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Das Leben im Bunker

Eilig lief ich den Gang entlang und sprintete um die Ecken. Leider war das Glück heute nicht mit mir und ich knallte mit voller Wucht mit Chris zusammen. Er besetzte häufig den Wachposten in Ebene 15 und war deshalb häufig hier anzutreffen. Normalerweise sind die Wachposten jeden Tag von einem anderen Wachmann besetzt, damit es ihnen nie langweilig wurde und sie ein bisschen Abwechslung haben. Chris war allerdings immer auf unserer Ebene und meine Mom meinte den Grund dafür zu kennen. Sie war sich sicher, dass Chris ein Auge auf mich geworfen hatte und sich nur deshalb immer für Ebene 15 zuteilen ließ. Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wie meine Mom auf die Idee kam, denn schließlich war Chris schon 25 und sah ziemlich gut aus. Wieso sollte er es also ausgerechnet auf ein 16 jähriges Mädchen aus Ebene 15 abgesehen haben, wenn er doch so gut wie jede andere haben konnte. Und selbst wenn an dem Gerede meiner Mutter etwas Wahres dran sein sollte, interessierte es mich nicht. Chris sah zwar wirklich gut aus, aber er war einfach nicht mein Typ und mit 25 Jahren doch etwas zu alt für mich. Ich weiß, dass es mich eigentlich interessieren sollte, schließlich eröffnete mir die Heirat mit einen Wachmann Möglichkeiten, die sich so nie ergeben würden. Meine Mutter wünschte sich nichts sehnlicher, als mich mit einem Mann aus den oberen zwei Ebenen zu verheiraten, denn so würde sich mein Leben schlagartig zum besseren wenden. Ich würde mehr zu essen haben, weniger arbeiten müssen und hätte die Möglichkeit nach oben zu kommen. Raus aus den Bunkern und nach oben an die frische Luft. Ich würde die Sonnenstrahlen auf meiner Haut spüren und der Wind würde durch meine Harre wehen. Wie sehr ich mich doch danach sehnte das alles einmal zu erleben. Da ich aber in den Bunkern geboren wurde, hatte sich diese Möglichkeit nie für mich ergeben und ich musste mit dem Leben hier unten vorlieb nehmen. Chris schaute mich überrascht an und half mir sofort auf, nachdem ich mit vollem Tempo in ihn hineingerannt bin und es mich von den Füßen gehauen hatte. „Alles okay bei dir?" fragte er und beäugte mich mit dem Anflug eines Grinsens. „Du brauchst gar nicht so zu grinsen!" erwiderte ich und versuchte mich an einem beleidigten Ausdruck in den Augen. „Ich wollte mich lediglich nach deinem Wohlbefinden erkundigen, aber da die feine Dame schon wieder auf Konfrontationskurs ist, lasse ich das lieber." Sein Grinsen wurde breiter und es juckte mich in der rechten Hand, schließlich hatte er mich gerade als ‚feine Dame' betitelt, obwohl er ganz genau wusste, dass ich das hasste. Auch wenn ich mich nicht oft mit Chris unterhielt, weil dafür einfach die Zeit fehlte, wusste er ganz genau wie ich tickte und war immer für eine amüsante Unterhaltung zu haben. Ich strafte meine Schultern und wollte gerade mit erhobenem Haupt an Chris vorbeigehen, als ich schließlich doch nicht an mich halten konnte und ihn noch die Zunge raus streckte. Chris lachte und winkte mir zum Abschied hinterher. Das kurze Zusammentreffen mit Chris hatte mich nun allerdings wertvolle Minuten gekostet und ich kam zu spät in der Krankenstation an. Ab dem 16. Lebensjahr mussten alle Mädchen im Bunker einem Aushilfsjob nachgehen und ich hatte mich für die Krankenstation entschieden. Täglich gab es neue Patienten und häufig beklagten sie alle dasselbe Problem. Viele von ihnen hatten Herz-Kreislauf-Beschwerden, was am Vitamin-D-Mangel lag. Da wir unter der Erde in unseren Bunkern kein Sonnenlicht hatten, war es klar, dass so viele an Vitamin-D-Mangel leideten. Häufig kamen auch Leute mit Depressionen zu uns, die mit dem Leben unter der Erde einfach nicht klar kamen. Da ich in den Bunkern geboren wurde, hatte ich nie etwas anderes als das Leben hier unten gekannt. Ich hatte mich mit den Jahren damit arrangiert und versuchte so gut wie es eben nur ging damit klar zu kommen. Die Leute, die von oben nach hier unten zu uns in die Bunker kamen, hatten es deutlich schwerer. Für sie war es eine komplette Umstellung und sie vermissten das Leben was sie hatten und wahrscheinlich nie wieder haben werden.

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Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Bildmaterialien: @PicsArt
Tag der Veröffentlichung: 25.03.2016

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