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Erntezeit

 

 

Eine Science-Fiction-Kurzgeschichte

von Samuel Sommer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Text Copyright © 2018/2020

Samuel Sommer

Alle Rechte vorbehalten

 

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© Tombud

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„Nicht so schnell, Muru!“, warnte Dom das Kind, während er sich den Schweiß aus dem Gesicht wischte und für einen Moment die Augen schloss. Es war ein verflixt heißer Erntetag und alle würden froh sein, wenn die Arbeit getan war.

Entgegen der Warnung sauste Muru weiter um die Arbeiter herum, die alle entlang der vom Traktor gezogenen Furche die an die Oberfläche gerüttelten Kartoffeln in braune Säcke füllten. Kurz hinter Muru liefen die Kinder von Ann und Mat, beide beinahe zu alt zum sorglosen Herumtoben und nächstes Jahr vielleicht schon unter den Helfern.

„He, alter Mann. Keine Müdigkeit vortäuschen.“ Jemand pikte ihn freundschaftlich in die Seite, und Dom blickte in das Gesicht seiner wunderbaren Frau.

„Ich bin nicht alt“, brummte er. Seitdem er dieses graue Haar hatte, machte es ihr anscheinend Freude, ihn mit seinem Alter aufzuziehen. Er tat dann immer so, als fühle er sich in seiner Ehre gekränkt, aber eigentlich war das gar nicht so.

Er warf einen letzten Blick den weiten Hang hinunter, der voller Äcker, Wiesen und Felder war, die bis an die ersten Fachwerkhäuser von Niederfluss grenzten, ihrem Heimatdorf. Dann widmete er sich wieder dem Aufsammeln der Töften. Als der Sack annähernd voll war, band Dom ihn mit dem Geschick vieler Jahre mit einem blauen Band zu und schulterte den Sack, um ihn zum Wagen zu bringen.

„Nicht alleine!“, protestierte seine Frau, als sie sah, dass er das schwere Ding einmal mehr ganz alleine schulterte.

„Ich bin alt“, entgegnete er. „Aber nicht zu alt für einen Sack Kartoffeln.“

Seine stämmigen Beine brachten ihn sicher zu dem großen Wagen, und mit Schwung beförderte er den Sack zu den anderen. Wie immer staubte es ordentlich. Beinahe dreißig Säcke hatten sie bereits sorgfältig auf dem Wagen gestapelt. Vorne, ganz obenauf, saß der kleine Tom und freute sich mit einem glucksenden Lachen über jeden Sack, der seine Burg vergrößerte.

Dom machte eine Grimasse, und das Kind fing darauf wieder an zu kichern. In dem Alter waren sie noch leicht zu beeindrucken. Es war das jüngste seiner Enkelkinder. Insgesamt sieben Stück waren es mittlerweile, und wenn es gut lief, dann würden auch noch ein paar mehr hinzukommen. Er hoffte es zumindest. Man konnte nie genug Helfer haben.

Von der dem Kartoffelacker gegenüberliegenden Weide kam der verzweifelte Schrei eines Karabi-Rindes zu ihnen herüber. Der alte Bulle versuchte erneut erfolglos, eine seiner Frauen zu besteigen, aber offenbar war niemand in rechter Stimmung heute.

Alle Arbeiter auf dem Feld blickten kurz auf und beobachteten das Spektakel mit grinsenden Gesichtern.

„He, Paps. Wann schlachten wir den alten Bullen endlich und du kaufst dir einen neuen. Einen, der nicht so alt ist?“, fragte sein ältester Sohn Darius.

„Es kommt nicht auf das Alter an“ meinte Dom überzeugt. „Außerdem hat er ab und an ja noch Glück. Ich gönne ihm noch ein oder zwei Jahre.“

„Irgendwann ist er zu alt, um ihn noch an den Schlachthof zu verkaufen.“

„Dann ist das eben so. Wir sind doch hier nicht in den Kernwelten“, meinte er. Auf anderen Planeten mochten Geld und Gewinn wichtiger sein als alles andere, aber hier war das nicht der Fall. Er war ja auch nicht ausgewandert, weil ihm solche Dinge wichtig waren. Er war ausgewandert, weil er mit seinen eigenen Händen ehrliche Arbeit machen wollte. Die beste Entscheidung seines Lebens. Seit dreißig Jahren war er hier glücklich.

Da die Arbeiter die komplette Reihe aufgelesen hatten, warf Dom wieder den Traktor an. Hinten angehängt war ein spezieller Pflug, der durch Drehen des bepflanzten Damms die Kartoffeln an die Oberfläche förderte. Als die Kinder bemerkten, dass es eine weitere Runde mit dem Traktor gab, kamen sie laut schreiend angelaufen und setzten sich zu ihrem Großvater auf die beiden Plätze links und rechts von ihm. Dabei quetschten sich zwei oder drei Kinder auf den Platz, der eigentlich für eine Person vorgesehen war. Dom begann lächelnd, den Pflug zu senken, und all seine Helfer kamen heran, um die nächsten Säcke zu füllen.

Schlussendlich arbeiteten sie bis in den späten Nachmittag hinein. Zwischendurch gab es belegte Schwarzbrote mit Marmelade, und alle saßen gemeinsam auf dem Berg aus gefüllten Säcken und ließen es sich gutgehen. Vito und Carla, ihre neuen, aber stets hilfsbereiten Nachbarn, erzählten von Vitos Zeit bei den Sternenkriegern, und auch wenn Dom die Geschichten schon einige Male gehört hatte, verloren sie einfach nie ihre Wirkung, und Vito vollbrachte das Kunststück, sie immer wieder aufregend und spaßig zu erzählen. Die Augen der Kinder füllten sich dann mit Sehnsucht, und sie schienen sich zu fragen, ob sie wohl eines Tages auch zu den Sternen und fremden Welten reisen könnten.

Wenn man bedachte, wo genau ihre Heimat lag, dann war das wohl eher unwahrscheinlich. Und wenn sie wüssten, was sie dort draußen erwartete, dann würden sie wohl auch nicht mehr dorthin wollen.

„Alles einpacken!“, rief Dom gegen halb sechs. Voller Stolz blickte er auf das abgeerntete Feld und einen vollgepackten Anhänger.

Den Pflug würde er über Nacht hier stehen lassen. Jetzt galt es den Anhänger an den Traktor zu kuppeln und die Kartoffeln noch heute einzukellern.

Die Kinder nahmen wieder bei ihm auf dem Traktor Platz, während es sich die Helfer allesamt auf dem Säckeberg bequem machten. Sie waren alle gemeinsam hergefahren, und sie würden auch alle gemeinsam wieder zurückfahren.

Genüsslich zuckelte Dom über die Feldwege und kam schließlich, in der Nähe des Dorfes, auch wieder auf gepflasterte Straßen.

Keine fünfhundert Meter vor dem ersten Haus entfernt dröhnte ein Horn, durchdringend und tief, durch das gesamte Tal, und Dom bekam eine Gänsehaut. Alle Augen auf dem Wagen richteten sich gen Himmel, und am Horizont stieß ein schwarzer Klecks rasend schnell näher.

„Sie kommen!“, brüllte Dom und trat das Gaspedal durch. Jetzt würde es auf jede Minute ankommen.

Die Kinder schrien, die Erwachsenen blickten sich ängstlich in die Augen, und ein jeder, der religiös war, faltete die Hände zum stillen Gebet. Dom blickte sich um, und sein Blick begegnete dem seiner Frau. Eine unvergossene Träne schien in ihren Augen zu liegen, und wortlos teilte Dom ihr mit, dass sie sich keine Sorgen machen musste.

Das Horn erklang ein zweites Mal. In der Ferne sahen sie einige Menschen zwischen den Häusern herlaufen. Panisch und schnell. Hinein in die Bunker.

Dom wusste, dass sie zu weit draußen waren. Sie würden es nicht rechtzeitig bis zu ihrem Haus schaffen.

Trotzdem musste er es versuchen. Trotzdem musste er irgendwie alles geben, um seine Familie zu beschützen.

Der Klecks am Himmel kam näher, das Röhren riesiger Aggregate drang an ihre Ohren, das Flimmern von Energiefeldern roch nach fremden Aggressoren. Das Raumschiff parkte über dem Ort, verdunkelte die Sonne, und aus verdeckten Luken sausten Gleiter zu ihnen herab.

„Halt kurz an. Wir können es bis zum unserem Bunker schaffen!“, rief Vito.

„Nein, du musst …!“

„Halt jetzt an, du alter Narr!“

Dom trat auf die Bremse, damit Vito und seine Frau absteigen konnten. Gemeinsam rannten sie über die Wiese der Schornsteinfegerfamilie und versuchten, irgendwie ihr Heim zu erreichen. Doch einer der Gleiter brauste aus dem Himmel. Ein Geschoss löste sich, wirbelte durch die Luft und traf die beiden Flüchtenden. Dom konnte sehen, wie sie sich in einem dichten Netz verfingen und durch lähmendes Gift ihre Bewegungen langsam erstarben. Der Gleiter landete, sammelte das Netz auf, und zusammen mit seiner Beute brauste er wieder zum Raumschiff empor. Dom war wie gelähmt. Sie hatten seine Nachbarn geholt. Die verdammten Diebe hatten seine Nachbarn geholt. Die Leute, die er seit drei Jahren kannte

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 15.03.2020
ISBN: 978-3-7487-3200-6

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