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Aufbruch

Aufbruch

 

Unbarmherzig brannte die Sonne auf das Land, in den staubigen Straßen flimmerte die Hitze und die kleine Stadt schien von der gleißenden Sonne beinahe gelähmt.

Vor einem kleinen Supermarkt stand ein schicker, roter Sportwagen und eine junge Frau stand gelangweilt davor. Immer wieder ging ihr Blick zur Uhr und sie folgte mit den Augen der endlosen, geraden Straße, die Mitten hinein in die Prärie zu führen schien. Mitten in das Nichts.

Weder die junge Frau, noch ihr Auto passten in das Bild. Zwischen den staubigen, derben Holzhäusern, die einem alten Westernfilm entsprungen schienen und den Menschen, die eher unauffällig gekleidet waren, fielen beide auf und wurden offen beobachtet. Jeder wartete, was passieren würde und in der Luft lag eine immer stärker werdende Spannung.

Endlich sah sie einen alten,braunen, verbeulten Wagen auf die Stadt zufahren und seufzte erleichtert.

Wenig später hielt der alte,verbeulte Ford auf der anderen Straßenseite und die junge Frau straffte ihren Körper, als der Mann ausstieg und langsam auf sie zukam.Wie gut er aussah. Schnell wägte sie noch einmal ihre Entscheidung ab und nickte dann:

“ Hallo. Schön, dass Du so schnell kommen konntest.”

Der Mann beugte sich vor und wollte sie küssen, aber sie zog ihren Kopf weg.

“ Was ist los?Bist du sauer?”

Ihm schwante, dass ihr plötzlicher Anruf nichts gutes bedeuten konnte und wurde nervös.

Die junge Frau sah zu ihm auf und sagte knapp:

“ Ich mache Schluss.”

“ Was? Janine, was soll das?”

Fassungslos sah er sie an.Er begriff nicht, was sie sagte. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Erst gestern noch hatten sie sich getroffen, sich geliebt, es war alles wie immer. Was sollte das jetzt? Wollte sie ihn wieder einmal dazu bringen, etwas für sie zu tun was er nicht wollte?

Janine nickte und musterte ihn mit kalten blauen Augen. Die Kälte in ihrem Gesicht erschreckte ihn.

“ Jay, die Zeit mit dir war nett. Aber sieh es aus meiner Sicht. Was kannst du mir schon bieten? Ein armseliges Leben in einer Holzhütte ohne jeden Luxus ist nicht das, was ich im Leben suche und ...”

Er unterbrach sie fassungslos:

“ Es war “nett”? Bisher hat es dich nicht gestört, dass ich nicht viel Geld habe.”

Janine schnaubte und sagte etwas heftiger:

“ Ich habe nur nichts gesagt. Du bist exotisch, das hat mich besonders gemacht und meine Freundinnen haben mich beneidet. Du bist gut im Bett und der Sex mit dir ist etwas, das ich sicher vermissen werde, aber Steve... er kann mir etwas bieten. Luxus. Wohlstand.”

Jay kam es vor, als ob die Welt für einen kurzen Augenblick den Atem anhielt. Er sah nicht mehr die staubigen Straßen, die Leute, die die Szene schadenfroh beobachteten, nicht einmal die flimmernde Hitze des Tages nahm er noch war.Er hatte das Gefühl, als ob man ihm den Boden unter den Füssen wegzog.

Hart packte er Janine am Arm und konnte seine Stimme nur schwer beherrschen:

“ Du miese kleine ...”

“ Vorsicht ! Beleidige mich nicht! Ich bin eine weiße Frau ! Vergiss das nie. Lass mich sofort los!”

Ihre harten Worte knallten in sein Herz wie ein Peitschenhieb. Automatisch ließ er sie los und als sie sah, wie verletzt er war, verzog sie spöttisch das Gesicht und sagte abfällig:

“ Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass das mit uns etwas Langfristiges ist?”

Jay schluckte hart:

“ Doch. Doch, das habe ich.”

Sie stieß die Luft aus und setzte genervt hinzu:

“ Ich sagte schon, du bist gut im Bett, aber das war auch schon alles. An etwas Ernstes hab ich nie gedacht... Lass gut sein, ich habe keine Zeit mehr.”

Einen letzten Versuch startete er:

“ Janine, bitte! Wieso tust du das? Wir haben uns geliebt, das war doch nicht alles nur gespielt.”

Nein, das war es nicht. Sie liebte ihn, aber den Luxus, den ihr Steve bieten konnte, liebte sie mehr. Einige Sekunden starrten sie sich an. Jay prägte sich alles ein, ihre blonden langen Haare, ihre zierliche Figur. Sie trug einen kurzen schwarzen Minirock mit viel zu hohen Schuhen und ein knappes Shirt. Sie wirkte billig, nicht mehr wie die Frau mit der er glaubte, zwei Jahre lang glücklich zu sein.

Wieder sprach sie mit einer etwas zu schrillen Stimme:

“ Du wirst darüber hinweg kommen.”

Damit wandte sie sich ab und stieg in ihren neuen roten Sportwagen. Sie starte und fuhr mit aufheulendem Motor davon. Jay stand in einer Staubwolke und schluckte.

Langsam ging er zu seinem alten Auto und ließ sich auf den Sitz fallen. So fühlte es sich also an, wenn einem das Herz gebrochen wurde, wenn man von einer Sekunde auf die andere seine Träume verlor und feststellte, dass man nichts war als ein Spielzeug. Und wie ein Spielzeug wurde er einfach weggeworfen, als er überflüssig wurde.Er startet den Motor und fuhr langsam zurück, aber als er die Stadt hinter sich gelassen hatte, hielt er am Straßenrand an und ließ seine Stirn gegen das Lenkrad sinken. In seinem Kopf drehte sich alles. Janine, seine große Liebe. Er hatte alles für sie getan, was sie wollte, jeden dreckigen Job angenommen, damit er sie wenigstens etwas verwöhnen konnte.Er hatte sie geliebt und mit ihr eine Familie gründen wollen, wollte in eine andere Stadt ziehen, weg von der Reservation. Jetzt war alles kaputt.Er ballte die Hand zur Faust und kämpfte mit den Tränen. Trotzdem rollte eine Träne über seine Wange und hinterließ ihre salzige Spur. Langsam hob er den Kopf und blickte in den Rückspiegel. Ihm sah ein bronzefarbenes Gesicht entgegen, mandelförmige, dunkle Augen und ein sinnlicher Mund. Heftig schlug er gegen das Lenkrad und stieß hervor:

“ Verdammter Indianer ! Fang bloß nicht an wegen so einer so heulen, das ist sie nicht wert.”

Er hasste es, ins Reservat zurück zu kehren, er hasste es, seiner Schwester und seinem besten Freund mitzuteilen, dass Janine ihn verlassen hatte, weil er Indianer war.Wieso hatte er nicht gemerkt, dass sie so kalt war? Jeder hatte ihn gewarnt, aber er hatte das nie hören wollen.

“ Verdammte weiße Schlampe! Nie wieder werde ich mich mit Weißen einlassen. Sollen sie alle zur Hölle fahren...weiße Frauen sind alles gefühlskalte Huren.”

Tief holte er Luft, dann startete er seinen Wagen und rumpelte zurück in sein altes Leben.

 

 

Einige tausend Kilometer weiter, am Fuße der deutschen Alpen, sollte sich in diesen Minuten ebenfalls ein Schicksal ändern.

Auf der Dachterrasse eines typischen Holz verkleideten Landhauses stand eine junge Frau und ließ ihren Blick über die Berge schweifen, die im letzten Abendlicht golden funkelten.Über ihr Gesicht strömten Tränen und ihre Wange war dick geschwollen.

Die Terrassentüre zum Wohnzimmer stand offen und sie hörte, wie sich ihr Freund mit einer anderen Frau liebevoll unterhielt.Sie hatte ihn bei dieser Unterhaltung erwischt und wollte ihn zur Rede stellen, als er zuschlug. Sie hatte das Gefühl gehabt, ihr Kopf würde explodieren.In seinen Augen stand blinde Wut und sie hatte Angst vor ihm. Wieder einmal. Dabei hatte er ihr versprochen, sie nie mehr zu schlagen. Wochenlang hatte sie sich damals bei einer Freundin aufgehalten, bis er ihr unter Tränen versprochen hatte, sie nie wieder zu schlagen. Hannah hatte ihm geglaubt. Sie versuchte, das verlorene Vertrauen wieder zu finden und sie versuchte,ihn nicht wütend zu machen. Frank schien sich gewandelt zu haben, er war wieder liebevoll und voller Humor wie am Beginn ihrer Beziehung. Dann blieb er wieder länger im Büro, regte sich auf wenn Hannah in der Klinik viel zu tun hatte und später nach Hause kam.Und irgendwann schlug er dann wieder zu. Und wieder, heute Abend.

Hannah blickte sich um und sah ihn lächeln.Jetzt, in dieser Minute, wusste sie, dass ihr Entschluss, ihn und Deutschland zu verlassen, der Richtige war. Frank wollte morgen auf eine Tagung und es war der perfekte Zeitpunkt für sie, um zu gehen.

Frank sah auf und begegnete ihrem Blick:

“ Mach was zu essen. Und glotz mich nicht so an, du bringst mich zur Weißglut.”

Wortlos ging Hannah in die Küche und begann, Brote zu schmieren. Sie wusste, dass er sie sowieso nicht essen würde sondern lieber in ein nahes Restaurant gehen wollte. Sie behielt Recht. Frank warf einen abfälligen Blick auf die Brote, schnauzte sie an und knallte die Türe hinter sich zu.

Hanna sank auf einen Sessel.Mit zitternden Händen wähle sie die Nummer ihrer Eltern:

“ Papa, er hat mich schon wieder geschlagen.”

Am anderen ende hörte sie ihren Vater seufzen, dann sagte er streng:

“ Kind, das tut er doch nicht grundlos!”

Wieder einmal war sie sprachlos.Wollte ihr Vater ihr die Schuld geben?

“ Papa, er hat eine Andere. Ich habe ihn nur darauf angesprochen.Er hat doch kein Recht...”

“ Hanna, du bist mit einem schwer arbeitenden Mann zusammen und hast ein gutes Leben. Beschwere dich doch nicht, wenn er ein bisschen Spaß sucht.”

“ Papa! Er hat mich geschlagen !Er schläft mit einer Anderen !”

Ihr Vater schnauzte sie an:

“ Ja dann lass ihn doch, er ist ein Mann !Männer sind nicht treu. Ich bin deiner Mutter auch nicht treu und sie akzeptiert das. Und wenn Du nur rumheulst, dann rutscht ihm halt die Hand aus !Hannah du kannst einen wirklich nerven! Und eine Ohrfeige schadet nicht,das habe ich wohl zu wenig getan ! Führe dich nicht auf wie ein Kleinkind! Denk daran, dass Frank mir den Kredit für das Haus verschafft hat. ”

Damit knallte er den Hörer auf die Gabel.

Anna legte das Telefon langsam wieder zurück. Sie realisierte, dass sie ganz allein war.Ihren Eltern war sie egal, Hauptsache das äußere Bild stimmte.Eine Sekunde lang wollte sie weinen, dann aber lächelte sie und murmelte:

“ Lebt wohl, ihr verlogenen Gestalten.”

 

Frank stand mit seinem kleinen Koffer unschlüssig in der Diele und starrte sie an:

“Ist was? Du bist so ruhig.”

Hanna schüttelte den Kopf:

“ Nein alles in Ordnung.Ich kann mich erholen wenn ich allein bin.”

“ Mach bloß keinen Blödsinn.”

Wieder schüttelte sie den Kopf.

Frank zögerte, dann sagte er:

“ Ich geh jetzt. Aber meine Mutter kommt besser und sieht nach dir.”

“ Nein, es geht mir gut.”

Sie wollte niemanden sehen, wollte ihre Ruhe haben und ihre Sachen packen.

“ Das sehe ich anders. In zwei Stunden ist sie hier. Sieh zu, dass du da bist und die Türe aufmachst.”

Hanna seufzte und nickte.

Sie sah zu, wie Frank in sein Auto stieg und davon fuhr. Sie zwang sich, eine Viertelstunde zu warten, für den Fall, dass er zurück kam weil er etwas vergessen hatte. Das passierte ihm meistens. Sie ging in die Küche und tat so, als ob sie beschäftigt wäre. Wenig später ging die Türe auf:

“ Hab was vergessen.”

Als er diesmal ging, wusste sie, dass er nicht wieder kommen würde. In fliegender Eile riss sie ihre Koffer aus dem Schrank und packte ihre Sachen.Hektisch prüfte sie, ob sie das Flugticket und ihren Pass hatte.

Sie legte den Schlüssel für die Wohnung auf den Küchentisch und schleppte die Koffer hinunter. Sie wusste, dass Franks Mutter gleich kommen würde und wollte weg sein, bevor sie da war. Schnell ging sie zu ihrer Garage und wuchtete das Gepäck ins Auto. Dann ließ sie sich auf den Sitz fallen und machte einen tiefen, erleichterten Atemzug:

“ Geschafft.”

Als sie gerade fahren wollte, sah sie Erika, ihre Schwiegermutter in Spe. Hanna zwang sich, kurz zu halten und eines der Fenster einen Spalt zu öffnen:

“ Ich muss in die Klinik. Notfall. Bis nachher.”

“ Ich geh schon hoch.”

Hanna dachte an den Schlüssel, den sie auf den Tisch gelegt hatte und lächelte:

“ Ich dachte, wir machen uns einen netten Nachmittag. Geh doch eben zum Bäcker und hol etwas leckeres, ich beeile mich.” Hauptsache, Erika sah nicht sofort den Schlüssel.

Sie wusste, wie sehr Erika Süßes mochte und diese nickte:

“ Mach ich. Bis später.”

Hanna fuhr viel zu schnell. Sie wartete darauf, dass sie auch noch in eine Fahrkontrolle kam, aber nichts passierte. Als sie das Flughafengebäude erreichte, stürmte sie hinein und direkt durch die Passkontrolle.

Als ihr Flug mit dem Boarding begann, schellte ihr Handy.

 

Dr. Baker stand am Fenster seiner Praxis und starrte gedankenverloren hinaus. Es war einer der typischen Sommertage. Die Hitze war schlimm und er weigerte sich, das Haus und seine Klimaanlage zu verlassen.

In seiner Hand hielt er einen Brief. Er hatte ihn wieder und wieder gelesen. Diese Ärztin aus Deutschland hatte ihn mit ihrem Schreiben tief berührt.Er wusste nicht einmal, wieso, es war ein aussagekräftiger Brief, der ihren Werdegang enthielt. Nicht zu persönlich, nicht zu oberflächlich.Es musste ihr Schreibstil sein. Schon morgen würde sie hier sein. Er rätselte, was sie für eine Frau sein mochte. Er stellte sie sich als etwas korpulent vor und nicht gerade eine Augenweide. Niemand, der jung und auch nur ansatzweise irgend einem Schönheitsideal entsprach, würde sich freiwillig für das verarmte Pine Ridge entscheiden. Es gab hier nichts, womit sich junge Frauen die Zeit vertreiben konnten. Keine Disco, keine Bars, nichts.Und hübsche junge Frauen suchten Ablenkung.

Sein Blick fiel auf Jay, der eben das Dorf verließ. Dr. Baker grinste schadenfroh. Er mochte diesen Mann nicht.Jung, hitzig und aggressiv hatte er sich Janine geschnappt. Dieses sexy Mädchen passte nie zu ihm und als er mitbekam, dass sie sich getrennt hatten, frohlockte er innerlich.

Dr. Baker seufzte. Seit vielen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 13.08.2013
ISBN: 978-3-7309-4351-9

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