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Kapitel 1


„Ich würde gerne Rüya Gökdal vor rufen.“ sagte Richterin Alexandra Kaiser. Ich zuckte zusammen. Nun sollte ich wirklich gegen meinen 'Vater' aussagen. Aber das war mir egal, ich war freiwillig hier. Langsam erhob ich mich und ging zu dem Stuhl.
„Frau Gökdal da Sie im Zeugenstand sind bekommen Sie die Belehrungen. Als Zeuge müssen Sie die Wahrheit sonst machen Sie sich Strafbar. Frau Gökdal, Sie sind 19 Jahre, sind am 12. Februar in Bursa, Türkei geboren und machen Ihr Abitur.“ Ich nickte.
„Ihr Vater, Erdogan Gökdal, wird wegen Verweigerung an das zahlen von Unterhaltsgeld , angeklagt.“ Wieder nickte ich und langsam löste sich der Kloß in meinem Hals.
„Er hatte nie das volle Geld gezahlt. Wir lebten lange in Armut, mussten jeden Cent zwei mal umdrehen. Meine Mutter war Krank, sie hatte Rheuma und Krebs, ging aber trotzdem Arbeiten. Ich konnte schon immer froh sein das ihr Freund, Sinan Erol, da war. Er hatte uns geholfen und meiner Mutter den festen Boden wieder gegeben.Wissen Sie, Frau Kaiser, es gibt viele schlechte Väter und schlechte Mütter, man spricht von Gewalt. Aber es gibt den Schlimmeren Schmerz. Ich habe mein Leben mit schmerzen begonnen, mit Gewalt. Ich spreche nicht von ein paar kleinen Ohrfeigen, ich spreche von Treppen runter schubsen und weiteres. Als ich noch ein Säugling von drei Monaten war, stieß mich Erdogan gegen eine Türkante. Zehn Jahre lang, hatte ich diese Art von Gewalt gespürt. Zum Glück ließ sich meine Mutter scheiden. Doch wo er das Unterhaltsgeld zahlen sollte, ging er zu anderen Frauen und schwängerte sie! Er rief nicht an, es kümmerte ihn ein Dreck wie es mir oder meinem Bruder Kaan, ging! Schließlich rief er mich an. Beim letzten inoffiziellen Gerichtstermin, als er nicht erschienen war. Er rief mich an und fragte mich, ich zitiere 'Wie kannst du mir als Tochter nur so in den Rücken fallen?' als ich ihm antwortete, das ich nur im Gericht saß, legte er mir ins Gesicht auf! Wissen Sie wie es ist? Gewalt tut weh, ohne Frage, aber welcher Schmerz ist schlimmer? Dieser Schmerz den du bekommst, wenn du geschlagen wirst, oder dieser Schmerz der dir hinzugefügt wird wenn du weißt, das dein Vater sich nicht für dich oder deinen Bruder interessiert. Er hat einen Sohn bekommen, er kümmert sich um ihn und um den Sohn seiner neuen Frau! Aber wenn es darum geht seine anderen Kinder zu sehen, sie zu fragen wie es ihnen geht, da schert er sich einen Dreck! Müll sind wir für ihn! Nein, er hatte uns nie Geld geschickt, nicht einen Cent. Anfangs, hatte er hin und wieder ein paar hunderter geschickt.“ ich verstummte denn meine Wut war nicht zu zügeln. Ich sah meinen 'Vater' an.
„Du sagtest aus mir würde nichts werden? Bak, (Guck) ich werde meinen Abitur machen und habe ein Stipendium zum Studieren bekommen! Soll ich dir was sagen, Baba?“ ich sprach 'Baba' angewidert aus und sah ihn wütend an. „Ich werde glücklich werden! Insallah heirate ich, aber weißt du was? DU wirst nicht erwünscht sein. Weil ICH keinen Baba mehr habe. Ich habe nur noch Sinan!“
Als wir wieder draußen waren, um der Richterin ihren Urteil fällen zu lassen, sah mich Anne mit nassen Augen an.
„Kizim ich bin so stolz auf dich. Aber er ist dein -“
„Hayir Anne. Ich habe keinen Baba mehr.“ (Nein Mutter) unterbrach ich sie. Sie reichte mir ein Taschentuch, mit dem ich hastig meine Tränen wegwischte.
„Ich gehe auf die Toilette.“ sagte ich schnell und suchte die Damentoiletten.
Als ich die Tür fand und gerade rein wollte, rannte mich ein kleiner Junge über den Haufen.
Lachend hob ich ihn hoch und sah ich in kleine, süße, giftgrüne Augen.
„Na mein kleiner wie heißt du denn?“
„Deniz und du?.“ sagte der kleine mit seiner süßen Stimme.
„Mein Name ist Rüya. Wo sind denn deine Eltern?“ Der kleine guckte traurig.
„Die sind Arbeiten. Ama (aber) mein Abi ist auf Toilette.“ Sofort wurde mir bewusst das seine Eltern gar nicht Arbeiten waren. Sie waren Tod. Der Blick des kleinen sagte mehr aus, als seine Aussage.
„Deniz?“ rief eine Männliche stimme. Ich drehte mich um und sah einen jungen Mann auf uns zu kommen.
„Deniz warum bist du weg gelaufen?“ Der Junge Mann nahm Deniz auf seine Arme und sah mich entschuldigend an.
„ Özür dilerim. Ich bin Yasin, das ist mein kleiner Bruder Deniz.“ (Entschuldigung) Er lächelte mich mit einem wunderschönen Lächeln an. Mein Herzschlag setzte einen Moment aus.
„R-rüya. Ich heiße Rüya.“ stotterte ich von seinem lächeln geblendet. Yasin hatte pechschwarze Haare und ebenfalls giftgrüne Augen, außerdem war er 1 ½ Köpfe größer wie ich und ich war auch nicht gerade klein. Ich hatte braune wellige Haare, Haselnuss braune Augen und war 1,69 cm groß.
„Freut mich, Rüya.“
„Abi kann Rüya Abla mit uns kommen?“ fragte der kleine Deniz. Ich wurde rot und sah auf den Boden.
„Ich glaube Rüya hat was anderes vor, sonst wäre sie nicht hier. Oder?“ Mein Blick ging hoch zu seinen Augen. Wie konnten Augen nur so eine Farbe haben? Bestimmt hatte er eine Freundin. Und da kam sie auch schon.
„Askim kommst du?“ rief sie während sie an torkelte. Sie war nicht gerade naja, bedeckt. Sie war sogar ziemlich freizügig gekleidet und so was nennt sich Muslima? Ich schüttelte den Kopf. Der hatte ja ein schlechten Geschmack.
„Eda ich komme gleich.“ sagte Yasin ohne den Blick von mir zu nehmen. Er drückte meine Hand und lächelte mich wieder strahlend an. „Ich hoffe man sieht sich noch ein zweites Mal.“ Dann ging er fort. Ich spürte einen Zettel in meiner Hand und fing an zu grinsen. Langsam, mit zittrigen Händen, öffnete ich den Zettel.
„0152**** - Ich hoffe wir können uns mal treffen.“ ich runzelte die Stirn. Wann hatte er das geschrieben? Ich zuckte mit den Achseln, ging auf Toilette und ging wieder in den Gerichtssaal.

Kapitel 2



Die Richterin redete, über Gesetze und Vorschriften.
„Erdogan Gökdal wird das volle Geld zurück zahlen das er bisher nicht bezahlt hat. 98880 € müssen gezahlt werden, Herr Gökdal, oder sie bekommen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.“
Erdogan, mein 'Vater', nickte Wütend seufzend. Jetzt sah ich ihn an. Er beschuldigte mal meine Mutter daran, dass mein Bruder anfing Drogen zu rauchen. Ich erinnerte mich an den Tag zurück.
Kaan rauchte Gras, nichts schlimmes, aber mit der Zeit würde er zu härteren Sachen greifen. Meine Mutter fand das raus und schickte ihn zu unserem Vater. Aber mein Vater war nicht da, er war in Paris mit seiner neuen, dem Kind von ihr und deren gemeinsamen Sohn. Ich wusste das er nie ein guter Vater war, aber er übertrieb es maßlos.
„Ich habe kein Geld, Selma!“ blaffte mein Vater aus der anderen Leitung.
„Du hast kein Geld? Für ein Motorrad, Paris, einen Fernseher, ein neues Auto und einen Computer hast du Geld, aber für deine zwei anderen Kinder nicht?“ Meine Mutter war wütend, sehr wütend sogar.
„Hör auf mich anzuschuldigen. Ich habe euch immer gut behandelt.“ geschockt starrte ich auf das Telefon. Meinte er das gerade wirklich ernst? Meine Mutter lachte ironisch.
„Wegen dir habe ich, sowie meine Kinder nur Gewalt gespürt! Ich habe mich zuhause verstecken müssen damit die Nachbarn nicht sehen was du mit mir oder mit Rüya angestellt hattest!“
„sinir etme! Du hetzt doch nur meine Kinder auf mich!“ (mach mich nicht wütend!)
„Deine Kinder sind selber so! Ich sage das sie dich trotz allem als Vater sehen sollen! Weißt du was Rüya gesagt hatte als ich dich angerufen hatte? 'Oh Anne mach meinen Tag nicht kaputt.'“ Mein Vater schnaufte am anderen Ende. Ja, ich hatte es wirklich gesagt. Ich meinte es auch so, denn er war für mich nichts mehr. Mein ganzes Leben hatte er zur Hölle gemacht.
„Ich ruf sie morgen oder heute mal an, wenn sie nichts mehr mit mir zu tun haben will dann kann sie mich ganz vergessen und ihr bekommt gar kein Unterhalt!“
„Das ist deine Schuld, genau wie es deine Schuld ist, dass Kaan Drogen nimmt und sie verkauft!“ schrie er plötzlich. Ich zuckte zusammen. Tatsächlich, er beschuldigte sie dafür.
„Ich? Erdogan ist das dein Ernst? Wer hat ihm all die Jahre nicht die Vaterliebe geschenkt die er brauchte? Genau, DU! Zum Glück ist Sinan hier! Rüya will ja das Sinan sie adoptiert, aber ich will das nicht, weil du trotz allem ihr Vater bist! Erdogan, du bist selber schuld das deine Kinder sich gegen dich wenden! Nicht ich oder Sinan! Du ganz alleine, weil du unser leben zerstört hast!“
Anne legte wütend auf und ging mit der Hand über ihr Gesicht.
So war es, er gab ihr die Schuld für alles. Obwohl sie es war, die Jahrelang um unser wohlergehen kämpfte. Das war vor vier Jahren, damals war ich 15 und Kaan 20. Mittlerweile ist Kaan schon verheiratet und hat auch schon einen kleinen Sohn der drei Jahre alt ist.
Die Richterin ließ uns gehen und als wir draußen waren atmete ich erleichtert auf, ich würde es keine Minute mehr im selben Raum mit diesem Mann aushalten. Sollte man einen Vater nicht bedingungslos lieben? Doch eigentlich schon, aber ich hasste ihn. Ich sah ihn nur noch als meinen Erzeuger an. Klingt hart, ist aber so.
„Rüya ich fahre mit deiner Mutter noch weg zu Bekannten. Willst du mitkommen?“
Ich nickte langsam, denn ich hatte keine Lust zuhause zu bleiben. Zuerst fuhren wir nach hause um uns umzuziehen. Wir hatten jetzt mehr Geld, da Sinan und Anne das Geld zusammen legten. Ich hoffte immer das Sinan, Anne doch noch überredete zu heiraten, aber sie wollte nicht. Er hatte sie richtig süß gefragt aber sie hatte ihm ruhig erklärt das es hier reichte, dass sie schon einmal verheiratet war. Ich zog mir eine schwarze enge Jeans, einen großen hellgrauen Pulli und dazu noch graue Chucks. Meine Haare lies ich offen nach hinten fallen und schminken tat ich nie.
„Rüya hade gel!“ (los komm) schrie Anne von unten.
„Bin ja schon da.“ ich ging runter und wir fuhren los.
„Kizim das sind sehr alte bekannte von mir, ich habe sie lange nicht mehr gesehen, sie haben zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter.“ berichtete mir Anne. Ich nickte und schaute aus dem Fenster. Mein Herz fühlte sich seit Jahren so schwer wie Blei an. Würde das jemals aufhören?
Als wir ankamen sah ich ein großes Haus mit einem schönen grünen Garten.
Wie sich herausstellte, hieß diese Frau Yagmur ihr Mann hieß Berkant und meine Mutter hatte sie heute im Gerichtssaal wiedergetroffen. Die Kinder hatte ich nicht gesehen.
„Kann ich kurz frische Luft schnappen?“ sagte ich nach einer weile. Mir wurde von dem Geruch von Kaffee schlecht.
„Evet, geh auf den Balkon wenn du willst.“
„Ich gehe nur kurz vor die Tür.“ Yagmur Teyze nickte und redete weiter mit meiner Mutter. Es war schon fast 20 Uhr, weshalb die Sonne hinter dem Haus gegenüber unter ging. Ich stellte mich einfach hin und sah der Sonne zu.
„schön, nicht wahr?“ ich drehte mich ruckartig um und sah Yasin. Wir beide mussten anfangen zu grinsen. Er nickte mir zu.
„Was machst du hier?“
„Meine Mutter ist drinnen.“ ich zeigte auf das Haus von Yagmur Teyze. Ich wusste nicht ob er da wohnte.
„Ah meine Tante kennt also deine Mutter.“ sagte er mehr zu sich selbst.
Ich lächelte leicht und schaute wieder nach vorne. Langsam verschwand die Sonne hinter dem Haus und nur ein Meer aus rot,orange, gelben Farben blieb am Himmel.
„Rüya Abla!“ ich zuckte zusammen und drehte mich um. Deniz rannte auf mich zu und sprang mir auf die Arme.
„Na was machst du noch hier, kleiner?“ Yasin sah mich grinsend an und wuschelte durch Deniz' Haare. Deniz verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Ich bin nicht klein, Abla.“ Ich fing an zu lachen und knuddelte ihn.
„Yerim seni.“ (ich fresse dich) Deniz kicherte heiter und schlang seine kleinen ärmchen um mein Hals. Ich hatte den kleinen jetzt schon ins Herz geschlossen.
„Willst du wieder rein? Baris ist glaub ich schon da.“
„Wer ist Baris?“ Yasin sah mich fassungslos an.
„Der Sohn von der Frau in deren Haus deine Eltern sind.“
Ich wurde rot und Yasin lachte.
„Macht nichts, Rüya. Seine Schwester heißt Nesrin.“ Er zwinkerte mir zu, nahm Deniz von meinen Armen und ging richtung Tür, kurz bevor er sie aufmachte sah er mich fragend an.
„Willst du nicht reinkommen?“
Mit langsamen Schritten ging ich rein und sah ein hübsches Mädchen. Sie sah nicht viel jünger wie ich aus, hatte schwarze Haare und blaugraue Augen. Sie lächelte mir zu und streckte ihre Hand aus. „Mein Name ist Pinar und das ist mein Bruder Baris.“ Pinar? Ich dachte sie hieß Nesrin? Wütend drehte ich mich zu Yasin um.
„Das kriegst du zurück.“
„Sagen alle.“ er fing an zu lachen. Idiot. Dann sah ich ihn. Verdammt, wie konnte ein Mensch nur so gut aussehen? Baris hatte pechschwarze Haare und knall blaue Augen, diese Stachen definitiv raus. Er sah ziemlich gutgebaut aus und war auch groß, jedoch nicht so groß wie Yasin.
„Ich h-heiße R-Rüya.“ Jetzt musste ich noch stottern, scheiße. Ohne den Blick von Baris zu wenden sprach ich mit Pinar.
„Pinar k-können wir in dein Zimmer oder sollen wir -“
„Hade gel.“ Sie nahm meine Hand und riss mich in ihr Zimmer. Als wir in ihrem zimmer waren atmete ich erleichtert auf. Pinar kicherte und warf ihre Haare hinter ihre Schulter.
„Rüya du konntest deinen Blick gar nicht von Abi nehmen und er auch nicht.“
„Sus.“ (Sei leise.) sagte ich etwas leiser. Doch sie lachte weiter.
„Özür dilerim. Ich wollte nicht lachen aber ihr wart voll aufeinander fixiert. - Erzähl mal was von dir.“ Sie setzte sich im Schneidersitz auf ein Sitzkissen, ich setzte mich auf ein Bürostuhl und zuckte fragend mit der Schulter.
„Was soll ich denn erzählen?“
„Hast du einen Freund?“ fragte sie kichernd. Ich mochte sie irgendwie, ich hatte noch nie eine Beste Freundin, aber bei ihr konnte ich es mir vorstellen. Ich lächelte ihr liebevoll zu.
„Nein habe ich nicht.“
„Und wie alt bist du?“
„19, ich mache mein Abitur und gehe dann Insallah studieren.“ Sie lächelte mir zu.
„Insallah.“ Plötzlich ging die Tür auf und Yasin spickte durch die Tür.
„Abi man warum klopfst du nicht?“
„Kann ich mal Rüya entführen?“
„Hä warum denn?“ antworteten Pinar und ich wie aus einem Mund.
„Erklär ich später gel.“ (komm)
Pinar sah mich fragend an, ich zuckte mit den Schultern und ging mit ihm raus.
„ne oldu?“ (Was ist los)
„ehm ich sollte dich nur was fragen.“
„was denn?“ Er sah mir kurz tief in die Augen und dann auf den Boden.
„Baris wollte wissen ob du schon ein Freund hast.“
Plötzlich wurde ich nervös. Baris wollte wissen ob ich einen Freund hatte? Meine Hände fingen an zu schwitzen. Ach Rüya, bilde dir nichts ein.
„Warum will er das wissen?“ fragte ich kalt.
„Er findet dich süß.“ er sah immer noch auf den Boden.
„Er kennt mich nicht mal. Keiner hier kennt mich!“ Auf einmal war ich wütend, verdammt wütend. Aber nicht auf Yasin sondern auf Baris. Ich drehte mich um, und wie das Schicksal es wollte, rannte ich gegen Baris.

Kapitel 3



Ich atmete tief ein und wieder aus, immer ich. Er hielt mich an meinen Schultern fest und sah mir tief in die Augen.
„Ich geh kurz zu Pinar.“ sagte Yasin dazwischen und ging in Pinars Zimmer.
„Was willst du?“ versuchte ich so kalt wie möglich zu fragen.
Baris: „Ich will dich nur kennenlernen. Wie es aussieht werden unsere Mütter öfters was zusammen machen.“ er zwinkerte mir zu. Meine Knie wurden weich und meine Hände zitterten. Er sah so gut aus! Ich schüttelte mein Kopf.
Rüya: „Ich habe mit solchen Leuten wie du nichts zu tun.“
Er lächelte schief.
Baris: „Wir sehn es ja dann.“
Augen rollend ging ich in Pinars Zimmer und setzte mich gegenüber von Yasin.
Rüya: „Wo bleibt deine Freundin?“
Pinar fing an zu lachen und klopfte Yasin auf den Hinterkopf, warum sie lachte wusste ich nicht.
Pinar: „Freundin? Rüya das ist doch nur sein Spielzeug.“
Auch Yasin fing an zu lachen und kniff mir in die Wange. Sofort schlug ich seine Hand weg.
„Ich hätte dir viel Glück gewünscht.“ sagte ich trocken.
„Ey Rüya.“ rief mich Yasin nach einer weile.
Rüya: „hmm?“
Pinar: “denkt bestimmt an Baris“
Ich sah sie wütend an.
Rüya: „Pinar man! Was ist Yasin?“
Yasin: “Gib mal deine Handynummer du hast ja jetzt meine.“
Rüya: „ Hat jemand gesagt das ich deine Handynummer wollte? - Wann hast du die eigentlich aufgeschrieben?“
Yasin sah mich amüsiert an und zwinkerte mir zu.
Yasin: „Berufsgeheimnis.“
Pinar sah andauernd zu mir, dann wieder zu Yasin und lachte.
Rüya: „ Deli!“ (Idiot)
Yasin: „Erzähl ich dir wenn du mir deine Nummer gibst.“
schließlich gab ich ihm die Nummer und legte mich auf Pinars Bett. Ich fühlte mich irgendwie wie zu hause. Über den Gedanken musste ich lachen und spürte wie Yasin und Pinar mich komisch ansahen.
Pinar: „Was lachst du?“
Rüya: „Ach nur so.“
Ich setzte mich wieder aufrecht hin und sah mir Yasin an.
Yasin: „Salak.“ (Dummkopf/ Dumme)
Rüya: „Deli“ (Idiot)
Yasin: „Cadi“ ( Hexe)
Rüya: „Ördek.“ (Ente)
Yasin: „ keci“ (Ziege)
Plötzlich schlug Pinar erst mir, dann Yasin auf den Kopf.
Pinar: „Seit leise, beide! Abi geh jetzt.“
Am Nächsten Tag ging ich mit Müden Augen ins Badezimmer und stellte mich unter die Dusche.
Dann zog ich mir eine graue Jogginghose und ein Schwarzes Top an um dann zu meinem Bruder, der vier Straßen weiter wohnt, zu joggen. Als ich da war, klingelte ich und rieb mir noch mal über die Augen. Durch ein lachen wurde ich wieder in die Realität gezogen.
Kaan: „Günaydın, müde?“ (Guten Morgen) Ich sah meinen Bruder genervt an.
Rüya: „Wo ist mein Schatz denn?“
„Steht vor dir.“
Er lachte und gab mir ein Kuss auf die Stirn.
Rüya: „Boah Abi, wo ist Gökhan?“
Kaan: „Ich hol ihn.“
Ich lehnte mich an die Hauswand und sah auf die Straße. Verdammt, hier wohnte doch auch Baris. Gestern hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ob ich froh darüber sein sollte wusste ich nicht.
„Rüya hala!“( Tante) schrie mein kleiner Gökhan und rannte mir in die Arme. Erstmal knutschte ich ihn ab und stellte ihn dann wieder auf den Boden.
„Spielplatz?“ fragte ich ihn, woraufhin er heftig nickte.
Ich nahm Gökhan an die Hand und zusammen gingen wir zum Spielplatz. Während Gökhan im Sand spielte saß ich mich auf eine Bank und spielte mit meinem Handy rum. Plötzlich klingelte es, Yasin.
Yasin: „Günaydin Cadi.“ (Guten Morgen Hexe)
„Ich dachte so ich bekomme heute einen ruhigen Tag, aber nein du musstest ja anrufen.“ Yasin lachte am anderen Ende.
„Ich werde immer so schön begrüßt.“ sagte er.
Ich hörte wie die Tür im Hintergrund aufging.
„Bruder mit wem telefonierst du?“
Es war Baris. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.
„ehm mit Rüya.“ Es raschelte kurz und schon hörte ich Baris' stimme.
Baris: „Hey Rüya.“ Ich fing wieder an zu zittern. Uff Rüya reiß dich zusammen.
Rüya: „Hallo.“
Baris: „Wo bist du?“
Rüya: „Sanane?“ (Was geht dich das an?)
Baris: „Sag doch.“
Plötzlich sah ich wie Gökhan nicht mehr im Sand spielte. Scheiße man Rüya, kannst du nicht mal auf ein Kleinkind aufpassen?
„GÖKHAN?“ schrie ich einfach in die Luft mit dem Handy immer noch am Ohr.
Baris: „Wer ist Gökhan?“ Ich ignorierte ihn und sah mich weiter um und fand ihn schließlich an einer Rutsche.
„Gökhan!“ rief ich ihm zu und ließ aus versehen das Handy fallen. Da ich ein sehr altes Handy hatte, fiel mir das Akku raus. Bok! (scheiße!) Ich hob es auf und legte es wieder ein. Gökhan kam angerannt und klammerte sich an mein Bein.
Gökhan: „nicht böse Hala.“ Ich lachte und hob ihn auf meine Arme.
Rüya: „Ama ich bin beleidigt weil du einfach weg bist, nicht böse.“ Er gab mir ein Kuss auf die Wange und lächelte mich zuckersüß an.
Gökhan: „Ich hab dich lieb.“ Ich gab ihm ein Kuss auf die Wange und brachte ihn zu uns nach Hause.
„Hast du Hunger Askim?“ Er nickte und rannte ins Wohnzimmer.
Anne und Sinan waren Arbeiten, sie waren eigentlich nur Sonntags wirklich zu Hause, aber wenn sie dann da waren, dann machten wir alle gemeinsam etwas.
Ich kochte Spagetti mit Tomatensoße und rief dann Gökhan, der schnell angerannt kam.
Gökhan: „Hala du kochst fast so gut wie Anne.“ Ich lachte, fütterte ihn und wischte ihm immer ab und zu über die Wangen um die Tomatensoße wegzumachen.
Gökhan: „Kann ich heute hier schlafen, Hala?“
Rüya: „Da musst du Baba anrufen.“
Es klingelte an der Tür. Ich legte das Tuch, womit ich Gökhan sauber machte, weg und ging an die Tür. Als ich die Tür öffnete guckte ich geschockt zu Baris.
Rüya: „Woher weißt du wo ich wohne? Und was machst du hier?“
Baris: „Ich bin ja unerwünscht. Warum? Weil dein Freund uns hören könnte?“ Ich zog eine Augenbraue hoch.
Rüya: „Ich habe keinen Freund.“ Auf einmal hörte ich wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde.
Baris: „Kein Freund? WO ist dieser Gökhan Bastard?“ Er wollte rein laufen aber ich schob ihn an der Brust wieder zurück.
Rüya: „Yavas, Yavas. Du brauchst gar nicht anfangen hier jemanden zu beleidigen!“ (langsam, langsam)
„Hala?“ hörte ich Gökhans süße Kinderstimme.
„An der Tür, Canim.“
Da kam er auch schon, ich nahm den kleinen auf den Arm und sofort versteckte er sich an meine Brust.Ich sah zu Baris.
„Da, jetzt weißt du wer Gökhan ist.“ Er sah mich mit großen Augen an.
Baris: „Rüya ich – es tut mir leid ich wollte ihn nicht beleidigen.“
Rüya: „Jaja.“
Baris: „Krieg ich diesmal deine Handynummer?“ Ich lächelte ihn an.
Rüya: „Nein.“
Baris: „Uff Rüya.“
Rüya: „Kannst du jetzt gehen bevor die Nachbarn noch was falsches denken?“
„Wir sehn uns.“ er zwinkerte wieder und ging dann.
Ich verdrehte die Augen, aber spürte wie mein Herz wie wild klopfte.
Am Abend lag ich gelangweilt in meinem Bett und starrte aus dem Fenster. Viele Sterne waren am Himmel und der Himmel selbst war wunderschön blau. Langsam stand ich auf, ging ans Fenster und öffnete es. Kühler Wind blies mir die Haare nach hinten und ließ mich in Gänsehaut fallen.
„Herr ich falle auf die Knie noch nie hat es mir an irgendwas gefehlt bitte sag ob ich das alles auch verdiene.
An so manchen Tagen waren deine Prüfungen hart aber genau deshalb bin ich Heute psychisch so stark.
Ich kann spüren wie mich deine beiden Engel begleiten wenn die Dämonen hier probieren mich in die Enge zu treiben.“ (Pa Sports ft. Alpa gun und Moe Mitchel – das jüngste Gericht)
Mein Handy riss mich aus meinen Gedanken. Ich schüttelte meinen Kopf und sah auf den Display.
Unbekannt. Ich verdrehte die Augen und ging dran.
Rüya: „Hallo?“
„Na kleines?“
Rüya: „Baris?“
Baris: „Hey.“
Mein Herz flatterte. Scheiße man, wieso kam das? Ich kannte ihn doch gar nicht.
Wir telefonierten eine Weile und legten dann auf.
Zwei Wochen später
* Ich kralle mich an Baba's Bein um zu verhindern das er Anne weiter schlägt, aber es hilft nicht. Baba tretet mich weg und baut sich vor Anne auf. Ich weine und schreie das er aufhören soll, aber er hört nicht auf mich. Plötzlich kommt Kaan Abi durch die Haustür und stellt sich meinen Baba auf dem Weg, aber Abi ist doch auch gerade mal 10, was kann er da machen? Weinend renne ich zu Anne in die Arme und weine.
„Aglama kizim.“ (weine nicht meine Tochter)
Baba nimmt Abis Kopf und drückt ihn auf den Boden.
Baba: „Wage es nicht, dich gegen mich zu wenden!“
„Baba.“ kommt aus meiner kleinen 5-Jährigen kehle. Baba dreht sich um und sieht mich wütend an. Seine Augen funkeln vor Zorn und Hass.
„Baba warum hasst du uns?“ Er zieht wütend die Augenbrauen zusammen und kommt, mit langsamen Schritten, wie ein gefährlicher Tiger, auf mich zu.
Ich zucke zusammen und mache mich so klein wie ich nur kann, doch er holt aus und wirft meinen kleinen Kopf gegen die Wand. Mein Kopf pocht wie wild, warum macht Baba das mit mir?
Anne steht auf, packt mich und Kaan und zerrt mich ins Zimmer, wo sie uns einsperrt. Sie packt Klamotten in eine Tasche und setzt sich dann auf das Bett mit dem Kopf in den Händen.
„Anne?“ Ich höre ihr schluchzen und streichele über ihren Kopf. Dann kommt Baba wieder ins Zimmer und zerrt mich von Anne weg. Er holt aus und schlägt mit der Faust in mein Gesicht. Ich verliere das Gleichgewicht und knalle gegen die Wand, wo ich schließlich laut schreie, mich die tiefe holt und ich ohnmächtig werde.*
Schreiend und tränen überströmt wachte ich auf, zog meine Knie an mich dran und weinte unerbittlich. Dieser Schmerz in der Brust, er war nicht auszuhalten. Wie konnten Menschen nur so grausam sein, sein eigenes Fleisch & Blut zu schlagen? Ich legte meinen Kopf auf die Knie und schluchzte. Würde das irgendwann aufhören, diese Alpträume? Ständig kam eine Erinnerung meiner Vergangenheit in meine Träume und machte somit all meine Nächte kaputt. Langsam stand ich auf und ging in das alte Zimmer von Kaan, wo jetzt sein wunderschöner, süßer, kleiner Sohn, seelenruhig schlief. Neun Jahre meines Lebens, lebte ich schon in diesem Haus, in dem Haus wo sich alles zum besseren hätte wenden müssen. Wir waren glücklich, auf eine bestimmte Art und weise, weil wir uns hatten und uns nie verlieren würden. Aber das was Erdogan jahrelang mit meiner Familie getan hatte, blieb immer hier. Die Vergangenheit holte uns immer wieder aufs neue ein und zerstörte uns.
Ich verließ das Zimmer wieder und ging in mein Zimmer, wo ich mir eine Jogginghose und ein Top anzog. Ich schnappte mir meine Jacke und lief quer durch die Stadt bis ich endlich an meinem Ziel ankam. Es war ein alter verlassener Park außerhalb der Stadt, kaum einer kam hierher. Mit den Händen in den Hosentaschen lief ich auf eine Bank zu und setzte mich dort hin. Ein Baum stand vor der Bank, dieser Baum hatte mein ganzes Leben, alles was ich erlebt hatte, widerspiegelte dieser Baum. Immer wenn ich traurig war, kam ich hierher um alles zu verarbeiten und das tat ich wenn ich in den Baum Ereignisse einritzte. Zum Beispiel stand ganz vorne ' 14.12.2004 Scheidung'. Es war der Tag, an dem sich alles zum besseren wenden sollte. Es waren zwei Wochen vergangen seit dem Telefonat mit Baris. Er meldete sich nicht und ließ sich auch nicht blicken. Aus irgendeinem Grund machte es mir rein gar nichts mehr aus. Dafür meldete sich Yasin, sogar fast Täglich. Wir wurden gute Freunde und bei ihm hatte ich das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit wieder. Auch Pinar und ich wurden sehr gute Freundinnen, wenn man so sagen will, sogar Beste Freundinnen.
Kaan: „Rüya? Was machst du hier um diese Uhrzeit?“ Geschockt drehte ich mich zu Kaan Abi um. Was er wohl von mir dachte?


Kapitel 4



Rüya: „Abi?“
„Was machst du hier um diese Uhrzeit? Triffst du dich mit jemanden?“ fragte er wütend. Ich schüttelte schnell den Kopf und runzelte anschließend die Stirn. Wie absurd wäre das denn? Um 3 Uhr nachts sich mit jemandem zu treffen? Kaan Abi setzte sich neben mich und sah mich intensiv an. Ach stimmt, er wartete auf eine Antwort.
Rüya: „Ich hatte wieder einen Traum.“
„Von Baba?“ er legte seinen Arm um mich und sofort kuschelte ich mich an ihn.
Kaan: „Aber warum bist du alleine hier her gekommen?“
Rüya: „Ich wollte frische Luft schnappen und an etwas anderes denken.“
Kaan: „Tamam. Aber das nächste mal rufst du mich oder Fatih an verstanden?“
Fatih war mein Bester Freund. Er hatte schwarze Haare und wunderschöne Braune Augen, außerdem war er schlank aber muskulös. Fatih war einfach unbeschreiblich, wie ein Bruder. Er war da wenn andere nicht da waren, egal um welche Uhrzeit. Ständig brachte er mich zum lachen, egal was war. Er war einfach der Beste. Ich hatte mal eine Beste Freundin, aber was sie tat war einfach unverzeihlich.
Rüya: „tamam. Was machst du hier Abi?“
Sein Blick wurde traurig und wütend zugleich. Er seufzte und begann zu erzählen.

Kaan's Sicht:
Ich öffnete die Haustür und betrat unser Haus. Gerade war ich bei Hilal Teyze (Schwester von der Mutter) da sie mich angerufen hatte um ihr etwas vorbeizubringen. Im Haus roch es sofort nach ihr, meiner Eylem. Mit einem breiten Grinsen ging ich in die Küche und umarmte meine wunderschöne Frau.
Kaan: „Selam Birtanem.“ (Hallo mein Einzelstück)
Sie zuckte leicht zusammen, drehte sich um und legte ihre Arme auf meine Schultern.
„Na was hat meine schöne Frau gekocht?“, ich blickte über sie hinweg und sah wie sie am Manti kochen war.
Eylem: „Wer sagt denn das es für dich ist?“
Ich zog eine Augenbraue hoch und zog sie an der Taille näher an mich dran.
Kaan: „Werde ich endlich begrüßt? Unser süßer Sohn ist bei seiner Tante wir sind total ungestört.“ Sie lachte und gab mir ein Kuss auf die Wange. Aber ich hatte nicht genug, ich konnte nie von ihr genug kriegen, ich zog sie noch näher an mich, sodass ihr Körper förmlich an meinem klebte, und küsste sie ausgiebig.
Als wir uns lösten sah ich sie lächelnd an.
Kaan: „So wird der Ehemann begrüßt.“
Sie entzog sich von mir, hochrot und grinsend, und kochte weiter.
Ich lachte und ging ins Wohnzimmer. Eylem rief mich zum essen und ich setzte mich zu ihr.
„Wir haben einen neuen Mitarbeiter bekommen, auch ein Türke.“ sagte Eylem als ich sie nach ihrem Tag fragte. Leider musste sie heute im Krankenhaus arbeiten.
„Er kommt aus Ayran und ist wirklich sehr nett.“
Eifersucht durchfuhr mich.
Kaan:„Halte dich bitte von ihm fern.“
Eylem: „Warum?“
Kaan: „Brauch ich einen Grund? Jeder der meiner Frau zu nahe kommt ist für mich eine Gefahr, bitte halte dich von ihm fern.“
„Kaan, Askim, du brauchst nicht eifersüchtig zu werden.“ sagte sie lachend. Doch mir war nicht nach lachen. „Er hat doch nichts gemacht. Er ist wirklich sehr sympathisch und versteht es wirklich mit Menschen umzugehen.“ schwärmte sie.
Kaan: „Toll, super dann geh doch zu ihm!“ Ich schob meinen Stuhl nach hinten und ging wütend ins Wohnzimmer.
Eylem. „Kaan du weißt das ich dich liebe.“
Kaan: „Warum redest du dann mit mir über andere Männer?“
Eylem: „Er war mir einfach sympathisch und es kommt nicht oft vor das hier im Krankenhaus Türken angenommen werden.“
Kaan: „Hättest ihn ja heiraten können.“
Eylem: „Jetzt reicht es! Ich habe dir nur erzählt das ich einen neuen Kollegen habe und er zufällig aus der Türkei stammt! Nie habe ich erwähnt das ich ihn heiraten will oder sonstiges! Sei nicht so eifersüchtig. - Es war ein Fehler so früh zu heiraten.“ Geschockt drehte ich mich in ihre Richtung, wo sie sich ihre Hand vor dem Mund hielt. Mir war nach heulen zumute. Sie war die einzige Frau, abgesehen von Anne und Rüya, die mich zum weinen bringen konnte. Ja, wir hatten früh geheiratet. Sie war erst 19 und ich erst 20, aber bereute sie es wirklich? Ich bereute keinen Tag, sie war die liebe meines Lebens. Egal wann wir geheiratet hätten, ich würde sie immer lieben.
Kaan: „Zu früh also?“ Ich ließ mir nichts anmerken und schüttelte den Kopf. Es war 18 Uhr aber ich wollte einfach ins Bett, also ging ich auf unser Zimmer und legte mich aufs Bett. Kurze Zeit später kam auch Eylem und legte sich neben mich. Ich drehte ihr den Rücken zu und versuchte zu schlafen. Immer wieder hörte ich sie leise schluchzen, es zerbrach mir mein Herz, aber ich konnte immer noch nicht glauben was sie gesagt hatte. Schlaflos lag ich bis 3 Uhr nachts im Bett. Ich stand auf, zog mich um und ging in den verlassenen Park wo ich früher immer war.


Rüya's Sicht:
„Abi sie war sauer, versteh sie doch.“
Er sah mich traurig an.
Kaan: „Was ist wenn sie es bereut?“
Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte ihn aufmunternd an.
Rüya: „Morgen klären wir alles.“ Wir beide standen auf und gingen dann nach Hause. Morgen würden wir dann alles mit Eylem klären. Zuhause machte ich ihm noch einen Cay und legte ihm etwas zu knabbern auf den Tisch.
Kaan: „Soll ich bei dir schlafen?“ fragte er mich als wir aufstanden um schlafen zu gehen. Ich schüttelte den Kopf und lächelte.
Rüya. „Geh zu deinem Sohn, Abi.“
Kaan Abi, Gökhan und ich machten uns am nächsten Morgen auf den Weg. Kaan Abi war aufgeregt das sah man ihm an. Er öffnete die Tür leise und ging ein Schritt rein.
Eylem: „Ich bereue es so sehr. Wieso habe ich das gesagt? Was soll ich tun Filiz? Er wird mir nicht mehr verzeihen.“
Wir betraten das Wohnzimmer und sahen Filiz, Eylems Beste Freundin, neben einer verheulten Eylem. Als Eylem uns sah sprang sie sofort auf und weinte noch mehr.
Eylem: „Es tut mir so leid, Askim. Ich wollte das nicht sagen. Ich bereue es nicht. Guck wir haben einen Sohn und sind so glücklich miteinander. Wenn du dich jetzt von mir scheiden lässt – ich kann doch unser anderes Kind nicht alleine Großziehen.“ Es schien, als ob alle im Raum die Luft anhielten. Sie bekamen ein zweites Kind? Ich grinste vor mich hin und stupste meinen Bruder an. Er war wie erstarrt und man sah diese kleinen Freudentränen in seinen Augen.
„Eylem.“ er schluckte und ging zu ihr.
Kaan: „Als ob ich mich jemals von dir scheiden und unser Kind alleine lassen würde.“
Er legte seine Hand auf ihr Bauch und strahlte. Auf einmal zog er sie an sich dran und küsste sie lange. Ich drehte mich automatisch um und ging mit Gökhan vor die Tür.
Yasin: „Selam Cadi.“ (Hallo Hexe) ich zuckte zusammen und drehte mich zu Yasin.
Wir lächelten uns an.
Rüya: „Selam Köpek.“ (Hallo Hund)
Er lachte und nahm mich einfach in den Arm. Aus irgendeinem Grund, atmete ich sein Geruch ein und drückte ihn fester an mich. Als wir uns lösten, sah ich mit roten Wangen auf den Boden.
Rüya: „Tut mir leid.“
Er lachte und schlug mich spielerisch auf den Arm. Ich hasste es wenn man mich auf die Oberarme schlug. Es tat einfach weh und entfachte alte Erinnerungen.
Yasin: „Hey warum weinst du?“
Mit verheulten Augen sah ich in seine. Er löste so viele Gefühle in mir auf. Gefühle, die ich nicht zuordnen konnte. Ich schüttelte meinen Kopf und sah runter zu Gökhan der mich traurig ansah.
Gökhan: „Hala warum weinst du?“
Rüya: „Hab was im Auge. Geh rein und sag Baba das ich das nächste mal anrufe wenn etwas ist.“ Er nickte und umarmte meine Beine.
Yasin: „noldu Rüya? Wenn du willst können wir zu mir gehen. Deniz ist gerade mit einer Bekannten aber die geht gleich und ich will nicht das er alleine ist.“
Rüya. „Du wohnst alleine?“
Yasin: „Mit Deniz halt, aber ich erzähle dir alles am besten in ruhe.“
ich nickte und zusammen gingen wir zu seiner Wohnung. Deniz stürmte auf mich zu und drückte sich an mich.
Deniz: „Rüya Abla!“
Ich lachte und küsste seinen süßen Wangen. Yasin machte Cay. Er machte Cay?
Rüya: „Du kannst also Cay kochen?“
Yasin: „Komm ich erzähle dir alles.“
Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich würde jetzt alles erfahren. Seine Vergangenheit, warum er so ist, wie er ist.

Kapitel 5



Doch es sollte nicht so kommen, denn es klingelte an der Tür. Genervt rollte Yasin die Augen und ging an die Tür.
„Was geht bruder? Lebst noch?“
Ich erkannte die Stimme anfangs nicht, blieb aber ruhig auf dem Sofa sitzen.
Yasin: „War beschäftigt. Was ist?“
„Wollte dich besuchen kommen. Na zu viel Weiber gehabt oder was?“
Ich hörte schritte und sah wie Baris ins Zimmer kam aber zu Yasin gedreht war.
„Also ich hatte richtig viele. Haha die waren richtig am kle-“
Verletzt sah ich ihn an und er sah mich schockiert an. Kein wunder das er sich nicht gemeldet hatte. Ich atmete tief ein und wieder aus, stand auf und ging auf beide zu.
Rüya: „Hey Baris.“
Irgendwie wurde sein Blick wütend und er sah erst zu mir, dann zu Yasin.
Baris: „Du warst beschäftigt? Mit Rüya?“
Yasin wollte etwas sagen aber ich war schneller. Keine Ahnung warum ich das tat, aber ich tat es.
Rüya: „Ja war er. Hast du damit ein Problem oder was?“
Baris: „Warum sollte ich? Wer bist du schon das ich damit ein Problem haben sollte?“
Es traf mich wie ein Stich, ein Messer mitten in den Bauch. Es tat so verdammt weh so was von ihm zu hören. Ich war verwirrt. Verwirrt über meine eigenen Gefühle. Da war ein Gefühl wenn ich Baris sah, mit ihm sprach oder einfach nur seinen Namen hörte, andererseits war da ein Gefühl für Yasin, wenn ich neben ihm war fühlte ich mich wie zu hause, wenn ich seinen Namen hörte klopfte mein Herz, wenn er meinen Namen sagte, entfachte sich die Wärme in meinem Herzen. Beide Gefühle waren stark, nur ich wusste, dass das was Baris mir jetzt sagte, verdammt weh tat.
Rüya: „Ich bin niemand, du hast recht. Einfach niemand.“
Ich nickte und lächelte gezwungen.
„Ich ruf dich heute Abend an ok? Dann können wir uns morgen oder so treffen und du erzählst es mir dann.“ sagte ich zu Yasin.
Er lächelte mich so an, das meine Knie weich wurden und ich lächelte ehrlich zurück.
Yasin: „Bis heute Abend.“
„Tschau.“ sagte ich zu Baris normal und ging.
Zuhause lernte ich für mein Abitur. Ich hatte die Schule irgendwie vernachlässigt. Unbedingt wollte ich Baba zeigen das ich ohne ihn alles schaffen kann. Nur noch einige Wochen waren es bis zu den Prüfungen. Ich hatte mir vorgenommen mehr zu lernen, das tat ich den restlichen Tag, bis um 23 Uhr mein Handy klingelte.
Ich sah auf dem Display 'Baris'. Baris? Moment, ich wollte Yasin anrufen.
Rüya: „Baris?“
Baris: „Hey Rüya ich wollte fragen ob du morgen zeit hast.“
Rüya: „nö muss lernen also hade ciao.“
Baris: „Warte doch mal.“
Rüya: „Warum denn?“
Baris: „Halt dich von Yasin fern.“
Ich lachte. War das sein ernst?
Rüya: „Sicher nicht Baris. Er ist ein guter Freund und ich werde mich sicher nicht von ihm fern halten.“ sagte ich immer noch lachend. Der spinnt doch, als ob ich auf ihn höre.
Baris: „Treff dich morgen nicht mit ihm.“
Rüya: „Ich treffe mich sehr wohl mit ihm!“
Baris: „Man Rüya er ist doch viel älter als du!“
Rüya: „Er ist gerade mal vier Jahre älter als ich. Er ist ein Jahr jünger wie mein Bruder. Außerdem was hat das mit dem alter zu tun?“ Ich legte auf, hatte keine Lust auf dieses Gespräch. Mit pochendem Kopf legte ich die Bücher zur Seite und ging schlafen. Was hatte Yasin's alter mit uns zu tun? Ich meine Fatih war auch schon 23. Ich durfte mit jedem befreundet sein, es war meine Sache. Nicht die von Baris!
Irgendwann schlief ich mit diesen Gedanken ein.


Am nächsten Morgen machte ich mich fertig, als ich aus dem Haus ging sah ich das Auto von Baris vor meiner Haustür. Ich runzelte die Stirn, aber mein Herz fing an schneller zu schlagen.
„Was machst du hier? Was wenn dich jemand gesehen hat?“ warf ich ihm vor.
Baris: „Chill ma. Ich wollte dich in die Schule fahren.“
Ich zog eine Augenbraue hoch. Irgendwie süß, aber irgendwo ganz tief in mir drin, sagt mir etwas das ich das mit ihm nicht so ernst nehmen sollte. „Ich laufe lieber.“
Baris: „Rüya komm jetzt.“ er zerrte mich ins Auto und fuhr langsam los. Für mein Geschmack fuhr er zu langsam.
Baris: „Warum triffst du dich so oft mit Yasin?“
Rüya: „Sanane?“ (Was geht dich das an?) Er blickte von der Straße zu mir und sah mich genervt an.
Baris: „Er ist nicht der für den du ihn hältst.“
Rüya: „Du bist auch nicht der für den ich dich gehalten habe.“
Baris: „Für wen hast du mich denn gehalten?“
Rüya: „Anfangs für jemanden der auf die Verdammte Straße achten würde.“
Baris: „tamam tamam.“ ( ok ok) Kurz war es still und er konzentrierte sich auch auf die Straße, aber dann wendete er sich wieder zum reden zu mir.
Baris: „Pinar hat heute morgen nach dir gefragt.“
Rüya: „Ich rufe sie später an.“
Baris: „Nachdem du bei Yasin warst?“
Rüya: „Sus! Was glaubst du wer du bist um dich in mein Leben einzumischen? Ich habe genug mitgemacht um heute, hier und jetzt, meine eigenen Entscheidungen zu treffen!“
Zum Glück waren wir an der Schule angekommen. Ich bemerkte das sich die Schüler in reihen aufgestellt haben und jemandem hinterher sahen. Ein Mädchen wie ich erkennen konnte. Die Jungs sahen ihr auf den Arsch, die Mädchen waren neidisch. Genervt rannte ich ihr hinterher und begrüßte sie. Sie war wirklich hübsch. Braune lange, geglättete Haare, stechend graue Augen und eine schöne Figur.
Rüya: „Hey ich bin Rüya. Ignoriere die Blicke von den allen. Die wollen nur gucken was es neues gibt.“
Sie lachte und sah mich lächelnd an.
„Ich bin Melis.“
Rüya: „Nun Melis, neu?“
Melis: „Ja, wegen der Arbeit meines Vaters.“ sie sah, wenn auch komisch, weg. Ich sah ihr sofort an dass das gelogen war, aber beließ es dabei. Keine Ahnung woher ich es immer sah wenn Menschen lügten, vielleicht an kleine Gesten die andere ignorierten oder es lag mir irgendwie im Gefühl.
Ich lächelte sie gezwungen an, ging mit ihr zum Sekretariat und wartete davor. Mein Handy vibrierte.
„Sehen wir uns heute Abend? Dann können wir reden und vielleicht auch ein Film gucken. - Yasin.“ Ich grinste vor mich hin.
„Klar, aber ich muss noch lernen. Wann denn? - Rüya“
„Du kannst bei mir lernen. Ich helfe dir dann, abgemacht? Um 17 Uhr? - Yasin.“
„Abgemacht. Tamam um 17 Uhr steh ich vor deiner Tür. Du hast ja kein Auto mehr – Rüya.“
Yasins Auto war in der Werkstatt weil jemand ihm hinten rein gefahren war. Aber in zwei Wochen könnte er es wieder abholen.
„Bald ist mein Baby wieder bei Baba. Also gut bis später. - Yasin.“
ich antwortete ihm nicht mehr, was denn auch? Eine SMS mit einem Wort wäre reine Verschwendung. Als Melis wieder raus kam, gingen wir zusammen in die Klasse, sie war in meiner Klasse. Es wunderte mich, dass sie gerade paar Wochen vor den Abi-Prüfungen herzog, aber ich wollte sie nicht fragen. Der Unterricht zog sich so in die Länge, das ich es kaum erwarten konnte endlich die Sonne wieder zusehen.
Als es endlich klingelte gingen Melis und ich lachend raus. Sie war wirklich nett und hatte was im Köpfchen. Mal ein Mädchen das hübsch war und was im Kopf hatte, aber nicht eingebildet war. Wir gingen gerade über den Schulhof als ich wieder Baris' Auto sah.
Baris: „Wieso bist du einfach ausgestiegen?“
Rüya: „Das weißt du genau.“
Baris: „Ich wollte mich nicht in dein Leben einmischen, aber ich sage dir das er nicht gut ist.“
Rüya: „Schön freut mich. Ich finde das er ein guter Mensch ist.“ Er wendete seinen Blick von mir ab und sah zu Melis. Die beiden sahen sich lange an, zu lange. Ihr blick war sehnsüchtig, sein Blick war wütend.
Baris: „Was machst du mit der Schlampe?“
Geschockt riss ich meine Augen auf.
Rüya: „Baris!“
Baris: „ich habe dich was gefragt!“
Rüya: „Sie ist neu!“
Baris: „Nach dem was sie gemacht hat.“
Ich drehte mich zu Melis und sah sie fragend an. Sie war den Tränen nahe. Ich wollte zu ihr, sie in den Arm nehmen und sie trösten, aber gerade als ich ein Schritt auf sie zu tat, zog mich Baris ins Auto.
Rüya: „Was soll der scheiß?“
Baris: „Halte dich von ihr fern. Sie ist eine schlampe!“
Rüya: „Halte dich von dem fern, halte dich von ihr fern – Baris lass mich mein Leben leben, lass mich Fehler machen. Ich lerne daraus.“
Baris: „Ich will nur nicht das du zu so einer wie sie wirst. Eine schlampe.“
Rüya: „Eine Schlampe oder deine schlampe?“
Baris: „Hade gel.“
Seine Schlampe, das sagte mir sein verhalten. Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte unbedingt wissen, warum er so zu ihr war. Er fuhr mich schweigend nach Hause und hielt dann vor dem Haus.
Rüya: „Danke fürs fahren, Baris. Ich weiß du meinst es nur gut, aber wenn ich keine Fehler mache werde ich nie daraus lernen. Bitte lass es sein. Ciao.“ Gerade wollte ich aussteigen, da zog er mich an sich und küsste mich auf die Wange.
„Ciao.“ sagte er und sah mir dabei in die Augen.
Ich stieg aus, ging rein und sah auf die Uhr. Verdammt 16: 30 Uhr! Ich rannte hoch und zog mir eine Jogginghose an, danach schnappte ich mir meine Adidas Jacke und rannte auf den Bus, der beinahe an mir vorbei fuhr. Schnell stieg ich ein und setzte mich in die zweit letzte Reihe und sah mich im Bus um. Viele Jugendliche, Kinder von 12 – 14 Jahren saßen mit ihren I pod da und spielten. Diese Zeit heute war einfach nur kaputt und abhängig von solchen Geräten. Als ich ankam war es kurz vor fünf. Langsam ging ich zu Yasins Wohnung und wurde immer aufgeregter. Ich hatte mich nicht zurecht gemacht. Plötzlich geriet ich in Panik. Warum habe ich mich nicht besser angezogen? Schon war ich vor seiner Tür und klingelte. Schritte die immer näher kamen und schließlich das knacken wenn er die Tür öffnete. Dann stand er da, lächelnd, ebenfalls mit Jogginghose und Adidas Jacke. Ich lachte und umarmte ihn einfach. Dabei fühlte ich mich wieder so sicher. Was das für Gefühle waren, darüber müsste ich später nachdenken.
Yasin: „So lass uns lernen.“

Kapitel 6



Nach zwei stunden lernen, hielt ich es einfach nicht mehr aus. Ich war verdammt nervös neben ihm und konnte mich kaum konzentrieren. Ich legte den Stift beiseite und sah ihn an.
Rüya: „Ich habe keine Lust mehr.“
Yasin: „Gut dann lass uns einen Film gucken.“
Gesagt, getan wir setzten uns aufs Sofa und legten alle Dvd's die er hatte vor uns. Deniz war bei Yagmur Teyze und sollte dort übernachten.
„Horrorfilm?“ fragte er schüchtern.
Ich wollte lachen, aber nicht vor ihm. Ich fand das ziemlich süß das er mit mir einen Horrorfilm gucken wollte. Das war doch immer so eine Masche von Jungs oder? Ich nickte. Er legte die DVD ein und ging dann in die Küche, ich ihm hinterher. Wir machten noch Popcorn und Cay und gingen dann wieder ins Wohnzimmer. Nebeneinander, setzten wir uns aufs Sofa und guckten den Film. Der Film, also '' Sinister'', war nicht so schlimm. Wenn man sah wie die Welt da draußen war, hatte man keine Angst mehr vor Horrorfilmen. Immer wieder sah Yasin zu mir und beobachtete mich.
Rüya: „Bin ich interessanter als der Film?“
Yasin: „Hast du keine Angst?“
Rüya: „Wenn du weißt wie die das Leben mit dir spielt, die Welt da draußen ist, hast du vor so was keine Angst mehr.“
Er sah mir tief in die Augen, so als wollte er direkt in mein Inneres sehen. Schließlich legte er seinen Arm um mich und drückte mich an sich.
Yasin: „Meine Eltern starben ein paar Tage nach Deniz' Geburt. Sie waren auf den Weg vom Krankenhaus nach Hause, mit Deniz, als ein Auto in sie rein fuhr. Sie waren sofort Tod, aber Deniz nicht. Es war als hätte er einen Schutzengel gehabt. Als ich erfahren hatte das meine Eltern starben war ich depressiv und anfangs gab ich Deniz die Schuld daran, aber ich wusste das Allah wollte das ich auf ihn aufpasste. Das tat ich dann auch. Wir zogen in diese Wohnung weil ich die Miete von unserer alten Wohnung nicht hätte zahlen können. Ich arbeitete anfangs in einer kleinen Firma, ich war erst 19, hatte andere Sachen im Kopf. Trotzdem rappelte ich mich auf und kümmerte mich um Deniz. Yagmur Teyze wollte das ich zu ihr ziehe, aber ich wollte nicht. Ich wollte alleine bleiben, mit meinem kleinen Deniz, mehr wollte ich nicht-“ Ich streichelte über seine Wangen, den Tod seiner Eltern zu verkraften wäre nie leicht gewesen. Er hat viel mitgemacht, aber irgendwas verschwieg er mir trotzdem.
Rüya: „Baba hatte mich, Anne und Abi immer geschlagen. Ich war gerade mal drei Monate alt, da hatte er mich schon gegen den Türrahmen geschubst. Wegen ihm hatte Anne mal eine Fehlgeburt. Jahrelang hatte es ihm ein Dreck gekümmert wie es uns dabei ging. Zum Glück ließen sie sich scheiden und ich sah ihn länger nicht. Dann kamen Gerüchte. Die Tochter einer alten bekannten sollte mir bzw. meinem Baba sehr ähnlich sein, deswegen sagt man, sie wäre seine Tochter. Vor ein paar Monaten hat er ein anderes Kind bekommen. Ich war lange unter Therapie um das zu verarbeiten, aber ich leide heute noch unter Alpträumen.“
Ich schluckte, es tat weh darüber zu reden. Ich schämte mich, fühlte mich wie ein Psychopath weil ich unter Depressionen litt und allem. Yasin nahm mich in den Arm und küsste meinen Kopf.
Yasin: „aglama.“ (weine nicht) ich hatte nicht bemerkt das ich weinte.
Rüya: „Ich schäme mich so dafür.“
Yasin: „Brauchst du nicht.
Rüya: „Wer will schon mit jemanden befreundet sein der Anti-depressiver nahm?“
Er nahm mein Kopf zwischen seine Hände und sah mir tief in die Augen.
Yasin: „Ich würde mit dir befreundet sein, egal was du hattest. Nur um eines würde ich dich bitten.“
Rüya: „Und um was?“
Yasin: „Bleib immer bei mir.“
Mein Herz pochte wegen diesem Satz. Liebevoll wischte er mir die Tränen weg.
Rüya: „Schmerz verändert Menschen, macht sie stärker und umso wertvoller. Ich werde immer hinter dir stehen, immer.“
Er drückte meinen Kopf an seine Brust und streichelte meine Haare.


Rüya: „Pinar echt ich hab keine Lust mehr. Lass uns nach Hause.“
Es waren zwei Wochen seit dem Abend vergangen. Baris holte mich jeden morgen ab und brachte mich nachmittags wieder nach Hause. Mit Yasin traf ich mich so gut wie jeden zweiten Tag. Über meine Gefühle war ich mir immer noch nicht sicher. Melis war mittlerweile eine ziemlich gute Freundin geworden. ich war mit Pinar Shoppen gegangen und war jetzt ziemlich fertig. Pinar kam zu mir und gab mir ein Kuss auf die Wange.
Pinar: „Wollen wir noch zu mir und meine Sachen abladen? Dann gehen wir wieder zu dir, ich übernachte ja da. “ fragte sie, woraufhin ich nickte.
Auf dem Weg alberten wir und lachten wie verrückte. Ich vermisste Fatih, er war für drei Monate in Amerika als Austauschschüler. Als wir bei ihr waren gingen wir leise hoch. Aber wir waren nicht alleine zu Hause.
„Es ist dein Kind, Baris!“ hörte ich Melis.
Pinar sah mich schockiert an, ich sah sie ebenfalls so an. Baris soll Melis geschwängert haben? Plötzlich standen beide vor uns. Melis mit einer Hand auf ihrem, noch flachen, Bauch und Baris wutentbrannt. Doch der Blick von beiden wurde geschockt als sie uns sahen. Lange sahen wir vier uns alle gegenseitig geschockt an. Es war einer dieser Momente, in denen man einfach eine Erlösung wollte.
„Rüya.“ hauchte Baris leise und geschockt.
Mir wurde klar was für Gefühle ich für ihn entwickelt hatte, Gefühle die ich in diesem Moment einfach abschalten wollte, Gefühle die mir weh taten.
„Am besten ihr beide klärt es jetzt beide.“ sagte ich monoton.
Geblendet von dem Chaos in meinem innersten, konnte ich einfach keine Gefühle zeigen. Nicht zeigen wie geschockt ich war, wie traurig und wütend..

Kapitel 7



Melis schluckte laut und sah auf den Boden. Baris zischte und zog uns alle ins Wohnzimmer.
„Wir waren lange zusammen.“ fing er an zu erzählen und sah dabei auf den Boden, als wäre es eine schlechte Erinnerung.
„Ich glaube wir waren zwei – drei Jahre zusammen. Jung waren wir, jung und verliebt. Ich habe sie über alles geliebt – über alles und jeden.“ er klang als sei es schlecht.
Als wäre es verboten gewesen das zu tun.
„Ja an einem Tag war sie bei mir, wir haben gekuschelt und naja – du weißt schon. Es ist eben passiert.“
Er sah mich an um zu sehen wie ich reagierte. Doch ich zeigte keinerlei Emotionen. „Nicht lange später kam sie zu mir um mir zu sagen das sie mich betrogen hat. Sie hatte mich mit irgendeinem dahergelaufenen Jungen betrogen!“
Er war wütend und laut. Er sah vorwurfsvoll zu Melis, doch sie sah wie gebannt auf den Boden.
„Ich wollte dich heiraten, mit dir mein leben verbringen. Kinder, unter anderen Umständen kriegen!“ schrie er sie an.
Nein, das würde ich nicht zulassen, ich würde nicht zulassen das er sie anschrie, egal wegen was, nicht wie mein 'Vater'.
„Baris sakin ol.“ (beruhige dich) schrie ich ihn an.
„Nein! Ich habe sie verdammt noch mal geliebt! Zwei Monate war sie in meinem Kopf, bis du kamst Rüya.“
Melis sah ihn weinend an - und wie sie ihn liebte. Ihr blick, von tränen verschleiert, voller liebe und Sehnsucht, ruhte auf seinem, zu ihr gewandten, Rücken.
„Aber nicht mal du konntest sie aus meinen Gedanken jagen. Ich musste ständig an dich denken, an deine schönen Augen, aber mein Herz raste als ich sie endlich nach diesen Monaten gesehen hatte. Es tut mir leid.“
Mitleid umgab mich, ich hatte Mitleid mit Baris. Ich liebte ihn, er liebte sie, sie liebte ihn. Das einzige Problem war, das sie ihm etwas verheimlichte.
„B-Baris“ sagte sie stotternd, doch er drehte sich nicht um und sah mich in einer Mischung aus, Mitleid, schlechtem Gewissen und Traurigkeit, an.
„Dir muss es nicht leid tun, Baris.“
Ich begriff, dass meine Gefühle alles in mir verschlangen. Die Wahrheit war doch, das ich mich hoffnungslos verliebt hatte. Ich musste nur noch raus finden, ob es mir genau so bei Yasin erging, war ich auch in Yasin verliebt? Ging das überhaupt? Ich drehte Baris an den Schultern zu Melis und zwang sie, ihn anzusehen.
„Erzähl es ihm Melis.“
Verwirrt sah sie mich an.
Rüya: „Erzähl ihm, was dein Blick mir erzählt hat. Warum du so traurig bist, warum du solche Sehnsucht nach ihm hast.“
„Ich hatte angst.“ sagte sie knapp, als würde das alle unsere Fragen im Raum beantworten.
Rüya: „Verdammt jetzt rede doch Melis!“
Pinar stand wütend auf und strich sich die Strähnen aus dem Gesicht.
„Als ich den Test in der Hand hielt, hielt ich es für unmöglich. Wir hatten verhütet. Das weißt du doch noch oder?“
Baris nickte und sah wütend auf den Boden.
„ Ich hatte angst das du wegrennen würdest. Da dachte ich -“
„Da dachtest du, du verlässt ihn bevor er dich verlässt.“ beendete Pinar ihren Satz.
Pinar war einfach ein Mensch für sich. Ihre hübschen blau-grauen Augen die Ehrlichkeit und ihre Reinheit ausstrahlten, der Positive, herzige Mensch der sich hinter diesem Hübschen 18 Jährigem ansehen verbarg. Sie war lustig, nett, ernst und für mich da, sie war einfach meine Pinar, obwohl ich sie erst seit einem Monat kannte. Melis sah auf ihre Hände, genau das hatte sie sich dabei gedacht. Im Raum war es still, so still, das man hätte eine Ameise hören können. Plötzlich stand Baris auf.
Baris. „Du dachtest ich würde dich verlassen weil WIR ein Kind bekommen?“
Wütend fuhr er sich durch die Haare.
„Nicht EIN mal hätte ich daran gedacht, NICHT EIN MAL!“ schrie er durch das Haus.
„Du warst mein Leben und – verdammt!“ er rannte raus und die Tür knallte heftig zu. Melis wollte gerade aufstehen doch ich wies sie runter.
„Lass.“ sagte ich. „Er braucht seine ruhe, ich sehe gleich nach ihm.“ Sie nickte.
„Es tut mir leid.“ ihre stimme war ein nichts von flüstern, ihre Stimme war weg.
Rüya: „Dir braucht auch nichts leid zu tun.“ Ich drückte aufmunternd ihre Hand.
Melis: „Als Baba erfahren hatte das ich einen Freund hatte, wollte er sofort von dort wegziehen. Ich habe gedacht ich würde Baris auch vergessen, aber es ging nicht.“
Ich sah Pinar an.
Rüya: „Bitte bring ihr Wasser und Taschentücher. Ich guck mal nach Baris.“
Pinar nickte und übernahm meine Rolle. Ich ging raus und suchte Baris, bis ich ihn schließlich auf einem großen Stein, am ende einer riesigen Wiese, dem Sonnenuntergang zuschauend, sah. Schweigend setzte ich mich neben ihm und sah ebenfalls wie gebannt auf den Sonnenuntergang. Die Erinnerung an das erste mal wo ich vor diesem Haus stand durchfuhr mich, da wo Yasin hinter mir stand.
„Baris.“ ich legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter und sah ihn von der Seite an. Rüya: „Sie wollte sich nur selbst schützen.“
Schockiert stellte ich fest, das ihm tränen über die Wangen liefen.
Baris: „Sie war so viel in meinem Leben - sie IST alles in meinem Leben. Diese ganze Zeit ohne sie war die reinste Qual, ich hatte alles an ihr vermisst. Ich war so wütend als sie das sagte - aber trotzdem liebe ich sie immer noch.“
ich drückte seinen Kopf an meine Brust und streichelte seine Haare.
Baris: „Ich werde Vater und Melis ist die Mutter. Wie sollen wir das unseren Eltern erklären?“
Ich lachte und strich ihm weiter durchs Haar, eine Geste, die ihn scheinbar zu beruhigen schien.
Rüya: „Du heiratest sie einfach.“
Baris: „leicht gesagt.“
Rüya: „Geh zu ihren Eltern und halte um ihre Hand an, vor der Hochzeit müsstet ihr das so oder so sagen.“
Er nickte und ich spürte wie er grinste.
„Ich glaub ich freue mich auf das Baby.“sagte er, drückte mich sanft und sah dann mit glitzernden Augen in den Sonnenuntergang hinein. Freudentränen rollten seine Wangen runter und schließlich rollten auch mir tränen die Wangen runter. Es tat weh zu wissen das der Junge in den ich mich verliebt hatte, eine andere liebte und ein Kind mit ihr bekam. Andererseits, freute es mich, das sich Baris freute und es freute mich, dass Melis und er zusammen sogar wieder eine Zukunft aufbauen konnten.
„Du wirst ein toller Vater sein.“ flüsterte ich unter Tränen und schniefte kurz.
Er zog sich zurück, nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mir in die Augen. Mein Herz schlug wie verrückt, pochte und hämmerte gegen mein Brustkorb.
Rüya: „Du wirst eine tolle Mutter werden.“
Er gab mir ein Kuss auf die Stirn. Für ihn bedeutete der Kuss vielleicht nix, für mich aber viel. Ich nickte und wir beide gingen rein. Er lief sofort zu Melis und setzte sich neben sie.
Baris. „Wann ist dein nächster Frauenarzt Termin?“
Geschockt sah sie zu ihm.
Baris. „Na als der Vater muss ich doch dabei sein wenn mein Kind auf einem Bildschirm gezeigt wird.“
Glücklich sprang Melis ihm um den Hals und weinte vor Freude. Als beide sich lösten sah er ihr in die Augen, dann auf den Bauch, wo er seine Hand drauflegte.
„Guck mal wie deine Anne weint.“ sagte er lachend und küsste Melis' Stirn.
Pinar drückte mir auf die Schulter und zeigte mit dem Kopf in ihr Zimmer. Ich nickte und wir gingen in ihr Zimmer. Dort brachte sie ihre Sachen auf ihr Bett und wir gingen ohne ein Wort mehr zu sagen zu mir nach Hause. Bei mir legten wir dann schließlich meine Sachen ab und ich setzte mich lustlos auf mein Bett.
„Ich hätte es dir erzählen sollen. Ich bin eine schlechte Freundin.“ sagte Pinar, setzte sich neben mich und streichelte mir über den Rücken.
Rüya: „Nein bist du nicht! Ich werde schon darüber hinweg kommen.“
Pinar: „Das weiß ich, weil du stark bist.“
Sie drückte mir ein Kuss auf die Wange und umarmte mich. Dennoch fing ich an zu weinen, weil es einfach weh tat. Die ganzen Wochen hatte er mir eine Hoffnung gegeben die jetzt, einfach unergründlich war. Wollte er sich mit mir nur ablenken? Auf einmal wurde ich wütend. Natürlich hatte er mich als Ablenkung benutzt, mir wurde klar wie leichtsinnig ich einfach war. Warum sonst hatte er so oft angerufen, in den letzten zwei Wochen? Warum sonst hatte er mich immer wieder abgeholt?
„Ich war nur seine Ablenkung.“ sagte ich mehr zu mir selbst.
Rüya: „Alles war gezwungen, er hatte sich selbst gezwungen sich mit mir abzulenken.“
Wütend und weinend sah ich Pinar an.
Rüya: „Dein Bruder hatte mit mir gespielt, ich war sein Spielzeug!“
Pinar sah beschämt zu Boden, auch wenn sie nicht dafür konnte das ihr Bruder das getan hatte.
Es klingelte an der Tür. Pinar und ich sahen uns beide fragend an. Schließlich ging ich runter an die Tür und öffnete sie langsam. Vor mir stand Yasin, wütend und roten Augen.
„Du bist schwanger?“ brüllte er mir förmlich ins Gesicht.
Alles Farbe wich mir aus dem Gesicht und ich fing an zu zittern, so sehr machte er mir Angst.
Rüya: „W-was redest du Yasin?“
Yasin: „Du- du bist schwanger von Baris!“
Seine Augen füllten sich und ein unglaublicher Schmerz umhüllte mein Herz. Wieder konnte ich nicht erklären was ich für Gefühle in mir hatte.
Er sah mir mit Schmerz in den Augen in die Augen, drehte sich um und ging. Wie angewurzelt stand ich in der offenen Tür und spürte, wie die Tränen meine Wangen runter liefen. Schmerzerfüllt gaben meine Knie nach und ich sackte zu Boden. Dieser Schmerz war eindeutig schlimmer als der Schmerz den ich all die Jahre erlitten hatte und den den ich vorhin erst erlitten hatte. Dieser Schmerz ähnelte Messerstichen am ganzen Körper, jeder Zentimeter deiner Haut der in Brand stand, so fühlte sich dieser Schmerz an. Dann wurde mir meinen Gefühlen klar. Ich liebte Yasin, bedingungslos, so sehr dass das Wort 'liebe' noch gering wäre.

Kapitel 8



„Shht Rüya was ist passiert? Wer war an der Tür?“ fragte Pinar, doch ich antwortete nicht sondern wippte mich, mit den Knien an meinem Körper gezogen, den Kopf auf den Knien, hin und zurück und schluchzte. Es tat so verdammt weh. Es war, als hätte er mir einfach mein Herz raus gerissen. Sein Gesichtsausdruck als er mir Vorwarf ich sei schwanger von Baris, einfach Herzzerreißend.
Fühlte er so wie ich? Empfand er auch was für mich?
„Ich liebe ihn, Pinar.“ schluchzte ich und wippte mich weiter vor und zurück. „ich liebe Yasin, das weiß ich jetzt.“ fügte ich weinend hinzu. Pinar legte einen Arm um mich und zog mich an ihre Brust. Während sie mir über den Rücken strich, schwieg sie. Genau das brauchte ich, ich brauchte die Ruhe und einfach eine Umarmung. Eine Umarmung würde mich wieder beruhigen, das wusste Pinar mittlerweile. Als ich mich wieder beruhigt hatte, standen wir beide auf, schlossen die noch offene Wohnungstür und gingen in mein Zimmer.
Pinar: „War das Yasin?“
Ich nickte und spürte wie die Tränen wieder hoch kommen wollten.
Pinar: „Aber was hat er gemacht?“
Rüya: „Er hat mir vorgeworfen das ich schwanger von Baris sei.“
Pinar: „Wer soll ihm das gesagt haben?“ Nachdenklich sah ich die Wand vor mir an. Wie war er darauf gekommen? Ich zuckte mit den Schultern, denn nicht mal ich wusste die Antwort. Nur er kannte sie. Pinar drückte mir sanft auf die Schulter und lenkte mich für den Rest des Abends ab.


Drei Tage Später:

Ich hatte nichts von Yasin gehört. Kein Anruf, keine SMS, kein Atemzug von ihm. Ich vermisste ihn, so sehr, dass ich es nicht aushielt. Doch ich konnte nicht, er war sauer und distanziert, zwar aus falschen gründen aber er würde nicht klein bei geben.
„Hala gehen wir jetzt Spielplatz?“ fragte Gökhan zappelig.
Ich küsste seine Süßen Wangen und ging mit ihm auf den Spielplatz. Erst setzte ich mich zu ihm in den Sandkasten und spielte mit ihm. Als er so vertieft war das er mich nicht mehr bemerkte ging ich auf eine Bank zu, setzte mich und sah Gökhan beim Spielen zu. Früher, da hatte ich das nie machen dürfen. Ich durfte nicht weil Erdogan es so sagte, und damals war die Angst wieder geschlagen zu werden, einfach zu groß. Viel hatte mir das nicht gebracht, geschlagen hatte er mich ja so gut wie jeden zweiten Tag.
Baris: „Selam Rüyalein.“
Ich zog eine Augenbraue hoch und sah mir Baris an. Er sah glücklich aus, so verdammt glücklich.
Rüya: „Der Name muss echt nicht sein, Barislein.“ Er lachte und setzte sich neben mich.
Baris: „Was machst du?“
Rüya: „Na meinen Neffen auf den Spielplatz begleiten und du?“
Yasin: „Bin mit Deniz da.“
Ich fing an zu zittern. Hatte Yasin auch mit Baris darüber gesprochen?
Rüya: „Hat Yasin dir irgendwas gesagt oder getan?“
Baris sah mich verwirrt an.
„Ne warum sollte er?“
Warum war er nur zu mir gekommen? Gedankenverloren sah ich Gökhan mit Deniz spielen, sie benahmen sich wie Brüder, was ich ziemlich süß fand. Baris holte sein Handy raus, während ich schielte wen er anrufen würde, traf es mich wie eine Faust aufs Herz. Als ich Yasins Namen sah, packte ich schnell meine Sachen und stand auf.
Baris: „Rüya – Ah Yasin warte kurz.“
Ich schluckte, er war an der anderen Leitung.
Baris: „Rüya alles ok? Du bist blass, setzt dich wieder.“
Rüya: „Ich- ich geh nach Hause. Gib Deniz ein Kuss von mir.“
„Yasin auch?“ fragte er grinsend.
Wie ein Schuss sah ich ihn an und mir kamen die Tränen.
Rüya: „Den würde er eh nicht wollen. Ich gehe jetzt. Bestelle deinen Eltern grüße und sag das Pinar mich heute Abend anrufen soll, es ist dringend.“
Ich schluckte und sah nach hinten zu Gökhan.
Rüya: „Gökhan gel. Wir gehen nach Hause.“ (komm)
„ama Hala Deniz und ich spielen so cool.“
Rüya: „Gökhan morgen oder so gehst du zu Baba und fragst ihn ob er dich nach Deniz fahren kann.“
Gökhan: „Nur fünf Minuten noch.“
Währenddessen hatte Baris schon aufgelegt und drückte meine Schulter. Verdammt, warum hatte Yasin nicht mit ihm darüber gesprochen?
Ich zappelte rum und wippte mein Fuß ungeduldig. Ungeduldig stand ich auf, ging zu Gökhan und nahm seine Hand.
Rüya: „Komm Baba macht sich sorgen.“
„Deniz!“ ich blieb abrupt stehen.
Seine Stimme ging durch mein Körper wie mein Blut.
Ich musste mit ihm reden, also nahm ich Gökhan und Deniz und lief zu Yasin.
Rüya: „Yasin -“
„Deniz komm Eda Abla ist da.“ sagte er ohne mir zuzuhören.
Es traf mich, dass er noch etwas mit dieser Eda (Kapitel 1) hatte.
„Abla warum weinst du?“ fragte mich Deniz ohne auf Yasin zu hören.
Ich wischte meine Tränen, die ich nicht bemerkt hatte, weg und sah lächelnd zu ihm runter. Yasins Blick spürte ich stets auf mir, versuchte ihn trotzdem zu ignorieren.
Rüya: „wenn du was hörst das dir nicht gefällt, Deniz, dann versprich mir das du zuerst die Person fragst ob das stimmt. Tamam?“
Verwirrt sah mich Deniz an, nickte aber noch. Dann sah ich hoch zu Yasin.
Rüya: „Ich weiß zwar nicht woher du das hast das ich so Ehrenlos wie deine Freundin da hinten bin -“ ich zeigte auf Eda die gerade angestöckelt kam. „aber wenn ich du wäre, würde ich erst mal nach Fragen. Keine Ahnung wo du gehört hast das ich schwanger sein soll, aber es juckt mich nicht. Du juckst mich nicht.“ Eda kam und stellte sich neben Yasin. So als wäre er ihr Eigentum, legte sie eine Hand auf seine Schulter.
„Eda, seine Freundin.“ sagte sie arrogant.
Ein Stich in mein Herz durchfuhr mich, bei dem Wort 'Freundin'. Sie war älter, schätzungsweise zwischen meinem und seinem alter, aber ihr auftreten tat in den Augen weh, so hässlich war es.
Rüya: „Rüya, niemand von Bedeutung.“
Yasin sah mich traurig an, doch ich ignorierte es.
Rüya: „Vielleicht sehe ich nicht aus wie diese Nutte da neben dir, aber es ist besser wenn ich so aussehe wie ich aussehe, das ich so bin wie ich bin, denn ich bin lieber ein niemand, als eine Nutte. Du hättest mich fragen sollen, du hättest auch mit Baris reden können anstatt mich als die Ehrenlose darzustellen. Es ist erschreckend das ich geglaubt hatte, wir wären Freunde.“ Ich schüttelte den Kopf und wollte an ihm vorbeigehen doch er hielt mich am Ellbogen fest und sah mir tief in die Augen. Eda zischte neben uns und schubste mich weg.
Eda: „Wer ist hier die Nutte?“
„Na du, wie man sieht.“ sagte Baris, der hinter mir vorkam. Was danach geschah wusste ich nicht, denn ich ging. Ja, ich lief weg, weil es mir weh tat das er einfach nicht begriff das ich so was nie vor der Ehe tun würde. Und es tat verdammt noch mal weh zu sehen das er jemand hatte, auch wenn sie nur Zeitvertreib war. Es tat alles höllisch weh.
Zuhause angekommen, machte ich für Gökhan Power Rangers an und ging selber noch etwas lernen. Morgen wäre meine letzte Prüfung, die letzten hatte ich gut zustande gebracht. Schon nach zwei stunden legte ich mich ins Bett und weinte, ich weinte alles aus mir raus. Eda, er war wieder mit Eda. Dieser scheiß Gedanke brachte mich so aus der Fassung das ich sogar vor Wut und Eifersucht noch mehr schluchzen musste. Ich war so abnormal Enttäuscht und verdammt Eifersüchtig, das ich sogar verzweifelt war. Was würden die Tage mir noch bringen? Insallah studiere ich bald Jura und bin erst mal richtig beschäftigt. Ich würde Tag und Nacht an meinen Büchern hocken, nur um gut zu sein. Ich wollte besser sein, als Baba immer sagte. Ich musste besser sein, auch wenn ich es ohnehin schon war. Er sagte immer ich würde nicht mal in der Sonderschule meinen Abschluss schaffen. Es war mir egal, denn ich, und alle in meinem Umfeld wussten, das ich es geschafft hatte. Es stand nichts mehr meinem Studium im Wege, nur diese scheiß Liebe die mir den Verstand, die Geduld und das Herz raubte. Yasin, raubte mir alles.

Kapitel 9



Ich legte den Stift zur Seite und sah mir alles noch mal genau an, dann stand ich auf und gab es ab.
Mit komischen Gefühlen verließ ich den Prüfungssaal und atmete erleichtert aus. Endlich hatte ich meine Prüfungen hinter mir. Ich hatte tatsächlich ein Stipendium bekommen für mein Jura Studium und es würde in zwei Monaten sogar anfangen. Aufgeregt war ich ohnehin schon, denn ich wollte unbedingt Staatsanwältin werden. Vor der Tür wartete ich auf Melis. Ich sah mir den Flur an und musste mich an so viele dinge erinnern. Lehrer die schimpften, Schüler die in Grüppchen rum liefen, all das normale Chaos in einer normalen Schule. Vermissen würde ich es aber trotzdem nicht. In drei Tagen sollte meine Abi-Abschlussfeier sein. Ob ich mich freute? Irgendwie schon, denn so bekam das Gefühl, endlich hier fertig zu sein, einen Beweis. Andererseits hatte ich gar keine Lust auf so eine Party. Alkohol trinken, paar Joints rauchen und gelangweilt da sitzen war nie mein Ding. Meine Welt bestand darin meinem Vater zu zeigen das ich es drauf hatte, das ich etwas wert war. Mein Selbstbewusstsein war nie hoch, trotzdem wusste ich, das ich etwas Wert war. Denn meine Mutter, Sinan, Kaan und Fatih, zeigten es mir jeden Tag. Mittlerweile taten das auch Melis, Pinar und Baris. Wobei ich ohnehin schon stolz war, dass ich solche tollen Menschen an meiner Seite hatte. Meine Hoffnung aber, war bei Yasin. Ich hoffte so sehr das ich ihm etwas bedeutete, auch wenn es nur ein bisschen war. Doch meine Hoffnung zerplatzte immer wieder wenn ein Tag vorbei ging. Ich wusste einfach nicht warum Yasin nicht auch zu Baris gegangen war. Er hätte mit uns beiden reden müssen, nicht nur mit mir!
„Wie war es bei dir?“ riss mich Melis aus den Gedanken. Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte sie an.
Rüya: „Ganz gut, ich denke ich schaffe es. Bei dir?“
Melis: „Ich glaube auch.“
Wir lachten, weil wir uns so selbstsicher waren.
Melis: „Gehen wir Kaffee trinken?“
Ich nickte, hob meine kleine Umhängetasche auf und ging mit ihr zu einem Starbucks. Dort setzten wir uns ins freie und bestellten unseren Kaffee. Ein großer Kaffeefan war ich ja nicht, aber wenn ich lernen musste, dann brauchte ich eben Koffein.
„Wie sieht es mit dir und Baris aus?“ fragte ich Melis als unsere Getränke kamen und ich die Augen wegen der Sonne zusammenkniff. Melis grinste bis über beide Ohren, es tat schon fast weh das zu sehen. Nicht im schlechten sinne, sondern im guten. Sie sah so unglaublich Glücklich aus.
Melis: „Ich glaube es wird wieder gut. Er hat meine Hand gehalten und mein Bauch gestreichelt.“ antwortete sie verträumt. „Ich freue mich zum ersten mal seit dem ich es weiß wirklich auf das Kind, Rüya. Ich meine, ich freute mich schon davor, auch wenn das Baby nicht gerade zu einer passenden Zeit kommt, aber jetzt wo ich weiß das Baris neben und hinter mir steht und mit mir das Baby großzieht, da freue ich mich gleich doppelt und dreifach.“ Ich lächelte sie aufrichtig an. Sie war so unglaublich glücklich. Aber was war mit ihren Eltern? Ihr Bruder? Mein lächeln verschwand.
Rüya: „Wann willst du es deinen Eltern sagen?“
Melis senkte ihren Kopf.
Rüya: „Ich weiß nicht.“
Ich legte eine Hand auf ihre Schulter.
Rüya: „Egal wann, Baris steht hinter dir, ich und Pinar auch.“
„Was sitzt ihr da so faul rum? Auf kommt wir müssen Shoppen!“ rief Pinar von weitem.
„Wenn man vom Teufel spricht.“ ich verdrehte die Augen und lachte hinterher. So war sie nun mal.
„Warum willst du wieder Shoppen?“ fragte Melis stöhnend.
„1. Brauchst du neue Klamotten wegen deinem Babybauch.“ sagte Pinar und lächelte. „2. Braucht ihr zwei Kleider für euren Abschlussball und 3. müssen wir mal wieder was machen, ihr hattet ja keine Zeit.“
„Wir haben komischer weise Prüfungen geschrieben. Du hast sie ja erst nächstes Jahr.“
„Ich weiß ich weiß. Hade gel.“ Unmotiviert wie wir waren, ließen wir uns von Pinar durch verschiedene Einkaufsgassen schleppen.
„Du brauchst auch ein Kleid, Pinar.“ ich legte meinen Arm um ihre Schulter. Wahrscheinlich hatte sie einfach auf eine Einladung gewartet.
Pinar: „Wirklich?“
Rüya: „Du bist meine Beste Freundin, natürlich bist du dabei.“ sie quiekte glücklich und warf sich mir um den Hals.
Pinar: „Ich schminke dich und mache deine Haare und du machst es umgekehrt bei mir. Tamam? Tamam.“
Ich lachte. Sie entschied es einfach selbst, aber mir war es nur recht.


Drei Stunden später waren wir - endlich - auf dem Rückweg. Voll bepackt mit Tüten und einem Kaffee von Starbucks in der Hand, gingen wir auf dem Gehweg und lachten.
„Yasin Abi!“ schrie plötzlich Melis. Mein Herz blieb stehn, sowie mein Körper auch. Dann sah ich ihn. Er stand weiter weg an seinem Auto, seine Augen waren wegen der Sonne zusammengekniffen und seine Hände lässig in den Hosentaschen. Er sah einfach toll aus.
„Das schaffst du schon, komm.“ sagte Pinar. Ich sah sie flehend an. „Wenn du vor ihm wegläufst ist es nicht besser.“ Ich atmete tief ein und wieder aus. Dann ging ich Melis mit Pinar hinterher.
Pinar und Melis begrüßten ihn mit Küsschen links und Küsschen rechts, ich blieb wie angewurzelt stehen und sah mich in der Umgebung um.
„Na wo wart ihr?“ fragte er mit seiner schönen tiefen, aber nicht zu tiefen, stimme.
„Wir waren für Melis' und Rüyas Abschlussball Shoppen.“
„Willst du eigentlich mitkommen? Baris kommt auch.“ geschockt sah ich zu Melis. Sie wusste ja von nichts, weder von meinen Gefühlen noch von unserem 'Streit'.
„ich muss Baris ja fahren, sein Auto ist jetzt in der Werkstatt.“
„Kaum ist dein Auto raus, ist Baris' Auto drin.“ Pinar schüttelte den Kopf.
„Oyy Pinar schau mal!“ Melis riss Pinar an der Hand und zog sie in eine andere Richtung.
Nein, nein, nein! Bleibt hier, rief ich innerlich hinterher. Ich wollte mich wegdrehen, da spürte ich warme Hände an meinen Oberarmen.
„Schon am Babykleider kaufen?“ Yasin sah mich ernst an. Ich riss mich los, bevor ich noch eine Träne vor ihm vergießen würde. Jetzt war es vorbei. Er dachte wirklich ich hätte schon – Wie konnte er nur so was denken?
„Melis?“ rief ich mit dem wissen das Yasin hinter mir stand. Melis drehte sich zu mir. „Hier ist DEINE Tüte. Ich lass sie bei dem.“ Ich zeigte auf Yasin, und sie nickte. Ich drehte mich wieder zu Yasin.
„Hier, gib die hier Melis!“ ich drückte ihm die Tüte mit den Babyklamotten in die Hand. Er sah mir in die Augen und dann wieder auf den Boden. „Nein Yasin, das ist nicht meine Tüte. Genau wie ich nicht schwanger bin, weder von Baris, noch von jemand anderem.“
Ich drehte mich weg und ging nach Hause, wo ich mich traurig und erschöpft aufs Bett fallen.
Plötzlich klingelte mein Handy. ' Pinar '
Pinar: „WO BIST DU?“ schrie sie von der anderen Leitung. Ich hielt mir das Handy etwas weiter weg und atmete tief durch.
Rüya: „Zuhause, wo sonst?“
Pinar: „Eigentlich solltest du neben mir sein!“
Rüya: „Pinar du weißt das ich es nicht lange neben Yasin aushalte.“
Pinar: „Er sieht nicht besser aus als du.“
Rüya: „Was kann ich dafür? Er stellt mich doch so dar!“
Pinar: „Melis spricht gerade mit ihm, sie erzählt ihm das sie schwanger ist.“
Rüya: „tamam. Ich glaub ich geh noch etwas Joggen.“
Pinar: „Ruf mich an wenn du Zuhause bist.“
Rüya: „mach ich. Hade tschüss.“
Pinar: „Bye.“
ich legte das Handy zur Seite und sah aus dem Fenster. Es sah so aus als würde es jeden Moment regnen. Und genau dann liebe ich es zu Joggen. Es war immer wie ein Wettkampf. Ich musste schneller mit meiner Runde sein als das der Regen kam. Ich stand auf, zog mir eine Jogginghose, ein Top und meine Turnschuhe an und stöpselte dann meine Kopfhörer an mein Handy. Viele haben Ipods, die neusten Handys und besten Leptops, ich war froh nicht wie die anderen zu sein. Kein Ipod, kein hochmodernes Handy und nicht das beste Leptop. Ich öffnete die Tür und joggte bis in den Park in der Stadtmitte. Auf einmal klingelte mein Handy, als ich gerade mitten in der Stadt war.
Ich zog es raus und starrte die Nummer an, eine reihe Zahlen die ich nicht kannte. Mit den Schulterzuckend hob ich ab.
„Hallo?“
„Ihr werdet sehn was ihr davon habt! Mein Geld bekommt ihr nicht!“ Ich erstarrte, 'Baba'.

Kapitel 10



Die Leitung war Tod, er hatte aufgelegt. Es fing an zu regnen, aber ich blieb stehen wo ich war. Ich atmete tief ein und wieder aus. Sein Tonfall, wie der von früher als er uns geschlagen hatte. Eine Gänsehaut überkam mich. Meine Beine waren wie in Beton eingemeißelt, ich rührte mich nicht vom Fleck. Es war eine Drohung, ohne weiteres. Aber was würde er schon machen?, fragte ein winziger teil von mir der alles positiv sah. Plötzlich versiegte der Regen über mir. Oder kam mir das nur so vor? Ich sah hoch, ein Regenschirm. Dann sah ich zur Seite und sah in giftgrüne Augen.
Ohne ein Wort zog er mich in die Realität zurück. Mein Körper schien wieder leben zu bekommen und meine Lungen erlangten die saubere Luft wieder.
„Yasin.“ hauchte ich leise und bemerkte erst später die Tränen. Warum Tränen? Es war ein einfacher Anruf. Doch er zerstörte alles, wie immer. Yasin zog mich mit einem mal an seine Brust und umarmte mich. Es war, als würde jedes Problem schwinden. Alles war weg. Es schien als würde er alles Balast von meinen Schultern nehmen. „Yasin.“ flüsterte ich ein weiteres mal. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr ich ihn eigentlich vermisst hatte. Seine Nähe, wenn auch nur als einfacher Freund, seine Wörter und sein wunderschönes Lachen. Er strich mir vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht und drückte mich noch fester an sich. So, das es hart an der Schmerzgrenze war, als würde ich mich jeden Moment losreißen und schreiend wegrennen. Aber das wollte ich nicht, am liebsten würde ich mein leben lang in seinen Armen verweilen. Wer würde das bitteschön nicht? In den Armen der Person zu liegen, die du über alles liebst?
„Es tut mir leid das ich dir das alles vorgeworfen hatte.“ sagte er leise in meine Haare. Ich atmete seinen Geruch ein. Im Grunde genommen hatte ich ihn schon verziehen als ich in seine Augen gesehen hatte. „Ich war so wütend, es tut mir leid.“ Er küsste meinen Scheitel und sprach einfach weiter. „Ich hab gehört wie du gesagt hast das er ein guter Vater sein wird und er dann gesagt hatte das du auch eine gute Mutter wirst – weiter hatte ich nicht gehört. Özür dilerim.“ (Entschuldigung)
„Yasin.“sagte ich wieder, jedoch sehnsüchtiger.
Er schob meinen Kopf etwas von seiner Brust weg und betrachtete mich genauestens. Ich beobachtete ihn ebenfalls und versuchte mir dieses Bild von dem besorgten Yasin zu Speichern. Kennst du das Gefühl der Person die du liebst einfach mal 'ich liebe dich' sagen zu wollen? Ich unterdrückte dieses verlangen. Es lag mir auf der Zunge einfach den Satz zu sagen, aber ich würde es nicht riskieren wollen. Ich meine, wir waren nicht zusammen und kannten uns erst ein Monat. Trotzdem waren diese Gefühle von unglaublicher Kraft.
„Ich hab dich vermisst.“ unterbrach Yasin, wenn auch schüchtern, meine Gedanken. Mit roten Wangen sah ich an ihm vorbei.
„Ich dich auch.“ Er lachte und kniff mir in die Wangen.
„Weißt du eigentlich wie unglaublich süß das aussieht?“
„Nö.“ Er kam näher und blieb an meinem Ohr.
„Du siehst wunderschön aus wenn du rot wirst.“
ich lächelte wie eine Idiotin. Er fand mich wunderschön wenn ich rot wurde. Eigentlich hasste ich Komplimente, einfach weil sie meistens nicht stimmten, aber bei Yasin musste ich es einfach glauben. Vielleicht aus reiner Naivität, vielleicht aber auch weil es mir so ehrlich vorkam. Eine Weile lang sahen wir uns schweigend an. Es war ein sehr angenehmes Schweigen. Doch plötzlich übermannten mich meine Gefühle. Er hatte mir nicht geglaubt, ja er wollte mir ja nicht mal zuhören. Meine Wut stieg, er hatte sich das jetzt selbst eingebrockt. Ich entzog mich von ihm sah ihn mit einer Mischung aus Sehnsucht, Trauer und Wut an.
„Du hast mir nicht geglaubt.“ sagte ich und ging ein schritt zurück, als wäre seine Nähe purer Gift.
„Rüya -“ er kam ein schritt näher. Ich hob abwehrend meine Hände und ging noch ein schritt zurück.
„Yok! Lass mich in ruhe.“ (nicht) Ich drehte mich um und ging. Vielleicht schaffte ich es 100 Meter weiter, denn sofort als ich einen Baum sah, lehnte ich mich an ihn und spürte wie sich die Tränen verdoppelten. Ich weiß, ich sollte ihm verzeihen. Aber ich konnte es nicht. Ich meine, was wenn er es wieder tun würde? Wo blieb das Vertrauen bei dem ganzen? Ich weiß, in dieser Hinsicht sollte ich ihm ebenfalls vertrauen schenken. Es war nicht sehr kompliziert, aber es überforderte mich einfach, dass der einzige Mensch den ich liebte, mir nicht vertraute. Klar, wir waren nicht zusammen und ich wusste auch nicht wie er mir gegenüber fühlte, trotzdem, selbst als einfacher Freund wäre es zu viel für mich.


„Zieh es jetzt an, wir warten draußen auf dich.“ sagte Pinar in einem Ton der keinen widerstand duldete. Ich verdrehte die Augen und zog mein Abschlusskleid an. Heute war der Tag meiner Abschlussfeier. Ich hatte es jetzt also hinter mir. Es fühlte sich befreiend an, doch auf die Feier könnte ich ruhig verzichten. Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich mein Spiegelbild. Ich hatte ein dunkelblaues Bodenlanges Kleid, aus einem wunderschönem weichen Stoff und passenden Pumps. Meine Haare waren geschickt und wunderschön hochgesteckt worden, meine Augen wurden mit blauen Smokey-eys geschminkt und meine Lippen mit einem hauch von hell rosa lippgloss. Ich packte meine kleine blaue Tasche (die ohne träger- weiß nicht wie die heißen), schmiss mein Handy, lippgloss und Parfum rein und strich mein Kleid glatt. Ich wurde regelrecht auf Hochglanz poliert. Meine Augenbrauen hatten eine perfekte Form, zwei einzelne gelockte Haarsträhnen schmiegten sich an mein Gesicht.
„Alter Rüya bewege dich mal!“ schrie Melis von draußen.
„Das ist voll unnötig.“ gab ich protzig zurück.
„Du bist unnötig. Musst du erst deine Busen sortieren oder was?“ mischte sich Pinar ein. Ich hörte wie Melis lachend zischte.
„Nur weil du auf die stehst. Die gehören nur mir.“ ich lachte weil wir von einem Thema, zu einem anderen unnötigen Thema gekommen waren.
„und deinem Ehemann später?“
„pfft der soll mal weg gehen. Außerdem, werde ich eh nicht heiraten. Also ich komm jetzt raus.“ Langsam öffnete ich die Tür und blieb abrupt stehen als ich Yasin sah. Seit dem Tag im Park hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich genoss es grinsend das er mich regelrecht angaffte. Doch schnell verblasste mein Grinsen als ich bemerkte das er unser Gespräch gehört hatte. Jetzt war er es der triumphierend grinste. Wütend sah ich zu Pinar, das hatte sie extra gemacht.
„Komm fahren wir.“ sagte Melis, klatschte in die Hände und ging raus. Pinar folgte ihr. Als ich den beiden hinterher wollte packte mich Yasin am Ellbogen und zog mich zu sich.
„Du siehst hübsch aus.“ sagte er sanft.
„Du nicht.“ Naja, das stimmte nicht ganz. Ok, es stimmte gar nicht. Er hatte eine schwarze Anzughose und ein blau kartiertes Hemd, was perfekt zu meinem Kleid passte, an. Plötzlich tritt ein gequälter Ausdruck in sein Gesicht. Nahm er es so ernst wenn jemand sagte er sei nicht hübsch?
„Es tut mir leid, Rüya.“ Er sah mir intensiv in die Augen. Ich schüttelte den Kopf um diesen schönen Augen aus dem weg zu gehen. Doch es half nichts. Im Grunde genommen, war es egal wie sehr ich dagegen ankämpfte. Ich liebte ihn und würde ihm immer verzeihen. Aber trotzdem wollte ich ihn etwas zappeln lassen. Ich löste mich von seinem Klammergriff und ging zu seinem Auto. Er folgte mir hörbar seufzend. In mir drin lachte ich.
Als wir an der großen Halle ankamen, stiegen wir aus, wobei es bei uns Mädchen relativ schwer fiel. Als wir es dann geschafft hatten sahen wir uns an und lachten.
„Wo steckt den Baris?“ Plötzlich wurde Pinar nervös.
„e-ehm der ist... er kommt später.“ ich runzelte die Stirn, zuckte aber dann doch mit den Schultern.
In der Halle war alles wunderschön dekoriert. Blaue Girlanden an der decke, die Tische mit hellblauen Tischsets und ein kleines Stück wurde frei gelassen als Tanzfläche. Zuerst kam eine lange Ansprache von dem Rektor, dann von einigen unserer Lehrer und zuletzt von den Klassensprechern. Der Abend zog sich total in die Länge. Irgendwann nach den reden und vor dem Essen, machten sie Musik an. Sofort zerrte Pinar mich auf die Tanzfläche und tanzte mit mir. Wir lachten und alberten einfach rum. Ob es mir Peinlich war? Nein, ganz einfach aus dem Grund weil ich so bin wie ich bin. Wenn ich für manche peinlich war, dann sollten sie so denken.
Plötzlich sah ich ihn und blieb abrupt stehen. Er kam grinsend zu mir rüber und zog mich an seine Brust.
„Fatih.“ stellte ich fassungslos und immer noch schockiert fest.
„na Prinzessin?“ ich öffnete meinen Mund, um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Er war hier? Aber er müsste doch noch – Es war mir völlig egal. Fatih, mein Fatih war da. Ich sprang ihn um den Hals und gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
„Ich hab dich vermisst.“ sagte ich traurig.
„Ich dich auch.“ er küsste meinen Scheitel und hielt mir die Hand hin. „Will das wunderschöne Mädchen mit ihrem Besten Freund tanzen?“
Ich tat so als würde ich überlegen und lies mir zeit.
„mhh. Tamam.“ er zog mich wieder zu sich, legte eine Hand auf meine Taille und die andere legte er in meine Hand. Wir tanzten eine Weile bis ich plötzlich von ihm gerissen und nach Draußen gezogen wurde.
„AUA!“ schrie ich die Person an und erkannte Yasin.
„Ist das dein Freund?“
„Sanane?“ (Was geht dich das an?)
„sintir etme! Ich will es wissen und du wirst es mir sagen. Hade!“ ( mach mich nicht wütend)
„und wenn er mein Freund ist?“ Er ließ mich los und sah zur Seite.
„dann würde ich mich von dir fernhalten müssen.“ Ich sah ihn so gut es ging an und trat ein Schritt auf ihn zu. Ich schob seinen Kopf zu mir, so dass er mir in die Augen sehen musste. Lächelnd drückte ich ihn runter und umarmte ihn.
„Er ist nicht mein Freund. Er ist mein Bester Freund.“ Es fing wieder an zu regnen. Es geht ja nichts über eine Dusche, dachte ich ironisch.
Grinsend sahen wir uns beide an, doch auf einmal wurden wir beide Ernst. Er kam ein schritt näher und zog mich in seine Arme. Er drückte mich an sich, atmete meinen Geruch ein und strich mir über die Wangen.
Wieder sah er mir so intensiv in die Augen, das ich angst hatte, er würde sehen wie sehr ich ihn liebte. Wie in Zeitlupe bewegte er seinen Kopf auf meinen zu und blieb unmittelbar ein paar Zentimeter vor meinen Lippen stehen. Er sah abwechselnd mir in die Augen und dann auf meine Lippen. Wollte ich das wirklich?

Kapitel 11



Nein. Es war zu früh, viel zu früh. Klar, ich hatte diese Gefühle die ich für ihn hegte, doch alles andere war zu früh. Ich schloss meine Augen, atmete tief ein und wieder aus und ging einen Schritt zurück. Yasin war nach vorne gebeugt. Er schloss auch die Augen und stellte sich wieder gerade hin.
„Tut mir leid.“ sagte ich schuldbewusst.
„Bist du verrückt? Ich bin zu weit gegangen. Ich konnte mich nicht beherrschen. Mir tut es leid.“
Er konnte sich nicht beherrschen?
„Yasin ich -“ ich atmete tief durch. „Warum hast du gedacht ich wäre Schwanger? Ich meine, mittlerweile solltest du mich kennen und wissen wie ich darüber denke.“
„Rüya es – ich hab einfach rot gesehen als ich euch beide so gesehen habe. Ich wollte in deinen Armen liegen, nicht er. Ich wollte dir sagen das du eine gute Mutter abgeben würdest, nicht er.“
Mein Herz setzte einen schlag aus. Er wollte in meinen Armen liegen.
„Du warst doch gerade in meinen Armen.“ sagte ich mit hochrotem Kopf und sah schüchtern auf den Boden.
„Ja, und es war ein schöner Moment, aber du hast mich zurückgewiesen.“
„Ach.“ ich sah ihn verwirrt an. Es machte ihn so viel das ich nicht wollte? „Ach, Yasin.“ Ich schüttelte den Kopf. „Gehen wir rein.“ Ich lächelte breit. Auf einmal zog er mich in seine Arme und sah mir wieder in die Augen. In dem Moment, sah ich die blaue Umrandung um seine grünen Augen. Ich wusste, dass er besondere Augen hatte, aber jetzt wo ich das blau sah, waren seine Augen mehr wie besonders.
„Du hast ja eine blaue Umrandung um dein grün.“ sagte ich fasziniert und sah weiter seine Augen an. Er gab mir ein Kuss auf die Stirn und verharrte eine weile ohne die Lippen von meiner Stirn zu lösen.
„Du machst ein wirklich verrückt, Rüya.“ er schob meinen Kopf an seine Brust und hielt ihn dort fest. „Mich machst du verrückt. - Freunde?“
Freunde. Dieses Wort lag tonnenschwer auf mir. Ich wollte mehr wie Freundschaft. Plötzlich kam mir alles nicht mehr so falsch vor. Diese Gedanken die ich hatte, nie ein Kind zu bekommen, nie zu heiraten. Bei ihm kamen mir diese Gedanken so sinnlos vor und plötzlich wollte ich Kinder und Heiraten, mit ihm. Trotzdem wusste ich noch nicht, ob er auch für mich was fühlte. Ich kuschelte mich ein wenig mehr in seine Brust. Ich gab mich vorerst mit der Hoffnung zufrieden, dass er mir gegenüber das selbe fühlen würde.
Allein die Vorstellung, er könnte genau so wie ich fühlen, bereitete mir Herzklopfen. Er hatte versucht mich zu Küssen. Aber das bedeutete doch nichts oder? Ich meine, er hatte doch viele Mädchen. Wieso sollte es bei mir anders sein ? Ich trat wieder ein schritt zurück, sah auf den Boden dann wieder in sein Gesicht. Schließlich, machte ich auf dem Absatz kehrt und ging wieder rein.


„Wer war der Kerl?“ fragte mich Fatih als ich auf ihn zu kam. Ich sah auf den Boden.
„Nur ein Freund.“ sagte ich leise.
„Nur? Du liebst ihn, oder?“
„Ja.“ Meine Stimme war nur noch ein leises flüstern. Ich merkte wie Fatih sich anspannte. Er war wie Kaan Abi. Aber ich konnte ihn nicht anlügen, ich konnte niemanden anlügen den ich liebte. Wenn mich meine Mutter mal was fragte, sagte ich immer die Wahrheit. Es lag nicht an meinem Gewissen, sondern einfach an der Tatsache das ich es nicht über meine Lippen bringen konnte.
Anne und Sinan gesellten sich zu uns.
„Ich bin so stolz auf dich, Kizim.“ sagte Sinan und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich umarmte ihn und zog seinen Geruch in mich rein. Er war der Mann, den ich als Vater sah. Er war mein Baba, mein Held.
Annem hatte tränen in den Augen als wir uns lösten. Dieses Gefühl, dieses unbeschreibliche Gefühl von tiefer Zuneigung machte sich in mir breit. Ich liebte die beiden. Sinan half meiner Mutter wo er nur konnte. Ging es ihr schlecht, nahm er sie in den Arm und sagte ihr das er sie liebte. Ging es ihr gut, sah er sie mit glänzenden Augen an. Man sah es einfach, dass sich die beiden liebten. Sinan kümmerte sich um mich. Baba nicht. Er tat es noch nie. Schade, echt. Es tat fürchterlich weh zu wissen, dass dein leiblicher Vater nichts von dir wissen wollte. Nein, er machte sich nicht mal die Mühe interessiert zu wirken. So was war wie der Tod deiner Seele. Jeder braucht die liebe der Eltern und jeder wurde von Geburt auf so programmiert, dass man seine Eltern liebte. Vielleicht, irgendwo ganz tief in meinem inneren, liebte ich meinen Vater. Aber diese Liebe ist wahrscheinlich so klein wie ein Staubkorn. Ich sehnte mich nach Väterlicher liebe und bekam sie stattdessen von Sinan. Ich wollte ihn Baba nennen. Ich wollte, dass ich seinen Namen trage. Aber stattdessen hatte ich den Namen von Erdogan. War das fair?
„Iyimisin?“ (geht’s dir gut?) fragte mich Fatih und legte seinen Arm um mich. Erst jetzt merkte ich, dass ich etwas schwankte.
„evet.“ (ja) Ich sah mich in der Halle um und seufzte.
„Würdest du mit dem alten Herrn tanzen?“ fragte mich Sinan. Ich lachte und nickte.
Wir gingen zusammen auf die Tanzfläche und tanzten. Es war toll, denn ich hatte ehrlich das Gefühl als wäre er mein Vater.
„Erdogan hat mich angerufen.“ sagte ich leise. Ich merkte wie sich Sinans Körper anspannte.
„Was hat er gesagt?“
„Wir würden sein Geld nicht kriegen.“
„Hast du es -“
„Hayir. Ich will sie nicht belasten. Sie ist doch erst wieder Gesund geworden.“ Er atmete aus und drückte mich fest.
„Du weißt doch das ich immer für euch da bin oder?“
„Evet. tesekkür ederim.“ (Ja, dankeschön.)
„Weißt du, ich liebe deine Mutter wirklich sehr. -“
„Ich weiß.“
„Ich will sie gerne Heiraten.“ er seufzte und schon endete der Tanz. Ich lächelte ihn an.
„Vielleicht schaffe ich es ja sie zu überreden.“


Ich setzte mich auf Gökhans Bett und starrte die Decke an. Pinar war in letzter zeit so ausweichend.
Es waren zwei Wochen vergangen. Alles schien so zu sein wie vorher. Yasin und ich machten wieder jeden Tag zusammen was. Auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, dass er mich auf diese spezielle weise ansah. Aber das war nur Einbildung.
Melis und Baris waren auch wieder zusammen, und Pinar war sehr zurückhaltend. Ich hielt es nicht mehr aus. Sie musste mir erzählen was sie hatte. Ich nahm mein Handy und wählte ihre Nummer.
„Was gibt’s, Rüya?“ hörte ich ihre leise stimme. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht.
„Noldu lan?“ (Was los junge/man)
„Nichts.“
„Sag. Du bist in letzter zeit so abwesend.“ Plötzlich hörte ich wie sie anfing zu weinen. „Pinar? Canim?“
„Rüya.“ sie weinte und schluchzte.
„Noldu?“
„Ich habe jemanden kennengelernt.“ sagte sie und fing an zu Erzählen.


- Pinar's Sicht:
Vor zwei Wochen :
Ich ging auf die Damentoilette um mich nach zu schminken. Yasin Abi war rasend wütend als er Rüya mit Fatih gesehen hatte. Ich verstand einfach nicht, warum er es ihr nicht sagte? Warum war er so? Er hatte jeden Grund ein Geheimnis daraus zu machen, aber nicht von seiner Liebe zu Rüya. Ich wusste, dass er für Rüya das selbe fühlte. Er sprach mit mir. Er erzählte mir so viel, und auch, dass er es ihr nie sagen könnte. (Das erzählt sie jetzt nicht Rüya. )
Als ich wieder raus ging, stieß ich gegen irgendein Monster zusammen. Er war einfach groß und breit.
„alles ok süße?“
„Halts Maul man. Was für Süße?“ ich sah hinter ihm und entdeckte ihn. Er war wahrscheinlich 19 und sah, meiner Meinung nach, gut aus. Gut, vielleicht sah er nicht aus wie ein Model und hatte auch nicht den Körper wie Yasin und Baris Abi, aber er sah gut aus. Schwarze Haare und hellbraune Augen, sinnliche Lippen und lange Wimpern. Er war etwas größer wie ich und etwas dicker.
„Abi lass.“ sagte er mit seiner tiefen Stimme. Ich wusste nicht wieso, aber ich fühlte mich zu ihm hingezogen.
Ich verdrehte die Augen und ging dann zu Melis die alleine stand. Tief Luft holen, Pinar.
„Melis?“
„Evet, cano?“
„Wie heißt der da hinten?“ ich zeigte unauffällig zu dem Jungen.
„Oh das ist Mustafa Yilmaz. Wieso?“ Ich suchte nach einer Ausrede.
„Sein Bruder hat mich angerempelt.“
„oh Ümit?“ Ich zuckte mit den Achseln.
Den ganzen Abend lang sah ich ihn unauffällig an. Er ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich wusste nicht was mit mir los war. Aber es machte mir angst. Zuhause zog ich mein Kleid aus, schminkte mich ab und duschte schnell. Danach ging ich mit meinem Laptop auf Facebook online und surfte ein wenig rum. Irgendwann, kam mir wieder Mustafa in den Sinn und ich gab seinen Namen oben in der Suchleiste ein.
Sein Profil war nicht sehr sichtbar für mich, aber ich konnte seine Bilder angucken.
Auf einem Bild sah er wirklich gut aus. Seine Augen glänzten so schön.
Eine Woche später
Ich besuchte fast täglich sein Profil und bemerkte das er auf meine Schule ging. Wenn er an mir vorbei ging, verharrte ich ein Moment, weil es mich irgendwie paralysierte.
Ich war wieder auf seinem Profil und scrollte ein wenig runter. Es war als wüsste ich, dass mich etwas unschönes erwartete. Ein Status fiel mir ins Auge
„ Dieses Mädchen macht mich verrückt.“ Das war vor ein Paar Monaten. Unweigerlich spürte ich die Tränen in mir aufkommen. Wieso? Wieso weinte ich?


- Rüyas Sicht
„Naja und seitdem – ich weiß nicht. Es macht mich einfach fertig Rüya. Ich weiß ja nicht mal wieso.“
„du bist verliebt.“ sagte ich liebevoll und einfühlsam. „Du hast dich einfach nur verliebt.“
„Aber wie denn? Ich kenne ihn doch gar nicht.“
„Liebe auf den ersten Blick?“
„So wie bei dir und Yasin?“
„Nein das war kein liebe auf den ersten blick.“
„Es war liebe auf den zweiten Blick.“ sagten wir wie aus einem Mund.
„Weil du dich irgendwie auch in Baris verliebt hattest?“
„ja. Aber nun lenk nicht ab. Kommst du zu Kaan Abi rüber?“
„Okisch. Bin in fünf Minuten da.“
Wir legten auf und ich ging zu Gökhan der vor mir auf dem Boden saß und mich so zuckersüß anlächelte.
„Gleich kommt Pinar Abla.“
Er fing an zu grinsen und man sah diese süßen kleinen Zähnchen.
„Hala was ist wenn Baba und Anne mich nicht mehr lieb haben wenn meine Schwester kommt?“
„Es kann auch ein Junge werden, Gökhan. Aber ich denke nicht das sie dich weniger lieb haben werden.“ ich setzte mich zu ihm auf den Boden und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
Das Klingeln der Haustür ließ mich auf zucken. Mühsam, weil ich so faul war, stand ich auf und ging runter. Schnell öffnete ich die Tür und sah Yasin und Pinar in Yasin's Auto. Ich lächelte wie automatisch gesteuert und ging einfach mal raus.
„Du hier?“ fragte ich Yasin. Als er lächelte wurden meine Knie weich und ich fing an zu zittern.
„Muss doch meine kleine Pinar abliefern. Die geht mir schon den ganzen Tag auf den Geist.“ Ich lachte und sah Pinar an.
„banane. Selber schuld wenn du die ganze zeit in meinem Zimmer sitzt.“ (banane- mir doch egal)
„Yuch lan übertreib nicht. Ich war kurz da und du hast mich nicht gehen lassen.“ Ich schüttelte den Kopf, entsetzt darüber, dass die beiden wie kleine Babys waren.
„Rüya?“ hörte ich Kaan Abi rufen. Er stand an der Tür und erstarrte plötzlich.
Mit schnellen schritten kam er zu mir rüber. Er starrte aber immer auf Yasin. Ich drehte mich zu Yasin, und auch er sah ihn an, aber eher geschockt. Mein Blick huschte von Yasin zu Kaan Abi und von Kaan Abi zu Yasin. Woher kannten sie sich? Warum sah Kaan Abi ihn so böse an? Mein Herz setzte aus. Was wenn.. Nein! Ich versuchte mich zu beruhigen aber es ging nicht. Kaan Abi zog mich am Arm und zerrte mich ins Haus zurück. Ich sah noch wie Pinar schnell ausstieg und rüber eilte. Aber ich brach schon in Tränen aus. Was war zwischen Kaan Abi und Yasin? Kaan Abi schubste mich aus Sofa und fing an mich anzubrüllen.

Kapitel 12



„BIST DU BESCHEUERT? WAS HÄNGST DU MIT SOLCHEN RUM? HÄ?!“ er sah mich wutverzerrt an. „ Habe ich dir das beigebracht? Habe ich dich in den Schutz genommen, dir geholfen, damit du mit solchen Leuten rumläufst?“ er schrie mir ins Gesicht und ich zuckte zusammen.
„A-Abi:“ stotterte ich.
„ABI? DEIN ABI HAT DIR NICHT BEIGEBRACHT MIT SOLCHEN LEUTEN RUMZUHÄNGEN.“ mir kamen die Tränen. Noch nie, wirklich noch nie hatte er mich so heftig angeschrien. Als er merkte das ich angst hatte, wurde er eine Spur sanfter. „Ich will dass du den Kontakt zu ihm abbrichst.“ ich riss meine Augen auf. Das war nicht sein recht. Nein,nein, nein! Ich werde Yasin nicht alleine lassen! Er hat seine Eltern verloren, er brauchte mich.
„Nein.“ sagte ich und sah ihm in die Augen. Ich hörte wie alle im Raum entsetzt nach Luft schnappten. „Nein ich werde den Kontakt nicht mit ihm Abbrechen. Er ist ein guter Freund, er ist Pinars Cousin, ich werde das nicht tun.Ich bin 19 und alt genug um zu wissen, was gut für mich ist und was nicht.“ ich stand auf und versuchte stark zu wirken, was ich natürlich nicht war. „Ich werde jetzt gehen, Abi. Du kannst dich wieder melden wenn du mir den Grund nennst und aufhörst dich aufzuführen wie Baba.“ Klatsch. Meine Wange pochte, mein Herz blieb stehen und mein Kopf war zu Seite geneigt. Nein, das hatte er nicht gemacht. Ich schloss die Augen und versuchte an etwas schönes zu denken, aber es ging nicht. Es war unmöglich. Er hatte mich geschlagen, wie Baba früher. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich in sein Gesicht. Sein Blick war traurig, wütend und entschuldigend zugleich. Doch es interessierte mich nicht. „Jetzt weiß ich, dass du genau so bist wie er, wie Erdogan.“ sprach ich ruhig. Einige Sekunden blickte ich ihn an, wendete mich aber dann Pinar zu, die weinte.
„Gehen wir?“ Pinar nickte. Wir nahmen unsere Sachen und gingen zur Tür. Eylem sah Kaan Abi wütend an. Kaan sah mir hinterher. Ich zuckte mit den Achseln.
„Vielleicht wirst du ja wieder mein Abi.“ sagte ich traurig und ging zur Tür hinaus.
Zwanzig Meter. Zwanzig Meter schaffte ich, ohne anfangen zu weinen, doch schließlich, brach ich zusammen. Was war aus ihm geworden? Warum reagierte er so? Warum hasste er Yasin? Es war nicht gut das ich ihm widersprochen hatte, aber ich war 19. Ich durfte eigene Entscheidungen fällen, musste diese Fehler machen um daraus zu lernen. Ich ließ mich auf den Boden fallen, in mitten der Straße, auf dem Weg zu Pinar nach Hause. Pinar kniete sich neben mich und nahm meinen Kopf auf ihre Schulter.
„Psht, Canim. Es wird wieder gut.“
„Nichts wird wieder gut!“ schluchzte ich.
„Doch. Alles. Allah wird dir beistehen. Allah wird dir den weg zu Kaan Abi wieder zeigen.“ Ich weinte und weinte. Gab es ein Ende?
„Wieso hat er das getan, Pinar? Wieso?“
„ich weiß es nicht.“ sie streichelte über meine Haare und wippte mich vor und zurück. „ich weiß es nicht, Rüya.“ wiederholte sie.
„Er ist doch mein Abi.“
„Komm, lass uns weiter. Bei mir können wir dann knabber zeug essen und filme schauen.“ Ihre Lösung wäre wahrscheinlich Schokolade, aber sie wusste das ich Schokolade hasste. Dafür liebte ich sie so. Sie war für mich da und wusste was ich wollte und mochte. Ich nickte unter Tränen und stand mit ihr auf.

Ich starrte vergebens auf mein Handy. Nichts. Kein Anruf. Keine SMS. Yasin wo bist du? Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Gestern hatten Pinar und ich noch etliche Filme geschaut und anschließend auf dem Sofa eingeschlafen. Seit gestern hatte ich also nichts mehr von Yasin gehört. Er antwortete auf keine meiner sms und wenn ich anrief ging die Mailbox dran. Bild dir nichts ein, Rüya! Er ist bestimmt beschäftigt. Ich hielt es einfach nicht aus. Beschäftigt oder nicht, er meldete sich immer!
Entschlossen stand ich auf und zog mich mich um, um dann zur Bushaltestelle zu gehen. Ich wippte pfeifend mit dem Fuß und wartete.
„Kannst du mal aufhören?“ ich drehte mich um und sah Fatih lachend auf mich zu kommen.
Wir umarmten uns.
„Wohin willst du?“
„zu Yasin. Er antwortet mir nicht und nach allem was gestern passiert ist..“ Natürlich hatte ich Fatih noch angerufen und ihm alles erzählt. Er meinte Kaan Abi würde sich beruhigen.
„Komm ich fahre dich.“ Ich stieg in sein Auto ein und sah mir entsetzt den Boden an.
„Fatih man. Schon mal was von Staubsauger gehört?“
„Natürlich. Mach halt mal das Auto sauber.“ Ich lachte und schlug ihm auf den Hinterkopf.
„Ich bin nicht deine Putze.“
„Könntest du aber ruhig mal machen.“
„Nö.“ ich drehte mich zum Fenster und sah hinaus. Irgendwo da draußen waren Menschen ohne Familie, ohne Freunde. Allein der Gedanke lies mich erschaudern. Ich war so unendlich froh das ich so wenig und trotzdem so viel hatte. Vielleicht hatte ich nicht das Geld, vielleicht hatte ich nicht die schönsten Klamotten, vielleicht hatte ich nicht viele Freunde, dafür hatte ich Familie und wenige wahre Freunde die immer hinter mir standen.
„Wann ist die nächste Verhandlung?“ riss mich Fatih aus meinen Gedanken.
„Ich glaub in drei Wochen.“
„Aufgeregt?“
„Ich weiß nicht. Ich denke schon.“
„Warum?“
„Uff ya Fatih. Warum ist die Banane krumm? Er war mein Vater, ich werde mal wieder gegen ihn aussagen. Außerdem hat er mir ja praktisch am Telefon gedroht.“
„Er ist immer noch dein Vater, Rüya.“
„nein. Nach dem was er getan hat? Tut so was ein Vater? Sollte ein Vater seine Tochter nicht lieben bis zu seinem letzten Atemzug? Wenn das so ist, wo ist er? Warum tut Sinan all diese Dinge und nicht er? Darauf hast du keine Antwort oder? Genau, er ist nicht mein Vater. Er ist mein Erzeuger. Der Mann, der meine Mutter geschwängert hatte. Er wird nie mein Vater sein, egal, mit welcher Entschuldigung er kommt.“ Ich spürte wie mir die Tränen hochkamen. Nicht weinen, Rüya! Nicht jetzt! Ich sah wieder aus dem Fenster. Das Thema, war das schlimmste was jemand mit mir anfangen konnte. Narben der Zeit, so hieß es. Das waren meine Narben der Zeit. Überall auf meiner Seele waren diese Narben und wollten nicht wieder heilen. Die Zeit heilt alle wunden? Die Wunden werden lediglich zu Narben. Zu Narben die niemals verheilen und sich immer wieder öffnen können. Ich sah das wir an Yasins Häuserblock ankamen. Mein Herz schlug wie verrückt. Was, wenn er nicht zuhause ist? Oder wenn er Besuch von Eda hat? Ich spürte ein Stich. Nein nicht so denken!
„Wartest du hier?“ fragte ich Fatih, der daraufhin nickte.
Mit wackeligen Beinen stieg ich aus dem Auto und ging in richtung des Hochhausgebäudes. Immer stärker pochte mein Herz gegen meine Brust. Ich klingelte. Meine Hände fingen an zu zittern, dann meine Beine und dann der Rest von meinem Körper. Der Summer ertönte und ich ging die wenigen Treppen rauf. Yasin stand in Boxershorts und mit roten Augen an der Tür. Mir zerbrach es das Herz ihn so zu sehen.
„Yasin? Noldu?“ Ich rannte auf ihn zu, doch er hob seine Hand um mich fernzuhalten.
„Es ist besser wenn wir das alles hier beenden bevor es schlimm wird.“ Ich riss meine Augen auf. Was meinte er?
„Was meinst du? Wie bevor alles schlimm wird?“
„Bevor du dich in mich verliebst,Rüya!“ wie angewurzelt blieb ich stehen. Kam es mir nur so vor, oder kippte gerade die gesamte Welt?
„Ich – Yasin, warum?“
„Ich darf – Allahim! Rüya bitte geh.“
„Nein! Erkläre mir wieso!“ Mein Herz zitterte vor Angst. Wieso Yasin?
„Geh Rüya! Mach es nicht schlimmer als es schon ist! Dein Bruder hat recht, wir sollten kein Kontakt mehr haben.“
„Yasin, nein!“
„Doch! Verdammt, wäre ich nicht so wie ich bin, wäre es was anderes! Aber Rüya ich will dich nur vor mir selbst schützen! Geh und lass dich nicht mehr bei mir blicken!“ Ich spürte wie diesmal die Tränen kamen. Das war ein schlechter Scherz. Yasin war der wundervollste Mensch den ich kannte. Er war hilfsbereit, liebenswürdig und so verdammt aufrichtig.
„Du bist ein toller Mensch, Yasin.“ flüsterte ich heiser von den noch ungeweinten Tränen.
„Nein,Rüya. Du kennst mich nicht. Ich will, dass du verschwindest. Geh!“ schrie er schon fast. Weinend ging ich ein schritt näher an ihn.
„Yasin tu das nicht. Lass nicht zu das du selber zwischen uns stehst.“
„Rüya.“ hauchte er und zog mich an seine Brust. Ich inhalierte seinen Geruch und drückte ihn so fest ich konnte. Eine gefühlte Ewigkeit standen wir so da ohne uns voneinander zu lösen.
„Ich will doch auch nicht das du gehst.“ flüsterte er in meine Haare rein. „ich brauche dich doch, Rüya. Aber es ist besser wenn wir das alles beenden bevor du dich in mich verliebst.“ Er lies mich los und sah mich traurig an. Ich erkannte Schmerz in seinen wunderschönen Augen. Ich liebe dich doch schon,Yasin. Sagte ich innerlich. Er ging rein, schloss die Tür und lies mich alleine im Hausflur stehen. Mit weit geöffneten Augen stand ich vor der Tür. Plötzlich hörte ich wie er schrie und Sachen durch die Gegend warf.
„Verdammt!“ hörte ich seine schreie gedämpft. „Verdammte scheiße!“ Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich zu Fatih.
„Er – er will das – Fatih er will Kontakt abbrechen.“ schluchzend warf ich mich Fatih um den Hals und weinte. Er streichelte über mein Rücken und küsste mich auf den Kopf. Wieso Yasin? Wieso lässt du mich allein? Ich liebe dich doch! Fatih legte ein Arm unter mein Knie, der andere an meinem Rücken und trug mich zu seinem Auto.

Kapitel 13



Fatih: „Rüya, gel. Du kannst nicht ewig in deinem Zimmer rum sitzen und aus dem Fenster starren.“
ich saß am Fenster und beobachtete die Kinder. So frei und so glücklich waren sie. Wie sie spielten und lachten, sich mit ein wenig Sand vergnügten und so unbeschwert waren. Wie sehr ich diese Zeit vermisste. Ich hatte diese Zeit übersprungen, vermisste sie aber. Ein Kind zu sein und Sachen zu tun, wo die Konsequenzen minimal waren. Wo die größten Schwierigkeiten waren, den zweiten Schuh einer Barbiepuppe zu finden oder Kinder sich stritten wegen Buntstiften.
„Wie gerne ich jetzt bei ihm wäre.“ murmelte ich leise, stets den blick auf die Kinder gerichtet.
Fatih: „Tamam, Rüya. Es ist jetzt schon ein Monat her, lütfen, mach endlich das du wieder ins Leben zurück kommst.“
Rüya: „Meinst du er denkt auch an mich?“
Ich drehte mich zu Fatih und sah ihn ausdruckslos an.
„Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn doch gar nicht. Aber ich weiß, dass ihm das auch schwerfällt.“ Ich starrte wieder nach draußen. Dachte er an mich? Ich meine, sah er auch überall mein Gesicht? Ein Monat hatte ich nichts von ihm gehört. Ein Monat indem meine Sehnsucht nach ihm stieg. Ich wollte bei ihm sein, ihn spüren, ihn riechen, wissen, dass er bei mir war. Ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper und sah leer nach draußen. Seit dem Tag als ich bei ihm war, saß ich in meinem Zimmer. Ich ließ niemanden an mich heran, wollte, dass man mich mit meinem Schmerz alleine ließ.
„Verdammt Rüya!“ schrie mich Fatih plötzlich an. „Warum bist du so egoistisch? Denkst du auch mal an die anderen? An deine Mutter, Sinan, Pinar oder an mich? Wir alle machen uns Sorgen um dich! Vielleicht wissen Selma Teyze und Sinan Amca nicht warum du so bist, aber sie befürchten das schlimmste! Vor allem Sinan Amca denkt du schließt dich ein wegen Erdogan!“ Ich zuckte zusammen. Hatte er recht? War ich egoistisch? Ich sah auf den Boden und dann wieder zu ihm.
„Es tut mir leid.“ kam leise aus meinem Mund. „Es tut mir nur so weh und – es ist schrecklich.“ Fatih kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Ich bemerkte, dass ich genau das die ganze Zeit brauchte, aber nicht zuließ. Ich erwiderte seine Umarmung.
„Er vermisst dich bestimmt auch.“ Er streichelte mir über meine Haare. „Gel, Lütfen. Lass uns in die Stadt.“ Ich nickte. Wieso sollte ich mich auf ewig in meinem Zimmer verschanzen? Fatih gab mir ein Kuss auf den Kopf und drückte mich noch mal kurz.
„Hat Kaan -“
„Ja er hat sich gemeldet, aber ich will nichts mit ihm zu tun haben. Nicht jetzt.“ Er verstand mich. Er wusste, dass es mir mehr weh tat zu wissen, dass er mich schlug, als der Schmerz den er mir mit dieser Ohrfeige gab. Zu wissen das dein eigener Bruder dich schlug, nach all den Jahren in denen die Familie von Gewalt verfolgt wurde, machte einen fertig.
Er ging kurz raus, während ich mich umzog und im Gesicht eincremte. Das war so eine Angewohnheit von mir. Ich musste mich immer eincremen, sonst fühlte ich mich nicht wohl. Als ich fertig war, ging ich runter und gab meiner Mutter ein Kuss auf die Wange.
„ich geh mit Fatih raus, tamam?“
„Tamam kizim. Pass auf dich auf.“ Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und guckte weiter ihre Serien. Fatih nahm mich an der Hand und zog mich nach draußen zu seinem Wagen.
„Wir,“ sagte Fatih als wir im Auto saßen, richtung Stadt. „werden heute Shoppen gehen. Auf meine Kosten.“
Shoppen, das magische Wort das einen wie durch Zauberhand aufheitern sollte. Allerdings half es mir nicht.
„Fatih ich will nicht, dass-“ Fatih unterbrach mich mit dem Blick weiterhin auf der Straße.
„Es ist mir egal. Wir gehen Shoppen und ich bezahle. Was du willst oder nicht, interessiert jetzt nicht.“ Ich seufzte. Er war so sturr. Naja, ich war nicht besser. Nach 10 Minuten kamen wir an, stiegen aus und gingen als erstes in H&M. Ich verschränkte meine Hand mit Fatih's und zog ihn geradewegs in die Männerabteilung.
„Rüya mach mal langsam.“ hörte ich Fatih hinter mir lachend.
„Jaja. Du hast mich hier her geschleppt jetzt werden wir das tun was DU gesagt hast. Hade lauf du jetzt lieber einen Gang schneller.“ Ich hörte wie er tief Luft holte und ein Gang zu legte. Ein ehrliches, kleines lächeln bildete sich um meine Lippen. Plötzlich blieb Fatih stehen und zog mein Kinn zu sich hoch. Ich runzelte verwirrt die Stirn.
„wieso bleibst du stehen?“
„Hast du gerade gelächelt?“ Ich nickte und er nahm mich in seine großen arme. „Bin ich froh.“
„& du warst der Grund.“ sagte ich. Er grinste und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Helalimsin“ (du bist mein Stolz)
„Rüya?“ ich drehte mich zu Pinar um. „Rüya du bist aus deinem Zimmer gekommen?“ fügte sie lachend hinzu. Ich nickte und sie umarmte mich. Doch mit einem mal schien sie nervös zu sein. Mein Herz fing an zu rasen. Er war hier, ich fühlte es. Ich hob meinen Kopf und blickte direkt in sein Gesicht. Alles, was sich die ganze Zeit in mir angesammelt hatte, drohte überzulaufen. Der Fass meiner Gefühle war voll, kein bisschen schien ich mehr zu ertragen. Den ganzen Monat hatte ich nicht geweint, hatte mich nur verschanzt und jegliche Gefühle zur Außenwelt abgeblockt. Aber nicht nur ich hatte etwas abbekommen. Yasin sah älter aus, nicht mehr seinem alter entsprechend, sondern um 10 Jahre gealtert. Seine Augen waren Rot umrandet, seine Haare waren ein einziges Gewirr, seine Lippen bebten. Ich fing an zu zittern und spürte wie die Tränen hoch kommen wollten. Fatih drückte meine Hand fester und gab mir das Gefühl, als hätte ich eine Armee hinter mir. Eine Armee, die mich vor allem schützte. Ich holte tief Luft und wollte etwas sagen, doch aus mir kam kein Ton. Verdammt, gerade wo ich meine Stimme brauchte, musste sie das weite suchen. Egal welche Scheinarmee hinter mir war, ich hatte nicht den Mut etwas raus zubringen.
„Yasin, hab ich recht?“ übernahm Fatih. Yasin wandte seinen Blick von mir ab, sah zu Fatih und dann zu unseren ineinander verschränkten Händen. Abrupt ließ ich Fatih's Hand los und ging ein Schritt auf Yasin zu.
„Yasin.“ brachte ich mit mühe heraus. Ich spürte wie mir die Tränen über die Wangen rollten. „Yasin.“ sagte ich diesmal lächelnd. Er schüttelte langsam den Kopf.
„Nicht.“ sagte er mit heiserer Stimme. „Lütfen, Rüya, komm mir nicht zu nahe. Ich bin nicht gut für dich.“
Es war, als würde alles um mich herum kippen. War das sein ernst? Was war der Grund warum er all das, unsere Freundschaft, unsere Gemeinsamen Momente, aufgeben wollte?
„Gut.“ sagte ich und sah ihn wütend an. „Wenn das so ist. Wenn es das ist, was du willst, dann werde ich das tun. Du wirst trotzdem zu mir kommen, das weiß ich! Aber ich werde dir nicht verzeihen, denn wegen dir habe ich eine Ohrfeige von meinem Bruder bekommen, weil ich mich wegen dir gegen ihn widersetzt habe. Elveda, Yasin.“ (Lebewohl, Yasin.) Ich drehte mich um und zog Fatih aus H&M raus.
Ich weiß, wegzulaufen brachte nichts, aber zu bleiben, würde ebenfalls nichts bringen. Fatih wich mir nicht von der Seite. Er wusste, dass ich wütend war, stinkwütend. Ich wusste, dass ich Yasin trotzdem verzeihen würde, ich würde ihm trotzdem in die arme fallen. Wie konnte ich jemanden böse sein, den ich so unglaublich liebte? Wer bitte konnte das schon? Was war sein Problem? Was war sein Geheimnis?
„ich hätte Lust ihn zu verprügeln.“ gab Fatih von sich und ballte seine Hand zur Faust.
„Fatih, lütfen.“ sagte ich genervt.
„Es ist doch so. Niemand, wirklich niemand, darf meiner kleinen Prinzessin weh tun.“
„Fatih, lass uns das Thema wechseln.“
„Morgen ist die Gerichtsverhandlung.“ Toll. Er hatte echt die perfekte Ader um die schlechtesten Themen anzuschneiden. Morgen war also die Gerichtsverhandlung. Eigentlich, sollte sie schon letzte Woche gewesen sein, aber Erdogan hatte angeblich keine Zeit.
„Ja, morgen ist die Verhandlung. Insallah wird es endgültig vorbei sein.“
„Es wird nie vorbei sein, Rüya.“
„Mach mir nur Mut, Fatih.“ sagte ich ironisch. Er lachte und gab mir ein Kuss auf die Schläfe.
Schließlich fuhren wir doch wieder nach Hause und sahen uns irgendwelche schlechten Filme an.


„Rüya, ich muss dir was sagen.“ sagte Pinar als wir am telefonieren waren.
„anlat.“ (erzähl)
„Bak, Yasin ist total am ende. Auch er war den ganzen Monat abwesend.“ Ich schluckte. Ihm ging es genau so wie mir. Wenigstens etwas.
„Ich muss jetzt auflegen. Hade, Canim, öptüm.“ (öptüm = ich küsse dich oder so)
Ich legte einfach auf und holte tief Luft. Es tat mir aus irgendeinem Grund schrecklich weh zu hören, dass es ihm auch nicht gut ging. Es tat weh zu wissen, dass es dem Mensch den du liebst, nicht gut ging. Ich wollte bei ihm sein, ihn in den arm nehmen, doch er wollte mich nicht. Warum,Yasin? Mit lauter Fragen im Kopf legte ich mich schlafen.


„Ich bin so stolz auf dich, Kizim.“ sagte Sinan zu mir und küsste meine Stirn. „Du bist so stark und zeigst Erdogan was er all die Jahre verloren hat. Jetzt darf ich zusehen wie du wächst, du lernst und du immer stärker wirst.“ Seine Stimme war samtweich und voller Stolz. Ich atmete seinen Geruch in mich rein. Es war betörend, der Duft eines Vaters.
„Baba.“ hauchte ich. Endlich. Endlich brachte ich es über mich, Sinan, Baba zu nennen. Sinan drückte mich enger an sich dran und ich merkte, dass eine Träne auf mein Haar fiel.
„Heute hast du mich wirklich zum stolzesten Mann gemacht. Deine Mutter, Kaan und du, seit meine Familie.“


Wir hatten den Fall gewonnen. Es war nicht so als wäre ich stolz darüber, aber er hatte es verdient. Er musste jetzt seine Kontodaten geben damit das Geld regelmäßig abgebucht werden konnte.


Am Abend feierten wir mit einem Grillfest unter der Familie. Kaan Abi versuchte mit mir zu reden, doch ich blockte geflissentlich ab. Irgendwann würde ich ihm eh verzeihen.
Meine Gedanken jedoch, waren immer bei Yasin.
„Bitte rede wieder mit mir.“
„Lass mir zeit, Abi.“ er atmete aus, wahrscheinlich weil ich Abi gesagt hatte.
So verlief auch der Abend, im Kreis der Familie. Ich ging als letztes schlafen, überprüfte vorher ob alles auch ausgelöscht war und legte mich dann beruhigt ins Bett.


*Baba packte mich am Hals und drückte mich gegen die Wand.
„Du bist eine Schande, Rüya!“ sagte er hasserfüllt. „Du wirst es zu nichts bringen.“
„Nein Baba“ schluchzte ich, doch es war nur ein gequältes quieken.
Er holte mit der freien Hand aus und klatschte mir eine, immer und immer wieder.
„Du bist ein nutzloses kleines Stück Dreck!“ schrie er mich an und ließ mich runter. Ich war 6 jahre alt, kam gerade von der Schule (ich wurde mit 5 eingeschult) und hatte etwas Farbe auf dem Arm. Der Grund, warum er mich schlug.
„Baba lütfen.“ (Bitte vater.)
„Du wirst lernen. Hast du mich verstanden? Du bist so ehren los wie deine Mutter!“
„Nein, annem ist nicht ehren los!“
„SUS!“ brüllte er und kickte mir in den Bauch. „ SUS!“ wiederholte er wütend.
Irgendwas stimmte nicht. Plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Ich fing an zu husten und um mich wurde es schwarz.*


Hustend wachte ich aus meinem Alptraum auf und sah mich hektisch in meinem Zimmer um. Ich sah flammen, rot-orangene, riesige Flammen und dicken Rauch. ANNE! Ich versuchte aufzustehen, aber mir wurde schwindelig. Meine Lungen fühlten sich schwer wie Blei an.
„RÜYA!“ hörte ich die schöne Stimme meiner Mutter. „RÜYA!“
Sie versuchte die Tür zu öffnen doch ich hatte abgeschlossen. Wieder eine alte Angewohnheit. Ich versuchte wieder aufzustehen, doch fiel nur auf den harten Boden. Ich sah das mein Fenster ein Loch hatte. Brandstiftung, dass war der erste begriff der mir in den Sinn kam als ich den kleinen entzündeten Holzscheitel, zwei Meter von meinem Fenster sah. Eine welle, eine schwarze dunkle welle, deren tiefe grenzenlos schien, holte mich ein und verschlang mich.

Kapitel 14


Pinar's sicht:
Ich saß wieder vor meinem Laptop und starrte das Bild an. Mustafa und dieser Ümit, beide sahen sehr gut aus. Ümit hatte eine ziemlich böse Ausstrahlung, wo hingegen Mustafa lieb und nett drein schaute. Ich starrte wie gebannt darauf. Nein, ich war nicht in ihn verliebt, dachte ich. Wie denn auch? Ich kannte ihn nicht, und so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, gab es nicht. Das Facebook *ping * ließ mich aufschrecken. Eine neue Freundschaftsanfrage von Ümit Yilmaz. Ich runzelte die Stirn. Was wollte der von mir? Achselzuckend nahm ich seine Anfrage an.
„Hey.“ schrieb mich Ümit an.
„Versucht du dich gerade zu entschuldigen?“
„Für was?“
„du hast mich süße genannt nachdem du mich angerempelt hast und dich nicht mal entschuldigt hast.“
„Ist es schlimm das ich dich Süße genannt habe?“
„JA!“
„Tut mir leid.“ Ich antwortete nicht.
„Ich will dich kennenlernen.“ schrieb er nach einer Weile. Er wirkte süß, doch irgendwie seltsam. Ich war gerade dabei ihm zu antworten, da platzte Baris Abi schwer atmend in mein Zimmer.
„schon mal wa-“ er unterbrach mich.
„Rüya ist im Krankenhaus.“ Es war, als würde er mir mit dem Hammer direkt ins Herz schlagen. Rüya?
„W-warum?“
„das weiß ich nicht, aber ich weiß das sie in Lebensgefahr ist.“ Ich schluckte die tränen runter, vergeblich, denn sie kullerten ungehindert über meine Wangen. Aber wie? Sie war meine Beste Freundin, ein Mädchen, dass so unglaublich stark war, und jetzt, jetzt stand sie unter Lebensgefahr. Mir wich alles Farbe aus dem Gesicht.
„Ich werde Yasin Bescheid geben.“ sagte er stotternd. Ihm lag Rüya genau so am Herzen. Ich fragte mich, ob er ihr gegenüber auch etwas gefühlt hatte. Wie im Trauma, konnte ich ihm nicht widersprechen. Sollte er doch Yasin anrufen, sollte Yasin doch auftauchen, ich wollte bloß, dass meine Beste Freundin wieder Gesund wurde. Mit wackeligen Bewegungen, zog ich mich um, band meine Haare zu einem schnellen Haarband und ging dann zu Baris Abi. Er saß mit dem Kopf in den Händen auf seinem Bett.
„ich sollte eigentlich in der Position sein, Abi.“ Er erhob seinen Kopf und lächelte leicht.
„Was, wenn ihr etwas passiert?“ Ich setzte mich neben ihm und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
„Sie ist so stark, unglaublich stark, dass glaubst du gar nicht.“
„Doch. Hade, Yasin Abi kommt gleich.“ Ich nickte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
Wie sich herausstellte, ging es Yasin gleich drei mal so schlecht wie vorgestern. Er hatte tiefe, dunkelblaue, Augenringe und sein Bart sah schrecklich ungepflegt aus. Als ich ihn so sah, rannte ich ihm in die Arme und drückte ihn so fest ich konnte.
„Du darfst es dir nicht verbauen, lass nicht zu das diese Sache zwischen euch kommt.“ Ich wusste, dass er diese Sache für sich behalten wollte, aber wenn er sie wirklich wollte, und das tat er, durfte er nicht zulassen, dass dieses Geheimnis von ihm, zwischen ihnen stand.
„Ich werde sie nicht gehen lassen.“ hauchte er leise. Seine Stimme war ein einziges flüstern, ja ein einziger Schmerz an sich.
„Sie schafft es schon..“ gab ich leise zurück, wobei ich immer leiser wurde. Der Schmerz machte sich in mir breit, Rüya meine Beste Freundin. Wir fuhren ins Krankenhaus. Die fahrt war still, alle waren in sich gekehrt, allem voran Yasin. Er sah so sturr auf die Straße, dass ich dachte er würde sie Hypnotisieren. Ich legte meine Hand auf seine Schulter und sah ihm im Rückspiegel beruhigend an. Als wir endlich ankamen, ging alles so schnell, dass ich nicht mal wusste wo mir der Kopf hing. Selma Teyze und Eylem Abla saßen auf einen der Stühle, ihre hübschen Gesichter war tränen überströmt und blass. Sinan Amca rannte den Gang rauf und runter, man sah ihm an wie viel ihm Rüya bedeutete. Es war rührend, wie sehr er sie liebte, obwohl sie nicht sein eigen Fleisch und Blut war. Kaan Abi kommandierte die Ärzte rum, sagte ihnen, dass sie Rüya endlich helfen sollten. Als Kaan Abi stehen blieb, sah er erst mich, dann Baris Abi und dann Yasin Abi. Als er Yasin Abi sah, verfinsterte sich sein Gesicht. Ich spürte wie Yasin Abi scharf nach Luft schnappte und sich versteifte.
„Selma Teyze.“ flüsterte ich und kniete mich zu ihr. Sie streichelte mein Gesicht und fing dann an hemmungslos zu schluchzen. Es tat weh, eine Mutter zu sehen, wie sie weinte. Ich bekam mit wie viele in Rüya's Zimmer stürzten und riss meine Augen auf. Mein Körper fing an zu zittern. Es war, als wäre ich aus meiner Haut gefahren. Sinan Amca setzte sich neben Selma Teyze und legte einen Arm um ihre Schulter. Sie stürzte sich um seinen Hals und weinte haltlos. Auch Sinan Amca kämpfte mit den Tränen.
„W-Was war p-passiert?“
„Es hat gebrannt. In Rüya's Zimmer. Es war Brandstiftung.“ Meine Augen weiteten sich noch mehr und ich sah wie auch Yasin Abi sich noch mehr verkrampfte. Baris Abi redete mit Kaan Abi und man sah auch den beiden an, dass sie sich mehr als nur Sorgen machten. Ein Arzt kam aus dem Zimmer, er sah erschöpft aus.
„Sind Sie die angehörigen von Rüya Gökdal?“ Selma Teyze stand auf und schnellte zu ihm.
„Ich bin ihre Mutter.“
„Nun, Frau Gökdal, Ihre Tochter hat eine schwere Rauchvergiftung, einen Lungenriss und eine schwere Gehirnerschütterung.“ sagte der Arzt, Dr. Feldhof wie sich raus stellte, mitfühlend. Selma Teyze stützte sich an Sinan Amcas Arm.
„Außerdem,“ fügte der Arzt hinzu.“hat Ihre Tochter, schwere Verbrennungen am Kinn, an den Händen und am Bauch. Wieso andere Körperteile ungeschädigt blieben, ist uns allerdings ein Rätsel.“
„Dürfen wir nach ihr sehen?“
„Morgen.“ er sah uns alle nacheinander mitfühlend an. Selma Teyze nickte und wirkte plötzlich total erschöpft.
„Hade gel, Pinar, lass uns gehen.“ (los komm) sagte Baris Abi und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich sah zu Yasin Abi rüber. Er schüttelte den Kopf und setzte sich auf den Platz, wo Selma Teyze vorher saß. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und gab Yasin Abi einen Kuss auf die Wange, als Beruhigung.
„ruf bitte an, wenn es etwas neues gibt.“ ich sah die tränen in seinen Augen. Allahim, wie sehr er sie liebte. Ich lächelte ihn, gerührt von seiner Liebe zu ihr, aufmunternd an. „Sie schafft es schon.“
„Insallah.“ (so Gott will) hauchte er leise, wieder mit schmerzerfüllter Stimme. Selma Teyze, Sinan Amca, Baris Abi und ich fuhren nach Hause. Die beiden brachten uns nach Hause, wünschten uns eine Gute Nacht und fuhren dann zu Kaan Abi, um dort zu übernachten. Als ich mich erschöpft auf mein Bett setzte, fiel mir mein leptop ein. Ümit hatte mir etliche Nachrichten geschickt.
„Wie viel schreibst du?“
„Pinar?“
„Pinar noldu?“ (was ist los?)
„HALLO?“
„Wenn du mich nicht kennenlernen willst, dann sag es!“ Ich bemerkte, dass die Nachricht noch im Schreibfeld stand. Ich antwortete ihm, dass er mir zeit lassen sollte und ich es mir überlegen würde. Weinend fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Allah, lass es Rüya bitte wieder gut gehen.


Rüyas Sicht:
Stimmen. Ich hörte Stimmen. Stimmen die leise und traurig miteinander sprachen.
„Wie geht es ihr?“
„Sie sollte bald wieder aufwachen, sie ist außer Lebensgefahr.“ das war der Arzt, aber wem gehörte die andere Stimme? Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, fiel ich wieder in eine dunkle Tiefe.

.. „ihre Vitalfunktionen sind sehr gut. Allerdings wird sie einige Narben beibehalten.“ hörte ich den Arzt sagen, als ich zu mir kam.
„Aber Gesundheitlich wird sie keine Schäden davon tragen, oder?“
„Sie wird eine Atemstörung haben.“
„Kann man dagegen denn nichts tun?“
Die Antwort höre ich nicht, denn um mich herum verblasst alles.

… „Ich will, dass du dich von ihr fern hältst!“ höre ich Kaan Abi.
„Kaan, was passiert ist, das ist Jahre her. Lütfen, gib mir eine Chance.“ Yasin! Am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken, um zu zeigen das ich sie hören konnte.
„Du bist nicht gut für sie.“
„Ich brauche sie.“

...„Lütfen, Rüya, kalk. Özür dilerim, für alles.“( Bitte, Rüya, steh auf. Es tut mir leid, für alles) hörte ich Yasin schluchzend und spürte ein Gewicht an meiner rechten Seite. „Ich ….“ ich verstand den Satz nicht, denn ich wurde wieder in eine endlose tiefe gezogen.

...„..vielleicht werden wir ja heiraten und gemeinsam Kinder kriegen...“ Yasin drückte meine Hand fester. Wer? Es gab jemand anderen in Yasins Leben? War es der Grund warum er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte?

„Du bist doch meine kleine Schwester.“ flüsterte Kaan Abi und gab mir ein Kuss auf meine Hand. „Steh auf meine wunderschöne, kleine Schwester.“ ….

Als ich zu mir kam, war ich hungrig. Sogar regelrecht ausgehungert. Ich öffnete schwer meine Augenlider und sah zur Seite, wo Yasin gerade am Fenster stand. Laut atmete ich aus, um zu zeigen, dass ich wach war.
Yasin fuhr rum, rannte zu mir ans Bett und klammerte sich an meinen lächerlich, dürren Körper.
„Allah sükür, du bist wach.“ (Gott sei dank) Er legte seine Hände um mein Gesicht und ich sah die Tränen in seinen Augen. „Seni cok seviyorum, Rüya .Özür dilerim, Hayatim“ (ich liebe dich so sehr, Rüya. Es tut mir leid, mein Leben) Mein Herz schien still zu stehen, um dann doppelt, nein sogar zehn mal so schnell, weiter zuschlagen. Er liebt mich!

Kapitel 15



Ich riss meine Augen auf, unfähig, auch nur ein Wort raus zubringen. Er sah mir wieder so tief in die Augen, dass ich angst hatte, mein Herz würde raus springen. Bevor ich ihm antworten konnte, platzte Fatih plötzlich ins Zimmer. Der schöne Moment zerplatzte und Yasin setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett.
„Da bin ich gerade mal eine Woche nicht da schon pa-“ Fatih hörte mitten im Satz auf und sah mich schockiert an. Ich runzelte die Stirn und spürte wie sich Yasin neben mir versteifte.
„Noldu Fatih?“ (Was ist los Fatih?) Er kam näher, küsste meine Stirn und strich mir, merkwürdigerweise, über meinen Kinn.
„Ich stehe immer hinter dir.“ sagte er beruhigend. Ich verstand nur Bahnhof. Warum war er jetzt so?
Ich sah zu Yasin. Er strich mir über die Hand. Es tat weh, deshalb zuckte ich zurück. Erst da fiel mir meine unebene Haut auf der Hand auf. Meine Augen weiteten sich vor schock und ich sah zu Fatih.
„Fatih wo habe ich noch so was?“ er antwortete nicht. Es machte mich verrückt. Ich überprüfte meine Beine, meine Arme, meine Brust und dann, meinen Bauch. Mein Bauch sah genau wie meine Hände aus. Es machte mir angst, ich machte mir selbst Angst. Fatih zog meinen Kopf an seine Brust und küsste meinen Kopf.
„Allah wird dich beschützen, Canim.“ Ich weinte haltlos an seiner Brust. Ich war völlig entstellt. Da kam mir ein Gedanke, der wahrscheinlich total absurd war, mir aber in dem Moment völlig Sinnvoll vorkam. Ich wandte mich zu Yasin, er sah wütend aus.
„Das hast du nur aus Mitleid gesagt.“ fing ich ruhig an, in mir drin wurde aber alles zu einem Chaos aus Wut. „Dieses ganze 'Ich liebe dich' zeug, hast du nur gesagt weil ich total vernarbt bin!“ schrie ich. Fatih hielt mich zurück.
„Es ist besser wenn du jetzt gehst.“ sagte Fatih zu Yasin.
„NEIN! Ich meinte es ernst, Rüya!“ Er sah so schrecklich verletzlich aus. Ich reagierte nicht und sah auf meine verunstalteten Hände. Yasin sah mich noch lange an, stand dann aber auf und ging mit gesenktem Kopf. Als die Tür ins Schloss fiel, war es vorbei. Ich konnte den starken Tränenstrom nicht aufhalten. An Fatihs Brust gestützt weinte ich eine gefühlte Ewigkeit. Liebe. Liebe, liebe,liebe. Wofür ist die schon gut? Für nichts. Uff, der war mächtig gelogen. Liebe war dieses Gefühl das du hattest, wenn du allein schon den Namen einer bestimmten Person hörst. Es war dieses Gefühl, dass dich glücklich oder unglücklich machen konnte.
„ich bin hässlich.“ flüsterte ich, als ich mich ein wenig beruhigt hatte. „Wieso ich? Fatih ich will wissen wer mir das angetan hat!“ fügte ich entschlossen hinzu.
„Du siehst erst mal zu das du Gesund wirst. Schließlich warst du ganze vier Tage nicht bei Bewusstsein.“
„vallah?“ (schwör/bei Gott?)
„vallah.“ Ich war vier Tage bewusstlos, ganze vier Tage, weil irgendjemand wollte das ich unter die Erde kam. Meine Angst stieg, was, wenn dieser jemand versuchte jemandem weh zu tun, der mir nahe ist. Bei diesem Gedanken klammerte ich mich fester an Fatih.
„Hab ich nur an den Händen und am Bauch Verbrennungen?“ Fatih blieb wieder still. Ich spürte wie er unregelmäßig atmete, drehte mich zu ihm und sah das er total traurig guckte.
„Hier, “ sagte er und strich über meinen Kinn bis zu meiner Hals beuge. „hast du eine leichte, nicht so starke wie an den Händen.“ Er wusch mir die Tränen vom Gesicht und lächelte mich an.
„Als meine Beste Freundin muss ich dir sagen, Yasin meinte es glaube ich ernst.“ Ich sah ihn verwirrt an.
„Er war die ganzen vier Tage hier, hat mir Pinar und Kaan erzählt, und hat neben dir gesessen. Er hat sogar mit Kaan gesprochen. Er durfte hier bleiben, aber Kaan wollte, dass er sich, sobald du aufwachst, von dir fernhält. Für immer.“
„Ich hab es echt verbaut, oder?“
„Ich glaube nicht, dass er dich gehen lässt.“ Ich seufzte unzufrieden. Irgendwie wollte ich ihn doch bei mir haben, ihn umarmen und seinen Duft einatmen, aber dann kam mir dieses Gefühl das er nur Mitleid hatte und ich wollte das er so weit wie möglich von mir entfernt blieb.
„Uff Rüya.“ seufzte Fatih. „Du bist echt – du weißt nie was du willst.“
„Ach, und du weißt es?“
„Bak, es war auch so bei Cem.“ (Bak = guck) In meinem Magen drehte sich alles bei seinem Namen, den Namen dessen Jungen, dem ich meinen ersten Kuss und meine erste Beziehung schenkte.
„Rede nicht von ihm.“
„Verletzt es dich immer noch?“
„Nein, aber ich will es nicht hören.“
„Was meinst du was aus ihm geworden ist?“
„Keine Ahnung, um ehrlich zu sein, interessiert es mich kein Stück, er interessiert mich kein Stück mehr.“ Ich fragte mich, warum Fatih auf einmal, auf Cem zu sprechen kam. Das Thema Cem hatten wir vor zwei Jahren abgehackt, waren damit vorbei und wollten auch nie wieder damit anfangen.
„Ich hab ihn gestern in Berlin gesehn.“ gestand er. Das hatte ich natürlich vergessen. Fatih wollte in Berlin seine Verwandten für eine Woche besuchen, deswegen war er nicht hier.
„ich glaube, er ist mit ihr verlobt.“ meinte Fatih noch. Ich zischte.
„Sollen die doch machen, was sie wollen.“
„Tamam. komm, ruhe dich aus. Ich versuche Yasin zu erreichen.“
„Ich glaube, ich sollte selber mit ihm reden.“
„Nein, lass mich das machen.“ Ich nickte, wollte ihm nicht widersprechen.
Ich kuschelte mich in mein Bett, während Fatih mir noch etwas von seinen Verwandten erzählte. Er war wirklich ein guter Freund, einer jener Menschen, die man so selten traf. Die Welt war grausam. Das Leben war grausam. Vor allem aber, waren die Menschen die auf dieser Welt waren, grausam. Sie steigen in den Tag, unbekümmert, doch zerknirscht. Jeder hatte seinen eigenen Rhythmus. Sie gingen in ihre Büros, lachten mit ihren Freunden und irgendwann gingen sie nach Hause. Wie Roboter programmiert, dass sie jeden Tag den selben Ablauf hatten. Wir wurden von klein auf so erzogen, den guten Dingen auf der Welt, unsere Dankbarkeit zu zeigen. Wir sollten lernen die guten Dinge zu schätzen und wurden belehrt, wie wir mit ihnen umgehen sollten. Aber wer zeigte einem die schlechten Seiten des Lebens? Die Krankheiten die wir auf dieser großen Welt bekämpfen mussten, Tod und Verluste.
Was war aus der Belehrung geworden? Wer sagte uns, als wir noch klein waren, dass es schlechte Dinge gibt? Niemand, dass war das Problem. Niemand warnte uns vor den Bösen spielen des Sheytan. (Teufel) Wir gingen in den Tag hinein, ohne zu wissen, was uns am Ende erwartete.
Fatih aber, war anders. Er war da, wenn ich ihn brauchte, hörte mir zu, wenn ich es brauchte. Er war humorvoll, aber irgendwo wie ein großer Bruder der seine kleine Schwester aufzog, ihr beibrachte, was leben hieß. Dafür liebte ich ihn. Er zeigte mir sowohl die guten, als auch die schlechten dinge vom Leben. Ich lauschte seiner Stimme, spürte wie ich müde wurde und schlief letztlich seelenruhig ein.


“Sie ist mir sehr wichtig.” hörte ich Yasin. “Ich glaube, ohne sie würde ich nicht leben können. Nein, ohne sie kann ich nicht leben.”
“Vermassel es nicht, sie ist auch mir sehr wichtig und sie hat zu viel durchlebt als dass sie noch mehr Ballast tragen könnte.” sagte Fatih. Ich blinzelte ins Licht und lächelte Yasin an, wendete meinen Blick dann zu Fatih. Er verstand, gab mir einen Kuss auf die stirn und ging dann raus. İch klopfte auf mein Bett, um ihn möglichst nahe an mir zu haben.
“Es tut mir leid.” fing ich an. “Ich war nur so ... verwirrt. Ich meine, ich habe an meinem Gesicht bis hin zu meinem Hals eine eklige Narbe, wieso sollte mich jemand – wieso sollte mich jemand mögen.”
“Tja, da ich dich liebe ist das ja was anderes.” Er sah mir direkt in die Augen. Sein Blick war voller verschiedener Emotionen. Verletztlichkeit, Traurigkeit und .. Liebe. Ich fasste meinen Mut zusammen, ich wollte es so oft schon sagen, jetzt war der Zeitpunkt. Aber mich verließ der Mut. Ich war hässlich, hatte endlos große Narben im Gesicht, wie auf der Seele.
“sag es noch einmal, lütfen.” bittete ich ihn. Er rückte ein stück näher an mich ran.
“Seni – cok – seviyorum , Bitanem.” (Ich liebe dich so sehr, mein Einzelstück) Er betonte jedes einzelne Wort und brachte mein Herz jedes mal, einen Moment zum stillstehen.
“bende seni.” ( ich dich auch) flüsterte ich kaum hörbar und wurde rot. Er grinste mich an, nahm meine Hand und legte sie auf sein Herz.
“Dieses Herz, wird immer, wirklich immer, für dich schlagen.” er schob meine Hand zu seinen Augen. “Diese Augen, werden immer, nur dich sehen.” Er legte meine auf seinen Kopf. “Dieser Kopf, wird immer an dich denken, denn du, Rüya'm, bist das einzige Mädchen in meinem Leben, das ein fester Bestandteil von dem, was in mir passiert, ist.”
Mein Herz wurde weich wie Butter, mein Puls raste. Waren wir jetzt zusammen? Nein, er hatte mich nicht gefragt.
“Weiß man wer -” Er ballte seine Fäuste und sah wütend aus dem Fenster.
“Nein, aber wenn ich es weiß, dann wird derjenige es bereuen.” Ich legte meine Hände um seine Fäuste und lächelte ihn an.
“Mir gehts ja wieder gut.”
“Ja und? Du hättest -” er hielt inne und strich mit einer Hand durch seine Haare. “Ich kann nicht ohne dich, Rüya. Ich werde dieses Risiko nicht noch einmal eingehen.”
“Yasin -”
“Nein. İch werde auf dich aufpassen.” Ich seufzte. Er sah mich lange an, kam dann näher und berührte schließlich, mit sanftem Druck, meine Lippen. Diesmal, seufzte ich glücklich. Er packte mich am Kopf und drückte mich noch näher an sich. Ich mochte das Gefühl seiner Lippen auf meinen, ich mochte es, wie er mich küsste und am meisten mochte ich es, dass er mich mit all seiner Liebe küsste. Mein Herz schien den ganzen Gefühlen nicht mehr stand halten zu können. Es war, als würde endlich der Traum, jedes Mädchen in Erfüllung gehen. Der Traum, von ihrem Traumprinzen, geküsst zu werden. Das, war mein Traum. Mein Traum, mit meinem Yasin. Ob ich ihn nun meinen nennen durfte oder nicht, dass war mir im Moment vollkommen egal.

Kapitel 16


Als wir uns lösten, strich er mir eine Strähne hinters Ohr und lächelte.
„Das wollte ich seit ich dir das erste mal begegnet bin machen.“
„Im Gerichtssaal?“
„Nein, davor.“ Ich runzelte die Stirn. Davor?
„Wo?“
„Du bist mit Kaan, deiner Mutter und Sinan rein gelaufen. Du hattest eine rote Bluse und eine enge schwarze Hose an. Du sahst so hübsch aus. Als ich dich dann gesehen habe, hab ich schnell diesen Zettel geschrieben und Deniz später losgeschickt, weil ich wusste, dass er nicht sieht wohin er läuft.“ Er grinste bei dem Gedanken und lachte kurz. Trotzdem, er sah nachdenklich aus.
„Was ist?“ fragte ich. Ich war glücklich, mehr wie das. Yasin hatte mich geküsst, er hatte mir seine Liebe gestanden. Waren wir jetzt zusammen? Ich schüttelte leicht meinen Kopf. Nicht bevor er mich nicht fragt.
„nichts. Ich gehe jetzt bevor dein Bruder kommt.“ Er sprach so kalt. Er lächelte nicht. Er war anders. Er stand einfach auf, und ging. In meinem Kopf bildeten sich hunderte von Fragezeichen. Ich verstand ihn einfach nicht. In meinem Bett kuschelnd, holte ich mir eines der Zeitschriften die meine Mutter wahrscheinlich hier gelassen hatte und las. Wo waren meine Eltern ? Die Tür ging auf und meine Mutter rannte zu mir. Tja, so viel zur Frage wo sie waren.
„Kizim ich habe mir solche Sorgen gemacht.“ Sie küsste mein ganzes Gesicht ab. Mütter.
„Anne mir geht es gut.“ Sie schlug mir auf die Schulter.
„Du sollst mich nicht anlügen.“ Wir beide fingen an zu grinsen.
Meine Mutter erzählte mir das die Polizei die Ermittlungen eingestellt hatten weil es keine Spuren gab. Sie war wirklich wütend darüber. Innerlich seufzte ich. Sie war so fürsorglich und immer so stark. Ich drückte sie stark und küsste ihre beiden Wangen.
„Ich liebe dich, Annecim.“
„ich dich auch, kizim. Komm, Sinan will dich auch begrüßen.“ Sie lächelte mich von oben herab an und strich mir über die Stirn. Berührungen einer Mutter, waren wie Balsam für die Seele. Eine Mutter trägt dich neun Monate im Bauch, unter ihrem Herz und liebt dich noch vor deiner Geburt bedingungslos. Eine Mutter liebt dich bis zu ihrem letzten Atemzug. Es gibt auch schlechte Mütter, aber auch diese lieben dich ganz tief im inneren bedingungslos. Vielleicht war es auch so bei Baba, aber das bezweifelte ich. Er hatte mir so viel schlechtes getan, zeigte mir, wie sehr er mich hasste.
Als Sinan Baba mich umarmte, krallte ich mich regelrecht an ihn und fing an zu weinen.
Er war so ein guter Mann. Allah wird ihn in den Paradies schicken.
„Ich hab dich lieb, Baba.“ Er zog mich stärker an sich und küsste meinen Kopf.
„Bald werden deine Mutter und ich heiraten, glaub mir.“ Ich lachte und hab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Inshallah.“ (so Gott will) sagte ich lächelnd. „Ich will jetzt mal mit ihr reden. Tamam?“
Sinan Baba nickte, gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange, woraufhin sie rot wurde, und ging dann raus.
„Anne komm mal her.“ sagte ich und klopfte auf mein Bett. „Anne ich will das du Sinan heiratest.“ Sie riss geschockt ihre Augen auf.
„das geht nicht.“
„Annem, er liebt dich. Bak, er hat so viel gemacht und will dich unbedingt heiraten. Andere Männer wären schon lange verheiratet und hätten Kinder, er wartet auf dich.“ Sie strich mir nachdenklich über die Stirn, die Wangen und dann über mein Kinn.
„Du weißt das ich angst habe, oder?“
„Ja, ama Anne, bak, er redet mit mir immer von Heiraten. Er hat mal gesagt Kaan Abi und ich sind seine Kinder, es würde nur noch fehlen das du mit ihm heiratest. Wir können eine schöne Feier machen. Anne du brauchst keine angst zu haben. Du weißt doch das Sinan ein guter Mann ist, das hat er dir sechs Jahre lang bewiesen.“ Sie küsste meine Stirn und lächelte.
„Ruhe dich aus.“ Ich seufzte und wusste, dass ich meine Sturheit von ihr hatte. Ich mochte Sinan von Anfang an. Man konnte seine ruhige Art und seine Liebe zu meiner Mutter, in seinen Augen ablesen. Er hatte pechschwarze Haare und so ruhige braune Augen. Ich weiß noch, als er das erste mal bei uns Zuhause war. Man sah seine Nervosität, er zitterte regelrecht. Als ich daran dachte, musste ich grinsen. Ich hatte ihn beruhigend angelächelt. Das klopfen an der Tür, ließ mich aus meinen Träumereien aufschrecken.
„kann ich reinkommen, Rüya?“ Eylem Yenge kam rein und setzte sich auf Bett.
„iyimisin?“ (geht’s dir gut?)
„Evet. Kaan Abi nerde?“ (Ja. Wo ist Kaan?)
„Er wartet vor der Tür.“
„Wieso kommt er nicht rein?“
„Er weiß nicht ob du noch sauer auf ihn bist.“
„Sag ihm er soll reinkommen, ich will mit ihm reden.“ Sie nickte, ging vor die Tür und holte Kaan Abi rein. Mein Herz klopfte vor Angst. Ich hatte Angst mit ihm zu reden, warum auch immer.
Als er rein kam, sah er so traurig aus. Ich breitete meine Arme aus damit er mich umarmen konnte.
Ich zog sein Geruch in mich rein und küsste ihn auf die Wange.
„Es tut mir leid, Abi.“
„Neden?“ (warum?)
„Ich habe überreagiert.“
„ich hätte – ich fühle mich so schlecht, Rüya. All die Jahre wo Baba uns das angetan hat, waren so schlimm und ich musste dich auch noch schlagen. Es tut mir leid. Tat es sehr weh?“
„Nur der Gedanke das du es warst.“ Er schob meinen Kopf an seine Brust und küsste ihn.
„Sobald du hier raus bist, werden wir etwas unternehmen.“ Ich lächelte. Ich hatte meinen Bruder wieder, mein ein und alles.


Am Abend lag ich wach im Bett und starrte die Decke an. Yasin hatte sich den ganzen Tag nicht gemeldet. Er war so süß, so liebevoll und jetzt meldete er sich nicht. Ich fühlte mich hintergangen und verarscht. Hatte er mich nur benutzt? Das wollte ich nicht glauben, deswegen verdrängte ich diesen Gedanken. Wo waren Pinar, Baris und Melis? Ich war so enttäuscht und verletzt.
Mit Mühe kämpfte ich mich aus dem Krankenhausbett und ging zu dem kleinen Schrank in dem Zimmer. Als ich stand, bemerkte ich dieses Krankenhauskleid. Es war mir zu groß. Ich hatte Abgenommen in der Zeit wo Yasin keinen Kontakt haben wollte. Ich wühlte lange in dem Schrank rum und fand schließlich mein Handy. Es war 22 Uhr, Pinar war sicherlich noch in Facebook.
Wahrscheinlich wusste sie nicht das ich schon wach war. Ich stellte die Nummer auf Unbekannt und wählte ihre Nummer.
„Hallo?“
„Caniiim!“ schrie ich ins Handy. Ich hörte wie sie schockiert Luft holte.
„R-Rüya?“
„Efendim?“ (ja bitte?) Plötzlich fing sie an zu weinen – oder zu lachen. Ich glaube, es war eine Mischung von beidem.
„Du bist wach!“ Diesmal lachte sie und schrie. Ich hörte wie ihre Tür aufging.
„Kiz was brüllst du so?“
„Abi, Rüya! Sie ist wach!“
„Was? Gib mir das Handy!“
„Ama -“ Baris lies Pinar nicht aussprechen und nahm sich das Handy. Es raschelte und schon hörte ich seine Stimme.
„Rüya.“ seufzte er glücklich. „Wie geht’s dir?“
„so als wäre ich gerade aus einem Feuer gekommen.“
„Wir haben uns alle so große Sorgen gemacht.“
„Du auch?“
„und wie.“ hörte ich Pinar nuscheln. „der hat fast geweint.“
„Sus, Pinar.“ Ich lachte, die beiden waren einzigartig.
„Ist nicht schlimm. Kommt ihr mich morgen besuchen? Mit Melis?“
„Natürlich. Warum sollten wir nicht?“
„Was weiß ich. Hade ich gehe jetzt schlafen. Iyi geceler.“ (gute Nacht)
„sanada.“ (dir auch)
Ich tapste zum Bett und legte mich rein. Nach einer Weile schlief ich endlich ein.


Am Morgen wurde ich durch ein lautes Geräusch wach. Ich riss meine Augen vor Angst auf und blickte durch das Zimmer. Ich traute meinen Augen nicht. Nein,nein, nein! Mein Atem ging schneller, mein Herz setzte aus. Innerlich betete ich, dass es nur ein Traum war. Er kam näher und setzte sich neben mich.
„Hallo, kizim.“ sagte Erdogan mit komisch belegter Stimme.

Kapitel 17



Das Vertraute Gesicht das mir Jahre lang weh getan hatte, das Gesicht, dass mich bis heute noch in meine Alpträume verfolgte.
„Wie geht’s dir?“ fragte er. Er grinste hässlich. Mir kam wirklich der Würgereiz.
„Was willst du?“
„Ich will doch nur meine Tochter besuchen.“ er lachte dreckig. Allahim, ist das der Mann den ich 'Baba' nennen sollte?
„ich bin nicht deine Tochter.“
„Oh wie recht du hast. Du bist wirklich ein nichtsnutz. Wann lernst du es endlich? Nie wirst du es zu etwas bringen, und wenn ich es sein muss, damit es passiert.“ Ich riss die Augen auf. Er beugte sich vor und hauchte mir ins Ohr: „Frag dich mal, wer dein Zimmer in Brand gesteckt hat.“
„Du?“ fragte ich schockiert. Nein, so dreckig ist er doch nicht oder?
„Nein, nein ich nicht. Aber vielleicht jemand der dir sehr nahe steht. Vielleicht, einer deiner Freunde
?“ Er lachte wieder. Einer meiner Freunde? Was meinte er? Er stand auf, ging bis zur Tür und drehte sich ein letztes mal um.
„Ich hasse dich.“ sagte er hasserfüllt und schloss die Tür hinter sich. Es war wie ein schlag ins Gesicht, bloß mitten ins Herz. Seine Bestätigung das er mich hasste. Früher, fragte ich mich : Liebst du mich? Oder hasst du mich? ; Egal was, Baba. - ich hasse dich. Mein Herz war schwer, krank und so verletzt. Ich dachte, es würde bergauf gehen. Ich würde mein Studium anfangen, mit Yasin zusammen sein, eine neue Familie und Freunde, die hinter dir stehn haben. Immer kam es anders als ich es erwartet hatte. So viele Menschen gab es auf dem Planeten, so viele Menschen zeigten dir wie schlecht die Welt war. Aber nur wenige, zeigten dir, wie schön es sein kann. Ich dachte an meine Mutter. Sie war eine starke Frau, hatte Jahre lang für ihren Mann gekämpft um dann festzustellen, dass er sie und ihre Kinder schlug. Sie hatte für etwas gekämpft, wofür es sich nicht lohnte. Ich legte mich nach hinten und versuchte zu schlafen. Es klappte nicht. Zu viele Gedanken waren in meinem Gehirn. Es gab tage, da fragte ich mich, wo Allah blieb, aber ich wusste, er hatte einen Plan und für diesen Plan, musste ich diesen Weg gehen.


„Rüüüüya!“ schrie Pinar, als sie durch die Tür in mein Zimmer kam. Baris und Melis kamen Hand in Hand hinterher.
„Endlich bist du wach.“ sagte Pinar und umarmte mich. Ich spürte ihre Tränen und musste deswegen selber anfangen zu weinen.
„Jetzt heulen die wie kleine Babys, Askim.“ Melis lachte und gab ihm ein Klaps auf den Nacken.
„Lass sie.“ ich sah wie sie auch tränen in den Augen hatte, lachte und breitete meine Arme damit auch sie mich umarmen konnte.
„Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“ schluchzte Melis.
„Pscht, Melis. Das ist nicht gut für das Kind.“ Ich strich beiden über die Haare und sah Baris lächelnd an. Er beobachtete alles und hatte dabei selber tränen in den Augen.
„Willst du auch?“ Er schüttelte den Kopf und kam zu mir ans Bett.
„Wir werden diese Person finden.“ Pinar wurde plötzlich nervös.
„Abi die Polizei konnte keine Fingerabdrücke finden.“
„Die sind zu weit gegangen! Egal wer es war, dieser jemand wird dafür büßen!“ sagte Baris fest entschlossen.
„Vielleicht war es ja jemand aus meinem Bekanntenkreis.“ flüsterte ich, während ich mich an das Gespräch von dem Morgen erinnerte. Was meinte er mit : ' Vielleicht einer deiner Freunde' ?
„Ihr würdest so was doch nie tun oder?“ Wie vom Blitz geschlagen sahen mich alle drei schockiert, wütend und fassungslos, an. „Tut mir leid, nur, egal ich brauchte halt eine Bestätigung.“
„Nächste Woche kommen wir zu euch.“ sagte Baris und strich mir über die Haare.
„Warum?“
„weiß ich nicht, aber Anne meint es wäre wichtig.“ Er sah nachdenklich aus dem Fenster.
Pinar spielte mit ihren Fingern rum und sah dabei super nervös aus. Was war mit ihr los?
„Komm, Askim. Lass uns nach Hause.“ sagte Melis, die wohl bemerkte das ich mit Pinar alleine sein wollte.
„Tamam. Rüya du schreibst mir Sms wenn du was neues weißt, tamam? Hade tschüss.“ Sie gingen raus und ließen mich endlich mit Pinar alleine.
„Noldu, Pinar?“ (Was ist los,Pinar?)
„Ich – ach Rüya.“ sie fing an zu weinen. Ich umarmte sie und strich ihr beruhigend über den Rücken.
„Warum weinst du?“
„Du hast mir solche Angst gemacht und Yasin Abi erst. Er war kaputt, jeden Tag war er hier und hat deine Hand gehalten. Tag und Nacht sogar.“ Mein Herz fing an wie wild zu klopfen, als ich seinen Namen gehört hatte. Sie holte ihr Handy raus und wählte eine Nummer.
„Abi? …. Evet. .. Bin bei Rüya im Krankenhaus... Nein es ist nichts passiert... beruhige dich mal... komm bitte her..“ sie legte einfach auf.
„Was war denn?“
„als ich gesagt habe das ich bei dir bin, hat er sofort gefragt ob dir etwas passiert ist.“
„wir haben uns geküsst, Pinar.“ Ihre Augen wurden groß und ihr Mund stand offen da.
„Er – Allah! Er hat sich endlich getraut. Ich dachte ihr würdet nie zusammen kommen.“
„Wir sind nicht zusammen.“
„Aber -“
„Naja, er hat mich geküsst. Ich hab ihn geküsst. Er hat zu mir gesagt das er mich liebt. Ich habe ihm gesagt das ich ihn auch liebe. Aber danach war er völlig kalt zu mir und ist gegangen.“
„Er will – Naja egal.“ ich runzelte die Stirn. Was wollte er?
Plötzlich ging die Tür auf und ein Arzt kam rein.
„Guten Morgen Frau Gökdal. Wie geht’s Ihnen?“
„Besser als erwartet, danke.“
„Haben sie irgendwelche Beschwerden?“ Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Ich hatte Narben, das waren meine Beschwerden. „ich werde Ihnen eine heilende Salbe verschreiben, die Sie jeden Tag auftragen müssen. An den Händen und am Bauch wird es nicht viel Helfen, aber am Kinn wird es wahrscheinlich weniger offensichtlich sein.“
Ich nickte. Wenigstens würde die offenste Narbe nicht zu sehen sein.
„Dankeschön.“ Er schrieb es auf und sah mich über den Rand seiner Brille an.
„Sie müssen außerdem jeden Tag einen Asthma Spray benutzen. Vergessen Sie das nicht.“
„Nein werde ich nicht.“ Er lächelte mich an und ging dann.


Eine Woche später.
Yasin und ich waren wie vorher, ganz normale Freunde. Es verletzte mich, doch ich akzeptierte seine Entscheidung. Wir lachten viel und es gab sogar diese Momente, wo wir uns einfach nur minutenlang in die Augen sahen. Pinar wurde von Tag zu Tag nervöser, was mich widerrum auch nervös machte. Dumme Polizei! Ich hatte keine Angst vor dem was mich erwartete, ich hatte Angst das meinen liebsten Menschen etwas passieren würde. Heute würden Baris' und Pinars Familie kommen. Meine Mutter hatte immer gesagt „Wenn Besuch kommt musst du dich schick anziehen.“
Verstanden hatte ich es nie, denn Mutter war nie so der Typ türkische Frau, die sich darum kümmerte was andere sagten.
Ich zog mir ein weißes Sommerkleid an und lockte an den Spitzen meine Haare. Meine Haare gingen mir mittlerweile schon bis zu meinem Po, weswegen es ganz süß aussah mit den Locken an den Spitzen. Schminken tat ich mich sowieso nicht, deswegen ging ich runter ins Wohnzimmer, um meiner Mutter mein Kleid zu zeigen.
„Gut so, Anne?“
„Masallah, kizim. Evet! Du siehst so schön aus! Meine Tochter!“
„Warum kommen die eigentlich?“
„Ich weiß es nicht.“ sagte sie achselzuckend. „aber sie meinten es wäre wichtig.“ Ich nickte und schon klingelte es.
Zuerst begrüßte ich Yagmur Teyze und Berkant Amca indem ich ihre Hände küsste.
„Masallah. Was hast du nur für eine schöne Tochter, Selma.“ sagte Berkant Amca. Ich wurde rot und sah auf den Boden. Vielleicht war das ja aus Reflex das man, wenn man rot wurde, auf dem Boden sah. Als ich hinter ihnen Blickte, sah ich Baris, Pinar, Melis, Deniz und Yasin. Bei Yasins Anblick schlug mein Herz sofort schneller.
Ich begrüßte erst Pinar und Melis mit einer Umarmung, dann Baris und dann gab ich Deniz zwei schmatzer auf seine kleinen Bäckchen. Als Yasin vor mir stand blieb ich wie angewurzelt stehn. Er umarmte mich so fest, das ich seinen Herzschlag hören konnte. Es war, nach der Stimme meiner Mutter, das schönste was ich je gehört hatte.
„Hey.“
„Hey du.“ sagte ich.
„Rüya? Machst du Cay?“ rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer. Yasin ließ mich los und lächelte mich an.
„Geh Cay machen!“ sagte er mit leichtem Tadel. Ich schüttelte den Kopf und ging in die Küche. Dort machte ich dann Cay und stellte dann alle gefüllten Gläser auf ein Tablett, um dann ins Wohnzimmer zu gehen.
„Also Selma, es hat einen Grund das wir gekommen sind.“ hörte ich Berkant Amca. „Wir wollen das eure Rüya mit unserem Baris heiratet.“ Es war, als würden alle die Luft anhalten. Niemand sagte etwas, wagte es nicht mal, laut zu atmen. Melis, saß mit weit geöffneten Augen neben Baris. Baris saß entsetzt neben Yasin. Und Yasin saß wütend auf dem langen Sofa. Es war still.

Kapitel 18



Mir fiel das Tablett aus der Hand und so wurde die Stille, zu einer Riesen Diskussion.
„Berkant, wie kommst du darauf?“ fragte Sinan.
„Eure Tochter ist hübsch, intelligent und hat gute Manieren, ich würde sie gerne als Schwiegertochter haben.“
„Ama Berkant, das hättest du uns vorher sagen müssen.“ sagte meine Mutter. Yasin stand auf und ging. Ich sah ihm hinterher. Sollte ich zu ihm?
„ich will nicht heiraten.“ warf ich ein, ehe ich mich umdrehte und Yasin hinterher ging. Er war in meinem Zimmer und saß mit dem Kopf in den Händen, auf meinem Bett. Ich setzte mich neben ihn. „Anne weiß das ich noch zu jung bin um zu Heiraten.“ sagte ich.
„Du kennst doch Türkische Mütter, sehen sie erst mal einen passenden Schwiegersohn, stimmen sie schon ein und Baris ist der perfekte Schwiegersohn.“ Er hob den Kopf und sah mich intensiv an.
„Du doch auch.“ Ich spielte, während ich das sagte, mit meinen Fingern und sah nervös auf meine Bettwäsche. „Sie weiß das ich jemanden Heiraten will den ich liebe.“
„Es war ein Schock. Arme Melis.“ Fest entschlossen, stand er auf und hielt mir seine Hand entgegen. Ich legte meine Hand in seine und er zog mich auf die Beine, dabei kamen wir uns reichlich Nahe. Nur wenige Zentimeter war ich von seinem Gesicht entfernt. Seine Lippen waren so knapp vor meinen. Plötzlich ging er einen Schritt nach hinten und schüttelte seinen Kopf.
„Lass uns runter.“ schon wieder war er kalt. Kalt wie ein Gletscher. Ich nickte traurig und ging ihm hinterher.
„Baba ich kann nicht mit Rüya heiraten.“ sagte Baris, als wir wieder im Wohnzimmer waren.
„Neden, Oglum?“ (Warum, mein Sohn?) Baris setzte sich neben Melis, lächelte sie an und sah dann mich an. Ich wusste was er dachte und nickte.
„Weil Melis und ich zusammen sind, seit zwei Jahren und wir jetzt ein Kind bekommen.“ Die Erwachsenen sahen die beiden geschockt an. Es war nicht leicht so eine Neuigkeit zu verdauen. Vor allem, weil Baris ja nicht mit Melis verheiratet war. Ich konnte mir gut vorstellen was im Kopf von Berkant Amca und Yagmur Teyze rum ging.
„ich will mit ihr heiraten.“ fügte Baris nervös hinzu. Yagmur Teyze legte ihre Hand auf die ihres Mannes.
„Er soll glücklich sein. Melis ist auch ein gutes Mädchen.“
„aber sie ist nicht mehr rein!“ warf Berkant Amca wütend ein. Melis sah auf den Boden, langsam kullerten ihr die Tränen über die Wangen. Ich setzte mich neben sie und strich ihr über den Rücken.
„schscht.“ hauchte ich in ihr Ohr und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
„Yok! Sie ist rein, so rein wie Wasser. Sie bekommt ein Kind von mir! Wenn ihr sie nicht akzeptiert dann -“ Baris schluckte und sah wütend zu seinen Eltern. „- dann könnt ihr mich aus eurem Leben streichen.“ Yagmur Teyze holte schockiert Luft. Tränen rannen ihr über die Wangen und auch Pinar weinte leise vor sich hin. Wahrscheinlich wurden gerade alle Frauen im Raum sentimental, denn auch ich und meine Mutter fingen an zu weinen. Es war rührend wie groß die Liebe von Baris zu Melis war. Yasin stand am anderen Ende des Raums, hielt Deniz in seinen Armen und beobachtete mich. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, doch in seinen Augen sah man den Kampf seiner Gefühle. So viele Gefühle, aber am meisten sah man seinen Schmerz. Den Schmerz eines Jungen, der mit seinem Jungen alter schon ein Kleinkind, groß ziehen musste. Ich lächelte Yasin unter Tränen an. Er erwiderte es nicht, aber ich hatte es auch nicht erwartet. Ich wüsste gerne den Grund warum er Kontakt abgebrochen hatte, oder was ihm in der Vergangenheit noch passiert war.
„Askim tu mir das nicht an. Lass nicht zu das mein Sohn mir den Rücken zudreht.“ bat Yagmur Teyze ihren Mann.
„Gut. Nächste Woche gehen wir zu deinen Eltern und bitten um deine Hand.“ sagte Berkant Amca zu Melis. Ich spürte wie sich Melis versteifte.
„Baba wegen der -“
„Wir regeln das schon, Oglum.“ Baris stand auf und umarmte seine Eltern.
„Hey, siehst du, sie wollen dich als Schwiegertochter.“ flüsterte ich Melis zu. „Aglama, es wird wieder gut.“ (weine nicht)
„ich bin so glücklich.“ hauchte sie, stand auf und ging zu Baris' Eltern, um ihre Hände zu küssen.
„ich gehe neuen Cay machen.“ sagte ich und ging in die Küche. Ich konnte nicht länger unter Yasins bohrendem Blick bleiben. Es machte mich verrückt. ER machte mich verrückt. Während das Wasser kochte, kam Pinar in die Küche und wischte sich die Tränen weg.
„Yasin Abi sah richtig wütend aus als Baba gesagt hat das er um deine Hand anhalten will und als ihr wieder runter kamt, war er erleichtert. Was lief da?“
ich seufzte und setzte mich auf einen der Holzstühle. Pinar tat es mir nach und setzte sich mir gegenüber.
„Wir standen uns wieder so nahe, aber er ist dann zurück gegangen und war wieder kalt zu mir.“ Ich malte Muster in den Tisch und redete weiter. „Ich frage mich einfach, warum er so ist. In einem Moment dieser Junge den ich liebe und im nächsten Moment ist er der Junge der mich verletzt. Ich verstehe das nicht, Pinar. Was mache ich falsch?“
Pinar sah nachdenklich und nervös an die Küchenwand.
Sie legte ihre Hand auf meine und sah mir in die Augen. „Er liebt dich, dass ist das wichtigste was du im Moment wissen musst.“
„Weißt du warum er so ist?“
„Rüya, wo bleibt Cay?“ fragte Melis lächelnd, als sie in die Küche kam. Ich stand wieder auf und füllte die Gläser. Meine Gedanken teilten sich. Warum war Pinar in letzter Zeit so nervös? Ich brachte die Gläser ins Wohnzimmer und ging mit den anderen 'Kindern' hoch. Baris, Pinar und Melis rannten sofort zu der Playstation 3 von Kaan Abi. Er hatte sie hier gelassen, weil Eylem Yenge es nicht mochte wenn er 'zockte'.
„Ey Abi, lass mal Fifa zocken.“ sagte Pinar und schubste ihn ein wenig zur Seite damit sie sich setzen konnte. Mein Zimmer war mit dem alten Zimmer von Kaan Abi verbunden. Yasin setzte sich wieder auf mein Bett und lächelte zu mir hoch. Jetzt war er natürlich wieder dieser Junge der mein Herz schneller schlagen lies. Uff, wie es mich verwirrte. Sein Lächeln wurde dreckig und schon warf er mir ein Kissen an den Kopf.
„Was soll das?“ fragte ich empört.
„Du stehst da wie angewurzelt, bewege dich mal.“
„Du kannst dich gleich von meinem Bett bewegen.“ zischte ich. Er lachte und lehnte sich nach hinten, so dass er auf sich auf seine Ellbogen abstützte.
„eigentlich ist es ganz süß wie du da stehst.“ ich zog eine Augenbraue hoch, doch in mir drin entfachte er Millionen von Gefühlen. Er lachte wieder und sah mich weiter intensiv an. Es war mir unangenehm. Er lag da auf meinem Bett, total lässig und cool, und ich stand vor ihm, verlegen und vor Scham errötet. Ich trat von einem Bein auf den anderen, meine Hände fingen an zu Zittern und ich überlegte was ich als nächstes tun sollte. Ich lächelte zuckersüß, hob das Kissen, das er mir zugeworfen hatte, auf und warf es mit Wucht ihm an den Kopf.
„Der war unfair! Ich war von dir Abgelenkt.“ sagte er und warf mir das Kissen wieder zurück. Von mir abgelenkt? Ich schluckte und trat näher ans Bett. Ruckartig packte er mich um die Knie und schmiss mich aufs Bett. Schnell setzte ich mich auf und nahm ein anderes Kissen zur Hand. Im sitzen schlugen wir uns immer wieder die Kissen an den Kopf. Plötzlich schlug er so hart das ich nach hinten aufs Bett fiel. Ich fing an zu lachen, hielt mir an mein Bauch und legte mir den Arm über die Augen. Yasin beugte sich über mich und nahm mein Arm von meinen Augen.
„Ich will dein Gesicht sehn.“ er kam näher und immer näher. Ich wappnete mich innerlich auf einen Kuss, doch der kam wieder nicht. Stattdessen stand er auf und ging aus der Wohnung. Diesmal nicht. Dieses mal konnte er nicht einfach so abhauen. Ich rannte ihm hinterher und packte ihm am Arm. Wir standen mitten auf der Straße. Ich sah ihn wütend und verletzt an.
„Was ist dein Problem?“
„Rüya lütfen, schrei nicht.“
„Nein ich will wissen warum du mir so nahe kommst, mich aber nicht küsst und mich dann einfach so im Regen stehen lässt!“ schrie ich.
Er rannte auf mich zu, legte seine Hände um mein Hals und strich mit seinen Daumen über meinen Kinn.
Dann drückte er seine Lippen auf meine. Es kam spontan, und war umso schöner. Er seufzte zufrieden und drückte mich näher an sich ran. Mein Herz schien zu explodieren, so viele Gefühle kamen mir wegen ihm auf. Plötzlich ließ er mich los, sah sich um und ging. Es fing an zu regnen. Ich stand alleine auf der Straße und es regnete. Meine Lippen waren geschwollen. Meine Tränen vermischten sich mit dem Regen. Ich fühlte mich Benutzt. Es war mir egal das ich mitten auf der Straße stand. Ich wollte bloß wissen, warum er so zu mir war.
Plötzlich legte mir jemand die Hand auf den Mund und zog mich in einen Wagen. Was passiert hier?

Kapitel 19




Die Luft wehte meine Haare nach hinten und ließ mich aufschrecken. Was war das denn? Ich hatte noch nie einen Tagtraum. Mein Unterbewusstsein hatte mir ein Streich gespielt. Ich stand immer noch mitten auf der Straße mit Tränen überströmten Wangen. Immer noch, stand ich da und fragte mich, warum Yasin so war. Diese entsetzlichen Fragen, sie waren so qualvoll. Hatte ich irgendwas falsches getan? Ich wusste einfach nichts. Mir fiel ein das Baris, Melis und Pinar ja noch bei mir zuhause waren. Als ich gerade los wollte, hörte ich schon Baris nach mir rufen. Schnell wischte ich mir über die Wangen, atmete tief durch und setzte mein bestes Lächeln auf. Zum Glück schminkte ich mich nie, sonst wäre ich verschmiert gewesen.

“Rüya?” ich drehte mich zu Baris.
“Efendim?” (ja bitte)
“Noldu?” (was ist los?) er sah mich besorgt an. Was sollte ich sagen? Hey Baris, ich habe das Gefühl das dein Cousin mich verarscht. Sicher nicht. Wer weiß was Baris machen würde. Ich schüttelte den Kopf und lächelte ihn an.
“Es ist nichts.”
“Lüge mich nicht an!”
“Wenn du meinst.” gab ich lahm zurück. Mich interessierte nichts außer was mit Yasin los war. Baris sah mich mit einem undefinierbaren Blick an, mit einem Blick, dem man einfach alles sagen musste. Ich atmete laut aus. “Weißt du was mit Yasin los ist?”
“Nein.” sagte er und runzelte die Stirn. “Warum?”
Ich setzte mich auf den Bürgersteig und wartete das er sich ebenfalls hinsetzte.
“Er ist in letzter zeit ziemlich komisch.” Ich fuhr mit dem Finger über die Straße.
“Ich finde er ist so wie immer. Aber warum meinst du?” Ich begann zu erzählen, hatte angst, dass Baris irgendetwas dagegen hatte und war dennoch froh, dass ich endlich alles Last aus mir herausreden konnte. Als ich fertig war, war Baris ruhig, zu ruhig.
“Sag was.” bat ich ihn. Er seufzte, stand auf und hielt mir seine Hand hin.
“Wollen wir ?” Ich sah verwirrt zu ihm hoch.
“Wohin?”
“Naja ich denke du hast paar Fragen oder? Yasin ist wieder bei dir zu Hause. Lass uns gehen.” Ich nickte und stand mit seiner Hilfe auf. Schweigend gingen wir wieder den Weg zurück. Mein Herz klopfte wie verrückt, obwohl ich wusste das Yasin es nicht sagen wird. Unsere Eltern waren noch im Wohnzimmer und unterhielten sich mit Melis über die Schwangerschaft. Ich sah wie Yagmur teyze's Augen strahlten. Sie freute sich ebenfalls auf ihr Enkel. Lächelnd sah ich zu Baris, der das ganze ebenfalls lächelnd beobachtete.
“wollen wir hoch?” fragte mich Baris, worauf ich mit einem Nicken zustimmte.
“Pinar bitte sag es ihr nicht.” hörte ich Yasin.
“Pinar bitte, Pinar bitte, Pinar bitte - ich kann es nicht mehr hören Abi! Rüya ist meine Beste Freundin, sie liebt dich und du behandelst sie so scheiße. Sag es ihr doch endlich”
“Ich will nicht das sie wieder in Gefahr kommt.” seufzte Yasin. Baris sah mich an und wollte gerade rein laufen, doch ich legte meine Hand auf seine Brust, schubste ihn leicht zurück und legte mein Finger auf meine Lippen, was bedeuten sollte, dass er ruhig sein sollte.
“Wenn sie von nichts weiß, dann ist es wirklich gefährlich für sie. Yasin du arbeitest seit zwei Jahren dort, bitte, sag ihr Bescheid” Es war kurz still. Yasin antwortete nicht und gab auch kein weiteren Laut von sich. “Nimmst du immer noch Drogen?” Baris sah mich geschockt an. Ja Baris, genau er nimmt Drogen. Meine Gefühle überschlugen sich. Wut mischte sich mit Hass, Hass mit Verrat und Verrat mit Traurigkeit Ich hielt es nicht länger aus. Meine Augen brannten von den ungeweinten Tränen, die sich wieder stauten. Ich stürmte ins Zimmer und sah beide Wütend an.
“Du nimmst Drogen?” fragte ich entsetzt und verletzt. Yasin sah auf den Boden.
“Ja.” gab er leise zu. Pinar legte ihre Hand auf meinen Rücken und wollte mich zu einem Stuhl bringen, doch ich war sauer auf sie.
“und du wusstest es? Ich hab mich in ihn verliebt und du wusstest die ganze Zeit was für einer er ist?”
“Rüya er -”
“Was er, Was? Komm mir nicht damit an. Ich hasse euch.” Der Satz kam ungewollt über meine Lippen. Yasin und Pinar sahen mich schockiert und traurig an.
“Bitte lasst mich mit Rüya alleine.” sagte Yasin ohne den Blick von mir zu nehmen.
“Nein! Ich will nicht mit dir alleine sein!” Gerade als ich hinter Pinar raus wollte, schloss Yasin die Tür mit dem Schlüssel ab. “Was soll das?”
“Vor knapp einer stunde hast du mich noch geküsst und jetzt hasst du mich.” sagte er ohne auf meine Frage zu antworten. Er kam ein schritt näher und legte seine Hände auf meine Schultern. Unbewusst zuckte ich zusammen.
“Ich will es dir in Ruhe erklären.”
“Natürlich weil du ja nicht freiwillig Drogen nimmst.” Ich spuckte förmlich mit Ironie rum.
“setz dich.” wies er mich an. So sauer und wütend ich auch war, ich wollte wissen wieso er es tat. Ich setzte mich auf mein Bett und sah ihn erwartungsvoll an. Er setzte sich neben mich, legte seine Arme auf die Knie und sah auf seine Hände.
“Ich bekomme nicht viel Geld in der Firma und ich wollte Deniz wenigstens ein schönes Leben bieten. Er war noch so klein.“ er schluckte, sah kurz auf und dann wieder auf seine Hände. „Yagmur Teyze hatte mir angeboten, dass sie sich um Deniz sorgt und mir finanziell unter die Arme greift, aber ich hatte abgelehnt. Ich wollte es alleine schaffen, um meinetwillen und meiner Eltern wegen. Ich wollte, dass sie von oben auf mich herab sahen, mit stolzen Herzen, beobachteten, wie ihre Söhne groß wurden. Ich wollte, dass sie sahen, das ich es auch alleine schaffte. - Aber wahrscheinlich war es jetzt anders. Ja, Rüya, ich nehme Drogen. Ich wollte in eine andere Welt, eine, die besser war.“ Sein Geständnis tat mir unbewusst mehr weh als ich dachte. Meine Sichtweise auf seine Situation änderte sich nur Körnchenweise. Er war jung, wollte beweisen wie gut er alleine mit der Situation umgehen konnte.
„Erzähl weiter.“ bat ich ihn und sah ihn weiterhin von der Seite an.
„Ich hatte mit Gras angefangen, ich war in einer anderen Welt, einer besseren und leichteren. Nach einer Zeit ging ich zu härteren Sachen rüber. Ich wollte vergessen, den Schmerz den ich hatte, all die Gedanken, das Stechen, ich wollte es hinter mir lassen. Irgendwann, bemerkte ich, dass ich abhängig war. Deniz zuliebe, ging ich in eine Entzugsklinik und dort in Therapie. Deniz blieb bei Yagmur Teyze unter dem Vorwand, ich müsse wegen der Firma ins Ausland.“ Er knetete seine Hände und atmete schwer aus.
„Bist du clean?“ fragte ich nervös. Wer weiß, vielleicht hatte er die Therapie abgebrochen, vielleicht aber auch, hatte er einen Rückfall. Beides klang für mich fürchterlich. Ich wollte nicht das er etwas mit dem Zeug zu tun hatte. Drogen gab es überall. Allein harmlose dinge wie Klebstoff, waren eine Droge. Drogen und Sucht. Zigaretten waren Drogen, Alkohol, Fernseher schauen, all diese Dinge, die uns so 'normal' vorkamen, waren Drogen. Versteckte Drogen. Das Schlimme allerdings war nicht, dass man sie nahm, sondern was sie später mit einem machten. Wir probierten einmal und lechzten plötzlich nach mehr. Die eigentliche Suchtgefahr war das, was schlimmer war. Durch das eine Mal würde dein Körper nicht beschädigt werden, würde es durch das Gift nicht kaputt gehen. Die Gefahr das man Süchtig wurde, es immer wiederholen wollte, war das eigentliche an Drogen. Probierst du es einmal, bleibst du sicher, probierst du es immer und immer wieder, legt sich das Gift in deinem Körper frei und zerstört dich Stück für Stück, von innen heraus. Beim ersten mal hast du die Wahl, machst du dich kaputt, oder lässt du die Finger davon?
„Nein.“ brach Yasin meine Gedanken. „Ich kiffe immer noch.“ Vage erinnerte ich mich an die Male wo er mit roten Augen vor mir stand.
„Hattest du – gekifft – als du mir vorgeworfen hattest ich sei schwanger?“ fragte ich, während mein Blick auf dem Boden geheftet war.
„Ja. Ich kiffe, wenn es mir schlecht geht.“ Ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Ich liebte ihn wie verrückt, wollte ständig seine Nähe spüren, ihn bei mir haben. Er war der Junge der mein Herz nach kürzester Zeit beherrschte. Sollte ich bleiben oder gehen? Mein Verstand und mein Herz traten einen Kampf an. Oh Yasin, warum hast du das getan? Es lag an mir, ich konnte gehen, ihn alleine lassen, mit all seinem Kummer und all seinem Schmerzen, nur weil ich es nicht ertrug das er, der Junge den ich über alles liebte, Drogen nahm, oder ich konnte bleiben, ihm bei stehen und ihm sagen, dass ich bei ihm war und ihn bedingungslos liebte.

Kapitel 20



Er sah mir in die Augen. Ich seufzte. Natürlich konnte ich gehen, aber ich wollte bleiben, für ihn da sein und ihm alles Liebe schenken, die ich hatte.
„Versprich mir, dass du wenigstens versuchen wirst damit aufzuhören.“, sagte ich ruhig und setzte mich näher zu ihm. „Lütfen.“ (Bitte) fügte ich hinzu.
Er atmete schwer aus, nahm meine Hände in seine und sah mir noch tiefer in die Augen.
„Ich werde es versuchen.“
„Söz?“ (versprochen?)
„evet.“ (ja) Vor Erleichterung, ließ ich meine Schultern sinken und atmete laut aus. Ich saß die ganze zeit krampfhaft da und wartete, bis er mir sein versprechen gab.
„Warst du nur deswegen so zu mir?“ fragte ich nach einer Weile der stille.
„Ja.“ Ich fiel ihm um den Hals und warf uns beide damit aufs Bett zurück. Mit meinen Ellbogen neben seinen Schultern, zog ich mich etwas weg und betrachtete ihn. Wie sehr ich diesen Mann liebte. Ich lächelte glücklich, denn ich wusste, dass er mich ebenso liebte. Vielleicht, sollte ich mal den ersten Schritt wagen, ihm sagen , dass ich ihn liebe, ihn küssen oder ihn einfach umarmen.
„Ich liebe dich.“ flüsterte ich. Wir sahen uns einfach in die Augen, um uns herum war es still, so still, dass wir nur unser beider Atem hörten. Es war keine unangenehme Stille, es war eine Stille, die sich perfekt zu dem Moment anpasste. Es war mir egal das er nicht antwortete, ich sah alles in seinem Blick. Innerlich gab ich mir ein Tritt um endlich den nächsten Schritt zu machen. Langsam, darauf bedacht nicht zu nervös zu wirken, lehnte ich mich immer mehr zu ihm und näherte mich seinen Lippen. Der leichte Schwung der sich um seine vollen Lippen umspielte, deutete auf ein lächeln hin. Immerhin konnte ich ihn in solchen Situationen noch zum lächeln bringen.
„Ich liebe dich auch.“ hauchte er, als ich direkt vor seinen Lippen war. Beide schlossen wir die Augen und näherten uns so weit, dass sich unsere Lippen berührten. Es war ein langer Kuss, voller Liebe, Sehnsucht und einer stummen Entschuldigung.
Während wir uns küssten drehte er uns so, dass ich unter ihm lag. Er strich mir die Haare nach hinten und verstärkte den Druck auf meine Lippen. Zufrieden legte ich meine Arme um seinen Nacken und zog ihn näher zu mir.



„Rüya, beeil dich.“ nörgelte Pinar. Ich verdrehte die Augen und warf ihr meine Jogginghose, die ich gerade ausgezogen hatte um mein Kleid anzuziehen, an den Kopf und grinste hinterher, als ich ihren wütenden Blick sah.
„Schieb keine Hektik, Canim.“ sagte ich grinsend. Ich zog das schwarze Kleid hoch und versuchte den Reißverschluss hochzuziehen.
„Du nervst.“ Ich lachte und warf ihr einen eingebildeten Blick zu.
„Pinar, ich weiß du bist total nervös, aber ich bin es ebenfalls. Bak, deine Eltern waren noch vor einer Woche bei mir zuhause und haben um meine Hand angehalten.“ (Bak – schau/guck)
Sie seufzte und setzte sich auf ihr Bett. „Ich hab Angst, dass sie sich doch anders entscheiden. Abi wäre total am Ende.“
„Sie freuen sich doch schon auf das Kind, also werden sie sich schon nicht umentschieden.“ Ich legte Pinar eine Hand auf die Schulter und lächelte ihr aufmunternd zu. Heute sollten wir zu Melis' nach Hause damit wir um ihre Hand anhalten. Warum ich mit sollte, wusste ich selbst nicht genau, aber ich ging mit weil auch Yasin mit ging. Bei uns beiden war es immer noch so wie vorher, ich hoffte aber inständig, dass es sich ändern würde.
„ Anne und Baba ja, aber was ist mit Melis' Eltern?“
Darauf wusste selbst ich nicht die Antwort. Wie würden Melis' Eltern reagieren? Wie würde es aussehen bei der Hochzeit, wenn sie das rote Band nicht mehr tragen dürfte? An diesem Abend, sollten wir alles erfahren.
„Mach dir keine Sorgen, wir bringen das schon hinter uns, und wenn nicht, schicken wir Melis und Baris nach Las Vegas und lassen sie dort heiraten.“
Ich sah wie Pinar schmunzelte und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Nun mach dir nicht zu viele Sorgen und komm, Hade“ (los)
Baris war, wie sich herausstellte, noch schlimmer. Er zappelte wie verrückt rum und fragte die ganze Zeit wann wir losgehen würden.
„Baris, setz dich hin und beruhige dich.“ Er sah mich finster an, so dass ich augenblicklich zurückwich. Schlimmer wie eine Schwangere, dachte ich.
„Rüya?“ hörte ich Yasin hinter mir.
„Efendim?“ (ja bitte?) Er kam zu mir rüber und drückte mich an sich. Mir war das mehr wie peinlich, vor allem vor Yagmur Teyze und Berkant Amca.
„Yasin deine Tante und dein Onkel.“ flüsterte ich ihm zu und drückte ihn leicht weg.
„Yasin bleibst du bitte hier? Baris ist schon nervös. Ich glaube, es ist besser wenn du mit Rüya hier bleibst.“ sagte Berkant Amca und zwinkerte mir zu. Verdammt. Wie auf Knopfdruck wurde ich hochrot und stellte mich etwas weiter nach hinten.
„Tamam. Ich und Rüya bleiben hier.“ stimmte Yasin ihm zu.
Als sie weg gingen, setzte ich mich seufzend auf ein Sofa im Wohnzimmer. Das Wohnzimmer war in schönen Brauntönen gehalten, es gab sowohl wärme, als auch Freundlichkeit von sich. Die Möbel und alles andere hier, passten sich perfekt an die Wandfarbe. Alles in allem, war es sehr einladend, weswegen ich so gerne herkam. Ich bemerkte das Kleid das ich an hatte. Ein schönes schlichtes Schwarzes Kleid. Nicht zu auffällig, aber schön.
„Ich hab mich völlig umsonst so angezogen.“ sagte ich, als Yasin mit zwei Gläsern Cay ins Wohnzimmer kam.
„Nein, weil wir gleich wohin gehen.“ Er grinste mich an. Yasin war ziemlich hübsch, aber auch nicht einer dieser Supermodels Jungs die sich die Augenbrauen zupften und Leggins anzogen. Einfach ein gewöhnlicher, hübscher junger Mann. Für mich allerdings, war er mehr als 'nur ein gewöhnlicher' junger Mann, bei seinem Grinsen bekam ich weiche Knie und Herzrasen.
„Wohin gehen wir denn?“
„Überraschung.“ er zwinkerte mir zu.
„Sagst du es mir endlich?“ fragte ich genervt. Ich war ein sehr ungeduldiger Mensch, konnte Überraschungen einfach nicht ab haben und zappelte deswegen immer rum.
„Nein.“ gab er kalt zurück. Augen rollend lehnte ich mich an die Autofensterscheibe.
Als wir - endlich - ankamen, nahm er sanft meine Hand und zog mich an sich. Mein Herz fing an zu rasen.
„Ich möchte dir etwas zeigen, aber es wird nichts großartiges sein.“ ich nickte, verwirrt von seinen Worten und gefesselt von seinen Augen.
Hand in Hand, was für mich äußerst angenehm war, gingen wir zu dem alten Park (Kapitel 3 u. 4) und setzten uns auf die Bank. Mit großen Augen sah ich ihn an. Er kannte diesen Ort?
„Fatih hat mir von hier erzählt.“ antwortete er auf meinen fragenden Blick. Er kratzte sich am Hinterkopf und sah mir in die Augen. „Du weißt, ich liebe dich und das du mir mehr als alles andere bedeutest.“ er holte stockend Luft. „Willst du mit mir zusammen sein?“ fragte er gerade heraus. Ich grinste wie eine Irre, denn ich fand, es war nicht 'too much', aber auch nicht irgendwie daher gesagt. Er sagte es liebevoll und sah mir die ganze Zeit in die Augen.
„ja.“ hauchte ich und umarmte ihn. Endlich. Endlich war ich seins. Darauf hatte ich die ganze Zeit gewartet. Es war ein wunderschönes Gefühl, so schön, dass ich nicht daran Denken wollte, was er - wir - alles noch zu meistern hatten. Es war mir egal. Ich wollte ans hier und jetzt denken, daran wie glücklich ich in dem Moment war. Ich war überglücklich.

Kapitel 21


Yasin und ich saßen im Wohnzimmer und warteten auf Baris, Pinar und dessen Eltern. Wir saßen noch auf der Bank und hielten unsere Hände ineinander verschränkt. Es war schön. Endlich hatte er mich gefragt gehabt und endlich war ich seine Freundin. Im Moment konnte ich jeden Menschen umarmen, der sich vor mich stellte.Aber jetzt war ich verdammt aufgeregt, denn ich wusste, dass Baris unerträglich wäre, wenn er kommen würde. So wie er es beschrieben hatte, liebte er Melis wirklich über alles und wenn sie jetzt nicht Heiraten durften, wäre er am Ende. So viel dazu. Ich wippte mit meinem Bein hin und her, war aufgeregt wie eh und je.
„Rüya hör jetzt auf.“ mahnte Yasin und sah mich finster an.
Rüya : „Nachher erlauben es die Eltern von Melis nicht.“ seufzte ich und ließ mich auf das Sofa zurückfallen. Yasin legte seine Hand auf meine - die neben meinem Oberschenkel auf dem Sofa lag - und sah mir in die Augen.
Yasin: „Sie haben im Grunde genommen keine andere Wahl.“
Rüya:„Natürlich haben sie das!“ schnitt ich ihm sein Argument ab. „Sie könnten sie auch einfach an jemand anderes verheiraten und dann wäre sie so unglaublich unglücklich. Von Baris ganz zu schweigen.“ fügte ich, pessimistisch wie ich war, hinzu. Yasin verdrehte die Augen.
Yasin: „Als ob. Eltern wollen das ihre Kinder immer glücklich sind.“
An seinem Blick erkannte ich, dass er es am liebsten wieder zurückziehen wollte.
„Nicht alle.“ sagte ich leise. Er nahm meine Hand in seine und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.
Yasin : „Es tut mir leid. Ich hab es vergessen.“ Ich nickte nur und sah auf unsere Hände. Seine Haut fühlte sich so wunderbar weich und warm an. Ich lehnte mich an ihn und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Seiner Hauptschlagader so nah, zog ich jeden Quadratzentimeter seiner Haut, dessen Duft mich betörte, in mich hinein.
Yasin: „Du wirst sehen, die beiden kommen mit strahlenden Gesichtern zurück.“
Er war so verrucht optimistisch. Alles, was er sah, war positiv. Er war kein kleiner Junge mehr, er war ein junger Mann. Der Schmerz, den seine Eltern hinterlassen hatte, spielte er weg, versuchte sich, um Deniz' Willen um eine glückliche Figur. War er das? War er so glücklich wie er vorgab? Ich kuschelte mich noch mehr an ihn und drückte ihn fest an mich, so, als müsste ich meinen wertvollsten Schatz, vor der großen, weiten Welt beschützen. Im Grunde genommen, tat ich das ja auch.
Durch ein lautes Poltern schreckten wir auf und fuhren auseinander. Baris stand keuchend, mit Tränen verschleierten Augen und patschnass, vor uns. Ich sprang auf, legte meinen Arm um ihn und sah ihn besorgt an.
Rüya : „Noldu, Baris?“ (was ist los, Baris?) Er sah mir in die Augen und gab dann ein lautes schluchzen von sich. „Baris, man, sag mir was los ist!“ ich rüttelte ihn an seinen Schultern und sah ihn besorgt an.
Baris : „ Er will Melis an jemand anderen schon verheiraten.“
Meine Hände rutschten von seinen Schultern. Ich war schockiert, mehr wie das. „Verdammt!“ schrie er und kickte gegen den Tisch, der am Eingang stand. Baris lehnte sich an die Wand, glitt runter und legte seinen Kopf auf die Knie, mit den Händen in seinen Haaren.
„anlat, Baris.“ (Erzähl, Baris) sagte Yasin ruhig.
„Wir wollten gerade um ihre Hand anhalten, da sagte er uns, dass sie schon versprochen wurde. Man!“ gab er gekränkt von sich und schluchzte in seine Arme hinein. „Wir konnten nicht einmal sagen, dass sie schwanger ist.“
ich setzte mich zu ihn und legte meine Hand auf seine Schulter. Ich fand keine Worte. Worte, die ihm sagen würden, wie leid es mir täte, dass er die Hoffnung nicht aufgeben solle, dass er weiterkämpfen solle.
Yasin ging zu dem Jackenständer, nahm seine und meine Jacke, warf mir meine entgegen - die ich kritisch betrachtete - und nahm sich schließlich seine Autoschlüssel.
„Wir fahren jetzt da hin.“ sagte er entschlossen, nahm Baris am Arm und schubste ihn leicht nach vorne. Nach dem Motto; ' geh schon! '
„gel.“ (komm) sagte er an mich gewandt, nahm sanft meine Hand und ging aus der Tür raus. Wir fuhren zu Melis nach Hause, stiegen aus und klingelten. Meine Hände schwitzten. Mir tat Baris leid, ich fühlte immer mit ihm, egal um was es ging. Von draußen, war alles still. Als wäre niemand zuhause. Die Tür wurde von Melis geöffnet, die nicht besser aussah als Baris. Als sie ihn sah, fiel sie ihm weinend und schluchzend in die Arme. Baris legte seinen Arm um Melis, drückte sie an sich und sah gen Himmel, als würde er Allah danken. Mit seiner freien Hand strich er ihr über die Haare, die Wirbelsäule und blieb an ihrer Taille stehen.
„Seni Seviyorum.“ (ich liebe dich) flüsterte er so leise in ihr Haar, dass ich es nur wage hörte.
„Bende Seni. (ich dich auch).“ Sie drückte ihn an sich und fügte flehend hinzu : „Ich will dich Heiraten, Baris. Lütfen (bitte), lass mich nicht mit jemand anderem Heiraten, lütfen.“ (bitte)
Melis hatte Baris' t-shirt, zusammengeknüllt, in ihren Fäusten und rüttelte leicht an ihm.
Baris : „Niemand wird dich Heiraten, nur ich.“
Rüya : „ Was wollen wir jetzt machen?“
Yasin, der wieder meine Hand in seiner hielt, nickte zur Tür und schob mich sachte rein.
Wir gingen ins Wohnzimmer, wo die Eltern saßen und diskutierten.
„ Yasin? Rüya?“ fragte Pinar. Sie saß etwas weiter hinten in der Ecke, zwischen den beiden Elternpaaren.
Alle Augenpaare waren auf uns gerichtet, so dass ich Yasin's Hand los lies und rot wurde.
Yagmur Teyze und Berkant Amca sahen uns beide flehend an, wahrscheinlich wollten sie das ich es den Eltern erzählte. War das so schwer? Sie beide waren Baris' Eltern, sie sollten für seine Probleme eine lösung finden. Ich seufzte, straffte meine Schultern und ging in den Kampf. - So stellte ich mir das jedenfalls vor, denn ich stand einfach nervös da, verlagerte mein Gewicht von einen, auf den anderen Bein und sah zwischen den beiden Elternpaaren und Yasin hin und her. Wo waren Melis und Baris? Ich räusperte mich und ging nervös über meine Narbe am Kinn. Als mich ein leichter Schmerz von der Narbe durchfuhr, zuckte ich zusammen. Yasin legte seine Hand auf meine Schulter und drückte sie. Eine zeit lang war es still. Ich hasste diese Stille. Das waren Momente, in denen man zwar etwas sagen wollte, sich aber nicht traute oder nicht wusste wie man es sagen sollte.
Es gab zwei Möglichkeiten diese Momente zu beenden :
1. Einfach drauflos plaudern.
2. Weiter schweigen.




Als endlich Melis und Baris zu uns kamen, räusperte ich mich ein weiteres Mal. Melis Vater stand auf, ging zu Melis und zog sie am Arm zu sich.
MV ( Melis Vater) : „Du wirst den Heiraten, den ich für dich ausgesucht habe!“
Melis : „ Baba, lütfen! (bitte) Ich will ihn heiraten.“ sagte sie, und zeigte auf Baris.
„Das ist mir egal. Man kann nicht alles haben!“ sagte er, etwas lauter als, meiner Meinung nach, nötig.
Melis sah von Baris, zu mir und dann auf ihr Bauch. Sie atmete tief ein und legte ihre Hand auf ihr Bauch.
„Ich bin schwanger von ihm!“ schrie sie plötzlich, nach einer Weile. Melis' Vater, ihre Mutter und ihr Bruder – der gerade ins Wohnzimmer kam – , schnappten entsetzt nach Luft. Melis' Vater, der sie immer noch am Arm hielt, wirbelte sie von sich und sah sie angewidert an.




„Schwanger?“ sagte er und lachte boshaft und ein wenig verrückt – wie ich fand. „So wenig Ehre und Stolz hast du?“ Er holte aus und noch bevor er sie Ohrfeigen konnte, stellte Yasin sich neben ihn und hielt seinen Arm fest.
„und Sie haben mehr Ehre und Stolz ? Sie sind dabei ihre Tochter zu schlagen, eine Frau. Nur Ehrenlose Männer schlagen Frauen!“ blaffte Yasin, zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich sah den Kampf in den Augen von Melis' Vater.
„Verschwindet! Ich will das dieses Ehrenlose Mädchen aus meinem Haus verschwindet!“ Alle sahen ihn geschockt an, man hörte nur noch das leise Schluchzen seiner Frau und Melis.
Berkant Amca, Yagmur Teyze und Pinar standen auf.
“ Was sind Sie nur für ein Vater!“ sprach Baris und zog Melis von ihm weg. Er legte ihr einen Arm um den Schlaffen Körper und sah ihren Vater wütend an. Er öffnete seinen Mund, schloss ihn aber wieder und schüttelte den Kopf.
Baris nahm Melis an der Hand und ging raus, seine Eltern und Pinar folgten ihnen. Nun standen Yasin, Melis' Eltern, ihr Bruder und ich da – schweigend.
Yasin zischte wütend und schleuderte den Arm von Melis' Vater weg. Er nahm mich an die Hand und ging mit mir raus. Auch in mir kam Wut auf. Wie konnte ihr Vater nur so sein? Sah er nicht, dass das Baby auch auf Liebe entstand? Sah er nicht, wie sehr seine Tochter liebte? Es gab so schlechte Eltern.
Als wir draußen waren, ging ich sofort zu Melis und drückte sie an mich.
„Alles wird gut.“ flüsterte ich. Ich wusste, dass dieser Satz nichts ändern würde.
Sie riss sich von mir und sah mich verweint an.
„Nein! Er hasst mich!“ brüllte sie. „Du weißt doch nicht wie es ist!“
Es war, als würde sie mir mitten ins Herz stechen. Ich wusste nicht wie es war? Ich wusste es genau! Meine Augen füllten sich, meine Atmung war nur ein leichtes Vibrieren. Keine Ahnung woher dieser Impuls kam, aber ich rannte einfach weg. Rannte, wohin mich meine Beine trugen konnten. Ich wollte weg, alleine sein mit meinem Schmerz. Wieso kam die Vergangenheit immer auf mich zu? Warum ließ es mich nie in Ruh? Als ich an einem See ankam, setzte ich mich ans Ufer und weinte. Natürlich gab es schlimmere Situationen, Hungersnot zum Beispiel, aber das war das Schlimmste für mich, das war mein Schwachpunkt.

Kapitel 22



Der Mond spiegelte sich im Wasser, die Laternen erleuchteten den Weg hinter mir. Durch das Licht, das der Mond ausstrahlte, sah ich hier und da einen Fisch schwimmen. Ich wusste nicht, ob sie nach mir suchten, wusste nicht, ob oder wie ich zurückkommen sollte. Die Füße im Wasser gesenkt, die Zehen im weichen Sand, saß ich am Ufer und betrachtete das Spiel der Natur. Nach einer Weile, holte ich mein Handy aus der Tasche und sah wie viele Anrufe ich hatte. Es waren relativ viele; Melis, Baris, Pinar, Yasin – sogar Yagmur Teyze hatten mich angerufen. Ich wollte nur mit einem reden – mit Yasin. Mit zitternden Händen, wählte ich die Kurzwahltaste und rief Yasin an. Sofort beim ersten tuten, ging er ran.
„Rüya! Wo bist du? Weißt du was für Sorgen ich mir mache?“ rief er, besorgt und wütend zugleich, in den Hörer.
Ich schluckte den Klos in meinem Hals runter und ging mit meiner freien Hand durch den Sand.
„Es tut mir leid. Ich bin an einem See.“ antwortete ich.
„Ich glaub ich weiß wo du bist. Ich hole dich jetzt ab.“ sprach Yasin diesmal eine Spur sanfter und leiser.
„tamam.“ (ok)
Stille. Ich lauschte seinem Atem und beruhigte somit, meine aufgewühlten Gefühle.
„Bis gleich.“ sagte er schließlich.
„ja“ gab ich nur von mir und schon klickte es in der Leitung. Ich legte das Handy wieder in die Tasche und betrachtete weiter das Wasser. War ich tatsächlich vor meiner eigenen Vergangenheit weggelaufen? Hätte ich nicht da stehen sollen und dagegen ankämpfen sollen?
Langsam lehnte ich mich zurück, an die Stelle, wo sich Sand und Kiesel, berührten. Der Himmel war tiefschwarz, die Sterne leuchteten hell und stachen heraus. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein- und wieder aus.




„Rüya?“ Meine Augenlider flatterten auf und ich sah Yasin auf mich zu rennen. Als er bei mir war, kniete er sich zu mir, nahm mich in seine Arme und küsste meine Stirn. „geht’s dir gut?“ fragte er mich. Ich nickte und kuschelte mich in seine Arme.
„Komm, es ist schon spät.“ Als er aufstehen wollte, hielt ich ihn fest und umarmte ihn ein weiteres Mal.
„es tut so weh.“ flüsterte ich. „Es tut so verdammt weh, Yasin!“ Tränen rannen mir über die Wangen.
„Rüya'm (meine Rüya), Melis hat es nicht so gemeint.“ er strich mir über den Rücken und küsste kurz mein Haar.
„Aber es tut trotzdem weh.“ schluchzte ich.
„ich weiß.“ er drückte mich fester an sich. „Hadi.“ (los) er nahm meine Hand und führte mich zu seinem Wagen.
Yasin: „Du kommst zu mir, tamam?“ (ok)
Rüya : „Ich wollte doch bei Pinar schlafen.“
Yasin : „ Hast du mal auf die Uhr geschaut? Es ist schon kurz nach Mitternacht.“ Ich sah ihn entsetzt an, schaute dann aber beschämt auf den Weg vor mir. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht, Rüya. Mach das nie wieder!“
ich nickte.




Als wir bei Yasin ankamen, schloss er die Tür auf und legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen.
„Deniz schläft.“ sagte er und ich nickte. Leise gingen wir in die Küche. Sevgi Teyze, eine Bekannte von Yasin, saß am Küchentisch und trank türkischen Kaffee.
„Selam Teyze.“ (Hallo Tante – sagt man zu älteren Frauen aus Respekt) begrüßte Yasin sie. Sie lächelte ihn an, aber als sie mich sah, verschwand ihr lächeln. Yasin folgte ihrem Blick und lächelte mich liebevoll an.
„Das ist Rüya, meine Freundin.“ stellte er mich vor. Sie kniff ihre Augen zusammen. Mir war es unangenehm. Ich schritt auf sie zu und hielt ihr meine Hand hin.
„Ich bin Rüya. Schön sie kennenzulernen. “
„Das habe ich mitbekommen.“ gab sie arrogant zurück.
Toll, Rüya! Sehr einfallsreich, wirklich sehr einfallsreich! Ich ließ meinen Arm langsam sinken und versuchte verzweifelt aus dieser Situation raus zukommen. Fand aber keinen Ausweg. Yasin unterbrach meine Gedanken.
„Hat er zu Abend gegessen?“, fragte er Sevgi Teyze.
„ Ich habe ihm Suppe gemacht.“ sagte Sevgi Teyze ohne den Blick von mir zu nehmen.
„ich geh mal nach ihm gucken.“ warf ich ein und verschwand so schnell wie möglich aus der Küche.
Langsam öffnete ich die Tür zu Deniz' Zimmer und trat leise ein. Deniz' schlief seelenruhig auf seinem Bett, eingerollt in seiner Decke und leise schnarchend. Ich setzte mich an sein Bett und ging ihm durch die Haare.
Es beruhigte mich zu sehen, wie Deniz ein und aus atmete. So klein und so zerbrechlich, sah Deniz aus während er schlief. Und wenn er wach war, war er hyperaktiv. Ein lächeln bildete sich in meinem Gesicht. Ich fragte mich wie Yasin so aussah wenn er schlief. Aus irgendeinem Grund vermisste ich ihn, obwohl er doch in der Küche war.
„Anne.“ (Mama) hörte ich Deniz flüstern und schon öffneten sich seine Augen. Ich legte mich zu ihm und sah ihn lächelnd an.
„Rüya Abla?“ (''große Schwester'')
„Ja?“
„Wo ist Abi?“ (großer Bruder)
„In der Küche bei Sevgi Teyze.“ ich gab Deniz einen Kuss auf die Stirn und legte meine Arme um seinen kleinen Körper. „komm, Schlaf jetzt.“ Deniz grummelte noch etwas und schlief dann ein. Nachdem er wieder angefangen hatte leise zu schnarchen, stand ich auf und ging richtung Küche. Ich hörte Sevgi und Yasin reden und lauschte etwas.
„Und das Mädchen?“ fragte Sevgi Teyze.
Yasin: „Rüya?“
Eigentlich sollte man nicht Lauschen, aber es konnte ja sein, dass Sevgi Teyze ihm sagt wieso sie mich nicht mochte.
Sevgi T. : „ Ist sie wieder eine von denen?“
Yasin : „ Nein! Sie ist wunderschön, nicht wahr?“ In Yasin's Stimme schwang stolz und Zuneigung.
„Sie hat eine große Narbe.“ antwortete Sevgi Teyze gereizt.
„Die Narbe macht mir nichts.“
Ich ging in die Küche rein und unterbrach damit Sevgi Teyze, die etwas sagen wollte.
Yasin : „ Warum warst du so lange weg?“
Rüya : „ Deniz ist kurz wach geworden und hat 'anne' gerufen.“
Yasin's Blick ging auf den Tisch.
„ich seh' mal nach ihm.“ sagte dieser, stand auf und ging aus der Küche.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Augen waren starr auf den Küchentisch gerichtet.
„Glaubst du, dass Yasin sich mit dir zufrieden gibt?“ sprach Sevgi. Mein Kopf schoss hoch und ich sah Sevgi Teyze an. Sevgi Teyze, eine Frau mit Stil. Ihre Dunkelblonden Haare hatte sie geschickt hochgesteckt, ihre tiefbraunen, fast schwarzen, Augen, durchbohrten meine und sie hatte eine schöne Figur. Ich schätzte sie auf Mitte bis Ende 30.
Ich räusperte mich und straffte die Schultern.
Rüya : „Wieso sollte er nicht?“
„Ich kenne solche Mädchen wie dich. Naive kleine Mädchen die glauben ihren Traumprinzen gefunden zu haben. Es ist so lächerlich.“
Ich sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Worauf wollte sie hinaus? Was wollte sie von mir?
„ Weißt du, Rüya. Ich kenne Yasin schon eine ganze Weile.“ sprach Sevgi weiter. „Er hat all die Jahre immer wieder ein neues Mädchen gehabt. Immer und immer wieder. Glaubst du wirklich, er lässt sich diese Freiheit nehmen? Denkst du, er will sich binden? Glaubst du -“
„ Worauf wollen Sie hinaus?“ unterbrach ich sie wütend.
„Er wird mehr wollen als dieses Händchen halten. Er will richtige Frauen. Frauen mit denen er schlafen kann.“ Ihr Blick wanderte über mein Gesicht und blieb an meiner Narbe hängen. „Frauen die makellos sind. Du weißt, dass ich Recht habe.“
Tatsächlich kam mir der Gedanke auf. Vielleicht hatte sie recht, vielleicht wollte er eine Frau neben sich haben, die keine große Narbe hatte. Triumphierend sah sie mir in die Augen und ein kleines, hinterhältiges lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht.
„Du bist nichts für ihn.“ sagte sie noch zum Schluss, ehe ich aufstand und aus der Küche flüchten wollte. Wie gesagt, wollte. Yasin stand im Türrahmen und sah wütend zu Sevgi.
„Was soll das?“ fragte er mit zusammengebissen Zähnen.
„Ach Yasin, guck sie dir doch an. Sie kann dir nichts bieten.“
„Und wie sie das kann!“ zischte dieser.
„Weißt du noch als du mich hier berührt hast?“ sagte sie und legte ihre Finger auf ihre Lippen. „oder hier.“ Sie legte ihre Hände auf ihre Brüste und dann an ihren Hosenbund. „Das alles weißt du noch, stimmt's?“
Ich schluckte und sah Yasin in die Augen. Er hatte mit ihr geschlafen? Sie berührt? Ich war ensetzt, verletzt und angewidert. Vor allem aber, war ich wütend. Yasin hatte mal etwas mit Sevgi Teyze, er hatte mit ihr geschlafen! Sie war fast 40 und er gerade mal Mitte 20. Trotzdem hatte er noch Kontakt zu ihr!

Kapitel 23


Der Moment stand still. Warum sagte er nichts? Hatte er tatsächlich mit ihr geschlafen?
„Schämst du dich nicht?“ fragte Yasin endlich und sah wieder zu Sevgi Teyze. „Wieso erfindest du so eine Lüge?“ fügte er hinzu. Er ließ sie erst gar nicht sprechen, sondern nahm sie grob am Arm und zog sie aus der Wohnung. Mit gesenktem Kopf kam er wieder zu mir.
„Es stimmt nicht, Askim.“ (liebling/schatz) Mein Herz pochte gegen meinen Brustkorb. Er hatte Askim gesagt. Ich hatte es schon mal gehört, von einer anderen Person - meinem Ex - aber noch nie hatte ich dabei so Herzrasen, wie bei Yasin.
„Schon ok.“ sagte ich. Schon ok? Schon ok? - nichts ist ok, Rüya! Innerlich ohrfeigte ich mich selbst. Diese Frau hatte gesagt das mein Yasin mit ihr geschlafen hatte. Er drückte mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Als er sich von mir löste, sah er aus wie ein kleiner Junge der sein Spielzeug verloren hatte. Mal im Ernst, wer hätte ihm da nicht verziehen?
„Lass uns schlafen gehen.“ Er führte mich in sein Schlafzimmer und ich musste sagen – Wow. Für einen Jungen der alleine mit einem vierjährigen lebte, war es wirklich sauber.
„Wo schläfst du?“ fragte ich ihn und musste grinsen. Wahrscheinlich dachte er ich würde ihn bei mir schlafen lassen.
„Bei Deniz im Zimmer.“ Er grinste ebenfalls. Ich hob eine Augenbraue. Er hatte nicht vor bei mir in einem Bett zu schlafen? Dafür verdiente er sich einen Kuss. Ich stellte mich auf Zehnspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Mit roten Wangen sah ich ihm in die Augen. „Iyi geceler.“ (gute Nacht)
„Sanada.“ (dir auch) sagte er, gab mir ein Kuss auf die Stirn und ging aus dem Zimmer.
Viele kannten die Bedeutung von dieser Art Kuss nicht. Solch ein Kuss war etwas Besonderes. 'Du bist mein Stolz' hieß es. Fatih und Kaan Abi gaben mir immer solche Küsse. Es rührte mich. Vor allem bei Fatih. Er war so liebevoll zu mir, behandelte mich wie Glas und doch gerecht. Früher, als wir noch klein waren, hatte er das auch immer getan. Damals hatte ich sogar ab und zu von ihm geschwärmt. Jetzt war er mein bester Freund, mein ein und alles. Yasin aber, spielte plötzlich in meinem Leben eine viel größere Bedeutung.
Ich schob alle Gedanken beiseite und legte mich in Yasin's Bett. Es roch nach ihm, männlich und doch süß und herb. Ich kuschelte mich in seine Decke ein und schnupperte weiterhin an seiner Decke. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke. Ich versuchte ihn beiseite zu schieben, doch diese Frage war hartnäckig.
Mit wie vielen Mädchen hatte er auf diesem Bett schon geschlafen? Ich fühlte mich auf einmal unwohl in diesem Bett, deshalb stand ich auf und tapste leise ins Wohnzimmer.



„Rüya?“ hörte ich jemanden, in weiter Ferne meiner Träume, nach mir rufen. „Rüya wach auf.“
Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch es passierte nichts. Ich wollte schreien, doch es kam kein Laut aus meinem Mund. Plötzlich verlor ich mein Bewusstsein und sank zurück in eine gähnende Tiefe.



Als ich wach wurde, spürte ich das meine Lippen rau und ausgetrocknet waren. Mit wackeligen Beinen stand ich auf, sah mich um und runzelte, angesichts meiner Umgebung, die Stirn. War das ein Krankenzimmer?
Ich tapste auf eine Tür zu – in der Vermutung es sei das Bad. Es war tatsächlich das Bad, ein ziemlich kleines sogar. Ein Waschbecken, eine Toilette, einen Spiegel über dem Waschbecken und einen kleinen Schrank unter dem Waschbecken.
Ich sah mich im Spiegel an und fing an zu schreien. Unter meinen Augen waren riesige, dunkle Augenringe, meine Lippen waren Blau und mein Gesicht war aschfahl, glich der Badezimmerwand und hatte dazu noch einige Blaue Flecken. Ich taumelte zurück und befand mich im Schockzustand. Was war passiert? Vor allem, wie war es passiert? Hatte ich mich nicht zuletzt ins Wohnzimmer gelegt? Immer noch schockiert ging ich zurück ins Zimmer und setzte mich benommen auf das Bett.
„Ah du bist schon Wach.“ hörte ich eine freundliche Stimme. Eine Krankenschwester betrat das Zimmer und kam auf mich zu, um mich zu untersuchen.
„Was ist denn passiert?“ fragte ich, als sie gerade mein Kinn hob und meinen Kopf nach links – und dann nach rechts schob.
„Es wurde bei dir eingebrochen und du wurdest von dem Täter bewusstlos geschlagen.“ Ich sah sie schockiert an.
Wo war Yasin?
„Ist.. ehm.. ist mein Freund da?“ fragte ich schüchtern.
Ein breites lächeln umspielte sich um die Züge der Krankenschwester.
„Er wartet schon den ganzen Morgen draußen.“
„Können Sie ihn rein holen?“ Sie nickte und legte mir zwei Schmerztabletten auf den Tisch neben dem Bett.
Plötzlich fiel mir ein wie ich aussah. Verdammt! Ich versuchte meine Haare zu richten, strich mit beiden Händen über meine Haare und versuchte meine Lippen zu befeuchten. Gerade als ich fertig war, kam Yasin rein und setzte sich zu mir ans Bett.
„Wie geht’s dir?“ fragte ich. Er sah nachdenklich auf die Bettwäsche und dann zu mir.
„Nicht gut. Es ist meine Schuld.“ Ich kniff ihm in den Arm und bekam ein wütendes „Aua!“ zurück.
„Warum soll das deine Schuld sein?“ fragte ich entsetzt.
„Du verstehst es nicht.“
„Dann lass es mich verstehen.“
Seufzte und nahm meine Hand in seine. Kam es mir nur so vor, oder war ihm irgendwas peinlich?
„Es waren die Kerle bei denen ich arbeite.“ hauchte er leise. Unfähig etwas zu sagen, riss ich meine Hand aus seiner und sah ihn an.
„Du arbeitest da immer noch? Du – du hast versprochen -“
Yasin unterbrach mich. „Ich habe versprochen, versuchen aufzuhören mit dem Kiffen. Ich habe nie aufgehört dort zu arbeiten.“
Es traf mich. Diese Erkenntnis traf mich wirklich sehr.
„Und was wollten sie von mir?“
Er zischte. „Was wohl? Sie wissen das du mir was bedeutest und wenn sie wollen das ich wieder regelmäßig arbeite, müssen sie mich ja irgendwie erpressen, oder?“ er legte einen zusammengefalteten Zettel auf mein schoss und strich sich durch die Haare.
Ich öffnete den Brief und versuchte die geschwungene Schrift zu entziffern.
„Ich kann es nicht lesen.“ seufzte ich. Er nahm mir den Zettel aus der Hand, steckte ihn ein und sah mir direkt in die Augen.
„Wenn ich nicht wieder regelmäßig verticke werden sie dir weh tun.“ Ich wollte was erwidern, doch plötzlich kam Kaan Abi mit Fatih ins Zimmer. Kaan Abi packte Yasin am Kragen und sah ihn hasserfüllt an.
„Habe ich nicht gesagt das du sie in Ruhe lassen sollst?“ zischte Abi.
„ABI!“ schrie ich, als er ausholte und Yasin eine Faust mitgab. Ich wollte zu Yasin rennen, doch Fatih packte mich an die Schulter und wies mich mit seinem Blick an, still zu sein.
Yasin : „Kaan -“
Kaan A. : „Halt deine Fresse, lan!“
Kaan Abi's Gesicht war wutverzerrt, seine Hände waren so fest geballt, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Ich hatte Angst um Yasin, angst um Kaan und hatte Angst, dass alles eskalieren würde.
Kaan A. : „ Stell meine Geduld nicht auf die Probe!“
Yasin versuchte zu sprechen, doch es gelang ihm nicht. Warum war Kaan Abi so wütend auf Yasin?
„Was du damals getan hast war schlimm genug!“ zischte Kaan. Wovon sprach er? Kannten sie sich vorher?
Yasin's verunsicherter Blick rutschte augenblicklich zu mir.
„Na, hast du ihr davon erzählt?“ fragte ihn Kaan. „Hast du ihr gesagt was du gemacht hast?“
Yasin: „Kaan sei leise!“
„Ach, wieso? Hast du ihr von nichts erzählt? Von dem was du getan hast? Warum, Yasin?“
„Halt den Mund!“ zischte dieser. Kaan trat einen schritt näher an Yasin ran und man sah wie Yasin ängstlich wurde. Ob wegen Kaan oder was anderem, das wusste ich zu der Zeit noch nicht.
„Du bist so verdammt Feige! Wie kannst du es wagen meiner Schwester so nahe treten, nach vier Jahren meinst du hier aufzukreuzen und meiner Schwester nahezutreten? Warum, Yasin? Warum lässt du dich wieder blicken? Willst du ihr dasselbe antun? Willst du sie dazu bringen Drogen zu nehmen, sie zu verticken? Was willst du hier?“ zischte Kaan Abi.
„Lass mich los.“ flüsterte Yasin.
„Erträgst du es nicht?“ Kaan Abi drehte sich so um, dass beide zu mir standen und mich ansahen. Kaan Abi's Blick war wütend, sogar enttäuscht und Yasin’s Blick war verletzlich, wie der eines kleinen Jungen.
„Erzähl doch mal unserer guten Rüya, wer mich dazu brachte Drogen zu verticken.“ Ich riss meine Augen auf. Er hatte Kaan Abi dazu gebracht? Er hatte uns alle in Kummer und Sorge gesteckt?
„Erzähl ihr doch, warum ich dich so hasse! Na? Hast du Angst bekommen?“
„Abi! Klär mich endlich auf! Was – ist – hier – los?“ unterbrach ich Kaan Abi, wobei ich bei dem letzten Satz jedes Wort betonte.
„Dein toller freund hier,“ sagte Kaan Abi und klopfte mit der flachen Hand auf Yasin's Brust. „hat mit Damla geschlafen, meiner Ex-Verlobten.“
Ich wusste nicht was ich tun sollte. Yasin stand neben Kaan Abi und sah mich flehend an. Kaan Abi schubste Yasin mit einer Handbewegung weg und verließ das Zimmer. Ich wusste, dass er zeit brauchte. Kaan Abi war verlobt? Yasin hatte mit ihr geschlafen. Das führte wiederum dazu, dass Kaan Abi Yasin hasste.
Fatih, der mir seine Hand auf die Schulter gelegt hatte, sah zwischen uns beiden hin und her, verließ dann aber schließlich ebenfalls das Zimmer. Nun standen wir beide da – schweigend. Warum? Warum, warum, warum?
„Rüya -“
„Sag nichts!“ blaffte ich wütend. „Sag einfach gar nichts.“
„Rüya bitte.“
„Halt den Mund! Halt deinen verdammten Mund! Du warst daran Schuld das mein Bruder an dieser scheiße zerbrach! Du warst daran schuld, für all das, was wir wegen dieser Sache durchmachen mussten! Kannst du dir vorstellen wie scheiße das ist? Kannst du das? Hä?“ Er kam näher zu mir und wollte seine Hände auf meine Schulter legen. Ich wich zurück. „All die Jahre in denen wir deswegen Sorgen hatten, all diese ganzen Jahre! Ich dachte mein Vater wäre daran Schuld, aber du warst es!“
„Es tut mir leid man!“
„Es tut dir leid?“ rief ich und warf meine Arme nach oben. „ Lass mich einfach in Ruhe!“
„Rüya, nein!“ Ich warf ihm einen Killer blick zu. „Ich liebe dich, Rüya. Das alles ist Vergangenheit.“
„Verschwinde.“ hauchte ich, als ich kurz davor war in tränen auszubrechen. Er sah mich noch eine Weile an, ging aber dann auch raus. Es war vorbei.

Kapitel 24


Nichts war vorbei, das musste ich mir selbst eingestehen. Ich brauchte nur meine Ruhe, meine Ruhe vor dem Sturm. Kaan Abi würde es nie gutheißen. Wieso hatte er das getan? Wie soll Yasin Kaan Abi dazu gebrachte haben, Drogen zu nehmen? Ich setzte mich auf mein Bett zurück und sah leer durch die Gegend. Wir waren nicht mal einen Tag zusammen und schon hatten wir Streit. Mir wurde bewusst, dass wir mehr zu Kämpfen hatten, als wir beide glaubten.
Ich wusste nicht weiter, sollte ich ihm verzeihen weil es vergangen war und er es bereute, oder sollte ich ihn loslassen?


Einige Tage später:

Ich hatte mich nicht bei Yasin gemeldet, dachte aber ununterbrochen an ihn. Ob es ihm wie mir ging? Vermisste er mich? Ich lag auf meinem Bett und betrachtete die Decke. Es klopfte an meiner Tür.
„Herein.“ sagte ich lustlos nuschelnd.
Kaan Abi betrat das Zimmer und sah mich komisch an. Ich presste die Lippen zusammen. Wollte er mir jetzt einen Vortrag halten wegen der Sache im Krankenhaus?
„Guck nicht so.“ meinte er, ehe er sich auf mein Bett setzte und mir ein paar vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht schob. „er ist nicht gut, verstehst du? Er hat mir alles mit den Drogen gezeigt, mir die guten Seiten gezeigt. Klar, es war meine eigene Entscheidung, aber hätte er mir das ganze nicht gezeigt, wäre ich da nie hineingeraten.“
„geh, Abi!“ sagte ich schroff. Ich wollte nicht mit Kaan Abi über Yasin sprechen. Nicht über dieses Thema.
„Rüya, er hat mir meine Liebe genommen.“
„Wenn sie deine Liebe gewesen wäre, dann wärst du jetzt nicht verheiratet!“ zischte ich. Vorher ich den Mut nahm, wusste ich nicht. Doch es war mir egal. Kaan Abi meinte diese Damla wäre seine Verlobte gewesen, wieso hatten wir sie nie kennengelernt? Wenn sie seine Liebe gewesen wäre, dann hätte er doch nicht geheiratet.
„Rüya!“ ermahnte er mich. „Ich liebe Eylem, sogar mehr als mein Leben. Aber Damla war eben auch ein Kapitel in meinem Leben. Ich habe sie geliebt! Und dieser Hur-“
„Wag es nicht ihn so zu nennen!“
„Du liebst ihn, nicht wahr?“ Ich sah weg. Wie sollte ich darauf antworten? Yasin hatte nun mal keine schöne Vergangenheit, er hatte viel Mist gebaut.
„Hat er sich geändert?“ fragte Kaan Abi nach einer Zeit. Ich nickte. Ja, das hatte er tatsächlich. Pinar hatte mir erzählt wie er vor meiner Zeit war. Er war, wie man am Beispiel Eda bemerkte, jemand der Frauen gerne in sein Bett zog. Trotzdem sollte er von Anfang an gesagt haben, dass er nicht mehr wollte.
Abi stand auf und ging aus dem Zimmer. War er sauer auf mich?
Ich seufzte. Wieso waren alle Männer bloß so kompliziert? Nicht das ich alle Männer kennen würde, aber die, die in meinem Umfeld waren, waren schrecklich kompliziert.
Was mich furchtbar traurig machte war diese Welt.
Du siehst Eltern, die ihre Kinder hassen, Menschen die widerrum diese Kinder lieben. Du siehst Menschen die andere Menschen aus Wut und Rache töten und Menschen die das wieder verhindern. Du siehst Menschen, die andere Menschen die große Liebe vorgaukeln, sie verarschen und siehst dann wieder diese Menschen die von Allah zusammengeführt wurden.
Diese Welt bestand aus zwei Seiten die sich fügten. Die eine Seite war die Gute. Die Seite, die die Schlechte seite ausglich. Passierte etwas schlechtes, so wurde es durch das Gute ausgeglichen.
Es ist die Natur, dass all diese guten, als auch schlechten Dinge passieren.
Mein Handy klingelte. Ich nahm, ohne auf das Display zu achten an und nuschelte eine Begrüßung.
“Raus aus den Federn! Wir gehen Kirmes!” rief Pinar durch den Hörer.
Ich gab unverständliche Laute von mir und ließ mein Gesicht ins Kissen fallen.
“Komm schon, es ist schönes Wetter! Kirmes! Rüyaaa.” flehte sie. Schönes Wetter war es tatsächlich. Und ablenkung wäre wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht.
“Pinar, ich hasse dich.” seufzte ich.
“und du bist die Beste. Also ich hol dich mit Baris Abi und Melis, heute Abend ab.”
“Moment!” rief ich, als ich hörte wie sie auflegen wollte.
“ja?”
“Melis kommt auch?” Ich wollte Melis nicht sehn. Sie hatte mir weh getan, hatte alte Wunden aufgerissen.
“Ja. Rüya, es tut ihr leid. Bitte. Sie will mit dir sprechen.”
“tamam.” (ok)
Wir legten auf. Wollten heute eigentlich alle auf mir oder meinen Gefühlen rumhacken? Erst Anne'm (meine Mutter) am Morgen – sie wollte ja unbedingt das ich mehr lache usw. - dann Kaan Abi und jetzt Pinar. Verstand Pinar denn nicht, dass ich nicht mit Melis reden wollte ?


Am frühen Abend stand ich, mit dunkler Röhren Jeans, einem You only need Nutella Ekmek (Brot) T-shirt und gemütlichen Chucks, vor meiner Haustür und wartete auf die drei. Als ich das Auto in die Straße einbiegen sah, ging ich die wenigen Stufen runter und ging schonmal an den Straßenrand. Es war nicht Baris' Auto, sondern jemand der rasend schnell fuhr. Da es gestern geregnet hatte und es noch einige fützen gab, wurde ich, als das Auto an mir vorbeifuhr, Nass.
“Arschloch!” schrie ich wütend hinterher.
“Wer?” hörte ich jemanden hinter mir. Ich drehte mich um und sah Baris.
“Hättest ja nicht gleich um Mitternacht kommen können.”
Baris lachte und umarmte mich zur Begrüßung. Sehr zu meiner Erleichterung erzählte Baris mir, dass Pinar und Melis erst später kommen würden.
Wir schlenderten durch eine Menschenmenge und kauften uns zuerst Zuckerwatte. Hatte ich erwähnt das ich Zuckerwatte liebte? Baris erzählte mir, dass er und Melis noch diesen Monat heiraten würden. Es freute mich. Wirklich. Als wir gerade an den Autoscootern ankamen, sah ich Yasin von weitem. Seine Haare waren auf sexy art und weise verwuschelt, seine Lippen leicht geöffnet und sein Blick war starr auf mich gerichtet. Es lag einiges an Stück zwischen uns, doch es kam mir so vor, als würde er direkt vor mir stehen.
Er machte einen Schritt, dann noch einen, füllte die große Lücke zwischen uns und stand schließlich vor mir. Wir sahen uns nur an. Sprachen in unserer Sprache. In der Sprache, in der wir nur Blicke austauschten.
“Rüya?” hörte ich eine vertraute Stimme. Eine Stimme, die ich seit zwei Jahren nicht mehr gehört hatte. Yasin sah hinter mich und man sah die Eifersucht in seinen Blicken.
“Rüya?” fragte Cem erneut. Ich drehte mich langsam um und sah in die Augen, jenes Mannes, dem ich meinen ersten Kuss schenkte, meine erste Liebe und meine erste Beziehung. Was zum teufel wollte er hier? Warum kam er erst jetzt?

Kapitel 25



Was machst du, wenn dein Ex-Freund vor dir steht – während du mit deinem jetzigen Freund einen Streit hast? Nichts. Was soll man schon machen?
Ich sah Cem an. Die Wut der letzten zwei Jahre kam keuchend rauf.
Wieso nahm er meinen Namen in seinen dreckigen Mund? Wieso kreuzte er hier, zwei Jahre später, auf? Wieso kam er gerade dann, wenn ich bei Yasin war? Yasin sollte nichts von ihm erfahren, sollte nicht wissen, was mich so verletzlich und kalt gemacht hatte. Abgesehen von der Tatsache, dass er, Erdogan, mich kaputt gemacht hatte, war auch Cem irgendwo schuld. Denn ich hatte ihn geliebt. So wie man jemanden als 17jährige lieben kann. Doch er hatte nur mit mir gespielt.
„Es tut mir leid.“ Er klang tatsächlich ein wenig zerknirscht. Aber ob ich ihm glaubte? Nein. Nicht mal ein wenig. Nicht mal ein bisschen.
"Rüya, wer ist das?“ fragte Yasin hinter mir.
“Niemand." antwortete ich gereizt. Ein selbstgefälliges lächeln bildete sich auf Cem's Gesicht.
"Ich bin der, der ihr den ersten Kuss gegeben hat. Ihre erste Beziehung und -"
„Sei leise, Cem!"
"Stimmt es etwa nicht?" Ich biss meine Zähne zusammen.
"Es ist mir nichts wert. Ich habe eine größere Liebe gefunden, jemanden, der mich so akzeptiert wie ich bin." sagte ich giftig.
Plötzlich legte ihm jemand die Hand auf die Schulter. Ich wendete meinen Blick auf die Person und sah Dilara. Ungewollt ließ ich die Erinnerung daran, was vor zwei Jahren passiert war, Revue passieren.



Ich war gerade ein halbes Jahr mit Cem zusammen und war auf dem Weg in die Eisdiele, um ihn dort zu treffen. Mein Herz flatterte wie verrückt, bei dem Gedanken das ich ihn wiedersehen würde. Ich hatte ein süßes Sommerkleid an, das mit Blümchen geschmückt war. Damals war ich super naiv, wollte nur das beste Glauben und konnte auch nur das gute in den Menschen sehn.
Dilara, meine damalige beste Freundin, hatte mir das Kleid empfohlen. Sie hatte mich auf leicht geschminkt – auch wenn ich dagegen war – und mir eine hübsche Frisur gezaubert.
Lächelnd überquerte ich die Straße und kam der Eisdiele immer näher. Hätte ich ahnen können das es anders war? Cem und ich hatten uns schon einige Gedanken für unsere Zukunftspläne gemacht. Wenn ich 18 werden würde, wollten wir uns verloben und mit 20 dann heiraten. Wir wollten Kinder kriegen und in der Türkei dann zusammen Alt werden. Klar, wir waren noch jung, doch damals fühlte es sich so verdammt richtig an. Ich hätte nie geglaubt, dass es nie so werden würde, hätte nie geahnt, dass er mich so hintergeht.
Jedenfalls, kam ich in der Eisdiele an und wartete auf unserem Stammplatz. Ein Platz auf einer Terrasse mit vielen, schönen, bunten Blumen. Der Duft der Blumen und der Geruch der verschiedenen Eissorten, vermischte sich in der Luft. Man atmete ein Duftspiel ein. Die Sonne schien den ganzen Tag auf diesen Platz, das wusste ich, weil ich manchmal den ganzen Tag hier saß und lernte. Pablo, der Besitzer dieser Eisdiele und ein guter Freund meiner Familie, wusste immer was ich wollte. Er ließ sofort mein Kokosnuss-Milchshake an diesen Tisch bringen.
An diesem Tag, saß ich zwei Stunden dort – alleine. Niemand kam. Ich machte mir Sorgen, dachte aber wieder nur an das gute. Glaubte, ihm wäre was dazwischen gekommen. Um mir meine Bestätigung, dass alles gut sei, zu holen, ging ich zu Cem nachhause. Der Weg schien mir dreimal so lang zu sein. Diesmal pochte mein Herz schwerer, wie wenn es aus Blei wäre.
Als ich ankam, klingelte ich an der Tür und Cem's Mutter Nermin öffnete mir die Tür.
"Oh hallo, kizim."
"Selam Teyze, ist Cem da? Wir wollten uns vor zwei Stunden treffen."
"Nein er ist schon vor ein paar Stunden weg." Ich nickte und setzte ein lächeln auf.
Nachhause wollte ich nicht, deswegen machte ich mich auf den Weg zu Dilara und machte mir Gedanken wo Cem stecken könnte. So naiv wie ich war, glaubte ich, er hätte es vergessen und wäre bei seinen Freunden. Bei Dilara angekommen, begrüßte ich erst mal ihre Mutter und ging dann in ihr Zimmer. Als ich die Tür öffnete, wollte ich einfach nur noch weinen. Dilara lag – Allah sei dank noch mit Klamotten – auf Cem drauf. Sie küssten sich wie Wild. Cem's Hand lag auf dem Arsch von Dilara und die andere Hand lag an ihrer Hüfte. Sie keuchten und stöhnten leise.
Wieso ich mir das alles solange ansah, wusste ich nicht. Ich kreischte und ließ die beiden aufschrecken.



Ich hatte mit Cem schluss gemacht, Dilara die Freundschaft gekündigt und sperrte mich zuhause ein. Diese ganze Illusion die ich von einer Zukunft mit Cem hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase. Alles was ich mir vorgestellt hatte, war kaputt. Ich wurde von den Menschen belogen und betrogen, die mir am meisten bedeuteten. Ich wusste bis heute nicht warum, doch beide zogen mit ihren Familien um.
Nun standen sie beide wieder vor mir, zwei Jahre später. Konnte man das Fassen? War das nicht unverschämt?
Dilara sah mich arrogant an und schaute dann Yasin an. Diese Angst die ich plötzlich bekam, dass sie ihn mir auch noch ausspannen könnte, wurde so groß, dass ich nach Yasin's Hand griff und sie fest umklammerte.
„Ich weiß nicht was ihr gemacht habt, oder wer ihr seit, aber es ist besser ihr lasst Rüya jetzt in Ruhe." sprach Yasin. Er legte seine Hand an meine Hüfte und zog mich an seine Seite.
Cem sah ihn ironisch lachend an.
„Denkst du ehrlich sie ist noch so Rein wie du glaubst?“ Ich sah ihn geschockt an, hob meine Hand und verpasste ihm eine Ohrfeige.
„Bist du krank? Ich habe noch meine Ehre und meinen Stolz! Nicht wie das Flittchen neben dir.“
Dilara gab einen unverständlichen Laut von sich.
" Rüya, du erinnerst dich doch bestimmt daran, wie wir im Bett lagen und herumgeknutscht haben.“ sagte Cem.
„Wie soll ich mich an etwas erinnern, was nie passiert ist?“
Fakt war, dass Cem log. Nicht nur Cem, sondern alle auf dieser Erde. Wahrscheinlich gab es keinen Menschen der nicht log. Die ganze Menschheit war verlogen. Wir logen uns in unseren Beruf, in Beziehungen, in der Schule – überall. Konnte man jemanden bedingungslos vertrauen? Gab es eine Person auf dieser Welt, der man alles, wirklich alles, anvertrauen konnte? Ich denke nicht, nein. Wir Menschen waren die Gefährlichsten Lebewesen. Töteten ohne Grund, logen, wenn es uns passte und betrogen die Menschen. Tiere waren vom Aussterben bedroht, doch wir taten nichts. Wir sahen tatenlos zu wie diese Tiere aus unserer Welt verschwanden. Wir sahen zu wie unsere Umwelt in den Abgasen unserer Fabriken erstarb. Es war unsere Schuld, denn wir logen auch noch dazu.
Cem sah mich intensiv an. Was wollte er von mir? Warum war er hier?
„Ich habe dich schon immer als eine kleine Schlampe gesehen. Denkst du dieser Bastard da hinter dir, würde mich jemals davon abhalten das zu machen?“ sagte er, zog mich zu sich und legte seine widerlichen Lippen auf meine. Ich war geschockt, konnte mich nicht rühren und riss meine Augen weit auf. Ich trat ihm zwischen die Beine und ging zwei Schritte nach hinten. Yasin ging ohne zu Zögern auf ihn los und gab ihm die Faust mit. Ich sah Fatih, Pinar, Baris und Melis auf uns zu rennen und sah sie hilfesuchend an. Baris und Fatih nahmen Yasin jeweils am Arm und versuchten ihn zurückzuziehen, doch Yasin war zu stark. Ich stellte mich vor Yasin, griff nach seinem Gesicht und versuchte meine Angst zu unterdrücken.
" Yasin, sieh mich an.“ flüsterte ich, sodass nur er es hören konnte. Er sah immer noch wütend zu Cem. Seine Kiefer waren so hart gespannt, dass ich dachte sie würden reißen. Ich atmete tief ein- und wieder aus. Mein Herz klopfte wie wild, mir klebte der Schweiß auf der Haut. " Askim, lütfen“ (Schatz, bitte) Prompt sah er mir in die Augen. Mein Herz schien noch schneller zu schlagen, es wollte raus springen. Es fühlte sich an, als würde ich jeden Moment kollabieren, so schnell schlug mein Herz. Es war, als wären wir alleine auf dem Platz. Ich nahm meine Hände von seinem Gesicht, legte sie um seine Fäuste und sah währenddessen auf unsere Hände. Als ich wieder hoch sah, vereinigten sich unsere Blicke. Ich hob erst seine linke Faust, küsste sie und ließ sie wieder sinken – dasselbe tat ich bei der Rechten. Trotzdem wandte ich den Blick nicht von ihm. Langsam löste er eine Faust nach der anderen und umarmte mich. In dem Moment war es mir egal, wer hinter mir stand, oder wo wir waren. Nur er und ich zählten. Als wir uns lösten, gab er mir einen Kuss auf die Wange und verschränkte unsere Hände miteinander. Fatih trat vor und schubste Cem beiseite.
„ Verpisst euch beide wieder. Keiner will euch hier sehen! “ Ohne ein Wort zu sagen, gingen beide davon und wurden von der Menschenmenge verschlungen. Ich atmete auf, denn ich war erleichtert. Yasin umarmte mich wieder, atmete an meinem Hals tief durch und drückte mich immer mehr an sich.
„Verlass mich nicht, Yasin.“ flehte ich ihn flüsternd an. „ Bitte, lass mich nie wieder alleine.“
„ Seni Seviyorum, Askim.“ flüsterte er statt eines 'versprochen', in mein Ohr und drückte mich wieder.
"Tamam, ihr habt genug gekuschelt." meinte Fatih und sah mich streng an. Ich löste mich aus Yasin's Umarmung und senkte den Blick. Wie gesagt, Fatih war wie mein Bruder zu mir. Ich schämte mich, dass er zugesehen hatte, wie Yasin mich umarmt und auf die Wange geküsst hatte.
Melis sah mich ununterbrochen an. Lächelnd ging ich auf sie zu und umarmte sie.
„ Uff Rüya. Özür dilerim.“ (es tut mir leid)
„Ist schon gut. Du warst aufgewühlt.“
Plötzlich vibrierte mein Handy. Ich zog es aus der Hosentasche und entsperrte das Display.
Jemand rief mich an. Ich ging dran und spürte – aus welchem Grund auch immer – die Angst in mir aufkommen.
„Hallo?“
„Hallo spreche ich mit Rüya Gökdal?“
" ähm, ja.“
„Hier spricht Wolfgang Richter vom Polizeipräsidium“ Polizei? Was wollte die Polizei von mir?
„Worum gehts? “
„Um die Brandstiftung - wir haben einen unvollständigen Fußabdruck vor ihrem Fenster entdeckt.“ Mein Atem stockte. Konnte man jetzt herausfinden wer der Täter war?


Kapitel 26



Benommen starrte ich auf den Fleck vor mir. Das konnte einfach nicht sein. Ich wollte es nicht wahr haben, wollte nicht, dass es wirklich so war. Die Polizei konnte nicht identifizieren wer der Täter war. Sie wollten aber weiter suchen. Würde das etwas bringen? Die Angst kam mir wieder auf. Wer wollte mich Tod sehn? War es Erdogan? Würde er so etwas Schreckliches machen, unabhängig davon, wie sehr er mich hasste? Diese Ungewissheit zerfraß mich.
„ Rüya?“ flüsterte Pinar, die neben mir im Polizeipräsidium saß. Ich drehte mich zur Seite und sah ihr, ohne jeglichen Emotionen, ins Gesicht.
Pinar: " Lass uns gehen. "
Ich nickte stumm und stand auf. Yasin, Melis, Baris und Fatih saßen vor dem Zimmer und warteten auf uns. Als sie uns sahen, standen sie auf und kamen zu uns rüber.
„Und? Wer war es?“ fragte Fatih und legte seine Hände auf meine Schulter. Vom Augenwinkel sah ich wie Yasin's Blick sich verfinsterte.
„Man kann nichts aus dem Fußabdruck deuten. Man sieht nur einen Teil.“ flüsterte ich, trotz dem Kloß in meinem Hals.
Fatih drückte mich an seine Brust und strich mir über den Rücken. Es machte mich so fertig, nicht zu wissen, wer mir etwas antun wollte.
Pinar umarmte uns beide, dann Melis, Baris und zu guter Letzt, Yasin. Umarmt von den Menschen die die ganze Zeit bei mir waren. Als ich Anne und Sinan Baba sah, löste ich mich von allen und quetschte mich durch die anderen. Ich fiel meiner Mutter um den Hals und atmete ihren Geruch ein. Sie roch so wunderbar, so rein. Sinan gab mir einen Kuss auf die Stirn und umarmte mich. Diese beiden waren die Menschen, die ich über alles liebte. Sie waren bei mir, sie trösteten mich und gaben mir unwiderrufliche Liebe.
Die Liebe der Eltern, war das wichtigste was du bekommen konntest. Du kannst so viel Geld haben wie du willst, aber am wichtigsten ist die Liebe deiner Eltern. Eltern schenken dir (abgesehen von Allah) dein Leben und bringen dir alles Lebensnotwendige bei.
„Wir werden schon herausfinden wer den Brand gelegt hat.“ flüsterte Sinan mir zu. „tamam?“ fügte er hinzu.
Ich nickte an seiner Brust und strich mir die Haare vom Gesicht.



„In zehn Minuten will ich dich vor der Tür sehen. “ schrieb mir Yasin. Wir hatten uns seit dem Tag im Polizeipräsidium nicht mehr gesehen und dieser Tag lag eine Woche zurück. Ich vermisste ihn unglaublich sehr, hatte aber Angst das Kaan Abi uns erwischen könnte. Ich konnte es nicht ertragen Yasin nicht bei mir zu haben, aber wollte Kaan Abi auch nicht enttäuschen. Es war ein Teufelskreis. Dennoch machte ich mich fertig, zog mir eine schöne hellblaue Bluse und eine normale Jeans an und wartete, ein paar Häuser weiter, auf Yasin. Wir hatten nicht mal über den Kuss gesprochen. Wieder kam mir dieses widerliche Gefühl von Cem's Lippen auf meinen in den Sinn. Ich versuchte den Gedanken zu verbannen, das Gefühl zu ignorieren und konzentrierte mich auf das Warten. Mehrere Autos fuhren an mir vorbei, sodass ich mein Handy raus holte und darauf herumtippte. Ein Auto hielt vor mir. Nicht irgendein Auto, ein Ford Mustang Boss 302 in Schwarz mit Roten Felgen. Verwirrt hob ich den Blick von meinem Handy und sah durch die Scheiben direkt in Yasin's Gesicht.
Ein Grinsen spielte sich um seine Lippen, er stieg aus dem Wagen und kam zu mir.
„Traummann und Traumauto, ich bin doch ein Glückspilz.“ stellte ich so leise, dass ich es nur hätte hören sollen, fest. Aber Yasin lachte leise und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Hast du das gerade gehört?“ fragte ich verwirrt.
„Ja habe ich, Askim.“ Bei dem Kosenamen, wurde ich rot und sah weiter fasziniert zu dem Auto. Ein wahres Prachtstück.
„Ich habe das Gefühl, dass du nur das Auto bewunderst.“ sagte er trotzig. Ich lachte und wandte meinen Blick von dem Auto, um in Yasin's Augen zu sehen. Diese blauen sprenkeln die zwischen dem grün zusehen waren, waren so wunderschön.
„Das Auto ist ja auch ein richtiges Traumauto.“ sagte ich und grinste ihn an.
Er gab mir ein Kuss auf die Stirn. Normalerweise kostete das Auto um die 50.000 €, woher also hatte er dieses ganze Geld?
„Yasin?“ Er funkelte mich böse an. Ich verdrehte die Augen. „Woher hast du das Geld für den Wagen?“
Stille. Wieso antwortete er nicht?
„Wollen wir los? Ich hab ein Platz bei Mc Donalds reserviert.“ warf er nach einer Weile ein. Verwirrt sah ich ihn an. Sein ernst? Er lachte und gab mir wieder ein Kuss auf die Stirn.
„Komm jetzt Rüya'm. Ich hab dich voll vermisst und du trödelst hier rum.“
Wieder verdrehte ich die Augen und zog ihn nach hinten, da er einen Schritt zum Auto gegangen war.
Rüya: „Wie müssen mit Kaan Abi reden.“
Er seufzte, legte seine Hände auf meine Hüfte und sah mir direkt in die Augen. Er sagte nichts. Blieb einfach still und sah mir in die Augen. Schließlich nahm er meine Hand und zog mich zum Auto.
Ich setzte mich rein, sagte aber nichts. Yasin ging ums Auto rum und stieg dann an der Fahrerseite ein.
„Wohin fahren wir?“ fragte ich ihn und sah nervös auf meine Hände. Wie konnte er dieses Auto bezahlen ? Steckte er immer noch in dieser Drogen scheiße?
„Zu Kaan.“ antwortete er. Ich sah ihn geschockt von der Seite an. „Ich will auch nicht gegen seine Erlaubnis mit dir zusammen sein. Außerdem liebe ich dich. Und wenn du dich schlecht fühlst, dass Kaan uns nicht die Erlaubnis gibt, dann gehe ich das Risiko ein und hole mir seine Erlaubnis.“ fügte er hinzu.
Ich schmolz förmlich dahin. Kaan Abi hasste Yasin ja, doch trotz allem wollte Yasin zu ihm. Er würde dieses Risiko eingehen.
Als wir vor dem Haus standen, wurde mir plötzlich warm und kalt zugleich. Wie wird er reagieren? Sollte ich nicht vorher Eylem Yenge anrufen? Bevor Yasin ausstieg, hielt ich ihn am Arm fest.
„Ich ruf Eylem Yenge vorher an.“ sagte ich, holte mein Handy raus und rief Eylem Yenge an.
Sie ging sofort dran.
„Rüya?“
„Selam Yenge. Eh bist du zuhause?“
„Ja bin ich. Warum?“
„Und ist Abi auch da?“ fragte ich weiter.
„Ja, wir sind alle zuhause.“ sagte sie verwirrt. Ich legte einfach ohne Antwort auf und stieg aus dem Wagen. Bye Bye Traumwagen, wenn ich es überlebe sehen wir uns wieder, dachte ich und wartete auf Yasin.
„Warum hast du sie jetzt angerufen?“ fragte er mich und nahm meine Hand.
„Weil er, wenn sie dabei ist, ruhiger ist.“ Ich entzog meine Hand aus seiner und lächelte ihn liebevoll an.
„So ruhig wie an dem Tag als er dich geschlagen hat?“
Er sah wütend nach vorne und ballte seine Hände zu Fäusten.
„Yasin, er bereut es. Außerdem habe ich ihn provoziert.“
„Provoziert hin oder her, er hat dich geschlagen. Man!“ brüllte er und kickte einen Stock weg. „Ich hätte bei dir bleiben sollen.“ Immer noch hatte er die Hände geballt. Vielleicht sollte ich ja noch mal dasselbe wie bei der Kirmes machen. Ich hielt seine Fäuste fest. Augenblicklich entspannten sich seine Hände. Seine Wut war wie weggeblasen. Ich nahm seine Hände, umschlang sie und sah ihm weiter in die Augen. Ein lächeln bildete sich auf seinem schönen Gesicht.
„Lass uns rein gehen und kämpfen.“ sagte er und küsste mich kurz auf die Lippen. So kurz, dass es sich anfühlte wie ein Windhauch auf meinen Lippen.
Ich ging voraus und klingelte an der Tür. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust. Eylem Yenge öffnete mir die Tür. Sie hatte schon einen kleinen Bauch, es stand ihr.
„ah Rüya, was machst du denn hier?“
„ich – wir wollen mir Abi sprechen.“ sagte ich und zeigte auf Yasin. Sie sah Yasin böse an, doch ließ uns hereinkommen. Kaan Abi saß im Wohnzimmer und spielte mit Gökhan.
Als er hörte das jemand rein kam, sah er rauf und lächelte mich an. Doch als er Yasin sah, verfinsterte sich sein Blick.
„ Was macht der hier?“ fragte er und zeigte auf Yasin.
„Kaan wir -“ sprach Yasin.
„Was lan was?“ unterbrach Kaan Abi ihn.
Yasin:„Ich will deine Erlaubnis.“
Kaan:„Wofür? Damit du ihr Drogen gibst?“
„Abi jetzt hör ihm doch mal zu!“ schrie ich Kaan Abi an. Er sah zu mir und zeigte auf das Sofa.
Wir setzten uns. Kaan Abi auf einem Sofa, Yasin und ich auf dem anderen.
„Askim kannst du Cay bringen?“ fragte Abi Eylem.
Sie nickte und verschwand in der Küche. Yasin sah mich an, atmete tief ein und wieder aus und sah dann wieder zu Kaan, der uns beobachtete.
„Ich habe einen großen Fehler gemacht indem ich mit Damla geschlafen habe, ich weiß.“ sagte Yasin und knetete an seinen Fingern rum. „Aber sie war schon keine Jungfrau mehr, das musst du mir glauben! Ich weiß, das spielt keine Rolle. Du solltest auch wissen, dass ich das alles sehr bereue. - Ich liebe deine Schwester und will mit ihr zusammen sein. Ich will später mal mit ihr Heiraten, so wie du und Eylem.“
Kaan sah ihn überprüfend an. Man könnte meinen, er wollte in sein innerstes Sehen und schauen, ob er es auch wirklich ernst meinte.
„Wir wollen deine Erlaubnis haben, Abi.“ wand ich ein und durchbrach die Stille die entstanden war. Kaan Abi sah jetzt zu mir und sah nachdenklich aus.
„Glaubst du es ist das richtige?“ fragte er mich. Ich nickte. „Dann habt ihr meine Erlaubnis. Aber wehe du tust ihr weh!“ drohte er Yasin. Dieser strahlte mich an und grinste fröhlich.



„Hast du gesehen? Er hat uns akzeptiert.“ sagte Yasin glücklich als wir das Haus verließen. Er nahm mich in den Arm und küsste mich mehrmals auf den Kopf. „Du gehörst nur mir, verstanden?“
Rüya: „und du mir, kapiert?“
Er lachte und zog mich näher an seine Brust.
„Hörst du das?“ flüsterte er in meine Haare rein. Ich schüttelte den Kopf, konnte nichts erwidern, denn seine Stimme verursachte mir Gänsehaut.
„Mein Herz schlägt nur für dich.“ hauchte er in mein Ohr. „Nur für dich. Vergiss das niemals, egal was kommt.“ Ich nickte benommen und ging einen Schritt zurück um ihn ansehen zu können. Er legte seine weichen Hände an beiden Seiten meines Halses und sah mir tief in die Augen. Es war mittlerweile schon Dunkel. Die Sterne leuchteten am dunklen Himmel und dadurch sah er nur noch atemberaubender aus.
Er bewegte sich näher zu mir und strich mit seinem Daumen über meine Wangen. Sein Atem ging schwer, seine Augen glänzten und reflektierten das Licht der Sterne. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und schließlich seine Lippen auf meinen.
Die Gefühle in mir waren unbeschreiblich. Das Glück das ich empfand war riesig, die Liebe noch riesiger. Ja. Er gehörte mir, nur mir. Ich öffnete meinen Mund. Seine Zunge umschmeichelte die meine, liebte sie. Er nagte an meiner Unterlippe und ließ dann von mir ab.
„Ich liebe dich so sehr.“ hauchte er schwer atmend und drückte noch einen Kuss auf meine Stirn.
Ich kuschelte mich in seine Arme und vergaß meine Sorgen um den Brand oder sonstiges.

Kapitel 27


Der nächste Morgen, war ein Montag. Ein äußerst schöner Montag sogar. Aus meinem Fenster konnte ich die süßen, bunten Blumen sehen. Ich konnte sehen, wie sie förmlich wuchsen und gediehen. Auf dem Bett liegend und durchs Fenster schauend, streckte ich meine Müden Knochen und gähnte erholt. War schon wieder ein neuer Tag? Der erste Uni-Tag!, kam mir plötzlich der Gedanke und ließ mich aus dem Bett hüpfen. Rüya, Rüya, Rüya – du hast es tatsächlich geschafft deinen ersten Uni-Tag zu verpeilen. Mein Handy vibrierte und ließ mich aufschrecken. Yasin hatte mir eine SMS gesendet.
„Günaydın, Askim. Ich warte draußen auf dich.“ (Guten Morgen, Liebling)
Ohne eine Antwort zu verfassen, duschte ich schnell und erledigte meine Morgenroutine.

Eine halbe Stunde später stieg ich die Treppen runter, schnappte mir einen Apfel und gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange.
„Wünsch mir Glück, Anne!“ rief ich, als ich schon fast die Tür erreicht hatte.
„Viel Glück.“ schrie sie lachend.
Mit schnellen Schritten lief ich zu Yasin, den ich schon von weitem sah. Er war am Auto angelehnt, mit den Händen in der Hosentasche und seiner Sonnenbrille auf dem Nasenrücken. War das zu fassen? Einen Moment blieb ich stehen und genoss den Anblick. Mein Freund, meine Liebe, mein Yasin. Was für ein wundervoller Gedanke – was für eine wundervolle Erkenntnis. Er gehörte mir, nur mir allein.
„Was starrst du mich solange an?“ holte mich Yasin aus meinen Träumereien. Er stand direkt vor mir, so nah an mir. Sein Geruch stieg in meine Nase. Ich schloss die Augen und verewigte diesen Geruch.
„du musst mir mal dein Deo oder Parfum leihen.“ sagte ich, immer noch mit geschlossenen Augen.
„Ich benutze kein Parfum und auch kein Deo.“ Ich riss meine Augen auf. Belustigt strich er mir übers Gesicht.
„Nicht?“ fragte ich nochmal nach. Er schüttelte den Kopf. Er roch so gut und benutzte kein Parfum und kein Deo? Ein Mann ohne künstliche Aromen, dachte ich schmunzelnd.
„Was ist? Kommst du oder willst du an deinem ersten Tag zu spät kommen?“ fragte er mich.
Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und lief vor ihm zu seinem Auto.
„Machen wir heute nach der Uni was?“ fragte mich Yasin, als er sich in den Verkehr einfädelte.
„Musst du denn nicht arbeiten gehen?“ Er schüttelte den Kopf. Den Rest der fahrt waren wir still. Ich war müde, wollte nichts sagen, dass bemerkte Yasin wahrscheinlich auch.

Als wir ankamen, stieg ich aus dem Wagen raus und bewunderte die Universität vor mir.
Sie war groß und modern. Das Hauptgebäude erstreckte sich in wunderschönem weißen Marmor mit großen und vielen Fenstern. Der Hof war groß und von Studenten überströmt.
Ich spürte wie Yasins Hand sich mit meiner verschloss und wie er einmal sanft zudrückte.
„Wir schaffen das schon.“ sagte er und küsste mich auf die Stirn.
Rüya : „Wir?“
„Ja, du und ich zusammen.“ versprach er. Ich sah in seine Augen und entdeckte Liebe darin. Früher dachte ich immer, man könnte nie in die Augen eines Menschen sehen und dort die Gefühlsregungen sehen. Heute aber, sah ich eine für mich besondere Gefühlsregung in Yasin's Augen. Er kam mit seinem Gesicht näher und flüsterte mir leise ins Ohr :“ Du starrst mich schon wieder an.“
Ich lachte und gab ihm einen Klaps auf den Kopf.
„Hadi, lass uns rein.“ Er schob mich an der Schulter sanft richtung Unigelände.
„Hä? Du gehst doch nicht auf die Uni.“ fiel es mir ein.
„ Ab heute schon. Ich werde Wirtschaft studieren.“
Überrascht drehte ich mich zu ihm. Nach und nach wurde aus meinem Überraschten Gesichtsausdruck, ein fröhlicher, glücklicher Gesichtsausdruck.
Ich sprang in seine Arme und küsste ihn mehrmals auf die Wange. Der Grund zur Freude war einfach. Er würde studieren und somit seine Arbeit bei dieser schäbigen Firma lassen können, sobald er mit dem Studium fertig war. Ich war stolz auf ihn, und wie ich das war. Das war die Chance dem kleinen Deniz ein besseres Leben zu schenken - ein einfacheres. Ich stellte mich auf Zehnspitzen und legte meine Arme auf seine Schultern.
„Ich bin so stolz auf dich.“ hauchte ich ihm ins Ohr und küsste ihn langsam auf die Wange. Ein einfacher Wangenkuss vielleicht, bloß mit viel mehr Gefühl. Er legte seine Arme um meine Taille und legte sanft seine Lippen auf die meinen.
Klatschende Hände, lauter Beifall, hunderte von Menschen um uns und wir küssten uns.Wieso klatschten sie? Hatten sie noch nie ein Pärchen gesehen? Noch nie zwei liebende gesehen? Yasin grinste, nahm meine Hand und lief mit mir in die Universität. Meine Wangen waren rot, glichen einer reifen Tomate. Ich ging mit gesenktem Blick neben Yasin. Dieser strotzte vor Stolz und grinste jeden an, der immer noch klatschte. Yasin dieser Mistkerl, nahm alles locker, ihm gefiel es sogar, doch ich war kurz davor vor Scham im Erdboden zu versinken.

„hier nimm den, lütfen“ (bitte) sagte Yasin, als wir vor meinem Vorlesesaal standen und er mir einen Schlüssel hin hielt.
„Was ist das?“ ich nahm den Schlüssel in meine Hand und betrachtete ihn neugierig.
„Das sind meine Hausschlüssel. Ich will, dass du immer zu mir kommen kannst.“
Verblüfft hob ich meinen Blick und sah ihm in die Augen.
„wie?“
„ja also -“ stotterte er und kratzte sich am Hinterkopf. Diese Geste sah so unfassbar süß aus. „egal.“
„Yasin, bitte sag.“ bat ich ihn. Warum wollte er mir seine Schlüssel geben?
„ich will das du diese Schlüssel hast damit du jederzeit zu mir kommen kannst. Außerdem komm ich heute etwas später raus, deswegen musst du Deniz vom Kindergarten abholen. Natürlich nur wenn du willst.“ fügte Yasin hinzu.
„tamam, mach ich.“ sagte ich, küsste ihn auf die Wange und ging in den Saal rein.
Ich war mehr wie aufgeregt. Meinen Traum eine Anwältin zu werden, kam ich mit diesem Tag näher. Natürlich hatte ich meine zweifel. Würde ich meine Examen bestehen? Würde alles gut werden? Ich spülte diese immer wieder aufkommenden Fragezeichen in meinem Kopf einfach weg und saß mich auf einen freien Platz.
Mit Büchern, einem Block und einem Kugelschreiber bewaffnet, folgte ich aufmerksam der Vorlesung und fand mich in meinen Interessen wieder.



Ich schloss die Tür zu Yasin's Wohnung auf und tapste leise rein. Bevor ich hierher kam, hatte ich Deniz vom Kindergarten abgeholt und ihn bei der Nachbarin gelassen, war ich selber zu mir nachhause gefahren, hatte mich umgezogen und meiner Mutter gesagt ich wäre bei Pinar. Ich wusste nicht wie ich es geschafft hatte sie anzulügen, ich war auch nicht gerade Stolz drauf, wusste nicht, warum ich es ihr nicht mal gesagt hatte, das Yasin und ich ein Paar waren. Vielleicht hatte ich Angst es ihr zu erzählen, weil es noch so frisch war. Vielleicht war ich aber auch nur vorsichtig, weil ich dieses ständige Gefühl hatte, es würde etwas passieren.
Als ich im Flur stand, kamen mir verschiedene exotische Gerüche in die Nase. Ich ging in die Küche und sah Yasin am Herd stehen. Er hatte eine Blau-weiß karierte Schürze an und briet etwas in einer Pfanne.
Plötzlich kam es mir so vor als wären wir verheiratet, bloß das ich am Herd stehen und er nachhause kommen sollte.
„willst du noch lange da stehen bleiben?“ fragte Yasin mich ohne sich vom Herd weg zu drehen.
Mir stieg die röte ins Gesicht.
„Woher weißt du das ich hier stehe?“ fragte ich ihn, ging auf ihn zu und umarmte ihn von hinten. Ich gab ihm einen Kuss auf die Schulter und er drehte sich zu mir.
„Mein Herz hat angefangen wie wild zu schlagen. Eine Reaktion, wenn es dich spürt.“
Es war mein Herz, dass plötzlich angefangen hatte wie wild zu schlagen. Es wollte ihn aufnehmen.
„Hey.“ begrüßte er mich schließlich und küsste mich auf die Nasenspitze. Ich brummte ein 'hmm' und schmiegte mich an ihn.
„ich muss kurz was kaufen gehen, kannst du solange hier warten? Deniz ist noch bei der Nachbarin.“
ich nickte und sah zu ihm Hoch. Seine Augen glitzerten förmlich in meine. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, ließ von mir ab und ging zur Tür mit einem 'bis später'.
Ich deckte den Tisch, stellte sogar ein paar Kerzen drauf und wusch das Geschirr das er benutzt hatte. Gerade wollte ich die Wäsche in die Waschmaschine stecken, da spürte ich einen Windhauch hinter mir. Es war nicht Yasin, auch nicht Deniz. Es war jemand anderes.
„Yasin,Yasin, Yasin – wie kannst du deine Freundin bloß alleine lassen.“ sagte eine tiefe Stimme hinter mir. Ich bekam vor Angst Gänsehaut. Ich schluckte und stand wie gelähmt, mit der Wäsche in der Hand, da.
Der Mann legte ein Messer an mein Hals und zog mich mit sich, sodass ich die Wäsche auf den Boden fallen ließ. Vor Aufregung wurde mir schwarz vor Augen und ich fiel in Ohnmacht.

Kapitel 28



„Rüya!“ hörte ich jemanden schreien. „Rüya, kalk, lütfen!“ (Rüya, steh auf, bitte!)
Yasin! Ich öffnete meine Augen und sah direkt in Yasin's besorgtes und wütendes Gesicht. Mir klebte der Schweiß auf der Haut, mein Herz raste wie verrückt und mein Kopf schien sich im Kreis zu drehen.
„Allahim! Du bist wach. Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ (Mein Gott) sagte Yasin und küsste mich auf den Kopf, die Stirn, die Wange, die Nase und die Lippen.
„Yasin?“ gab ich in brüchiger Stimme von mir. Er lächelte und tätschelte meine Wange. In seinen Augen zeichneten sich Tränen ab. Sein Auge war geschwollen, seine Lippe aufgeplatzt und sein Gesicht war so bleich wie ein weißes Blatt Papier. Mit meinen Fingern zeichnete ich die Prellung nach.
„Dein Auge.“
„Es tut nicht weh.“ Mit dem Finger wanderte ich zu seiner Lippe und sah ihm besorgt in die Augen.
Vor Verzweiflung fing ich an zu weinen. Ihn so zu sehen tat mir weh, sehr sogar. Mein wunderschöner Yasin. Er strich mit mehrmals über die Stirn.
„Du bist hier, bei mir – in Sicherheit.“ bestätigte er, mehr sich selbst, als jemand anderem. „Es tut mir so leid, Rüya, so verdammt leid.“ Er hob meinen schlappen Körper hoch, setzte sich auf das Sofa, auf dem ich lag und schob mich auf seinen Schoß. „es tut mir so leid.“ hauchte er wieder. Dieser Satz folgte ganze 20 weitere male. Ich verstand nicht. Was meinte er? Was tat ihm leid?
„Yasin, was ist passiert?“
Er sah mir in die Augen und dann an mir vorbei.
„Er hat versucht dich zu entführen. Er – er – er wollte das ich leide.“
Ich streckte meine Arme aus und legte sie ihm auf die Schulter. Es war mir relativ unangenehm auf seinem Schoß zu sitzen. Wir waren nur zusammen, nicht verheiratet oder sonstiges, trotzdem ließ ich mich dadurch nicht beirren.
„und ich war die einzige Person, die zur Verfügung stand, um dir Leid anzutun.“ stellte ich fest. Er nickte und schmiegte sich an mein Hals. „Yasin.“ flüsterte ich tadelnd, während er meine Wange mit kleinen küssen bedeckte.
„Du warst eine halbe Stunde weg. Zum Glück ist der Laden, in dem ich war, gleich um die Ecke, sonst hätte er es geschafft. Ich will gar nicht daran denken. Hauptsache ist, dass ich rechtzeitig gekommen bin. Rüya, es tut mir so leid.“
„Wer, Yasin? Wer wollte mich entführen?“
„Cem.“ formten seine Lippen, doch das bekam ich nicht mehr so genau mit. Meine Sicht verschwamm und versteckte sich hinter meinen Tränenschleier. Warum tat er das? Was war sein Ziel dabei? Was wollte er erreichen? Yasin drückte mich an sich und küsste mich auf den Haaransatz. Eine stumme Geste, die mich aufmunterte.
„Was war dann?“ fragte ich.
„Ich bin gerade gekommen als er dich, wie ein Sack Kartoffeln, nach draußen tragen wollte. Er hat dich abgelegt und mir eine Faust gegeben, naja dann hab ich ihm eine mitgegeben und schließlich mit einem Arschtritt raus befördert. Dann hab ich dich hier hin gelegt, dir ein nasses Tuch auf die Stirn gelegt und etwas zu trinken geholt. Also trink jetzt.“ sagte er und hielt mir ein Glas klares Wasser vor die Nase. Mit einem Schluck trank ich es aus und küsste Yasin auf die Wange.
Rüya: „Danke.“
„Lass uns das Essen aufwärmen und es dann genießen, dass du noch bei mir bist.“ Er strich mir die Haare vom Gesicht und lächelte sanft. Mein Herz machte einen Sprung.
Gesagt getan. Wir wärmten das essen auf und aßen bei Kerzenlicht. Es war schön und vor allem romantisch. Er erzählte mir von Deniz, wie er sein erstes Wort sprach und seinen ersten Schritt ging. Dann sprachen wir über die Hochzeit von Melis und Baris, die in zwei Wochen stattfinden sollte.
Wir fanden ständig ein neues Thema worüber wir sprachen, die kurze Stille die folgte, war immer angenehm.
„Wollen wir ins Kino fahren?“ fragte er mich, nachdem wir das Geschirr in die Spüle legten.
„Was ist mit Deniz?“
„Wir holen ihn, okei?“ Ich nickte.



Nachdem wir Deniz abholten, gingen wir ins Kino und sahen uns einen Kinderfilm an. Es war früher Abend, vielleicht sechs oder sieben Uhr als wir raus kamen und an der Promenade spazierten. Yasin nahm meine Hand in seine, Deniz lief vor uns. Mein Kleid, ein König blaues lockeres Kleid, wehte mit dem steten Wind nach hinten.
„Stell dir vor Deniz wäre unser Sohn.“ flüsterte mir Yasin zu und sah dabei zu Deniz, der am Ufer rum rannte. Ich wurde rot und sah zu der Sonne die am Untergehen war. Ein wunderschöner Anblick.
„Insallah heiraten wir später mal.“ wieder wurde ich rot und sah weiter zu der untergehenden Sonne.
„komm, lass uns gehen. Es ist schon spät.“ sagte er nach einer Weile und fuhr mich dann nachhause.


Mit einem Kuss auf die Wange verabschiedete ich mich von Yasin und Deniz und ging dann rein.
„Bin wieder da!“ rief ich in die Wohnung und hörte leise Stimmen aus dem Wohnzimmer.
Alle Lichter waren ausgeschaltet, nur die stimmen im Wohnzimmer, sonst war alles still.
Ich tapste leise ins Wohnzimmer und sah Anne und Sinan Baba auf dem Sofa sitzen. Es brannten viele Kerzen auf dem Boden, gut duftende Rosenblätter und eine Romantische Atmosphäre lag in der Luft. Sinan hielt die Hand meiner Mutter und sah ihr in die Augen. Er hatte diesen verliebten Ausdruck in seinen Augen, so wie immer wenn er sie ansah.
„Askim, ich bitte dich – vertrau mir.“ sagte Sinan und strich sanft über die Hände meiner Mutter.
„Ich kann nicht.“ erwiderte sie und wich seinem Blick aus. Was konnte sie nicht?
„Seni seviyorum, Selma. Benimle Evlenirmisin?“ (Ich liebe dich, Selma. Willst du mich heiraten?
Meine Augen füllten sich und ich hielt mir die Hand vor den Mund, um nicht laut los zu schluchzen.
War das nicht süß? Er hörte nicht auf zu Kämpfen, er wollte sie. Mir kullerte eine Träne über die Wange. Es war nicht so, dass meine Mutter keinen Vertrauen zu Sinan hatte, sie vertraute der Liebe nicht, dem Bund der Ehe.
„Versteh es doch, Sinan, ich kann nicht. Ich habe keine Sicherheit. Erdogan war auch so, zeigte ständig seine Angebliche liebe und sieh an was er getan hat. Er hat meine Tochter geschlagen, meinen Sohn ignoriert. Er hatte all die Jahre seine Vaterpflichten Ignoriert.“
„Selma, wir leben seit knapp 9 Jahren zusammen. Habe ich dich jemals nicht geliebt? Gab es ein Tag, an dem ich dir nicht zeigte, wie sehr ich dich liebe? Ich liebe dich, Selma. Du, Rüya und Kaan seid meine Familie. Ich will mit dir Alt werden, will stolz sehen wie Rüya ihr Studium beendet und glücklich zusehen, wie Kaan seine Familie gründet.“
Anne schluchzte. Es tat mir weh sie so zu sehen. Sie kapselte sich selbst von ihrem Glück ab. Ihr Glück war Sinan - der Mann, der sie liebte, egal wie schlecht sie drauf war.
„tamam.“ sagte Anne schließlich und sah wieder in seine Augen.
„Was?“ fragte er verwundert.
„Ich will dich Heiraten, Sinan.“
Aus seinem Mund kam nur ein glückliches und verwirrtes „allahim“. (Mein Gott)
Weiter belauschte ich die beiden nicht, sondern lief in mein Zimmer und legte mich in mein Bett.
Leider war mir so langweilig, dass ich zu meinem Handy griff und Pinar anrief.
„Hey Rüyaa!“ rief sie in den Hörer als sie dran ging.
„Hey Canim. Wie geht’s?“
„Mehr wie gut.“ seufzte sie glücklich.
„Kann ich wissen wieso und dann dein Glück mit dir teilen?“
„Ich hab einen Freund.“ flüsterte sie. Wahrscheinlich wegen Baris. Bei diesem Gedanken verdrehte ich die Augen und sah aus dem Fenster.
„und wie heißt er? Wie alt? Türke, Deutscher? Wieso hast du mir nicht gesagt das es jemanden gibt?“ fragte ich sie, ohne Luft zu nehmen.
„Es ist Ümit.“
Ümit. Ümit,Ümit,Ümit. Wer war das noch gleich. Plötzlich kam es mir wieder in den Sinn.
„Dieser eine der dich angerempelt und dich dann Süße genannt hat?“ fragte ich nach.
„genau.“ sagte sie schüchtern.
„Aber -“
„Wir schreiben seit einer Weile und naja, irgendwann wollte er mich sehen. Gestern hatten wir uns getroffen und dann naja.. ich hätte erst auch nicht geglaubt das ich mich verliebt habe.“
„Ich freue mich so für dich.“ flüsterte ich glücklich. Ich war ziemlich sentimental, denn ich begann wieder zu weinen.
„Allah soll eure Liebe schützen.“ fügte ich noch hinzu und wusch mir die Tränen aus dem Gesicht.
Wir telefonierten eine weile, legten uns dann aber schlafen.



Eine Woche später.
Der Kühle Wind wehte meine Haare nach hinten, trocknete meine Lippen aus und ließ mich leicht zittern. Ich stand vor diesem Haus. Dem Haus, wo Melis jetzt drinnen sitzen sollte. Sie sollte mir die Tür öffnen, mich begrüßen und mich mit einer Handbewegung rein bitten - aber sie ist nicht da. Ihre Mutter öffnet mir die Tür, begrüßt mich und bittet mich mit einer Handbewegung rein. Vor ein Paar Tagen hatte ich angerufen und ein treffen mit Melis' Eltern vereinbart. Ich setze mich auf eins der weichen Sofas und schlug ein Bein über das andere. Melis' Vater – Mert - saß mit seiner Frau – Melike – auf dem gegenüberliegendem Sofa.
„Wie Sie wissen, komme ich aus einem bestimmten Grund.“ sagte ich und bemühte mich nicht aufgeregt zu klingen.
„Ihre Tochter, ist mir eine sehr gute Freundin. Sie ist nett, warmherzig, fürsorglich. Wahrscheinlich das beste was Ihnen je passieren konnte. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich würde vor der Ehe nichts dergleichen machen. Melis hat einen Fehler gemacht, einen dummen Fehler. Sie hat sich von ihren Gefühlen leiten lassen und ist in einer solchen Situation gekommen. Was ich sagen will ist, dass Ihre Tochter und Baris sich lieben. Sie lieben sich und wollen heiraten – schon nächste Woche. Vielleicht ist ihre Tochter keine Jungfrau mehr, doch sie auch nicht beschmutzt. Sie heiratet mit dem Mann, den sie liebt und mit dem sie ein Kind erwartet. Sie akzeptiert die Konsequenzen ihres Fehlers und verleugnet sie nicht. Ich bitte Sie – kommen Sie auf ihre Hochzeit, machen Sie ihren Tag unvergesslich, lieben Sie sie – denn das ist, was eine Tochter will und braucht. Sie braucht ihre Eltern, sie braucht ihre liebe. Es ist der wichtigste Tag in ihrem Leben und Sie sind die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Sie wird eine Familie gründen, ihre eigene Familie. Akzeptieren sie das.“ schloss ich und sah sie erwartungsvoll an. Was würden sie sagen? Würden sie an die Hochzeit von Melis und Baris kommen?

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Tag der Veröffentlichung: 28.06.2013

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