusshand zu. Ein leichtes Lächeln legt sich auf mein Gesicht. Bis...

"Jay, was kochst du denn da? Das riecht ja ekelhaft!"

"Ich hab noch nicht mal wirklich angefangen."

Mein Blick fällt auf das rohe Fleisch und ich muss würgen. In sekundenschnelle hänge ich über der Kloschüssel.

"Amy? Was ist denn los? Bist du krank?", mein bester Freund hält mir die Haare zurück, während ich auch noch den letzten Rest meines heutigen Mittagessens erbreche. Erschöpft lehne ich mich an die kühle Wand. Mit einem nassen Waschlappen wischt er mir erst über das Gesicht und dann über den Mund.

Dann richte ich mich mit zittrigen Beinen wieder auf und putze gründlich meine Zähne.

"Komm, ich helf dir ins Bett und bring dir ein bisschen Zwieback und Tee.", fürsorglich legt Jay einen Arm um mich und ich lasse mich von ihm ins Bett bringen.

Wenig später bin ich eingeschlafen.

 

***

 

 "Süße, du musst jetzt wirklich aufstehen. Die Arbeit ruft."

Genervt ziehe ich die Bettdecke über meinen Kopf. Sekunden später wirft sich mein bester Freund jedoch gnadenlos auf mich drauf.

"Geh runter von mir, du Fettsack.", empöre ich mich und versuche ihn von mir wegzudrücken. Dabei verheddere ich mich aber in der Decke und wir landen beide unsanft auf dem Fußboden.

"Na toll", schimpfe ich, "Das war jetzt wirklich nötig, oder?"

"Ja!", grinst Jay schadenfroh und zieht mich auf die Beine.

Schlecht gelaunt mache ich mich auf den Weg ins Bad und werde von einer erneuten Welle der Übelkeit gepackt. Auch diesmal ist Jay für mich da.

"Soll ich Marco sagen, dass du krank bist?", fragt er nachdem ich mich mehrfach übergeben habe.

"Nein nein, es geht schon wieder.", antworte ich schnell. Die Arbeit ist das einzige, was mich davon ablenkt an IHN zu denken. Da werde ich die Übelkeit schon aushalten.

Als ich schließlich in mein Auto steige, geht es mir wieder gut. Ich habe weder Bauchschmerzen, noch Krämpfe, noch ist mir schlecht. Merkwürdige Krankheit!

 

***

 

 Stunden später öffne ich die Tür zu unserer Wohnung und höre Jay schon in der Küche herumwerkeln. Ich ziehe mir erstmal bequemere Kleidung an, bevor ich mich an den Tisch setze und ihn beim Kochen beobachte.

"Geht es dir besser?", will er direkt wissen und mustert mich ganz genau.

"Ja, alles gut.", antworte ich beruhigend.

"Amy, du willst das bestimmt nicht... es war auch nur so ein Gedanke... also wenn du nicht willst...", stottert er.

"Jay, was willst du mir sagen?", frage ich genervt. Er sieht mich nochmal unsicher an, bevor er in den Flur geht. Was soll das denn jetzt?

Kurze Zeit später ist er zurück. In der Hand hält er eine kleine Schachtel, die er mir langsam übergibt. Verständnislos lese ich die Aufschrift.

"Willst du mich verarschen?", herrsche ich ihn an.

"Süße, alle Symptome würden passen und ihr habt ja auch Sex gehabt. Deine Krankheit ist schon mehr als seltsam. Mach den Test und dann hast du Gewissheit.", legt er mir ans Herz.

"Wie kommst du denn darauf?", will ich wissen.

"Ich hab diesen Film gesehen. Und die Frau hat sich auch ständig übergeben, hatte Stimmungsschwankungen und so weiter. Du glaubst gar nicht, wie peinlich es war in der Apotheke danach zu fragen. Die Frau hat mich angeguckt, als wäre ich nicht mehr ganz dicht.", ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus und auch ich muss leise kichern, obwohl mir gerade eher nach Heulen zumute ist.

"Komm schon. So schlimm ist es auch nicht. Und vielleicht stellt sich alles als Missverständnis heraus und du kannst dich freuen.", er nimmt mich in den Arm und streicht mir beruhigend über den Rücken.

"Na gut, ich mache den Test morgen früh. Morgenurin ist genauer und ich werde dir beweisen, dass du falsch liegst.", nuschele ich in seinen Pulli.

Wir lösen uns voneinander und mein bester Freund kümmert sich weiter um das Essen, während ich mich nachdenklich auf den Küchenstuhl fallen lasse.

Was ist wenn ich wirklich schwanger von IHM bin? Ich kann ja nicht mal seinen Namen DENKEN, wie soll ich ihm dann erkläre, dass er Vater wird? Stop! Darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn der Test positiv ist. Und das wird er nicht sein. Soweit ich mich erinnere haben wir immer ein Kondom benutzt. Und ich würde es doch fühlen, wenn ein kleiner Mensch in mir wächst. Also wird sich morgen mein Gefühl einfach nur bestätigen und ich kann weiter machen wie bisher. Naja, vielleicht kann ich IHN endlich vergessen und dann werde ich weiter machen können. Es ist unglaublich, aber er ist immer und überall in meinen Gedanken. Ich dachte nach zwei Monaten hätte ich ihn endlich überwunden und er wäre einfach nur noch eine schwache Erinnerung. Aber das ist er nicht. Sein Gesicht erscheint jede Nacht vor mir. Seine Worte, seine Berührungen, seine Küsse... Das alles verfolgt mich bis in meine Träume.

'Ich muss endlich abschließen und der Schlussstrich wird das negative Ergebnis', beschließe ich mit einem Blick auf den Schwangerschaftstest.

Kapitel 2

Der nächste Morgen beginnt mal wieder mit Übelkeit. Aber das vergeht genauso schnell wieder, wie es gekommen ist. Jay steht nur mit hochgezogenen Augenbrauen daneben.

"Ich würde vorschlagen du machst jetzt den Test.", sagt er bedeutungsvoll, gibt mir die Schachtel und verzieht sich aus dem Bad. Wenige Minuten später kommt er zu mir und wir starren den Test an. In den folgenden drei Minuten bin ich so nervös, wie noch nie zuvor. Als das Ergebnis langsam sichtbar wird bin ich wie erstarrt. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich weinen, lachen oder schreien soll.

"Was bedeutet das?", fragt Jay, der sich verlegen am Kopf kratzt. Er hat natürlich keine Ahnung von Schwangerschaftstest. Ich zwar auch nicht, aber mir ist sehr wohl bewusst, was die zwei Striche bedeuten.

"Schwanger", flüstere ich immer noch geschockt. Jays Kopf dreht sich ruckartig zu mir und er sieht mich erschrocken an.

"Oh scheiße!", flucht er und nimmt mich in den Arm. Tränen beginnen zu fließen und meine Beine geben nach. Wie durch Watte spüre ich, dass mein bester Freund mich hochhebt und in meinem Zimmer auf dem Bett absetzt.

"Was soll ich denn jetzt machen? Will lebt sechs Stunden mit dem Flugzeug von hier entfernt. Abgesehen davon möchte ich ihn nie wieder sehen. Was hätte das auch für einen Sinn. Er hat ein Haus und seine Arbeit, seine Freunde und sein ganzes Leben in Mitara, das wird er wohl kaum alles für das Baby und mich aufgeben. Und ich werde auf keinen Fall dorthin zurück ziehen. Oh Gott, mein Kind wird ohne Vater aufwachsen und ich werde eine depressive schlechte Mutter werden, die total überfordert ist. Wie soll ich mich denn bitte um ein Kind kümmern. Ich bin 24, ich habe einen Job, der mich 24 Stunden am Tag beansprucht und verdiene gerade genug, um mich selber zu versorgen.", bricht es aus mir heraus. Schluchzend vergrabe ich mein Gesicht an Jays Brust.

"Amy, ich bin mir sicher, dass du das schaffst. Will und du, ihr findet eine Lösung. Und das Baby wird so oder so nicht ohne einen Vater aufwachsen. Du hast immer noch mich und ich werde dir helfen wo ich kann. Ich hab zwar auch keine Ahnung von Kindern, aber wenn es sein muss besuchen wir hundert von diesen Vorbereitungskursen. Du wirst eine grandiose Mutter. Und jetzt hör auf zu heulen, du weißt, dass ich damit nicht umgehen kann.", er wischt mir sanft die Tränen weg und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, welches ich zaghaft erwidere.

"Danke. Du bist der beste Freund den man sich wünschen kann. Ich hab dich lieb.", ich drücke ihm noch einen Kuss auf die Wange und lasse mich dann zurück in die Kissen fallen. Jay macht sich fertig für die Arbeit und ich rufe zuerst bei meiner Frauenärztin an. Ich brauche einen eindeutigen Beweis und ich möchte mich über meine Möglichkeiten informieren. Zum Glück bekomme ich noch heute einen Termin und telefoniere danach gleich mit meinem Chef, um mich für heute krank zu melden.

Ein paar Stunden später mache ich mich fertig (Bild) und fahre zur Arztpraxis. Im Wartezimmer nehme ich mir eine Zeitschrift und blättere sie mit zitternden Fingern durch, ohne den Inhalt wirklich zu betrachten. Jays Worte gehen mir wieder durch den Kopf. Er sieht alles so einfach, aber das ist es nicht. Ich bin viel zu verwirrt, um eine Entscheidung zu treffen.

"Amanda Thompson", ruft mich eine Arzthelferin auf und bringt mich in den richtigen Raum. Vor dem Schreibtisch setze ich mich auf einen Stuhl und warte auf meine Frauenärztin.

"Frau Thompson, Guten Tag.", die junge Frau betritt den Raum und reicht mir strahlend die Hand.

"Hallo", bringe ich heraus.

"Was kann ich für sie tun?", fragt sie geschäftig und setzt sich mir gegenüber, während sie meine Akte durchblättert.

"Also...ich habe heute Morgen einen Schwangerschaftstest gemacht. Und der war positiv.", erkläre ich kurz.

"Und sie möchten, dass ich mir das nochmal ansehe. Kein Problem. Dann hätte ich gerne eine Urinprobe. Frau Baker bringt ihnen etwas zu trinken und in der Zeit unterhalten wir uns ein wenig.", sprudelt es nur so aus ihr hervor und sie ruft sofort die Arzthelferin, die mir eine Flasche Wasser und einen Becher für die Urinprobe hinstellt. Während ich also trinke, werde ich zu Krankheiten und Schwangerschaften befragt.Eine viertel Stunde später gehe ich zur Toilette und gebe dann die Probe am Empfang ab.Wieder muss ich im Wartezimmer warten, bis meine Ärztin mich für die Ergebnisse holt.

"Also, Frau Thompson, wir haben ihre Urinprobe ausgewertet. Herzlichen Glückwunsch, sie sind wirklich schwanger!", sie lächelt mich breit an und ich schlucke die aufkommenden Tränen runter und versuche mich ebenfalls an einem Lächeln.

"Sie dürfen jetzt noch ein wenig trinken, damit wir gleich einen Ultraschall durchführen können. Jetzt müssen wir uns aber erst mal über ihre Ernährung, Belastungen und und und unterhalten.", erklärt sie und ich muss ihr eine Reihe von Fragen beantworten. Dann untersucht sie mich. Ich weiß nicht wirklich, was sie herausfinden möchte, aber sie sieht zufrieden aus.

"Sie sind in der vierten Schwangerschaftswoche. Ab jetzt kommen sie bitte alle vier Wochen zur Untersuchung. Es sieht alles gut aus, ich würde mir nur wünschen, dass sie ein wenig mehr essen. Sie haben mir ja von ihrer Magersucht berichtet, das wäre absolut schädlich für das Kind, also lassen sie sich von ihrem Partner kulinarisch verwöhnen.", schlägt sie vor.

"Ich habe noch eine Frage. Wie sieht es mit einem Schwangerschaftsabbruch aus? Ich bin jung und ich habe keinen Partner.", erkläre ich langsam.

"Ein Schwangerschaftsabbruch ist bis zur 14. Schwangerschaftswoche möglich. Aber das ist eine schwerwiegende Entscheidung über die sie genau nachdenken sollten. Dafür müssen sie auch unbedingt vorher eine Beratungsstelle aufsuchen. Ich gebe ihnen aber schon einmal eine Broschüre mit. Und ihren Mutterschaftspass.", sie drückt mir beides in die Hand und verabschiedet sich dann.

Kapitel 3

Zu Hause angekommen verkrieche ich mich gleich wieder in meinem Bett. Ich bin mit der Situation heillos überfordert. Aber wer wäre das nicht? Mit Kopfschmerzen liege ich da und versuche meine Gedanken zu ordnen.
Auf der einen Seite liebe ich Kinder und kann es mir eigentlich nicht vorstellen ein unschuldiges Baby zu töten. Außerdem würde Jay mich unterstützen und ich wäre nicht ganz auf mich alleine gestellt.
Auf der anderen Seite bin ich 24, habe zu wenig Geld, bin Single und das Kind wird ohne Vater aufwachsen müssen.
Ich weiß einfach nicht, was richtig und was falsch, was gut und was schlecht ist. Von Minute zu Minute werden meine Kopfschmerzen schlimmer und das Chaos in meinem Kopf schlimmer. Warum müssen solche Dinge immer mir passieren? Hätte ich nicht einfach eine entspannte Woche bei meiner Familie verbringen können, ohne einen Mann zu treffen, der mir den Kopf verdreht? Womit habe ich das alles verdient?
Erschöpft schlafe ich schließlich ein.

***

"Amy?", flüstert eine Stimme und jemand rüttelt leicht an meiner Schulter. Verschlafen richte ich mich auf und sehe Jay neben mir sitzen. Und er sieht ziemlich wütend aus.

"Was ist denn los?", frage ich ahnungslos.

"Was los ist?! Ich komme gerade rein und was finde ich im Flur? Eine Broschüre über irgendeine Beratungsstelle zum Schwangerschaftsabbruch. Du willst das Baby doch nicht wirklich abtreiben, oder?", ich sehe Zorn, Unsicherheit und Besorgnis in seinen funkelnden Augen.

"Ich weiß es noch nicht. Ich weiß gerade gar nichts. Das ist gerade alles viel zu viel auf einmal. Ich fühle mich einfach nicht bereit jetzt schon Mutter zu werden. Und die Situation mit Will hilft da nicht wirklich. Ich schaffe es ja nicht einmal mein eigenes Leben hinzukriegen. Wie soll ich da die Verantwortung für ein winziges Würmchen übernehmen, was komplett auf mich angewiesen ist? Ich bin alleine und das wünsche ich meinem Kind beim besten Willen nicht.", versuche ich zu erklären.

"Aber Amy, du bist nicht alleine. Ich bin bei dir. Ich hab dir gestern schon gesagt, dass ich dir helfen werde. Das wird unser Kind. Wenn du möchtest adoptiere ich es sogar, damit du mir glaubst, dass ich es ernst meine. Ich liebe dich wie eine Schwester und ich werde dich nie alleine lassen.", beruhigt er mich sanft.

"Aber genau das möchte ich nicht, Jay! Du würdest dein Leben für mich aufgeben, das gleiche würde ich für dich tun, aber ich will, dass du glücklich wirst. Du bist nicht der leibliche Vater und ich zerstöre dein Leben , indem ich dir ein Kind unterschiebe.Du möchtest mir gerne helfen, aber ich möchte, dass du irgendwann eine Frau findest und mit ihr eine Familie gründest und glücklich wirst. Da sind mein Baby und ich nicht wirklich fördernd. Du hast doch selber gesagt, dass du dich schon lange nicht mehr mit Frauen getroffen hast. Und das nur, weil du dich um mich kümmern musstest. Das ist mein Leben und meine beschissene Situation! Ich muss jetzt selber damit fertig werden.", mache ich ihm klar.

"Ich verstehe dich, Amy. Aber ich würde dir einfach so gerne helfen. Du schlitterst von einem Desaster ins nächste.", er seufzt und streicht mir übers Haar.

"Wie geht es dir und dem Kleinen?", will er wissen und legt sich neben mich.

"Etwas müde, aber es geht schon. Und vielleicht wird es ja auch eine Kleine.", beharre ich.

"Und in welcher Woche bist du?", hakt er interessiert nach. Grinsend gebe ich ihm Auskunft auf alle seine Fragen. Es ist schön, dass er sich um mich kümmert und sich scheinbar auf das Kind freut. Seine Freude färbt deutlich auf mich ab und er bringt mich sogar dazu den Gedanken an eine Abtreibung zu verwerfen. Das kleine Würmchen ist immerhin unschuldig an der Situation seiner idiotischen Mutter.

***

In den nächsten Wochen habe ich das Gefühl, dass meine Laune alle paar Minuten umschwingt. Im einen Moment bin ich euphorisch und glücklich, in der nächsten heule ich wie ein Wasserfall oder werfe mit Tellern um mich, so verzweifelt bin ich. Jay hat ziemlich damit zu kämpfen. Ich bezweifle langsam, dass das normal ist, weil ich wirklich früh anfange und sehr extreme Gefühlsausbrüche habe. Aber wahrscheinlich kommt zu den Hormonen auch noch der Stress. Ich kann nicht mehr aufhören an Will zu denken. Manchmal würde ich am liebsten in den nächsten Flieger springen, mich für das Theater vor meiner Abreise entschuldigen und ein neues Leben mit ihm und dem Baby anfangen. Aber dann siegt wieder mein Verstand, der mir sagt, dass Will wohl nicht begeistert sein würde mich zu sehen und schon gar nicht, dass er Vater wird.

An Gewicht habe ich leider nicht wirklich zugelegt, auch wenn meine Ärztin mich auch bei der zweiten Untersuchung nochmal darauf hingewiesen hat. Sie war nicht wirklich zufrieden und hat mir Ruhe und Entspannung verordnet, als ich ihr meine Stimmungsschwankungen beschrieben habe.

"Amy, können wir nochmal reden?", mein bester Freund kommt ins Wohnzimmer, wo ich auf dem Sofa liege und fernsehe. Unsicher bleibt er mit etwas Abstand zu mir stehen. Wahrscheinlich möchte er erst herausfinden, wie meine Laune gerade ist.

"Klar", lächele ich sanft und klopfe mit der Hand neben mich. Jay atmet erleichtert aus und setzt sich zu mir.

"Du solltest mit Will sprechen. Du bekommst ein Kind von ihm und je länger du wartest, desto schwieriger wird es. Er hat ein Recht darauf es zu erfahren. Und ihr müssten diesen Mist endlich klären. Ich weiß, dass du ihn vermisst. Ich finde es zwar unglaublich, aber ich bin mir sicher, dass das zwischen euch wirklich Liebe war. Männer sind zwar angeblich blind für sowas, aber eure Beziehung war besonders und vielleicht der Anfang von etwas Großem." Jay fährt sich verlegen über den Nacken.

"Das war das schwulste, was ich je gesagt habe.", meint er dann und wir brechen beide in Gelächter aus.

"Das war wirklich süß von dir. Wahrscheinlich hast du Recht. Ich sollte mit ihm sprechen. Aber ich kann ja schlecht anrufen und sagen: 'Hey Will, wir haben und zwar schon Monate nicht gesehen und wahrscheinlich hasst du mich, aber du wirst Vater.'", beschwere ich mich.

"Was hältst du davon, wenn wir deine Familie mal wieder besuchen? Dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Du kannst ihm und deiner Familie davon erzählen.", grinst mein bester Freund triumphierend.

 

Kapitel 4

 

"Herr Lingston hat sich unglaublich für mich gefreut.", erzähle ich Jay freudestrahlend.

"Siehst du, alle finden deine Schwangerschaft super.", er grinst triumphierend. Entspannt lehen ich mich zurück. Ich hätte nicht erwartet, dass mein Chef so reagieren würde. Ich dachte eher er... Ich weiß auch nicht wirklich, was ich erwartet habe. Jedenfalls keine positive Reaktion.Langsam wurde es Zeit ihm Bescheid zu sagen, da ich in der 14. Schwangerschaftswoche bin und mein Bauch schon leicht rundlich wird. Ich habe extra noch gewartet, damit eine Fehlgeburt unwahrscheinlich wird. Das erste Ultraschallbild habe ich auch schon. Jay hat mich begleitet, um mir zu zeigen, dass er mir beisteht und war begeistert davon. Auch wenn er nichts erkennen konnte und meine Ärztin ihm geduldig alles erklären musste.

"Wollen wir einen Spaziergang machen? Frische Luft ist bestimmt gut für den Kleinen.", schlägt er vor.

"Die Kleine", betone ich, "und ich können uns nichts schöneres vorstellen." Gemeinsam machen wir uns fertig (Bild) und gehen entspannt durch den Park.

"Hast du schon einen Flug nach Mitara gebucht?", hakt mein bester Freund vorsichtig nach. Ich halte kurz inne, lasse mir aber nichts weiter anmerken.

"Nein, ich weiß noch nicht, wann ich hinfliegen werde."

"Amy, unser Gespräch ist bestimmt schon einen Monat her. Ich kann ja verstehen, dass du warten wolltest, um eine Fehlgeburt ausschließen zu können. Aber jetzt wird es wirklich Zeit. Wenn ich mir vorstelle, dass eine Frau von mir ein Kind erwartet und es mir erst auf den letzten Drücker beichtet, ich würde ausrasten. Er hat ein Recht auf sein Kind!"

"Das weiß ich, aber ich kann einfach nicht. Ich würde mich bei dem Gedanken an ihn schon am liebsten verkriechen. Nach der Aktion damals kann ich mich dort doch nie wieder blicken lassen."

"Quatsch! Irgendwann musst du eh nach Mitara. Deine Familie lebt dort, bei ihnen has du keinen plausiblen Grund ihnen das Kind vorzuenthalten. Amy, mach es dir doch nicht unnötig schwer. Wir beide fliegen nach Mitara, du erzählst Will von dem Kind. Dann hat er genau zwei Möglichkeiten. Entweder er sieht ein, dass ihr bald eine Familie seid, ihr reißt euch zusammen und werdet glücklich. Oder er weist dich ab, wir fliegen zurück und du vergisst, dass es ihn überhaupt gibt."

"Wirklich lustig, Jay. Mein Würmchen wird mich sowieso jeden Tag an ihn erinnern. Kannst du mich denn nicht verstehen? Ich lebe lieber in Ungewissheit, als mit dem Wissen, dass er mich und sein Kind nicht möchte. Was soll ich der Kleinen denn dann mal erzählen: 'Dein Vater ist ein Riesenarschloch und konnte mir so einen blöden Streit nicht verzeihen. Also bin ich im Endeffekt schuld, dass du keinen Vater hast, aber egal.' Das ist doch scheiße!"

"Aber willst du ihm erzählen: 'Ich war zu feige nochmal mit deinem Vater zu sprechen, deswegen wirst du ihn nie kennenlernen.' Das ist noch viel schlimmer. Du wirst Will vielleicht nicht vergessen, allein schon, weil du ihn liebst, aber du kannst dann wenigsten mit der Sache abschließen. So wirst du dich ewig fragen 'Was wäre, wenn'!"

Anstatt weiter mit ihm zu diskutieren umarme ich ihn einfach, denn ich weiß, dass er mal wieder Recht hat. Auch wenn es mir schwer fällt, ich möchte es wenigstens versuchen. Und irgendwo in mir ist ein Funken Hoffnung, der mir sagt, dass alles gut werden wird.

Langsam machen wir uns auf dem Heimweg und kurz vor der Haustür begegnen wir Rob. Seit Monaten habe ich ihn schon nicht mehr gesehen. Das letzte Mal bei unserem 'Date'. Er sieht gut aus, aber er hat leichte Augenringe. Vermutlich arbeitet er mal wieder wie ein Besessener.

"Hey, Rob", begrüße ich ihn vorsichtig. Überrascht sieht er auf. Gespannt beobachte ich seine Reaktion. Ist er noch sauer auf mich, weil ich seine Gefühle nicht erwidern kann?

"Hallo, Amy. Hi, Jay", er lächelt uns freundlich an und mir fällt ein Stein vom Herzen. "Wie geht es euch? Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen.

"Alles super und bei dir?", fragt Jay grinsend. Anscheinend hat er meine leichte Panik bemerkt und amüsiert sich köstlich darüber. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, den er mit einem Zwinkern kommentiert.

"Ja, passt schon. Ich hab viel Arbeit. Aber vielleicht können wir ja mal wieder was zusammen machen.", schlägt er vor.

"Klar, gerne. Klingel doch einfach mal, wenn du Zeit hast oder ruf kurz an.", sage ich lächelnd und er sieht erleichtert aus.

"Wir gehen dann mal Mittagessen kochen. Dir viel Spaß bei der Arbeit. Bis bald", Jay macht wieder seinen Handschlag mit ihm und läuft dann schon ein paar Schritte voraus. Unsicher sehe ich meinen Nachbarn an, der mich kurzentschlossen in eine Umarmung zieht.

"Tut mir Leid, dass ich so blöd reagiert habe. Du kannst nichts für deine Gefühle, genauso wenig wie ich. Aber ich bin froh, dass wir das geklärt haben und jetzt einfach Freunde sein können.", sagt er in mein Ohr und ich muss lächeln.

"Finde ich auch. Bis bald, Rob", mit diesen Worten gehe ich an ihm vorbei und folge Jay ins Haus. Eine Sache weniger, die auf meinen Schultern liegt und ich fühle mich gleich etwas beschwingter.

"Na los, du Opa. Ich dachte wir wollen kochen.", grinsend sprinte ich an ihm vorbei die Treppe hoch.

"Ich gebe dir gleich Opa. Na warte, wenn ich dich kriege.", knurrend hechtet er mir hinterher und ich kreische auf, als er mich beinahe eingeholt hat und nach mir greifen will.

"Erste", rufe ich triumphierend, als ich an der Tür angekommen bin und strecke ihm die Zunge raus. Doch dann zucke ich zusammen und lege mir eine Hand auf den Bauch.

"Amy? Alles klar? Hey, was ist los?", besorgt sieht er mich an und legt eine Hand auf meinen Arm.

"Geht schon, ich bin einfach etwas unsportlich. Kommt davon, wenn man ewig nicht mehr joggen war. Es geht mir gut, nur etwas Seitenstechen.", keuche ich.

"Nach Seitenstechen sieht mir das aber nicht aus. Was sprintest du auch vier Treppen hoch? In deinem Zustand ist das sicher keine gute Idee. Komm, setz dich erstmal aufs Sofa.", schnell schließt er die Tür auf und bugsiert mich ins Wohnzimmer. Dort strecke ich zuerst meine Arme nach oben und atme dann tief ein und aus. Langsam beruhigt sich mein Puls wieder und das Stechen wird weniger.

"Es geht wieder.", erschöpft lasse ich mich in die Kissen fallen und streife die Schuhe von den Füßen. "Du kannst dich aber ruhig trotzdem ein bisschen um mich kümmern. Ich hätte gerne ein schönes Schokoeis mit Sahne."

Jay verlässt kopfschüttelnd den Raum und ich gähne herzhaft. Sekunden später bin ich auch schon eingeschlafen.

Kapitel 5

Als ich wieder aufwache, geht die Sonne gerade unter. Ich strecke mich einmal und erhebe mich dann vom Sofa. Mein Rücken schmerzt ein wenig, doch ich fühle mich erholt. Langsam streife ich durch die Wohnung, auf der Such nach Jay. In seinem Zimmer finde ich ihn schließlich. Er sitzt an seinem Laptop. Leise schleiche ich mich von hinten an ihn. Eigentlich will ich ihn erschrecken, doch als mein Blick auf die Website fällt bleibe ich erstarrt stehen.Mein bester Freund sucht wirklich nach Geburtstvorbereitungskursen.

"Und hast du schon was gefunden?", frage ich hibbelig und lehne mich nach vorne, um den Text besser lesen zu können. Erschrocken fährt er zusammen und guckt mich entgeistert an.

"Seit wann stehst du hier?"

"Gerade eben. Aber jetzt sag schon, hast du was gefunden?", aufgeregt wippe ich hin und her.

"Ja, ja ich habe hier einen Kurs, der sich gut anhört. Der ist nicht besonders teuer. Und wenn du willst, begleite ich dich drei Abende. Also, solange das mit Will nicht geregelt ist. Sieht doch gut aus, oder?", fragt er und öffnet eine neue Seite. Kurz überfliege ich den Text und nicke dann.

"Super!" Meine Gedanken schweifen wieder zu Will. Ich wünsche mir, dass er mitkommt. Auch wenn Jay mein bester Freund ist, er ist einfach nicht der Vater. Und ich vermisse WIll mittlerweile so stark, dass es schmerzt. Ich hätte nie gedacht, dass es möglich ist sich innerhalb einer Woche zu verlieben, aber noch weniger hätte ich erwartet, dass er mir so sehr fehlen wird. Wir sind einfach alles andere als normal, das zeigt ja alleine schon mein jetziger Zustand.

"Jay?", sage ich vorsichtig.

"Ja?", erwartungsvoll sieht er mich an.

"Ich weiß nicht, ob das so ein guter Plan ist mit dem Flug nach Mitara.", beichte ich ihm.

"Amy, darüber haben wir jetzt schon hundert Mal diskutiert. Du kannst ihm sein Kind nicht vorenthalten.", seufzt mein bester Freund genervt.

"Das weiß ich doch und das will ich auch nicht. Ich möchte, dass wir eine Familie werden, aber... Ich möchte nicht, dass er nur zu mir zurück kommt, weil ich schwanger bin. Er ist sehr verantwortungsbewusst und möchte Kinder. Er wird sein Kind um sich herum haben wollen. Und dafür müsste ich nach Mitara ziehen oder er hierher. Das heißt er wird entweder darauf bestehen, dass ich zu ihm ziehe oder er würde hier einziehen. Also, wenn er das Kind überhaupt möchte. Aber ich kann nicht mit einem Mann zusammenleben, der mich nur toleriert, weil ich die Mutter sienes Kindes bin. Das würde mich kapputt machen.", traurig lasse ich den Kopf hängen. Meine Nase fängt an zu kribbeln und schon läuft mir die erste Träne über die Wange.

"Ach Amy, mit dir wird es echt nie langweilig. Glaub mir, Will hat dich wirklich geliebt. Ich weiß nicht, ob es heute immer noch so ist. Wenn ich mir dich angucke, bin ich sicher, dass er es noch tut, scheinbar entliebt man sich nicht besonders schnell. Er wird bestimmt nicht nur mit dir zusammen sein wollen, weil du sein Kind bekommst. Du musst auch etwas Vertrauen haben. Denk nicht zuviel darüber nach. Du solltest erst einmal mit ihm sprechen und dann wird sich alles ergeben.", beruhigt er mich und nimmt mich in den Arm.

"Diese Schwangerschaft macht mich noch verrückt. Ich habe das Gefühl, du bist nur noch am heulen und damit kann ich einfach nicht umgehen.", nuschelt er vor sich hin und ichkichere leise.

"Es tut mir Leid, ich habe meine Gefühle einfach nicht unter Kontrolle. Aber das wird hoffentlich bald vergehen.", flüstere ich zurück.

***

Fast vier Wochen später ist Jay endlich erfolgreich. Er hat es geschafft mich dazu zu bringen einen Flug nach Mitara zu buchen. Ich frage mich immer noch, was mich geritten hat nachzugeben, weil ich geraded überhaupt nicht mehr überzeugt davon bin. Am liebsten würde ich mich in meinem Bett verkriechen. Es ist genauso wie beim letzten Mal, obwohl ich diesmal anstatt Tommy Will aus dem Weg gehen möchte. Aber das ist leider unmöglich.

"Komm schon, Amy. Steh endich auf und mach dich fertig.", ruft Jay aus seinem Zimmer. Ich antworte nicht, sondern bleibe stur am Esstisch sitzen.

"Amanda Thompson, wenn du jetzt nicht sofort deinen Hintern bewegst gibt es mächtig Ärger.", ruft er.

"Ich will aber nicht!", schreie ich zurück. Ich verhalte mich zwar gerade wie ein kleines Kind, aber ich fühle mich einfach nicht bereit Will zu begegnen, also werde ich auch nicht nach Mitara fliegen. Meine Familie weiß eh nicht, dass ich komme, also wird niemand mir Vorwürfe machen können, außer meinem besten Freund.

"Amy!", wütend kommt er angestapft und richtet seinen Finger drohend auf mich. Plötzlich spüre ich eine leichte Bewegung.

"Jay", hauche ich überwältigt.

"Was? Was ist los? Oh Gott, geht es dir gut? Hast du Schmerzen?", plötzlich besorgt geht er vor mir in die Hocke, während meine Hand automatisch zu meinem Bauch wandert.

"Das kleine Würmchen hat getreten.", flüstere ich geschockt.

"Was?", Jay sieht vollkommen überfordert aus, sodass ich einfach seine Hand nehme und auf meinen Bauch lege. Als das Baby erneut tritt, weiten sich seine Augen.

"Der Kleine hat getreten.", auch er ist vollkommen von der Rolle. Glücklich strahlen wir uns an.

"Das ist so cool! Und ich war der erste, der das fühlen durfte.", stolz grinst mein bester Freund mich an und ich muss lachen.

"So, aber jetzt musst du dich trotzdem fertig machen. Will wird sicherlich auch gerne fühlen, wie sein Kind sich bewegt.", mahnend sieht Jay mich an, zieht mich vom Stuhl und schiebt mich in Richtung Bad. Ergeben stelle ich mich unter die Dusche und mache mich fertig. (Bild)

Schließlich komme ich pünktlich wieder in die Küche.

"Fertig?", will Jay wissen.

"Ja. Mein Koffer steht im Flur, den Rest habe ich in meiner Tasche.", bestätige ich.

"Hast du auch den Mutterschaftspass?" Ich nicke. "Und du bist sicher, dass das Kleid bequem ist im Flugzeug? Und, dass du in den Schuhen laufen kannst?"

"Das Kleid ist luftig und schnürt mir nicht die Luft ab. Außerdem kann man meinen Bauch nicht sehen und die Schuhe sind auch bequem."

"Willst du nicht doch lieber Kompressionsstrümpfe anziehen? Sonst bekommst du noch Thrombose."

"Jay, jetzt hör auf mich zu nerven. Diese Strümpfe sind hässlich, du willst mich doch nur auslachen. Ich bin 24 und nicht 64, ich werde schon keine Thrombose bekommen." Genervt drehe ich mich weg und stelle mich in den Flur. Jay kommt hinterher und trägt die Koffer zum Auto.

 

Kapitel 6

 

"Warte, Amy. Setz du dich an den Gang. Du brauchst Beinfreiheit. Und gib mir mal deine Tasche. Ich packe sie in die Gepäckablage, dann hast du mehr Platz.", mein bester Freund verstaut mein Handgepäck, zieht seine Jacke aus (Bild), stopft sie dazu und setzt sich dann neben mich.

"Den Gurt musst du unter deinen Bauch machen.", erklärt er und verschiebt ihn. Entgeistert sehe ich ihn an.

"Was ist los mit dir? Ich bin schon oft geflogen, du brauchst mir nicht sagen was ich zu tun habe. Und dem Baby passiert schon nichts. Ich bin gerade Mal im 5. Monat.", kopfschüttelnd lehne ich mich zurück.

"Ich hab doch mit deiner Frauenärztin telefoniert, ob es okay ist, während der Schwangerschaft zu fliegen. Und sie hat mir ganz viele Tipps gegeben, die du jetzt auf befolgen wirst. Wir wollen doch nicht, dass dem Kleinen etwas passiert."

"Ganz ruhig. Ich sag ja schon gar nichts mehr. Ich glaube nur, dass du deine Aufgabe etwas zu ernst nimmst. Ich bin schwanger, aber nicht krank oder behindert." Darauf wirft Jay mir einen bedeutungsvollen Blick zu, wofür er einen Schlag gegen die Schulter kassiert. Grinsend lehnt auch er sich zurück und schnallt sich an.

"Zu wem wollen wir als erstes?", fragt er, nachdem wir den Sicherheitshinweisen der Stewardess gelauscht haben.

"Ich würde gerne meine Nichte wiedersehen. Vielleicht macht sie mir ein wenig Mut. Dan wird sich freuen, er hat gemerkt, dass ich nicht vorhatte wieder zu kommen. Und Josy wird bestimmt nichts gegen ein paar Gäste haben. Ich glaube sie wird ausrasten vor Freude, wenn sie von meiner Schwangerschaft erfährt.", grinsend stelle ich mir das Szenario vor.

"Aber du wirst erst Will davon erzählen, oder?"

"Ähm, ich denke schon.", schulterzuckend sehe ich ihn an. Er hebt abwehrend die Arme.

"Ich hab das nicht zu entscheiden. Tu, was du für richtig hältst."

"Wahrscheinlich veranstaltet Josy eine Party, so begeistert wird sie sein. Und dann erfährt die ganze Stadt davon. Oh scheiße, was ist wenn Tommy davon hört?", erschrocken sehe ich ihn an.

"Was ist daran so schlimm. Dann weiß er, dass er einen großen Fehler gemacht hat und sieht wie glücklich du jetzt bist. Das wird ihm schwer zu schaffen machen. Ich hoffe, es wird ihm so schlecht gehen, wie dir damals.", er lächelt teuflisch.

"Aber ich bin nicht glücklich! Und das wird er sehen und in der Wunde herumstochern. Du kennst ihn doch."

"Mach die keine Sorgen. Will und du werdet eine Familie und dann hat Thomas nichts worüber er herziehen kann."

"Hoffentlich."

"Wollen wir dann mit dem Taxi zu Dan, Josy und Lilly fahren? Dann können wir sie überraschen. Wir müssten gegen Abend bei ihnen sein.", überlegt er.

"Ja, das ist eine gute Idee. Die werden Augen machen. Ich freue mich so sie wieder zu sehen.", strahle ich.

"Amy? Hast du das Geschenk eingepackt?" Jay sieht mich hoffnungsvoll an.

"Ähm, nein.", gebe ich zu.

"Das gibt es doch nicht! Wo bekommen wir denn jetzt noch schnell ein Geschenk her?", verzweifelt fährt er sich durch die Haare.

"Wir machen am besten nochmal einen Abstecher ins Einkaufszentrum, bevor wir sie besuchen. Wir haben ihnen immerhin am Telefon versprochen eins vorbei zu schicken. Ihr erster Geburtstag ist jetzt sowieso schon ein paar Monate her. Wahrscheinlich haben sie sich schon gewundert."

"Ja, abr du wolltest ihnen ja nicht sagen, dass wir vorbeikommen."

"Ja, weil ich da auch noch nicht ganz sicher war. Wenn ich ihnen davon erzählt hätte, hätte Dan erstmal tausend Fragen gestellt, weil ich ja eigentlich nicht nochmal kommen wollte und sie wären enttäuscht gewesen, wenn wir doch nicht hingefolgen wären."

"Du machst auch immer alles komplizierter als es ist. Naja, egal, jedenfalls brauchen wir unbedingt noch ein Geschenk."

***

Geschafft laufe ich mit Jay, der den Kofferwagen schiebt, zu den Taxiparkplätzen. Die Luft im Flugzeug hat mir nicht besonders gut getan und mir ist etwas übel. Auch der Druck auf den Ohren hat mir zu schaffen gemacht und ich will einfach nur noch ankommen.

Jay schildert einem Taxifahrer unser Ziel bzw. unsere Ziele und dieser lässt sich drauf ein eine halbe Stunde vor dem Einkaufszentrum zu warten.

"Jay?"

"Ja?", er mustert mich.

"Kannst du mir bitte meine Tasche geben?", frage ich und rutsche ein wenig auf dem Sitz nach unten, um eine bequemere Position zu finden.

"Klar", schnell reicht er sie mir und ich krame die Wasserflasche, die wir am Flughafen gekauft haben, hervor. Nach einigen Schlücken lehne ich meinen Kopf etwas zurück und atme tief.

"Ist etwas nicht in Ordnung? Hast du Schmerzen?", er beugt sich leicht über mich.

"Mir ist etwas schlecht, aber es geht gleich schon wieder.", sage ich nur und lege meinen Kopf nch etwas weiter in den Nacken und schließe meinen Mund, während ich kräftig durch die Nase atme, um die Übelkeit zu vertreiben. Nach ein paar Minuten geht es mir schon wieder besser und ich setze mich auf.

Wir sind beim Einkaufszentrum angekommen und steigen schnell aus.

"Na los, wir haben nur eine halbe Stunde.", rufe ich Jay zu und betrete den ersten Laden. Ich wühle mich durch die Kinderbekleidung, bis ich schließlich mit zwei süßen Kleidern, zwei T-shirts, zwei Hosen, einem Beutel und einem Haarreifen an der Kasse stehe. Kurz bevor wir dran sind bemrke ich eine Babyabteilung und überlasse Jay das bezahlen, während ich mir die Kleidung ansehe. Strampler stapeln sich überall, dazwischen Schlafanzüge, Kleidchen und und und. Glücklich gucke ich die Teile durch.

"Amy, kommst du?", reißt mich mein bester Freund aus meinen Gedanken und ich eile zu ihm. Ich habe noch ein paar Monate Zeit, bevor ich Kleidung kaufen muss. Außerdem weiß ich nichtmal, welches Geschlecht mein Würmchen hat.

"Hier rein?", Jay zeigt auf einen anderen Bekleidungsladen, aber ich ziehe ihn schnell weiter.

"Auf keinen Fall. Da arbeitet Josy. Keine Ahnung, ob sie gerade da ist, aber wir wollen die Überraschung ja nicht zerstören.", erkläre ich und steuere einen Spielzeugladen an, wo wir noch einen Teddy kaufen.

Danach laufen wir so schnell wie möglich zurück zum Taxi, welches glücklicherweise noch davor steht. Strahlend lasse ich mich in den Sitz fallen und stelle die Tüten in die Mitte.

"Auf gehts.", sage ich vorfreudig.

Kapitel 7

So schnell ich kann springe ich aus dem Auto und laufe zur Haustür. Während Jay unsere Koffer aus dem Taxi hievt, warte ich ungeduldig darauf, dass uns geöffnet wird. Doch es bleibt still. Verwundert drehe ich mich zu Jay.

"Scheinbar ist niemand zu Hause.", sage ich zerknirscht.

"Und jetzt?", er seufzt genervt. Dann erhellt sich seine Miene und er hebt das Gepäck wieder in den Kofferraum.

"Was machst du?", frage ich verwirrt und steige schnell hinter ihm zurück ins Auto.

"Wir fahren jetzt zu Pete, dann haben wir wenigstens heute Nacht einen Schlafplatz. Oder wolltest du hier vor der Hautür kampieren. Wer weiß, wo dein Bruder mit seiner Familie hingefahren ist. Vielleicht sind sie im Urlaub, dann kannst du aber lange warten.", amüsiert sieht er mich an.

Kurze Zeit später halten wir vor dem Haus meines Vaters. Mich überkommt Freude ihn endlich wieder zu sehen. Erst jetzt fällt mir auf, wie sehr ich meine Familie vermisst habe. Es ist wirklich genau wie bei meinem letzten Besuch. In Carboa kann ich mich ablenken und muss nicht an sie denken, aber jetzt hier zu stehen lässt Erinnerungen in mir hochkommen. Wahrscheinlich hätte ich es nicht ausgehalten nie wieder zu kommen.

Zielstrebig steuere ich die Haustür an und klingle. Wenige Augenblicke später steht mein Vater vor mir. Quietschend springe ich ihm in die Arme und drücke ihn fest an mich.

"Amy?", fragt mein Vater verwundert, schiebt mich ein Stück weg und sieht mich ungläubig an. "Was machst du denn hier?"

"Dich besuchen", grinse ich. Mein Vater schüttelt lachend den Kopf und drückt mich nochmal. Dann fällt sein Blick auf Jay, der jetzt mit unseren Sachen auf uns zu kommt. Mein Vater umarmt auch ihn zur Begrüßung, bevor er einladend die Tür etwas weiter öffnet. Wir betreten hinter ihm das Haus.

"Die Koffer kannst du nach oben bringen. Entweder ihr schlaft beide in Amys altem Zimmer, also im Gästezimmer oder du gehst ins Arbeitszimmer auf das Schlafsofa, Jay.", schlägt Pete vor und deutet zur Treppe.

Jay wirft mir einen fragenden Blick zu, aber ich zucke nur mit den Schultern. Wir gehen in den ersten Stock und Jay kommt hinter mir in mein Schlafzimmer.

"Du kannst gerne hier bleiben. Ich möchte nicht so gerne alleine schlafen.", verlegen sehe ich ihn an. "Aber nur, wenn du möchtest und wenn es dich nicht stört, dass ich mich hin und her wälze. Einschlafen ist momentan nicht so meine Stärke."

"Kein Problem. Du weißt, dass ich alles für dich tun würde.", Jay gibt mir einen Kuss auf die Stirn und schleppt dann das Gepäck ins Zimmer, welches wir in den Schrank räumen. Danach machen wir uns wieder auf den Weg nach unten in die Küche. Mein Vater ist dabei Abendessen zu kochen.

"Du musst nicht noch extra wegen uns Essen machen, Dad.", ich gehe auf ihn zu und sehe über seine Schulter in den Topf. Er macht Spaghetti Bolognese und der köstliche Duft steigt mir sofort in die Nase. Wie auf Kommando knurrt mein Magen.

"Jaja, schon klar, mein Schatz. Setzt euch schon mal an den Tisch.", sanft schiebt er mich auf einen Stuhl. Jay lässt sich neben mich fallen und hungrig warten wir.

"Guten Appetit, ihr beiden.", wünscht Pete uns und wir beginnen überstürzt zu essen. "Langsam, langsam. Lasst euch Zeit, sonst habt ihr gleich Bauchschmerzen." Fürsorglich legt er uns je eine Hand auf die Schulter.

***

Verschlafen drehe ich mich auf den Rücken und öffne langsam meine Augen. Um mich herum ist alles dunkel, was vermutlich an den geschlossenen Jalousien liegt. Ich richte mich vorsichtig auf und steige aus dem Bett. Jay schläft noch, sein leises Schnarchen ist nicht zu überhören.

Ich schleiche mich ins Bad und springe in die Dusche, bevor ich nur im Handruch wieder ins Zimmer komme.

"Morgen", ertönt eine raue Stimme. Erschrocken fahre ich herum und sehe dann Jay, der sich verschlafen im Bett aufsetzt.

"Gott, hast du mich erschrocken. Ich... ich hab nur meine Klamotten vergessen." Hastig schnappe ich mir irgendwelche Sachen aus dem Schrank und laufe dann zurück ins Badezimmer. Dort ziehe ich mich um(Bild), föhne meine Haare und schminke mich.

Zurück im Zimmer ist alles leer und ich lege kurz meinen Schlafanzug weg, bevor ich nach unten in die Küche gehe. Mein bester Freund sitzt schon entspannt mit meinem Vater beim Frühstück.

"Morgen", nuschelt Pete mit vollem Mund und ich gebe ihm im Vorbei gehen einen Kuss auf die Wange. Dann lasse ich mich neben ihn fallen und grinse Jay an, der mich mit gerunzelter Strin ansieht.

"Willst du so nach draußen?", er deutet geschockt auf meine Klamotten. Verwirrt sehe ich an mir herunter und nicke langsam.

"Ist das nicht etwas zu warm, Amy? Guck mal nach draußen.", mein Vater deutet aus dem Fenster und allein bei dem Anblick fange ich an zu schwitzen. Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel und der Asphalt vor der Tür flimmert bereits leicht, obwohl wir erst 11 Uhr haben.

"Nein, nein. Mir ist gar nicht so warm.", sage ich schnell und lächle bestätigend. Bevor die beiden mich weiter löchern, stopfe ich mir ein halbes Brötchen in den Mund. Was soll ich denn machen. Ich habe heute Morgen nicht auf die Kleidung geachtet und außerdem will ich nicht, dass mein Vater Verdacht schöpft. Man darf auf keinen Fall meinen Bauch sehen und in dem Pulli bin ich perfekt verhüllt. Aber wahrscheinlich lässt ihn gerade das misstrauisch werden.

"Ich muss jetzt zur Arbeit. Dan ist also nicht zu Hause, aber Josy und Lilly freuen sich bestimmt über euren Besuch. Und sonst kommen wir eben in der Mittagspause vorbei.", Pete verabschiedet sich noch von uns und Minuten später fällt die Haustür ins Schloss.

"Wollen wir direkt los? Lilly müsste ja schon länger wach sein.", sage ich und räume den Tisch ab. Jay geht mir zur Hand und nickt dabei.

"Klar, aber diesmal dürfen wir das Geschenk nicht vergessen.", erinnert er mich und ich sprinte schnell die Treppe hoch, um die riesige Tüte zu holen. In weiser Vorraussicht packe ich auch ein T-shirt ein.

"Ich hab alles.", sage ich und hüpfe grinsend die letzte Treppenstufe runter.

"Warte", hält Jay mich zurück, als ich die Tür öffnen will. Fragend sehe ich ihn an. "Willst du Josy jetzt davon erzählen oder noch warten, bis du Will Bescheid gesagt hast?"

"Ich möchte erst einmal ankommen, Jay. Bitte, ich werde es sagen, aber noch nicht heute. Und dann entscheide ich spontan, wer als erster davon erfährt.", flehend sehe ich ihn an.

"Kein Problem, das ist deine Sache. Du entscheidest", meint er mit abwehrend erhobenen Hände und greift dann an mir vorbei zur Türklinke.

 

Kapitel 8

 

Wir gehen zwar erst circa fünf Minuten, aber trotzdem läuft mir der Schweiß den Rücken runter.

"Na, zu warm?", fragt mein bester Freund amüsiert. Er trägt ein luftiges Tanktop und eine kurze Shorts, er schwitzt kein bisschen. Außerdem trägt er eine Cap, die seinem Gesicht Schatten spendet.

"Lach du nur. Mein Zustand lässt leider nicht zu, dass ich auch mit kurzen Sachen rumlaufe. Wenn auch nur eine Person irgendetwas merkt, dann bin ich doch die größte Schlampe hier. Was glaubst du, was es hier für Klatschtanten gibt.", wütend funkle ich ihn an.

"Ach, Süße, mach dir keinen Kopf. So, denken die Leute nur, dass du nicht mehr ganz dicht bist.", grinsend legt er einen Arm um meine Schulter, aber ich schubse ihn genervt weg.

Kurze Zeit später kommen wir endlich beim Thompson-Haus an. Ich bemerke schon leichte Kopfschmerzen und rette mich sofort in den kühlenden Schatten des Hauses, als sich die Tür öffnet.Josy sieht mir erschrocken hinterher, bis sie mich erkennt und wie eine Verrückte auf und ab hopst.

"Amy", ruft sie strahlend und zieht mich in eine feste Umarmung. "Bäh, du bist ja total verschwitzt", sagt sie dann und rümpft die Nase.

"Ich hab das Wetter etwas unterschätzt", beichte ich und deute dann auf Jay. "Begrüß doch Jay mal eben und in der Zeit gehe ich mich umziehen." In Windeseile reiße ich die Badtür auf und ziehe mir meinen Pullover über den Kopf. Angeekelt schmeiße ich ihn auf den Boden und lege mein Top dazu. Dann mache ich mich kurz frisch, ehe ich mein Shirt überwerfe und nochmal genaustens im Spiegel überprüfe, ob man auch wirklich keine Rundung sieht.

Zufrieden gehe ich ins Wohnzimmer, aus dem ich Stimmen höre. Mein bester Freund und Josy sitzen auf dem Sofa, während Lilly sich am Tisch hochzieht und ein paar Schritte läuft.

"Du kannst ja schon laufen, kleine Maus.", ich laufe auf sie zu und sie guckt mich mit großen Augen an.

"Amy", sagt sie und streckt ihre kleinen Ärmchen zu mir hoch. Ich nehme sie auf den Arm und drücke sie sanft an mich. Dann drücke ich ihr noch einen Kuss auf die Stirn.

"Alles Gute, mein Schatz. Du bist aber groß geworden. Willst du jetzt dein Geschenk?", ich setze mich zu den anderen beiden mit Lilly auf meinem Schoss. Mein bester Freund öffnet die große Tüte und sieht mit großen Augen hinein.

"Oh, so viele Geschenke. Und die sind alle für dich? Was haben wir denn da?", er zieht die Hosen heraus und hält sie meiner Nichte hin, die eifrig danach greift. Sie brabbelt vor sich hin, während Jay weitere Sachen aus der Tüte zaubert.

"Wow, Lilly, jetzt kommt das beste Geschenk von allen.", ganz langsam zieht er den Teddy heraus und reicht ihn ihr. Sie betastet ihn interessiert und kuschelt sich schließlich an ihn.

"Test bestanden würde ich sagen.", grinst Josy und beobachtet ihre Tochter. Ich lasse sie wieder runter und sie spielt sofort mit ihrem Lieblingsgeschenk und redet dabei vor sich hin.

"So, jetzt müsst ihr mir aber mal erzählen, was ihr hier macht.", verlangt meine Schwägerin in spe.

"Wir besuchen euch. Unser letzter Besuch ist schon über ein halbes Jahr her, da mussten wir einfach herfliegen.", erzähle ich meine Ausrede nochmal.

"Ich freu mich, dass ihr hier seid. Wir haben euch auch vermisst! Oh, Dan wird Augen machen, wenn er euch hier sieht.", sie lacht vorfreudig.

"Dad meinte, die beiden kommen wahrscheinlich in der Mittagspause.", berichte ich.

"Na dann haben wir ja noch ein paar Stunden Zeit. Was haltet ihr davon, wenn wir auf den Spielplatz gehen? Draußen ist so schönes Wetter.", schlägt Josy vor. Jay und ich nicken, wobei meins eher zögerlich ausfällt.

***

Will:

"Einen wunderschönen guten Morgen, allerseits.", wünscht Pete, als er glücklich lächelnd den Besprechungsraum betritt.

"Morgen", kommt es mehrstimmig zurück. Wir besprechen den Tagesplan und beratschlagen uns ein wenig, bevor wir alle wieder in unsere Büros gehen.

"Weißt du was mit Pete los ist?", will ich von meinem besten Freund wissen.

"Keine Ahnung", schulterzukend setzt er sich an seinen Schreibtisch.

"Vielleicht hat er Pillen geschluckt.", grinsend sieht er mich an. Ich schüttle nur genervt den Kopf. Dann mache ich mich an die Arbiet und sehe die erste Akte durch. Ich habe mal wieder schlechte Laune und meine Kopfschmerzen sind kaum auszuhalten. Mein Kater macht mir heute wirklich zu schaffen.Ich bin zwar kein Alkoholiker, aber seit einiger Zeit gehe ich hin und wieder abends in die Kneipe und betrinke mich. Anders kann ich SIE einfach nicht vergessen.

"Denkst du schon wieder an Amanda?", reißt Joshs Stimme mich aus meinen Gedanken.

"Nein", maule ich und presse die Lippen aufeinander.

"Lüg nicht, dieses Gesicht setzt du immer auf, wenn du an sie denkst."

"Ich denke aber nicht an sie.", sage ich mit zusammengebissenen Zähnen.

"Mann Alter, das ganze ist über ein halbes Jahr her. Vergiss sie endlich!", weist er mich zurecht.

"Heute habe ich einfach einen schlechten Tag, ok?", mache ich ihm klar. "Und jetzt würde ich gerne in Ruhe an diesem Fall arbeiten."

Seufzend schüttelt er den Kopf und wendet sich seiner Arbeit zu.

"Na Jungs, alles klar?", fragt Lin ein paar Minuten später und spaziert mit zwei Kaffeetassen in unser Büro. Genervt stöhne ich auf und entreiße ihr meine Tasse.

"Ja, es ist alles super. Und wenn du uns jetzt nicht weiter nerven würdest, wäre es sogar noch viel besser.", fahre ich sie an. Doch Lin lässt sich davon schon lange nicht mehr beeindrucken und lehnt sich gegen meinen Schreibtisch.

"Anscheinend hat er es schon gehört. Dann kann ich verstehen, warum er so drauf ist.", raunt sie meinem besten Freund verschwörerisch zu.

"Hallo? Ich bin auch noch im Raum, ich kann euch hören.", weise ich sie darauf hin. "Und was soll ich schon gehört haben?" Ahnungslos sehe ich sie an.

"Das Amanda Thompson in der Stadt ist." Ein Satz. Sieben Worte. Und mein ganzes Leben ist auf den Kopf gestellt.

"Wie bitte?", presse ich hervor.

"Ja, ich hab gehört wie Pete es Dan erzählt hat. Sie ist mit ihrem besten Freund gestern Abend angereist und wohnt momentan bei ihrem Vater. Sie ist gerade bei Josy und Lilly. Cool, oder?", grinst sie.

"Ja, cool.", murmle ich abwesend. Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich dachte ich könnte endlich über sie hinwegkommen und jetzt taucht sie wieder hier auf. Will sie mich quälen? Wahrscheinlich ist sie jetzt mit diesem Jay zusammen und möchte der ganzen Stadt ihre unsterbliche Liebe präsentieren. Ich wusste schon immer, dass etwas zwischen den beiden läuft. Immerhin haben sie bei ihrem letzten Besuch in einem Bett geschlafen, das hat Amy sogar zugegeben. Würde mich nicht wundern, wenn es jetzt wieder so ist. Und dann wohnen sie auch noch in Carboa zusammen. Bestimmt ist sie auch wegen ihm damals zurück gegangen. Dieses miese Schwein!

Das Zufallen der Tür holt mich aus meinen düsteren Überlegungen. Lin hat den Raum verlassen und Josh beobachtet mich aufmerksam.

"Was?", fauche ich ihn an.

"Lass dich bloß nicht wieder auf sie ein. Dir ging... dir geht es beschissen seit sie weg ist. Und sie wird auch dieses Mal wieder verschwinden. Also halte dich fern von ihr, sonst wirst du es bereuen.", warnt er mich.

"Keine Sorge, ich habe es nicht vor.", beruhige ich ihn, ehe ich mich wieder meiner Arbeit widme.

Kapitel 9

 

Amy:

Seit mindestens einer Stunde spielen wir mit Lilly auf dem Spielplatz und ich bin total erschöpft. Mein Kopf pocht unangenehm, langsam kommt auch Übelkeit dazu.Da ich keine Wasserflasche dabei haben muss ich wohl oder übel schwitzen und mein Mund fühlt sich bereits wie Schleifpapier an.

"Amy, guck mal", ruft Jay lachend und deutet auf meine Nichte die jauchzend auf seinen Schultern sitzt, während er ein Flugzeug imitiert. Josy verfolgt die beiden vergnügt. Plötzlich wird mir kurz schwarz vor Augen und ich rudere hilflos mit den Armen. Als meine Sicht wieder besser wird, suche ich nach einer Bank und laufe mit zittrigen Beinen darauf zu. Mich überkommt eine Übelkeit, die ich noch nie zuvor gespürt habe und der Schwindel wird wieder größer.

Ängstlich greife ich nach der Bank und versuche Jay zu rufen, aber kein Ton verlässt meinen Mund. Kurz bevor ich ohnmächtig zu Boden falle, höre ich meinen besten Freund nach mir rufen.

***

Stille empfängt mich. Angenehme Kälte umgibt meinen Körper und lässt die Kopfschmerzen ein wenig abklingen. Blinzelnd öffne ich meine Augen. Die Wände um mich herum sind weiß, genauso die Bettwäsche, in die ich gekuschelt bin. Zwei Türen kann ich entdecken, sowie ein großes Fenster, was mir einen, im Dunkeln liegenden, Garten zeigt. Gegenüber an der Wand steht ein Bett, aber es ist, genau wie der Rest des Raumes, leer.

'Was ist bloß passiert?' Stöhnend lasse ich mich zurück in das weiche Kissen fallen und beiße die Zähne zusammen, weil mein Kopf durch die ruckartige Bewegung schmerzhaft protestiert. 'Es gibt doch diese Knöpfe, auf die man drückt, damit eine Krankenschwester kommt. Vielleicht kann sie mir etwas gegen die Schmerzen geben.', fällt mir glücklicherweise ein und ich drehe mich zur Seite. Tatsächlich entdecke ich einen Schalter, den ich kurzentschlossen drücke.

Still liege ich da und warte, dass irgendetwas passiert. Ist nicht normalerweise das Zimmer voll von Menschen, die einen lieben, wenn man im Krankenhaus liegt? Tja, scheinbar hat meine Familie besseres zu tun. Aber wenigstens Jay hätte ich jetzt gerne bei mir. Er könnte mir vielleicht auch sagen, was nach meinem Zusammenbruch passiert ist.

Plötzlich öffnet sich die Tür und eine große junge Frau betritt mein Zimmer. Sie trägt die typischen weißen Klamotten und ihre hellbraunen Haare sind zu einem kunstvollen Zopf gebunden.

"Frau Thompson, schön, dass sie wach sind. Wie geht es ihnen?", fragt sie freundlich.

"Ich habe unglaubliche Kopfschmerzen und mir ist übel. Könnte ich etwas dagegen bekommen?", bitte ich sie.

"Kein Problem, ich werde sehen was ich auftreiben kann, immerhin müssen wir wegen der Schwangerschaft aufpassen.", sie zwinkert mir zu und geht dann beschwingt zurück zur Tür. "Den Arzt werde ich auch gleich zu ihnen schicken." Und schon ist sie wieder verschwunden.

Erschöpft schließe ich meine Augen und konzentriere mich auf meine Atmung, um gegen den Brechreiz anzukämpfen. Leider hilft es nicht wirklich und ich steige schnell aus dem Bett und eile durch die andere Tür in das Badezimmer. Ich übergebe mich einmal und bleibe dann schwer atmend sitzen. Meine Kopfschmerzen sind unerträglich, aber wenigstens verschwindet die Übelkeit.

Ich höre, wie meine Zimmertür erneut geöffnet wird und erhebe mich schwerfällig von den kalten Fliesen.

"Frau Thompson?", erklingt die Stimme eines Mannes.

"Einen Moment", rufe ich mit zitternder Stimme zurück und wasche mir kurz das Gesicht, ehe ich wieder aus dem Bad komme. Ich schwanke ein wenig und der Arzt greift erschrocken nach meinem Arm und führt mich zum Bett. Er ist wahrscheinlich um die 30, hat dunkles Haar und einen hochgewachsenen Körper.

"Warum sind sie denn aufgestanden?", fragt er vorwurfsvoll.

"Ich musste mich übergeben.", gebe ich leise zu und ziehe die Bettdecke enger um meinen Körper, weil ich anfange zu frösteln.

"Sie sollten wirklich im Bett bleiben. Hier steht extra eine Nierenschale, also machen sie sich das nächste Mal bitte nicht eigenständig auf den Weg ins Bad.", erklärt er und erst jetzt sehe ich eine Pappschale auf dem Tisch neben mir. Ergeben nicke ich und sehe ihn dann wieder an.

"Was ist passiert? Und wie geht es meinem Baby?", fällt mir plötzlich ein und ich richte mich erschrocken ein wenig auf. Der Schmerz in meinem Kopf wird wieder stärker und ich protestiere nicht, als der Arzt mich zurück in die Kissen drückt.

"Also, zuallererst sollte ich mich vielleicht vorstellen. Ich bin Doktor Mika Jones, dein behandelnder Arzt. Du wurdest heute gegen 14:00Uhr bei uns eingeliefert. Du hast einen Sonnenstich mit Verdacht auf Hitzschlag.", teilt er mir mit. Ich sehe ihn fragend an.

"Es ist so, durch die Hitze konnte nicht genug Blut zu deinem Herzen und in dein Gehirn fließen, dadurch bist du ohnmächtig geworden. Dein Blutdruck war sehr schlecht, als du eingeliefert wurdest, wahrscheinlich hast du viel zu wenig getrunken, stimmts?", er zieht eine Augenbraue hoch. Kleinlaut nicke ich.

"Und was ist jetzt mit meinem Baby?", hake ich ungeduldig nach. Meine Hand wandert automatisch zur kleinen Rundung.

"Deinem Kind geht es gut. Der Zusammenbruch hat keine weiteren Schäden hervorgerufen." Erleichtert atme ich auf.

"Danke, Dr. Jones. Eine Frage noch, wissen sie wo meine Familie ist? Also die, die mich hergebracht haben?"

"Vorhin haben eine Frau, ein Mann und ein kleines Mädchen auf dem Gang gesessen. Die sind aber gerade gegangen.", sagt er. Verwirrt denke ich nach. 'Habe ich irgendetwas verpasst? Erst ist niemand auf meinem Zimmer und dann verschwinden sie auch noch einfach so.'

"Die Krankenschwester bringt ihnen noch die Medikamente und dann sollten sie schlafen. Ich sehe morgen früh nochmal nach ihnen. Gute Nacht, Frau Thompson.", er lächelt freundlich und ich schüttle ihm abwesend die Hnad, bevor er den Raum verlässt.

Warum ist bloß niemand hier? Die Leute auf dem Gang waren hundertprozentig Josy, Jay und Lilly. Aber warum sind sie gegangen? Und dann auch noch ohne mich vorher zu besuchen oder mir Bescheid zu sagen. Auch wenn ich es ungerne zugebe, aber ich bin enttäuscht. Ich hätte nicht erwartet, dass sie sich so wenig für meinen Zustand interessieren. Habe ich etwas falsch gemacht?Wenigstens Jay hätte doch nach mir sehen können. Sonst macht er sich doch auch ständig Sorgen um mich und jetzt, wo wirklich etwas passiert lässt er mich links liegen?

Von Minute zu Minute steigern sich meine Kopfschmerzen und ich muss mich zusammenreißen nicht aufzuschreien. Ich warte ungeduldig auf die Krankenschwester, damit dieser elende Schmerz endlich aufhört. Aber nicht nur mein Kopf tut weh, auch mein Herz. Ich fühle mich so alleine wie lange nicht mehr.Wobei, welch eine Ironie. Immerhin bin ich streng genommen zu zweit. Aber mein kleines Würmchen kann mir die Einsamkeit trotzdem nicht nehmen.Gedankenverloren streiche ich über meinen Bauch.

"Wir schaffen das schon, Würmchen. Es tut mir Leid, dass ich so verantwortungslos war und dich in Gefahr gebracht habe. Mami liebt dich sehr, Würmchen!", beteuere ich.

Kapitel 10

 

Als die Krankenschwester kommt, bin ich so froh, dass ich sie am liebsten drücken würde. Sie verabreicht mir die Medikamente und schon nach kurzer Zeit fühle ich mich um einiges besser.

"Dankeschön", grinse ich und sie lacht zurück.

"Kein Problem, dafür bin ich doch da. Sie sollten jetzt schlafen, ihr Kind wird es ihnen schwer genug machen einzuschlafen.", grinst sie wissend. "Wenn etwas sein sollte, drücken sie einfach den Schalter. Ein paar Stunden habe ich noch Dienst. Sonst kommt eine Kollegin. Und klingeln sie lieber ein mal mehr, als einmal zu wenig. Sie haben die Verantwortung für zwei."

"Okay.", antworte ich nickend. Bevor sie gehen kann, rufe ich sie kurz zurück. "Wissen sie, wo die Leute hingegangen sind, die auf dem Gang saßen?"

"Ach, die kleine Familie meinen sie? Ich habe sie nach Hause geschickt, weil sie noch viel Ruhe brauchen und jetzt sowieso erstmal schlafen werden."

"Und sie wollten nicht nochmal kurz reinkommen?", frage ich traurig.

"Sie haben nichts gesagt, sondern sind einfach gegangen. Aber sie kommen sicher morgen nochmal wieder, um sie zu besuchen.", beruhigt sie mich, lächelt nochmal freundlich und geht dann endgültig.

Ich verstehe es einfach nicht. Auch wen ich jetzt weiß, dass sie nach Hause geschickt wurden. Warum wollten sie nicht wenigstens für eine Minute zu mir kommen, mit mir reden und mir dann Ruhe gönnen. Laut der Krankenschwester haben sie ja nicht einmal gefragt, ob sie noch kurz zu mir dürfen, wenigstens um mich zu informieren.

Kopfschüttelnd drehe ich mich auf die Seite und sehe aus dem Fenster. Schlafen werde ich sicher nicht gut. Alleine einzuschlafen macht mir schon länger Probleme und jetzt bin ich auch noch in einer fremden Umgebung und habe keine Ahnung, was mit meiner Familie los ist.

***

"Wunderschönen guten Morgen", zwitschert eine Stimme in mein Ohr und ich öffne langsam meine Augen. Ich fühle mich keineswegs ausgeschlafen, denn wie ich es mir gedacht habe, konnte ich kein Auge zu machen. Die Sonne scheint hell in den kleinen Raum und lässt mich blinzeln. Neben mir steht eine mir unbekannte Krankenschwester mit blonden Haaren. Sie grinst übertrieben und durch das Sonnenlicht im Zimmer wirkt sie wie ein strahlender Engel. Wenn man davon absieht, dass ihr Lächeln beinahe beängstigend aussieht.

"Wie geht es ihnen, Frau Thompson?", fragt sie höflich und bedeutet mir mich etwas aufzusetzen. Sie schüttelt mein Kissen aus, während ich sie beobachte.

"Nur noch leichte Kopfschmerzen, die Übelkeit ist verschwunden.", informiere ich sie und sie nickt erfreut. Dann reicht sie mir wieder ein paar Tabletten, die ich brav schlucke.

"Da draußen stehen ein paar Menschen, die sie gerne besuchen würden. Dürfen sie reinkommen oder hätten sie lieber ihre Ruhe?", will sie wissen."Nein, nein. Sie können sie ruhig zu mir lassen. Aber bitte erst in fünf Minuten, ich möchte mich gerne schnell fertig machen.", sage ich schnell und Freude kommt in mir auf. Endlich!

"In Ordnung, ich werde den Herrschaften gleich Bescheid geben, aber übertreiben sie es nicht. Wenn es ihnen schlechter geht, sollten sie sich nicht scheuen ihren Besuch rauszuschmeißen. Und wenn sie Hilfe brauchen komme ich gerne, um sie dabei zu unterstützen.", wieder lächelt sie beängstigend und ich nicke schnell.

"So, dann helfe ich ihnen jetzt erstmal ins Bad. Achja, ein Mann hat gestern wohl noch eine Tasche abgegeben. Sie steht im Schrank.", blitzschnell schiebt sie mich vom Bett und holt eine Handtasche. Ich nehme mir Kleidung und einen Kulturbeutel daraus und sie führt mich zum Badezimmer.

"Denken sie sie schaffen das alleine?", hakt sie geschäftig nach und ich nicke. "Gut, dann warte ich hier vor der Tür. Wenn etwas ist, rufen sie einfach."

Ich bedanke mich und gehe dann ins Bad und wasche mich am Waschbecken. Meine Haare sind glücklicherweise nicht fettig und ich kann sie einfach mit der Haarbürste durchkämmen. Angezogen (Bild) und gekämmt werfe ich noch einen Blick in den Spiegel. Ich habe auf Schminke verzichtet und meine Augenringe sind nicht zu übersehen, aber ich weiß, dass ich sie auch nicht hätte verstecken können.

Zurück im Zimmer hilft sie mir wieder ins Bett, obwohl ich es sicherlich auch selbst geschafft hätte.

"Ich hole jetzt den Besuch.", sagt sie und eilt davon.

"Danke, das ist sehr freundlich von ihnen.", bedanke ich mich, ehe sie nickend den Raum verlässt.

Nur Sekunden später öffnet sich die Tür und mein Vater kommt auf mich zu. Ich sehe, dass die Krankenschwester mit erhobenem Finger im Flur steht und auf Jay und Josy einredet.

"Mein Schatz, was machst du denn für Sachen?", fragt Pete und nimmt mich stürmisch in den Arm. Anstatt mich wieder loszulassen, bleibt er auf der Bettkante sitzen und streicht mir übers Haar.

"Alles in Ordnung, Dad. Ich habe nur einen Sonnenstich... oder einen Hitzschlag. Das habe ich nicht so genau verstanden, aber es geht mir wieder besser.", beruhige ich ihn und er mustert mich besorgt.

"Erst einen Tag hier und schon landest du im Krankenhaus. Ich sollte dich anketten, damit dir nichts mehr passiert.", er drückt mich nochmal, ehe er für die anderen Platz macht. Hinter ihm taucht Jay auf, der mich ebenfalls sofort in eine Umarmung zieht und mir einen Kuss auf die STrin gibt.

"Mach sowas nie wieder! Ich habe beinahe einen Herzstillstand gehabt.", nuschelt er in mein Haar. Ich wiederhole meine Diagnose nochmal für alle und lasse mich dann auch von Josy abknutschen, die deutlich durch den Wind ist.

"Du siehst nicht aus, als hättest du viel geschlafen, Amy.", bemerkt Jay mit zusammengekniffenen Augen.

"Ich hatte etwas Probleme beim Einschlafen.", gebe ich zu. Genau in dem Moment wird die Tür schon wieder aufgerissen und mein Bruder kommt hereingestürmt. Auf seinem Arm hat er meine Nichte, die vergnügt zwischen uns hin und her sieht. Er lässt sie auf meinem Schoss runter und knuddelt mich erstmal durch.

"Alles klar, Schwesterherz?", fragt er beschwingt und ich bin froh, dass wenigstens er sich die Laune nicht verderben lässt. Die anderen sehen besorgt oder wie Josy fertig aus. Dan verliert sein sonniges Gemüt nicht, sondern bleibt immer optimistisch.

"Ich wusste, dass du wieder kommst. Auch wenn ich nicht damit gerechnet hätte dich hier wieder zu sehen.", flüstert er in mein Ohr und ich kichere leise. Dann gebe ich Lilly einen Kuss und kuschel mit ihr.

"Schön, dass ihr hier seid.", sage ich und sehe sie alle der Reihe nach an. Mein Vater hat sich neben Josy auf einen Stuhl an mein Bett gesetzt. Jay lehnt am Fußende des Bettes und Dan sitzt neben mir. Alle sind hier, um mich zu sehen. Ich habe doch nichts falsch gemacht!

"Amy?", sagt mein Vater plötzlich und ich sehe ihn überrscht an, ehe ich ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen gebe, dass er reden soll.

"Der Arzt hat etwas von einer Schwangerschaft erzählt. Hast du dazu etwas zu sagen?", fragt er dann und ich blicke erschrocken zu Jay.

Kapitel 11

"Wie bitte?", frage ich perplex.

"Amanda Thompson, ich möchte eine Antwort. Jetzt. Bist du schwanger?", wiederholt er streng. Ich werfe Jay einen zweifelnden Blick zu und er nickt bestätigend.

"Ja...", flüstere ich schließlich. Aber ich traue mich nicht jemanden anzusehen, stattdessen betrachte ich meine Finger, die mit Lillys Haaren spielen.Stille breitet sich aus, bis...

"Aaaaah, wie cool! Unsere Kleinen können dann immer zusammen spielen und auf sich aufpassen und zusammen in den Kindergarten gehen und...", strahlt sie und drückt mich fest an sich.

"Jaja, ich glaub sie hat es verstanden", grinst mein bester Freund. Auch mein Vater erhebt sich jetzt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

"Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz. Aber warum hast du denn nichts gesagt? Wir freuen uns doch für dich", sagt er und streicht mir übers Haar.

"Ich weiß, aber ich wollte es euch nicht am Telefon sagen. Und vor allem nicht, bevor er es weiß", den letzten Satz murmle ich nur vor mir hin.

"Es ist Will, stimmts? Dieser miese Bastard hat dich geschwängert.", schreit mein großer Bruder plötzlich und ich sehe ihn erschrocken an.

"Das wird er bereuen. Und wenn es das letzte ist, was ich tue. Er kann doch nicht einfach meine kleine Schwester vögeln und sie mit dem Kind alleine da sitzen lassen", ruft er aggressiv. Josy will ihn aufhalten, als er aus dem Raum stürmt, aber er entreißt ihr seinen Arm.

"Ihr müsst hinterher. Los", rufe ich verzweifel. Tränen beginnen zu laufen.

"Will weiß doch nicht einmal, dass er Vater wird.""Beeilt euch, bevor er etwas Dummes tut", ruft jetzt auch Josy alamiert. Sie scheucht meinen Vater und Jay weg und nimmt mir dann Lilly ab.

"Und jetzt werde ich mal sehen, ob ich dich hier raus bekomme. Und du machst dich schnell fertig und packst deine Sachen. Wir müssen so schnell wie möglich los."

 

***

Will:

"Können wir jetzt los?", fragt Josh genervt und klopft mit dem Fuß auf den Boden.

"2 Minuten", erwidere ich fahrig. Meine letzte Akte schiebe ich weg und speichere die Datei an meinem Laptop. Gerade als ich meinen Kram einpacken will öffnet sich die Tür.

"Lin, was willst du denn jetzt noch?", frage ich stirnrunzelnd.

"Hast du nicht längst Feierabend?"

"Jaja, aber Pete und Daniel sind ins Krankenhaus gefahren. Amy ist irgendetwas passiert", erklärt sie gehetzt. Ich erstarre. Gedanken rasen durch meinen Kopf. Egal, wie gerne ich sie vergessen würde, ich habe mich damals in sie verliebt und diese Gefühle lassen sich nicht einfach abstellen. Was ist ihr nur passiert? Hatte sie einen Unfall oder ist sie krank? Geht es ihr gut oder...?

"Was ist passiert?", platzt es aus mir heraus.

"Keine Ahnung, ich glaube sie hat nur einen Sonnenstich oder sowas Ähnliches", sagt sie und scheucht uns dann hoch.

"Los jetzt, ich muss abschließen. Macht, dass ihr rauskommt. Ich will heute auch nochmal nach Hause."Ich nicke und schließe meine Tasche, ehe Josh mich nach draußen schiebt. Josy schließt hinter uns ab und schon ist sie weg.

"Und was machen wir jetzt? Gehen wir noch in Nicks Kneipe?", fragt Josh grinsend.

"Wenn es sein muss. Aber vorher bringen wir unsere Sachen zu mir", bestimme ich und laufe zielstrebig los.

"Was geht denn bei dir ab? Entweder du bist total abwesend oder du hast schlechte Laune und motzt rum", beschwert er sich. Ich schnaube und werde noch schneller. Josh bemerkt meine Wut und bleibt still. Im Haus bringe ich meine Tasche in mein Büro und sehe Josh misstrauisch an. Er lässt sonst keine Gelegenheit aus mit mir zu diskutieren.

"Hast du dich jetzt wieder beruhigt?", will er dann plötzlich wissen.

"Ich hab keine schlechte Laune", erwidere ich und funkel ihn zornig an.

"Es ist wegen Amanda, richtig? Du kannst es einfach nicht lassen. Ich habe es jetzt so oft versucht. Es ist schon über ein halbes Jahr her. Ich weiß nicht, was das zwischen euch ist oder war, aber vielleicht hab ich das Ganze unterschätzt. Vielleicht hast du dich ja wirklich in sie verliebt, aber dann musst du endlich um sie kümmern", fängt er an.

"Ach, jetzt auf einmal? Ich dachte du kannst sie nicht ausstehen?", provoziere ich ihn.

"Jetzt hör doch mal auf hier rumzuzicken. Ich hab doch eigentlich nichts gegen sie. Ich kenne sie doch nicht einmal. Aber erinnere dich, was alles über sie erzählt wurde. Ich wollte doch nur nicht, dass du dich in etwas verrennst", erklärt er. Ungläubig sehe ich ihn an.

"Willst du mich verarschen?"

"Nein, das ist wirklich die Wahrheit. Ist doch auch egal jetzt, die Hauptsache ist, dass sie jetzt hier ist. Du musst mit ihr sprechen."

"Vorhin meintest du noch, dass ich mich von ihr fernhalten soll? Warum änderst du jetzt so plötzlich deine Meinung?"

"Ich dachte, dass vergeht und du brauchst einfach etwas Zeit. Aber ich habe keine Lust, dass du jetzt für immer so eine Fresse ziehst. Du musst das endlich klären, solange sie noch hier ist."

"Und was schlägst du vor? Soweit ich weiß liegt sie im Krankenhaus. Da hat sie bestimmt viel Lust mich zu treffen."

"Das kriegen wir schon hin. Ich hab..."Jemand schlägt mit der Faust gegen die Haustür und ruft meinen Namen. Verwirrt sehe ich zu Josh, der nur mit den Schultern zuckt. Ich öffne und Dan steht vor mir.

"Du mieses Arschloch", schreit er und schlägt plötzlich zu. Ich stöhne auf und halte mir das Kinn.

"Bist du bescheuert, Alter?", ich schubse ihn zurück. Das macht ihn aber noch wütender und er schlägt wieder und wieder auf mich ein.

"Hör auf, Dan", mein bester Freund versucht ihn von mir wegzuziehen, doch er scheint blind vor Wut.

"Du Bastard lässt sie jetzt bestimmt nicht sitzen! Ich werde dich fertig machen!", schreit er weiter, als zwei Arme ihn von hinten packen. Ich erkenne seinen Vater und Jayden, diesen Penner. Aber obwohl ich ihn nicht leiden kann, bin ich froh, dass er Dan aufhält. Blut tropft aus meiner Nase und meinem Mund, mein Körper fühlt sich an wie ein einziger blauer Fleck.

"Warte", sagt Josh und gibt mir ein Tuch, um das Blut wegzuwischen.

"Was ist denn dein Problem, Mann? Ich hab dir nichts getan und was laberst du von schwanger? Ich hab nichts getan", schreie ich meinen ehemaligen Kumpel an.

"Du brauchst gar nicht rumzulügen. Ich weiß alles! Und du wirst schon sehen, was das für Folgen hat", schreit er zurück und wehrt sich gegen den Griff seines Vaters.

"Moment, ich verstehe das auch nicht. Wer ist schwanger?", mein bester Freund runzelt die Stirn.

"Amy", sagt Jay jetzt. Meine Augen werden groß.

"Raus! Alle raus, sofort! Verpiss dich!", ich schubse sie raus, funkle Dan nochmal an und knalle die Tür hinter ihnen zu.

"Das gibts doch nicht! Jetzt hab ich endlich einen Plan und jetzt hat dieses Schwein sie geschwängert. Ich wusste es, die beiden sind nicht einfach nur Freunde!", verbittert sehe ich Josh an. "Die hatten die ganze Zeit was und sie belügt mich in einer Tour. Kannst du dir das vorstellen? Es ist ein halbes Jahr her und schon lässt sie sich von einem anderen schwängern? Das wars!", ich schlage mit der Faust gegen die Wand.

"Hey, vielleicht ist das Alles ja auch ganz anders", versucht mein bester Freund mich zu beruhigen.

"Anders?! Was soll denn da anders sein? Amy ist schwanger! Und das von diesem Penner! So eine Scheiße zieht niemand mit mir ab! Ich hoffe sie verpisst sich bald wieder. Sie sollte mir wirklich nicht unter die Augen treten!", murmel ich aggressiv.

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Für alle, die gerade etwas verwirrt sind:

Will war so überrumpelt und wütend, dass er eigentlich nur mitbekommen hat, dass Amy schwanger ist und Dan sauer auf ihn. Ihm ist nicht klar, dass Dan ihn beschuldigt hat, der Vater des Kindes zu sein!

Ich hoffe, dass ich euch ein wenig helfen konnte! <3

Kapitel 12

 Amy:

"Jetzt mach schon, wir sind gleich da", treibt Josy mich zur Eile an. Wir sind mit dem Taxi zurückgefahren, müssen den restlichen Weg bis zu Will aber laufen.

"Entschuldige, ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Der Arzt hat gesagt ich soll mich AUSRUHEN, das hier ist Sport auf höchstem Niveau!", beschwere ich mich keuchend.

"Sag du mal gar nichts, ich habe noch ein Kind auf dem Arm. Aber egal, wir einigen uns einfach darauf, dass es für uns beide gleich anstrengend ist", grinst sie und wir kommen beide schwer atmend vor dem Haus an. Nichts ist zu hören.

"Ich glaube Dan ist nicht hier. Zumindest höre ich nichts, was auf eine Prügelei hindeutet", murmle ich.

"Hör auf den Teufel an die Wand zu malen. Er macht sowas schon lange nicht mehr. Er ist ein verantwortungsbewusster Vater", beteuert meine Schwägerin mit einem leicht zweifelnden Blick. Ich werfe ihr einen aufmunterndes Lächeln zu und klingel dann. Sofort wird die Tür aufgerissen und ein zorniger Will steht davor.

"Ich habe gesagt du sollst dich verpissen!", schreit er los und ich stolpere erschrocken ein paar Schritte nach hinten. Als er mich genauer mustert, reißt er die Augen weit auf. Soweit ich das beurteilen kann wird er schon bald ein schönes Veilchen am rechten Auge haben. Außerdem hat er eine Platzwunde an der Augenbraue, eine blutige Nase und steht leicht gekrümmt. Da hat Dan wirklich ganze Arbeit geleistet. Wenn ich ihn erwische, werde ich erst einmal ein Hühnchen mit ihm rupfen. Er kann doch nicht einfach seinen Kumpel zusammenschlagen, wenn er nicht einmal die ganze Geschichte kennt. Oh mann, das ist alles meine Schuld!

Wir starren uns ein paar Sekunden einfach nur an, ehe Will mich mit einem kalten Blick bedenkt und die Tür wieder schließt.

"Was war das denn jetzt?", sagt Josy hinter mir, die genau wie ich ziemlich geschockt ist."Wollen wir zu Pete gehen? Vielleicht sind die Männer dort." Behutsam nimmt sie mich am Arm und zieht mich den Weg entlang.

Jetzt habe ich Will nach über einem halben Jahr wieder gesehen und er freut sich kein Stück. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass er mir gleich um den Hals fällt, aber diese Feindseligkeit hat mich hart getroffen. Meine Verliebtheit ließ mich wahrscheinlich naiv hoffen, dass er auch noch etwas für mich empfindet. Aber da habe ich mich wohl getäuscht. Entweder er ist noch sauer wegen dem Streit damals oder er weiß, dass ich Schuld daran bin, dass er so zugerichtet wurde.Aber das würde heißen er weiß, dass er Vater wird! Das sollte er niemals so erfahren! Und wenn er es wirklich weiß, dann hat er scheinbar keinerlei Interesse an mir und dem Kind. Wenn er auf mich sauer ist- okay, aber das kleine Würmchen hat doch nichts damit zu tun.Seine Reaktion eben, war Antwort genug- er will weder mich noch das Kind. Aber dann hat er Pech gehabt. Er wird sein- nein, MEIN Kind niemals zu Gesicht bekommen. Es war seine Entscheidung!

"Hey, das wird schon!", Josy streicht mir Tränen von der Wange, die unbemerkt ihren Weg aus meinen Augen finden. Schniefend nicke ich und sehe auf. Wir stehen bereits vor dem Haus meines Vaters. Sie klopft und mein Vater öffnet uns. Ich laufe einfach an ihm vorbei nach oben und werfe mich in mein Bett. Dann schreie ich wütend in mein Kissen.

Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass sich das alles wieder einrenkt. Ich liebe Will immer noch und egal, wie sehr ich mir wünsche, dass sich das ändert- ich kann nichts dagegen tun. Und das schmerzt am meisten. Er ist wütend auf mich und hat keine Gefühle mehr für mich. Mein Herz will das einfach nicht akzeptieren.

Meine Tränen sind eine Mischung aus Wut, Trauer, Enttäuschung und Angst. Wut auf mich, weil ich das hier doch nie beabsichtigt habe. Wut auf ihn, weil er so ein Arschloch ist. Trauer, weil der Blick in seinen Augen mir alles verraten hat und doch nichts. Enttäuschung, weil er mich nicht liebt und nichts von seinem Kind wissen möchte. Und Angst, weil ih keine Ahnung habe, wie es jetzt mit meinem Leben weitergehen soll. Auch, wenn ich wirklich versucht habe nicht zu große Erwartungen zu haben, habe ich doch gehofft, dass alles gut wird und er zumindest für unser Würmchen da sein will. Aber, wie sollte es auch anders sein. Wer zu große Erwartungen hat, wird immer enttäuscht!

Mein Schluchzen wird schlimmer und ich fange an zu Zittern. Das Atmen fällt mir schwer und ich rolle mich so klein zusammen, wie ich kann. Ich kann einfach nicht mehr. Mein Kopf dröhnt. Es war zu viel in den letzten Monaten.Der ständige Stress, die Angst, die Ungewissheit, die Sorgen und jetzt auch noch die Zurückweisung. Das alles tut so weh, dass ich das Gefühl habe mein Herz verbrennt.

Ich lege meine Hände auf die Ohren und versuche meine Umgebung auszublenden. Ich will nichts hören, nichts sehen, nichts fühlen. Das erste Mal in meinem Leben möchte ich tot sein. Ich weiß, dass ich ein Kind bekomme und ich würde nie soweit gehen, dass ich Selbstmord begehe, aber ich fühle mich nutzlos, ungeliebt, wertlos und vor allem allein.

Mir ist bewusst, dass es Menschen gibt, denen es sicherlich schlechter geht, die schlimmeres erlebt haben. Aber vielleicht bin ich nicht stark genug. Seit Tommy kann ich nicht besonders gut mit Ablehnung umgehen.

Damals ging es mir wirklich schlecht, doch, obwohl ich es nicht für möglich gehalten habe, geht es mir gerade jetzt so schlimm, wie noch nie.

Durch das Weinen brennt mein Hals und verschlechtert das Atmen noch mehr. Ich schnappe verzweifelt nach Luft, doch es will mir einfach nicht gelingen mehr Sauerstoff in meine Lunge zu pumpen. Mein Körper bebt unkontrolliert und ich mache mich so klein ich kann.

Die Tür öffnet sich leise und schon spüre ich wie die Matratze sich neben mir senkt. Leise schniefe ich weiter und eine Hand streicht über meinen Rücken.

"Was ist passiert?", fragt Jay sanft und ich richte mich langsam auf. Er bemerkt mein Zittern und wickelt mich in eine Decke, ehe er mich in eine Umarmung ziehen will. Doch ich drücke ihn von mir weg und rutsche in die Ecke meines Zimmers. Dort mache ich mich wieder so klein, wie möglich und lege die Hände über die Ohren. Ich möchte nicht hören, was er sagt. Es sind alles Lügen. Er wird mir wieder einreden wollen, dass meine Familie und er für mich da sind. Das wir das zusammen schaffen werden. Das Will irgendwann einsehen wird, dass er einen Fehler gemacht hat. Das mich keine Schuld trifft.

Doch er liegt falsch. Ich weiß, dass er das sagt, um mich aufzumuntern. Aber ich weiß, dass es nicht die Wahrheit ist. Er kann mich nicht länger verarschen.

Ich merke, wie er sanft meine Handgelenke umfasst und von meinem Gesicht wegzieht. Doch für mich fühlt es sich an, als hielte er sie in einem Schraubstock gefangen. Ich schreie auf, schlage und trete um mich. Ich möchte einfach nur alleine sein. Er soll verschwinden.

Die Verzweiflung gewinnt die Überhand und ich fange an ihn zu kratzen und beißen. In diesem Moment zählt nichts mehr für mich, als frei zu sein. Frei und alleine, so wie mein zukünftiges Leben.

"Amy, Amy, Süße, beruhige dich! Ich tue dir nichts. Hör auf dich zu wehren. Amy! Ich tue dir nichts!", er kennt diese Ausbrüche von früher. Aber je mehr ich mich gegen ihn sträube, desto verzweifelter wird auch er."Pete! Pete!", schreit er so laut er kann und ich halte inne.

'Sie werden mich in eine Psychatrie einweisen lassen!', schießt es mir durch den Kopf. Jay wird erzählen, dass ich schon einmal Depressionen hatte und dann werden sie mich abschieben. Dann sind sie mich los. Dann stehe ich Jay nicht mehr im Weg und auch Josy, Dan und mein Dad haben ein Problem weniger, um das sie sich kümmern müssen.

Kapitel 13

 Erschrocken höre ich auf mich zu wehren und rolle mich wieder in Embryo-Stellung zusammen.

'Je kleiner ich mich mache, desto unsichtbarer werde ich.', denke ich.Meine Tür wird aufgerissen und mein Vater steht im Türrahmen.

"Was ist passiert?", keucht er und kommt zum Bett. So viel Nähe ertrage ich nicht und versuche weiter in die Ecke zu kriechen. Jays und Petes Stimmen sind zu laut, sie lassen meinen Kopf noch schmerzhafter pochen. Also halte ich mir ein weiteres Mal die Ohren zu und schließe die Augen.

'Wenn ich ganz fest daran glaube und mich nicht bewege, gehen sie weg.', hoffe ich still und versuche mich nicht zu rühren. Die Stimmen höre ich nur noch gedämpft und Jay macht den Fehler mich anzufassen nicht noch einmal.Dafür kommt mein Dad mir aber näher; ich kann sein Rasierwasser riechen. Ich habe das Gefühl, dass mir dieser Geruch die Luft zum Atmen nimmt und keuche auf.

"Ganz ruhig, mein Schatz!", sagt mein Dad und zieht meine Hände von den Ohren. Ich wimmere, aber wehre mich diesmal nicht.

"Sollen wir einen Arzt rufen?", fragt Jay und ich halte erschrocken den Atem an.

'Nein, bitte bitte nicht!', flehe ich stumm.

"Ich denke sie muss sich etwas ausruhen. Ein paar Stunden Schlaf und es geht ihr wieder besser", antwortet Dad. Er redet auch so einen Unsinn, wie mein eigentlich bester Freund. Warum denken alle, dass nach ein wenig Zeit alles wieder gut ist. Auch in ein paar Stunden wird sich Wills Reaktion nicht geändert haben. Er wird mich immer noch hassen und ich werde immer noch mit einem Kind alleine stehen. Und mein so genannte Familie und mein bester Freund sind immer noch Lügner, die alles schönreden wollen.

"Und was ist mit dem Baby?", versucht er es weiter.

"Wenn es nicht besser wird, holen wir einen Arzt, in Ordnung?", schlägt mein Vater vor und ich denke mal Jay nickt, denn es kommt keine Antwort mehr.

"Mein Schatz, wir lassen dich jetzt wieder alleine. Leg dich hin uns schlafe ein wenig. Wenn etwas ist kannst du jederzeit rufen. Wir sind unten." Mein Dad streicht mir über den Kopf, doch ich ziehe ihn ruckartig zurück. Dabei knalle ich mit dem Hinterkopf gegen die Wand. Ich kann mich gerade noch davon abhalten zu schreien und belasse es bei einem Wimmern. Sterne tanzen vor meinen Augen, aber ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und bleibe still liegen.

Als Jay aufsteht, krieche ich wieder auf meinen ursprünglichen Platz und lege mich unter die Decke. Ich sehe noch seinen besorgten Blick, wahrscheinlich musste er sich einen Kommentar zu meinem Stoss verkneifen. Die beiden verlassen mein Zimmer und ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Ich weine nicht nur vor Schmerz, weil mein Kopf unheimlich weh tut, sondern auch wegen dem Schmerz in meinem Herzen.

Irgendwann schlafe ich unter Tränen dann wirklich ein.

 

***

 

Leise Geräusche wecken mich. Sofort bin ich hellwach und tue, als ob ich noch schlafen würde. Dabei sind meine Ohren gespitzt.

Haben sie einen Arzt gerufen? Oder gleich Pfleger, die mich in eine Psychatrie bringen?

Doch nichts geschieht. Es sind nur leise Stimmen von unten zu hören. Scheinbar streiten sie gerade.

"Wir müssen doch etwas tun!", höre ich Jay schreien.

"Jetzt beruhige dich. Sie ist einfach fertig, weil sie die Situation mit William belastet. Das wird schon wieder. Die beiden sind jung, sie haben genug Zeit ihre Sachen auf die Reihe zu kriegen", beruhigt ihn mein Vater.

"Das ist doch nicht dein Ernst, Pete. Ich muss Jayden zustimmen. Nachdem Will die Tür vor ihrer Nase zugeschlagen hat, war sie nicht einfach fertig. Sie war am Boden zerstört. Und eure Schilderung bestätigt das nur", stimmt Josy meinem besten Freund zu.

"Sie wird schon über dieses Arschloch hinweg kommen. Dieser Penner hat sie und das Kind eh nicht verdient." Verbittert schnaubt mein Bruder.

"Du hältst deinen Mund! Ich kann nicht fassen, dass du ihn wirklich verprügelt hast. Du wolltest dich ändern, für mich und für Lilly. Hast du das vergessen? Aber scheinbar war das Versprechen nichts als ein Tropfen auf heißem Stein. Deswegen will ich dich nicht heiraten. Du hast dich noch immer nicht unter Kontrolle. Ich möchte Lilly schützen. Glaubst du es ist gut für sie einen gewalttätigen Vater zu haben?!", schreit meine Schwägerin ihn an.

"Was willst du damit sagen? Dass ich meine Tochter schlagen würde? Oder dich? Du spinnst doch wohl. Liebst du mich nicht mehr oder was ist los? Ich hatte nie vor dich zu zwingen meine Frau zu werden. Man heiratet aus Liebe, aber wenn du mich nicht liebst dann hat das ja auch keinen Sinn. Ich kann nicht glauben, dass du mir jedes Mal Lügen aufgetischt hast, warum du mich nicht heiratest.

Jahrelang tue ich alles, um dich zu beeindrucken, dich bei mir zu behalten. Und dabei liebst du mich einfach nicht? Und ich denke, dass du unsere Beziehung nicht gefährden willst." Mein Bruder scheint wütend und enttäuscht wie noch nie.

"Dan, hör auf so einen Schwachsinn zu reden. Natürlich liebe ich dich und das weißt du! Wir sind schon so lange zusammen, denkst du ich würde dir jahrelang etwas vorspielen und ein Kind mit dir bekommen, wenn ich dich nicht lieben würde?!

Aber ich bin mir einfach unsicher. Im einen Moment bist du lieb, süß, fürsorglich und im nächsten rastest du aus, sodass ich manchmal wirklich Angst vor dir bekomme", ihre Stimme wird zum Ende hin immer leiser und ich muss mich anstrengen, um alles zu verstehen. Dann herrscht Stille, bis ich Schritte auf der Treppe höre.

Jemand geht in das gegenüberliegende Zimmer, Dans altes Zimmer beziehungsweise mittlerweile Lillys Zimmer. Ich kann ein leises Schluchzen hören und richte mich langsam auf.Von unten sind wieder leise Stimmen zu hören und leise öffne ich meine Zimmertür.

"Geh nach Hause und mach dich nicht fertig. Wir kümmern uns um Lilly und Dan kriegt sich auch bald wieder ein", sagt mein Vater und ich sehe, wie er die weinende Josy in den Arm nimmt und dann nach draußen schiebt.

"So viel Theater heute", höre ich Jay murmeln und schleiche schnell den Flur entlang zu Dans Zimmer. Die Tür ist angelehnt und ich höre ich leise mit seiner schlafenden Tochter sprechen.

"...liebe euch. Ich würde dir doch niemals etwas antun. Du bist das Wichtigste in meinem Leben, neben deiner Mom. Ich liebe euch so sehr, dass es weh tut", schnieft er und streicht ihr über ihr Köpfchen. Langsam öffne ich die Tür.

"Das kenne ich", sage ich leise und er guckt erschrocken hoch. Nervös spiele ich mit meinen Fingern. Er ist ein Lügner und Schönredner, aber immer noch mein Bruder. Deswegen nehme ich ihn kurzentschlossen in den Arm. Er drückt mich fest an sich und weint sich an meiner Schulter aus.

"Ich bin ein Idiot. Ich wollte das alles doch nicht", flüstert er und ich streiche ihm über den Rücken. Er weiß gar nicht, wie gut ich ihn verstehen kann.

"Seit Lilly auf der Welt ist habe ich mich nicht ein einziges Mal geprügelt. Die Zeiten sind lange vorbei. Ich weiß doch, was ich an ihr und Josy habe. Sie hat mir damals deutlich gemacht, dass sie niemals mit einem Schläger zusammen sein möchte und ich habe um sie gekämpft. Ich habe doch alles getan, was sie wollte. Aber William hat mich so wütend gemacht. Du bist meine kleine Schwester und ich liebe dich. Er kann dich doch nicht einfach alleine mit dem Kind sitzen lassen!", schnieft er und ich gehe ein wenig auf Abstand. Zum einen um ihn ansehen zu können, zum anderen, weil mir zu viel Nähe immer noch nicht gefällt.

"Dan, er weiß nichts davon. Hättest du zugehört, wüsstest du das auch. Ich wollte es ihm sagen, aber ich bin ja erst einen Tag hier und dann war ich im Krankenhaus und ihr habt davon erfahren. Das was damals zwischen ihm und mir abgelaufen ist, war ziemlich beschissen. Ich wollte mit ihm in Ruhe sprechen, aber dazu kam es ja jetzt nicht", sage ich mit etwas Anschuldigung in der Stimme.

Er schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn und senkt den Blick.

"Oh nein! Das tut mir alles so Leid! Ich dachte er wüsste davon und wollte nichts von dem Kind wissen", erklärt er und ich sehe ebenfalls zu Boden.

"So ist es jetzt ja auch", murmel ich vor mich hin.

"Ich muss mit Josy sprechen", ruft er plötzlich. "Tut mir Leid, dass ich mir deine Geschichte jetzt nicht anhören kann, aber ich muss meine Beziehung retten. Danke, Amy!" Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und sprintet die Treppe runter.

"Dad, Lilly muss heute bei dir bleiben, ich muss das mit Josy klären", und schon ist er verschwunden.

Kapitel 14

 Will:

"Morgen", zwitschert Lin und wedelt mit den Akten in ihrer Hand. Dann hält sie erschrocken inne.

"William, was hast du denn gemacht?" Sie deutet auf mein Gesicht.

"Das geht dich gar nichts an!", knurre ich und werfe ihr einen feindseligen Blick zu.

"Wow, verprügelt und schlechte Laune. Ich möchte keiner deiner Mandanten sein", höre ich sie zischen, doch überhöre es einfach. So schnell sie kann legt sie unsere Sachen bereit und verschwindet wieder.Mein erster Mandant kommt und ich begrüße ihn freundlich. Wir klären die Strategie und gehen potenzielle Zeugen durch.

"Aber er wird nicht kommen. Er hasst mich, da wird er nicht für mich aussagen", merkt der Mandant an und ich stöhne gereizt auf.

"Es interessiert mich einen Scheißdreck, ob er was gegen sie hat. Wir brauchen Zeugen, sonst bekommen sie ihren Fernseher nicht wieder", schreie ich ihn an.

"Gehts bei ihnen noch? Ich kann mir auch einen anderen Anwalt suchen. Ich lasse mich doch nicht anschreien!", empört schüttelt er den Kopf. Mir liegt bereits ein bissiger Kommentar auf der Zunge, doch Josh mischt sich schnell ein und überzeugt den Mann einen neuen Termin auszumachen.

"Alter, jetzt reiß dich aber Mal zusammen. Wenn das nochmal passiert, steht Pete hier auf der Matte und droht mit der Kündigung", weist er mich zurecht.

"Ich hab gerade einfach keinen Kopf für diesen Mist!", gebe ich zu und fahre mir mit den Händen übers Gesicht. Es würde nichts bringen auch noch meinen besten Freund anzuschreien. Er meint es ja nur gut.

"Was ist denn los?", will er wissen.

"Das weißt du doch. Ich kann nicht glauben, dass die Frau, in die ich mich verliebt habe, ein Kind mit einem anderen bekommt. Hat ihr unsere Beziehung wirklich nichts bedeutet?!", verzweifelt sehe ich ihn an.

"Das glaube ich nicht! Sie sah ehrlich gesagt ziemlich verliebt aus, als sie hier war", gibt er zu.

"Aber was hat sich in dem halben Jahr geändert? Als sie vor der Tür stand, sah sie nicht gerade verliebt aus. Und wenn sie noch in mich verliebt wäre, trüge sie nicht sein Kind mit sich herum", beschwere ich mich.

"Aber weißt du was ich noch weniger verstehe? Warum verprügelt Dan mich?"

"Keine Ahnung"

"Mal ehrlich, wir sind Kumpels. Und plötzlich kommt er und schlägt mich. Was habe ich ihm getan? Und was hat das mit Amys Schwangerschaft zu tun?"

"Will, auf die Gefahr hin, dass ich ziemliche Scheiße rede. Ich hab das so verstanden. Was ist, wenn sie kein Kind von Jayden bekommt, sondern...", fängt mein bester Freund an, doch wird unterbrochen, als jemand die Tür aufreisst. Dan kommt herein und bleibt unsicher vor meinem Schreibtisch stehen.

"Was willst du?", mit zusammengekniffenen Augen verschränke ich die Arme vor der Brust.

"Ich... ich wollte mich entschuldigen. Das gestern war irgendwie nicht ganz durchdacht. Ich war so wütend und habe Amy nicht richtig zu gehört und dann ist es einfach passiert. Das war alles nicht so geplant und naja... Es tut mir Leid!", stottert er herum.

"Nicht ganz durchdacht? Es ist einfach passiert? Alter, du hast einfach aus dem Nichts auf mich eingeprügelt und mir beinahe die Nase gebrochen." Verständnislos sehe ich ihn an.

"Ich weiß, das ist blöd von mir gewesen. Es tut mir ehrlich Leid!", wiederholt er."Und was hat das mit Amy zu tun?", fragt jetzt Josh.

"Sie hat von ihrer Schwangerschaft erzählt und ich war überrascht. Und dann habe ich nicht richitg zugehört und dachte du willst nichts von dem Kind wissen", erklärt er kleinlaut.

"Ich?! Was habe ich mit ihrem Kind zu tun? Jay ist der beschissene Vater!", rufe ich genervt.

"Jay", murmelt Dan und sieht mich dann wieder an."Ja... Ja genau. Aber ich dachte es wäre von dir. Das war ein Missverständins. Aber jetzt ist ja alles wieder geklärt", er winkt zum Abschied und verlässt das Büro.

"Siehst du, jetzt hast du die Antwort", meint Josh, doch ich kann mich nicht wirklich freuen. Zu denken, dass Jayden der Vater ist, ist eine Sache, aber es bestätigt zu bekommen... Das tut weh.

"Josh, ich bin heute einfach nicht richtig bei der Sache. Ich sag eben Pete Bescheid und gehe dann nach Hause", sage ich und packe meine Sachen.

"Okay, bis dann. Vielleicht komme ich heute Abend vorbei." Ich nicke nur.

 

***

 

Amy:

Schon seit Tagen liege ich einfach in meinem Bett und starre an die Decke. Ich kann nicht schlafen, nicht essen, nicht trinken, nicht sprechen. Aber denken und fühlen tue ich leider zu viel.

Wahrscheinlich sehe ich schrecklich aus, immerhin liege ich schon ein paar Tage nur im Bett und stehe nur auf, um zur Toilette zu gehen. Jay versucht mich aufzumuntern und zum Aufstehen zu überreden, aber ich antworte ihm nicht und drehe mich meistens einfach weg.

Ich sehe, dass es ihm schwer fällt mich so zu sehen, aber er schluckt es runter. Ständig steht er mit Essen und Trinken vor der Tür und zwingt mich überhaupt etwas zu mir zu nehmen. Das funktioniert aber auch nur, weil er mir mal wieder droht mich zu Hause rauszuschmeißen. Außerdem möchte ich mein Würmchen auch nicht wirklich gefährden.Trotzdem fehlt mir die Lust irgendetwas zu tun. Die Ruhe und Freiheit in meinem Zimmer fühlt sich nach Sicherheit an. Und die kann ich gut gebrauchen.

Ich habe mittlerweile verstanden, dass ich einen Rückfall hatte und drohe wieder Depressionen zu bekommen. Aber ich konnte die Zweifel an meiner Familie und Jay ablegen und weiß jetzt, dass sie wirklich nur mein Bestes wollen. Es war schwierig, aber jetzt fühle ich mich etwas besser und habe nicht das Gefühl wirklich depressiv zu werden.

"Amy?", fragt mein Schwägerin durch die geschlossene Tür, aber ich antworte ihr nicht. Vielleicht ist es kindisch, andererseits möchte ich wirklich nicht reden. Ich möchte meine Ruhe und alleine sein.

Trotzdem kommt Josy herein und setzt sich an mein Bett. Sie sitzt einfach stumm da und beobachtet mich. Doch ich lasse mich nicht beirren und starre weiter regungslos an die Decke.

"Du machst mir Angst, Amy. Ich möchte nicht, dass es dir schlecht geht. Ich habe keine Ahnung, wie es dir gerade geht und ich möchte es ehrlich gesagt auch nicht wissen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit Lilly alleine dagestanden hätte, ohne Dan... Das wäre das schrecklichste überhaupt gewesen. Aber du bist eine starke Person, Amy. Ob mit oder ohne Will, du schaffst das!", versucht sie es mit sanfter Stimme. Doch auch darauf reagiere ich nicht.

"Ich kann mir das nicht weiter mit ansehen. Du bist bald eine Mutter und scheinbar brauchst du Will, sonst gehst du ein. Hier ist dein Handy", aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie es neben mich legt, "und du wirst ihn jetzt anrufen. Erzähl ihm von dem Kind, auch wenn er es schon weiß. Erzähl ihm von der Schwangerschaft. Wie es sich anfühlt. Und sag ihm, was du für ihn empfindest. Nur so kann das alles wieder funktionieren", erklärt sie und streicht mir nochmal über den Arm. Auch das lasse ich starr über mich ergehen, bis sie aus dem Zimmer ist.

Mein Blick wandert langsam zu dem kleinen Teil neben mir und minutenlang starre ich es einfach an. Dann strecke ich langsam die Hand danach aus und klicke mich langsam durch die Kontakte, bis ich seine Nummer sehe. Tausen Gedanken gehen mir durch den Kopf, doch ich habe keine Lust mehr zu überlegen. Ich vermisse seine Stimme, seine Zuneigung, seine Liebe; ich vermisse ihn. Und genau deswegen wähle ich seine Nummer und halte mir das Handy ans Ohr.

Gespannt warte ich darauf, dass er rangeht.

"William O'Conner", meldet er sich und ich bleibe still, überwältigt von seinem sanften Ton. Tränen steigen auf, so froh bin ich, allein seine Stimme zu hören.

"Hallo?", seine Stimme klingt verwirrt und ich atme tief durch.

"Hi... hier... hier ist Amy", ich klinge heiser und wie eingerostet. Was aber nicht wirklich verwunderlich ist, nachdem ich ein paar Tage nur das allernötigste gesprochen habe.

"Amy", höre ich ihn flüstern. Doch es ist eher ein wütendes Knurren.

"Ich möchte mit dir reden", flüstere ich langsam. Ein verächtliches Lachen erklingt.

"Mit mir reden? Das ist nicht nötig. Ich habe dir nichts zu sagen", und schon hat er aufgelegt. Leblos bleibe ich liegen. Mein Kopf kann es nicht verarbeiten. Das monotone Tuten erklingt auch noch in meinem Kopf, nachdem ich das Handy ausgeschaltet habe. Ich rolle mich wieder zusammen. Keine Träne kommt mehr. Ich bin wirklich am Tiefpunkt meines Lebens angelangt. Ich dachte, schlimmer kann es nicht werden, aber gerade eben wurde ich eines besseren belehrt.

Ich liege einfach nur da. Zusammengerollt und einsam und konzentriere mich auf meine Atmung, um mich abzulenken. Vielleicht stehe ich unter Schock. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall fühle ich rein gar nichts. Aber wahrscheinlich ist das sogar ziemlich gut.

Kapitel 15

 "Was ist denn los?", höre ich Dan, der vor einigen Minuten das Haus meines Vaters betreten hat.

"Ich werde jetzt einen Arzt anrufen. Deine Schwester weigert sich auch nur einen Bissen zu sich zu nehmen. Das ist unglaublich gefährlich für ihr Kind", erklärt Jay, doch mein Vater unterbricht ihn.

"Lass ihr Zeit, sie wird schon wieder etwas essen."

"Dad, es reicht. Das geht schon eine Woche so. Jay, ruf einen Arzt an", beschließt Dan und diskutiert dann mit meinem Dad weiter. Ich drehe mich auf den Rücken und schließe die Augen. Der Stress und der Hunger sind nicht gut für mich, aber ich habe keinen Antrieb mehr. Nichts macht mehr Sinn. Ich habe keine Kraft irgendetwas zu tun.

Meine Tür öffnet sich und ich erschrecke mich, doch bin so erschöpft, dass ich nicht einmal mehr zusammenzucken kann.

"Amy", flüstert Jay und kniet sich neben mich, "gleich kommen Tyler und Emma. Sie werden sich um dich kümmern." Sanft nimmt er meine Hand und ich drücke sie leicht. Ich möchte nicht sterben oder mein Baby in Gefahr bringen, aber ich fühle mich, als würde ich vor mich hinvegetieren und bin nicht mehr im Stande etwas dagegen zu unternehmen. Deswegen bin ich froh, dass er es getan hat.

"Dir geht es bald wieder besser. Ich bin bei dir, okay?", er küsst meine Stirn.

"Mein Baby", flüstere ich heiser.

"Sie werden nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Mach dir keine Sorgen.", seine Hand legt sich auf meinen Bauch und er streicht vorsichtig mit dem Daumen darüber. Ein leichtes Lächeln legt sich auf mein Gesicht. Jay ist der beste Freund, den man haben kann. Ich wünschte das Kind wäre von ihm. Dann hätte ich jetzt kein Problem, denn er ist verantwortungsbewusst, liebevoll und fürsorglich.

Es klingelt an der Haustür und schon kurze Zeit später stehen mein Bruder, Ty und Em im Zimmer. Meine Augenlider sind schwer, aber ich schaffe es, sie offen zu halten.

"Du siehst beschissen aus, Amy", verkündet Ty und setzt sich neben mich.

"Danke", hauche ich sarkastisch und er grinst.

"Scheint nicht allzu schlimm zu sein, wenn du noch frech sein kannst." Mit einem Stethoskop hört er mich ab und lässt Em ein paar Notizen machen. Dann misst er noch meinen Puls.

"Süße, du musst dich jetzt ganz vorsichtig aus dem Bett quälen. Aber vorher solltest du etwas essen und trinken", bestimmt er und zwingt mich zu einem halben Brötchen und einem Glas Orangensaft, welches mein bester Freund heute Morgen bereitgestellt hat. Artig tue ich, was er sagt, obwohl ich nicht das Gefühl habe irgendwas runter zu bekommen. Doch sobald ich einen Bissen genommen habe, taucht mein Hungergefühl auf und ich bin schnell fertig.

"Sehr gut. Und jetzt setzt du dich auf und wir warten bis du auf die Toilette musst. Danach können wir dich wiegen und nochmal deine Werte überprüfen", meint er und schickt alle aus dem Raum.

"Ich möchte, dass Jay bleibt", sage ich leicht panisch und greife nach seiner Hand. Beruhigend streichelt er mit dem Daumen über meinen Handrücken und setzt sich neben mich. Emma steht unscheinbar im Zimmer und schweigt.

"Magst du mir erzählen, was los ist? Ich frage dich das auch als Freund, aber in erster Linie bin ich dein Arzt und möchte dir und dem Baby helfen", sagt er behutsam. Jay weist er an meinen Mutterschaftspass zu holen, den er in meinem Nachttisch findet.

"Du bist ja schon in der 20. Schwangerschaftswoche. Das erklärt die große Rundung." Er zwinkert mir zu und prüft dann nochmal die Daten, ehe er mich erwartungsvoll ansieht.

"Ich habe erst fast im dritten Monat erfahren, dass ich schwanger bin. Ich war ziemlich verzweifelt, weil der Vater", ich sehe kurz zu Em, "...weit weg wohnt. Ich wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Jay hat sich gut um mich gekümmert. Aber der Vater wusste immer noch nichts davon, also hat er mich davon überzeugt hierher zu fliegen und es ihm zu sagen. Ich habe mich erst nicht getraut, aber dann bin ich hergeflogen. Letzte Woche Montag sind wir angekommen. Am Dienstag war ich dann mit Josy und Lilly auf dem Spielplatz und hatte einen Sonnenstich und lag im Krankenhaus. Also konnte ich immer noch nichts davon erzählen. Am nächsten Morgen kamen dann alle und haben mich besucht. Da ist dann rausgekommen, dass ich schwanger bin. Eigentlich sollte der Vater es vor ihnen hören", sage ich.

"Amy, das ist alles schön und gut, aber komm bitte zum Punkt", ungeduldig wippt Ty hin und her. Ich sehe nochmal nervös zu Em und plötzlich leuchten ihre Augen auf.

"Will ist der Vater, oder?", begeistert über ihre Eingebung sieht sie mich an, während ich erschrocken die Augen aufreiße. Ty sieht entgeistert zwischen uns hin und her. Ergeben nicke ich.

"Ja, er ist der Vater. Dan hat das gehört und ich ausgerastet, weil er dacht, dass Will davon weiß, aber seinen Pflichten nicht nachkommen will. Also ist er hingestürmt und hat ihn verprügelt. Danach hatte er einen riesigen Streit mit Josy und sie hat ihn gezwungen sich bei ihm zu entschuldigen, nachdem ich ihn aufgeklärt habe, dass Will nichts davon wusste", erkläre ich und Em nickt nachdenklich.

"Bei der Prügelei hat er ja schon von meiner Schwangerschaft erfahren. Ich bin mit Josy kurz danach bei ihm gewesen. Er hat mich angeschrien ich solle mich verpissen und hat dann wütend die Tür zugeknallt. Ich bin damit nicht klar gekommen- ich verstehe es immer noch nicht. Es ist in Ordnung, wenn er nichts von mir will, aber das kleine Würmchen kann er doch nicht einfach ohne Vater aufwachsen lassen", beschützend lege ich eine Hand auf meinen Bauch.

"Jedenfalls habe ich ihn gestern angerufen. Ich wollte es klären, ihm sagen, was ich empfinde. Aber er hat mich nur angemotzt, er wolle nicht mit mir reden und hätte nichts zu sagen. Das war einfach zu viel!", ich lege meinen Kopf in die Hände und schluchze auf. Jay legt die Arme um mich und versucht mich zu beruhigen.

"Das hört sich ziemlich scheiße an, Amy. Und ich kann dich irgendwo auch verstehen. Aber das ist kein Grund dein Kind in Gefahr zu bringen. Du hast jetzt die Verantwortung für zwei Leben, also pass bitte auf dich auf." Ty streicht mir über den Rücken.

"Ich muss jetzt aufs Klo", sage ich und flüchte beinahe aus dem Raum. Im Bad gehe ich zur Toilette und wasche mir das Gesicht. Tief atmend beruhige ich mich wieder und gehe zurück.

"Stell dich bitte auf die Waage, Amy." Em sieht mich lächelnd an und ich bin erleichtert. Sie ist scheinbar nicht sauer, dass ich so einen Stress mit ihrem Bruder habe.

Sie notiert wieder die Werte. Ty sieht sich mein Gewicht an und schüttelt dann den Kopf.

"Du wiegst viel zu wenig, du musst unbedingt zunehmen, Amy. Du gefährdest dein Kind!", er betont den letzten Satz nochmal und sieht mich streng an.

"Okay", sage ich nur und nicke ernst.

Kapitel 16

 Will:

Mein Telefon klingelt und weckt mich aus meinen Träumen. Seufzend stehe ich auf und hebe ab.

"William O'...", melde ich mich, werde jedoch unterbrochen.

"Hey Will, ich muss unbedingt mit dir sprechen", höre ich meine Schwester am anderen Ende der Leitung.

"Em, heute nicht", sage ich genervt.

"Es ist wirklich wichtig, Will. Heute müssen wir uns unbedingt treffen", drängt sie.

"Ich habe heute frei und möchte mich entspannen. Können wir uns nicht wann anders treffen?", bitte ich und reibe mir über die Augen.

"Nein! Es ist wirklich sehr sehr sehr wichtig! Es muss heute sein", bestimmt sie.

"Ich werde gleich erstmal joggen gehen. Wir können uns heute Nachmittag treffen", schlage ich vor.

"Okay, aber vergiss es nicht, William O'Connor! Um 17:00Uhr bist du spätestens bei mir." Damit legt sie auf. Genervt schüttle ich den Kopf. Was will sie denn jetzt wieder? Ich liebe meine Schwester, wirklich, aber manchmal nervt sie unglaublich.

Müde strecke ich mich und mache mich dann fertig. Eine Stunde später trete ich aus der Eingangstür und jogge los. Und gerade heute ist perfektes Wetter, die Sonne scheint, aber es ist nicht zu warm.

Ich erinnere mich noch, als Amy und ich uns beim Joggen begegnet sind. Das Wetter war genauso schön, wie heute. Und unsere Unterhaltung hat mir gefallen. Die Geschichte, warum sie joggt, war ziemlich beeindruckend. Sie hat mir einer Leidenschaft geredet, die mich immer wieder aufs Neue fasziniert hat.

'Hör endlich auf an sie zu denken! Sie bekommt ein Kind von einem Anderen, du hast keine Chance mehr!', rufe ich mich zur Ordnung. Aber egal was ich tue, sie geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Was sie wohl sagen wollte? Aber ich bin auch selber Schuld, wäre ich nicht so wütend gewesen, hätte ich es jetzt gewusst. Sie klang irgendwie komisch, als wäre ihr das alles schwer gefallen. Oder als wäre sie krank.

 

***

 

Amy:

"Kommst du?", ruft Jay von unten und ich gehe die Treppe runter. "Na los, sonst kommen wir noch zu spät."

"Bin ja schon da", grinse ich und hebe meine Tasche auf. Er schiebt mich nach draußen und wir laufen entspannt los.

"Wie geht es dir?", will mein bester Freund wissen.

"Seit du mich mit Essen vollstopfst besser. Aber wie ein Nilpferd. Bald kannst du mich rollen", grinse ich und deute auf meinen Bauch.

"Du siehst toll aus und bist lange nicht so dick, wie du sein solltest. Ich habe mich informiert und normalerweise ist man nach einem halben Jahr noch weiter. Außerdem passe ich auf, dass das Baby nicht so ein Schwächling wird." Er lässt stolz seine Muskeln spielen. Ich lache los und krieg mich nicht mehr ein.

"Lach nicht, das ist mein Ernst." Auch er kann nicht ernst bleiben. Kichernd gehen wir den Weg weiter. Irgendwann halte ich mir den Bauch.

"Ich kann nicht mehr. Mein Würmchen hat bestimmt schon ein Schleudertrauma", sage ich schwer atmend.

"Bestimmt", Jay schüttelt sarkastisch den Kopf. Dann stehen wir schon vor dem Kino und er hält mir die Tür auf. Wir kaufen die Tickets und einen riesigen Eimer Popcorn, auf den mein bester Freund besteht. Der Film ist eine Komödie und ich habe am Ende wirklich Bauchschmerzen vom Lachen und vom Essen.

Danach wollen wir noch zu Su und ein spätes Mittagessen genießen.

"Ich kriege doch nichts mehr runter", stöhne ich, als er mich von einem großen Gericht überzeugen will.

"Na gut, aber dann nimmst du die Sahnetorte zum Nachtisch", verhandelt er und ich nicke ergeben."Du willst wirklich, dass ich fett werde, oder?", verzweifelt lege ich den Kopf in die Hände.

"Hör auf immer zu sagen, dass du fett wirst. Das wird nicht passieren, du bist sogar viel zu dünn", antwortet er mit ernster Stimme und ich sehe ihn erstaunt an. Er guckt mich streng an und ich nicke.

"Okay, ich kenne unseren Deal. Ich möchte ja noch ein Dach über dem Kopf haben, wenn wir zurück fliegen."

"Genau, wenn du zurückfliegst...", murmelt er und ich sehe ihn fragend an. Doch er schüttelt nur abwehrend den Kopf.Während wir essen unterhalten wir uns über den Film, Kochen, Ernährung und kommen schließlich wieder zu unserem Lieblingsthema: meine Schwangerschaft.

"Weißt du schon, was es wird?", will er aufgeregt wissen.

"Nein, aber ich muss diese oder nächste Woche zum Ultraschall und dann werde ich es erfahren. Ich freu mich schon so darauf", grinse ich und klatsche in die Hände.

"Und dann musst du dir Babynamen überlegen, Kleidung und Möbel kaufen, zu dem Vorbereitungskurs gehen und und und", erinnert er mich.

"Aber du musst mitkommen zum Shoppen", bestimme ich.

"Muss ich?", nörgelt er missmutig. "Okay, aber nur, wenn ich Patenonkel werde."

"Das wirst du auf jeden Fall! Und dann wirst du der beste Onkel, den je ein Würmchen bekommen kann. Ich hoffe mein Kleines wird es gut bei uns haben", sage ich nachdenklich.

"Das wird er, wir brauchen Will nicht, um glücklich zu sein. Das Baby wird eine wundervolle Mutter haben, einen grandiosen Patenonkel, es wird in einer hübschen Wohnung im Grünen wohnen und ein schönes Leben haben!", beteuert er lächelnd.

Ich nicke und schiebe mir die letzte Gabel Torte in den Mund. Genüsslich lecke ich mir den Rest vn den Lippen und strahle meinen besten Freund an.

"Das war so lecker! Unglaublich!", kommentiere ich und er grinst amüsiert.

"Wollen wir los?", fragt er dann und winkt nach einem Kellner, um zu bezahlen.Danach spazieren wir weiter durch die Stadt und schließlich zum Weg um den Lake Tara. Entspannt laufen wir neben einander und Jay erzählt so viel, wie noch nie

."Jay, ich finde es toll, dass du mich ablenken willst, aber du brauchst nicht zu übertreiben", sage ich lächelnd und nehme seine Hand."Du tust so unglaublich viel für mich. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll." Schuldbewusst sehe ich ihn an.

"Amy, du schuldest mir nichts. Ich tue das gerne, du bist meine beste Freundin." Er strahlt und gibt mir dann einen Kuss auf die Stirn. Ich umarme ihn fest und flüstere ein 'Danke'.

Wir lösen uns wieder voneinander und ich sehe eine Person hinter meinem besten Freund stehen.

Will.

Kapitel 17

 Auch Jay bemerkt meinen Blick und entdeckt Will hinter sich.

"Ich.. ich geh schonmal zu Pete. Du solltest das klar stellen", sagt er sanft und ich werfe ihm einen kurzen Blick zu, ehe ich nicke und er geht. Langsam mache ich ein paar Schritte auf den Mann, den ich liebe zu. Doch er bleibt bei seiner starren, kalten Maske und sieht durch mich hindurch.

'Wenigstens rennt er nicht weg.', denke ich erleichtert. Doch diese Erleichterung vergeht wieder, als er sich immer noch nicht regt und keine Anstalten macht mit mir zu kommunizieren.

"Hey Will...", fange ich leise an, doch er hört mich nicht. Oder er will mich nicht hören.

"Will?", frage ich lauter und bleibe direkt vor ihm stehen. "Ich würde gerne mit dir reden." Langsam richtet er den Blick auf mich und ich könnte schreien vor Glück. Ein Fortschritt!

"Hatten wir das nicht schon?", seine Stimme lässt mich schaudern. Für mich war er immer der liebevollste Mann und ich hätte mir nie vorstellen können, dass er auch so unterkühlt sein kann.

"Ich weiß, dass du nicht gut auf mich zu sprechen bist, aber ich möchte die Situation endlich klären", erläutere ich ihm. Sein Blick fällt auf meinen Bauch, der unter meiner Kleidung relativ deutlich zu erkennen ist.

"Ich denke nicht, dass man da noch etwas klären muss. Gefällt dir das eigentlich?", fragt er plötzlich wütend und ich sehe ihn erstaunt an. Doch bevor ich antworten kann, fährt er schon fort.

"Findest du es lustig mich so vorzuführen? Jeder hier kennt dich. Jeder kennt mich. Was glaubst du was die anderen denken, was sie sagen, wie sie dich und mich verurteilen? Hättest du nicht einfach in Carboa bleiben können?!"

"Aber...", will ich widersprechen.

"Nein! Ich will es nicht wissen! Es reicht mir jetzt. Du zerstörst mir hier alles! Verschwinde einfach wieder mit diesem Jay und komm nie wieder zurück! Ich will dich nie wieder sehen!", schreit er schließlich und läuft mit schnellen Schritten an mir vorbei.

Geschockt stehe ich da und kann mich nicht rühren. Hat er das gerade wirklich gesagt?

 

***

 

"Was tust du?", will mein Dad wissen, als er mein Zimmer betritt.

"Packen", antworte ich wortkarg und werfe die letzten Klamotten in den Koffer. Dann laufe ich an ihm vorbei ins Badezimmer. Er folgt mir.

"Und wo willst du hin?", fragt er weiter.

"Nach Hause"

"Aber das hier ist dein Zuhause!"

"Dad, hör endlich auf! Ich lebe in Carboa, das ist mein Zuhause."

"Aber was willst du denn dort? Dan, Josy und Lilly sind hier, William ist hier, ich bin hier! In Carboa können wir dir nicht helfen."

"Das sollt ihr auch nicht. Ich habe gemerkt, wo ich hingehöre und ich werde noch heute mit Jay zurück fliegen. Es ist schon alles geklärt. Hier ist einfach kein Platz für mich", sanft nehme ich ihn in den Arm, denn er sieht aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.

"Du bist doch meine Kleine. Ich vermisse dich so sehr. Ohne deine Mutter ist es schon schwer genug, aber auch dich zu verlieren...", er schluchzt an meiner Schulter. Mein großer, starker Vater weint!

"Dad, bitte nicht. Du verlierst mich nicht. Aber hier kann ich nicht bleiben. Soll ich mit dem Baby in meinem alten Kinderzimmer im Haus meines Vaters wohnen? Ich habe hier keinen Job und ich möchte William wirklich nicht begegnen. Die Situation ist nicht gut für mein Baby, das hast du in den letzten Tagen gesehen", erkläre ich und gebe ihm einen Kuss auf die Stirn, ehe ich ihn loslasse. Er wischt sich die Tränen mit seinen kräftigen Pranken weg und lächelt dann zaghaft.

"Komm schon, Dad. Du kommst mich einfach ganz oft besuchen. Mein kleines Würmchen wird sich freuen seinen Opa kennenzulernen", grinse ich zuversichtlich. Er nickt zustimmend. Zufrieden nehme ich den Kulturbeutel und werfe ihn, zurück im Zimmer, zu den restlichen Sachen und schließe den Koffer.

"Jay?", rufe ich meinen besten Freund und er trägt das Gepäck nach unten, direkt in das wartende Taxi.

"Tschüss, Dad. Ich liebe dich", sage ich zum Abschied und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. Dann drücke ich meinen Bruder, meine Schwägerin und meine Nichte fest an mich, bevor ich auf dem Rücksitz verschwinde. Jay tut es mir gleich und setzt sich schweigend neben mich.

Wir winken, als das Auto sich in Bewegung sitzt. Seufzend sehe ich zu meinem Vater, der aussieht als wäre er in wenigen Minuten um Jahre gealtert. Er versucht seine lächelnde Miene aufrecht zu halten, was ihm nicht besonders gut gelingt.

Ich wusste, dass er meine Mutter vermisst, doch dass ihm auch mein Umzug so nahe geht, hätte ich nicht erwartet.

Neben ihm wirkt Dan, als hätte er im Lotto gewonnen. Seinen Arm hat er um Josy geschlungen, die glücklich zu ihm aufsieht und Lilly an der Hand hält. Selbst die kleine Maus winkt, wenn auch etwas unbeholfen.

"Alles klar?", Jay sieht mich abwartend an, als ich mein Gesicht in die Hände lege.

"Warum muss mein Leben so beschissen sein?", nuschle ich undeutlich. Doch er scheint mich verstanden haben, denn er legt mir mitfühlend eine Hand auf den Arm.

"Willst du mir erzählen, was genau bei eurem Gespräch passiert ist?", hakt er vorsichtig nach.

"Die Sache mit Will und mir kannst du vergessen. Er will mich nicht und das Baby auch nicht. Das hat er sehr deutlich gesagt. Weißt du, was er mir unterstellt hat?", fassungslos sehe ich ihn an. "Er hat gemeint, mir würde das alles gefallen und ich wolle ihn quälen. Ich zerstöre seinen Ruf. Kannst du dir das vorstellen?"

"Das hat er nicht gesagt! Er hat nicht wirklich nur an die anderen Leute gedacht?!", ungläubig guckt mein bester Freund mich an.

"Doch, und dann hat er mich angeschrien, dass ich zurück nach Carboa gehen und nie wieder kommen soll." Eine Träne rollt mir über die Wange, doch ich wische sie entschlossen weg.

"Er ist wirklich ein Arschloch!", kommentiert Jay und ich nicke zustimmend.

"Wahrscheinlich sollte ich froh sein, dass er kein Interesse an meinem Würmchen hat. Das wars jetzt endgültig. Wenn ich an die letzten Tage zurück denke, könnte ich mich ohrfeigen. Wegen diesem Idioten habe ich mein Baby in Gefahr gebracht. Das passiert nicht nochmal!", verspreche ich und streiche über meinen Bauch.

Kapitel 18

 Will:

Wütend stehe ich vor Ems Wohnungstür und atme tief durch, ehe ich die Klingel drücke.

"Du bist zu spät!", begrüßt sie mich vorwurfsvoll. Mit verschränkten Armen steht der kleine Lockenkopf in der Tür und versucht Schuldgefühle in mir herauf zu beschwören. Aber ich habe gerade wirklich anderes im Kopf.

"Ich wurde aufgehalten", gebe ich knapp von mir und laufe an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Auf dem Sofa mache ich es mir bequem und sehe sie erwartungsvoll an.

"Also, was war so wichtig, dass du mich an meinem freien Tag stören musstest? Ich hoffe es ist etwas Erfreuliches. Mein Bedarf an schlechten Nachrichten ist für heute gedeckt." Müde streiche ich mir übers Gesicht.

"Wie mans nimmt. Ich finde es sehr erfreulich", grinst meine kleine Schwester geheimnisvoll und setzt sich in den Sessel mir gegenüber. Sie blickt mich sekundenlang einfach nur aufmerksam an.

"Was ist denn jetzt?", ungeduldig wippe ich mit meinem Bein. Sie tut so, als würde es sich bei ihrer Geschichte um ein Staatsgeheimnis handeln.

"Magst du ein Bier?", fragt sie unvermittelt und ich runzle die Stirn, nicke dann aber. Sie steht auf und läuft rüber zur kleinen Küchenzeile, um eine kühle Flasche aus dem Kühlschrank zu fischen. Ich nehme erst einmal einen großen Schluck und verdränge Amy aus meinem Kopf.

"Also, ich war vorgestern mit Tyler bei einem Hausbesuch", fängt Em an und ich seufze innerlich genervt auf. Sie redet natürlich mal wieder um den heißen Brei herum.

"Jedenfalls", sie wirft mir einen bösen Blick zu, denn sie ist ganz gut darin meine Blicke zu deuten, "haben wir Amanda besucht." Sofort bin ich hellwach und überlege, ob sie gerade eben krank aussah.

"Sie war ziemlich durch den Wind und ihr körperlicher Zustand war nicht gut. Für eine Schwangere in der 20. Woche ist sie sehr dünn. Sie hat sich geweigert genug zu essen und hat nur noch apathisch im Bett gelegen. Das hat zumindest ihre Familie erzählt", fährt sie fort, doch ich schweife mit meinen Gedanken ab. Diese Schlmape! Wenn ich die Zeit berechne, dann hat sie schon kurz nach unserem Streit mit Jay geschlafen. Die Stimme meiner Schwester reißt mich aus den Gedanken.

"Tyler hat mit ihr gesprochen und sie hat versprochen sich zu bessern. Jayden will sich um sie kümmern. Aber was ich eigentlich sagen möchte...", sie macht eine kunstvolle Pause und ich stöhne auf.

"Em, jetzt erzähl schon!", dränge ich sie."Sie hat uns berichtet, warum es ihr so schlecht geht. Und es lang zum größten Teil am Vater des Kindes", wieder sieht sie mich vorwurfsvoll an. Es scheint als warte sie ab, was ich dazu zu sagen habe.

"Jay?", frage ich nach. Warum erzählt sie mir davon? Denkt sie, ich könnte es nochmal bei Amy probieren, wenn es mit ihrem Lover schlecht läuft?!

"Jay?", wiederholt sie irritiert. "Warum Jay?"

"Na, er ist doch der Vater", sage ich, jetzt ebenfalls verwirrt.

"Nein! Du bist der Vater!", platzt die Bombe und ich starre sie ausdruckslos an. Meine Bierflasche knalle ich auf den kleinen Coachtisch, ehe ich wütend schnaube.

"Das ist ein Scherz! Em, sag mir, dass du mich nur verarschst! Ich finde das wirklich nicht lustig!", herrsche ich sie an und sie schüttelt empört den Kopf.

"Das ist kein Scherz! Es ist die Wahrheit! Sie hat es doch selber zugegeben! Du bist der Vater von Amandas Kind. Wie kommst du denn auf Jayden?", will sie jetzt wissen.

"Na, er ist doch schon ewig scharf auf sie. Die haben letztes Mal sogar zusammen in einem Bett geschlafen, wer weiß, was da alles passiert ist! Und außerdem hat ihr Bruder meine Vermutung bestätigt", rechtfertige ich mich. Daraufhin schweigen wir erst einmal. Em muss das alles wahrscheinlich ordnen und ich verdauen.

Tagelang war ich fest davon überzeugt, dass meine große Liebe ein Kind mit einem anderen bekommt. Und jetzt erfahre ich plötzlich, dass ich der Vater bin. Ich liebe Amy, keine Frage. Aber diese Sache mit Jayden lässt mir keine Ruhe.

Oh scheiße, und jetzt habe ich sie auch noch so angeschrien. Was mache ich denn jetzt?!

"Will?", ich sehe gehetzt zu meiner Schwester, die mir ihr Telefon entgegen hält. "Dan"

"Hallo?", melde ich mich am Telefon und höre Dan ausatmen.

"Hallo Will, ich muss unbedingt mit dir reden. Es geht um Amy. Ich habe gelogen, dass Kind ist nicht von Jayden, sondern von dir. Ich weiß, dass klingt verwirrend und wahrscheinlich glaubst du mir nicht, aber..."

"Doch, ehrlich gesagt hat meine Schwester mich gerade darüber aufgeklärt.", unterbreche ich ihn.

"Oh, okay. Naja, also Jay ist nur ihr bester Freund. Sie wohnen ja zusammen und er hilft ihr wähend der Schwangerschaft und passt auf sie auf. Sie wollte dir von dem Kind erzählen, deswegen ist sie hergekommen. Aber als sie im Krankenhaus war, haben wir davon erfahren und ich dachte, dass du sie sitzen lassen wolltest. Deswegen habe ich dich verdroschen. Aber als ich dann die Wahrheit erfahren habe und Josy mich gezwungen hat mich bei dir zu entschuldigen...Ich war wütend auf dich, weil du meine kleine Schwester geschwängert hast. Großer-Bruder-Komplex eben. Und dann habe ich einfach behauptet, dass Jay der Vater ist", erklärt er.

"Das glaub ich doch alles nicht" Ich nehme schnell noch einen Schluck von meinem Bier, ehe ich weiterspreche, "Warum hat Amy mir nichts gesagt?"

"Sie wollte ja. Aber nach der Prügelei dachte sie, dass du längst davon erfahren hast. Sie dachte, dass du nichts von ihr und dem Kind wissen willst. Du hast sie abgewiesen und sie war am Boden zerstört.

Ich wollte nie, dass das alles so endet. Als ich gesehen habe, wie schlecht es meiner kleinen Schwester ging, habe ich begriffen, dass es so nicht weiter gehen kann. Aber ich habe mich nicht getraut dir die Wahrheit zu sagen", beichtet er.

"Und was hat dich veranlasst mir doch die Wahrheit zu sagen?"

"Irgendetwas ist heute passiert und ich habe das Gefühl es hat mit dir zu tun. Sie hat gepackt und ist mit Jay nach Hause geflogen."

"Was?", alamiert horche ich auf. "Nein, doch nicht jetzt. Mann, hätte ich bloß meine Klappe gehalten. Ich wollte doch nicht wirklich, dass sie Carboa geht. Also, in dem Moment schon, aber jetzt... Hätte ich das doch alles vorher gewusst." Verzweifelt fahre ich mir durchs Haar. Ich kann es einfach nicht fassen. Mein ganzes Leben hat sich innerhalb weniger Minuten komplett verändert. Meine Prioritäten liegen nicht länger bei mir, sondern bei der Liebe meines Lebens und meinem Ungeborenen in ihrem Bauch.

"Es gibt nur noch eine Möglichkeit: Du musst ihr hinterher!", sagt meine Schwester bestimmt.

Kapitel 19

Endlich ist die Ultraschalluntersuchung! Und ich bin unglaublich aufgeregt. Seit Tagen diskutieren Jay und ich was das kleine Würmchen denn jetzt wird.

"Ich bin weg", ruft mein bester Freund und kurz danach höre ich die Haustür ins Schloss fallen. Langsam quäle ich mich aus dem Bett und mache mich fertig.

 

***

 

Drei Mal muss ich zurück in die Wohnung, weil ich vor Aufregung irgendetwas vergessen habe. Mit den Nerven am Ende komme ich also schließlich beim Frauenarzt an.

Auch die Wartezeit kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Eine Viertelstunde später sitze ich dann endlich im Behandlungszimmer.

"Und? Schon aufgeregt?", fragt meine Ärztin grinsend, als sie mein Zappeln bemerkt. Ich kann nur nicken. Dann beginnt sie das kühle Gel auf meinem Bauch zu verteilen.

Ich zucke nicht einmal mehr zusammen, so sehr bin ich auf den Monitor zu meiner Rechten konzentriert.

"Das sieht doch gut aus. Sie haben endlich zugenommen und glauben sie mir, ihr Kind dankt es Ihnen mit strahlender Gesundheit", meint sie lächelnd. Der Herzschlag, den ich hören kann verzaubert mich immer wieder aufs Neue und ich spüre, wie eine Träne meine Wange hinunterläuft.

"Kein Grund zu weinen, Frau Thompson", beruhigt mich die Frauenärztin sofort und reicht mir ein Taschentuch.

"Das sind Freudentränen. Ich bin so froh, dass es meinem Würmchen gut geht. Ich wollte es doch nie in Gefahr bringen", flüstere ich schuldbewusst. Sie weiß natürlich von dem Zwischenfall in Mitara und war nicht zufrieden mit den Werten, die Ty ihr übermittelte.

"Machen sie sich keine Gedanken. Wollen sie jetzt das Geschlecht erfahren?", mit einem wissenden Blick betrachtet sie mich.

"Ja, ja bitte", erwidere ich aufgeregt.

"Herzlichen Glückwunsch zu einem kleinen Sohn!", klärt sie mich auf. Ich grinse augenblicklich. Scheinbar hatte Jay den richtigen Riecher. Aber es ist mir vollkommen egal, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen bekommen würde, hauptsache mein Würmchen ist gesund!

"Danke", sage ich, als sie mir das Ultraschallbild in die Hand drückt und mich verabschiedet.

 

***

 

Draußen regnet es in Strömen, aber davon lasse ich mich nicht abhalten. Das Bild verstaue ich schnell in der Tasche, um es vor dem kühlen Nass zu schützen. Mein Strahlen bleibt aber unverändert. Es kommt mir vor als hätte ich Jahre auf diesen Augenblick gewartet, dabei waren es eigentlich 'nur' 6 Monate. Unvorstellbar, mein kleines Würchen wächst seit einem halben Jahr in mir.

Ich beschließe eine Runde shoppen zu gehen, unabhängig von dem miesen Wetter. Endlich kann ich anfangen meinem Kleinen etwas zu kaufen. Entspannt schlendere ich die Straßen entlang und komme in einen Laden mit Umstandsmode.

Bevor ich mich weiter umschauen kann, klingelt mein Handy. Während ich mir die Ware ansehe, nehme ich ab.

"Ja?", melde ich mich.

"Hey allerliebste beste Freundin, wie gehts?", ich höre Jays Grinsen durchs Telefon.

"Super", kichere ich fröhlich.

"Also ist alles gut mit dem Baby?", hakt er etwas ernster nach.

"Ja, mein Würmchen ist glücklicherweise gesund", beruhige ich ihn. Ich stehe vor den BHs und beschließe mir endlich einen neuen zuzulegen. Ein paar meiner alten quetschen meine Brüste langsam wirklich ein. Scheinbar sind sie unbemerkt gewachsen.

"Super. Und, jetzt sag endlich... was wird es?", fragt er ungeduldig und unterbricht meine Gedanken.

"Es...wird...", baue ich Spannung auf, "ein Junge!"

"Echt? Ich hatte Recht, ich hatte Recht, ich hatte wirklich Recht!", freut sich mein bester Freund. Ich nehme lächelnd ein paar BHs in die Hand und klemme mir das Handy zwischen Ohr und Schulter, während ich den Stoff befühle.

"Jaja, du hattest Recht. Jetzt können wir endlich das Büro zu einem Jungenzimmer umfunktionieren", sage ich.

"Sicher. Sag mal, was machst du eigentlich gerade?", will er wissen.

"Ich sehe mir BHs an", sage ich und verkneife mir ein Lachen. Am anderen Ende der Leitung bleibt es still.

"Ähm... achso", stottert mein bester Freund leicht überfordert.

"Tut mir Leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen", lache ich schadenfroh und er stimmt mit ein.

"Ich und verlegen? Niemals!", beteuert er und bringt mich noch mehr zum Lachen.

"Hey Jay", sage ich und halte kurz inne, weil es sich unbewusst gereimt hat. Ich kichere in mich hinein. Dann räuspere ich mich kurz, ehe ich weiterspreche.

"Ähm, also hättest du Lust mit mir ein paar Strampler und so zu kaufen?"

"Ich habe zwar nicht wirklich Lust auf Shopping, aber wenn es um unseren neuen Mitbewohner geht... na gut", lässt er sich schließlich darauf ein. Ich juble triumphierend und gebe ihm die Adresse durch.

Dann suche ich mir endlich ein paar Sachen aus und gehe damit zur Kasse. Als ich das Geschäft wieder verlasse, steht mein bester Freund schon davor. Glücklicherweise hat er an einen Schirm gedacht und schützt mich jetzt vor dem kalten Regen.

"Na bester Freund mit hellseherischen Fähigkeiten, willst du das Bild sehen?", necke ich ihn und drücke ihm zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Er strahlt aufgeregt und ich krame das Bild aus der Handtasche. Fasziniert betrachtet er es.

"Der Kleine hat eindeutig deine Stupsnase", grinst er dann und gibt es mir zurück. Lächelnd gehen wir weiter zum Einkaufszentrum und betreten den erstbsten Babyladen.Ich fühle mich, wie im Paradies. Als wäre ich wieder vier und dürfte meine Puppen anziehen. Glücklich gehe ich durch die Reihen, sehe mir allerlei Kleidung an, bin aber nie wirklich zufrieden.

"Jay, was hältst du von dem?", ich halte einen hellbraunen Babystrampler hoch, auf dem ein Elefant gedruckt ist. "Fühl mal", füge ich hinzu. Mein bester Freund ist begeistert von dem weichen Nickistoff.

"Guck mal, den finde ich auch gut. Der ist männlich", grinst er vergnügt. Er zaubert einen Supermanstrampler hinter seinem Rücken hervor und ich nicke lachend.

"Wenn du meinst!"

"Ja, der ist cool!", bekräftigt er und stellt sich in Szene. Er spannt seinen Bizeps an und spricht mit tiefer Stimme. Ich kann mich nicht mehr halten vor Lachen und klopfe mir beinahe auf die Schenkel.

"In Ordnung, ich habs ja verstanden", ich ringe nach Luft. Dann suche ich noch einen schlichten hellblauen Body aus und einen grün-weiß gestreiften Schlafanzug.

"Den Rest können wir ja immer noch besrogen. Wir haben noch drei Monate Zeit", sagt Jay, selbst verblüfft von der Erkenntnis.

"Das klingt so lange, aber wenn ich bedenke, dass ich den Kleinen schon doppelt so lange mit mir rumschleppe...", ich atme überwältigt aus. "Unfassbar"

"Du hast aber noch viel vor dir. In einem Monat beginnt ungefähr dein Geburtsvorbereitungskurs. Und von der Geburt an sich fange ich jetzt mal nicht an. Dann müssen wir die restlichen Sachen kaufen. Das Zimmer von dem Kleinen muss eingerichtet werden", zählt er auf und ich hebe die Hand.

"Ich weiß und allein bei dem Gedanken bin ich gestresst", seufze ich und muss dann lachen. "Aber wenigstens habe ich dich an meiner Seite."

"Immer", er drückt mir einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor er sich verabschiedet, da er gerade seine Mittagspause geopfert hat, um mit mir einkaufen zu gehen.

Kapitel 20

 Amy:

"Wie war die Arbeit?", fragt Jay und schließt die Haustür hinter uns.

"Ganz okay. Marco behandelt mich als wäre ich aus Glas", sage ich amüsiert und auch mein bester Freund grinst.

"Er freut sich nunmal für dich. Sei froh, dass du etwas kürzer treten kannst", erinnert er mich und ich nicke seufzend.

"Glaub mir, es ist schon anstrengend genug. Wenn ich ständig laufen muss, schmerzen meine Füße und Beine abends, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Aber wenn ich so lange sitze, dann habe ich hammermäßige Rückenschmerzen. Das ist doch echt zum Verzweifeln!", beschwere ich mich und lasse meinen erschöpften Körper auf das weiche Sofa fallen. Außerdem ist das gerade schlecht, wenn man Ablenkung braucht.

"Ich bin froh ein Mann zu sein. Eine Schwnagerschaft ist scheinbar fast genauso schlimm, wie mit einer Schwangeren zusammen zu wohnen", sagt er provokant. Empört werfe ich ihn mit einem Kissen ab und lehne mich dann wieder zurück.

"Kriege ich eine Fußmassage?", bettle ich mit Hundeblick. Er sieht mich entgeistert an.

"Du kriegst gleich kein Essen. Ich habe den ganzen Tag hart gearbeitet und muss dich jetzt noch den Abend lang ertragen. Da solltest du lieber mir die Füße massieren." Er schmeißt sich mir gegenüber auf die Coach und streckt mir seine stinkenden Quadratlatschen entgegen.

"Iiiiihhhh!", kreische ich und springe auf.

"Stell dich nicht so an. Meine Füße riechen besser als deine", lachend streckt er mir die Zunge raus und ich schüttle nur den Kopf über sein kindisches Verhalten. "Was hältst du von einem Filmabend?", fragt er plötzlich. Endlich Unterhaltung!

"Jaaa", rufe ich erfreut, "Aber du musst die Snacks und so holen. Ich zieh mir was Bequemes an." Und schon verschwinde ich in meinem Zimmer. Eine viertel Stunde später pflanze ich mich aufs Sofa.

"Hast du was Essbares gefunden?", rufe ich meinem besten Freund zu, der in der Küche steht.

"Es sieht schlecht aus.", höre ich ihn nuscheln. Scheinbar kramt er noch ein wenig in den Schränken, bevor er mit einer Tüte Chips und Getränken ins Wohnzimmer kommt.

"Und jetzt?", frage ich säuerlich. "Ich bin schwanger, ich brauche Essen."

"Ich fahr jetzt bestimmt nicht mehr zum Supermarkt." Jay schüttelt vehement den Kopf. Dann strahlt er plötzlich. "Ich habe eine Idee. Ruf Rob an. Er wollte doch mal wieder Zeit mit uns verbringen." Teuflisch grinsend sehen wir uns an. Dann rufe ich unseren Nachbarn an.

"Robert Emery", meldet er sich verschlafen.

"Ähm, hey Rob. Hier ist Amy.", sage ich langsam. Hoffentlich hat er nicht schon fest geschlafen, dann kommt er sicher nicht.

"Oh, ähm... Hi Amy! Was gibts?", will er wissen und ich weiß, dass er grinst.

"Jay und ich wollen einen Filmabend machen und dachten uns wir fragen dich, ob du Lust hast auch zu kommen. Wir haben uns doch schon so lange nicht mehr gesehen", trage ich extra dick auf und fühle mich im nächsten Moment schlecht. Ich sollte ihn wirklich nicht so ausnutzen, nur um an Snacks zu kommen.

"Jetzt sofort?", hakt er verwundert nach.

"Klar. Ich würde mich wirklich freuen, wenn du kommst", füge ich hinzu, diesmal ehrlich.

"O-Okay. Natürlich. Soll ich was mitbringen?"

"Etwas zu essen könnte nicht schaden. Wir waren ja im Urlaub und haben nicht wirklich viel hier."

"Kein Problem. Ich habe heute erst eingekauft und ne Menge da." Innerlich führe ich einen Freudentanz auf. Essen und Ablenkung. Besser gehts nicht.

Wir legen auf, nachdem er versprochen hat sich zu beeilen.

"Scheiße!", fluhe ich plötzlich. Jay sieht mich fragend an.

"Rob weiß doch gar nicht, dass ich schwanger bin." Panisch sehe ich auf meinen runden Bauch. Der ist wirklich nicht mehr zu verstecken.

"Er wird es so oder so irgendwann merken. Jetzt ist es eh schon zu spät. Und was soll er tun? Ist doch deine Sache", beruhigt er mich und ich nicke nachdenklich.

"Ich hab keine Lust diese Geschichte nochmal zu erzählen. Heute wollte ich mich ablenken. Seit einer Woche kann ich nur noch an ihn denken, an seine Worte. Jetzt ist Schluss, das habe ich mir geschworen!", erkläre ich.

"Mach dir keinen Stress. Du sagst einfach du bist schwanger, aber der Vater lebt in einer anderen Stadt. Eigentlich geht es ihn sowieso nichts an", macht er mir klar.

Dann klingelt es. Jay öffnet die Tür, die beiden begrüßen sich und dann kommen sie ins Wohnzimmer. Rob strahlt mich an, bis sein Blick auf meinen Bauch fällt. Seine Augen werden groß und er hält in der Bewegung inne.

"Ich bin schwanger, ja", sage ich lachend, um meine Nervosität zu überspielen. Die Auflockerung wirkt nur so halb. Mein Nachbar lächelt unbeholfen und kommt dann doch auf mich zu, um mich zu begrüßen.

"Ähm, dann... Alles Gute euch beiden!", beglückwünscht er uns und wir sehen ihn verwirrt an, ehe wir in lautem Gelächter ausbrechen.

"Mein Würmchen ist nicht von Jay. Wir sind wirklich nur beste Freunde. Der Vater lebt in einer anderen Stadt", erkläre ich kurz und Rob nickt zögerlich.

"Also, was hast du mitgebracht?", will mein bester Freund ungeduldig wissen. Rob wacht aus der Starre auf und grinst.

"Schokolade, Chips, Nüsse, Gummibärchen... Alles was das Herz begehrt." Er wirft die Tüten auf den Tisch und lässt sich dann aufs Sofa fallen. Ich betrachte uns drei und muss schmunzeln. Ich trage eine rote Leggin und ein graues Oberteil, Jay und Rob jeweils eine dunkle Jogginghose und ein abgeranztes Shirt. Wir sehen aus wie Asoziale, aber es ist entspannt.

Nach der ersten DVD machen wir eine Pause und analysieren den Film. Es ist wirklich lustig; wir reden, essen, trinken. Manchmal alles gleichzeitig.

"Guckt mal was ich kann.", sage ich grinsend und präsentiere den Jungs, wie ich eine Getränkedose auf meinem Bauch platzieren kann, ohne dass sie runterfällt."Ha, das könnt ihr nicht." Triumphierend sehe ich sie an und die beiden lachen sich schlapp.

Wir machen mehr Witze und Blödsinn, als dass wir Filme sehen, aber das ist egal, solange wir Spaß haben.

Nach dem dritten Film bin ich dann langsam dabei einzuschlafen. Die Anderen bemerken es und beschließen den Abend jetzt enden zu lassen.

"Tschau Rob, das sollten wir öfter machen", verabschiedet sich mein bester Freund.

"Auf jeden Fall, es war wirklich lustig", stimme ich ihm zu. Rob nickt lachend und nimmt mich in den Arm.

"Schön, dass es nicht komisch zwischen uns ist. Auch wenn deine Schwangerschaft mich ziemlich umgehauen hat", sagt er noch und sprintet dann die Treppe runter.

Lächelnd lege ich mich ins Bett. Ein Leben ohne Will muss nicht unbedingt schlecht sein! Jeden Tag werde ich ein bisschen mehr zu der alten Amy.

Kapitel 21

Alleine gehe ich drei Wochen später durch den Regen nach Hause mit zwei gefüllten Einkaufstüten in meiner linken Hand. Jay würde ausrasten, wenn er sehe, dass ich sie den ganzen Weg schleppe. Ich sollte zwar wegen meinem Sohn aufpassen, aber ein wenig Belastung halte ich schon aus.

'Ich muss mir auch einen Namen für den Kleinen überlegen. Er kann ja nicht ständig Würmchen genannt werden!', fällt mir ein und ich lege meine rechte Hand auf meinen runden Bauch. Kurz vor meiner Haustür bleibe ich plötzlich stehen. Jemand sitzt vor meiner Haustür. Es ist...

...Will.

Erschrocken wage ich es nicht mich zu bewegen. Noch hat er mich nicht bemerkt und ich habe Zeit ihn zu betrachten. Das Wasser rinnt ihm in Strömen den Körper herunter. Seine schwarzen Haare kleben in seinem Gesicht und auch, wenn dr Himmel dunkel ist, kann ich seinen leidenden Ausdruck erkennen. Seine Hände spielen nervös miteinander, während er langsam aufblickt und mich entdeckt.

Blitzschnell springt er auf und kommt auf mich zu. Ich bin noch zu geschockt, um das Ganze zu realisieren, geschweige denn zurück zu weichen.

"Amy", seine tiefe Stimme klingt so sanft und liebevoll, dass mir ein Wimmern entweicht. Die letzten Tage konnte ich es gut verdrängen. Die Arbeit und meine Freunde haben mich abgelenkt. Aber jetzt kann ich meine wahren Gefühle nicht mehr leugnen.

Ich liebe diesen Mann vor mir über alles. Und er hat mir so sehr weh getan, dass ich es nicht in Worte fassen kann.Als er den Laut aus meinem Mund hört, streckt er vorsichtig die Hand aus und hält kurz inne, bevor er sie an meine Wange legt. So lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Die fehlende Zuneigung hat mich beinahe um den Verstand gebracht und unwillkürlich schmiege ich mich an seine raue Hand.

Seine Finger streicheln mein Gesicht. Sie wandern nach oben zu meiner Schläfe, fahren runter zu meinem Kinn und fahren dann zärtlich über meine Unterlippe.Die Wassertropfen rinnen von seinen Haaren über seine Stirn, fallen von seinen dichten Wimpern auf die Wangen und jeder einzelne wirkt wie eine Träne, die ich wegen ihm geweint habe. Das lässt mich wieder klar werden und ich weiche ein Stück zurück.

Wills Hand fällt leblos nach unten und sein überrschter Gesichtsausdruck wird schuldbewusst.

"Es tut mir Leid, Amy. So sehr", flüstert er dann. Es sagt es so leise, dass es beinahe vom Geräusch der aufkommenden Regentropfen übertönt worden wäre. Aber ich habe ihn gehört.

"Du hast mich so sehr verletzt", hauche ich traurig zurück.

"Ich weiß, aber das wollte ich doch alles nicht", Verzweiflung steht in seinem Gesicht geschrieben und er blickt auf meinen runden Babybauch.

"Was wolltest du nicht?", hake ich nach und sehe ihn erwartungsvoll an. Ich glaube ihm, dass es ihm leid tut. Aber eine einfache Entschuldigung reicht mir bei weitem nicht. Dazu ist zu viel passiert.

"Ich wollte nicht, dass alles so verläuft. Ich hatte doch keine Ahnung." Ein Schluchzen entkommt ihm und ich bin wirklich überrascht, dass es ihm so nahe geht."Bitte hass mich nicht!", weint er leise. Überfordert bleibe ich einfach still und er fängt sich wieder.

"Das Baby, ist es von mir?", fragt er hoffnungsvoll. Ich nicke stumm. Er wirkt unglaublich erleichtert. Seine Augen funkeln und er strahlt. "Mein Baby", flüstert er glücklich, seinen Blick starr auf meinen Bauch gerichtet. "Darf ich?", fragt er und deutet darauf.

"Ja", sage ich nur und er streckt die Hand aus. Seine Finger fahren diesmal langsam über meinen Bauch und erkunden jeden Zentimeter. Als hätte mein Würmchen es gespürt, boxt er. Wills Hand zuckt zurück und er sieht mich erschrocken an.

"Habe ich etwas falsch gemacht?", will er bestürzt wissen.

"Nein", kichere ich leise. "Dein Sohn hat dich begrüßt."

"Mein Sohn... Und... tut das nicht weh?", fragt er weiter interessiert nach. Ich schüttle den Kopf.

"Will, ich weiß, dass du unseren Sohn unglaublich spannend findest, aber ich möchte gerne mit dir reden. Warum bist du hier?", sage ich schließlich, weil ich es nicht mehr aushalte.

"Ich wollte auch mit dir reden. Das was ich gesagt und getan habe war schrecklich. So weit hätte es nie kommen dürfen. Aber ich wusste nicht, dass es mein Kind ist und ich war so wütend und eifersüchtig", beichtet er mit hängendem Kopf.

"Ich verstehe nicht", erwidere ich verwirrt und lege den Kopf leicht schief.

"Ich habe erfahren, dass du in der Stadt bist, als du im Krankenhaus lagst. Meine Gefühle spielten verrückt. Es klingt unglaubwürdig, aber ich liebe dich noch immer. Seit du gegangen bist haben sich meine Gefühle für dich nicht geändert, auch wenn ich erst wütend war, wegen dem Streit. Aber ich war mehr auf mich selbst, als auf die sauer. Jedenfalls hab ich dann gehört, dass dieser Jayden auch da ist und ich war eifersüchtig." Er macht eine kurze Pause und fährt sich aufgewühlt über das Gesicht.

"Plötzlich hat Josh auf mich eingeredet, dass ich um dich kämpfen soll. Ich meine... Josh! Er war immer dagegen, dass ich etwas mit dir anfange."

"Warum eigentlich?", frage ich verlegen. Es ist mir irgendwie peinlich, aber ich brauche endlich Gewissheit.

"Er meinte, dass er mich schützen wollte. Du hast keinen besonders guten Ruf bei uns. Es wurden viele Gerüchte erzählt, als du damals verschwunden bist. Und Josh wollte nicht, dass du mich verarschst oder meinen Ruf ruinierst oder so", erklärt er kopfschüttelnd.

"Aber das war mir sowieso egal. Jedenfalls hat Josh seine Meinung über dich plötzlich geändert, weil ihm bewusst wurde, wie viel du mir bedeutest. Und als wir bei mir zu Hause waren, kam plötzlich dein Bruder und verprügelt mich. Ich hatte keine Ahnung warum, es war so absurd. Als er und dein Vater dann von Schwangerschaft geredet haben, war ich völlig am Ende. Ich dachte, dass du ein Kind mit deinem besten Freund bekommst." Die Straßenlaterne beleuchtet sein Gesicht, was vor Scham leicht rot schimmert.

"Das alles hat mich so unglaublich wütend gemacht. Als du dann vor der Tür standest... Ich konnte dich nicht ansehen. Dein Anblick war wie tausend Messerstiche, genau in mein Herz. Ich habe dich so sehr geliebt und das Wissen, dass ich dich nie werde haben können, hat mir den Rest gegeben. Deswegen war ich so." Er schweigt wieder einen Moment. Es scheint, als würde er sich gerade daran erinnern.

"Dan hat sich bei mir entschuldigt und gesagt, dass es ein Missverständins war. Er dachte, ich wüsste von dem Kind und wollte nichts von euch wissen. Als ich dann sagte, dass Jayden doch der Vater wäre, hat er es mir bestätigt", als er meinen ungläubigen Blick sieht, hebt er beruhigend die Hände.

"Nimm es ihm nicht übel, er wollte dich vor mir beschützen. Er war auch nie begeistert von unserer Beziehung oder Affäre oder was auch immer das war", seine Worte lassen mein Herz bluten. Schon öfter hat er erwähnt, dass er mich liebte. Eindeutig Vergangenheit und jetzt auch noch die lieblose Beschreibung der schönsten Zeit meines Lebens.

"Ich war am Ende, als ich mit Sicherheit wusste, dass du vergeben bist. Du warst auf dem besten Weg eine Familie zu gründen-ohne mich."

Kapitel 22

 Will:

Ich beobachte ihre Gesichtszüge genau. Aber alles was ich erkenne ist Trauer, Enttäuschung und Wut und etwas, was ich beim besten Willen nicht deuten kann.

"Vor ein paar Tagen hat Em mich dann angerufen, um mit mir etwas Wichtiges zu besprechen. Das war der Tag, an dem wir uns am Lake Tara begegnet sind. Ich habe dich mit ihm", ich spreche es leicht angewidert aus, "gesehen. Diese Vertrautheit... es hat mich beinahe umgebracht. Es zu wissen oder zu glauben war schlimm genug, aber in diesem Moment war ich sicher es zu sehen. So eine Wut und Enttäuschung baute sich in mir auf. Das alles konnte ich bei unserem Gespräch nicht mehr kontrollieren. Ich spürte nur noch meinen Schmerz und habe nicht gesehen, was es mit dir angerichtet hat. Und das werde ich mir nie verzeihen." Ich schlucke die erneut aufkommenden Tränen herunter.

"Meine Schwester hat mir dann alles erzählt. Sie hat zwar eine ärztliche Schweigepflicht, aber sie war sich sicher, dass du es ihr nicht übel nehmen würdest. Sie wollte uns beiden helfen, bevor wir daran zugrunde gehen", tief atmend bereite ich mich auf das Kommende vor.

"Amy, ich liebe dich. Ich weiß nicht, wie ich es dir beweisen kann, aber es ist so. Schon seit wir uns kennengelernt haben. Dieses Theater wäre nicht nötig gewesen, wenn ich nicht so stur und blind gewesen wäre. Ich hätte dich ausreden lassen sollen. Unser Telefonat... Du glaubst nicht, wie sehr ich es schon kurz danach bereut habe, dich nicht reden lassen zu haben. Es macht mich fertig zu wissen, dass ich Schuld daran bin, dass es dir so schlecht ging. Wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen. Aber das kann ich nicht", jetzt rollt mir doch eine Träne über die Wange.

"Warum?", flüstert die Frau, die ich so sehr liebe, leise und blickt mich hoffnungsvoll an.

"Was?", frage ich verwirrt und ängstlich, dass ich es doch versaut habe.

"Warum liebst du mich?", wiederholt sie und ich lächle erleichtert.

"Ich liebe dich, weil du alles bist, was ich brauche.

Ich liebe dich, weil du mich glücklich machst.

Ich liebe dich, weil du mich mit deinem Lächeln verzauberst.

Ich liebe dich, weil du wunderschön bist.

Ich liebe dich, weil mein Leben durch dich strahlender geworden ist.

Ich liebe dich, weil du mir den Glauben an die Liebe wiedergegeben hast.

Ich liebe dich, weil du du bist", ende ich. Sie nickt nachdenklich.

"Ich könnte dir noch hundert andere Gründe nennen, aber das wichtigste ist: Ich liebe dich! Und ich möchte ein Leben mit dir und unserem Sohn. Es wird nicht einfach, aber wir werden uns annähern, wir werden Vertrauen aufbauen, wir werden unserem Kind ein wunderbares, liebevolles Leben bieten. Weil ich dich liebe und ich weiß, dass das alles ist, was zählt", sage ich bekräftigend und sehe sie flehend an.

Amy mustert mich genau und fängt plötzlich an zu lächeln. Sie tritt auf mich zu und legt ihre Arme um meinen Nacken. Sofort schlinge ich meine Arme um ihre Taille und strahle sie erwartungsvoll an. Mein Blick fällt auf ihre Lippen und ich kann nicht mehr widerstehen.

Wir küssen uns sanft, wir küssen uns fordernd. Wir küssen uns mit allen Gefühlen, die wir haben. Mein Herz pocht unnatürlich laut in meinen Ohren, aber es könnte auch ihres sein. Ich spüre ihren Babybauch und kann nicht fassen, dass darin wirklich gerade das Produkt unserer Liebe wächst.

"Vergibst du mir?", hauche ich atemlos, als wir uns voneinander lösen, die Arme noch immer umeinander geschlungen.

"Ja. Ja!", lacht sie glücklich und ich hebe sie hoch und wirble sie durch die Luft, als wäre sie eine Feder und keine Schwangere. Der Regen wird weniger und ich bemerke erst jetzt ihre durchnässten Kleider und die Tüten, die hinter ihr liegen.

"Ich liebe dich", hauche ich gegen ihre Lippen, die langsam lila werden.

"Ich liebe dich auch", strahlt sie und küsst mich nochmal.

"Lass uns reingehen, bevor ihr krank werdet", beschließe ich und nehme die Tüten in die eine, ihre kalten Finger in die andere Hand. Zitternd schließt sie die Tür auf und ich stütze sie auf der Treppe, da sie es mittlerweile um einiges schwerer hat mit dem zusätzlichen Gewicht.

In der Wohnung angekommen, sehe ich mich interessiert um, während Amy direkt ein Zimmer ansteuert und Jacke, sowie Tasche im Flur fallen lässt. Schnell eile ich ihr nach und stehe in ihrem Schlafzimmer. Ein großes Bett nimmt die eine Wand ein. Daneben steht ein Nachttisch, auf dem sich eine Lampe und ein Buch befinden. Gegenüber steht ein riesiger Schrank - typisch Frau.

"Hier", Amy steht plötzlich mit Handtüchern hinter mir. "Willst du dich vielleicht auch umziehen?"

"Gerne, aber ich hab meinen Koffer im Hotel", bedenke ich zähneknirschend.

"Du kannst dir etwas von Jay nehmen, sein Zimmer ist nebenan", sagt sie und ich bemühe mich nicht genervt zu gucken. Jaydens Klamotten sind die letzten, die ich jetzt anziehen möchte. Trotzdem reiße ich mich zusammen, um der Frau, die ich liebe zu beweisen, dass ich kein eifersüchtiger Idiot bin.

Sie dreht sich um und kramt in ihrem Schrank, während ich das Zimmer ihres besten Freundes betrete. Ich mag es nicht, dass sie hier zusammen wohnen. Aber ich weiß, dass er ein guter Kerl ist. Er hat sich um Amy gekümmert, als ich es nicht tat und das ist das Wichtigste.

Mit einer Jogginghose und einem Shirt gehe ich zurück in Amys Zimmer und erblicke sie nur in Unterwäsche. Sie quieckt leicht auf, als ich plötzlich neben ihr stehe. Mit roten Wangen hält sie schnell ein Shirt vor ihren Körper.

"Babe, es gibt nichts, was ich nicht schon gesehen habe. Und du bist wunderschön, also verweigere mir bitte nicht diese Aussicht", grinse ich und drücke sanft ihre Hände weg. Eine Hand lege ich an ihre Wange und gebe ihr einen zärtlichen Kuss. Augenblicklich lässt sie das Oberteil fallen und drückt sich näher an sich. Sie stöhnt frustriert auf, als sie merkt, dass ihr Bauch im Weg ist.

"Ach Babe", grinsend streichle ich ihre Rundung, während sie schmollt. Dann gebe ich ihr noch einen kurzen Kuss und beginne mich auszuziehen. Nur in Boxershorts stehe ich da und sehe zu Amy. Mit großen Augen starrt sie mich an.

"Auffrischungsbedarf?", frage ich neckend und sie wird sofort rot und beginnt die Hose anzuziehen.

"Du darfst mich ruhig ansehen, Babe. Das alles gehört dir", sage ich und lecke mir über die Lippen.

"Nur wenn ich es auch anfassen darf, Baby", sagt sie grinsend und kommt auf mich zu. Ihre Hand fährt über meine nackte Brust und ich bekomme augenblicklich Gänsehaut. Sanft streicht sie mit ihren Fingernägeln über meinen trainierten Bauch und zwickt dann in meine Brustwarzen. Ein Stöhnen enfährt mir und ich ziehe sie lüstern an mich. Voller Lust drücke ich meine Lippen auf ihre und spüre ihr zufriedenes Grinsen.

Kapitel 23

 Amy:

Lächelnd sitze ich auf dem Sofa, angelehnt an Wills Brust, die sich regelmäßig hebt und senkt. Ich fühle mich sicher und voller Liebe.

"Will?", flüstere ich, um die entspannte Stimmung nicht zu zerstören. Er nickt und gibt mir einen Kuss auf den Kopf. Seine Arme schlingen sich näher um mich und er streicht über meinen Bauch.

"Woher wusstest du eigentlich, wo ich wohne?", frage ich. Das wundert mich schon seit einiger Zeit.

"Dan hat es mir gesagt", erklärt er und gibt mir noch einen Kuss auf die Wange.

"Wie soll es jetzt weiter gehen? Wir wissen beide, dass wir uns Gedanken über die Zukunft machen sollten. Wir haben Verantwortung", erinnere ich ihn leise und lege meine Hand auf seine.

"Ich möchte, dass du zu mir ziehst", sagt er entschlossen und ich drehe mich überrascht zu ihm um.

"Wie bitte?", hake ich nach.

"Du hast mich richtig verstanden. Wir haben uns so lange selber im Weg gestanden. Die Zeit ohne dich war schrecklich! Ich kann nicht mehr ohne dich leben und das will ich auch nicht. Und unser Sohn soll in Mitara aufwachsen", erklärt er.

"Aber ich habe hier meine Freunde, meinen Job und Jay! Das kann ich doch nicht einfach so zurücklassen", protestiere ich.

"Babe, es muss sein. Bitte. In Mitara ist mein Job, ich habe ein Haus, Josh, ...", fängt Will an.

"Achso und obwohl wir die gleichen Dinge haben, die uns in den Orten halten soll ich den Kürzeren ziehen?!", wütend funkle ich ihn an.

"Beruhige dich. Natürlich sollst du das nicht. Aber in Mitara lebt auch deine Familie, Jay kannst du jederzeit besuchen", bei diesem Teil spannt er sich an und beißt die Zähne aufeinander, bevor er sich wieder entspannt, "und einen Job wirst du dort auch finden. Erstmal bist du im Mutterschutz und dann wird dein Vater dich sicherlich zurück in der Kanzlei haben wollen. Du hast auch Freunde dort, Babe." Er streicht mir beruhigend über die Wange.

"Jetzt überleg doch mal, wie es anders herum wäre. Wo soll ich hin? Soll ich mit dir in diesem kleinen Schlafzimmer wohnen? Wo hat unser Sohn sein Zimmer? Sollen wir eine Familien-Wohngemeinschaft mit Jayden sein? Ein Leben lang in dieser winzigen Wohnung? Und wo soll ich arbeiten? Du kannst bald kein Geld mehr für uns drei verdienen, du willst doch für unser Baby da sein können. Und wo soll ich dann auf die Schnelle einen Job herzaubern?", macht er weiter und ich senke ergeben den Kopf.

"Okay, okay. Ich habs verstanden, meine Idee war dumm", gebe ich zu. Will hebt mein Kinn und sieht mir tief in die Augen. Seine Hand legt sich an meine Wange und er küsst mich mit viel Gefühl. Meine Hand wandert ebenfalls an seine Wange und er lässt mich die Diskussion in Sekundenschnelle vergessen.

"Ich liebe dich! Und du bist alles andere als dumm. Es ist alles gerade etwas schwierig, deswegen müssen wir jede Möglichkeit in Betracht ziehen", erneut küsst er mich kurz, bevor er von mir ablässt. Sofort fehlt mir die Wärme seiner Finger auf meine Haut und ich greife nach seiner Hand, ehe ich unsere Finger miteinander verschränke.

"Wann?", frage ich.

"Wann du möchtest. Ich werde nicht leugnen, dass ich dich so schnell wie möglich bei mir haben will, aber das sollst du alleine entscheiden", sagt er zärtlich und ich lächle.

"Ich liebe dich auch", antworte ich auf sein vorheriges Geständnis.

"Ich dachte, dass du nichts von mir und dem kleinen Würmchen wissen willst", nervös beiße ich mir auf die Lippe.

"Was?", Will klingt geschockt.

"Als du mich abgewiesen hast, dachte ich du weißt von dem Kind, also dass du der Vater bist. Und dann hab ich gedacht, du hast kein Interesse an einem Leben mit uns."

"Niemals, Amy! Das würde ich niemals tun! Ich liebe dich und ich würde euch nie verlassen oder kein Interesse an euch haben", entschlossen schüttelt er den Kopf. Ich lächle glücklich, bevor ich wieder eine entspannte Haltung einnehme.

"Wir müssen das Gästezimmer neben dem Schlafzimmer umbauen. Unser Sohn wird das schönste Zimmer bekommen, welches er je gesehen hat. Vielleicht haben Pete und Dan Lust mir beim Umbau zu helfen", überlegt er.

"Damit es so ausgeht wie beim letzten Mal, als du Handwerker gespielt hast", kichere ich, um ihn an seine Bohrerverletzung damals zu erinnern, als er ein Gartenhaus zusammenschrauben wollte.

"Hey, dadurch sind wir zusammen gekommen. Das war alles Taktik!", empört er sich gespielt.

"Oh Baby, du musstest dich doch nicht extra verletzen, um mir nah zu sein", gurre ich gespielt verträumt und küsse ihn kurz. Er lacht und zieht mich wieder mit dem Rücken an seine Brust.

"Ich habe dich gehasst und geliebt. Wir haben so viel Streit gehabt und uns gegenseitig verletzt. Es kommt mir so unwirklich vor jetzt mit dir hier zu sitzen und zu lachen. Wir können sogar schon wieder spaßen", ich sehe nachdenklich in die Ferne.

"Ich denke wir haben es uns verdient. Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker und ich will nicht immer an die Vergangenheit denken müssen. Unser Leben soll schön und fröhlich sein. Wir sind auf dem richtigen Weg!"

"Vielleicht hast du recht. Wir haben alles geklärt. Jetzt müssen wir das Ganze hinter uns lassen."

"Wie weit bist du eigentlich schon?", fragt er plötzlich und ich sehe überrascht auf.

"Im sechsten Monat. 22. Schwangerschaftswoche. Warte, ich habe ein Ultraschallbild von heute. Willst du es sehen?", ich springe bereits auf und hole es aus meiner Tasche im Flur. Glücklicherweise hat es den Regen unbeschadet überstanden.

"Hier", strahle ich und setzte mich wieder. Fasziniert betrachtet er das Bild und streicht mit dem Zeigefinger sanft darüber. Dann schließt er seine Augen mit schmerzverzerrtem Gesicht. Eine Träne rollt seine Wange herunter und ich sehe ihn erschrocken an.

"Baby?", hauche ich leise und wische die Träne sanft fort.

"Ich habe so viel verpasst. Ein halbes Jahr bist du schwanger und ich hab mir mit meiner widerlichen Art alles versaut. Diese Zeit kann ich nie wieder aufholen. Ich habe nie die ersten Tritte gespürt, deinem Bauch beim Wachsen zugesehen, dich beschützt, als es dir schlecht ging. All das hat Jay getan...", er atmet tief durch, "Ich will nicht eifersüchtig klingen. Es ist einfach... Er durfte das miterleben. Aber ich bin selber schuld. Ich war so ein Arschloch und habe dafür gesorgt, dass es dir so schlecht geht, dass du unseren Sohn in Gefahr bringst. Ich habe dich nicht verdient. An deiner Stelle hätte ich mir eine gescheuert und wäre gegangen."

"Baby, ich liebe dich. Es ist viel passiert, was nicht hätte passieren sollen, aber wir sollten nicht über das 'Was wäre, wenn' nachdenken. Ja, du hast viel verpasst, aber du wirst noch unheimlich viel miterleben", beruhige ich ihn und kuschle mich wieder an seine Brust.

"Ab jetzt werde ich dich nie wieder alleine lassen. Ich werde nichts mehr verpassen, das verspreche ich dir. Ich liebe dich so sehr, Babe!", er streicht mir übers Haar und gibt mir einen langen Kuss, der sein Versprechen bekräftigt. Bald wird der Kuss zu einer wilden Knutscherei und ich spüre Lust in mir aufkommen. Ein halbes Jahr keinen Sex zu haben lässt auch mich nicht kalt und ich würde ihn am Liebsten direkt hier nehmen.

Als hätte Will meine Gedanken gelesen, zieht er mich komplett auf seinen Schoss, legt die Hände unter meine Oberschenkel und steht auf. Er trägt mich auf direktem Weg in mein Schlafzimmer und legt mich dort vorsichtig auf dem Bett ab, bevor er sein Shirt und die Jogginghose wieder auszieht.

Danach zieht er auch mich aus und lehnt sich wieder über mich.

"Werde ich damit das Baby verletzen?", fragt er ängstlich, als ich meine Finger an den Saum seiner Boxershorts lege.

"Nein, es wird nichts passieren. Außerdem tut alles, was der Mutter gut tut, auch dem Kleinen gut", grinse ich und ziehe ihn näher zu mir. "Ich will dich!", hauche ich in Ekstase.

Kapitel 24

 Verträumt stehe ich mit einer Tasse Tee in der Hand vor dem Küchenfenster. Ich kann nicht glauben, was in den letzten Stunden passiert ist. Es fühlt sich an wie ein Traum. Wenn es wirklich einer ist, möchte ich nie mehr aufwachen.

Ich habe nicht damit gerechnet, dass sich alles wirklich wieder einrenkt. Aber trotzdem sind die Zweifel da. Habe ich ihm zu früh verziehen? Hab ich alles überstürzt? Meinte Will wirklich alles ernst, was er gesagt hat? Hat er wirklich vor sein ganzes Leben mit ihr und dem kleinen Würmchen zu verbringen? Ich wünsche es mir so sehr, aber ich möchte nicht eines Tages aufwachen mit dem Gedanken, dass ich ihn in diese Situation gedrängt habe. Aber hätte er dann von selbst den Umzug vorgeschlagen? Ich liebe ihn so sehr, dass ich nur hoffen kann, dass er die Wahrheit gesagt hat und mich noch immer liebt.

"Ich bin zu Hause, Amy", höre ich meinen besten Freund aus dem Flur rufen. Ich lehne mich in den Türrahmen der Küche und grinse ihn an.

"Hi", strahle ich. Jay verharrt einen Moment in der Bewegung, ehe er seine Jacke an die Garderobe hängt und mich prüfend ansieht.

"Alles k...?", er stoppt und sieht entgeistert Will an, der aus meinem Schlafzimmer kommt.

"Hallo Jayden", begrüßt mein Freund ihn höflich. Mein Freund... Endlich kann ich ihn so nennen.

"Was tut der hier?", in Jays Stimme klingt unterdrückte Wut mit, als er mich das fragt, aber Will keine Sekunde aus den Augen lässt.

"Der heißt Will", maßregle ich ihn, "und wir haben uns versöhnt." Strahlend sehe ich Will an, der mir ein kleines Lächeln schenkt.

Jay stößt ein heiseres Lachen aus."Versöhnt?", spuckt er angewidert. Sein Gesicht zeigt Abscheu und Wut.

"Hast du was dagegen?", der Schwarzhaarige hebt provokant eine Augenbraue.

Beide fixieren sich stumm, keiner will zuerst den Blick lösen und aufgeben.

"Jungs, es reicht! Hört mit dieser Macho-Scheiße auf." Kopfschüttelnd sehe ich sie an, während sie mich nicht beachten und sich weiterhin anstarren, wie Tiere kurz vor dem Angriff.

"Ahh", schmerzerfüllt halte ich mir den Bauch und gehe leicht in die Knie. Sofort eilen die Beiden auf mich zu, jeder hält einen Arm, um mich zu stützen.Als sie das bemerken, funkeln sie sich an.

"Lass sie los. Ich kümmere mich schon alleine um sie", zischt Will wutentbrannt.

"Ach ja? So wie du dich das letzte halbe Jahr um sie gekümmert hast?!" Jayden lacht gekünstelt auf.

"Was ist dein Problem, Mann?", aggressiv schubst mein Freund ihn zurück.

"Geht's noch?", ich sehe eine Ader an Jaydens Hals hervortreten, die unheilvoll pocht.

"Jungs", keuche ich, von einem erneuten Schmerz gequält. Doch sie hören mich nicht, sondern streiten sich weiter.

"Dass du hier einfach wieder auftauchst... Monatelang ging es Amy schlecht, nur deinetwegen. Du wolltest sie nicht sehen, nicht mit ihr sprechen...Nichts! Und jetzt kommst du plötzlich wieder an und willst dich um sie KÜMMERN?! Mir fällt gar kein Wort für so etwas wie dich ein", mein bester Freund schnaubt abfällig.

"Ich wusste nichts von dem Kind. Aber ich werde Verantwortung übernehmen. Ich liebe Amy und sie liebt mich auch! Das ist alles was zählst", schreit Will zurück.

"Einen Scheiß tust du! Sie hat so viel gelitten. Das wirst du nie wieder gut machen können. Die ganze Schwangerschaft habe ich mit ihr erlebt. Ich habe mich um sie gekümmert, wenn es ihr schlecht ging. Ich habe ihre Haare zurück gehalten, als sie sich übergeben musste. Ich habe auf sie aufgepasst, als sie am Ende war. Ich habe ihr unter die Arme gegriffen und sie unterstützt. Ohne mich würde es euer Kind nicht einmal mehr geben."Nach Jays Worten herrscht Stille. Mein bester Freund ist unglaublich zornig und schnauft. Will sieht ihn entgeistert an.

Plötzlich durchzuckt mich erneut der Schmerz und ich stöhne gequält auf. Halt suchend krallen meine Finger sich in die Oberarme meiner Lieblingsmänner.

"Amy? Was ist los?", Will sieht mich erschrocken an und schlingt einen Arm um meine Taille, um mich aufrecht zu halten.

"Schmerzen", keuche ich und krümme mich leicht.

"Scheiße, wir müssen sofort ins Krankenhaus." Jay hilft mir meine Jacke überzuziehen. Schnell schlüpfe ich noch in meine Schuhe, bevor die Männer mit ihren Jacken in der Hand und schlampig angezogenen Schuhen mich die Treppe runter zum Auto führen.Will verfrachtet mich auf den Rücksitz, ehe er sich neben mich setzt und meine Hand fest umschlossen hält. Panisch startet Jay den Wagen und fährt mit überhöhter Geschwindigkeit los.

"Alles wird gut, mein Schatz", flüstert mein Freund mir zu und küsst sanft meinen Handrücken.

"Ich hab solche Angst um mein Würmchen", wimmere ich unter Tränen, da die Schmerzen mich in den Wahnsinn treiben.

"Ich bin hier. Euch beiden wird nichts passieren. Dafür werde ich sorgen", zärtlich streicht er meine Tränen weg und küsst mich kurz.

"Danke", sage ich kraftlos und lehne mich an ihn. Auch wenn Jay mir die letzten Monate der beste Freund auf der Welt war, bin ich froh Will jetzt an meiner Seite zu haben.So lange habe ich darauf gewartet, jetzt muss einfach alles gut werden. Unserem Baby darf nichts passiert sein!

Kapitel 25

 "Babe" ruft Will, als ich flatternd meine Augen öffne. Er sitzt an meinem Bett und nimmt meine Hand in seine. Seine Augen sind gerötet und er sieht erschöpft aus. Auch Jay kann ich hinter ihm sehen, der mich erleichtert anlächelt.

Ich liege in einem verdunkelten Krankenhauszimmer, in das ich verfrachtet wurde, nachdem ich mit einer Ärztin gesprochen und einige Untersuchungen über mich ergehen lassen habe. Neben mir piept ein Gerät gleichmäßig vor sich hin.

"Guten Morgen, Frau Thompson", eine Krankenschwester sieht mich lächelnd an. Überrascht blicke ich in ihre Richtung. Morgen? Liege ich etwa schon die ganze Nacht hier? Dann fällt mir etwas viel wichtigeres ein...

"Was ist mit meinem Baby?", will ich panisch wissen und lege sofort eine Hand auf meinen Bauch. Er fühlt sich rund und unverändert an.

"Ihrem Kind geht es gut. Die Ärztin kommt gleich zu Ihnen", teilt sie mir mit und ich atme erstmal tief durch. Der Kleine macht es mir wirklich nicht leicht. In den letzten 10 Jahren war ich nicht so oft im Krankenhaus, wie in dem letzten halben Jahr.

Minuten später tritt auch schon die Ärztin herein.

"Hallo, Frau Thompson. Wie geht es Ihnen?", fragt sie freundlich und reicht mir die Hand.

"Soweit ganz gut. Die Bauchschmerzen haben aufgehört, aber ich habe Kopfschmerzen", erkläre ich.

"Haben Sie schon einmal von dem Begriff Spätgestose gehört?", will sie wissen. Ich schüttle ängstlich den Kopf.

"Was bedeutet das?", hake ich nach und richte mich ein wenig auf. Zischend greife ich mir an den Kopf.

"Langsam, Babe." Will legt eine Hand auf meinen Arm und sieht mich eindringlich an. Ich kann die Sorge in ihnen lesen und werfe ihm ein schwaches Lächeln zu.

"Es handelt sich um eine Erkrankung, dessen Ursache nicht wirklich geklärt werden kann. Man geht im Allgemeinen von einer Art Vergiftung aus. Eigentlich hätte man eine Präeklampsie bei einer ihrer Untersuchungen beim Frauenarzt feststellen müssen. Bei ihnen wurde scheinbar nichts entdeckt, das kann passieren."

Ich keuche auf und Tränen steigen mir in die Augen. Mein armes kleines Baby. Auch wenn die Schwester sagte, dass es meinem Sohn gut geht, klingt diese Krankheit nicht harmlos.

"Meist äußert sich die Präeklampsie durch Bluthochdruck, den wir bei Ihnen gestern festgestellt haben. Sind Ihnen Wassereinlagerungen aufgefallen?", fährt sie fort.

"Nein", bringe ich schluchzend hervor. Will schließt gequält die Augen und drückt meine Hand etwas fester.

"Das ist gut. Die Präeklampsie darf sich auf keinen Fall zur Eklampsie entwickeln, denn diese Krampfanfälle sind lebensbedrohlich für Sie und ihr Kind."Ich presse mir eine Hand auf den Mund, der zu einem stummen Schrei geöffnet ist. Ich hatte noch nie in meinem Leben so eine Angst.

"Also, wenn ihre Kopfschmerzen sich verstärken, Sie ein Flimmern vor den Augen sehen, Sie Krämpfe haben oder es Ihnen sonst in irgendeiner Weise schlecht gehen sollte, sagen Sie unverzüglich Bescheid", schärft sie mir ein. Kräftig nickend sehe ich sie an.

"Wir konnten keine Mikroblutungen feststellen. Ihre Niere ist glücklicherweise nur minimal betroffen. Das haben wir in den Griff bekommen. Aber ihre Leber ist geschwollen, was zu den Magenschmerzen geführt hat. Wir müssen hoffen, dass keine Gerinnungsstörung auftritt. Wir werden ihre Werte und die ihres Babys überwachen und mit Medikamenten den Bluthochdruck senken. Dann gilt es zu hoffen", erklärt sie.

Sie verabschiedet sich und ich lehne mich erschöpft zurück. Die Fachwörter der Ärztin schwirren in meinem Kopf umher, doch das Wort "lebensbedrohlich" scheint in meine Netzhaut eingebrannt.

Will steht auf und fährt sich aufgeregt durch sein schwarzes Haar: "Ich muss kurz..." Und schon verschwindet er aus dem Zimmer.

"Amy, beruhig dich. Die Frau hat doch gesagt, dass es nicht schlecht aussieht. Es sind nicht alle Symptome bei dir aufgetreten. Du bist so stark, auch das werdet ihr überstehen. Denk an eure Zukunft", Jay umarmt mich vorsichtig.

"Jay, kannst du mir einen Gefallen tun? Geh ihm bitte hinterher. Ich kann nicht und ich möchte nicht, dass er jetzt allein ist", bitte ich ihn.

"Aber dich soll ich allein lassen?!", kopfschüttelnd sieht mein bester Freund mich an.

"Jay, bitte. Ich komm schon klar. Ich würde mich sowieso gerne etwas hinlegen, also geh zu ihm. Will hat es momentan nicht einfach. Es passiert alles Schlag auf Schlag, er braucht jetzt jemanden und wie du siehst kann ich gerade nicht. Tue es für mich, bitte", flehe ich ihn an und er nickt ergeben.

 

Will:

Zügig verlasse ich das Zimmer. Doch weit komme ich nicht. Zitternd lasse ich mich auf einen Stuhl auf dem Gang sinken und vergrabe mein Gesicht in den Händen.

'Amy und unser Sohn könnten sterben!' Ich schluchze trocken auf. Wie soll ich denn ohne sie leben? Endlich habe ich die Liebe meines Lebens an meiner Seite. Wir bekommen ein Baby, welches ich schon jetzt über alles liebe. Wenn sie sterben, werde ich nicht weiter machen können. Sie sind der Sinn meines Lebens!

Jetzt weine ich wirklich. Nein, ich heule! Wie ein kleiner Junge mit einem aufgeschlagenen Knie. Nur dass nicht mein Knie, sondern mein Herz wie verrückt schmerzt.

Ich kann mich nicht beruhigen. Der Gedanke, dass Amy so viele schlimme Erfahrungen gemacht, so viele Zurückweisungen von mir erhalten und so viele Krankenhausaufenthalte hinter sich hat, macht mich kaputt.

Wie kann ein so zarter Mensch so viel Belastung standhalten?

Im nächsten Moment würde ich mich am Liebsten ohrfeigen. Während sie das alles tapfer aushält, verschwinde ich einfach und lass sie alleine. Ich habe ihr versprochen diesen Fehler nie wieder zu machen und doch sitze ich jetzt hier und nicht neben ihr.

"Hey", ich schrecke hoch, als ich Jaydens Stimme höre. Er hat neben mir Platz genommen und mustert mich nachdenklich.

"Was willst du?", fauche ich ihn an. "Ich weiß selber, dass ich nicht hätte abhauen sollen. Ich weiß selber, dass ich sie nicht verdient habe. Ich brauch deine Anschuldigungen nicht zu hören."

"Jetzt lass Amy erstmal daraus. Wie geht es dir?", fragt er sanft und ich reiße überrascht die Augen auf.

"Was?"

"Ich möchte wissen, wie es dir jetzt gerade geht."

"Beschissen! Meine Freundin und mein Kind werden vielleicht sterben und ich schaff es nicht einmal ihr beizustehen. Stattdessen renne ich weg. Ich bin so ein Feigling", schluchzend vergrabe ich mein Gesicht wieder in den Händen.

"Ich verstehe dich. Mich bringt es beinahe um zu wissen, dass die wichtigste Person in meinem Leben sterben könnte. Für dich muss es noch viel schlimmer sein und ich will wirklich nicht an deiner Stelle sein."

"Ich bin einfach so verwirrt. Ich bin so wütend, dass ich am liebsten auf irgendetwas einschlagen würde. Aber ich bin gleichzeitig so kraftlos, dass ich mich in eine Ecke legen und die Welt ausblenden möchte. Ich habe noch nie so viel Schmerz gefühlt. Mein ganzer Körper besteht praktisch nur noch daraus."

"Weißt du, warum ich nichts davon tue? Es fällt mir schwer nicht loszuheulen, denn ich fühle mich genauso. Aber ich denke daran, dass es nicht soweit kommen wird. Ihre Schmerzen sind zurück gegangen. Das ist ein gutes Zeichen. Ich glaube daran, dass alles gut werden wird.

"Ich atme tief durch und lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen. Die Worte der Ärztin haben so ein Chaos in mir veranstaltet, dass ich direkt all das Schlechte aufgenommen habe. Aber die aufbauenden und beruhigenden Worte habe ich ausgeblendet.

"Du hast recht. Ich muss glauben und hoffen. Aber zu aller erst muss ich für die Liebe meines Lebens da sein! Danke, Jay", dankbar sehe ich ihn an.

"Vor ein paar Stunden wollte ich dir am liebsten den Schädel einschlagen. Alles was du mit ihr und dem Baby erleben durftest, eure Vertrautheit, deine Worte...ich war so eifersüchtig! Aber ich muss dir dankbar sein, für alles, was du für Amy getan hast. Du bist hier nicht der Böse!"Freundschaftlich umarmen wir uns.

"Ich verstehe dich. Ich war genauso wütend. Ich liebe Amy, aber eben wie eine Schwester. Sie ist das Wichtigste für mich und wir haben schon so viel zusammen erlebt. Ich konnte nicht zulassen, dass du ihr weh tust. Aber ich habe jetzt erkannt, dass du es ernst meinst. Ich werde euch nicht im Weg stehen. Hauptsache Amy ist glücklich."

Kapitel 26

 Amy:

Auch, wenn ich gesagt habe ich möchte mich hinlegen, kann ich nicht schlafen. Immer wieder denke ich an meinen kleinen, schutzlosen Sohn, den ich so sehr liebe. Ich kann nicht verstehen, warum ich ihn in Gefahr gebracht habe, wo er doch nichts für meine Gefühle kann.

In Mitara kam mir alles so überwältigend vor, so erdrückend. Als hätte ich keine Chance dagegen anzukämpfen. Doch das ist nicht wahr. Ich bin stark und ich habe es geschafft, auch wenn ich dafür erst wachgerüttelt werden musste.

Ich liebe mein kleines Würmchen und ich liebe Will. Das ist das Wichtigste! Meine Zweifel sind nicht mehr bedeutend. Wir werden gegen die Krankheit ankämpfen, denn ich habe zu viel geschafft, um jetzt einfach auszugeben. Mein Kind wird leben, egal ob nun mit mir und Jay in Carboa oder mit Will und mir in Mitara. Er wird so viel Liebe erfahren, wie er bekommen kann. Wenn Will das alles zu viel wird, kann ich das auf jeden Fall verstehen. Und auch wenn es weh tun wird; ich schaffe es auch über ihn hinweg zu kommen. Mein Kleiner wird mir dabei helfen. Ich werde nie wieder alleine sein!

Mit einem leisen Quietschen öffnet sich die Tür, der ich mittlerweile den Rücken zugekehrt habe. Als die Person um das Bett herum geht, schließe ich die Augen und stelle mich schlafend. An seinem Geruch erkenne ich Will sofort.

Aber auch wenn ich mit einer erneuten Zurückweisung klar kommen werde, reicht es mir für heute. Das würde ich nicht mehr aushalten.

Der Stuhl ächzt, als er sich darauf sinken lässt und ich spüre eine Hand an meiner Wange.

"Hey, Babe", fängt er mit belegter Stimme an und räuspert sich. "Ich weiß, dass du nicht schläfst. Und wenn du sauer auf mich bist, kann ich das verstehen. Aber bitte höre mir kurz zu. Es tut mir unglaublich leid, dass ich gerade einfach gegangen bin. Ich hätte an deiner Seite bleiben und dich in den Arm nehmen müssen. Aber die Wahrheit ist, dass ich ein Feigling bin. Du bist so viel stärker, als ich es jemals sein werde." Als ihm ein Schluchzen entfährt, öffne ich langsam die Augen. In der Dämmerung des verdunkelten Zimmers kann ich eine Träne auf seiner Wange glitzern sehen.

"Hör auf dich selbst fertig zu machen", flüstere ich sanft und wische ihm die Träne weg.

"Du bist das beste, was mir passieren konnte. Egal wie viel Mist ich baue, du stößt mich nicht weg.", wimmert er.

"Das stimmt nicht. Ich habe dich allein gelassen, als ich zurück nach Carboa gegangen bin. Ich hätte bei dir bleiben können, aber ich war überfordert und verwirrt. Kein Wort war ernst gemeint und ich fühle mich so schlecht, dass ich dich einfach hinterhältig behandelt habe", seufze ich.

"Babe, du brauchst dich in keinster Weise schlecht fühlen. Ich liebe dich und auch, wenn wir beide Fehler gemacht haben, werde ich nie damit aufhören", sagt er sanft und streicht mir eine Strähn aus dem Gesicht. Erstaunt mustere ich ihn. Wenn er mich noch will, warum hat er dann das Zimmer verlassen?

Als hätte er meine Gedanken gelesen, fährt er fort: "Diese Ärztin hat mir so eine Angst eingejagt. Der Gedanke, dass ihr beide sterben könntet, nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich kann nicht ohne dich leben und ich will es auch nicht! Die Situation hat mich so unerwartet getroffen und ich musste einfach hier raus. Ich wollte dir nicht zeigen, wie schwach ich bin. Aber ich kann es nicht verhindern. Sogar jetzt sitze ich hier und heule, obwohl du Schmerzen hast und es dir schlecht geht." Niedergeschlagen senkt er den Kopf. Mit dem Zeigefinger hebe ich sein Kinn an und ziehe ihn zu mir.

"Ich liebe dich. Und ich fühle mich genauso schwach wie du, es ist okay, wenn du mir deinen Schmerz zeigst. Es zeigt mir, dass du mich und unseren Sohn wirklich liebst", beruhige ich ihn.

"Das tue ich!", lächelt Will und drückt mir einen kleinen Kuss auf die Lippen. "Du solltest schlafen."

"Aber nur wenn du dich zu mir legst!", grinse ich und rücke zur Seite.

"Babe, ihr seid zu zweit. Ich möchte, dass ihr es bequem habt. Da kann ich euch nicht noch den Platz weg nehmen. Ich bleibe hier sitzen", winkt er ab.

"Aber du bist bequem. Und ich möchte dich ganz nah bei mir haben. Ich möchte, dass du auf uns aufpasst", mit diesen Worten ziehe ich ihn zu mir und er legt sich grummelnd doch neben mich. Leider sind diese Betten wirklich zu klein und ein paar Sekunden später steht er fluchend wieder auf.

"Warte", sagt er und schiebt den kleinen Wagen neben meinem Bett zur Seite. Dann rollt er das leere Krankenhaus auf der gegenüberliegenden Seite neben mich und legt sich darein.

"Komm her", flüstere ich sehnsüchtig und er rutscht näher zu mir. Vorsichtig drehe ich mich, um weitere Schmerzen zu vermeiden und lege meinen Kopf auf seine Brust. Einen Arm schlinge ich um seinen Bauch, sodass unser Kind genau zwischen uns ist.

"Wenn das kleine Würmchen da ist, will ich, dass er auch manchmal bei uns schläft. Genauso wie jetzt. Er soll spüren, wie sehr wir ihn lieben", erkläre ich lächelnd.

"Muss das sein? Ich liebe ihn, aber ich werde nicht mit dir kuscheln können, wenn der Kleine zwischen uns liegt. Wir können ihn morgens in unser Bett legen, dann hab ich meine Kuscheleinheiten bekommen und bin bereit zu teilen", ein schmollender Unterton ist aus seinen Worten zu hören.

"Oh Baby, du wirst genug mit mir kuscheln können. Aber unser Würmchen wird viel Aufmerksamkeit beanspruchen. Also solltest du vielleicht die Zeit vor seiner Geburt genießen. Du wirst ihn noch oft genug verfluchen, wenn er nachts schreit oder du seine stinkenden Windeln wechseln musst", lache ich leise. Er stöhnt auf und lehnt sich ein wenig nach unten.

"Hey, mein Kleiner. Nur dass das klar ist, Mummy und Daddy brauchen auch ein wenig Schlaf und Zeit für sich. Du hältst uns schon jetzt auf Trab. Aber ich bin sicher, du kommst nach mir und wirst ein braves Kind", sanft küsste Will meinen Bauch und ich sehe ihn an.

"Wenn er nach dir kommt, wirst du wahrscheinlich keine Sekunde mit mir bekommen, weil er mich komplett in Beschlag nimmt", grinse ich, als Will mich sanft umschlingt und sein Gesicht in meinem Haar vergräbt. Er lässt nur noch ein Grummeln von sich hören, bevor ich langsam einschlafe.

Kapitel 27

 Die nächsten Tage verbringe ich im Krankenhaus und ruhe mich aus. Ich kann nicht wirklich etwas gegen diese Krankheit tun und muss hoffen, dass es bald überstanden ist. Außerdem machen die Medikamente mich ziemlich müde. Will kommt jetzt besser damit klar und versucht ständig mich aufzumuntern. Ich bin unendlich froh ihn zu haben.

Er hat Jay davon überzeugt wieder nach Hause zu fahren und zur Arbeit zu gehen. Obwohl mein bester Freund sich immer noch Sorgen um mich macht und mir am liebsten nicht von der Seite weichen würde, hat er begriffen, dass er eh nichts tun könnte und Will auf mich aufpasst.

Träge rolle ich mich auf die andere Seite. Die zwitschernden Vögel vor dem Fenster wollen mir aber anscheinend keinen ruhigen Moment gönnen. Gezwungenermaßen öffne ich die Augen und sehe auf das leere Bett neben mir. Will scheint schon aufgestanden zu sein, aber er ist nicht im Zimmer. Langsam setze ich mich auf und halte einen Augenblick inne, um herauszufinden, ob ich irgendwo Schmerzen habe. Doch es geht mir erstaunlich gut.

"Morgen, Babe. Du bist ja schon wach", begrüßt mich Will, als er hereinkommt. Mit wenigen Schritten ist er bei mir und gibt mir einen innigen Kuss.

"Wo warst du?", frage ich und lächle ihn an.

"Erst war ich im Hotel, um meine Sachen zu holen und dann habe ich uns Frühstück besorgt", grinst er und stellt mir eine Papiertüte hin.

"Das kannst du alles essen, ich habe extra gefragt."

Ich öffne die Tüte und nehme ein paar Lebensmittel heraus und lege sie auf einen Teller neben mein Bett. Bockwürste, Brötchen, Gouda, Bananen, Joghurt und letztendlich eine Flasche Milch.

"Danke, Baby" Mein Magen meldet sich und ich beginne hungrig zu essen. Auch Will schmiert sich ein Brötchen.

Als wir aufgegessen haben, kommt die Ärztin und führt einige Untersuchungen durch. Ungeduldig warte ich auf ihr abschließendes Urteil.

"Ihre Werte sind gut. Sie sollten sich noch ausruhen und ihr Gewicht auf jeden Fall halten, aber ich bin zuversichtlich, dass die restliche Schwangerschaft einwandfrei verläuft. Sie können heute wieder nach Hause", schließt sie. Überglücklich falle ich Will in die Arme.

 

***

 

"Babe, komm mal bitte", ruft mein Freund aus dem Arbeitszimmer.

"Was ist denn?", will ich wissen und stecke meinen Kopf zur Tür hinein. Will sitzt am Laptop, neben sich einen bekritzelten Block, auf den er jetzt zeigt. Schnell überfliege ich seine Notizen.

"Bist du dir bei den Maßen sicher? Wenn du jetzt alle Möbel bestellst und es am Ende doch nicht passt, haben wir ein Problem", merke ich an.

"Ja, ich bin mir ziemlich sicher. Und wenn doch was ist, haben wir noch drei Monate es zu ändern." Ich gebe ihm einen Kuss auf den Scheitel.

"Du machst das schon, Baby." Damit gehe ich wieder ins Schlafzimmer und packe einen Stapel Sonmerkleider in den Umzugskarton. Ich bin bereits seit ein paar Tagen wieder zu Hause und wir hatten reichlich Zeit, um über die Zukunft zu sprechen. Wir haben entschieden, dass ich in einer Woche mit Will zusammen nach Mitara fliege. Meine Sachen werden zu ihm nach Hause geschickt und ich werde direkt bei ihm einziehen. Außerdem bestellt er gerade die Einrichtung für das Zimmer unseres Sohnes, welches es in den nächsten Monaten herrichten möchte.

Jay ist nicht begeistert von dieser neuen Entwicklung, aber er muss es akzeptieren. Davon abgesehen hat er es sich schon gedacht. Immerhin sind wir eine Familie und wie Will richtig erkannt hat; Mitara ist meine Heimat.

"Ich hab was gefunden." Und schon wieder muss ich zu meinem Freund.

"Baby, es ist anstrengend immer hin und her zu laufen", beschwere ich mich und lasse mich demonstrativ auf seinem Schoß nieder.

"Aber ich will dir das hier zeigen." Er klickt ein wenig herum, ehe sich eine 3D-Ansicht des zukünftigen Kinderzimmers öffnet.

"Wow, das sieht toll aus. Ich will das mein Würmchen genau dieses Zimmer bekommt", bestimme ich hingerissen.

"Das wird er", lacht Will und küsst mich. "Wie weit bist du?"

"Meine Kleidung und fast fertig eingepackt. Wir müssen noch entscheiden welche Möbel mitkommen. Aber das geht erst wenn Jay zu Hause ist." Als hätte er mich gehört, öffnet sich die Wohnungstür und mein bester Freund kommt rein.

"Ich bin zu Hause", ruft er.

"Büro", rufe ich zurück. Wenig später steht er neben uns. "Sieh mal, das ist doch klasse für den Kleinen, oder?"

"So ein Zimmer hätte ich mir auf jeden Fall gewünscht." Jay nickt zustimmend. "Wie läuft es mit der Planung?"

"Du meinst wohl Umsetzung. Ich hab fast alle Klamotten eingepackt. Will hat die Kartons aus dem Keller geholt. Außerdem müssen wir gleich mal besprechen, wie es mit dem Mobiliar aussieht."

"In Ordnung, aber bitte beim Essen. Amy, machst du das Abendbrot. Ich zieh mich um", bittet er mich. Also mache ich uns Pasta, während Will den Tisch deckt.

"Mhmm, das riecht aber gut", raunt er mir ins Ohr, als er von hinten die Arme um mich schlingt und seinen Kopf auf meine Schulter legt. Dabei haucht er mir provokant auf die nackte Haut, da mein Oberteil trägerlos ist.

"Hey, hör auf. Das kitzelt", beschwere ich mich lachend. Schmollend gibt er mir einen Kuss auf die Schulter.

"Das Kinderzimmer ist bestellt", informiert er mich und setzt sich an den Tisch.

"Sehr gut. Wir müssen auch noch meinen Dad und Dan und Josy anrufen. Dad wird ausflippen vor Freude."

"Da bin ich mir sicher. Du erfüllst ihm seinen größten Traum." Jay setzt sich neben Will und ich fülle jedem eine Portion auf den Teller.

"Also, was habt ihr euch wegen der Einrichtung überlegt?", hakt mein bester Freund nach.

"Die Sachen für das Kinderzimmer kommen in zwei Wochen. Eigentlich ist das Haus komplett ausgestattet. Aber Amy soll sich wohlfühlen, also...", Will sieht mich liebevoll an.

"Das Wohnzimmer bleibt dir erhalten. Sogar den Sessel überlasse ich dir. Aber meinen Schrank werde ich brauchen. Was machen wir mit dem Bett?"

"Wir könnten es verkaufen", schlägt Will vor. "Das Geld können wir gut gebrauchen, die neuen Möbel sind teuer."

"Möglich, mein Bücherregal muss auf jeden Fall noch mit. Und der Schreibtisch", fällt mir noch ein.

"Bist du dir sicher, dass wir die alten Sachen nicht verkaufen und neue besorgen sollten?", meint Jay nachdenklich. "Es wird schon teuer genug sein deine Kleidung, Schminke, Bücher und all den Krimskrams von Carboa nach Mitara zu bekommen."

"Mit den Möbeln legen wir noch ne Menge drauf. Wenn du bedenkst, was wir sparen und was wir für die Sachen noch bekommen, dann sind neue Möbel eindeutig günstiger, da hat Jay recht", fügt Will hinzu.

"Okay, dann kaufen wir neue Möbel wenn wir dort sind. Stellst du das alte Inventar ins Internet?", bitte ich meinen Freund. Er nickt zustimmend.

"Dann helfe ich dir beim Packen", beschließt Jay.

Kapitel 28

 "Hast du alles?", will Jay wissen. Ich nicke nur und schiebe den letzten Koffer in den Flur. Mit meiner Handtasche in der Hand stehe ich im Türrahmen.

"Ich will nicht weg", maule ich und sehe wehmütig in mein mittlerweile leeres Zimmer zurück. So viel habe ich hier erlebt und Mitara ist zu meiner zweiten Heimat geworden, die sie auch immer bleiben wird.

"Ich will auch nicht, dass du gehst. Aber ich bin sicher Will wird sich gut um dich kümmern", lächelt er sanft.

"Ich werde dich vermissen. Du bist der allerbeste beste Freund auf der ganzen Welt!", verkünde ich, ehe ich ihn fest in den Arm nehme. Minutenlang stehe wir da und schwelgen in Erinnerungen.

"Ich werde dich auch vermissen, ich tue es jetzt schon! Ich liebe dich, kleine Schwester!", er drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

"Ich liebe dich auch, großer Bruder", murmle ich traurig und drücke ihn nochmal kurz.

"Komm schon, Will wartet. Ich werde euch so oft besuchen, wie ich kann. Und vergiss nicht, dass ich Patenonkel eures Sohnes werde", grinst er und hievt zwei Koffer aus der Wohnung.

"Das wirst du! Und wir kommen dich auch besuchen", verspreche ich und laufe die Treppe hinunter. Unten fährt Will das Auto vor das Haus.

"Jay ist oben und trägt die ersten Koffer runter."

"Okay, Babe. Setz du dich schon rein. Ich helfe Jay", erklärt er kurz, drückt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet dann im Haus.

Es hat durchaus seine Vorteile schwanger zu sein, denn ich habe somit eine gute Ausrede, warum ich nicht mithelfen kann. Also lasse ich mich in den Autositz gleiten und hole mein Handy aus meiner Handtasche.

"Peter Thompson", meldet sich mein Dad am Telefon.

"Hey, Dad. Ich wollte dir Bescheid geben, dass wir bald losfahren. Will und Jay packen den Rest ins Auto und dann machen wir uns auf den Weg zum Flughafen. Unser Flieger geht in drei Stunden. Holst du uns gegen 18:30Uhr in Carboa ab?", frage ich ihn.

"Natürlich, mein Schatz. Dein Bruder kommt mit und hilft beim Tragen. Josy und Lilly seht ihr dann erst später. So viele passen nicht ins Auto", erklärt er kurz.

"Danke, Dad. Wenn sich etwas ändert, rufe ich nochmal an, in Ordnung?"

"Sicher. Dann wünsche ich euch eine gute Reise und pass auf euch auf, Amy!", mahnt er streng.

"Jaja, Dad. Dem Würmchen und mir geht es gut. Wir schonen uns", verspreche ich. Wir verabschieden uns noch, ehe ich das Telefon zurück packe.

"Babe, es ist alles im Wagen. Wir können los", ruft Will und ich sehe erschrocken aus dem Fenster. Er steht mit meinem besten Freund am Kofferraum und redet. Scheinbar habe ich durch das Telefonat nichts mitbekommen.

Schnell steige ich aus, um mich ein letztes Mal von Jay zu verabschieden.

"Tschüss, Jay", sage ich traurig und er nimmt mich wieder in den Arm.

"Bis bald, Amy", sagt er und gibt mir noch einen Kuss auf die Wange. "Achte gut auf dich und mein Patenkind", sagt auch er.

"Danke für deine Hilfe", bedankt sich Will und die beiden umarmen sich. Es ist erstaunlich, wie sehr sich ihr Verhältnis gebessert hat. Sie sind mittlerweile sowas wie Freunde geworden.

"Kein Problem. Pass auf sie auf! Die beiden sind das Wichtigste, immer", wiederholt er und die beiden nicken sich vertraut zu.

Schweigend steigen wir in das Auto und winken, bis wir um die Straßenecke verschwunden sind. Trübsinnig seufze ich auf. Will nimmt meine Hand und streicht mit dem Finger darüber.

"Er kommt uns schon sehr bald besuchen. Spätestens zur Geburt in zwei Monaten", beruhigt er mich.

"Ich weiß, aber es ist schwer alles hinter sich zu lassen. Wir haben uns jeden Tag gesehen, zusammen gewohnt, waren füreinander da. Und jetzt lebt er 6 Flugstunden von uns entfernt." Will schweigt. Ich sehe zu ihm. Er hat ein geheimnisvolles Glitzern in den Augen und verkneift sich das Lächeln. Misstrauisch mustere ich ihn.

"Findest du das witzig?!", fauche ich aufgebracht. Überrascht sieht er mich an.

"Nein", beteuert er.

"Und warum lachst du dann?", wütend wende ich mich ab.

"Sei nicht sauer, Babe. Ich kann es dir nicht sagen. Es ist ein Geheimnis."

"Was für ein Geheimnis?"

"Babe, es ist geheim! Du wirst es noch früh genug erfahren." 'So ein Idiot!', denke ich mürrisch. Schmollend hole ich mein Handy hervor und spiele damit herum. Er kann doch nicht erwarten, dass ich nicht nachfrage, wenn er solche Andeutungen macht. Und jetzt will er nur einfach nichts erzählen?!

Die ganze Fahrt über und sogar am Flughafen strafe ich ihn mit Schweigen und Ignoranz. Schließlich sind wir durch die Personenkontrolle durch.

"Amy, bitte. Ich darf nichts verraten", verzweifelt hält Will mich am Arm fest und dreht mich zu ihm. Er hat bis jetzt nur genervt rumgestöhnt. Scheinbar hält er es jetzt wirklich nicht mehr aus.

Abwehrend verschränke ich die Arme und sehe an ihm vorbei.

"Babe, ich bitte dich. Ich liebe dich und wenn ich könnte, würde ich es dir sagen. Aber ich musste es versprechen. Vielleicht klappt das Alles gar nicht und dann bist du enttäuscht. Also lass es einfach ruhen. Du erfährst davon, das schwöre ich. Aber nicht heute."

"Na gut", gebe ich nach und lehne mich gegen ihn. Auch wenn ich ein wenig sauer auf ihn bin, liebe ich ihn und kann die Finger nicht von ihm lassen. Er zieht mich magisch an.

"Ich hasse Geheimnisse", nuschle ich an seiner Brust. Will atmet erleichtert aus und legt die Arme um mich.

"Ich liebe dich, Babe", raunt er und küsst meinen Scheitel. Ich brumme zustimmend. Langsam löse ich mich wieder von ihm und nehme seine Hand.

"Da wir jetzt wieder miteinander reden; ich muss schon die ganze Zeit pinkeln. Hast du irgendwo eine Toilette gesehen?", frage ich und sehe mich um. Will fängt an zu lachen und legt einen Arm um meine Schulter.

"Komm, wie suchen eine", grinst er und wir wandern durch den Gang.

Nachdem wir ein WC gefunden haben und ich nich erleichtert habe, setzen wir uns auf ein Bank.

"Ich habe vorhin mit meinem Dad telefoniert. Dan und er holen uns am Flughafen ab."

"Super, dann können sie helfen deine Unmengen an Koffern zu tragen", amüsiert er sich und ich strecke ihm die Zunge raus.

"Selber Schuld, wenn ich bei dir einziehen soll." Will lacht nur und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, bevor er mir einen intensiven Kuss gibt.

Kapitel 29

 Erschöpft schieben wir uns durch die Menge zu dem Gepäckband. Während ich gelangweilt herumstehe und die anderen Passagiere mustere, holt Will einen Wagen.

"Ich hoffe dein Vater ist pünktlich", seufzt mein Freund. Mit einer Hand reibt er sich über sein Gesicht. Wir haben beide im Flugzeug geschlafen, erfrischt sind wir aber keinesfalls. Ungeduldig warten wir auf die drei Koffer, in denen mein ganzes Hab und Gut verstaut ist. Wehmütig denke ich an alles, was ich aussortieren musste, als Will mir dieses Limit gesetzt hat. Aber ich kann es verstehen. Wir werden viel Geld für die neue Einrichtung und unser WÜrmchen, sowie die Taufe ausgeben müssen. Die Kosten für das Extra-Gepäck sind jetzt schon horrend. Mit unseren Sachen treten wir kurze Zeit später durch die Schiebetür und sehen uns suchend um.

"Siehst du die beiden irgendwo?", frage ich verwirrt, da ich kein bekanntes Gesicht erblicke.

"Nein", bestätigt auch Will meine Vermutung und wir beschließen zum Ausgang zu gehen. Auch auf dem Weg dahin begegnen wir meinem Dad und Bruder nicht.

"Das gibt es doch nicht. Ich will endlich nach Hause", flucht mein Freund und ich schlinge beruhigend die Arme um ihn.

"Die beiden kommen bestimmt jeden Moment." Wil malt gedankenverloren Muster auf meinen Rücken, während wir mit geschlossenen Augen dastehen.

"Soll ich sie mal anrufen?", schlage ich vor, als auch zehn Minuten später keiner auftaucht. Will nickt zustimmend. Also wähle ich die Nummer meines Vaters.

"Amy?", meldet er sich direkt.

"Ja, Dad. Kannst du mir mal bitte erklären, wo ihr bleibt?", frage ich genervt.

"Es tut mir Leid, wir sind schon auf dem Weg. Dein Bruder musste warten bis Josy nach Hause gekommen ist. Sie war arbeiten und er konnte Lilly ja nicht alleine lassen."

"Schon gut. Jetzt beeilt euch aber bitte", mahne ich.

"Wir sind in zehn Minuten da."

"Warum haben sie Lilly nicht einfach mitgebracht?", stöhnt Will genervt und ich zucke mit den Schultern.

"Hauptsache sie kommen jetzt endlich", kommentiere ich uns setzte mich auf einen Koffer. Kurze Zeit später kommen uns dann wirklich Dan und mein Vater entgegen.

"Schön dich hier zu haben", sagt mein Dad, als er mich zur Begrüßung umarmt.

"Können wir los? Amy und ich müssen dringend ins Bett", macht mein Freund die beiden darauf Aufmerksam. Jeder von ihnen nimmt ein Gepäckstück, welche sie im Kofferraum verstauen, während ich den Wagen zurück bringe. Will und ich müssen den beiden unsere Pläne für das Kinderzimmer auf der Fahrt genau erklären und schon bald sind die drei Männer zum Fachsimpeln übergegangen. Da ich einfach nur müde bin, lehne ich mich gegen Will und döse, bis wir ankommen.

"Jetzt ziehe ich wirklich in mein Traumhaus", murmle ich, als ich vor meinem neuen Zuhause stehe. Lächelnd lasse ich mir von Will den Schlüssel aushändigen und schließe auf. Tief atme ich den beruhigenden Duft des gemütlichen Hauses mit einem Hauch von Will ein.

Die Männer bringen die Sachen nach oben in das große Schlafzimmer, während ich in der Küche nach etwas zu essen suche. Tatsächlich finde ich einen prall gefüllten Kühlschrank vor mit allerlei frischen Lebensmitteln.

"Josh war für uns einkaufen", erklärt mein Freund, der hinter mich getreten ist. Dan und Dad verabschieden sich von uns und wir machen uns jeder ein Brötchen, welches wir in Windeseile verschlingen.

"Komm, wir hatten genug Stress für heute. Lass uns ins Bett gehen." Gesagt getan. Kaum berühren unsere Körper die Matratze sind wir auch schon eingeschlafen.

 

***

 

Entspannt sitzen wir am nächsten Morgen beim Mittagessen. Das Frühstück haben wir ausgelassen und lieber länger im Bett gelegen.

"Wann kommen die Möbel?", frage ich Will. Wir haben jetzt einen großen Schrank und ein Bücherregal bestellt. Den Schrank wollen wir beide nutzen und Wills kleinen verkaufen, das Bücherregal ist aber nur für mich. Mein Freund ist nicht gerade belesen. Eigentlich hatten wir auch vor einen Schreibtisch und Ähnliches zu besorgen, aber da ich nach der Geburt sowieso erstmal zu Hause bleiben werde, wollen wir uns damit Zeit lassen.

"Morgen, das heißt wir müssen heute noch meine Kleidung aus dem Schrank räumen. Morgen früh kommt der Käufer, damit wir Platz haben."

"Wollen Dad und Dan beim Aufbauen helfen?"

"Ja, ich soll sie dann anrufen." Das Telefonklingeln unterbricht uns. Will bedeutet mir ranzugehen. Auch wenn es nur eine kleine Geste ist, freue ich mich unglaublich darüber. Er akzeptiert mich vollkommen. WIr wissen nicht, wer anruft, aber Will hat kein Problem damit, wenn alle wissen, dass ich jetzt hier wohne.

"Amanda Thompson", melde ich mich gespannt.

"Hey, Süße, schön, dass du endlich da bist", sagt unverkennbar Josy.

"Ich bin auch froh darüber."

"Sag mal, habt ihr Lust zum Abendessen zu kommen?", schlägt sie vor.

"Will, schaffen wir es nachher zu Josy und Dan zum Abendessen?", frage ich ihn bittend. Er nickt lächelnd.

"Wir kommen gerne. Bis später, Josy."

"Bis nachher." Glücklich setze ich mich wieder und esse auf. Danach räumen wir den Schrank aus. Mehrere Kartons stehen im Schlafzimmer, welche wir in eins der Gästezimmer räumen. Umgezogen machen wir uns auf den Weg zu meinem Bruder. Wir laufen händchenhaltend durch die Straße. Uns begegnen ein paar Leute, die uns neugierig mustern. Schliesslich laufen uns Leonie und Benjamin über den Weg. Die beste Freundin von Josy kommt scheinbar gerade von der Arbeit in ihrem Café. Und der Zwillingsbruder von Lillys Patenonkel aus seinem Club.

"Hey, ihr beiden", begrüße ich sie. Überrascht mustern sie unsere verschränkten Hände.

"Hallo. Ihr beide seid zusammen?", fragt Leo auch direkt nach. Lächelnd sehe ich zu Will.

"Ja, wir sind zusammen", bestätigt er.

"Herzlichen Glückwunsch", sie nickt uns grinsend zu.

"Amanda Thompson, was ist das?", Ben zeigt misstrauisch mit seinem Finger auf meinen runden Bauch.

"Ein Baby", antworte ich trocken.

"Das ist doch nicht dein Ernst?! Hab ich dir denn gar nichts beigebracht? Matt, Dan und ich haben dich doch ausreichend aufgeklärt", schimpft er lächelnd.

"Hat wohl nichts gebracht", lache ich und er nimmt mich in den Arm.

"Alles Gute, meine Kleine. Und du passt gut auf sie auf, Will?", hakt er mit zusammen gekniffenen Augen nach.

"Was ist eigentlich los hier? Bin ich so wenig vertrauenserweckend, dass jeder mich das fragt?", will er schmollend wissen.

"Amy ist nun Mal jedermanns Schwester. Als sie noch hier gelebt hat, waren mein Bruder, Dan und ich für sie verantwortlich. Und mit ihrem Hundeblick und dem süßen Lächeln hat sie jeden herum gekriegt. Also müssen wir uns versichern, dass es ihr bei dir gut geht", erklärt Ben schmunzelnd.

"Schade, dass ich da schon weg war", flüstert Will an meinem Ohr und legt die Arme um mich.

"Keine Angst, ich pass auf die beiden auf. Sie sind das Wichtigste für mich", sagt er laut und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel.

"Na dann, viel Glück euch beiden. Kommt uns doch mal besuchen", schlägt Leo vor.

"Ich bin hierher zu Will gezogen, also wird sich das einrichten lassen."

"Das ist ja super. Wir telefonieren demnächst", bestimmt sie und ich nicke.

"Wir müssen jetzt zu Josy und Dan zum Essen. Man sieht sich", verabschieden wir uns und setzen unseren Weg fort.

"Du hast sicher der ganzen Stadt den Kopf verdreht", grinst mein Freund und nimmt wieder meine Hand.

"Du musst nicht eifersüchtig sein, Baby. Ich liebe nur dich", beteuere ich und küsse ihn kurz auf die Wange. Er strahlt mich an und küsst mich auf den Mund.

Kapitel 30

 Das Abend vorgestern bei Josy und Dan war schön. Lilly wollte endlich mal wieder mit ihrer Tante spielen und hat mich somit vor dem Essen komplett vereinnahmt. Will und ich haben von unseren Zukunftsplänen erzählt und die beiden konnten uns viele Tipps rund um unser Würmchen und die Geburt geben. Josy hat mir einen Geburtsvorbereitungskurs vorgeschlagen, bei dem ich mich direkt heute morgen angemeldet habe.

Gestern kam dann der neue Schrank, den mein Vater, Dan und Will aufgebaut haben. Wir haben ihn bereits komplett eingeräumt und ich gebe zu, dass mir ein wenig mehr als nur die Hälfte gehört. Aber Will hat darüber nur geschmunzelt. Jetzt ist auch das Bücherregal, welches wir in das Wohnzimmer gestellt haben, erfolgreich bestückt.

"Babe, komm her", ruft Will aufgeregt, als ich gerade das letzte Buch einräume. Ich sehe auf und gehe zu meinem Freund, der vor dem Fenster steht und hinaus starrt.

"Es schneit", sage ich erfreut und beobachte fasziniert, die weißen Flocken, die bereits den Rasen im Garten verschwinden lassen.

"Schön, oder?" Ich nicke nur.

"Lass uns einen Spaziergang am Lake Tara machen", schlägt Will vor und ich stimme begeistert zu. Schnell suche ich meinen Wintermantel und ziehe ihn an. Entspannt schlendern wir den Weg um den See entlang.

"Begleitest du mich zu dem Kurs morgen?", bitte ich Will.

"Natürlich, ich muss doch wissen, was ich zu tun habe, wenn unser Kleiner bald auf die Welt kommt."

"Wir haben uns noch keinen Namen überlegt. Wie würdest du ihn gerne nennen?"

"Ich weiß nicht. Was hältst du von George?"

"Wie der Sohn von Kate und William? Nein, der Name passt nicht."

"Ich weiß etwas. Ich würde ihn gerne Istas nennen", Will strahlt mich an.

"Istas?"

"Ja, das ist indianisch und bedeutet Schnee. Ich finde das passt sehr gut."

"Der Name ist wirklich schön. In Ordnung, aber nur als zweiten Namen."

"Wie möchtest du unseren Sohn denn nennen?"

"Elijah", antworte ich bestimmt.

"Elijah Istas O'Connor", probiert Will aus und grinst dann.

"Ja, so soll unser Würmchen heißen." Lächelnd gehen wir weiter.

"Denkst du wir werden das schaffen?", frage ich in die Stille.

"Was schaffen?"

"Ein Kind großziehen, zusammen halten, uns ewig lieben, Verantwortung übernehmen", zähle ich auf und sehe ihn zweifelnd an. Will bleibt stehen und wir blicke uns in die Augen.

"Babe, wir beide lieben uns. Daran wird sich nichts ändern. Egal was passiert, das mit uns beiden ist für immer. Und unseren Sohn bekommen wir schon hin. Sieh dir nur mal die Eltern an", grinst er.

"Ich hoffe es. Das ist so viel Neues, womit ich mich nie befasst habe. Was ist, wenn Elijah krank ist, weil die Schwangerschaft so schwierig ist? Vielleicht hat ihm das alles geschadet", überlege ich angsterfüllt.

"Auch wenn er krank ist, das bekommen wir schon hin. Die Ärzte haben uns doch versichert, dass es ihm gut geht. Er ist ein Kämpfer, genau wie seine Mama und unsere Liebe ist unendlich. Das wird Elijah schon spüren", beruhigt er mich und streicht mit dem Finger über meine Wange.

"Ich liebe dich", sage ich und ziehe ihn zu mir.

"Ich liebe dich auch", flüstert Will, bevor wir uns liebevoll küssen. Seine Hand legt er auf meinen Bauch und ich meine darauf. Der Schnee rieselt noch immer auf uns herab, aber es stört uns nicht. Langsam lösen wir uns wieder und öffnen die Augen.

"Amy?", Will kniet sich vor mich und ich schlage die Hände vor den Mund. 'Hat er das vor, was ich denke?'

"Amanda Thompson, du bist die Liebe meines Lebens, die Mutter meines Sohnes und die wundervollste Frau auf der Welt.

Wir haben uns unter ungewöhnlichen Umständen kennen gelernt. Aber als ich dich damals auf diesem Stuhl in der Kanzlei sitzen und weinen gesehen habe, wusste ich, dass etwas zwischen uns ist. Ich musste dich einfach beschützen und auf dich aufpassen. Wir haben eine wundervolle Zeit erlebt.

Der Streit danach war schrecklich. Jeder wollte den anderen verletzen und das hätten wir nicht tun sollen. Stattdessen hätten wir uns unseren Gefühlen stellen und zusammen halten sollen.

Die Zeit danach war schwer. Du, als schwangerer Single ohne den Vater und ich, als verbitterter Single ohne Traumfrau. Aber obwohl du mich sehr verletzt hast, habe ich dich geliebt. Ich wollte es verdrängen, aber als ich erfahren habe, dass du im Krankenhaus bist, hat es sich geändert. Nur hat mich das wütend und eifersüchtig werden lassen, denn ich war nicht an deiner Seite.

Jayden hat meinen Job übernommen, weil ich mir Steine in den Weg gelegt habe. Der Vorfall mit Dan hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Als ich erfahren habe, dass ich der Vater bin, war ich zugleich der glücklichste und traurigste Mensch auf der Welt. Glücklich, weil mein Sohn in dir wächst; traurig, weil ich alles verbockt hatte.

Die Versöhnung hat unsere Bindung gestärkt und sogar die Krankheit hat uns letztendlich einander näher gebracht. Unsere Liebe hat all diese schönen und schlimmen Erlebnisse überwunden. Unser Kind wird diese Beziehung und Liebe festigen.

Wir werden eine Familie sein und um den letzten Schritt zu machen, dass ich dich ganz bei mir habe, möchte ich dich fragen", er hält kurz inne und ich atme tief durch. Die Tränen strömen nur so über mein Gesicht und ich kann mich nicht regen, so sehr hält mich dieser Moment gefangen.

"Amanda Thompson, Babe, möchtest du meine Frau werden?", fragt er hoffnungsvoll und öffnet das kleine Schmuckkästchen, welches er aus der Manteltasche gezogen hat.

"Ja, ich will", hauche ich und strahle Will überglücklich an. Er strahlt genauso zurück, erhebt sich und nimmt meine Hand in seine. Bedächtig schiebt er den Silberring mit dem weißen Diamanten auf meinen Ringfinger.

"Ich liebe dich, mein Schatz", flüstert er sanft und wischt mir die Tränen von der Wange.

"Ich dich auch", sage ich und küsse meinen Verlobten stürmisch, um ihm all meine Gefühle darin zu zeigen. Er scheint es verstanden zu haben, denn er küsst mich mit der selben Liebe zurück.

Bei einer Sache bin ich mir zu hundert Prozent sicher:

'Wir sind genau in diesem Augenblick die glücklichsten Menschen auf der Welt.'

Kapitel 31

"Babe, bist du fertig?", mit diesen Worten betritt Will das Badezimmer, in dem ich gerade nur in Unterwäsche stehe.

"Nein", grinse ich, denn sein Blick wandert hungrig über meinen Körper.

"Ich bin mir nicht sicher, ob wir pünktlich kommen werden", sagt er heiser und zieht mich an ihn. Ich muss zugeben, dass er in der lockeren Jeans und dem aufgeknöpften Hemd zum Anbeißen aussieht.

"Baby, ich möchte nicht zu spät zu deinen Eltern kommen. Wir sehen uns nach Jahren das erste Mal wieder und jetzt komme ich nicht als Tochter von Freunden, sondern als deine Verlobte." Sanft streiche ich mit meinem Finger über seine nackte Brust. Will stöhnt gequält.

"Du bist fies", raunt er, "Aber du hast Recht. Mach dich fertig, in zehn Minuten wollen wir los." Er gibt mir noch einen schnellen Kuss, bevor er im Schlafzimmer verschwindet.

Ich ziehe mir ein lockeres Kleid an und kämme meine langen Haare. Dann stecke ich sie hoch und schminke mich ein wenig. Ich bin so nervös, alles muss perfekt sein. Wenn Clarissa und Andrew mich nicht an seiner Seite akzeptieren, wäre es das schlimmste für mich. Auf keinen Fall möchte ich, dass Will sich zwischen mir und seiner Familie entscheiden muss. Wenigstens kommt Em auch.

Ich beeile mich nach unten zu kommen, wo mein Verlobter schon ungeduldig wartet. Als er mich sieht, strahlen seine Augen regelrecht. Wie ich diese grünen Augen doch liebe.

"Du siehst wunderschön aus, Babe."

"Danke, du auch", grinse ich und gebe ihm einen Kuss, ehe ich mir den Wintermantel überziehe und in die Stiefel schlüpfe.Obwohl Clara und Drew neben der Kanzlei und somit nicht weit entfernt wohnen, besteht Will darauf mit dem Auto zu fahren. Er ist der Meinung ich könnte ausrutschen und Elijah und mir weh tun. Dieses Risiko will er nicht eingehen. Er ist nunmal ein fürsorglicher Vater.

Fünf Minuten später parkt Will den Wagen in der Einfahrt des Einfamilienhauses. Der Anblick ist so vertraut, aber doch ganz anders. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie meine Mum und Clara im Garten saßen, während unsere Dads am Grill standen.

"Alles wird gut, mein Schatz. Komm", sagt Will, der meine Aufregung bemerkt hat. Wir steigen gleichzeitig aus und ich warte, bis mein Verlobter neben mir steht, um seine Hand zu nehmen. Er klingelt an der Tür und ich zerquetsche beinahe seine Finger.

Die Eingangstür wird geöffnet und Clara steht vor mir. SIe strahlt uns erfreut an.

"Hallo, ihr beiden. Schön, dass ihr hier seid. Kommt rein." Wir folgen ihrer Aufforderung und sie zieht mich direkt in eine Umarmung.

"Du bist ja noch hübscher geworden, Amy. Ein wahres Abbild deiner Mum", fügt sie leise hinzu.

"Danke", sage ich verlegen. Dann nimmt sie auch ihren Sohn in den Arm und hängt unsere Mäntel an die Garderobe. Als Clara sich wieder umdreht, wandert ihr Blick direkt zu meinem Bauch. Will hat ihr von der Schwangerschaft erzählt, aber sie scheint trotzdem überrascht.

"Wie weit bist du denn schon?", hakt sie nach.

"Ich bin in der 33. Schwangerschaftswoche."

"Dann bekomme ich ja schon in ungefähr sieben Wochen einen Enkel", freut sie sich und führt uns in das Wohnzimmer, in dem ein gedeckter Esstisch steht. Dort entdecke ich aber nur Wills Vater, seine Schwester scheint noch nicht da zu sein.

"Amanda Thompson, lange ist es her", Drew lächelt mich warmherzig an und drückt mich kurz.

"Ihr beide, ja?", fragt er dann und sieht zwischen Will und mir hin und her.

"Ja, Dad, wir beide", bestätigt mein Freund und legt seinen Arm um mich.

"Das geht ja wirklich schnell mit euch. Warum erfahren deine Mutter und ich erst jetzt davon? Immerhin ist deine Freundin scheinbar schon länger schwanger von dir. Oder ist es nicht dein Kind?", fragt er weiter, während wir uns alle hinsetzen.

"Doch, ich bin der Vater. Amy und ich waren vor über einem halben Jahr zusammen, als sie ihre Familie besucht hat. Aber nur für kurze Zeit. Danach ist sie wieder nach Carboa gegangen. Ich habe erst vor drei Monaten von dem Kind erfahren. Und wie du weißt ist sie zu mir gezogen. Wir wollten erstmal alles klären, bevor wir euch informieren", erklärt Will.

"Warum hat mein Sohn erst so spät von eurem Sohn erfahren, Amy?"

"Im zweiten Monat habe ich die Schwangerschaft bemerkt. Will und ich haben uns nicht gerade im guten getrennt, deswegen wollte ich ihm erst gar nichts von meinem Würmchen erzählen. Aber nach zwei weiteren Monaten habe ich dann beschlossen nach Mitara zu fliegen, um mit ihm zu reden. Nur leider lag ich dann im Krankenhaus und meine Familie hat davon erfahren. Mein Bruder hat überreagiert und ein Missverständnis nach dem anderen folgte. Will dachte, dass ich schwanger von meinem besten Freund bin und ich dachte, dass er nichts von mir und unserem Sohn wissen will. Bis sich das aufgeklärt hatte, hat es seine Zeit gedauert." Drew nickt nachdenklich.

"In Ordnung. Ich hoffe, dass jetzt alles geklärt ist zwischen euch. Soweit ich weiß ist Carboa sechs Stunden von hier entfernt. Ich hätte meinen Enkel aber gerne in der Nähe."

"Wir lieben uns, Dad. Amy und Elijah gehen nirgendwo hin", Will wirft mir einen liebevollen Blick zu und nimmt meine Hand.

"Elijah?", fragt jetzt Clara, die uns Essen auftut.

"Ja, wir haben uns für Elijah Istas O'Connor entschieden", erkläre ich. Wir werden von der Türklingel unterbrochen. Clara kommtt mit Em wieder und wir begrüßen uns herzlich.

"Na, wie geht es meiner Schwägerin und meinem Neffen?", will sie wissen.

"Uns geht es gut. Will kümmert sich hervorragend um uns", lache ich und sie zwinkert ihrem Bruder zu. Wir setzen uns wieder und auch Wills Schwester bekommt einen vollen Teller gereicht.

"Wir müssen euch noch etwas sagen", fängt mein Freund an und sieht kurz zu mir, "Ich habe Amy einen Heiratsantrag gemacht und sie hat zugestimmt meine Frau zu werden."

"Das ist ja wundervoll, Will. Herzlichen Glückwunsch!", lächelt seine Mutter. Auch sein Dad und seine Schwester freuen sich für uns.

"Warum bist du eigentlich zu spät, Em? Normalerweise kommst du doch immer pünktlich", wundert sich Clara.

"Ich... ich war noch verabredet", murmelt sie und blickt nur auf ihren Teller. Ich spüre, wie Will aufmerksam wird und sich aufrichtet.

"Mit wem?", will er wissen und mustert sie ganz genau. Em schweigt und hebt dann ganz langsam den Blick. Jetzt wird mein Verlobter unruhig.

"Josh", nuschelt Em verlegen.

"Du warst mit Josh verabredet? Warum?", fragt er misstrauisch.

"Wir verstehen uns eben gut. Ich war ein paar Mal mit Ty und Olli in Nicks Kneipe, da sind wir uns zufällig begegnet. Letztes Mal haben wir uns dann verabredet. Ist doch nichts dabei", wehrt sie ab und isst schnell weiter.

"Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Vielleicht sollte ich ein Gespräch mit ihm führen." Ich muss mich wirklich zusammenreißen nicht zu lachen, denn er verhält sich genauso wie Dan. Und ich weiß, wie sehr das nerven kann, deswegen zwinkere ich Em zu. Sie lächelt, dankbar darüber, dass ich mit ihm reden werde. 

Kapitel 32

 Am nächsten Morgen stehe ich schon früh auf. Es ist Montag, ich muss nicht arbeiten, aber ich kann einfach nicht mehr schlafen. Ich gebe Will einen Kuss auf die Wange und gehe dann nach unten. In der Küche mache ich mir einen Tee.

Heute kommen die Möbel für das Kinderzimmer, deswegen hat sich mein Freund extra frei genommen. Mein Dad und Dan kommen nachher vorbei. Ich freue mich schon, denn ich darf alles entscheiden, während die Männer arbeiten müssen. In den letzten Tagen hatten wir einen Maler hier, der ein wenig Dschungel in das Zimmer gebracht hat.

Arme schlingen sich um mich und ich zucke zusammen.

"Warum bist du schon wach, Babe?", fragt Will und ich atme erleichtert aus.

"Ich konnte nicht mehr schlafen. Und was ist mit dir? Du hättest noch liegen bleiben können."

"Du hast mir gefehlt. Ich habe so selten frei, da muss ich die Zeit doch nutzen", er gibt mir einen Kuss und setzt sich dann gähnend an den Tisch. Lächelnd decke ich den Tisch.

"Im Moment geht alles so schnell und doch so langsam. Wir sind ständig bei Untersuchungen, bei dem Geburtsvorbereitungskurs, machen den Geburtsplan oder kaufen für Elijah ein. Aber es kommt mir so vor, als rückt die Geburt gar nicht näher."

"Das denkst du nur. Für mich geht es unglaublich schnell. Du bist schwanger und es ist ständig etwas los. Manchmal hätte ich gerne mal eine Auszeit. Aber nach Elijahs Geburt fängt das Ganze erst an."

"Wird dir das zu viel?"

"Wie gesagt, ich könnte hin und wieder eine Auszeit gebrauchen, aber ich liebe dich und Elijah. Wenn ich daran denke, was wir erlebt haben und noch erleben werden, entschädigt mich das für jeden Stress." Will nimmt meine Hand und haucht einen Kuss auf den Verlobungsring.

"Ich liebe dich auch. Und ich freue mich auf unsere Zukunft."

 

***

 

"Gefällt es dir?", fragt mein Dad. Ich nicke lächelnd.

"Es ist wunderschön geworden. Danke", ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange.

"Ich muss jetzt wieder zur Arbeit. Dan, du kommst gleich nach", weist er meinen Bruder an, der gerade mit Will den letzten Schrank aufstellt. Dann verschwindet er nach draußen.

"Ich möchte, dass der Schrank auf die andere Seite kommt. So versperrt er doch den Weg", kommentiere ich und die Männer schleppen ihn auf die andere Seite.

"Nein, das gefällt mir auch nicht. Stellt ihn mal hier hin." Und sie tragen ihn weiter.

"Nein, das ist es auch nicht. Wie wäre es hier drüben?", ich deute auf eine neue Stelle. Die beiden stöhnen auf.

"Amy, dieser Schrank ist schwer. Entscheide dich endlich", meckert mein Bruder und sie tragen ihn rüber.

"Ja, hier steht er super. Danke, Jungs!" Mein Bruder bekommt einen Kuss auf die Wange und Will einen auf die Lippen. Dann sehe ich mich nochmal zufrieden um. Auch Dan verabschiedet sich und ich lüfte durch, während Will duschen geht.

"Besorgen wir noch Kleidung?", fragt er, als er nur im Handtuch ins Schlafzimmer kommt.

"Später", grinse ich und küsse ihn leidenschaftlich. Will grinst in den Kuss hinein und hebt mich vorsichtig auf das Bett. Langsam befreit er mich von meinen Sachen, sodass ich schon frustriert aufstöhne.

"Baby, ich will dich. Jetzt. Beeil dich!"

"Nicht so ungeduldig. Gestern waren wir schon so schnell durch, heute werde ich dich verwöhnen", verspricht er und küsst mich nochmal.

 

***

 

Gemächlich schlendern wir die Straße entlang. Auch wenn das Einkaufszentrum etwas weiter entfernt ist, konnte ich Will überzeugen das schöne Wetter für einen ausgiebigen Spaziergang zu nutzen.

"Hast du wirklich vor mit Josh über Em zu sprechen?", frage ich ihn. Er sieht mich überrascht an.

"Natürlich. Erstens hätte er mir davon erzählen müssen und zweitens habe ich keine Lust, dass er meine kleine Schwester verletzt und ich ihn verprügeln muss."

"Baby, mach nichts Unüberlegtes. Ich kenne das von Dan und ich weiß, wie deine Schwester sich dabei fühlt. Ich überlasse es dir mit ihm zu sprechen, aber verbiete ihnen nicht den Umgang. Em ist erwachsen."

"Ich habe nicht vor ihnen den Umgang zu verbieten, aber ich kenne Josh. Er war schonmal an ihr interessiert und ich habe ihn zurecht gewiesen. Aber wenn sie sich beide mögen, kann ich das wohl nicht ändern. Das möchte ich auch nicht. Stell dir vor, Dan hätte uns beiden verboten zusammen zu sein."

"Wir hätten es trotzdem getan", kichere ich und gebe ihm einen flüchtigen Kuss.

"Siehst du. Es ist mir lieber, wenn ich mitbekommen was zwischen Em und Josh läuft und sie es nicht verheimlichen."

"Du wirst ein guter Dad."

"Ich hoffe doch. Aber ich bin mir noch nicht sicher, was ich zu Elijahs ersten Freundin sagen werde", meint er und wir lachen.

Wir gehen durch die Straße, in der eigentlich die Fahrschule ist. Doch dort sehe ich nur noch ein leeres Gebäude.

"Was ist denn hier los?", frage ich und bleibe stehen. Die Tür des Wohnhauses daneben öffnet sich und Evelyn kommt heraus. Sie hält einen Karton in der Hand.

"Hallo Amanda", sagt sie verlegen, "Hey Will" Die Tür geht nochmal auf und Thomas tritt neben sie.

"Hallo", grüße ich zurück. Will drückt meine Hand und ich bin ihm sehr dankbar, dass er bei mir ist.

"Zieht ihr um?", fragt mein Freund die beiden. Thomas scheint keine Lust zu haben mit uns zu reden, denn er nimmt Eve den Karton ab und geht um die Ecke.

"Ja, wir ziehen nach Moura", erklärt sie und fährt sich nervös durch die kurzen schwarzen Haare.

"Wo genau liegt das?", will mein Verlobter wissen.

"Das liegt etwas nördlicher, ungefähr eine halbe Stunde von hier."

"Und was ist mit der Fahrschule und euren Eltern?", frage jetzt ich. Tommy wollte nie aus Mitara raus, deswegen wundert mich der Umzug.

"Wir können unsere Eltern ja noch besuchen, aber uns gefällt es hier nicht besonders. Die Bewohner sind unfreundlich", antwortet jetzt Tommy, der wieder zu uns kommt. Er klingt ziemlich wütend.

"Willst du irgendetwas andeuten?", Will starrt ihn herausfordernd an.

"Ich denke du hast mich schon verstanden", sagt der nur. Mit wenigen Schritten ist Will bei ihm und packt seinen Oberarm.

"Hör genau zu. Die Geschichte mit Amy und dir habe ich nur gehört und kann nichts dazu sagen, aber du wirst sie in keinster Weise beleidigen, wenn ich dabei bin. Du kannst froh sein, dass du weg ziehst und ich keinen Stress möchte. Sonst würde ich dir jetzt gehörig die Fresse polieren", zischt er. Und dann passiert es. Mein Exfreund schlägt ihm ins Gesicht. Will lässt das natürlich nicht mit sich machen und schlägt zurück. Bald schon sind sie in einem wilden Gerangel zu Boden gegangen.

"Tommy, lass ihn. Mach es doch nicht noch schlimmer. Wir wollten doch neu anfangen", heult Eve und steht wie ein Häufchen Elend neben ihnen. Doch ihr Freund hört nicht auf sie, sondern prügelt sich weiter. Diese Aufregung ist nicht gut für mich und ich setze mich einen Moment auf die Treppenstufen vor dem Haus. Will hat die Oberhand, aber ich muss das stoppen.

"Will, hör auf!", schreie ich so laut ich kann und er hört auch direkt auf. Erschrocken sieht er auf und kommt zu mir.

"Geht es dir gut, mein Schatz?", fragt er besorgt und hockt sich vor mich.

"Es geht schon, aber deine Prügelei gefällt mir nicht", schimpfe ich.

"Es tut mir Leid, er hat mich rasend gemacht. Komm mit, wir gehen weiter." Bestimmt zieht er mich hoch und legt schützend einen Arm um mich. Wir lassen die beiden schweigend hinter uns.

Kapitel 33

 In den letzten zwei Wochen ist dann nichts weiter passiert. Ich musste Will ein wenig verarzten, da der Spinner sich natürlich beinahe die Nase hat brechen lassen. Aber er ist selber Schuld.

"Baby, wir müssen meine Krankenhaustasche heute packen", rufe ich zu Will ins Büro.

"Okay, aber erst später. Wir bekommen gleich besuch."

"Wer kommt denn?", frage ich verwirrt und gehe zu ihm. Er lehnt sich grinsend in seinem Schreibtischstuhl zurück.

"Das wirst du schon sehen", meint er nur geheimnisvoll und ich schnaube. Ich hasse Geheimnisse immer noch. Schmollend gehe ich nach oben, um mich umzuziehen. Wer weiß, wen er eingeladen hat.Zwanzig Minuten später klingelt es und weil Will keine Anstalten macht zur Tür zu gehen, ergreife ich die Initiative.

"Hallo, Amy", begrüßt Jay mich grinsend und ich springe ihm quitschend in die Arme.

"Jay, was machst du denn hier?", frage ich aufgeregt und ziehe ihn ins Haus. Er hat eine Reisetasche dabei und deutet hinter mich.

"Scheint, als hätte dein Freund dicht gehalten." Verwirrt sehe ich Will an der nur amüsiert lacht.

"Glaub mir, sie hat mich genervt, ignoriert und ganz schön leiden lassen. Aber ich hab nichts gesagt."

"Was ist hier los?", will ich wissen.

"Ich werde die nächsten Tage bei euch unter kommen. Und dann suche ich mir eine eigene Wohnung. Meine Sachen kommen in ein paar Wochen nach. Su hat mir einen Job in ihrem Restaurant angeboten", erklärt mein bester Freund. Fassungslos sehe ich ihn an.

"Was?! Soll das heißen du bleibst für immer hier?"

"Genau das heißt es", lacht er und ich umarme ihn nochmal jubelnd. "Ich muss doch bei meinem Patenkind sein, wenn es zur Welt kommt, Fahrrad fahren lernt, die erste Freundin hat und irgendwann vielleicht heiratet."

"Das ist so toll!", strahle ich. "Ich rufe Josy an, sie weiß bestimmt wo eine Wohnung frei ist." Und schon bin ich in der Küche verschwunden. Unglaublich, vor einem Monat musste ich mich noch schweren Herzens von Jay verabschieden und jetzt wird er hier bleiben.

"Josy, Jay ist hier und hat einen Job gefunden. Er will nach Mitara ziehen. Weißt du, wo es eine freie Wohnung gibt?", frage ich direkt, als meine Schwägerin abnimmt.

"Jay bleibt hier? Wie schön. Ja, ich denke ich weiß etwas. Neben Lin ist eine Wohnung, aber soweit ich weiß nur für eine bestimmte Zeit. Und sonst hätten wir noch das ehemalige Haus von Thomas und Evelyn. Es gehört deinen Schwiegereltern", informiert sie mich und ich könnte Luftsprünge machen.

"Danke, Josy. Grüß deine Familie. Wir sehen uns übermorgen bei meinem Dad", verabschiede ich mich und gehe zu den Männern, die mittlerweile auf dem Sofa sitzen.

"Jay, gute Nachrichten. Es gibt zwei Möglichkeiten. Neben Lin, du erinnerst dich sicher", ich zwinkere ihm zu, "ist eine Wohnung frei, aber nur auf Zeit. Und das Haus neben der Fahrschule steht leer. Evelyn und Thomas sind ausgezogen."

"Das klingt super. Ich denke ein Haus ist etwas zu groß und die Wohnung ist sogar möbiliert, das trifft sich gut. Ich musste den Großteil der Möbel verkaufen, also nehme ich die Wohnung. Das kläre ich in den nächsten Tagen."

 

***

 

Tatsächlich bekommt er die Wohnung und richtet sich eine Woche später dort ein. Ich bin hochschwanger und habe noch ungefähr drei Wochen bis zur Geburt. Weihnachten haben wir alle zusammen gefeiert. Mein Dad hat uns, Dan, Josy und Lilly, Clara und Drew, Em und Josh und auch Jay und Lin eingeladen. Em und Josh sind sich immer noch nicht sicher, was genau zwischen ihnen läuft, aber sie sind auf dem besten Weg ein Paar zu werden. Zumindest denken Will und ich das.

Lin und mein bester Freund hatten sich während unseren Besuch damals schon sehr gut verstanden. Sie haben sich ineinander verliebt und sind zusammen. Es geht zwar sehr schnell mit ihnen, aber ich bin die letzte, die etwas dagegen sagen kann. Hauptsache die beiden sind glücklich.

Endlich läuft alles gut und mein Leben ist geregelt. Mein Freunde und meine Familie sind in meiner Nähe. Will verdient genug Geld für unsere kleine Familie. Sogar unser Haus ist voll ausgestattet und wir warten eigentlich nur noch auf Elijah. Dieser hat sich scheinbar den 27. Dezember ausgesucht, denn als ich mit Josy, Lilly und Leo in ihrem Cafe sitze, platzt meine Fruchtblase. Da es mir soweit gut geht, versuche ich mich zu entspannen.

"Will, komm sofort in Leos Café. Amys Fruchtblase ist geplatzt", informiert Josy meinen Verlobten, der sich direkt auf den Weg macht. Ich weiß, dass ich noch ein wenig werde warten müssen. Will muss von der Kanzlei erstmal nach Hause, die Tasche holen und dann mit dem Auto hierher fahren.

Bereits fünf Minuten später ist er da und trägt mich in den Wagen, während er mir beruhigende Worte zuflüstert. Ich hätte nicht gedacht, dass Will so ruhig bleiben wird. Ich erinnere mich daran, dass meine Schwägerin damals einen halb durchdrehenden Mann an ihrere Seite hatte. Aber Wills Ruhe färbt auf mich ab. Zumindest bis die erste Wehe kommt und ich mich zusammenkrümme.

Augenblicklich beschleunigt Will und ich nehme beruhigend seine Hand. Er redet mit mir, um mich abzulenken und ich bin ihm wirklich dankbar dafür.

Im Krankenhaus kümmert man sich gut um mich. Die Schmerzen werden immer unerträglicher und ich zerquetsche beinahe Wills Hand. Er versucht weiterhin ruhig zu bleiben, obwohl ich seine Finger zittern sehe.

Ich habe nicht das Bedürfnis ihn zu beschimpfen, denn er ist einfach zu süß, wie sehr er mir helfen will. Ständig macht er mir Mut, küsst mich und lässt mein Schreien kommentarlos über sich ergehen. Nach gefühlten Stunden wird mir das Zeichen zu pressen gegeben. Ich hatte noch nie so große Schmerzen, aber der Gedanke bals meinen Sohn in den Armen halten zu können, lässt mich durchhalten.

Eine halbe Stunde später ist es geschafft. Elijah Istas O'Connor ist auf der Welt und trinkt gerade genüsslich an meiner Brust. Er ist wunderschön und unglaublich weich. Bei seinem Anblick kann ich nicht anders als vor Freude zu weinen. Will sitzt neben mir und beobachtet stolz unseren Sohn.

"Das haben wir gut hinbekommen. Ich liebe dich, Babe", sagt er und küsst mich, bevor ich etwas erwidern kann.

"Ich liebe dich auch. Und unseren Sohn", bestätige ich strahlend.

Epilog

 *16 Jahre später*

Will:

"Hey, mein Schatz", begrüße ich meine Frau und gebe ihr einen Kuss.

"Daddy", unsere Jüngste springt erfreut auf und drückt sich an mich.

"Hallo, Prinzessin", ich hebe die 5-jährige hoch und gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel. Auf ihrem Stuhl setze ich sie wieder ab und nehme am anderen Ende platz.

"Alles klar bei euch?", frage ich meine beiden Söhne, die sich böse anstarren.

"Dad, Elijah hat...", fängt Max an, doch sein großer Bruder unterbricht ihn.

"Halt deinen Mund, Max", faucht er.

"Hey, hey. Ganz ruhig!", beschwichtige ich sie und fülle meinen Teller.

"Elijah hat eine Freundin", ruft Max und springt auf, als sein Bruder ihn packen will.

"Du verfluchter...", schreit er und rennt ihm hinterher.

"Jungs, es reicht", sagt Amy und wie durch Zauberhand setzen sie sich wieder gesittet an den Tisch. Sie erdolchen sich zwar noch immer mit Blicken, aber mehr auch nicht.

"Max, petzen ist nicht in Ordnung", ermahne ich den 12-Jährigen. "Und du, Elijah, was hast du dazu zu sagen? Simmt das?"

"Ja, ich habe eine Freundin", bestätigt er.

"Seit wann?"

"Ein paar Wochen", antwortet er ausweichend.

"Kennen wir sie?", will Amy aufgeregt wissen. Ich grinse sie amüsiert an. Elijah brummt nur und ich ziehe die Augenbrauen hoch.

"Ja, okay, ihr kennt sie. Es ist Hanna", gibt er nach und Amy quietscht auf.

"Hanna. Jays Tochter Hanna?"

"Ja"

"Oh mein Gott, das ist wunderbar. Warum hast du denn nichts erzählt?", redet sie schnell weiter. Sie ist total aufgedreht.

"Amy, jetzt lass ihn doch. Bei deiner Reaktion wundert es mich nicht, dass er nichts sagen wollte", kommentiere ich.

"Gute Wahl, mein Sohn", flüstere ich Elijah zu, der mich angrinst.

"Hast du sie schon geküsst?", will meine Tochter wissen. "Wenn du sie nicht geküsst hast, seid ihr auch nicht richtig zusammen."

"Maya", schimpft ihr großer Bruder, doch kann ihrem forschen Blcik nicht ausweichen. Sie wickelt einfach jeden um den Finger, das hat sie von ihrer Mutter.

"Ja, ich habe sie geküsst und jetzt sei still."

"Sie küssen sich ständig in der Schule. Das ist so eklig", kommentiert Max und rümpft die Nase.

"Irgendwann wirst du das auch tun", sagt Amy und streicht ihm übers Haar. Er schüttelt aber bestimmt den Kopf.

"Lin, Jay und die Kinder kommen sowieso jeden Moment. Mal sehen, ob die beiden das wussten.", flüstert meine Frau mir zu, als sie die Teller wegräumt.

Und schon klingelt es. Lin und Jay sind mittlerweile auch verheiratet und haben zwei Kinder. Hanna ist 15 und Marco 12.

"Ab in den Garten mit euch. Wir wollen uns unterhalten", ruft Amy ihnen zu und wartet bis alle Kinder draußen sind.

"Schön euch zu sehen", begrüße ich die beiden und umarme sie.

"So ist es. Wir haben uns schon so lange nicht getroffen. Aber wir sehen uns ja auch morgen auf Marias Geburtstagsfeier", sagt Jay lächelnd. Maria ist Josys und Dan zweite Tochter, die morgen 15 wird.

"Oh mein Gott, kommt her", ruft Amy, die am Küchenfenster steht und hinaus starrt. Wir treten neben sie und sehen raus. Ein Stück weiter spielen Marco und Max mit Maya Fussball. Doch der eigentliche Blickfang sind Elijah und Hanna, die knutschend an dem Gartenhaus lehnen.

"Was ist das? Sind sie etwa zusammen?", entgeistert blickt Lin zu ihrer Tochter.

"Wir haben gerade davon erfahren. Das geht schon ein paar Wochen so. Und sie haben nichts verraten. Aber die Kinder wussten scheinbar davon, weil sie die beiden in der Schule gesehen haben", erkläre ich.

"Mein kleines Mädchen", jammert Lin. Jay legt ihr lächelnd den Arm um die Schulter.

"Komm schon, Süße. Die beiden sind alt genug. Wenn sie sich lieben...", er grinst mich an.

"Ich finde sie passen gut zusammen. Sieh nur wie süß sie sind", befindet Amy und deutet nach draußen.

"Sie sind glücklich", füge ich hinzu.

"Genau wie wir", flüstert Amy und ich gebe ihr einen innigen Kuss.

"Ich liebe dich, Baby."

"Ich liebe dich auch, Babe."

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.05.2015

Alle Rechte vorbehalten

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