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Kapitel 1

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr denkt dass ihr alles verloren habt? Wenn euer Leben einen Tiefpunkt erreicht hat, wenn ihr am Boden liegt und es einfach nicht mehr schafft aufzustehen? Aber dazu kommen wir später .. 

Mein Name ist Sibel, ich bin 20 Jahre alt, wohne in Hamburg und studiere Geschichte im 1. Semester. Meine kleine Schwester Pinar ist mein ein & alles, seit dem Tod meiner Mutter vor 4 Jahren hab ich mir Mühe gegeben immer für sie da zu sein. Eine Mischung aus Mutter, Schwester und Freundin .. wirklich nicht einfach sowas, aber mittlerweile ist sie 14 und versteht alles besser. Da ist dann noch mein Papa Kenan, ein Engel auf Erden, auch wenn er früher .. vor dem Tod meiner Mutter, ziemlich streng mit mir war. Ich liebe ihn über alles und bewundere ihn, weil ich weiss das er nur das beste für mich und Pinar will. 

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meiner Tagträumerei. Ich schaute auf den Display .. Selma. Ich fing an zu lächeln. Meine beste Freundin. Meine Seelenverwandte. Seit dem Kindergarten waren wir unzertrennlich. Sie war da für mich nach dem tödlichen Autounfall meiner Mutter, genauso wie ich für sie da war nach der Trennung ihrer Eltern. Ich nahm ab. ''Hey, canim.'' 
Selma: 'Nerdesin (Wo bist du), Sibel?'' 
Sie klang beleidigt. 
Sibel: ''Zu Hause, wieso?''
Selma: ''Wieso? Du Arschloch, wir wollten heute shoppen gehen?''
Sibel: ''Verdammt! Hab es total vergessen.''
Selma brach am anderen Ende der Leitung in Gelächter aus.
''Mal wieder,'' versuchte sie mich zu ärgern. 
''Nix mal wieder,'' auch ich fing an zu Lachen.
''Ich hab bis vorhin mit Pinar gequatscht und hab's halt verpeilt.''
Selma: ''Ja Ja lass die Ausreden, beweg deinen hübschen Hintern her ich warte.''
''Tamam (Okay), bin gleich da.''
Lächelnd legte ich auf, zog mich um und machte mich auf den Weg. 

Nachdem wir mehr als 2 Stunden die Geschäfte unsicher gemacht hatten, gönnten wir uns einen Cafe bei Starbucks. Wir redeten eine Weile über die nächste Klausur. ''Sibel .. Sibel?'' 
Selma tippte mir auf die Schulter, verwirrt fuhr ich hoch. 
''He was? Hast du was gesagt?''
Selma: ''Du bist so doof, hast sicher wieder an ihn gedacht.''
''Hmm,'' erwiderte ich nur. Selma sah ärgerlich aus. ''Ich versteh das einfach nicht. Dir liegt die halbe Männerwelt zu Füßen, bist eins der beliebtesten, intellegentes und hübschesten Mädchen an der Uni und verliebst dich in das größte Arschloch weit und breit. Ich werd's nie verstehen.'' 
Sibel: ''Liebe muss man nicht verstehen Selma. Ausserdem ist er kein Arschloch! ''Selma: ''Wenn man vom Teufel spricht .. ''
Sie deuteute mit einer Kopfbewegung Richtung Eingang, ich drehte mich um und für einen Augenblick setzte mein Herzschlag aus, ich rang nach Luft, sein Anblick raubte mir den Atem ...

Kapitel 2

Da stand er. Tolga. Dieses Prachtstück von Mann. 1,85 groß und stark, diese grünen Augen die man von 20 Meter Entfernung noch funkeln sah. Traum *-* Und da war dann noch sein Lächeln, sein atemberaubendes Lächeln, das jedes Mädchen zum schmelzen brachte. Er war perfekt! Und das wusste er auch. Herzenbrecher. So nannte man ihn in der Uni. Er war nicht nur hübsch, sondern auch schlau. Studierte Mathe und Physik und war obendrein noch mega beliebt. Selma übertreibt zwar mit dem ''Dir liegt die halbe Männerwelt zu Füßen'' aber ich war mit meinen 1,77, mit meinen langen schwarzen Locken, meinen blauen Augen und meinen vollen Lippen ein recht hübsches Mädchen. Ich hatte viele Verehrer... aber ich wollte nur ihn! Das Problem war das er mich nicht wollte. Tolga setzte sich mit seinen Freunden ein paar Tische entfernt von uns. Ich konnte einfach nicht aufhören ihn anzustarren. 
''Hör endlich auf,'' fuhr Selma mich an. 
''Of Ya,’''ich atmete einmal tief aus. 
''Ich könnte ihn Stundenland beobachten, er würde mich trotzdem nicht bemerken.''
Selma: ''Das glaubst du ja selber nicht, der hat schon lang ein Auge auf dich geworfen.''
Ich sah Selma mit großen Augen an und sagte: ''Meinst du?''
Selma: ''Ja mein ich. Das Problem, ist er wird nie was mit dir anfangen weil du nicht leicht ins Bett zu kriegen bist.''
Sibel: ''Ich bin nicht leicht ins Bett zu kriegen? Ich bin gar nichts ins Bett zu kriegen! Wenn ein Mann nicht respektieren kann das ich bis zur Ehe warten will, dann zum Teufel mit ihm!'' Enttäuscht vergrub ich mein Gesicht in meine Hände. 
''Yapma (Hör auf) canim, er ist es nicht wert,''versuchte Selma mich zu trösten. 
''Komm lass uns gehn,'' meinte sie. Ich warf noch einen letzen Blick Richtung Tolga, dann verließen wir das Cafe.


''Haste eben die heißen Schnitten gesehen Tolga?'' Can hatte die Frage gestellt, neben Kevin war er Tolgas bester Freund. 
Tolga: ''Ja die gehn doch bei uns auf die Uni?''
Kevin: ''Ich kenn die beiden. Das sind brave Türkinnen, gehn ab und zu Shisha rauchen aber das wars auch schon. Die feiern richtig selten, hab die beiden noch nie in einer Disko gesehen.'' 
Tolga: ''Keine leichte Beute so wie’s sich anhört.''
Die Jungs lachten. 
Kevin: ''Die große mit den langen schwarzen Haaren heißt Sibel, n hübsches Ding.''
Can: ''Ich find die andere geiler .. ist bestimmt voll wild in der Kiste.''
Tolga und Kevin grinsten. 
''Wo wir grad bei leichte Beute sind.. welche gefällt dir besser Bro?'' fragte Can an Tolga gewandt. Wieder grinste Tolga. ''Diese Sibel hat n geilen Body und krasse Augen ..''
''Träum schön weiter,'' unterbrach Kevin ihn lachend. ''Die kriegst du niemals ins Bett, na ja was heißt niemals, das ist so eine die du erst in die Kiste kriegst, wenn du sie heiratest.''
Can: ''Abooo, haste das gehört Bro? Das klingt nach einer Herausforderung. Kommt lasst wetten. Kevin, wenn Tolga es schafft, das Mädel flachzulegen ohne sie zu heiraten..''
''Dann kriegt er n 200er von mir und ne Kiste Bier gratis dazu.'' 
Wieder lachten die Jungs. Tolga grinste verschmitzt. 
''Challenge accepted. Ich heiß nicht Tolga, wenn ich Sibel nicht innerhalb von 3 Monaten in mein Bett krieg.''

Kapitel 3

Ich saß in meinem Zimmer und lernte für die Klausur am nächsten Morgen. 
Nach einer Stunde legte ich die Bücher weg, klappte meinen Laptop auf und loggte mich bei Facebook ein. 4 neue Freundschaftsanfragen, 2 Nachrichten und ein paar unwichtige Benachrichtungen, zum Teil aus der Uni Gruppe. Ich öffnete meine Nachrichten. Einmal schrieb mir Selma und einmal irgendein Typ aus der Uni wie „Geil“ er mich findet und ob man mich nicht kennenlernen kann. Nichts neues eigendlich, sowas kam öfter mal vor. Ich schrieb wie immer auf solche Nachrichten mit meiner Standard Antwort „Nö“ zurück. Dann las ich Selmas Nachricht. Sie hatte vor einer Stunde geschrieben: 
„Maaan Sibel, lernen ist so behindert komm und rette mich.“ 
Ich antwortete lächelnd: „Hahahahaha.“ 
Sie war online und schrieb sofort zurück: „Lach nicht ya! Wetten du Streber bist schon fertig mit lernen und gammelst jetzt FB rum.“ 
„Ja und Nein, bin zwar fertig mit lernen aber ich wollt nur kurz reinschauen..“ 
„Um Tolga zu stalken oder?!“ unterbrach sie mich bevor ich den Rest des Satzes abschicken konnte. „Nein hahahah. Ich will gleich schlafen es ist schon spät.“ 
Ich öffnete meine Freundschaftanfragen und traute meinen Augen nicht. Es waren 4 Typen aber nur einer interessierte mich. Tolga Türkmen. Ich schrieb Selma. 
„Omg Omg Tolga hat mir Fa geschickt.“ 
Alles was von ihr kam war „aha.“ Sie ärgerte mich gern damit, weil sie wusste das aha über alls hasste. „Soll ich annehmen?“ fragte ich. 
Selma: „Wieso frägst du mich, du nimmst doch eh an.“ 
Sie hatte Recht ich hatte nicht einen Augenblick daran gedacht die Fa abzulehnen.
Ich nahm an und stalkte erstmal seine Bilder. Mein Gott wie hübsch er war! Seine Chronik war zugespammt mit Herzchen und Küsschen die ihm irgendwelche Mädchen posteten. Ich wurde schlagartig eifersüchtig. Nach einer Weile schrieb Selma mir erneut.
„Und?“ „Ich hab angenommen .. seine ganze Chronik ist voller Herzen“ 
Selma: „Was haste denn Erwartet? Der hat jede Woche ne andere, die Mädels stehn Schlange.“ Ich fühlte mich auf einmal komisch. Ich wollte nicht mehr schreiben. 
Sibel: „Mir egal, ich geh schlafen bis morgen.“
Selma: „Bis morgen canim ♥“ Ich loggte mich aus und legte den Laptop weg. 
Ich lag noch eine ganze Weile im Bett und dachte nach. War es mir wirklich egal? Natürlich war es mir nicht egal! Die Fa hatte nichts zu bedeuten auf Fb ist jeder mit jedem befreundet. Und trotzdem machte ich mir Hoffnung auf mehr ..


Am nächsten Morgen saß ich auf eine der Bänke am Campus und wartete auf Selma. Wir hatten Ende März, es war noch recht kalt und da ich etwas früh da war beschloss ich drinnen weiter zu warten. Ich steckte mein Handy in meine Tasche und wollte gerade aufstehen als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich sah hoch und da stand er. Tolga! Sein Lächeln verwirrte mich. Er streckte mir seine Hand entgegen und sagte: „Hi.“
Nach einen kurzen Augenblick an dem ich wie versteinert da stand, schaffte ich es irgendwie ihm meine Hand zu reichen. „Hi,“ antwortet ich ein wenig verlegen. Ich spürte wie ich Rot anlief. Mein Gott war das peinlich. Die kurze Berührung löste eine unbeschreibliche Wärme in mir aus. 
„Ich bin Tolga und du bist Sibel.“ Ich lachte. Bevor ich überhaupt irgendwas antworten konnte fuhr er fort: „Haste Lust mal was mit mir trinken zu gehn Sibel? Würd dich gerne näher kennenlernen.“ Ich traute meinen Ohren nicht .. war das auch wirklich kein Traum?

Kapitel 4

Ich war so überrascht und glücklich zugleich nach der Frage, dass ich vollkommen vergaß zu antworten. 
„Also?“ Erwartungsvoll sah Tolga mich an. 
„Ich ähm .. ja klar, wieso nicht.“ 
„Nice, ich schreib dir dann heute Abend auf Fb, dann können wir gucken wann das klappt,“ sagte er lächelnd. Oh mein Gott was für ein Mann! Nachdem er ging stand ich noch einige Minunten wie betäubt da. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Als ich ins Gebäude ging fiel mir ein Zettel an der Tür auf. „Klausur fällt aus, verschoben auf nächste Woche.“ Na toll dann war ich also umsonst gekommen. Ich musste lächelnd an Tolga denken. Ganz so umsonst war es ja doch nicht. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und rief Selma an. „Canim wo bist du?“ 
Selma: „Bin eben aus dem Haus, in 20 Minuten bin ich da.“ 
Sibel: „Nein komm nicht, Klausur wurde verschoben.“ 
Selma: „So ein Scheiss! Was machst du heute?“ 
Sibel: „Ich muss dir dringend was erzählen, aber am Handy ist schlecht. Ich komm heute Mittag vorbei tamam?“ 
Selma: „Tamam bis nachher canim.“ 
Auf den Weg nach Hause machte ich noch einen Zwischenstop bei Starbucks und holte mir einen Coffee to go. Ich lief langsam und träumte vor mich hin. Mir ging Tolga einfach nicht aus dem Kopf. 
„Hey, pass doch auf wo du hinläufst.“ 
Mein Becher fiel zu Boden. Irgendein Idiot hatte mich angerempelt. 
„Verdammt. Tut mir leid, mein Fehler. Ich war schon so lange nicht mehr hier und hatte mich grad umgeschaut.“ 
„Schon okay ich war auch grade in Gedanken,“ antwortete ich. 
„Wie kann ich das gut machen?“ fragte der Unbekannte. „Darf ich dich auf ein Caffee einladen?“ 
„Nein darfst du nicht. Ich hab doch gesagt das es okay ist.“ 
Meine Antwort war ein wenig schroff aber er liess nicht locker.
„Hast du schon was vor? Wie ist dein Name?“ 
„Gisela.“ Er lachte. Ich konnte mir ein grinsen auch nicht verkneifen. Ich ging weiter. 
„Alles klar bis zum nächsten mal Gisela,“ rief er mir hinterher. 
Ich drehte mich noch einmal um und sagte: „Woher willst du wissen ob es ein nächstes mal gibt?“ 
Er lächelte und legte seine Hand auf die Brust. 
„Mein Herz weiss es.“ 
Ich versuchte mein Lachen zu unterdrücken was mir nicht wirklich gelang. 
„Komischer Kerl,“ dachte ich mir und lief nach Hause. 


„Schwesterherz!“ 
„Abicim!“ 
Emre und Selma fielen sich in die Arme. 
Selma: „Ich hab gedacht du kommst erst nächste Woche?!“ 
Emre: „Hatte ich auch vor aber ich halt’s mit Papas neuer Frau nicht mehr aus. Ausserdem hab ich jetzt ne Woche Zeit um mich wieder richtig einzuleben hier, bevor ich mein Studium fortsetzte.“ Nach der Trennung ihrer Eltern vor 10 Jahren zog Emre mit seinem Vater nach München. Er traf sich zwar regelmässig mit seiner Mutter und seiner Schwester aber in Hamburg war er seit der Trennung nicht mehr. Er hatte sich dazu entschieden sein Studium hier fortzusetzen, zumal das Verhältniss zu seinem Vater, nach dessen erneuter Heirat nicht gerade das beste war. 
Emre: „Annem nerde (Wo ist Mama)?“ 
Selma: „Auf der Arbeit, ich hatte heute eigendlich ne Klausur aber wurde verschoben.“ 
Sie setzen sich in die Küche, tranken Cay (Tee) und unterhielten sich. 
Emre: „Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?“ 
Die Frage kam so unerwartet das Selma sich an ihrem Tee verschluckte.
Selma: „Wie kommst du denn jetzt auf die Frage?“ 
Es dauert einen Moment bis er antwortete. 
„Ich hab auf den Weg hierher ein Mädchen angerempelt und sie war so traumhaft!“ 
Selma: „Du hast sie angerempelt?“ Die beiden lachten. 
Emre: „Ja keine Ahnung aufjedenfall war sie .. oh man mir fehlen die Worte.“ 
Selma: „Vay Vay ist Bruderherz etwa verliebt?“ 
Bevor er antworten konnte klingelte es an der Tür. 
Emre: „Erwartest du jemanden?“ 
Selma: „Ach das ist sicher nur Sibel, die wollte heute vorbei kommen.“ 
Sie öffnete die Tür und wie erwartet war es Sibel. 
Sibel: „Oh mein Gott Selma, Tolga hat mich nach nem Date gefragt und ich...“
Der Satz blieb ihr im Halse stecken. Sie stand wie angewurzelt an der Küchenschwelle. 
Selma: „Noldu canim?“ Emre war aufgestanden und starrte Sibel an. 
Selma: „Ahh sorry. Canim das ist Emre, ich hab dir ja erzählt das er demnächst herzieht. Abi das ist Sibel. Ich kann nicht glauben das es schon 10 Jahre her ist seit ihr euch das letzte mal gesehen habt.“

Kapitel 5

Emre war der Typ von heute Morgen?! Was für ein Zufall. Sibel erholte sich als erste von dem kleinen „Schock“ und sagte: 
„10 Jahre ist gut. Das waren jetzt nicht mehr als ein paar Stunden oder Emre?“ 
Sie ging auf ihn zu und reichte ihm ihre Hand. 
„Du schuldest mir noch einen Caffe,“ fügte sie lächelnd hinzu. 
Erst jetzt schien Emre aus seiner Trance zu erwachen. Er griff nach ihrer Hand und meinte: „Wann immer du willst ... Gisela.“ 
Die beiden lachten. Selma stand daneben und schaute von einem zum anderen. 
„Muss ich das verstehen?“ fragte sie verwirrt. Wieder lachten die beiden. 
Sibel erklärte Selma kurz was am Morgen passiert war. Während sie erzählte sah Selma immer wieder zu Emre, der mit seinem Handy beschäftigt schien. 
Sibel: „ ... ja das war’s auch schon. Selma? Canim ist alles okay?“ 
Selma: „Hm? Ja klar war grad nur in Gedanken.“ 
Sibel: „Und du Emre? Was macht das Leben so?“ 
Die drei unterhielten sich noch eine Weile. 
Selma: „Sibel geh schon mal hoch in mein Zimmer, ich mach uns n Cappuccino und komm dann nach. Abi muss noch seine Koffer auspacken und so.“ 
Sibel: „Tamam aber beeil dich, ich muss dir von Tolga erzählen!“ 
Einen Moment lang herrschte bedrückende Stille in der Küche. 
Selma: „Abi ich ..“ 
Er hob seine Hand um sie zum Schweigen zu bringen. 
Emre: „Wir werden unser kurzes Gespräch, das vor Sibels Ankunft stattgefunden hat, vergessen. Das bleibt unter uns. Sie ist deine beste Freundin aber ich bin dein Bruder!“
Selma: „Abi aber vielleicht klappt das ja zwischen euch? Sie wird dich mögen und ..“
„Nein!“ fiel er ihr ins Wort. „Mögen? Wie einen Bruder oder einen guten Kumpel vielleicht? Ja .. vielleicht können wir Freunde werden. Hast du gesehen wie ihre Augen leuchten, wenn sie über diesen Tolga spricht?“ 
Selma: „So ein Quatsch! Das ist ein Vollidiot, er verdient sie nicht!“
Emre: „Schwesterchen.“ Lächelnd ging er auf sie zu. Er griff nach ihren Händen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. 
„Du bist meine kleine Prinzessin und ich liebe dich über alles. Ich bitte dich darum meine Worte von vorhin aus deinen hübschen Köpfchen zu löschen und Sibel nichts davon zu erzählen.“ Sie zögerte. Er sah sie mit einen Blick an, der keine Wiederrede duldete. 
Selma: „Tamam abi.“ Sie umarmte ihn. „Schön das du da bist, ich hab dich vermisst.“ 


Sibel: „Hörst du mir überhaupt zu?“ 
Selma: „Ja natürlich .. canim du machst einen Fehler, wenn du dich auf ihn einlässt.“ 
Sibel: „Woher willst du das so genau wissen? Mensch Selma anstatt dich für mich freuen. Siehst du nicht wie glücklich ich bin?“ 
Selma: „Ja die Frage ist für wie lange.“ 
Sibel: „Mein Gott, was heute los mit dir? Ich glaub es ist besser wenn ich geh.“ 
Selma: „Warte. Es tut mir leid, ich bin so abgefuckt wegen der Klausur, ich hab gestern Stundenlang gebüffelt. Tut mir leid, du weisst doch das ich nur das beste für dich will.“
Sibel: „Vielleicht ist Tolga das beste für mich?!“ 
Selma: „Tamam ich sag nichts mehr.“ 

Als ich nach ein paar Stunden zu Hause war, lief ich sofort in mein Zimmer, schaltete meinen Laptop an und loggte mich bei Fb ein. Enttäuscht stellte ich fest, das Tolga nicht online war. Aber da es erst 20 Uhr war beschloss ich zu warten. Ich machte es mir gemütlich und kuschelte mich in meine Decke. 21 Uhr .. 22 Uhr, ich verlor langsam die Geduld. Hatte er mich vergessen? 23 Uhr .. ich stand kurz davor die Hoffnung zu verlieren als auf einmal der Punkt hinter seinen Namen grün wurde! Jetzt hiess es nochmal warten .. oder sollte ich ihn anschreiben? 
„Nein lieber nicht, was wenn ich ihn nerve..“ murmelte ich vor mich hin. 
Und dann ein paar Sekunden später geschah es .. 
Tolga: „Na du.“ 
Oh mein Gott er hatte mich angeschrieben. Mein Herz begann zu rasen ..

Kapitel 6

Meine Finger tippten mühsam ein „Hey.“ ein. 
„Abschicken Sibel abschicken,“ sprach ich mir selbst Mut zu. Geschafft. Ich lehnte mich zurück und wartete. Er schrieb jedoch sofort zurück.
Tolga: „Was machst du so?“
Sibel: „Ach nicht viel. Ein bisschen chatten, langeweile vertreiben. Und du?“ 
Tolga: „Ich war bis eben mir den Jungs unterwegs, wollte eigentlich schlafen gehen aber ich hatte dir heute gesagt das ich dir schreibe.“ 
Sibel: „Du bist sicher müde .. das hätte warten können.“ 
Tolga: „Nein! Alles kann warten ausser du.“ 
Mir wurde auf einmal heiss und kalt zugleich. Ein Glück das er mich nicht sehen konnte.
Ich wusste nicht was ich antworteten sollte also wartete ich. Kurz darauf schrieb er erneut. 
Tolga: „Also Sibel, wie siehst’s aus mit Freitag. Hast du schon was vor?“ 
Wir einigten uns darauf am Freitag Abend was trinken zu gehen. 
Nachdem er off war, legte ich meinen Laptop weg und rief Selma an. 
Selma: „Ich freu mich für dich.“ 
Sie klang nicht gerade begeistert aber ich wusste das sie sich Sorgen um mich machte. 
Ich änderte das Thema. 
Sibel: „Was macht Emre so?“ 
Selma: „Wir saßen mit Mama bis eben im Wohnzimmer und haben über die alten Zeiten geredet. Wir sind froh das er wieder zu Hause ist.“ 
Sibel: „Glaub ich euch. Er hat sich total verändert ich hab ich nicht wieder erkannt.“ 
Selma: „Kein Wunder du hast ihn das letze mal gesehen als er 12 war, mittlerweile ist er n hübscher junger Mann geworden mein Abi.“ 
Sie hatte Recht, mit seinen knapp 1,90 und seinen kurz geschnittenen schwarzen Haaren sah Emre wirklich gut aus. Das beste waren aber seine braun/grünen Augen...


Es wollte einfach nicht Freitag werden. Die Zeit verging so langsam, es war fast schon eine Qual. Ich hatte unter der Woche erfahren das Emre und Tolga zusammen Vorlesung haben .. ich wusste nicht wieso aber das beunruhigte mich. Mein Handy klingelte. Es war Tolga! Ich verfiel in Panik. „Was wenn er absagen will?“ dachte ich mir. Ich nahm ab.
Sibel: „Hey ..“ 
Tolga: „Na Süße. Wollt dir nur sagen das ich dich gegen 20 Uhr abholen komme, ist das in Ordnung? Also wenn du nicht mittlerweile deine Meinung geändert hast.“ 
Sibel: „Ja. Ich meine Nein! 20 Uhr, das passt.“ 
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Aber das beste war .. er hatte mich Süße genannt! 


Selma kam gegen 19 Uhr noch kurz vorbei. Sie glättete meine Haare. 
Selma: „Deine Locken sind so schön ..“ 
„Ja Ja ich weiss,“ unterbrach ich sie. „Aber ich will Tolga überraschen!“ 
Selma lächelte. Ein gezwungenes Lächeln. Ich griff nach ihrer Hand. 
Sibel: „Yapma (Hör auf) canim. Ich geh doch nur was mit ihm trinken. 
Selma umarmte mich und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich mach mir halt Sorgen.“ 
„Brauchst du aber nicht,“ versuchte ich sie zu beruhigen.
Kurz vor 20 Uhr hielt ein Wagen vor unserer Haustür. Ich guckte vom Fenster. Es war Tolga. Ich lief runter und schaute kurz ins Wohnzimmer. Papa und Pinar schauten TV. 
„Ich geh jetzt los bis dann,“ sagte ich. 
„Tama kizem, bleib nicht so lange und pass auf dich auf,“ antwortete mein Papa. 
Pinar: „Schön siehst du aus Schwesterchen.“ Sie warf mir einen Luftkuss zu.
Sibel: „Danke mein Schatz bis nachher.“ 
Selma: „Dein Papa fährt mich gleich nach Hause, ich ruf dich dann Morgen an. Viel Spaß canim und pass bitte auf dich auf.“ 
Sibel: „Mach ich keine Sorge.“ 
Ich machte die Tür hinter mir zu und lief zum Wagen. Tolga stieg aus. Ich reichte ihm meine Hand, er ergriff sie und gab mir zur Begrüßung Küsschen links, rechts. 
Wie gut er roch! 
Tolga: „Toll siehst du aus Süße.“ 
Ich schmolz dahin. Er öffnete mir, ganz der Gentelman die Autotür. Ich stieg ein. Wir führen in meine Standard Shisha Bar. Die Leute kannten mich aber sahen überrascht aus als ich mit Tolga kam. Wir setzten uns in eine Ecke, unterhielten uns und tranken was. Wir lachten viel und ich genoss Tolgas Anwesenheit. Ich sah auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Plötzlich griff Tolga nach meiner Hand. Mir wurde auf einmal heiß, mein Herzschlag setzte aus. Er rückte näher an mich ran ...

Kapitel 7

Tolga: „Du bist so wunderschön.“ 
Er liess meine Hand nicht los. Mit der anderen spielte er mit einer Haarsträhne von mir. Ich brachte gerade noch so ein „Danke“ über die Lippen. Er kam immer näher, und strich dann mit der Hand über meine Wange. Mein ganzer Körper bebte. Und dann geschah es. Er küsste mich! Ein wilder Kuss, den ich erwiderte. 
„Mhhm du weisst nicht wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe,“ hauchte er mir ins Ohr. Ich spürte seinen Atem. „Ich auch ..“ Obwohl es die Warheit war, bereute ich die Worte im nächsten Augenblick wieder. Ich hörte mich an wie eine Bitch, die es kaum erwartet hat sich ihm an den Hals zu werfen. Ich löste mich von seinen Griff und sagte: 
„Es ist schon spät, ich müsste schon zu Hause sein.“ Er lächelte und strich erneut mit seiner Hand über meine Wange. Mein Atem ging schlagartig schneller. 
Tolga: „Ich bring dich nach Hause Süße.“ 
Während der Autofahrt sagte keiner von uns was, statdessen lief leise Musik. Er warf mir immer wieder einen lächelnden Blick zu. Als wir ankamen stieg ich aus. 
„Danke für den schönen Abend,“ sagte ich schüchtern. Er legte seine Hand um meine Taile und drückte mich an sich. Während er mich auf die Wangen küsste, flüsterte er mir ein "Ich ruf dich an süße, das müssen wir wiederholen" ins Ohr. Sein Parfüm vernebelte meine Gedanken und ich nickte kaum merklich. Er liess mich los, machte einen Schritt zurück und zwinkerte mir zu. 
Tolga: "Iyi geceler (Gute Nacht)."
Sibel: "Sanada (Dir auch)." 
Er stieg in den Wagen und fuhr los. Ich kramte den Hausschlüssel aus meiner Tasche und schloss die Tür auf. Pinar und Papa schliefen schon also ging ich direkt auf mein Zimmer. Ich warf meine Jacke und meine Handtasche in die Ecke und legte mich in mein Bett. Ich beschloss gleich Morgen früh Selma zu besuchen. 

"Und wie sieht's aus?" fragte Can neugierig.
Kevin: "Ja sag mal. Hat es schon geklappt?" 
Togla grinste verschmitzt. Nachdem er Sibel nach Hause gebracht hatte, war er zurück in die Shisha Bar gefahren wo die Jungs bereits warteten.
Tolga: "Übertreib Kevin. Ich lass es langsam angehn. Hab sie geküsst und ihr den Kopf verdreht. In paar Wochen liegt sie unter mir." Die Jungs lachten. 
Kevin: "Wir wollen aber Beweis." "Ja genau. Ein Bild oder so," fügte Can hinzu.
Tolga: "Alles zu seiner Zeit."

Am nächsten Morgen rief ich Selma an. "Canim bist du zu Hause? Ich komm dann vorbei und erzähl dir von Gestern." 
Selma: "Ich muss kurz mit Mama einkaufen aber das dauert nicht lange. Lauf du schon mal los, bist du hier bist sind wir schon wieder zu Hause." 
Sibel: "Tamam bis gleich." 
Ich hatte gerade aufgelegt als mein Handy vibrierte. 1 neue sms. Von Tolga! "Guten Morgen süße ich hoffe du hast gut geschlafen. Hast du Morgen schon was vor? Würd gern ins Kino mit dir gehn." Oh mein Gott! Er wollte n zweites Date?! Ich tippte nervös eine Antwort. 
"Nein ich hab nichts. Welchen Film schauen wir?" schrieb ich. Gesendet.. kurz darauf kam erneut eine sms. "Die Entscheidung überlass ich dir süße, ich hol dich gegen 18 Uhr ab. Ich freu mich schon." Ich strahlte über das ganze Gesicht. Und wie ich mich freute! 

Ich stand vor Selmas Haustür und klingelte. Zu meiner Überraschung war es Emre der die Tür öffnete. Sibel: "Oh!" Er lächelte. "Selma meinte das du vorbei kommst, sie und Mama müssten jeden Augenblick wieder da sein." "Alles klar," antwortete ich. "Willst du nicht reinkommen," fragte Emre als er merkte das ich mich nicht rührte. „Oder wartest du gerne draussen bei der Kälte?“ fuhr er Wort. 
Sibel: „Ich ähm ..“ Ich stotterte! Ich wusste nicht wieso aber ich wurde nervös. 
Emre: „Keine Sorgen ich fress dich nicht.“ 
Es war mir peinlich und ich kam mir doof vor. Er lachte. Sein Lachen war so herzlich und Ansteckend, das auch mir ein Lächeln über die Lippen kam. Ich ging also rein und steuerte auf’s Wohnzimmer zu. Wir setzten uns. 
Emre: „Willst du Tee oder Kaffee?“ 
Sibel: „Nein danke, hab zu Hause schon was getrunken.“ 
Wir unterhielten uns eine Weile über die Uni und das Studium.
Emre: „Wie läuft’s mit Tolga?“ 
Die Frage kam so unerwartet und überraschend. Ich starrte ihn kurz an und schaute dann beschämt zu Boden ..

Kapitel 8

Emre verfluchte sich selbst in Gedanken. Was zum Teufel war in ihn gefahren? Er bereute die Frage schon in dem Augenblick, in dem er sie aussprach. Er merkte das auch Síbel peinlich berührt war. Stille folgte. Endlose Stille, die Minutenlang anhielt. Das Klingeln der Tür befreite die beiden endlich aus dieser fast schon qualvollen Lage. 
Emre sprang auf. „Da sind sie ja schon.“ Er ging zur Tür. Kurz darauf kam Selma mit ihrer Mama ins Wohnzimmer. Ich begrüßte die beiden und half ihnen mit den Einkäufen. 
Danach ging ich mit Selma in ihr Zimmer. Ich erzählte ihr alles von gestern Nacht, bis ins letzte Detail. Sie hörte mir ruhig zu ohne mich zu unterbrechen. 
„Wie war der Kuss so?“ fragte sie als ich zu Ende erzählt hatte. 
Sibel: „Schön! Also .. ich weiss nicht. Es war ziemlich wild, ich hab mir meinen ersten Kuss etwas sanfter vorgestellt, so wie in diesen kitschigen Liebesfilmen du weisst.“ 
Wir lachten. Dann änderte sich Selmas Gesichtsausdruck. 
„Ich hoffe er meint es ernst und spielt nicht nur mit dir,“ meinte sie besorgt.
„Bestimmt nicht!“ antwortete ich selbstsicher... vielleicht eine Spur zu selbstsicher.
Ich chillte den halben Samstag bei Selma bevor ich nach Hause ging. Des Rest des Tags verbrachte ich mit Papa und Pinar. Wir kochten uns was schönes und machten es uns vor dem Fernseher gemütlich. Gegen 23 Uhr ging ich duschen und machte mich kurz darauf Bett fertig. Ich war müde und wollten einfach nur schlafen. Mein Handy klingelte. Tolga! 
Ich nahm lächelnd ab: „Ja?“ 
Tolga: „Hey Süße, wollt dir nur ne Gute Nacht wünschen, ich kann es kaum erwarten dich Morgen wieder zu sehen.“ 
Sibel: „Ja ich auch ..“ 
Tolga: „Träum was schönes, am besten von mir.“ 
Sibel: „Gute Nacht bis dann.“ Ich legte auf. Ich musste wieder an den Kuss denken und mein Herzschlag ging auf einmal schneller. Ich legte mich ins Bett und schloss meine Augen. Ich lag stundenlang wach, war viel zu aufgeregt um zu schlafen. Irgendwann überkam mich dann doch meine Müdigkeit und ich schlief ein. 

Ich wachte erst gegen 11 Uhr auf und auch die restliche Zeit verging überraschend schnell. Um 18 uhr kam Tolga und holte mich ab. Wir gingen ins Kino und ich entschied mich für den Film „Für immer Liebe“. Der Film war so traurig, immer wieder kullerten mir Tränen über die Wange. Tolga griff nach meiner Hand und streichelte mit seinem Daumen zärtlich meinen Handrücken . Mein Herz schlug wie verrückt und mein Atem ging schneller. Ich konnte mich kaum mehr auf den Film konzentrieren. Er liess erst los als der Film zu Ende war. Wir gingen aus den Kinosaal. Zu meiner Überraschung griff er erneut nach meiner Hand. „Hat er dir gefallen?“ fragte er. 
Sibel: „Ja er war toll, zwar etwas traurig aber auch schön.“ 
Wir liefen zum Parkplatz.. Händchenhaltend! Hatte das was zu bedeuten? Ich hoffte es.
Er wollte mir grad die Beifahrertür öffnen als er innehielt. Er dreht sich zu mir um und schaute mir in die Augen. Dann strich er mir mit der Hand über mein Haar. Ich bekam Gänsehaut und mir wurde auf einmal heiss. Er küsste mich! Ich schlang meine Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Er umfasste meine Hüften und drückte mich gegen die Autotür. Der Kuss hielt lange an. Irgendwann liess er dann von meinen Lippen. Ich schnappte nach Luft. Sein Mund näherte sich erneut doch diesmal strich er nur ganz leicht über meine Lippen. „Ich liebe dich,“ keuchte ich. 
Tolga: „Und wie ich dich liebe Süße.“ 


Er log. Natürlich log er. Aber woher sollte ich das zu dieser Zeit wissen? 

3 Wochen ging das so weiter, wir trafen uns oft und unternahmen viel zusammen.
Auch in der Uni hielt er mittlerweile meine Hand. Die Leute wussten von uns und ich muss sagen das ich glücklich war. Das war ich zumindest bis Selma eines Abends vorbei kam. Wir saßen in meinen Zimmer und bereiteten uns auf die Vorlesung am nächsten Morgen vor. Ich merkte das etwas nicht mit ihr stimmte, sie redete kaum. Irgendwas bedrückte sie. 
Sibel: „Was ist los Selma?“ 
„Nichts was soll los sein,“ antwortete sie eine Spur zu schnell. 
Sibel: „Doch du hast irgendwas, ich kenn dich doch!“ 
Ich liess nicht locker. Sie sah mich traurig an. 
Sibel: „Spuck’s aus, na los!“ 
Selma: Ich war heute was mit Can trinken, du weisst Tolgas Freund ...“ 
Sibel: „Und? Ist doch gut oder nicht? Mag er dich?“ 
Selma: „Darum geht’s nicht ...“ Sie hielt inne. Ich liess ihr einen Moment Zeit, doch als sie immer noch nicht weitersprach wurde ich wütend. 
Sibel: „Jetzt sag schon verdammt!“ 
Selma: „Can hat mir erzählt das Tolga dich wegen einer Wette, die er mit Kevin abgeschlossen hat ins Bett kriegen will. Er liebt dich nicht Sibel, er spielt mit dir!“ 
Sie sagte das alles ohne mit der Wimper zu zucken, es platze förmlich aus ihr heraus.
Ich stand auf. Der Boden unter meinen Füßen schwankte verräterisch und ich hielt mich am Schrank fest...

Kapitel 9

“Das stimmt nicht,” sagte ich mit zitternder Stimme. 
Selma: “Leider stimmt es doch, ich wollte dir gestern ..” 
“Sei still! Du lügst! Can lügt! Ihr wollt uns nur ausseinanderbringen,” schrie ich. 
Selma stand auf und griff nach meiner Hand. “Lass mich ..” Ich riss mich los. 
“Lass mich einfach. Verschwinde von hier.” Tränen stiegen mir in die Augen. 
Selma: “Ich versteh das du sauer und enttäuscht bist. Aber besser du setzt dem ein Ende bevor er sein Ziel erreicht hat. Vergiss nicht das ich immer für dich da bin. Ruf mich an wenn du dich wieder beruhigt hast und reden willst.”
Nachdem sie ging warf ich mich aufs Bett und liess meinen Tränen freien Lauf. Ich wollte und konnte es nicht glauben. Mein Handy klingelte. Es war Tolga. 
“Tolles Timing,” dachte ich mir und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich holte einmal tief Luft und ging dann ran. 
Tolga: “Hey Süsse was machst du so.” 
Sibel: “Nichts du?” 
Tolga: “Ich lieg grad auf der Couch und musste an dich denken.” 
Ich schwieg. Ich wollte ihn zur Rede stellen aber nicht am Telefon. 
Tolga: “Bist du noch dran Süsse?” 
Sibel: “Ja ..” 
Tolga: “Ist alles in Ordnung?” 
“Ja ich bin nur müde,” log ich. 
Tolga: “Okay dann wünsch ich dir ne Gute Nacht schlaf schön. Ich liebe dich.” 
Ich legte auf ohne darauf zu antworten. Er liebte mich. Das sagte er zumindest. Ich mein .. heutzutage sagen viele Menschen “Ich liebe dich” ohne es auch so zu meinen. Aber er liebte mich. Ich wusste es. Ich hoffte es .. 


Am nächsten Morgen nach der Vorlesung, setzte ich mich in die Mensa und wartete auf Tolga. Ich musste mit ihm reden. Ich wollte Klarheit. “Hey.” Ich fuhr erschrocken hoch. 
“Oh tut mir leid, hab ich dich erschreckt? War keine Absicht.” Es war Emre. Er setzte sich neben mich. “Ist alles in Ordnung?” fragte er mich. 
“Ja .. ehm .. ich ja alles in Ordnung.” Ich stotterte wie ne doofe. Mal wieder. Komischerweise passierte das immer wenn ich mit Emre allein war. 
Emre: “Wie geht es dir so?” 
Sibel: “Gut .. dir?” 
Emre: “Wenn es dir gut geht dann geht es mir auch gut.” 
Er lächelte mich an. Ich wurde nervös. 
Emre: “Wartest du auf Selma?” 
Sibel: “Nein .. ich .. Tolga kommt gleich.” 
Sein lächelnd verschwand. 
Emre: “Okay, ich geh dann mal weiter. Bis dann.” 
Sibel: “Bis dann ..” Ich atmete einmal tief aus. Dann nahm ich mein Handy aus der Tasche und rief Tolga an. 
Sibel: “Wo bist du? Ich warte seit einer halben Stunde auf dich.” 
Tolga: “He? Ich hock draussen auf der Bank und tu das gleiche.” 
Sibel: “Okay ich bin gleich da warte.” 
Ich ging also raus. Tolga wartete bereits. Er stand auf, kam auf mich zu und küsste mich. 
Ich drückte ihn weg. Er hob die Augenbraue und sah mich Fragend an.
Tolga: “Was ist los Süsse?” 
Sibel: “Was los ist? Hab gehört du schliesst gerne Wetten ab.” 
Tolga: “Wetten? Wie kommst du jetzt darauf?” 
Ich achtete genau auf seinen Gesichtsausdruck. Entweder er war ein verdammt guter Schauspieler oder er war wirklich so überrascht wie er aussah. Woher sollte ich damals wissen, das Ersterer der Fall war? Ich erklärte ihm also was Selma mir erzählt hatte und er schien schockiert. 
Tolga: “Verdammt Sibel! Und du glaubst den Scheiss auch noch?” 
Er packte mich an den Armen und sprach dann weiter: “Wir sind seit knapp einem Monat zusammen. Sag hab ich dich jemals zu irgendwas gedrängt? Wir küssen uns ja. Sowas machen verliebte halt. Bin ich je weiter gegangen Sibel?” 
Ich schüttelte kleinlaut den Kopf und senkte meinen Blick. Er hatte Recht. 
Er fuhr sich durch die Haare und drehte mir den Rücken zu. 
Tolga: “Wenn du diese Scheisse glaubst, dann ist es wohl besser wir beenden das hier. Wenn du einer Lüge glaubst statt mir …” Mein Herz hörte auf zu schlagen. Ich traute meinen Ohren nicht. Mein Verstand fing an verrückt zu spielen…. 

Kapitel 10

Ich brauchte einen Moment um zu realisieren was er soeben gesagt hatte. Ich wollte ihn nicht verlieren.
„Nein! Ich will nicht Schluss machen, ich liebe dich doch!“ 
Er drehte sich um und sah mir in die Augen. Dann machte er einen Schritt auf mich zu und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er küsste mich und zog mich ganz fest an sich. 
Tolga: „Ich liebe dich Sibel, du darfst nicht glauben was Selma sagt, sie ist nur eifersüchtig auf dich. Sie will unser Glück zerstören.“ 
Sibel: „Unser Glück .. ja..“ Wie in Trance nickte ich. Ich umarmte ihn fest und etwa 10 Meter entfernt von uns stand Selma. Sie schüttelte mit dem Kopf, dreht sich um und ging...


„Was sollte der scheiss Can? Wegen dir ist fast alles kaputt gegangen man!“ 
Tolga war zu Can gegangen, die beiden stritten vor dessen Haustür. 
Can: „Hör auf Tolga, hör auf damit. Scheiss auf die Wette, Sibel liebt dich!“ 
Tolga: „Junge was geht mit dir? Du hast die Wette damals vorgeschlagen.“ 
Can: „Ja weil ich dumm war! Ein Arschloch war ich. Solche Frauen wie Sibel und Selma findet man heutzutage nicht mehr. Spiel nicht mit ihr. Wenn du sie liebst, dann ..“ 
„Was für lieben Junge?“ unterbrach Tolga ihn lachend. „Was geht mit dir? Was hast du eigendlich mit Selma zu tun?“ 
Can: „Ich liebe sie und werde sie heiraten!“ 


Ich hatte 2 Wochen lang keinen Kontakt zu Selma. Ich sah sie zwar ab und zu in der Uni aber das war’s auch schon. Wir redeten nicht miteinander. Es machte mich fertig, ich konnte einfach nicht mehr. Mit Tolga lief alles wie zuvor .. wir unternahmen ab und zu was zusammen. Er küsste mich, mehr aber auch nicht. Aber irgendwie hatte sich doch etwas verändert. Für mich zumindest. Ich musste so oft an Selmas Worte denken. „Er liebt dich nicht, er spielt mit dir.“ Der Satz spukte immer wieder durch meinen Kopf. Ausserdem .. war das Kribbeln weg. Wenn er meine Hand hielt, wenn er mich umarmte, wenn er mich küsste. Es war einfach weg! Ich wollte es mir nicht eingestehen und redete mir immer wieder ein das sowas normal sei in einer Beziehung... 

Es war Samstag Mittag als ich beschloss mit Selma zu reden. Nervös stand ich vor ihrer Haustür und klingelte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Von Emre! 
Sibel: „Ich ehm .. ist Selma zu Hause?“ 
Emre: „Hallo mir geht’s gut und wie geht’s dir?“ 
Oh man wie peinlich! Ich spürte wie ich rot anlief.
Sibel: „Sorry ich .. ich war schon so lang nicht mehr hier..“ 
„Ich weiss doch,“ sagte er lächelnd. „Komm rein Selma ist in ihrem Zimmer.“ 
Ich wollte grade einen Schritt nach vorne machen als er mir die Hand hinhielt. 
Ich nahm sie .. was für eine große und starke Hand er hatte! Ich wollte grade wieder loslassen als er plötzlich einen Schritt auf mich zukam. Oh mein Gott was hatte er vor? 
Sein Gesicht näherte sich meinem. Mein Herz raste. Er küsste mich! Ja er küsste mich, links, rechts auf meine Wangen. Ich schwöre euch das alles spielte sich in nicht mal 5 Sekunden ab, aber für mich waren das die längsten Sekunden meines Lebens. Wie in Zeitlupe .. 
Emre: „Lange nicht mehr gesehen, gut siehst du aus.“ 
Ich stand wie versteinert an der Haustür und brachte keinen Ton über die Lippen. 
„Abi wer ist da?“ Selmas Stimme, die aus dem Flur kam, holte mich in die Realität zurück. Kurz darauf stand auch sie vor mir. Sie schien überrascht mich zu sehen.
Sibel: „Hey .. ich wollte mit dir reden.“ 
Emre merkte das die beiden allein sein wollten also ging er wortlos ins Haus. 
Selma: „Was gibt’s?“ 
Sibel: „Ich .. es tut mir leid.“ 
Selma: „Hast du endlich gemerkt was für einer Tolga ist?“
Sibel: „Nein ich .. wir sind noch zusammen.“ 
Sie schüttelte nur wortlos den Kopf. 
Sibel: „Ich will meine Freundin zurück haben. Ich kann nicht mehr ohne dich...“ 
Selma: „Du denkst aber immer noch das ich gelogen hab?“ 
Sibel: „Nein .. vielleicht hat Can dich angelogen?“ 
Selma: „Can liebt mich und will mich heiraten Sibel! Er hat keinen Grund zu lügen.“ 
Verblüfft starrte ich sie an. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. 
Sibel: „Canim können wir das nicht einfach vergessen?“
Ich war den Tränen nahe. Plötzlich fing Selma an zu weinen. 
„Du dumme Kuh! Komm her,“ sagte sie. Wir fielen uns in die Arme. 
Sibel: „Ich hab dich so vermisst. Die 2 Wochen waren schrecklich ohne dich.“ 
Selma: „Und wie ich dich vermisst habe!“ 
„Ihr zwei Heulsusen, könnt ihr auch drinnen weiter weinen?“ 
Emre stand im Flur und lachte. Ich ging rein und Selma zog mich sofort in ihr Zimmer.
Ich erzählte ihr das mit Tolga alles gut lief und das er nie mehr versuchte als mich zu küssen. 
Selma: „Vielleicht liebt er dich mittlerweile wirklich und meint es ernst.“ 
Sie klang nicht gerade begeistert aber ich wollte im Moment nicht weiter drüber reden.
„Wie läuft’s mit Can und dir? Er will dich heiraten?“ fragte ich stattdessen. 
Selma: „Ja ich liebe ihn .. er gibt zu früher ein Arschloch gewesen zu sein. Aber ich glaub er meint es wirklich ernst, weil in den nächsten Tagen will er mit seinen Eltern zu Besuch kommen.“ Ich umarmte sie stürmisch.
Sibel: „Oh mein Gott wie geil!“ 
Selma: „Aber sag Abi (Bruder) nichts, er weiss noch nichts davon.“
Sibel: „Tamam (Okay) canim. Aber er wird sich bestimmt freuen.“ 
Selma: „Da bin ich mir nicht so sicher .. er weiss ja von dir und Tolga und hält nicht besonders viel von ihm. Noch weniger für dessen Freunde.“ 
Ich wusste nicht wieso aber irgendwas daran beunruhigte mich .. 

Nach etwa einer Stunde wollte ich mich auf den Weg nach Hause machen. 
Wir standen schon im Flur als Selma sagte: „Bleib doch zum Essen, Mama kocht grade.“
„Geht nicht canim, ein anderen mal. Ich hab Tolga versprochen mit ihm ins Kino zu gehen.“ Ich drehte mich um und wollte mich verabschieden als Emre plötzlich hinter Selma stand... 

Kapitel 11

Er hatte mich gehört, denn sein sonst lächelndes Gesicht sah irgendwie ausdruckslos aus.
Emres Handy klingelte. Während er telefonierte, verabschiedete ich mich von Selma. 
Selma: „Canim es ist schon dunkel, Emre fährt dich.“ 
Sibel: „Nein!“ Allein der Gedanke daran allein mit Emre im Auto zu sitzen brachte mein Herz zum rasen. „Nein ich lauf lieber,“ sagte ich nochmal. Verdammt! Wieso zum Teufel wurde ich plötzlich so nervös? Ich konnte es mir nicht erklären. Ich stand schon draussen als Emre ebenfalls kam. „Steig ein ich fahr dich.“ Er öffnete mir die Autotür. Ich sah flehend zu Selma. „Komm mit?“ Bevor sie antworten konnte sagte Emre: „Nein geht nicht. Ich treff mich mit den Jungs.“ 
Sibel: „Achso.. okay.. ich lauf einfach, brauchst wegen mir keinen Umweg machen.“ 
Er lächelte. „Tu ich gar nicht, ich fahr sowieso an deiner Straße vorbei.“ 
Selma: „Ich geh dann mal rein, canim ruf mich an wenn du zu Hause bist.“ 
Sie grinste von einem Ohr zum anderen. Ich sah sie böse an. Und weg war sie. Na toll.
Emre stand immer noch an der Beifahrertür. Ich stieg ein, ich hatte ja keine andere Wahl.
Ich schwöre mein Puls war jetzt schon auf 180. Er stieg ebenfalls ein und fuhr los. 
Emre: „Wie geht’s dir?“ 
Sibel: „Ganz okay ...“ 
Emre: „Hmmm ...“
Ich traute mich irgendwie nicht ihn anzusehen, ich starrte geradeaus als ob das da was interessantes zu sehen gab. Bildete ich mir das nur ein oder fuhr er wirklich so langsam? 
Emre: „Ganz okay ist keine gute Antwort.“ 
Ich spürte wie er mir aus den Augenwinkeln einen kurzen Blick zuwarf. Verdammt wie heiss es im Wagen war. Meine Hände schwitzten. Ich tat so als ob ich ihn nicht gehört hatte, stattdessen fragte ich: „Kannst du die Klimaanlage ausmachen?“ 
Emre: „Ist gar nicht an.“ Ich merkte das er grinste. Wie peinlich! Er fuhr immer noch im Schneckentempo. Nur noch eine Kreuzung und die Qual hat ein Ende. Aber was zum .. er fuhr plötzlich rechts ran und hielt an. Mein Atem ging schneller. „Was wird das?“ fragte ich ohne den Blick von der Straße zu nehmen. 
Emre: „Wieso schaust du mir nie in die Augen, wenn du mit mir redest?“ 
„Ich ehm .. was meinst du damit?“ fragte ich verwirrt. Er fing an zu lachen. 
Emre: „Schau, du starrst immer noch nach vorne als ob es da was zu sehen gibt.“ 
Er hob seine Hand und drehte mien Gesicht nach links. Bei der Berührung bekam ich Gänsehaut. Ich sah ihm nun direkt in die Augen. 
Emre: „Hier bin ich.“ 
Er lächelte mich an. Was für ein schönes Lächeln er doch hatte .. 
Emre: „Nochmal von vorne, wie geht’s dir?“ 
Sibel: „Frägst du aus Langeweile oder willst du’s wirklich wissen?“ 
Was zum Teufel war in mich gefahren? Diesmal war er derjenige, der den Blick nach vorne richtete. 
Sibel: „Es tut mir leid ich ..“ 
Emre: „Schon okay. Ist dein gutes Recht zu fragen, aber ich denke du kennst die Antwort.“ 
Er sah mich wieder an. Dann nahm er meine Hand. Mein Verstand sagte, dass ich meine Hand wegziehen sollte. Aber mein Körper reagierte nicht. Ich fing an zu zittern. 
Emre: „Ist dir kalt?“ 
Ich schüttelte wortlos meinen Kopf. 
Emre: „Wieso zitterst du?“ 
Ich sah ihn mit großen Augen an. 
Sibel: „Tu ich doch gar nicht.“ 
Endlich schaffte ich es ihm meine Hand zu entziehen. Ich verfluchte die Straßenlaterne, die direkt neben dem Wagen stand, denn ich spürte wie ich rot anlief. Ich senkte meinen Blick. Unglaublich in was für einer Situation ich mich befand. Ich saß mit dem Bruder meiner besten Freundin im Auto, starb fast vor Nervösität und Herzklopfen, während mein Freund wahrscheinlich schon auf mich wartete um mit mir ins Kino zu gehen.
Emre: „Sibel ich will dir was sagen...“ 
Ich schwieg. Er legte eine Hand unter mein Kinn und hebte es, sodass ich ihm direkt in die Augen sah. 
Emre: „Schau mich bitte an.“ 
Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Verdammt ich hatte einen Freund! Was hier gerade passierte war falsch. Und trotzdem unternahm ich nichts dagegen .. 
Er kam näher .. immer näher. Mein Herz schlug mir bis zum Hals...

Kapitel 12

Er legte seine Hand auf meine Wange. „Sibel ich ..“ Das klingeln meines Handy unterbrach ihn. Er kniff die Augen zusammen und stieß einen leisen Seufzer aus.
„Es tut mir leid , ich ...“ meine Stimmte versagte. 
Emre: „Schon okay, nimm ab. Ist bestimmt Tolga ..“ 
Er hatte Recht, es war Tolga. Emre startete den Motor und fuhr weiter. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Einerseits wollte ich wissen was er zu sagen hatte, andererseits hatte ich auch Angst .. Ich nahm ab. 
Sibel: „Ja?“ 
Tolga: „Süße wo bist du?“ 
Sibel: „Ich bin gleich zu Hause, wo bist ...“ 
Ich brach mitten im Satz ab. Etwa 20 Meter vor unserem Haus, sah ich wie Tolga bereits auf mich wartete. Ich bekam Panik. Ich sah wie Emre mir einen Blick zuwarf. 
Emre: „Hoffe ich mache dir keine Probleme, weil ich dich nach Hause fahr?“ 
Sibel: „Nein quatsch ...“ 
Er hielt hinter Tolgas Auto an, ich nahm einmal tief Luft und stieg aus. Emre folgte mir.
Tolga: „Wo warst du? Und wieso fährt dich ein fremder Typ nach Hause?“ 
Sibel: „Fremder Typ? Das ist Emre, du kennst ihn doch ..“ 
Tolga: „Trotzdem ist er fremd!“
Ich war ganz ehrlich überrascht, Tolga hatte bis jetzt noch nie irgendwelche Anzeichen von eifersucht gezeigt, aber diesmal rastete er förmlich aus. 
Emre: „Chill mal Kumpel, oder vertraust du deiner Freundin nicht?“ 
Meine Augen weiteten sich. Tolga näherte sich Emre. Ich stand hilflos da und sah von einem zum anderen. 
Sibel: „Tolga bitte..“
„Sei still Sibel,“ sagte er ohne den Blick von Emre zu nehmen. 
Tolga: „MEINER Freundin vertrau ich, aber dir vertrau ich nicht!“ 
Er tippte mit den Finger auf dessen Brust. Ich war den Tränen nahe, ich zitterte am ganzen Körper. Emre sah mich, machte einen Schritt zurück und sagte: „Tut mir leid Sibel, wollte dir keine Probleme machen.“ Ich blickte beschämt zu Boden. Er stieg in den Wagen, und fuhr weg .. Ich stand immer noch wie angewurzelt da, eine Träne kullerte meine Wange herunter. 
Tolga: „Wieso weinst du Süße?“ Er hob mein Gesicht etwas an und sah mir in die Augen. 
Er gab mir einen kurzen Kuss und sagte: „Lass uns fahren, sonst verpassen wir den Film.“ Ich nickte... 

Während der Fahrt sprachen wir nur wenig. Wir sahen uns den Film Pitch Perfect an, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Mir ging Emre nicht aus dem Kopf… Immer wieder hatte ich die Szene im Wagen vor Augen, sein wundervolles Lächeln, seine glänzenden Augen, seine Hand auf meiner Wange.. 
"Gefällt dir der Film nicht Süße?" Tolga riss mich aus meinen Gedanken. 
Sibel: “Klar, er ist toll." Er küsste mich.
Sibel: "Ich muss kurz auf die Toilette, bin gleich wieder da." 
Ich ging aus den Kinosaal und schnappte erst mal nach frischer Luft. Ich brauchte Zeit.. Zeit zum nachdenken. Ich ging auf die Toilette. Während ich meine Hände wusch tauchte plötzlich Tolga auf und umarmte mich von hinten. 
"Was machst du hier?" rief ich schockiert. 
Tolga: "Ich hab dich vermisst." 
Sibel: "Wenn ich dich jemand hier drinn sieht, kriegst du Ärger." 
Tolga: "Ach die schauen alle den Film, es wird schon keiner kommen." 
Er fing an mich zu küssen. Dann hob er mich hoch und setzte mich auf die Waschbecken. Erst erwiederte ich den Kuss, doch dann gingen seine Händen unter mein T-Shirt... er küsste meinen Hals, saugte daran und flüsterte immer wieder: „Ich liebe dich.“ Seine Hände strichen über meinen Rücken. „Lass das Tolga, wenn jemand kommt...“ Dann machte er sich an meinen Bh zu schaffen. „Stop!“ sagte ich. Er liess mich immer noch nicht los. Ich drückte ihn von mir weg. 
„Tolga stop ich will das nicht ..“ sagte ich nochmal, diesmal etwas lauter. 
„Komm schon Süße, ich liebe dich doch,“ keuchte Tolga.

Kapitel 13

„Hör auf Tolga ich will das nicht!“ Ich stieß ihn weg und sprang vom Waschbecken. 
Tolga: „Was ist denn los? Liebst du mich nicht?“
Ich sah ihn fassungslos an. Eine gute Frage war das.... 
Er kam wieder auf mich zu und wollte mich küssen. 
Sibel: „Lass es bitte ...“ 
Tolga: „Es tut mir leid Süße ich wollt dich nicht bedrängen.“ 
Er nahm mich in den Arm ... nach kurzem Protest liess ich es zu. Er strich mir durch die Haare und küsste meinen Kopf. „Es tut mir leid,“ flüsterte er mir immer wieder zu. 
Sibel: „Ich will nach Hause ..“ 
Er fuhr mich nach Hause und während der ganzen Autofahrt sagte keiner von uns ein Wort. Als wir ankamen und ich aussteigen wollte sagte Tolga: „Warte...Sibel bist du sauer?“ 
„Tolga ich bin müde und will schlafen.“ sagte ich ausweichend. Ich hatte wirklich keine Lust jetzt darüber zu reden. Mein Kopf dröhnte und mein Magen rebellierte. Ich wollte einfach nur in mein Bett. 
Tolga: „Okay süße, schlaf gut. Ich ruf dich morgen an.“ 
Er gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich stieg aus und lief ohne mich nochmal umzudrehen ins Haus. Ich rannte direkt ins Bad und übergab mich. Pinar, die noch wach war stand hinter mir und hielt mich fest. 
Pinar: „Was hast du Abla (Schwester)?“ 
Sibel: „Hab bestimmt was falsches gegessen.“ 
„Soll ich Papa rufen?“ fragte sie besorgt.
„Nein! Ist nichts schlimmes, das musste raus, jetzt fühl mich ich besser,“ versuchte ich sie beruhigen. Ich spülte mein Mund aus und wusch mir die Hände. Pinar stand immer noch im Bad und sah mich besorgt an. 
Sibel: „Hade (Auf) geh schlafen, mir geht’s gut. Ich will noch kurz duschen und geh dann auch ins Bett.“ 
„Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen du bist schwanger,“ platzte es aus ihr heraus. Ich warf lachend das Handtuch nach ihr. „Salak (Idiot) hau ab,“ rief ich ihr nach während sie aus dem Bad huschte. Ach wie ich sie liebte, meine kleine Schwester. Sie ist die einzige die mir nach so einem Scheiss Tag noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Nachdem ich fertig geduscht hatte, stieg ich in meinen Bademantel und ging in mein Zimmer. Ich föhnte kurz meine langen Haare, streifte mir meinen Pyjama über und legte mich ins Bett. Mein Handy klingelte. 
Es war Selma. „Canim wie war Kino, bist du schon zu Hause?“ fragte sie. 
„Ja ich lieg schon im Bett, Kino war ganz okay,“ antwortete ich. Wie es aussah hatte Emre ihr nichts von dem Vorfall mit Tolga erzählt. Wir unterhielten uns noch eine Weile aber erst nachdem ich gefühlte 100 mal gesagt hatte das ich total müde sei und schlafen will legte sie endlich auf. Tausend Gedanken kreisten in meinen Kopf, die mich davon abhielten einzuschlafen. Ich stand auf und tapste ins Bad. Ich öffnete den Spiegelschrank und fand Papas Schlaftabletten. Er litt schon seit Jahren an Schlafproblemen, seit Mamas Tod war es besonders schlimm geworden. Ich nahm also eine Kapsel und spülte sie mit einem Glas Wasser herunter. Ich schlich zurück in mein Zimmer und kroch in mein Bett. Nach ein paar Minuten überkam mich dann endlich die Müdigkeit. 

„Alter das Weib ist voll schlimm, wie ne Nonne!“ Tolga hatte sich mit Kevin in der Shisha Bar getroffen. „Hab doch gesagt das wird ne harte Nuss,“ lachte Kevin. 
Tolga: „Ja ne harte Nuss .. aber ich werd sie knacken!“
Wütend schlug er auf den Tisch. 
Kevin: „Ruhig Bro, hast ja noch knapp n Monat Zeit.“ 
Tolga: „Can ist auch voll der Spast, redet von Heirat mit dieser Selma.“ 
Kevin: „Ach lass den, der wird das eh nicht durchziehen.“ 
Kevin stand und auf und holte noch was zu trinken. 
„Und wie ich dich knacken werde Sibel .. ob du’s willst oder nicht,“ murmelte Tolga vor sich hin. 

Am nächsten Tag stand Tolga mit Rosen und Schokolade vor meiner Tür. Pinar und Papa waren einkaufen gegangen, ich war also alleine zu Hause. 
„Tut mir leid wegen gestern Süße, ich hoffe du bist nicht sauer auf mich,“ entschuldigte er sich wieder. 
Sibel: „Ich bin nicht sauer Tolga, nur enttäuscht, weil ... ich weiss nicht.“ 
Er umarmte mich und gab mir einen Kuss. 
Tolga: „Es tut mir leid Süße, ich liebe dich doch. Ichw eiss nicht was gestern in mich gefahren ist, du machst mich einfach verrückt. Das wird nicht wieder vorkommen.“ 
Ich lächelte schwach. Tolga strich mir über die Wange. 
„Du siehst so blass aus, geht’s dir gut Süße?“ fragte er besorgt. 
Ich war wirklich blass und fühlte mich scheisse, das lag aber an meiner Periode.
Sibel: „Ach mir geht’s gut hab nur ein bisschen Bauchschmerzen.“
Tolga nickte wissend. „Soll ich reinkommen und mich um dich kümmern?“ 
„Nein danke, meine Tante kann jeden Moment kommen,“ log ich. 
Ich wollte nicht das er ins Haus kommt. Ich hatte so ein komisches Gefühl im Magen, ich wollte nicht allein mit ihm sein ... 
Tolga: „Okay dann geh ich lieber Süße, ich ruf dich an.“
Er gab mir nochmal einen Kuss und ging dann. Endlich. Ich schloss die Tür und lehnte mich dagegen. Was sollte ich nur machen? Die Szene im Kino gestern beunruhigte mich, mir kamen wieder Selmas Worte in den Kopf. „Er liebt dich nicht, er spielt mit dir.“ 
Liebte ich ihn überhaupt noch? Ich wusste es nicht ... 

Die Woche verging wie im Flug, ich nahm mir Zeit um mir über meine Gefühle im klaren zu werden. Ich wusste nun was ich wollte .. 

Es war Sonntag ich langeweilte mich zu tode. Papa und Pinar waren zu Verwandten gefahren. Ich griff zum Telefon und tippte Selmas Nummer ein. 
Sibel: „Canim komm zu mir, ich gammel hier vor mich hin.“ 
Selma: „Oh du arme, ich würd ja gern kommen aber ich bin mit Mama bei Tante.“ 
Sibel: „Uff, dann zieh ich mir n paar Filme rein ..“ 
Selma: „Mach das. Ich komm Morgen vorbei tamam (okay).“ 
Sibel: „Tamam .. ich muss dir nämlich noch was wichtiges erzählen.“ 
Ich legte grade auf, als es an der Tür klingelte. Wer konnte das sein? 
Ich öffnete die Tür und hielt den Atem an ....

Kapitel 14

„Hey .. stör ich?“ Es war Emre! Mit ihm hatte ich am wenigsten gerechnet. Ich sah an mir herab und merkte wie scheisse ich aussah. Jogginghosen und ein Top hatte ich an, totaler Schlabberlook eben. Meine Haare standen zu allen Seiten ab. Und das schlimmste war, ich war komplett ungeschminkt! Gott wie peinlich. 
Sibel: „Hey .. ich ehm .. nein du störst nicht.“ 
Er muss gemerkt haben, wie unwohl ich mich fühlte. 
Emre: „Lange nicht gesehen .. toll siehst du aus.“ 
Ich hob lächelnd die Augenbraue und sah noch einmal an mir herab.
„Oh ja .. ich sah nie besser aus,“ meinte ich ironisch. 
Emre: „Ich wollt mich nochmal entschuldigen wegen letzens ..“ 
Mein Lächeln verschwand. Wegen letzens? Meinte er die Szene im Wagen oder das mit Tolga? Ich sah ihn verwirrt an. 
Sibel: „Was .. was meinst du?“ 
Emre: „Das mit Tolga, ich wollt dir keine Probleme ..“
„Hast du nicht,“ unterbrach ich ihn. Er sah mich lächelnd an. Einen Moment lang standen wir nur schweigend da, verlegen trat ich von einen Bein aufs andere. 
Sibel: „Willst du nicht reinkommen? Hab frischen Tee aufgekocht.“ 
Verdammt! Was um Himmels Willen war in mich gefahren? Ich war alleine zu Hause .. 
Emre, der überrascht aber auch sichtlich froh war sagte: „Klar, Cay geht immer.“ 
Ich trat also einen Schritt zurück und liess ihn rein. Oh Gott wie gut er roch! Ich führte ihn ins Wohnzimmer. 
Sibel: „Ich geh kurz in die Küche .. setz dich schon mal.“ 
Ich rannte ins Bad und versuchte das Chaos auf und in meinem Kopf in Ordnung zu bringen. „Oh mein Gott,“ murmelte ich vor mich hin. Ich band mir die Haare zu einen Pferdeschwanz und ging in die Küche. Dann brachte ich Emre einen Tee und setzte mich mit meiner Tasse ans andere Ende der Couch. Ein paar Minuten lang saßen wir wortlos da ... Emre brach das Schweigen. 
Emre: „Das hab ich ernst gemeint vorhin...“ 
„Was?“ fragte ich ein wenig verwirrt. 
Emre: „Das du toll aussiehst.“ 
Sibel: „Gammellook, es ist Sonntag ..“ 
„Trotzdem siehst du toll aus,“ fiel er mir lächelnd ins Wort.
Mein Atem ging schlagartig schneller. Verlegen wendete ich meinen Blick von ihm. 
Sibel: „Danke ..“ 
Ich nippte nervös an meinen Tee... 
Emre: „Wie geht’s dir sonst so?“ 
Sibel: „Ganz gut und dir?“ 
Emre: „Auch.“ 
Es folgte erneut Minuntenlanges Schweigen. 
Emre: „Wie läuft’s mit Tolga?“ 
Bamm, die Frage hatte gegessen. Ich lief rot an, nahm einen schnellen Schluck von meinem Tee und verschluckte mich dabei. Emre stand auf und klopfte mir sanft auf den Rücken. „Geht’s wieder?“ fragte er besorgt. Seine Hand lag immer noch auf meinen Rücken. Die Berührung erwärmte meinen Körper und mein Herz schlug so laut, das ich befürchtete Emre könnte es hören. Ich stand ruckartig auf. 
„Ich ehm ja .. sorry ..“ stotterte ich. 
„Es tut mir leid,“ sagte er und setzte sich wieder. 
Ich sah ihn fragend an.
Emre: „Wegen der Frage eben.“ 
Sibel: „Ich ehm ...“ 
Emre: „Das sollte mich eigentlich gar nicht interessieren.“ 
Sibel: „Ist schon okay .. ich .. willst du noch Tee?“ 
Ich sah das Emres Teeglas leer war und wollte es nachfüllen.
Emre: „Ja eins geht noch.“ 
Ich wollte grad das Glas nehmen als Emre nach meiner Hand griff. Er lächelte mich an. Emre: „Kannst du dich kurz setzten ich will dir was sagen ..“ 
Sibel: „Ich ehm .. nein .. ich meine ja aber ich geh erst Tee holen.“ Ohne auf seine Antwort zu warten eilte ich in die Küche, wo ich erstmal nach Luft schnappte. 
„Oh mein Gott .. Oh mein Gott,“ flüsterte ich leise vor mich hin. Ich atmete noch ein paar mal ein und aus. Als ich mich umdrehte stand plötzlich Emre mit dem Teeglas an der Küchenschwelle. Er kam auf mich zu. 
„Ich glaub du hast das vergessen,“ sagte er schmunzelnd. Verdammt, wie dumm ich war. 
Als er mir das Glas reichte, berührten sich unsere Hände. Gänsehaut durchfuhr mich, das Glas glitt mir aus der Hand und viel krachend zu Boden. Auch das noch! Alles ging schief. Ich ging in die Hocke um das Chaos zu beseitigen. Emre half mir. 
Sibel: „Nein lass ich mach das schon.“ 
Emre: „Pass auf sonst schneidest du dich.“ 
Ich richtete mich gerade wieder auf, als Emre nach meinen Handgelenk griff. 
„Sibel, hör mir bitte kurz zu,“ sagte er leise.
Ich bekam Panik und biss mir nervös auf die Unterlippe. Ich senkte meinen Blick. Sanft zog er mich an sich und hob mein Kinn an, sodass ich direkt in seine wunderschönen braunen Augen sah. Dann strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 
Emre: „Sibel, ich ..“ Langsam kamen seine Lippen näher ...

Kapitel 15

Er kam immer näher, mein Herz überschlug sich und seins tat es auch. Ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Als nur noch ein paar Zentimeter zwischen unseren Lippen waren sagte er: 
„Sibel ich liebe dich! Ich weiss vielleicht mach ich grad einen Fehler aber ..“ seine Stimmte versagte. Er sah mir tief in die Augen. Ich verspürte ein Ziehen im Bauch, als ich zu ihm hochsah, seinem Blick erwiderte. Dann küsste er mich. Ein unbeschreibliches Gefühl. Es waren nicht nur seine Lippen die mit meinen verschmolzen. Ich war erleichtert das er so empfand wie ich. Unser Kuss wurde inniger. Die ganzen Gefühle, die ich mir solange nicht eingestehen wollte, drohten mich zu überwältigen. Doch dann machte es ‚Klick’ in meinem Kopf. Ich liess von seinen Lippen, löste mich von seinen Griff und schnappte nach Luft. Ich hatte einen Freund. Ich hatte mich bereits vor ein paar Tagen dazu entschieden die Sache mit Tolga zu beenden. Aber offiziel war ich immer noch seine Freundin. Was müsste Emre nur von mir denken? Ich blickte beschämt zu Boden. 
„Emre ich ..“ meine Stimme bebte. Ich nahm tief Luft und wollte fortfahren als plötzlich Pinar an der Küchentür stand. Sie schaute erst mich und dann Emre an. 
„Pinar was machst du hier?“ fragte ich geschockt. 
Pinar: „Ben (Ich) .. mir war langweilig bei Tante und .. ehm..“ Sie war sichtlich verwirrt. 
Emre: „Ich glaub ich geh dann mal ..“ 
Ich rührte mich nicht. Schweigend schaute ich ihn an. Unsere Blicke trafen sich und mein Herz drohte stillzustehen. Dann ging er. Ich atmete tief aus. 
„Abla (Schwester), was wollte er hier?“ fragte Pinar mich. 
„Ich hab mein Ladegerät bei Selma vergessen, Emre hat’s vorbei gebracht,“ log ich. 
Sie schien mir zu glauben, denn gleich darauf änderte sie das Thema. 
Pinar: „Komm lass Filme gucken, Baba (Papa) kommt erst heute Abend.“ 
Sibel: „Tamam (okay) , geh schon mal vor ich muss kurz telen.“ 
Nachdem sie ging, setzte ich mich erst mal hin. Ich musste meine Gefühle sortieren und mich entscheiden wie ich nun vorging. Ich holte mein Handy & wählte Selmas Nummer. 
„Hast du mich vermisst?“ nahm sie lachend ab. 
„Selma kannst du bitte kommen? Jetzt ..“ antwortete ich kaum hörbar.
Ihre Stimme wurde schlagartig ernst. 
Selma: „Was ist los canim? Wo bist du?“ 
Sibel: „Zu Hause ..“ 
Selma: „Ich bin in 1 Stunde da, ich fahr sofort los.“ 
Das liebte ich an ihr. Sie war immer für mich da, ohne viele Fragen zu stellen. Wenn ich sie brauchte, liess sie alles stehn und liegen. Ich griff erneut zum Handy aber diesmal wählte ich Tolgas Nummer .. besetzt! Na toll, dann muss das eben warten. Ich beschloss es nachher nochmal zu versuchen. Ich setzte mich zu Pinar ins Wohnzimmer und wartete auf Selma ... 


Nach etwa einer Stunde war sie endlich da. Ich umarmte sie erstmal fest. 
„Noldu (Was ist los)? Mach mir keine Angst,“ sagte sie besorgt. Ich lächelte schwach. 
„Pinar, ich bin mit Selma oben, ich hab Spagetthi gekocht, falls du Hunger hast,“ rief ich ins Wohnzimmer. 
Pinar: „Tamam (Okay) abla.“ 
Ich hatte gerade meine Zimmertür geschlossen als Selma anfing mir aufgeregt Fragen zu stellen.
Selma: "Jetzt sag schon was los ist, willst du mich umbringen man?"
"Ich werd mit Tolga Schluss machen," platze es aus mir heraus. Uff was für eine Erleichterung! Selma sah mich erst überrascht an. Dann fing sie an zu lachen und fiel mir um den Hals. 
"Yes! Endlich! Mein Gott," schrie sie.
Sibel: "Nicht so laut Pinar hört dich." 
Ihr Lachen war so herzlich das auch mir ein Lächeln über die Lippen kam. 
"Da ist noch was, das du wissen musst.." sagte ich. Mein Blick wurde wieder ernst. Selma: "Hau es raus? Mir kann nach der Nachricht nichts mehr die Stimmung vermiesen."
"Dein Bruder .. er hat mich heute geküsst.." flüsterte ich kaum hörbar. Selmas Augen weiteten sich. "Er hat was?" fragte sie ungläubig. 
"Du hast schon richtig gehört," sagte ich leise. Selma fing an zu grinsen. 
"Warte... hat ER dich geküsst oder habt IHR euch geküsst?" 
Ich spürte wie ich rot anlief, woraufhin Selma erneut anfing zu lachen.
Ich erzählte ihr alles. Sie war so glücklich darüber, immer wieder umarmte sie mich. 
"Ich muss jetzt aber los canim, hab Mama einfach alleine bei Tante gelassen," sagte Selma nach ein paar Stunden. Ich begleitete sie zur Tür und versprach ihr sie anzurufen sobald ich das mit Tolga geklärt hatte. Ich ging in mein Zimmer, griff nach meinem Handy und wählte erneut Tolgas Nummer.
Tolga: "Hey Süße hab dich vermisst, wollte dich grade anrufen."
Sibel: "Hey.. Tolga können wir uns Morgen treffen? Wir müssen reden." 
Tolga: "Ja klar Süße, worum geht's denn?" 
Ich wollte nicht am Handy Schluss machen... "Tolga mein Papa ruft mich, wir reden dann Morgen drüber," sagte ich ausweichend. 
Tolga: "Okay Süße gute Nacht bis dann. Ich liebe dich." 
Sibel: "Gute Nacht."

Tolga stand in seinem Zimmer und warf sein Handy auf sein Bett. 
„Kein Schatz, kein ich liebe dich auch. Und das schon seit mehreren Tagen. Jetzt kommt noch das gute alte wir müssen reden hinzu ... oh Sibel du Schlampe, wenn du vor hast Schluss mit mir zu machen, wirst du das bitter bereuen ..“ murmelte er vor sich hin.

Kapitel 16

Ich konnte nicht schlafen, unruhig wälzte ich mich die ganze Nacht im Bett rum. Ich war so aufgeregt, musste ständig an den Kuss denken. Aber schlimmer war das ich irgendwie Angst hatte .. Angst vor Tolgas Reaktion. 

Der nächste Tag verging überraschend schnell, kaum hatte ich gefrühstückt und ein bisschen geputz als es schon Nachtmittags war. Mein Handy klingelte. Tolga! 
Sibel: „Hey..“ 
Tolga: „Hallo Süße, wie geht’s dir?“ 
Sibel: „Ganz gut, dir?“ 
Tolga: „Mir geht’s prima, weil ich weiss das ich dich nachher sehen werde.“ 
Sibel: „Können wir uns gleich vor der Uni treffen?“ 
Tolga: „Süße ich kann grad nicht muss für meinen Vater was abholen, wir wär’s wenn wir uns heute Abend in der Shisha Bar treffen?“ 
Ich hatte ein mulmiges Gefühl als er das sagte .. aber da ich es heute noch hinter bringen wollte war ich einverstanden. Ich wollte nicht länger warten, ich musste Emre von meinen Gefühlen erzählen. Er muss wissen das auch ich ihn liebe. Ich hatte Selma gestern drum gebeten nichts zu sagen und ich betete zu Gott das sie ihr Versprechen nicht brach. Ich wollte es ihm selber sagen .. ihm dabei in seine wunderschönen Augen sehn.


Ich vertrieb mir die restliche Zeit damit zu lernen. Bald stand die letze Klausur des Semesters an. Nach etwa 2 Stunden in denen ich pausenlos gebüffelt hatte, griff ich zum Handy und rief Selma an. 
„Canim benim (Mein Schatz) was machst du so?“ schrie sie förmlich ins Handy. 
„Lernen für Klausur,“ antwortete ich lächelnd. 
Selma: „Scheiss mal auf Klausur, hast du schon mit Tolga geredet?“ 
Sibel: „Nein noch nicht.“ 
Selma: „Wieso denn?“ 
„Uff man, der ist grad beschäftigt,“ ich atmete einmal tief aus und fuhr dann fort. 
„Ich geh nachher Shisha Bar, der will mich dort sehen.“
Selma: „Man ey, mach doch einfach am Handy Schluss, der Spasti hat nichs anderes verdient.“ 
Sibel: „Yapma (Hör auf) Selma, er war die ganze Beziehung über nett zu mir..“
„Was ist mit dem Abend im Kino?“ unterbrach sie mich. 
Ich schwieg einen Moment. 
Sibel: „Du hast Recht, aber ..“ 
„Nichts aber Sibel!“ erneut liess sie mich nicht aussprechen. 
Sibel: „Ich hab jetzt schon zu gesagt und ich find es besser, wenn ich es ihm persönlich sage.“ 
Selma: „Du bist so ein Dickkopf, ruf mich nachher an ich muss jetzt mit Mama los.“ 
Sibel: „Tamam (Okay) bitte sag Emre noch nichts!“ 
Selma: „JaJa ich weiss, hade öptum (Ich küsse dich).“ 
Ich sah auf mein Handy, das kurz vor 20 Uhr anzeigte. Ich ging in mein Zimmer, zog mir eine Jeans und ein Oberteil an. Ich legte nur Mascara auf. Ganz schlicht eigentlich, ich wollt nur kurz mit ihm reden und dann wieder nach Hause kommen. Woher sollte ich wissen das es ganz anders kommen würde? 

Ich ging in die Shisha Bar und sah mich um. Keine Spur von Tolga. Ich setzte mich in eine Ecke und wartete. Als er nach 20 Minuten immer noch nicht auftachte, rief ich ihn an. Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm er endlich ab. 
„Wo bist du?“ fragte ich. 
Tolga: „Bin gleich da Süße, hab eben geparkt.“ 
Nach 2 Minuten kam er dann auf mich zu. Ich stand auf. Als er mich küssen wollte machte ich einen Schritt zurück. Er hob fragend die Augenbraue. 
Sibel: „Tolga wir müssen reden .. über uns.“ 
Tolga: „Was gibt’s denn Süße? Hier ist es ziemlich laut, warte.“ 
Er packte mich am Arm und zog mich in Richtung der Toiletten, wo es deutlich ruhiger war. Ich nahm einmal tief Luft. 
Sibel: „Tolga ich will ehrlich zu dir sein, ich ..“
„Du willst Schluss machen oder?“ unterbrach er mich. Seine Augen funkelten böse. 
„Ich .. ich glaub es ist besser so,“ stotterte ich leise. 
„Willst du mich eigentlich verarschen? Es ist wegen dieser Schwuchtel Emre oder?“ schrie er und packte mich an beiden Armen. 
Ich war schockiert, mein Mund war leicht aufgeklappt. Ich sah in seine hasserfüllten Augen, als er plötzlich wieder von mir liess. Ich stand immer noch total schockiert da und brachte keinen Ton über die Lippen. Tolga fuhr sich einmal durch die Haare und sagte dann leise: "Es ist wegen ihm oder?" 
Ich blickte zu Boden und nickte kaum merklich. Ich wollte nicht lügen. 
Sibel: "Es tut mir leid.." 
Dann ging ich wieder rein und setzte mich erstmal hin.

"Du dumme Schlampe," flüsterte Tolga vor sich hin, nachdem Sibel gegangen war. Er holte ein kleines Fläschchen aus der Hosentasche, die eine klare Flüssigkeit enthielt. "Wirst ja sehen was du davon hast," sagte er leise, nur für sich hörbar und ging dann wieder rein... 

Nachdem ich mich einigermassen beruhigt hatte, stand ich auf und wollte gehn, als Tolga mir entgegen kam. Mit zwei Gläsern in der Hand stand er lächelnd vor mir. Er reichte mir eines.
Sibel: "Tolga ich.." 
"Auf die Freundschaft," unterbrach er mich. "Wir werden doch Freunde bleiben?". 
Die Worte kamen überraschend und zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht.
Ich griff zum Glas und trank. Tolga grinste triumphierend...

Kapitel 17

Ich trank ein paar Schlücke, denn ich war irgendwie erleichtert das er doch noch so Vernünftig reagierte. Tolga stand schweigend da und lächelte. Ich wusste nicht wieso aber dieses Lächeln irritierte mich .. 
Sibel: "Ich bin froh das du nicht sauer.." 
Ich brach mitten im Satz ab. Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen, ich musste mich an Tolga festhalten sonst wäre ich nach vorne gekippt.
"Alles okay?" fragte er mit gespielter Besorgnis. 
"Ja .. ich .. ich hab heute nicht viel gegessen, liegt bestimmt daran," antwortete ich leise. Ich hielt meine Hand vor meinen Mund, mir war irgendwie übel.
Sibel: "Kannst du mich bitte nach Hause fahren?" 
Auf den Weg zu Tolgas Wagen, musste ich mich immer wieder an ihn klammern. Alles vor meinen Augen begann zu schwanken. Er öffnete mir die Autotür und sagte: "Steig ein Süße." Dieses "Süße" klang wie Gift in meinen Ohren .. 

Mir war kotzübel. Ich sah aus den Augenwinkeln wie Tolga bis über beide Ohren grinste. Ich dachte einen kurzen Moment an den Drink.. ich schloss kopfschüttelnd meine Augen. Nein. Nein, das hat er nicht gemacht. Ich nahm tief Luft und öffnete wieder meine Augen. Ich war nicht in der Lage klar zu denken, aber ich merkte das Tolga in die falsche Richtung fuhr. 
"Tolga du hättest abbiegen müssen," sagte ich leise. 
Ich sah ihn an. Statt zu antworten grinste er. Ich bekam Panik. Ich versuchte mein Handy aus meiner Tasche zu nehmen, doch Tolga griff danach und warf sie auf's Rücksitz. Er lachte höhnisch. 
"Du dreckiger Hund," zischte ich leise. 
"Was hast du ins Drink getan, ich .. fahr mich nach Hause.. bitte."
Meine Stimme versagte. Ich fühlte mich kraftlos und müde. Mein Magen rebelierte, ich war kurz davor mich zu übergeben. Langsam fielen meine Augen zu, und es sollten Stunden vergehen bis ich sie wieder öffnen könnte .. 

Tolga trug Sibel die Treppen zu seiner Wohnung hoch und öffnete die Tür. Er lief geradewegs ins Schlafzimmer und legte sie auf sein Bett. Dann begann er sie zu entkleiden .. „Gar nicht mal so übel die kleine,“ flüsterte er vor sich hin. 

„Geh verdammt nochmal an dein Handy Sibel!“ 
Selma lief in ihrem Zimmer auf und ab. Sie versuchte bereits seit 2 Stunden Sibel zu erreichen. Vergeblich! Langsam machte sie sich Sorgen. Sie beschloss zu Hause bei ihr anzurufen. Es klingelte ..! Pinars Stimme ertönte aus dem Anrufbeantworter! 
„Hallo, wir sind leider nicht zu Hause. Onkel ist krank, wir sind kurzfristig nach Berlin gefahren, hinterlassen sie bitte ihre Nachricht.“ 
Selma atmete tief aus und legte sich dann erleichtert in ihr Bett. Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen, das dachte sie zumindest... 

Ihr Handy klingelte ununterbrochen. Tolga nahm es und sah das Selma mehr als 20 mal angerufen hatte. Ihr Vater und ihre Schwester hatten ebenfalls versucht sie zu erreichen. Dann musste er an Emre denken. Es war seine Schuld das er die K.O Tropfen anwenden musste .. er war sich sicher das Sibel ihn mit der Zeit auch so rangelassen hätte. 
Er machte mehrere Bilder von Sibel .. mit IHREM Handy, und verschickte sie via Whatsapp an Emre. „Meine kleine Rache, du Schwuchtel,“ murmelte er vor sich hin und grinste Vergnügt. 

Es war 2 Uhr Morgens als Emre durch die Vibration seines Handy aufwachte. Als er sah das Sibel ihm geschrieben hatte, lächelte er. Doch dann .. es war ein Bild .. von ihr. Sie lag schlafend auf einem Bett und hatte dazu geschrieben: „Schatzi hat mich während dem Schlafen fotografiert, wie süß von ihm.“ 2 Minuten später schrieb sie dann: „Upps das sollte nicht an dich.“ Emre saß schockiert auf seinem Bett, eine einzelne Träne kullerte ihm die Wange herab. „Wieso Sibel? Wieso?“ fragte er sich immer wieder... 


Langsam öffnete ich meine Augen und sah mich irritiert um. Ich stand total neben mich, fühlte mich matt und verkatert. Ich war nicht zu Hause, ich war in irgendeinen fremden Zimmer. In einen fremden Schlafzimmer! Ich riss schockiert meine Augen auf, doch als ich mich bewegen wollte, durchzuckte mich ein stechender Schmerz im Unterleib. Ich bekam Panik, langsam richtete ich mich auf. Und dann sah ich es. Einen kleinen roten Blutfleck auf der Bettlake. Ich gab einen ohrenbetäubenden Schrei von mir, als im nächsten Moment Tolga ins Zimmer stürzte .. 
„Du ehrenloser Hund. Du dreckiger Bastard,“ schrie ich! 

Kapitel 18

„Was hast du getan?“ schrie ich mit bebender Stimme. 
„Du meinst was haben WIR getan?“ gab er lachend zurück. 
Ich griff mit beiden Händen an meinen Kopf. Mein Schädel brummte, alles drehte sich.
Das letzte an was ich mich errinern konnte war, das ich in der Shisha Bar mit Tolga Schluss machen wollte... was danach passierte war weg. Einfach weg! 
Tolga stand immer noch lachend am Türrahmen. 
„Du dreckiger Vergewaltiger,“ zischte ich. 
„Vergewaltiger? Du wolltest es auch Süße,“ sagte er immer noch lachend. 
Ich griff nach der Uhr die auf dem Nachttisch stand und warf sie auf Tolga. Er machte einen Schritt zur Seite und sah mich jetzt wütend an. 
„Du lügst! Du lügst du ehrenloser Hund!“ brüllte ich. 
Mein Magen rebellierte. Auf einmal wurde mir wieder schwindelig. Ich kippte nach vorne und fiel unsanft auf die Knie. Dann übergab ich mich. 
„Jetzt kotzt du mir noch die Bude voll,“ jammerte Tolga.
Ich hob meinen Kopf und sah ihn voller Hass in die Augen. 
„Zieh dich an und verschwinde aus meiner Wohnung,“ sagte er und verließ das Zimmer. 
Ich stand schwankend auf und setzte mich erst mal auf’s Bett. Dann nahm ich meine Klamotten die auf den Boden lagen und zog mich langsam an. Ich wollte weinen. Ich wollte schreien. Aber ich konnte nicht. Ich fühlte mich elend, dreckig und kraftlos. 
Mein Handy lag auf dem Nachttisch. Als ich danach griff, galt mein erster Gedanke Emre. Wie sollte ich ihm je wieder in die Augen schauen? Tolga hatte alles kaputt gemacht. ICH hatte alles kaputt gemacht! Ja es war meine Schuld. Ich hätte auf Selma hören müssen und am Handy Schluss machen sollen. Ich hätte nicht in die Shisha Bar gehen dürfen .. Ich sah auf mein Handy Display. Selma und Pinar hatten merhmals versucht mich zu erreichen. Oh mein Gott, es war bereits 13 Uhr! Pinar hatte mir eine Sms geschrieben. „Abla (Schwester) mach dir keine Sorgen um uns, wir sind in Berlin Onkel ist krank. Im Ofen gibt’s Hühnchen. Wir kommen erst in ein paar Tagen nach Hause. Ich hoffe du wirst mich nicht allzusehr vermissen, öptum (ich küsse dich).“ 
Ich atmete einmal tief aus und vergrub mein Gesicht in meine Hände. Dann stand ich auf und verließ die Wohnung .. 


Ich hatte keine Ahnung wie ich es geschafft hatte nach Hause zu kommen. Ich schloss die Tür auf und ging direkt ins Bad. Ich stieg unter die Dusche und liess das Wasser laufen. Ich versuchte vergeblich mich an letzte Nacht zu errinern. Mein Herz schmerzte. Ich ging in mein Zimmer und zog mich an. Ich legte mich in’s Bett und zog meine Knie an. 
„Emre ..es tut mir so leid.“ flüsterte ich. Plötzlich fing ich an zu weinen. Ich liess meinen Tränen freien Lauf. Ich konnte einfach nicht mehr. Nachdem ich mehrere Stunden weinend da lag, nahm ich mein Handy und wählte Selmas Nummer. 
Selma: „Canim, wie geht’s deinem Onkel?“ 
„Ich .. ich bin nicht in Berlin,“ sagte ich leise. Meine Stimme bebte. 
„Sibel was hast du? Wo bist du?“ fragte sie besorgt.
Ich stand kurz davor erneut in Tränen auszbrechen.
Sibel: „Selma .. Tolga .. er.. er hat mir was in mein Drink getan und...“ 
„Was hat der Hurensohn mit dir gemacht?“ schrie sie ins Handy. 
Ich schwieg und fing wieder an zu weinen. 
Selma: „Nerdesin (wo bist du)? Bist du zu Hause?“ 
„Evet (Ja) ich bin zu Hause,“ antwortete ich schluchzend. 
Selma: „Sibel alles wird gut. Ich bin gleich da okay?“ 
Ich legte auf und schloss die Augen. Ich war so müde ..

Es war bereits dunkel als ich wach wurde. Ich öffnete langsam meine Augen und sah Selma die am Ende des Bettes sass. Sie näherte sich mir und strich über meine Wange. 
„Ist okay. Ich bin da canim,“ flüsterte sie leise. 
Ich fing wieder an zu weinen. Selma nahm mich in den Arm und weinte mit mir. 
„Ich wollte es nicht. Ich wollte es nicht Selma, ich wollte es nicht!“ schrie ich. 
„Ich weiss doch mein Schatz. Alles wird gut,“ versuchte sie mich zu beruhigen. 
Sibel: „Ich konnte mich nicht mal wehren, er hat mir .. er hat mir...“ 
Meine Stimme versagte. Die Tür meines Zimmers wurde aufgerissen. 
„Ist sie wach?“ hörte ich eine vertraute Stimme fragen. Ich hob langsam meinen Kopf und sah zur Tür. Ich dachte ich sehe Gespenster, aber er stand wirklich da. Emre!

Kapitel 19

Schockiert riss ich die Augen auf und hielt die Luft an. Was machte er hier? Selma hielt mich immer noch im Arm und strich mir über die Haare. Emre stand im Türrahmen, die Augen gerötet .. vom weinen!? Hatte er geweint? Wegen mir? Ich sah verwirrt zu Selma. 
„Ich hab ihm alles erzählt.“, flüsterte sie mir leise ins Ohr. Ich brach erneut in Tränen aus. 
„Lass uns kurz allein.“, sagte Emre an Selma gewandt. 
Ruckartig hob ich meinen Kopf und klammerte mich an Selma. 
„Ich mach dir eine Suppe canim, du hast noch gar nichts gegessen.“, sagte sie leise und löste sich aus meinem Griff. Ich hörte die Tür zufallen. Ich sass auf meinen Bett, starrte auf meine Hände die in meinem Schoss lagen und weinte leise vor mich hin. Dann spürte ich, wie Emre sich näherte. Er setzte sich neben mich. Eine Weile sass er einfach nur schweigend da. 
„Geht’s dir besser?“, fragte er leise. 
Bei der Frage begann ich vom neuen zu weinen, diesmal heftiger. Ich vergrub mein Gesicht in meine Hände. Langsam rückte er noch ein Stück näher an mich heran und legte seinen Arm um mich. 
Emre: „Nicht weinen Sibel lütfen (bitte), alles wird gut. Ich kann dich so nicht sehen, das tut mir in der Seele weh.“ 
Liebevoll nahm er meine Hände und hob mein Kopf an. Sanft wischte er mir die Tränen weg. Es fühlte sich wie ein Messerstich an als ich in seine feuchten Augen sah. 
„Ich wollte es nicht .. du musst mir glauben bitte!“, wimmerte ich.
Er legte seinen Zeigefinger auf meinen Mund und sah mir in die Augen. Eine einzelne Träne kullerte mir über meine Wange. Lächelnd schüttelte er leicht seinen Kopf.
„Ich glaub dir Sibel, ich glaub dir.“, sagte er leise und küsste meine Träne weg. 
Ein Gefühl der Erleichterung durchfuhr meinen ganzen Körper, als er seine Hand fest um meine schloss. Er nahm mich in den Arm und so verweilten wir eine ganze Zeit. 
Emre: „Wir müssen zur Polizei, er kann nicht ungestraft davon kommen.“ 
Ich löste mich aus seiner Umarmung und stand abrupt auf. Schwankend hielt ich mich an der Wand fest und starrte ihn an. 
„Nein! Nein, wenn Baba (Vater) davon hört, ich .. nein!“, keuchte ich. 
„Ausserdem gibt es nicht mal Beweise,“ fuhr ich mit zitternder Stimme fort. 
Erneut schossen mir Tränen in die Augen. Er stand auf und nahm mich in den Arm.
„Ist ja gut, nicht weinen.“, versuchte er mich zu beruhigen. 
Selma kam mit einem Teller Suppe ins Zimmer. 
Selma: „Noldu (Was ist los)?“ 
Emre: „Sie will nicht zur Polizei.“ 
Selma: „Ich hab’s dir doch schon gesagt Abi .. komm geh nach Hause Mama macht sich bestimmt schon Sorgen. Ich bleib heute hier.“ 
Er nickte kurz und drehte sich noch einmal zu mir um. Ich blickte zu Boden. Ich fühlte mich unwohl .. und noch immer so schmutzig. Er hob kurz mein Kinn an und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. 
„Alles wird gut, Selma ist bei dir. Ich komm Morgen früh nochmal tamam (okay)?“ 
Seine liebevolle Stimme war wie Medizin für meine Seele. 
„Tamam.“, antwortet ich leise. 
Er gab Selma einen Kuss auf die Wange und sagte: „Pass gut auf sie auf Schwesterherz.“ 


Kurz nach 1 Uhr wachte ich schweissgebadet auf. Selma hatte sich auf das Sofa in meinem Zimmer hingelegt und schlief. Leise stand ich auf und tapste ins Bad. Ich schloss die Tür hinter mir, lehnte mich daran und fing an leise zu weinen. Mein Herz schmerzte. Nutzlos und dreckig. Ja so fühlte ich mich. Ich sah in den Spiegel. Meinen eigenen Anblick konnte ich nicht ertragen. Mir wurde plötzlich bewusst, was Tolga mir alles genommen hatte. Nein, es war nicht nur meine Jungfräulichkeit gewesen. Er hatte mir meine Ehre und meinen Stolz genommen! Ich hasste ihn aus tiefstem Herzen. Langsam zog ich mich aus und stieg in die Dusche. Ich rieb meinen Körper so stark mit Seife ein, das ich Wunden bekam. Meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser. Ich fuhr erschrocken hoch als es an der Tür klopfte. Es war Selma. 
„Canim mach bitte die Tür auf.“, rief sie besorgt. 
Ich stieg aus der Dusche, wickelte mich in meinen Bademantel und machte die Tür auf. 
Meine Augen waren rot und geschwollen. 
„Ich fühl mich so schmutzig.“, sagte ich leise.
Selma: „Mein Schatz, komm her.“ 
Sie nahm mich in den Arm und führte mich wieder in mein Zimmer. Während sie mir half in mein Pyjama zu schlüpfen, klingelte plötzlich mein Handy. Ich griff danach und als ich auf das Display sah, blieb mir die Luft weg ..

Kapitel 20

Es war Tolga! Selma nahm mir wütend das Handy aus der Hand und ging ran. 
„Du ehrenloser Hund, was fällt dir ein mitten in der Nacht anzurufen?“, schrie sie ins Handy. „Lösch diese Nummer! Hast du verstanden?“ Selma war ausser sich vor Wut. 
Ich hielt mir die Ohren zu und brach erneut in Tränen aus. Ein paar Augenblicke später, kam dann Selma und nahm mich in den Arm. 
„Canim hör auf bitte, bitte hör auf zu weinen.“ Ich merkte an ihrer zitternden Stimme, das auch sie den Tränen nahe war. Doch sie wollte stark sein. Stark sein für mich. 
Ich hob langsam meine Kopf und fragte: „Was wollte er?“ 
„Der hockt irgendwo mit Kevin rum & trinkt. Hat nur scheisse gelabert.“, anwortete sie.
Er feierte seinen Erfolg. Den Gewinn seiner Wette. Es war alles eine Lüge gewesen, ein Spiel, von Anfang an schon. Ich legte mich hin und schloss meine Augen. Selma wich nicht von meiner Seite. Immer wieder flüsterte sie mir beruhigende Worte ins Ohr. Strich mir über die Haare und hielt meine Hand. Ich öffnete kurz meine Augen. 
„Danke.“, sagte ich leise. Sie sah mich fragend an. 
Sibel: „Danke das du hier bist, danke da es dich gibt.“ 
Meine Stimme bebte. Selmas Augen füllten sich mit Tränen. 
„Canim benim (Mein Schatz),“ sagte sie leise und drückte mir einen Kuss auf die Wange. 


„Ey was für n Körper die hat. Richtig geil!“ 
Kevin hielt Tolgas Handy in der Hand und schwärmte von Sibels Bildern. 
„Gib jetzt her.“, sagte Tolga lachend und nahm ihm das Handy ab. 
Die beiden saßen seit Stunden in der Shisha Bar und tranken. 
Kevin: „Schick mir mal die Bilder komm.“ 
Tolga: „Nein die kriegt keiner. Mach dir selber welche.“ 
Die beiden lachten aus vollem Halse, als plötzlich Emre vor ihrem Tisch stand. 
Er packte Tolga am Kragen seines Hemdes und richtete ihn auf. Dann holte er aus und verpasste ihm eine Faust mitten ins Gesicht. Er fiel zu Boden und hielt sich die Wange. Emre fiel über ihn her und schlug erneut auf ihn ein. 
„Sowas wie dich nennst du Mann?“, schrie Emre voller Hass. 
Tolga musste noch mehrer Fäuste einstecken, bevor Kevin und ein paar Männer aus der Bar Emre von ihm losrissen. Tolga richtete sich auf. 
„Hab gehört du stehst auf gebrauchte Ware?“, lachte er höhnisch, während er sich das Blut aus der Nase wisch.
„Du elender Bastard,“ zischte Emre und ging erneut auf ihn los. 
Doch diesmal reagierte Tolga schnell und verpasste Emre ebenfalls eine Faust. Es hatten sich viele Leute angesammelt und das Schauspiel zu verfolgen. Doch bevor die beiden erneut auf einander losgingen, schritt der Bar Besitzer ein und sorgte dafür das Emre rausgeworfen wird.
„Wir sehen uns wieder du ehrenloser Hund.“, schrie Emre und hob dabei drohend den Zeigefinger. Kevin starrte Tolga fassungslos an. 
„Was geht denn mit dem ab alter?“, fragte er verwirrt. 
„Ach der ist sauer, weil ich Sibel vor ihm gevögelt hab.“, antwortete Tolga lachend. 
Kevin: „Junge du wurdest grad verprügelt und lachst wie ein Verrückter.“ 
„Ich hab gekriegt was ich wollte, alles andere ist unwichtig.“, grinste Tolga verschmitzt. 


Ich öffnete langsam meine Augen und merkte das es schon Mittag war. Mein Körper schmerzte und ich fühlte mich kraftlos. Wahrscheinlich lag das daran das ich schon so lange im Bett lag. Ich sah mich im Zimmer um und merkte das Selma nicht da war. Während ich mich aufrichtete, nahm ich mein Handy und rief Pinar an. 
„Hallo mein Schatz,“ sagte ich leise. 
„Abla (Schwester) wir haben uns Sorgen gemacht, wieso gehst du nicht ans Telefon?“
Sie klang aufgeregt und ich hörte im Hintergrund das Papa nach mir fragte. 
„Ich war gestern bei Selma und bin erst gerade nach Hause gekommen.“, log ich. 
„Geht’s dir gut? Deine Stimme ist komisch.“, fragte sie beunruhigt. Sie kannte mich einfach zu gut, meine kleine Schwester. Nur mit Mühe hielt ich meine Tränen zurück. 
„Evet (Ja) mein Schatz, ich bin nur grade aufgestanden.“, erwiderte ich mit zitternder Stimme. 
„Ist auch wirklich alles okay?“, fragte Pinar misstrauisch. 
Ich nahm einmal tief Luft und versuchte das Thema zu wechseln.
Sibel: „Wie geht’s Onkel? Wann kommt ihr nach Hause?“
„Der liegt noch im Krankenhaus, wir bleiben noch ein paar Tage.“, antwortete sie traurig. 
Wir unterhielten uns noch kurz und legten dann auf. Ich versprach ihr nachher nochmal anzurufen. Plötzlich hörte ich leise Stimmen, die aus dem Flur kamen. Meine Zimmertür war nur angelehnt, ich stand langsam auf und blieb dann vor der Tür stehen. 
Ich hörte wie Emre und Selma sich unterhielten. Sie schienen zu flüstern, denn ich musste mich anstrengen um sie verstehen zu können. 
Selma: „Du hättest das nicht machen sollen Abi.“ 
Emre: „Ich schwöre dir Selma, wenn er die Bilder jemanden schickt, oder ins Internet stellt .. ich schwöre dir ich bring den um. Ich werde ihn umbringen.“ 
Ich riss die Tür auf und sah die beiden geschockt an. 
„Was für Bilder?“, fragte ich. Mein Atem ging immer schneller. 
„Canim.“, sagte Selma leise und kam auf mich zu. 
„Was für Bilder verdammt? Was sind das für Bilder?“ schrie ich.

Kapitel 21

„Was für Bilder meint ihr?“, fragte ich erneut, nachdem keiner von beiden was sagte. 
Selma mied meinen Blick, sie stand neben mir und schaute zu Boden. Ich richtete meine Augen auf Emre. Wie versteinert stand er da. Langsam ging ich auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehn. 
„Was für Bilder?“, flüsterte ich. Immer noch keine Antwort. 
Er schüttelte leicht den Kopf und sah mich mit seinen schmerzerfüllten Augen an. 
„Was für Bilder verdammt?“, schrie ich verzweifelt. Ich schlug mit meinen Fäusten gegen Emres Brust. Er ergriff meine Handgelenke und hielt sie fest. Wir sahen uns eine gefühlte Ewigkeit in die Augen, bevor er mich losliess und mir den Rücken zudrehte. 
Emre: „Tolga hat Bilder von dir mit deinem Handy gemacht .. während du bewusstlos warst ... und ... und er hat sie mir ..“ 
Seine Stimme versagte. Doch es war nicht nötig das er weitersprach. Ich rannte an Selma vorbei direkt in mein Zimmer und griff nach meinem Handy. Meine Knie zitterteten während ich meine Nachrichten duchging. Und dann sah ich es. Die Whatsapp Nachricht die Tolga von meinen Handy an Emre geschickt hatte. Fassungslos starrte ich auf die Worte die Tolga geschrieben hatte, doch schlimmer waren die Bilder auf denen ich halbnackt zu sehen war. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich kämpfte mit den Tränen. Ich fühlte mich erniedrigt wie noch nie in meinen Leben. Mein Handy glitt aus der Hand und meine Knie gaben nach, doch bevor ich zusammensackte spürte ich Emres starke Hände die mich zärtlich aufrechthielten. Mit Tränen in den Augen sah er mich liebevoll an uns strich über meine Wange. Plötzlich packte mich ein Heulkrampf und ich hielt mich verwzeifelt an Emre fest. 
„Mach dir bitte keine Sorgen Sibel.“, versuchte er mich zu beruhigen. Er hob meinen Kopf an, wischte mir die Tränen weg und gab mir dann einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.
„Ich bin da. Alles wird gut, wir schaffen das .. zusammen!“, flüsterte er mir ins Ohr. 
Mein Körper bebte. Meine Gedanken spielten verrückt. Es war so ein unbeschreibliches Gefühl. Ich war gerührt und wahnsinnig erleichtert das er zu mir stand. Auf einmal bemerkte ich eine kleine Wunde an Emres Lippe. Ich fuhr mit meinen Finger drüber. 
„Was ist passiert?“, fragte ich leise, obwohl ich die Antwort bereits wusste. 
Emre: „Ach nicht der Rede wert, komm setz dich Selma bringt dir was zum Essen.“
Er versuchte vom Thema abzulenken doch ich liess nicht locker. 
Sibel: „Lütfen (Bitte) Emre, was wenn er dich verletzt hätte? Versprich mir ..“ 
„Pshtt, mach dir keine Sorgen um mich.“, fiel er mir lächelnd ins Wort. 
Ich setzte mich auf mein Bett, Emre folgte meinem Bespiel. Er legte einen Arm um mich und küsste mich auf die Schläfe. 
„Ich geh in die Küche und schau was Selma uns gekocht hat tamam (okay)?“ 
„Tamam.“, seufzte ich und lächelte schwach. 
Bevor er durch die Tür verschwand, drehte er sich noch einmal zu mir um. 
„Sibel.“, flüsterte er leise. 
„Evet? (Ja?).“, gab ich zurück. 
„Ich liebe dich.“, sagte er lächelnd. 
Als er dir Tür hinter sich schloss, fing ich leise an zu weinen. Doch diesmal waren es Freudentränen, die über meine Wangen kullerten. 2 Dinge hielten mich auf den Beinen. Das erste war das Emre mich trotz allem liebte und zu mir stand. Das zweite war, das ich mich an nichts errinerte. Es war wie ein kleiner Trost, das ich bewusstlos war und einen Filmriss hatte. Ich betete zu Gott das die Errinerungen an diese schwarzen Stunden nie mehr zurückkommen würden. 


Es dauerte ein paar Tage bis ich wieder einigermassen fit war. Selma blieb die ganze Zeit über bei mir und Emre kam uns oft besuchen. Die beiden taten alles um mich abzulenken. Wir alle wollten die Sache schnellstmöglich vergessen. Es kam zwar noch einmal das Thema Polizei auf, jedoch blockte ich sofort ab. K.O Tropfen waren nur 12 bis 24 Stunden im Blut nachweisbar. Es gab auch keine äußeren Merkmale, da ich bewusstlos war ... und die Bilder, die sagten gar nichts aus. Ausserdem wollte ich auf keinen Fall das Papa davon hörte. 

Nachdem Papa und Pinar ein paar Tage später nach Hause kamen, hiess es für mich wieder ab in die Uni. Nach der Vorlesungsfreien Zeit standen mehrere Klausuren vor der Tür. Ich hatte Angst .. Angst vor der Begegnung mit Tolga. Emre hatte ihn noch einmal wegen den Bildern aufgesucht und ihm gedroht. Wie es aussah hatte er nicht vor die Bilder öffentlich zu machen, sonst hätte er es schon gemacht. Erleichertung pur für mich. 
Während ich auf dem Campus stand und auf Selma wartete klingelte mein Handy. Es war Emre. Lächelnd nahm ich ab. 
Sibel: „Askim (Meine Liebe) wir haben erst vor 15 Minuten aufgelegt.“
Emre: „Biliyorum (Ich weiss) aber ich wollte noch einmal deine Stimme hören bevor ich arbeiten geh. Hab erst Morgen Vorlesung.“ 
Er war so unglaublich süß, alles was er sagte zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht.
Sibel: „Ich bin heute Abend bei euch, muss noch mit Selma lernen. Vielleicht sehen wir uns nachher.“ 
Emre: „Ich werd so schnell wie möglich von der Arbeit nach Hause kommen.“ 
Sibel: „Seni Seviyorum (Ich liebe dich).“
Emre: „Bende Seni (Ich dich auch) hayatimin (Mein Leben).“ 
Ich hatte gerade aufgelegt und mein Handy in die Tasche getan, als mir jemand auf die Schulter tippte. Lächelnd drehte ich mich um. Ich dachte es war Selma. Doch falsch gedacht. Mein Lächeln verschwand, ich hielt den Atem an ..

Kapitel 22

Es war Kevin, Tolgas bester Freund! 
„Na du, wie geht’s dir so?“, fragte er.
„Das geht dich einen Scheiss an.“, gab ich schroff zurück. 
Er grinste amüsiert. 
Kevin: „Hast du Lust was trinken zu gehen mit mir?“
Fassungslos starrte ich ihn an. Hatte er sie noch alle? 
Sibel: „Verschwinde, lass mich in Ruhe.“ 
Kevin: „Ah hab ja vergessen du hast einen neuen Freund.“ 
Ich funkelte ihn böse an. Plötzlich kam er näher und griff nach meinem Arm. 
„Fass mich nicht an!“, fauchte ich und sprang einen Schritt von ihm weg. 
„Na na nicht so schüchtern.“, sagte er sichtlich vergnügt. 
Sibel: „Hau ab! Ich will weder mit dir noch mit Tolga was zu tun haben!“ 
Ich wartete keine Antwort ab, sondern machte auf den Absatz kehrt und lief in die Uni. 
„Das werden wir dann sehen ob du nichts mit mir zu tun haben willst,“ flüsterte Kevin leise vor sich hin, während er Sibel verstohlen hinterher blickte...


„So ein respektloser Typ! Frägt der mich allen ernstes nach nem Date!“ 
Stocksauer erzählte ich Selma von der Szene mit Kevin.
„Lass ihn canim, der will dich nur ärgern.“, versuchte sie mich zu besänftigen. 
Nach der Vorlesung gingen wir direkt zu Selma und lernten. 
„Uff hab kein Bock mehr.“, seufzte Selma erschöpft und klappte die Bücher zu. 
Sibel: „Ich bin auch kaputt, genug für heute.“ 
Es war bereits nach 19 Uhr, wir hatten mehr als 3 Stunden gebüffelt. 
Selma: „Hast du Hunger?“ 
Sibel: „Du hast auch nichts anderes im Kopf als Essen.“ 
Ich bekam einen Lachanfall und hielt mir den Bauch vor Schmerzen, da wir erst vor 30 Minuten gegessen hatten. Selma sah mich beleidigt an. Ich umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. 
Selma: „Lass mich ya. Ausserdem denk ich immer an Can, nicht an Essen! Okay an Essen auch aber an Can öfter.“ 
Sibel: „Du musst endlich Emre davon erzählen.“ 
Selma: „Hayir! (Nein!) Ich trau mich nicht. Can hat mit seinen Eltern geredet die wollen am Samstag kommen und dann .. dann wird es auch Emre erfahren.“ 
Selma plötzlich auf und stemmte die Arme an die Hüften. 
„Oh Oh.“, sagte ich und hob fragend die Augenbraue. 
„Wir müssen ein Wörtchen miteinander reden.“, sagte Selma ernst. 
„Worüber?“, fragte ich leise. 
Sie schwieg einen Moment und sah mich mit ihren braunen Augen scharf an. 
„Wie läufts mit Abi (Bruder)?“, platze es aus ihr heraus.
Lachend warf ich das Kissen nach ihr. 
Sibel: „Du bist scheiße weißt du das? Alter mein Herz!“ 
„Geb’s zu ich muss Schauspielerin werden!“, grinste sie. 
Es klopfte an der Zimmertür, Emre trat ein. Mein Herz machte bei seinem Anblick eine Sprung, so wie jedes mal wenn ich ihn sah. 
„Na ihr Hübschen, schon fertig gelernt?“, fragte er mit seinem atemberaubenden Lächeln. 
Selma: „Ja und ich hab Hunger, deshalb geh ich jetzt was essen. Bis gleich.“ 
Sie gab Emre einen Kuss auf die Wange und streckte mir die Zunge raus bevor sie die Tür hinter sich schloss. Emre kam auf mich zu, schlang seine Arme um meine Taille und zog mich an sich. 
„Ich hab dich vermisst.“, sagte er leise während er sanft meine Nasenspitze küsste. 
Ich umarmte ihn und strich mit meinen Händen über seinen Rücken. Wie ich seine Nähe liebte. Seine starken Arme. Seinen wundervollen Duft. Seine leuchtenden Augen. Bei ihm fühlte ich mich sicher und geborgen. 
Sibel: „Und wie ich dich vermisst hab!“ 
„Ich liebe dich über alles Sibel.“, hauchte er mir ins Ohr während er sanft meinen Hals mit seinen Lippen berührte. Mein Körper bebte, meine Knie zitterten. 
„Ich liebe dich auch.“, flüsterte ich kaum hörbar. 
Er liess von meinen Hals ab und sah mich mit seinen wunderschönen leuchtend braunen Augen an. Dann strich er mir mit seinen Fingern ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und lächelte mich verträumt an. 
Emre: „Ich bin schon ein Glückspilz.“
„Wieso das?“, fragte ich leicht verwirrt. 
„Weil ich das bezauberndste Mädchen der Welt als Freundin hab.“, antwortete er. 
Sibel: „Du bist ein Schatz.“ 
Emre: „Nein. Ich bin dein Schatz. Nur deiner. Für immer!“ 
Ein kurzer aber leidenschaftlicher Kuss folgte, der mir den Atem raubte. Ich war glücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben. Die harten Zeiten waren vorüber. Das dachte ich zu diesem Zeitpunkt zumindest. Falsch gedacht, wie sich bald schon raustellen sollte .. Emres Handy klingelte. Als er es aus seiner Hosentsche nahm und auf das Display sah, weiteten sich seine Augen und sein Lächeln verschwand. 
Sibel: „Kim o? (Wer ist es?).“ 
Er antwortete nicht sondern starrte auf das Display. 
„Noldu? (Was ist los?) Willst du nicht rangehen?“, fragte ich leise....

Kapitel 23

„Askim? (Meine Liebe) Wer ist es?“, fragte ich nochmal.
Verwirrt starrte Emre erst auf sein Handy, dann auf mich. 
„Das ist ein Kollege, hab vergessen ihm was vorbei zu bringen, geh du schon mal runter in die Küche und schau nach Selma. Ich komm gleich nach.“, sagte er. Er gab mir einen kurzen aber innigen Kuss. Ich dachte mir nichts dabei lächelte ihn an und ging runter. 

„Was zum Teufel willst du von mir?“, flüsterte er leise ins Handy. 
„Wieso gehst du nicht an dein scheiss Handy? Bin ich dir so egal geworden?“ 
Es war Laura. Emres Ex aus München. 
Emre: „Laura ich hab dir doch gesagt das ich eine andere liebe!“ 
„Und was ist mit deinem letzen Besuch? Hast du den so schnell vergessen? Kommst einfach so in mein Bett und verschwindest dann wieder.“, schrie sie wütend. 
Emre: „Es tut mir leid .. ich hab dir aber nichts versprochen! Ausserdem bin ich jetzt mit Sibel zusammen. Du weisst genau das zwischen uns ist schon lange vorbei.“ 
Laura: „Da wär ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.“
„Was soll das heissen?“, fragte Emre verwirrt. 
„Das wirst du dann sehen.“, gab sie wütend zurück. 
Emre: „Lass mich in Ruhe okay? Ich bin glücklich mit Sibel und werde sie heiraten!“ 
„Du wirst sie heiraten? Na da bin ich gespannt.“ Laura lachte höhnisch. 
„Bist du verrückt geworden? Was hast du vor?“, schrie er fast ins Handy. 
Ohne eine Antwort zu bekommen, legte sie auf. Emres Atem ging unregelmässig. 
Nach dem er sich beruhigt hatte, ging auch er in die Küche. 


Sibel: „Was wollte dein Kollege?“ 
„Ehm, ach der hatte sein Ladegerät bei mir im Wagen vergessen. Ich bring’s ihm aber erst Morgen vorbei.“, gab er lächelnd zurück. 
Ich glaubte ihm. Wieso sollte ich an seinen Worten zweifeln? Ich trocknete meine Hände an einem Handtuch, nachdem ich Selma beim Abwasch geholfen hatte und machte mich auf den Weg nach Hause. 


Mehrere Wochen vergingen. Selma war mittlerweile mit Can verlobt. Emre war am Anfang dagegen, wegen der Sache mit Tolga aber mittlerweile verstanden die beiden sich prächtig. Can liebte Selma über alles und ich war mir sicher das er sie glücklich machen wird. So wie Emre mich glücklich macht. Wir haben eine wundervolle Zeit miteinander und sogar Baba (Vater) war hoch erfreut über unsere Beziehung. 


„Hallo? Wer ist da? Sag doch was?“ 
Ich warf mein Handy auf’s Bett und liess mich niedergeschlagen auf die Couch in meinem Zimmer sinken. 
„Bak (Schau) canim, diese Anrufe wollen einfach nicht aufhören!“, seufzte ich, während Selma sich nehmen mich setzte. Ich vergrub mein Gesicht in meine Hände und nahm mehrmals tief Luft. Selma strich mir tröstend über den Rücken. 
Selma: „Wieso erzählst du Emre nichts davon?“
„Hayir! (Nein!)“, gab ich bestürzt von mir. 
„Ich will nicht das er wegen mir irgendwas anstellt...“, fuhr ich leise fort. 
Seit mehreren Tagen bekam ich anonyme Anrufe. Ich hatte keine Ahnung von wem sie kamen, aber fakt war das sie mir mittlerweile Angst machten. Man hörte nie mehr als ein keuchen .. das jedes mal lauter und lauter wurde. 
Selma: „Tamam (Okay), aber wenn das so weiter geht, dann gehst du zur Polizei!“
Ich nickte stumm, woraufhin Selma zufrieden lächelte. 
Sie stand auf und zwinkerte mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu. 
Selma: „Ich mach mich dann mal aus dem Staub, Emre kommt gleich.“ 
Lächelnd warf ich ein Couch Kissen auf sie und streckte ihr frech die Zunge raus. 
Baba und Pinar waren übers Wochenende mal wieder bei Onkel. Ich hatte die Gelegenheit genutzt und Emre zum Essen eingeladen. 
Sibel: „Er kommt erst zum Abendessen, das dauert noch ne Weile.“ 
Selma: „Ich muss trotzdem jetzt schon los, weil ..“ 
„Jajaja geh nur geh. Can wartet schon. Na los.“, unterbrach ich sie schmunzelnd. 

Meine kleine, mittlerweile heile und wunschlos glückliche Welt. Woher könnte ich ahnen das sie bald, sehr bald schon im Chaos versinken sollte? Das Essen war bereits fertig. Ich ging hoch in mein Zimmer und machte mich frisch. Legte ein wenig Make Up auf und zog mein schwarzes Kleid an. Es war langarmig, am Hals geschlossen und endete etwa eine Hand breit über mein Knie. Das Kleid lag sehr eng an meinem Körper und betonte dadurch meine Kurven. Nach einen kurzen Blick in den Spiegel, legte ich noch ein paar Tropfen von meinen Jean Paul Gaultier Parfüm auf. Emre liebte es. 
“So das passt.”, sagte ich zu mir selbst. Ich lief runter in die Küche und nahm mir ein Glas Orangensaft. Während ich verträumt daran nippte, klingelte es keine 5 Minuten später. Mit strahlendem Lächeln ging ich an die Tür. 
„Askim da bist du ..“ Die Worte blieben mir im Halse stecken. Geschockt fiel mir die Kinnlade runter. Mein Glas, das ich noch bei mir hatte, glitt mir aus der Hand und zebrach...

Kapitel 24

Völlig perplex von Tolgas Anblick, starrte ich ihn einige Sekunden erschüttert an.
Er stand geheimnisvoll, mit den Händen in den Hosentaschen vor der Tür. Plötzlich machte es ‚Klick’ in meinem Kopf. Als ich die Tür schliessen wollte, schob er schnell einen Fuß dazwischen. 
„Verschwinde!“, knurrte ich wütend. Er grinste nur schälmisch. Mit einem Ruck war er im Haus. Ich machte mehrere Schritte zurück, als er die Tür schloss und langsam näher kam. Lüstern sah er mich von oben bis unten an. Ich bekam Panik. 
„Du siehst .. geil aus.“, stiess er keuchend hervor. 
„Was willst du hier? Emre kommt gleich, geh lieber!“, gab ich unsicher zurück. Ich versuchte nicht ängstlich zu klingen, was mir bei Tolgas Blick jedoch nicht wirklich gelang. Nun kam er mit grossen Schritten auf mich zu, während ich automatisch rückwärts lief. Sackgasse! Ich stand mit dem Rücken zur Wand. Mein Verstand setzte aus! Ich wollte nach Hilfe schreien, doch mein Mund fühlte sich staubtrocken an. 
„Ich wollte dich warnen, warnen vor Kevin. Der Typ ist verrückt nach dir. Genauso wie ich verrückt nach dir bin Süße.“, flüsterte er leise. Er sah mich begierig an. Jetzt stand er nur noch Zentimeter von mir weg. Sein Mund näherte sich. Ich holte aus, verpasste ihm eine schallende Ohrfeige und spuckte ihm mitten ins Gesicht.
„Was fällt dir ein du ehrenloses Pack?!“, schrie ich. Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden. Seine Augen begannen böse zu funkeln. Blitzschnell packte er meine Arme und drückte mich mit voller Wucht gegen die Wand. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper und ich schnappte nach Luft. Mit der linken Hand hielt er meine Hangelenke über meinem Kopf zusammen. Bewegungsunfähig stand ich da. 
„Lass mich los!“, zischte ich qualvoll. Ich wollte losbrüllen, doch mit der rechten Hand ersickte er meinen Schrei. 
„Mhhmm wie gut du riechst.“, schwärmte er, während er mit den Lippen über meinen Hals strich. Angewiedert verzog ich das Gesicht. Vergeblich versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Er war zu stark für mich. Sein Atem roch nach Alkohol. 
‚Halt durch Sibel, Emre kommt gleich’, flüsterte mein Unterbewusstsein mir zu. 
Er nahm die Hand von meinem Mund, liess sie unter mein Kleid verschwinden und begann de innenseiten meiner Oberschenkel zu streicheln. 
„Wie ich diese Beine vermisst hab ..“, keuchte er atemlos. 
„Fass mich nicht an! Bitte fass mich nicht an! Lass mich los.“, flehte ich mittlerweile weinend. Plötzlich hielt er inne, griff nach seinen Kopf und fiel langsam vor mir auf die Knie. Wie aus heiterem Himmel stand Emre vor mir. 
„Du verdammten Hurensohn!“, schrie er. Überall lagen Splitter. Emre hatte Tolga mit der Vase aus dem Flur außer Gefecht gesetzt! Tolga lag bewusstlos da. Langsam rutschte ich der Wand entlang und sackte schliesslich zu Boden. Heulend vergub ich mein Gesicht in meine Hände. Emre kam auf mich zu und kniete neben mir. 
„Ist ja gut, ich bin da. Nicht weinen hayatimin (Mein Leben).“, versuchte er mich zu beruhigen. Sanft richtete er mich auf und brachte mich in die Küche. Ich zitterte am ganzen Körper. Was wenn Emre nicht gekommen wäre? Geschockt versuchte ich den Gedanken aus meinen Kopf zu verdrängen. Er reichte mir ein Glas. 
Emre: „Hier trink.“ 
Sibel: „Ist er tot? Da war Blut ..“
„Yok (Nein), obwohl er nichts anderes verdient hätte.“, antwortete Emre. 
Plötzlich hörte ich Sirenen vor unserem Haus. Ruckartig stand ich auf. Emre drückte mich liebevoll wieder auf den Stuhl. 
„Bleib sitzen, die Nachbarn haben die Polizei angerufen. Ein Krankenwagen ist auch.“ 
Ich erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch und sexueller Nötigung. Ich saß noch eine Weile allein in der Küche, nachdem Tolga abgeführt und zur Behandlung erstmal ins Krankenhaus gebracht wurde. Einigermassen beruhigt stand ich auf und sah wie Emre das Chaos im Flur beseitigte. 
„Lass ich mach das ..“, sagte ich leise. 
Emre: „Bin schon fertig.“ 
Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Erneut brach ich in Tränen aus. 
„Yapma lütfen (Bitte hör auf), ich kann dich nicht weinen sehn.“ Er hob zärtlich mein Kinn an und gab mir einen Kuss auf die Stirn. 
„Es tut mir leid, der Abend ist ruiniert.“, schluchzte ich enttäuscht. Meine Augen, die geschwollen waren, brannten fürchterlich. Meine Schminke war vom Weinen total verschmiert. 
Emre: „Der Abend hat erst angefangen mein Schatz.“ 
Er nahm meine Hand und führte mich ins Wohnzimmer.
„Hab ich dir heute schon gesagt wie wunderschön du bist?“, fragte er lächelnd.
Er sah mich wieder mit diesem Blick an, bei dem ich jedes mal aufs neue schmolz. Als ob es eine Selbsverständlichkeit war, wärmte er das Essen in der Küche auf und brachte es ins Wohnzimmer. 
Emre: „Köstlich, wirst du jeden Tag so gut kochen, wenn wir verheiratet sind?“ 
Mein Mund klappte leicht auf. Er lächelte mich nur liebevoll an. Nachdem wir fertig gegessen hatten, na ja was heisst wir, ich hatte nach der Frage keinen Bissen mehr runtergekriegt, stand er auf und räumte das Geschirr weg. Als ich helfen wollte sagte er: „Nein, bleib sitzen, ich mach das.“ Ich gehorchte, war sowieso kaum in der Lage klar zu denken. ‚Wenn wir verheiratet sind?’. War das ein Heiratsantrag? Nein. Oder doch? Nein! ,Hör auf so viel nachzudenken Sibel.’, hörte ich mein Unterbewusstsein blaffen. 
Emre kam ins Wohnzimmer und setze sich neben mich. Dann schlang er den Armen um mich und küsste mich auf die Wange. Er schaltete den Fernseher ein und wir sahen uns eine Türkische Serie an. Immer wieder gab er mir kurze Küsse, auf die Wange, auf den Mund, auf die Schläfe. Ich lächelte ihn verträumt an und kuschelte mich in seine Arme. 
„Ich liebe dich.“, flüsterte er mir leise ins Ohr. 
Sibel: „Ich liebe dich auch, bitte lass mich nie allein.“ Fast schon ein flehen meinerseits. 
Ich weiss nicht wie lange wir so auf der Couch saßen, irgendwann überkam mich jedoch Müdigkeit. Immer wieder fielen mir die Augen zu. Ich merkte wie Emre mich auf den Arm nahm und langsam die Treppen in mein Zimmer trug. Er legte mich auf mein Bett, deckte mich zu und gab mir einen Kuss auf den Kopf. 
„Schlaf schön Prinzessin.“, flüsterte er leise. Ich griff nach seiner Hand. 
Mit geschlossenen Augen sagte ich: „Bleib. Bitte bleib bei mir!“

Kapitel 25

„Bleib.“, sagte ich nochmal, während ich langsam meine Augen öffnete.
Sanft strich er mir eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Ich machte ein wenig Platz, während er zögernd die Decke zurückzog. 
Er legte sich neben mich. Seine Nähe war so wichtig für mich, er gab mir Kraft und Schutz. Ich fühlte mich sicher. Mehr wollte und brauchte ich nicht. Minutenlang sahen wir uns wortlos an. Mein Herz schlug so laut, das ich dachte er würde es hören. Ich nahm einmal tief Luft um mich zu beruhigen. Emre lächelte mich süß an, nahm dann meine Hand und legte sie auf seine Brust. Ich spürte seinen schnellen Herzschlag. 
„Es geht nicht nur dir so ..“, flüsterte er grinsend. Auch ich musste Lächeln. 
Emre: „Und jetzt schlaf Prinzessin, ich bin da.“ Ich gab ihn noch einen kurzen Kuss und legte dann meinen Kopf auf seine Brust. Er zog mich an sich, umarmte mich fest. Wie ich ihn liebte! Ich betete zu Gott, das nichts und niemand uns trennen möge. 


Als ich die Augen aufmachte, sah ich als erstes Emres lächelndes Gesicht. Was für ein schönes Gefühl, morgens neben ihm aufzuwachen.
„Du bist schon wach?“, fragte ich müde. 
„Schon seit 8 Uhr, scheinst mir eine Langschläferin zu sein.“, neckte er mich lächelnd. 
Ich warf einen Blick auf meinen Nachttisch. Es war schon nach 11. 
Sibel: „So spät schon! Was hast du bis jetzt gemacht?“
Emre: „Dir beim Schlafen zugeschaut Prinzessin. Hast du eigendlich gewusst das du noch süßer bist, wenn du schläfst?“ Lächelnd fiel ich ihm um den Hals und küsste ihn stürmisch.
„Wow!“, gab er keuchend von sich, nachdem ich von ihm liess. Ich lief rot an, senkte meinen Blick und biss mir auf die Lippe. Er hob mein Kinn an, sah mich strahlend an und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. 
Emre: „Melegim (Mein Engel). Du bist so süß, wenn du rot wirst.“ 
Jetzt errötete ich noch heftiger, was ihm zum Lachen brachte. 
„Ich geh runter und mach uns Frühstück tamam (okay)? Zieh dich um, du hast immer noch das Kleid von gestern an.“, sagte er lächelnd und verliess das Zimmer. 
Beim Gedanken an Gestern verkrampfte sich mein Körper. Ich krabbelte langsam aus dem Bett und ging ins Bad. Während ich in den Spiegel sah, merkte ich wie scheisse ich aussah. Ich band mir die Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen und spritze mir eiskaltes Wasser ins Gesicht. Wir hatten mitte August, es war mega heiß, es tat gut das kalte Wasser auf meiner Haut zu fühlen. Erneut musste ich an Gestern denken. Immer wieder fragte ich mich, was wohl passiert wäre, wenn Emre nicht reichtzeitig gekommen wäre... 

Nachdem ich mir eine Hotpan und ein Top angezogen hatte, ging ich runter in die Küche. Es roch nach Sucuk yumurta, automatisch musste ich grinsen. Emre holte grade zwei Teegläser aus dem Schrank als er mich bemerkte. 
Emre: „Was lachst du?“
„Hicbir sey (Nichts).“, antwortete ich noch immer lächelnd. 
„Lach nur, lach. Hadi setz dich, Essen ist fertig.“, sagte er während er mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange drückte. Wir setzen uns an den Tisch, aßen und tranken Tee. 
Ich hielt das Glas an meinen Mund und sah Emre verträumt an. 
„Bist du immer so süß?“, fragte ich leise. 
„Nur wenn du bei mir bist.“, antwortete er. „Aber denk jetzt nicht, das ich jeden Morgen Frühstück mache, wenn wir verheiratet sind.“, fügte er grinsend hinzu. 
Da! Schon wieder dieses ‚Wenn wir verheiratet sind.“ Ich lief feuerrot an, mir wurde heiss und kalt zugleich. Das Glas in meiner Hand begann verräterisch zu zittern. Emre unterdrückte bei meinem Anblick ein Lachen. 
„Noldu? (Was ist los?).“, fragt er amüsiert. Plötzlich klingelte es an der Tür. Uff! Was für ein Befreiungsschlag. Blitzschnell stand ich auf. 
„Ich .. ich mach auf.“, sagte ich stotternd und lief zur Tür. Ich nahm einmal tief Luft und öffnete die Haustür. Selma! Sie fiel mir um den Hals. 
„Canim benim, ist alles okay?“, fragte sie besorgt. Can stand neben ihr. Ich machte Platz und liess die beiden erst mal rein. Can reichte mir zur Begrüßung die Hand. 
Selma: „Emre hat mich heute Morgen angerufen und .. iyimisiniz? (Geht’s dir gut?)“ 
„Evet (Ja) ..“, antwortete ich leise. Ich versuchte ein Lächeln aufzusetzen, was mir beim Gedanken an Tolga jedoch nicht wirklich gelang. Ich führte die beiden ins Wohnzimmer, Emre kam ebenfalls dazu. Can und er setzten sich. Selma nahm mich erneut in den Arm und strich mir über den Rücken. Die Umarmung tat mir gut. Als sie sich jedoch von mir löste, hatte sie Tränen in den Augen. 
„Er hat dir doch nichts getan oder?“, flüsterte sie leise. Plötzlich kam alles wieder hoch .. Tolgas Lippen an meinen Hals, sein ekliger Atem, der nach Alkohol roch. Seine Hand an meinen Oberschenkel. Ein kalter Schauder durchfuhr mich, Tränen schossen mir in die Augen. Selma griff nach meiner Hand und zog mich in die Küche. 
„Lütfen aglama (Bitte wein nicht).“, sagte Selma mit zitternder Stimme.
„Du Doofe Kuh, du weinst ja selber.“, gab ich zurück. Selma wischte ihre Tränen weg und fing an zu lachen. Auch ich lächelte leicht, ich wollte nicht an gestern denken. Vergessen, ja vergessen wollte ich es. Ich fing aufzuräumen, Selma half mir. 
„Abi (Bruder) war die ganze Nacht hier oder?“, fragte sie auf einmal. 
„Evet (Ja)...“, erwiderte ich leise. Ich merkte wie ich errötete. Selma grinste nur. 
Sibel: „Noldu? (Was ist)“
Selma: „Nichts .. ich .. ach egal.“ 
Sibel: „Spuck’s aus mach schon.“ 
„Habt ihr .. ehm also .. na du weisst schon.“, stotterte sie.
Mir fiel die Kinnlade herunter. Selma hatte schon immer ein loses Mundwerk gehabt. 
„Hayir! (Nein!),“ antwortet ich geschockt. Ich gab ihr einen Klaps auf den Hinterkopf. 
Sibel: „Du schamlose Hexe!“ Wir brachen beide in Gelächter aus. 
„Was gibt’s da zu Lachen Ladys? Wir wollen mitlachen.“ Emre und Can waren in die Küche gekommen. Selma lachte noch heftiger, während ich beschämt zu Boden blickte.. 

Kapitel 26

„Neden gülüyorsun (Wieso lachst du) Schatz?“, fragte Can an Selma gewandt. 
„Egal.“, lachte sie noch immer. Ich warf ihr einen bösen Blick zu. Emre kam auf mich zu und umarmte mich von der Seite. 
„Habt ihr eigendlich schon einen Termin für eure Hochzeit?“, fragte ich um das Thema zu wechseln. Selmas Augen strahlten und sie plapperte munter drauf los. Wir setzen uns an den Tisch und tranken Cay. Während des Gesprächs legte Emre auf einmal seine Hand auf meinen Bein. Auf meinen nackten Oberschenkel! Er hatte es unbewusst getan, denn als er merkte wie ich seine Hand anstarrte zog er sie sofort weg. Entschuldigend sah er mich an. „Üzgünüm (Tut mir leid).“, formten wortlos seine Lippen. Ich sah ihn lächelnd an. Dann griff ich nach seiner Hand und legte sie wieder auf mein Bein. Er liess meine Hand nicht los, sondern streichelte mit dem Daumen meinen Handrücken. Es war ein überraschend beruhigendes Gefühl. Seine Hand auf meinem Bein. Ich spürte ein Kribbeln im Bauch und lächelte vor mich hin. Selmas laute Stimme beförderte mich wieder in die Realität. 
„Was hast du gesagt?“, fragte ich verwirrt. 
Selma: „So so, Sibel mal wieder am Tagträumen. Vallah (bei Gott) ich würde alles geben um deine Gedanken lesen zu können.“ Uff, wie diese Hexe es immer wieder schaffte mich zu blamieren. Peinlich berührt stand ich auf und fragte ob noch jemand Tee will. 
Can: „Nein danke, wir müssen jetzt los.“ 
Selma: „Lasst mal zu viert was unternehmen nächstes Wochenende.“
Wir entschieden uns am Samstag ins Kino zu gehen. Genau 2 Wochen vor Selmas Hochzeit. Während ich sie zum Abschied umarmte, klingelte mein Handy. Ich zog es aus meiner Hosentasche. Unbekannt. Ich hatte Angst das es mal wieder einer dieser Anonymen Anrufe war, aber jetzt nicht ranzugehen wäre zu verdächtig. 
Sibel: „Ja?“ 
Zu meiner Überraschung, ertönte eine Frauenstimme. 
„Wer? .... Nein ich kenne keine Laura...sie müssen sich verwählt haben... aus München?“
Da ich mit dem Blick zur Strasse sah, merkte ich nicht wie Emre kreidebleich wurde. 
„Nein sie rufen in Hamburg an... Ja... kein Problem... schönen Tag noch ..danke.“ 
Ich legte auf und zuckte mit den Schultern. „Verwählt.“, sagte ich lächelnd. 
Selma: „Abi (Bruder), du hast Mama versprochen das du sie zu Tante fährst.“ 
Täuschte ich mich oder warf Selma ihrem Bruder einen vernichtenden Blick zu? Ich drehte mich um und sah wie Emre nervös an der Unterlippe kaute. Blass war er auch. 
„Biliyorum (Ich weiss), ich fahr auch gleich los.“, sagte er nach einen kurzen Blick auf seine Uhr. 
„Alles okay Askim (Meine Liebe)?“, fragte ich besorgt. 
„Evet (Ja), hab nur das mit Mama fast vergessen.“, antwortete er hastig. 
Ich lächelte und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich glaubte ihm.. doch er log. 
Den wahren Grund seiner Nervösität sollte ich jedoch erst nach Wochen erfahren. 


Tolga kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Irgendwie beruhigte mich das, weil ich wusste das er beim kleinsten Fehler ins Gefängnis kommt. In der Uni schaffte ich es ihm aus dem Weg zu gehen. Bis heute. Ich war gerade dabei aus der Mensa zu gehen als er plötzlich vor mir stand. Scharf zog ich die Luft ein und eilte an ihm vorbei. 
Tolga: „Warte!“ Ich ging weiter ohne mich umzudrehen. Er lief mir nach. Mein Herz raste.
„Sibel, lütfen (bitte) warte.“, rief er mir verzweifelt nach. Irgendwas an seiner Stimme war anders... ich stoppte und drehte mich um. Einen Augenblick lang starrte er mich an und senkte dann seinen Blick. 
„Es tut mir leid.“, sagte er leise. 
„Was tut dir leid? Das du mir meine Ehre und meinen Stolz genommen hast? Das du fast mein Leben zerstört hast? Das ich wegen dir manchmal nicht einschlafen kann, weil ich dran denken muss, wie deine ekligen Hände meinen Körper beruhren?“ Meine Stimme bebte. Ich versuchte mit aller Macht, die Tränen zurück zu halten. Tolga hob langsam seinen Blick und sah mir in die Augen. Eine Träne kullerte ihm die Wange herab. 
„Alles .. alles tut mir leid, ich hab gemerkt das es ein Fehler war, zu spät ich weiss.. aber .. ich hoffe nur das du mir eines Tages verzeihen kannst.“, antwortete er aufrichtig. 
Sibel: „Du hast mir eins der wichtigsten Dingen meines Lebens genommen Tolga. Meine Unschuld! Sowas kann man nicht verzeihen!“ Ich rang nach Fassung. Den Tränen nahe, drehte ich mich um und wollte loslaufen als Tolga erneut sprach. 
Tolga: „Eins noch .. halt dich fern von Kevin. Ich war an dem Abend nur gekommen um dich zu warnen .. ich hatte zu viel getrunken.. und ...“. 
Er hielt inne nahm tief Luft und sprach dann leise weiter. 
„Pass auf dich auf. Kevin ist besessen von dir...“ 
Meine Augen weiteten sich, Angst durchfuhr meinen Körper und ich fing an zu zittern. Mir fielen die anonymen Anrufe wieder ein, die in letzter Zeit noch häufiger kamen. 
Sibel: „Keine Sorge, ich hab gelernt besser auf mich aufzupassen.“
Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, doch meine Stimme klang ängstlich und unsicher. Auf einmal sah ich ihn. Kevin. Er stand am Ende des Flurs und schaute mich finster an. Voller Panik machte ich auf dem Absatz kehrt und lief aus der Uni. Während ich zum Parkplatz ging, wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Emre wartete bereits im Wagen auf mich, wir wollten was Essen gehen. Ich stieg ein und hielt ihm die Wange hin. Er küsst mich sanft. Jedoch bemerkte er sofort das was nicht stimmte.
„Noldu? (Was ist los?).“, fragte er besorgt. 
„Hicbir sey (Nichts), lass uns einfach los fahren. Ich will weg von hier.“, antwortete ich leise. Ohne weitere Fragen zu stellen, startete er den Wagen und fuhr los..

Kapitel 27

Die ganze Autofahrt über schwieg ich. In Gedanken versunken starrte ich auf meine Hände. Sie schwitzten. Vor Angst? Ja es war Angst. Kevins Blick .. er war unheimlich. Und dann waren da noch Tolgas Worte. Emres Stimme riss mich aus meinen Gedanken. 
Emre: „Wir sind da.“ 
Ich sah ihn verwirrt an und realisierte das wir vor dem Restaurant parkten. 
Er stieg aus, kam um den Wagen und machte mir die Tür auf. Erwartungsvoll hielt er mir die Hand hin, ich ergriff sie ohne zu zögern. Ein wohliges Gefühl durchfuhr meinen Körper, wie jedes mal wenn er mich berührte. Er lächelte mich liebevoll an, führte meine Hand an seinen Mund und küsste zärtlich meinen Handrücken. Ich schwöre ich verpürte ein Kribbeln in meinem Bauch, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Und das alles von so einem harmlosen Kuss auf die Hand. Ich erwiderte sein Lächeln. Händchenhaltend gingen wir ins Restaurant und setzten uns an einen Tisch ganz in der Ecke. Nach einer Weile rückte Emre mit seinem Stuhl näher ran und legte den Arm mich. 
„Hab ich dir heute schon gesagt wie wunderschön du aussiehst?“, hauchte er mir ins Ohr. 
„Oh ja aber sowas von wunderschön.“, gab ich ironisch zurück. 
Eine stinknormale Jeans und ein trägerloses Top hatte ich an. Meine Haare waren zu einem unordentlichen Dutt gebunden. Es war einfach unerträglich heiss. Wirklich geschminkt war ich auch nicht, hatte lediglich ein wenig Mascara aufgesetzt. Er gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte: „Ja so wie immer halt.“ 
Wie aßen die leckere Pasta auf und unterhielten uns währenddessen über das übliche. Der Kellner kam, räumte die Teller weg und fragte ob wir Dessert wollten. 
„Willst du Eis?“, fragte Emre mich. 
„Allahim! (Mein Gott!). Willst du mich fett machen?“, rief ich schockiert und legte die Hand auf meinen Bauch. Er lächelte mich vergnügt an. Oder war das ein Auslachen? 
Sibel: „Wenn ich so weiter mache, dann passt mir mein Kleid nicht ya. Was soll ich dann zu Selmas Hochzeit tragen?“
„Die Rechnung bitte.“, sagte Emre zum Kellner, der daraufhin verschwand. 
Emre: „Du würdest auch in Lumpen zauberhaft aussehen.“ 
Er sah mich wieder mit diesem Blick an, der so viel sagen sollte wie ‚Das ist mein voller Ernst.’ 
„Salak (Dummkopf).“, sagte ich lächelnd und schüttelte leicht meinen Kopf. 
Emre: „Und jetzt sag mir was du vorhin hattest als du aus der Uni gekommen bist.“
Mein Lächeln verschwand augenblicklich und mein Körper versteifte sich. Nervös biss ich auf meine Lippen. Er hob ungeduldig die Augenbraue. 
„Ich hatte Stress mit Frau Meier, die hat mich vor den anderen blamiert von wegen ich solle nicht so viel Tagträumen.“, log ich. Oh Gott, was für eine beschissene Lüge. Ich wollte nicht mal Lügen aber der Gedanken an Tolga .. der Gedanke an Kevin. Wenn Emre davon erfährt, würde er sicher was anstellen. Und das wollte ich mit aller Macht verhindern. Bis über beide Ohren grinste er. Uff, er schien mir zu glauben, denn gleich darauf wechselte er das Thema.
Emre: „Nur noch 10 Tage, meine kleine Schwester heiratet.“ 
Seine Stimme klang traurig. Der Kellner brachte die Rechnung, Emre bezahlte. 
„Ja .. sie heiratet den Mann den sie liebt. Das ist das wichtigste. Can wird sie glücklich machen, da bin ich mir sicher.“, sagte ich während wir zum Auto liefen. 
Er zog mich in seine Arme und schaute mir tief in die Augen. 
„So wie ich dich glücklich machen werde?!“, flüsterte er leise. 
Ich weiss nicht ob das eine Frage oder eine Feststellung war. Aufjedenfall wurde mir auf einmal heiss und das lag nicht nur an den 31° Grad, die wir an diesem Tag hatten. 
„Das tust du doch schon.“, antwortete ich leise und senkte meinen Blick. 
Emre: „Schau mich an.“ 
Ich hob meinen Kopf und sah ihm in die Augen. 
Emre: „Ich will deine wunderschönen blauen Augen sehen, wenn du mit mir redest.“
Er lächelte mich an und gab mir einen kurzen aber innigen Kuss. 
Emre: „Dreh dich um.“ 
Ich sah ihn fragend an, drehte mich jedoch wortlos um.
Und dann sah ich diese wunderschöne Infintiy Halskette vor meinen Augen glitzern. 
Er legte sie mir an, küsste meinen Nacken und hauchte mir ein: „Ich liebe dich!“ ins Ohr. 


Die Vorbereitungen zu Selmas und Cans Hochzeits liefen auf Hochtouren. Alle waren aufgeregt und Selma steckte mich mit ihrer Nervösität an, was meinen Zustand, der ohnehin schon schlecht war, noch verschlimmerte. Die anonymen Anrufe kamen mittlerweile fast stündlich, deshalb beschloss ich die Nummer zu wechseln. 


Der Henna Abend war rum, ich fuhr mit Pinar nach Hause. Morgen war es soweit. Meine beste Freundin kommt unter die Haube. Instinktiv griff ich nach meiner Halskette. Beim Gedanken an Emre strahlte ich über das ganze Gesicht. 
„Ihr zwei seid auch bald dran, keine Sorge Ablacim (Schwester).“, sagte Pinar lächelnd, während ich die Haustür aufschloss. 
„Inshallah .. (So Gott will).“, erwiderte ich nur leise.
Pinar: „Ich bin müde, bin mal schlafen. Iyi geceler (Gute nacht).“
Sibel: „Sanada (Dir auch) mein Schatz.“ 
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und ging auf ihr Zimmer. Da ich ebenfalls sehr müde war und wir am nächsten Morgen früh raus mussten, legte ich mich auch sofort in mein Bett. Um 8 Uhr müssten wir schon beim Frisör sein! Mein Hand klingelte. Ich griff lächelnd nach meinem Handy. Ich dachte es war Emre. Doch als ich auf das Display sah stand da Unbekannte Nummer. Zitternd nahm ich ab. 
„Ja?“, sagte ich leise. Wir immer nur ein keuchen. 
„Wer ist da? Bitte hör auf mich anzurufen, sonst geh ich zur Polizei!“ 
„Deine Stimme macht mich geil Sibel, weisst du das?“ 
Ich hielt die Luft an. 
„Du kannst deine Nummer ändern, so oft du willst. Du entkommst mir nicht Baby.“, flüsterte Kevin keuchend ins Handy...

Kapitel 28

Ich riss mein Handy vom Ohr und starrte einen Moment lang ungläubig auf das Display. 
Schnell drückte ich auf die rote Taste und legte mein Handy mit zitternden Fingern auf den Nachttisch. Tausende Fragen gingen mir durch den Kopf. Wie zum Teufel war er an meine Nummer gekommen? Und vorallem wieso? Die schlimmste Frage jedoch war .. was meinte er mit ‚Du entkommst mir nicht Baby.’ Ich erschauderte und brach gleich darauf in Tränen aus. Vollkommen kraftlos legte ich mich hin und zog die Knie ein. 
Und dann weinte ich mich in den Schlaf .. wie jeden Abend. Das starke Mädchen spielen... sagt euch das was? Wenn ihr im Alltag immer ein Lächeln im Gesicht habt und vorgibt das alles perfekt sei. Wenn ihr schweigt, weil ihr Angst habt das alles nur noch schlimmer wird. Wenn ihr Abends im Bett liegt und die Tränen fliessen, weil euch alles zu viel wird. Kennt ihr das? Ich kenn es. Leider! Die Sache mit Tolga, zerfrisst mich innerlich. Die Tatsache das ich keinerlei Errinerungen an der Nacht hatte, gab mir zwar ein wenig Kraft, doch trotzdem war da diese Gewissheit. Die Gewissheit, dass er mich beschmutzt hat. Meinen Körper beschmutzt hat. Meine Ehre beschmutzt hat. Es machte mich fertig, obwohl ich es mir selbst nicht eingestehen wollte. 


Nach einer, mal wieder, unruhigen Nacht stand ich gegen 5 Uhr Morgens auf. Ich tapste leise ins Bad, und sprang unter die Dusche. Das lauwarme Wasser auf meiner Haut fühlte sich beruhigend an. Es half mir einen klaren Gedanken zu fassen. 
„Ich werde reden. Ich werde reden.“, murmelte ich immer wieder vor mich hin, während ich im Bademantel auf meinem Bett saß und mir die Haare kämmte. Ja ich würde reden. Aber nicht über die Sache mit Tolga. Dazu hatte ich weder den Mut, noch die Kraft. Die unheimlichen Anrufe von Kevin sollten endlich ein Ende haben. Heute werde ich alle Sorgen vergessen, denn heute wird gefeiert! Ich beschloss nach Selmas Hochzeit mit Emre darüber zu reden. Zusammen würden wir zur Polizei gehen. Zusammen würden wir diese Zeit überstehen. Das hoffte ich. Doch es sollte es ganz anders kommen .. 



Unruhig zappelte Selma auf dem Stuhl herum. 
„Kimildama kiz. (Beweg dich nicht Mädchen.)“ 
Die Frisörin warf Selma einen bösen Blick zu. 
Selma: „Cok heyecanliyim. (Ich bin so aufgeregt). Tut mir leid.“
Sibel: „YaYa beweg dich nur weiter, dann wirst du hässlich und Can will dich nicht.“ 
Alle fingen an zu lachen, Selma versuchte mich finster anzuschauen doch auch sie könnte ein Grinsen nicht unterdrücken. 
Selma: „Vallah (ich schwöre) wenn Abi dich sieht, wird er umfallen.“ 
Alle Blicke wanderten zu mir. Ich lief rot an. Diese Hexe! 
„Ist ja auch ein hübsches Mädchen.“, hörte ich irgendjemanden sagen. 
Meine langen Haare, hatte ich vorne hochtupiert. Meine Locken fielen mir fast bis zu den Hüften. Normalerweise schminkte ich mich stets dezent, doch diesmal hatte ich mich für smokey eyes entschieden. Meine blauen Augen wurden dadurch noch mehr betont. 
„Du bist fertig. Geh in den hinteren Raum und zieh dein Kleid an.“, sagte die Frisörin lächelnd zu Selma. Ich stand auf und begeleitete sie. Dann half ich ihr in das Kleid. Ein Traum von Kleid! Es war trägerlos, war an den Brüsten und an den Hüften voller kleiner Swarovski Steine und der Schleier war gute 2 Meter lang. Ich machte einen Schritt zurück und staunte. Meine beste Freundin, meine Seelenverwandte. Sie sah einfach nur Wundervoll aus! Ein Traum in weiß! Meine Augen füllten sich mit Tränen. 
„Mashallah (Gott schütze dich).“, sagte ich leise. 
Selma: „Yapma. (Hör auf.) Mama hat genug geweint. Ich kann dich jetzt nicht auch noch weinen sehn, sonst muss ich mitheulen!“ 
Wir fuhren zu Selma und gingen hoch in ihr Zimmer. Die Wohnung war so drückend voll von Selmas Verwandten. Nach einer guten halben Stunden, kam die Nachricht das Can und seine Familie da sind. Ich stand neben Selmas Zimmertür, als Emre plötzlich neben mir auftauchte. Er muss Selma das rote Band umbinden, wenn die Tür aufgeht. 
„Nihayet! (Endlich), wo warst du solange?“, fragte ich leise. 
„Hatte was wichtiges zu erledigen.“, antwortet er während er mich lächelnd ansah. 
„Du siehst wunderschön aus. Meine Traumfrau!“, sagte er und drückte mir einen schnellen Kuss auf die Wange.
„Yapma! (Hör auf) Wenn uns jemand sieht.“, flüsterte ich hochrot vor Scham. 
Ein paar Sekunden später stand dann auch schon Can vor uns. Seine Augen glitzerten als ich Tür öffnete und ihn reinliess. Er stellte sich neben Selma, dann kam Emre, bei dem sich die Augen schon längst gefüllt hatten. Er legte das Band an ihrer Taille, küsste ihre Stirn und machte den Schleicher auf ihr Gesicht. Wir fingen sofort an zu heulen, es war einfach ein emotionaler Moment. Mein Blick blieb auf das Rote Band hängen. Das Zeichen der Unschuld. Das Zeichen das man unberührt war. Es bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Niemals würde ich es anlegen können. Ich spürte plötzlich eine starke Hand, die nach meiner griff. 
„Aglama (Wein nicht).“, flüsterte mir Emre ins Ohr und küsste meine Schläfe. 
Ich blickte auf und sah ihm in die Augen. Stark sein wollte ich heute. 
„Seni Seviyorum (Ich liebe dich).“, sagt ich lächelnd...

Kapitel 29

„Bende seni (Ich dich auch). Du hast keine Ahnung wie sehr ich dich liebe Sibel.“ 
Emre strahlte mich an und drückte meine Hand. Er war so liebevoll und hatte so ein gutes Herz. Manchmal frag ich mich, ob ich ihn überhaupt verdient hatte. Laute Musik ertönte. 
Can führte Selma nach unten, gefolgt von dessen Familie und allen anderen. Sobald wir draussen waren, fing Cans Familie an zu tanzen. Wir natürlich nicht, denn wir trauern der Braut hinterher. Nach guten 20 Minuten, in denen ausgelassen getanzt wurde, stieg das Brautpaar endlich in den Wagen. Es war Zeit in den Saal zu fahren. Ich drehte mich um und suchte Emre. Er stand ein wenig abseits und telefonierte. Als ich mich näherte, beendete er das Gespräch. Grinsend griff er nach meiner Hand. 
„Toller Zeitpunkt zum telefonieren Herr Kaya.“, tadelte ich ihn lächelnd. 
„Das war ein sehr sehr wichtiger Anruf Frau Kaya, aber dazu kommen wir später.“ 
Mein Herz machte einen Luftsprung. Hatte er mich gerade allen ernstes Frau Kaya genannt? Und was meinte er mit später? Ich hob fragend die Augenbraue.
„Mit wem hast du geredet?“, fragte ich neugierig, während er mich zum Auto führte. 
Emre: „Na Na nicht so ungeduldig. Das siehst du dann nachher.“
Er öffnete mir die Wagentür und wir fuhren in den Saal.
„Ich muss es einfach nochmal sagen.“, bemerkte Emre auf einmal. 
„Ne icin? (Was denn?).“, fragte ich. 
Ich warf ihm einen Blick zu und merkte das er mich aus den Augenwinkeln lächelnd ansah, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. 
Emre: „Das du atemberaubend schön bist.“ 
Er nahm meine Hand, hielt sie an seinen Mund und küsste sie. Ich strahlte ihn an. 
Sibel: „Du siehst auch toll aus, mit deinem Anzug. Steht dir.“ 
„Nein ich seh nur toll aus, weil das hübscheste Mädchen an meiner Seite ist.“ 
Uff wie süß er war. Ich fing an zu lachen. 
Sibel: „Immer am übertreiben Herr Kaya.“
„Nichts übertreiben. Das ist schlicht und ergreifend die Wahrheit.“, sagte er ernst. 
Kichernd gab ich ihm einen kurzen Kuss auf die Wange.
„Uff hör auf. Ich muss heute noch tanzen, wie soll das gehn wenn du mich mit diesen Küssen zum schmelzen bringst.“, sagte er mit gespielt ernster Miene. 
Dann waren wir endlich da. Emre parkte vor dem Saal und händchenhaltend liefen wir rein. Es war voll! Mehr als 400 Gäste waren gekommen. Verwandte, Freunde, Nachbarn. Alle waren da. Ich setzte mich zu Baba (Papa) und Pinar doch gleich darauf standen wir alle auf um zu tanzen. Cifte Telli, Halay, Kolbasti (türkische Volkstänze). Alles wurde duchgetanzt. Kaum einer hatte die Gelegenheit sich zu setzen und Luft zu schnappen. Es war toll. Alles war perfekt und lief einwandfrei über die Bühne. Nachdem ich bestimmt 2 Stunden lang durchgetanzt hatte, setzte ich mich kurz und trank einen Schluck. Emre kam auch, ich hatte das Gefühl das er mich kaum einen Moment aus den Augen liess. Er setzte sich neben meinen Vater und warf mir immer wieder Blicke zu. Ich legte mein Glas auf den Tisch und stand auf um wieder zu tanzen. Plötzlich bemerkte ich eine Blondine die an der Eingangstür stand und nach irgendjemanden Ausschau hielt. 
„Emre, wer ist die dahinten? Ich glaub die sucht jemanden.“, fragte ich. Als ich keine Antwort bekam, drehte ich mich um und merkte das er in einem Gespräch mit meinem Vater vertieft war. Mein Gott, wie kann man sich bei dem Lärm unterhalten? Ich tippe ihm auf die Schulter und schrie ihm förmlich: „Schatz, wer ist die Frau dahinten?“ ins Ohr. Er fuhr hoch, was mich zum Lachen brachten. 
Emre: „Kiz, willst du mich taub machen?“ 
Ich streckte ihm die Zunge raus und wiederholte meine Frage. 
„Welche Frau Schatz, ich seh da keine Frau.“, antwortete er. 
Ich sah Richtung Eingang und stellte fest das die Blondine verschwunden war. Komisch. 
Emre zog mich auf die Tanzfläche und ihm nu waren meine Gedanken an die Frau verschwunden. Es war eine Traumhochzeit! Nachdem das Essen serviert wurde und die Torte geschnitten war, neigte sich die Feier langsam dem Ende zu. Es wurde ein langsames Lied aufgelegt, dasBrautpaar tanzte dazu in der Mitte. Ein paar andere Pärchen gesellten sich nach ein paar Minuten dazu. Ich wollte grad aus meinen High Heels steigen, als Emre mir die Hand hin hielt. 
„Darf ich um diesen Tanz bitte.“, fragt er schmunzeld. Lächelnd griff ich nach seiner Hand. Er zog mich sanft an sich und legte die rechte Hand auf meinen Rücken. Mit der anderen strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Mein Herz klopfte wie verrückt. 

„Ich hab gleich eine kleine Überraschung für dich.“, sagte Emre als wir zu den Autos liefen, nachdem die Hochzeit zu Ende war. 
Sibel: „Jetzt? Es ist 2 Uhr Morgens, Baba und Pinar warten schon auf mich.“
„Nein tun sie nicht, die sind schon losgefahren.“, erwiderte Emre. 
Ich sah mich um, suchte nach Papas Wagen und merkte das es nicht mehr hier war. 
Sibel: „Aber ..“
„Nichts aber. Steig ein.“, fiel er mir ins Wort und hielt mir die Autotür auf. 
Ich zögerte einen kurzen Augenblick, stieg dann jedoch lächelnd in den Wagen. 


Zu meiner Überraschung hielt Emre vor seinem Haus an. 
„Ist deine Mama noch nicht zu Hause?“, fragte ich als ich sah das keine Lichter brannten. 
„Yok (Nein), die bleibt heute bei Tante.“, antwortete er und stieg aus dem Wagen. 
Sibel: „Emre es ist schon spät und ..“
„Du vertraust mir doch oder?“, fragte er leise. 
„Evet (Ja) natürlich.“, sagte ich warheitsgemäß. 
„Dann komm.“, er nahm meine Hand und wir gingen rein. Nachdem er die Haustür geöffnet und das Licht im Flur angeknipst hatte, stieg ich als erstes aus meinen Pumps. 
Dann zog er mich Richtung Wohnzimmer, hielt jedoch vor der Tür inne. 
„Augen zu.“, sagte er lächelnd. Ich legte meine Kopf schief und sah ihn beleidigt an. 
Emre: „Lütfen (Bitte).“
Sibel: „Tamam Tamam (Okay Okay).“ 
Ich schloss die Augen und hörte wie die Tür aufging. Dann zog er mich einen Schritt nach vorne und als ich meine Augen wieder öffnete, klappte mir die Kinnalde herunter! 

Kapitel 30

Ich traute meinen Augen nicht. Das ganze Wohnzimmer war voller kleiner Kerzen. In der Mitte hatte er den Tisch entfernt und ein riesengrosses Herz mit Teelichter gemacht. Ausserdem war der ganze Boden voller Rosenblätter. Ich fühlte mich wie im Himmel. 
Emre kramte ein kleines Kästchen aus seiner Hosentasche und kniete sich vor mir. 
„Sibel, seit ich dich an dem Tag vor Starbucks gesehen habe, gehst du mir weder aus dem Kopf noch aus dem Herz. Und das soll so bleiben. Für immer! Wenn du mir bei mir bist fühl ich mich komplett. Benimle evlenir misin? (Willst du mich heiraten?).“ 
Mein Herz raste. Ich schwebte auf Wolke 7. Ich zwickte mich kurz in den Arm, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich wach war. Ja, ich war wach. Ich träumte nicht. Emre stand auf, griff nach meiner Hand und sah mich angespannt an. 
„Evet. (Ja).“, sagte ich kaum hörbar. 
„Ich versteh dich nicht, geht’s ein bisschen lauter?“, fragte er. 
„Evet! Evet. Evet. Evet.“, schrie ich und fiel ihn um dem Hals. 
Jubelnd wirbelte er mich durch die Luft. Als er mich wieder auf die Füße stellte, sah er mich mit seinen funkelnden Augen an und steckte mir den Ring an. Ich fing an zu weinen. Der heutige Tag war so schön und dann kommt dieses perfekte Ende. Es schien mir alles so unwirklich, es war mir einfach einen Tick zu perfekt .. ich hatte Angst. Angst das ich aufwache und alles nur ein Traum war. 
„Bitte aglama (wein nicht). Ich bin der glücklichste Mann der Welt! Und ich werde alles geben dich zur glücklichsten Frau zu machen!“, sagte Emre und küsste mich zärtlich. Ich klammerte mich an ihn und erwiderte leidenschaftlich den Kuss. Ich wollte ihn spüren, wollte sicher sein das er nicht im nächsten Augenblick verschwindet. Er küsste meine Wangen, meine Augen, meine Nase, meine Stirn und dann strich er mit seinen Lippen sanft über meinen Hals. Seine Hände wanderten von meiner Taile, weiter nach unten, erreichten meine Hüften. Unerwartet versteifte sich mein Körper. Sofort liess Emre mich los. 
„Es tut mir leid, ich bin zu weit gegangen.“, entschuldigte er sich. 
„Nein ich .. ich .. mir tut es leid .. ich bin noch nicht bereit und..“, stotterte ich mit zitternde Stimme. Ich brach in den Tränen aus. Emre kam langsam auf mich zu und nahm mich in den Arm. 
„Bereit? Für was denn Hayatim? (Liebling). Mir würde niemals in den Sinn kommen dich vor unserer Hochzeit anzufassen. Ich war eben nur so glücklich das du ja gesagt hast. Wollt dich küssen, dich in den Arm halten, damit ich weiss das du da bist und das ich nicht träume.“ 
Emre küsste meinen Kopf und strich mir immer wieder übers Haar. 
„Wein nicht bitte, es tut mir leid.“, murmelte er mir ins Ohr. 
Sibel: „Was wenn ich auch in der Hochzeitsnacht nicht bereit bin?“
Meine Frage verblüffte mich selbst. Ich hielt meinen Blick gesenkt. Emre hob mein Kinn an und küsste mich lächelnd auf die Stirn. 
„Canim benim (Mein Schatz). Ich würde dich niemals zu etwas zwingen, das weisst du doch? Ich werde warten. Tage, Wochen, Monate. Bis du bereit bist. Bereit für mich! Es genügt mir jeden Morgen dein wunderschönes Gesicht als erstes zu sehen.“ 
Nach den Worten fing ich plötzlich noch heftiger an zu weinen. 
„Ey du sollst nicht weinen. Bitte!“, sagte Emre traurig. 
„Lass mich, ich wein vor Freude.“, antwortete ich mit einer Mischung von weinen und lachen. 
Emre: „Vor Freude?“ 
Sibel: „Ja. Manchmal frag ich mich, ob ich so einen tollen Mann wie dich verdient hab.“ 
„Ach ich bin nur ein stink normaler Typ, der bis über beide Ohren verliebt ist.“, lachte er und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. 
Sibel: „Hayir (Nein) du bist mehr als, für mich bist du perfekt!“ 
Ohja. Perfekt! Das war in meinen Augen. Er war fehlerlos. 
„Ich bin total müde.. soll ich dich nach Hause fahren oder bleibst du heute noch hier?“, fragte er vorsichtig. Ich sah ihn kurz ernst an und lächelte dann. 
„Ich bleib. Wir können ja .. zusammen .. also..“, stotterte ich verlegen. 
„So wie damals? Zusammen einschlafen, zusammen aufwachen?“, fragte er leise. 
Sibel: „Ja ...“ 
Er gab mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn. 
„Schau in Selmas Zimmer nach Schlafsachen und komm dann zu mir tamam (okay)?“
Ich lief hoch, nahm mir eine Boxershort und ein Top aus Selmas Schrank und zog sie mir an. Als ich in Emres Zimmer ging, sah ich das er schon im Bett lag. 
„Gel (Komm).“, sagte er und zog die Decke zurück. 
Langsam näherte ich mich und legte mich neben ihn. Er machte keine Anstalten mich zu berühren, wahrscheinlich hatte er Angst vor meiner Reaktion. Erschöpft nach diesen Ereignissreichen Tag legte ich meinen Kopf auf seine Brust und schlang einen Arm um ihn. Erst jetzt legte auch er einen Arm um mich und zog mich näher an sich. Ich starrte verträumt auf den wunderschönen Ring in meinem Finger. 
„Iyi Geceler (Gute Nacht).“, flüsterte er leise und gab mir einen Kuss auf den Kopf. 
Sibel: „Dir auch, güzel rüya (träum schön).“ 
„Mein schönster Traum liegt in meinen Armen.“, sagte er leise. 
Zum ersten mal seit Wochen schlief ich mit einem Lächeln im Gesicht ein. Doch dieses Lächeln sollte nicht von Dauer sein ... 


Gegen 11 Uhr stand ich auf und merkte das Emre nicht bei mir lag. Ich hörte ihn jedoch singen. Ein echter Frühaufsteher! Schnell stieg ich aus dem Bett und lief die Treppen runter. Emre war in der Küche und machte was zum Essen. Lächelnd stand ich auf der Küchenschwelle, als er mich bemerkte und sofort mit dem Singen aufhörte. 
Emre: „Oh sorry ich wollt dich nicht wecken.“
Lächelnd kam er auf mich zu und gab mir einen Kuss. Unerwartet klingelte es an der Tür. 
„Oh mein Gott, das ist bestimmt deine Mutter.“, rief ich panisch. 
„Yok (Nein), die kommt erst Morgen wieder.“, versuchte er mich zu beruhigen. 
„Aber wer dann?“, fragte ich noch immer unruhig. Emres Handy klingelte.
„Geh mach die Tür auf ich muss kurz telefonieren, ist mein Chef.“, sagt er. 
Nichtsahnend ging ich also an die Tür. Als ich öffnete stand eine attraktive Blondine vor mir. Täuschte ich mich oder war das die gleiche die ich gestern auf der Hochzeit gesehen hatte? Mein Blick fiel auf ihren gewölbten Bauch. Sie war schwanger... 
„Ja bitte?“, fragte ich leicht verlegen da ich noch meine Schlafsachen anhatte. 
Sie sah mich von oben bis unten mit einen vernichtenden Blick an. 
„Ich möchte Emre sprechen. Den Vater meines Kindes!“, verlangte sie mit einen verlogenen Lächeln im Gesicht...

Kapitel 31

Ich riss geschockt die Augen auf und starrte fassungslos auf den Bauch der Frau. Das konnte nicht ihr Ernst sein? Ein Scherz, ein schlechter Scherz war das. 
„Tut mir leid, ich versteh nicht ganz?“, sagte ich leise. 
„Was gibt es da nicht zu verstehen? Ich will Emre sprechen und zwar sofort!“, gab sie hochnäsig zurück und sah mich mit einen spöttischen Blick an. 
„Schatz, wer war an ..“ Emre der jetzt im Flur stand, brach mitten im Satz ab. 
„Laura! Was zum Teufel machst du hier?!“, schrie er empört. 
Er kannte sie also .. ich fühlte wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. 
„Was ich hier mache? Das ist deins, und du wirst dich drum kümmern!“, zischte sie und zeigte mit dem Finger auf ihren Bauch. Sprachlos stand ich da und sah zu Emre. Langsam kam er näher und blieb neben mir stehen. 
„Das ist unmöglich, wir hatten verhütet das weisst du ganz genau!“, sagte er stinksauer. 
Der Boden unter meinen Füßen schwankte, als er den Satz beendet hatte. Er hatte also mit ihr geschlafen .. Ich taumelte einen Schritt nach hinten und hielt mich an der Tür fest. 
Emre griff nach meinen Arm, ich riss mich jedoch sofort los.
„Fass mich nicht an ..“, keuchte ich. Mein Atem ging rasend schnell. 
Emre: „Hayatim (Liebling), es ist nicht so wie es aussieht. Das ist ein Missverständniss!“
„Ein Kind nennst du also ein Missverständniss, so so.“, mischte sich Laura ein. 
„Sei still du Lügnerin! Gott weiss wem sein Kind das ist, meins ist es jedoch ganz bestimmt nicht!“, brüllte er sauer. 
Ich hielt mir die Ohren zu, brach in Tränen aus und rannte die Treppen hoch in Selmas Zimmer. Kraftlos lehnte ich mich gegen die Tür. Ich brauchte einen Moment um meine Gedanken zu ordnen un zu realisieren was gerade ablief. Ich zog mich um und machte mich auf den Weg nach unten. Noch immer stritten die beiden vor der Tür. 
Emre: „Was willst du von mir? Wieso machst du mir das Leben zur Hölle?“
Laura: „Du bist gekommen, hast mich geschwängert und bist dann einfach abgehauen!“
Emre: „Meinst du eigendlich du kannst mich verarschen? Seh ich aus wie ein Kind? Ich lass mir kein fremdes Kind unterjubeln.“ Noch immer weinend zog ich mir meine High Heels an und griff nach meiner Tasche. Emre kam mir entgegen und packte mich an den Armen. 
„Nereye? (Wohin?)“, fragte er leise. 
„Weg. Weg von hier. Weg von allen!“, schrie ich. 
Er verstärkte seinen Griff um meine Arme und sah mich flehend an. 
Emre: „Lütfen (Bitte) Sibel, ich kann die das alles erklären!“ 
„Lass mich los, du tust mir weh.“, gab ich schluchzend zurück. 
Sofort liess er mich los und fuhr sich, mit Tränen in den Augen durch die Haare. 
„Es tut mir leid .. Sibel bitte, du musst mir glauben ..“ 
„Lass mich durch, ich will nach Hause!“, fiel ich ihm ins Wort. 
Er versperrte mir den Weg nach draussen, Laura stand immer noch da und sah mich schadenfroh an. Sie war sich bewusst was sie angerichtet hatte und es freute sie. 
„Tamam (Okay) .. ich lass dich jetzt nach Hause gehn, aber Sibel wir werden reden. Du musst mir zuhören! Denk nichts falsches bitte! Ich hab dich nicht betrogen..“, sagte er und machte dann einen Schritt zu Seite. 

Zu Hause angekommen, stellte ich erleichtert fest das Baba und Pinar noch schliefen. Ich lief geradewegs ins Bad. Ein Blick in den Spiegel reichte und ich brauch abermals in Tränen aus. Mein Schminke war total verlaufen, meine Augen gerötet. Nach einer kurzen Dusche, legte ich mich erschöpft ins Bett. Womit hatte ich das verdient? Womit hatte ich es verdient, das mein Leben ständig aus der Bahn geworfen wird? Ich schloss fest meine Augen und versuchte die Tränen zurückzuhalten die erneut in mir aufstiegen. Er hatte eine andere geschwängert. Eine andere trägt sein Kind in ihrem Bauch. Mit einem Mal stieg eifersucht in mir auf. Wenn sie nicht wäre, würden ich und Emre glücklich sein! Sie hat ihn mir weggenommen, den Mann den ich über alles liebte. Oder war ich diejenige die ihn ihr weggenommen hat? Kopfschüttelnd versuchte ich den Gedanken zu verdrängen. Ich vergrub mein Gesicht in meine Hände und nahm mehrmals tief Luft. Dann nahm ich mein Handy aus der Tasche und sah das ich 19 unbeantwortete Anrufe hatte. 5 mal hatte Emre angerufen seit ich zu Hause war. Die anderen waren allesamt Unbekannt .. Kevin! Was sollte ich jetzt machen? Ich wollte zur Polizei aber war mir mittlerweile nicht mehr sicher. Emre war nicht mehr da .. Gerade als ich das Handy auf den Nachttisch legen wollte, klingelte es. Unbekannt! Ich zog scharf die Luft ein und nahm ab. 
„Ja?“, fragte ich leise. 
Kevin: „Hey Baby.“ 
Sibel: „Nenn mich nicht Baby! Ich werd dich anzeigen und dann ..“
„Du sahst gestern richtig geil aus. Aber es hat mir gar nicht gefallen das du die Nacht bei diesem Loser verbracht hast.“, unterbrach Kevin mich.
Meine Augen weiteten sich, mir wurde schwarz vor Augen. Wenn ich nicht im Bett gelegen hätte, wäre ich sicher umgekippt. Woher wusste er das ich letzte Nacht bei Emre war? Verfolgt er mich etwa? Angst stieg ihn mir auf, mein Körper fing an zu zittern. 
„Ich werd gleich Morgen zur Polizei gehn Kevin.“, sagte ich ängstlich. 
„Deine Stimme macht mich geil, red weiter.“, keuchte er erregt. 
Schockiert legte ich auf und machte mein Handy aus. Der Typ war definitiv krank! 
Mein Blick fiel auf meine Hand. Der Ring an meinem Finger funkelte, er war so schlicht und doch so wunderschön. Alles war kaputt! 
„Schlimmer kann’s nicht werden.“, schluchzte ich leise vor mich hin. 
Das Schicksal hatte meinen Satz wohl als Herausforderung gesehen, denn es sollte noch viel schlimmer werden, als es ohnehin schon war ...

Kapitel 32

Ich war wohl eingeschlafen, denn als ich runter ins Wohnzimmer ging war es bereits 15 Uhr. Baba und Pinar sahen fern. 
„Und?“, flüsterte Pinar mir leise zu, als ich mich neben zu ihr setzte.
„Was und?“, fragte ich. 
Pinar: „Emre hat gestern mit Baba geredet, wegen ..“
„Ich hab Hunger, habt ihr schon was gegessen?“, unterbrach ich sie und lief ohne auf eine Antwort zu warten in die Küche. Sie kam mir hinterher. 
„Abla noldu? (Schwester was ist los?).“, fragte Pinar besorgt. 
„Nichts. Was soll los sein?“, gab ich genervt zurück und liess mich auf einen Stuhl fallen. 
Pinar: „Wie nichts? Baba meinte, das Emre dir einen Heiratsantrag machen will?“
Wortlos starrte ich auf den Boden. Sie liess nicht locker.
„Einen Ring trägst du auch. Wieso sagst du nichts? Ich checks nicht.“, bohrte sie nach. 
„Es gibt nichts zu sagen! Es gibt nichts zu checken tamam? (okay?)“, schrie ich. 
Pinar: „Abla ben (Schwester ich) ..“
„Ich will nicht darüber reden Pinar!“, sagte ich leise. Ich spürte wie Tränen in mir aufstiegen. 
Papa kam in die Küche und sah uns fragend an. 
„Was ist hier los?“, wollte er wissen. 
„Ich hab Abla ihr iPod kaputt gemacht, sie ist ein bisschen sauer auf mich.“, log Pinar. 
Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu, den sie mit einen schwachen Lächeln quittierte. 
„Benim kizlarim (Meine Töchter), das ist doch kein Grund zum streiten.“, antwortete Baba lächelnd und gab erst Pinar und dann mir eine Kuss auf die Wange. 
„Ah bevor ich es vergesse Sibel. Wir fahren gleich wieder nach Berlin, hast du Ausnahmeweise mal Lust mitzukommen?“, fragte Papa und sah mich Erwartungsvoll an. 
Sibel: „Yok Babacim (Nein Papa) ich muss noch so viel lernen. Nächstes mal.“
„Das sagst du immer, aber deine Entscheidung.“, antwortete er leicht enttäuscht. Ich fiel ihm um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Er erwiderte die Umarmung. Papa war der beste. Niemals würde er mir wehtun und immer war er für mich da. 
„Seni Seviyorum Baba (Ich liebe dich Papa).“, sagte ich.


Nachdem die beiden weg waren, ging ich erst mal in die Küche und machte mir was zum Essen. Durch den ganzen Stress hatte ich vollkommen vergessen etwas zu mir zu nehmen. Ich machte mich gerade hungrig über mein Sandwich her, als es an der Tür klingelte. Oh nein! Das war sicher Emre ..
Ich schlich leise aus der Küche, lief durch den Flur und sah durch den Spion. Wie erwartet war es Emre. Mein Herz beschleunigte seine Arbeit, mein Atem ging schneller. Er klingelte erneut. Als ich nicht darauf reagierte klopfte er laut gegen die Tür. 
„Sibel lütfen! (Sibel bitte!) Ich weiss das du zu Hause bist. Wir müssen reden! Ich kann dir das alles erklären!“, schrie er mit flehender Stimme. Ihn so zu hören tat mir in der Seele weh. Ich entschied mich auf mein Herz zu hören .. langsam machte ich die Tür auf. 
„Sibel bitte ..“, flüsterte er mit Tränen in den Augen. 
Wortlos lief ich ins Wohnzimmer, Emre folgte mir. Während er sich setzte, blieb ich stehen. 
„Ich will das du mich ausreden lässt. Wenn ich fertig bin, kannst du dich entscheiden, ob du mir glaubst oder nicht, aber bitte .. bitte lass mich ausreden.“, sagte er leise. 
Ich war jetzt schon den Tränen nahe, deshalb drehte ich ihm den Rücken zu. Dann fing er an zu erklären. 
„Laura ist meine Ex. Ich war 3 Jahre mit ihr zusammen .. und hab sie dann mit einen anderen erwischt.“
Meine Augen weiteten sich, mir fiel die Kinnlade herunter. Ein Glück das er mich nicht sehen konnte. 
„Seit ich hergezogen bin war ich erst einmal in München Sibel. Und das war 1 Woche bevor wir zusammen kamen! Ja ich hab mit ihr geschlafen.. es war ein Fehler. Ich war verzweifelt .. verzweifelt weil du damals noch mit Tolga zusammen warst. Aber das Kind kann unmöglich meins sein! Ich hatte ein Kondom benützt und ..“, seine Stimme versagte für einen kurzen Moment. Lautlos kullerte mir eine Träne nach der anderen über die Wange. 
„Ich hab sie vorhin angerufen und sofort nach einen Vaterschaftstest verlangt, sie blockt ab. Weil sie lügt Sibel. Bitte glaub mir. Ich werd natürlich dafür sorgen das sie die Wahrheit ans Licht kommt.“, fuhr er fort. 
Er stand auf und ich spürte wie er leise auf mich zu kam. Dann griff er nach meinen Arm und drehte mich um, so das ich direkt in seine Augen sah. 
„Das ist 4 Monate her Sibel. Wir waren damals noch nicht zusammen. Sag .. hattest du jemals das Gefühl ich würde dir fremdgehen? Denkst du wirklich ich bin in der Lage dich so zu verletzen?“ 
Ich weinte bitterlich. Emre nahm meine Hände in seine .. ich protestierte nicht. 
„Aglama lütfen (Wein nicht bitte). Es tut so weh dich weinen zu sehen, noch schlimmer ist es das ich der Grund dafür bin..“, sagte er leise. „Ich wollte dir niemals weh tun und jetzt hab ich es doch getan.“ 
Er streichelte mit seinen Fingern meinen Handrücken, plötzlich hielt er inne. 
Emre: „Sibel ich ..“
„Ich brauch ein paar Tage Zeit.. ein bisschen Ruhe damit ich meine Gedanken ordnen kann.“, fiel ich ihm leise ins Wort. Ja das war es was ich brauchte. Ein wenig Ruhe, allein sein wird mir gut tun. 
„Natürlich .. ich werde warten.“, sagte er verständnissvoll. Er liess mich los und ich begleitete ihn zur Tür. An der Schwelle drehte er sich noch einmal um, kam einen Schritt auf mich zu und küsste mich sanft auf die Wange. 
„Ich liebe dich.“, sagte er leise und ging dann. 
Ich schloss die Tür und lehnte mich dagegen. 
„Ich liebe dich auch. Und ich glaube dir!“, murmelte ich vor mich hin. Ja ich glaubte ihm. Lächelnd ging ich in die Küche zurück und nahm mir vor, es ihm gleich Morgen früh zu sagen. 

Nachdem ich mehrere Stunden gelernt hatte, beschloss ich noch ein wenig Fern zu sehen. Ich knipste das Licht in der Küche aus und lief ins Wohnzimmer. Plötzlich hörte ich ein Geräusch das aus dem Flur kam. Ängstlich drehte ich mich um und schaute nach. Nichts. Sicher hatte ich mir das nur eingebildet. Als ich jedoch zurück im Wohnzimmer war, packte mich plötzlich jemand von hinten. Bevor ich schreien konnte legte sich eine Hand um meinen Mund. Eine andere umschloss meine Taille. Vergeblich versuchte ich mich aus den Griff zu lösen. 
„Endlich sind wir allein. Nur du und ich. Wie lange ich auf diesen Moment gewartet hab.“, keuchte Kevin mir ins Ohr. Panik machte sich in meinem Körper breit....

Kapitel 33

Wild schlug ich um mich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. 
"Du riechst so gut.", flüsterte er während er sein Gesicht in meine Haare vergrub. 
Mein ganzer Körper zitterte, die ersten Tränen liefen über mein Gesicht. Er zog mich, noch immer mit einer Hand auf meinen Mund, ins Wohnzimmer. Mit aller Macht versuchte ich mich ihm zu widersetzen. 
"Halt still!", zischte er leise. Ich spürte wie sich sein Griff für eine Mini Sekunde lockerte, blitzschnell biss ich in seine Hand. 
"Ahhh.", schrie er schmerzvoll. 
Ich rannte nach vorn und wollte schreien, doch im nächsten Augenblick packte Kevin meine Haare und zog mich zurück. Aus den Augenwinkeln sah ich ein Blitzen. Plötzlich spürte ich etwas kaltes und spitzes an meiner Wange. Ein Messer! Mein Körper versteifte sich, ich hielt den Atem an. 
"Na also, geht doch Baby.", keuchte er mir ins Ohr. 
"Wir wollen doch nicht das dein schönes Gesicht entstellt wird."
"Bitte ..", flehte ich weinend. 
"Bitte lass mich los, mein Vater hat viel Geld, du kannst alles haben.."
"Ich will aber kein Geld. Ich will dich, nur dich.", fiel er mir ins Wort und küsste meinen Nacken. 
Angewidert verzog ich das Gesicht. Mit dem Messer, das er noch immer an mein Gesicht hielt, war ich unfähig mich zu bewegen. Meine Gedanken spielten verrückt, ich versuchte zu realisieren was hier geschah. Was gerade passierte war echt. Es war, leider Gottes, kein Albtraum! 
"Du treibst mich in den Wahnsinn Baby und das schon solange.", sagte er. 
Sein Atem ging schneller, während er mit seinen Lippen, meinen Hals entlang strich. Er ging weiter zu meinen Schulter und zog die Träger meines Tops nach unten. 
"Bitte nicht. Bitte ich fleh ich dich an, tu es nicht.", bettelte ich heulend. 
"Pshtt, halt jetzt still verstanden!?", flüsterte er leise und zog gleich darauf ein Tuch hervor. 
"Was hast du vor? Bitte Kevin ich ..", ehe ich weitersprechen konnte, band er mir den Mund zu. 
Verzweifelt probierte ich noch einmal abzuhauen, als ich erneut das Messer an meinem Gesicht spürte. Langsam strich er mit der Spitze über meine Wange. 
"Nicht bewegen Baby .. ich will das du still hältst, sonst muss ich dir weh tun.", murmelte er leise. 
Sonst muss er mir weh tun? War diesem Psychopath überhaupt bewusst, wie er weh er mir gerade tat?
Er schleppte mich ins nächste Zimmer .. das Zimmer meines Vaters! Entsetzt riss ich die Augen, ich wollte schreien doch das Tuch erstickte meinen Schrei. Kevin drückte mich auf das Bett und fing an mich mit einer Hand auszuziehen. In der anderen hielt er das Messer bereit. Nur noch in Unterwäsche lag ich da. Als er anfing mich anzufassen schlug ich panisch um mich. Mit Händen und Füßen setzte ich mich zu Wehr. Er legte das Messer weg, stieg rittlings auf mich drauf und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Es tat schrecklich weh, ich wurde noch nie zuvor geschlagen. Aber was mehr weh tat, war die Tatsache, dass ich ihm hilflos ausgeliefert war! Er hob erneut die Hand und ich zuckte zusammen. Er schlug jedoch nicht zu, sondern öffnete meinen BH. Eine Träne nach der anderen kullerte meine Schläfe herab. Ich fühlte mich schrecklich. So leer und so hilflos. Er zog sich die Hose aus. Mit aller Macht presste ich meine Schenkel zusammen. Ein kurzer Kampf folgte. Doch war er stärker als ich, Gewaltvoll drückte er sie wieder ausseinander. Dann packte er meine Arme und drückte sie ans Bett. Als er in mich eindrang stöhnte ich vor Schmerz auf. Ich fühlte mich als ob ich entzwei gerissen wurde. 
"Wie eng du bist Baby, ich mag das.", keuchte er mir ins Ohr. 
Ich hatte keine Ahnung wie lange das so weiter ging und ich diesen schrecklichen Schmerz spüren musste. Mittlerweile weinte ich nicht mehr, ich hatte den Kampf verloren. Es tat so unendlich weh, ich wollte das nicht. Wieso? Wieso ich? Irgendwann ließ er dann von mir ab. Er stand auf und zog sich an. Kraftlos lag ich auf dem Bett .. auf dem Bett meines Vaters! Erneut fing ich an zu weinen, war jedoch weder in der Lage mich zu bewegen, noch klar zu denken. 
"War doch geil oder? Ich weiß das es dir Spaß gemacht hat.", lachte er höhnisch. 
Er kam auf mich zu und strich mir über das Haar. Ich kniff die Augen zusammen und drehte meinen Kopf weg. 
"Bis zum nächsten mal Baby.", flüsterte er und verschwand. 
Ich riss mir das Tuch vom Mund und brach erneut in Tränen aus. Da lag ich nun, beschmutzt und das nicht zum ersten mal. Nach einer Weile stand ich langsam auf, zog mein Top und meine Shorts an und schleppte meinen schmerzvollen Körper ins Bad. Mit den Händen stütze ich mich an das Waschbecken und schaute in den Spiegel. Und jetzt frag ich euch wieder .. Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr denkt dass ihr alles verloren habt? Wenn euer Leben einen Tiefpunkt erreicht hat, wenn ihr am Boden liegt und es einfach nicht mehr schafft aufzustehen? Ich kenne es. Langsam öffnete ich den Spiegelschrank und nahm Papas kleines Fläschchen in die Hand. Ich machte den Deckel auf und sah das nur 2 Schlaftabletten drinn waren. Dann legte ich die Falsche mitsamt den Tabletten wieder zurück und öffnete die andere Seite des Spiegelschranks. Und dann sah ich es, die kleine, scharfe Rasierklinge...

Kapitel 34

Langsam griff ich nach der Klinge und lief direkt in mein Zimmer. Ich legte mich aufs Bett und starrte an die Decke. Keine 6 Monate war es her, ich war ein einfaches aber glückliches Mädchen. Ging fleißig in die Uni, lernte und machte nie Probleme. Keine Ahnung wie ich in dieses Loch gefallen war, in dieses tiefe schwarze Loch aus dem ich jetzt nicht mehr raus kam. Mein Körper und meine Seele schmerzten. Ich kniff die Augen zusammen und riss die Hände vors Gesicht. Es tat so schrecklich weh! Wieso machen Menschen sowas? Wieso gibt es so grausame Männer? Meine Gedanken kreisten um Emre. Ich hatte ihn nicht verdient. Er verdient kein Mädchen, das zweimal beschmutzt wurde. Ich richtete mich auf und nahm mein Handy in die Hand. Dann wählte ich Selmas Nummer. Ich wollte ihre Stimme hören. 
"Hey canim, na alles klar?", rief sie fröhlich. 
"Hey.", antwortete ich leise. 
Selma: "Wie geht's dir?"
"Gut.", erwiderte ich knapp. 
"Du klingst so komisch, ist alles okay?", fragte sie besorgt.
"Wie geht's dir? Wann fährt ihr in die Flitterwochen?", wechselte ich mit bebender Stimme das Thema. 
"Sibel noldu? (Was ist los?) Ich kenn dich doch, irgendwas stimmt nicht!", hackte Selma nach. 
Sibel: "Ich bin nur müde. Will gleich schlafen gehn, wollt nur noch kurz deine Stimme hören."
Meine Stimme zitterte, ich versuchte mit aller Macht die Tränen zurück zu halten. 
"Ja, das ist Sibel .. nein warte ich frag erst." 
Ich hörte wie Selma mit jemanden sprach. 
"Nerdesin? (Wo bist du?)", fragte ich leise. 
"Bei Mama, wollt mich Verabschieden weil Can und ich morgen fliegen. Emre will dich sprechen ..", antwortete Selma.
"Nein! Ich will nicht.", sagte ich hastig. Jetzt seine Stimme zu hören, würde nur noch mehr weh tun. 
Selma: "Canim ich weiss von der Sache mit Laura, er hat es mir erzählt und .."
"Das ist es nicht. Ich bin total müde, ich will jetzt einfach nur schlafen.", unterbrach ich sie. 
"Tamam (okay) mein Schatz.", gab sie leise zurück. 
Sibel: "Canim.." 
Selma: "Evet? (Ja?)"
"Ich liebe dich, das weisst du oder?", flüsterte ich leise. 
"Natürlich weiss ich das Sibel, ich liebe dich auch!", gab sie zurück. 
"Kannst du Emre sagen .. kannst du ihm sagen das ich ihn liebe?", schluchzte ich leise ins Telefon.
"Canim du machst mir Angst, deine Stimme .."
"Kannst du das machen Selma? Lütfen? (Bitte?)", fiel ich ihr ins Wort. 
"Ja. Ja natürlich. Canim wo bist du?", fragte sie unruhig. 
Sibel: "Zu Hause. Ich will jetzt schlafen .. iyi geceler (gute nacht)."
Bevor sie antworten konnte, legte ich auf. Ich nahm tief Luft und sah auf mein Display. Es war schon 23:30 Uhr.
Plötzlich klingelte mein Handy, ich fuhr vor Schreck hoch. Unbekannt! Ich drückte den Anrufer weg und wählte Pinars Nummer. 
"Hey Abla (Schwester).", sie klang fröhlich und ich hörte im Hintergrund mehrere Stimmen. 
"Seid ihr gut angekommen mein Schatz? Hab vergessen anzurufen vorhin ..", fragte ich leise. 
"Ja die Fahrt war langweilig wie immer, aber dafür haben wir grad Spaß hier. Wir sind alle zusammen.", antwortete sie. 
Sibel: "Das freut mich." 
Pinar: "Du fehlst aber! Das nächste mal kommst du bitte mit tamam? (okay?)"
Das nächste mal.. würde es ein nächstes mal geben? Als ich nichts darauf erwiderte sprach Pinar weiter. 
"Und wegen heute Mittag .. es tut mir leid ich wollte dich mit meinen Fragen nicht verletzen.", entschuldigte sie sich. 
Eine Träne kullerte mir die Wange herab. 
"Schon okay mein Schatz. Ich mach jetzt Schluss, gib Baba einen Kuss von mir. Ich liebe euch.", verabschiedete ich mich und legte auf. Ich legte das Handy weg und starrte auf die Klinge. Ich weiss nicht genau wie lange ich so da saß, irgendwann legte ich die Klinge langsam auf meine Pulsschlagader. Ich vergaß alles um mich herum, deshalb hörte ich auch nicht wie unten jemand wild an der Tür klopfte und kurz darauf eine Fensterscheibe eingeschlagen wurde. Wie in Trance starrte ich auf mein Handgelenk. 
Mein ganzer Körper zitterte .. es würde weh tun die Klinge durch zu ziehen .. aber das wären dann die letzten Schmerzen. Nie mehr würde mir jemand weh tun können. Meine Zimmertür wurde aufgerissen. 
„Nein!“, schrie Emre und kam auf mich zu. Noch immer waren meine Augen auf mein Handgelenk gerichtet. Emre kam näher und nahm mir die Klinge aus der Hand. Als er mich berührte, erwachte ich aus meiner Trance. 
„Nein, lass mich los. Fass mich nicht an!“, kreischte ich und brach in Tränen aus. 
„Allahim Sibel! (Mein Gott Sibel!)“, schrie Selma, die ebenfalls ins Zimmer kam. 
Sie kam langsam auf mich zu und nahm mich in den Arm, ich wehrte mich nicht. 
„Alles wird gut mein Schatz. Wir sind da. Alles wird gut.“, flüsterte sie mir ins Ohr. 
Ich weinte hemmungslos, plötzlich wurde mir schwarz vor Augen, es war zu viel für mich, ich verlor das Bewusstsein ..

Kapitel 35

Während ich schlafend im Krankenhaus Bett lag, unterhielt sich der Arzt im Flur mit Emre und Sibel. Can war ebenfalls da. 
„Haben sie den Vater bereits kontaktiert?“, fragte der Arzt. 
„Ja aber der kommt erst in ein paar Stunden.“, antwortete Selma. 
„Können sie uns denn nicht sagen, was los ist? Ich bin ihr Verlobter ich hab das Recht es zu erfahren!“, sagte Emre ein wenig zu laut. 
Arzt: „Nun ja .. nach gründlicher Untersuchung wurde festgestellt, das Frau Özer vergewaltigt wurde.“ 
„Was? Nein bitte nicht.. Nein!“, schrie Selma und fing an zu heulen. 
Kreidebleich taumelte Emre einen Schritt zurück und stütze sich an der Wand. Es war als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hätte. 
„Dürfen wir rein? Ich will sie sehen ..“, fragte Selma schluchzend. 
„Ja das geht in Ordnung, Frau Özer wurde ein Beruhigungsmittel verabreicht, sie wird die Nacht durchschlafen.“, sagte der Arzt und ging. 
Emre lehnte weinend an der Wand und vergrub das Gesicht in seinen Händen. 
„Abi yapma (Bruder hör auf), wir müssen jetzt stark sein. Für Sibel!“, versuchte Selma ihn weinend zu trösten. 
„Ich werde ihn umbringen, wer auch immer es war. Ich werde den Mistkerl umbringen!“, zischte er leise. 
Selma: „Du wirst niemanden umbringen! Die Polizei wird sich darum kümmern.“


Ein Klopfen an der Tür riss mich aus dem Schlaf, ich war jedoch zu müde um die Augen aufzuschlagen. Irgendjemand hielt meine Hand. Mein Körper schmerzte und ich fühlte mich leer. Einfach nur leer. Ich hörte wie jemand leise weinte ..Pinar? Ja das war Pinar. 
„Um eine mögliche Schwangerschaft vorzubeugen, wurde ihrer Tochter die Pille danach gegeben. Wir haben Glück das Frau Özer nicht geduscht bzw. gebadet hat. Es wurden Spermaspuren gefunden. Damit liegt ein großer Beweis vor, sollte sie sich dazu entscheiden die Person anzuzeigen.“, hörte ich den Arzt erklären. 
Noch immer hielt ich meine Augen geschlossen. 
„Natürlich werden wir Anzeige erstatten.“, gab Baba zurück. 
„Er wird dafür bezahlen, dieser elender Hund.“, fügte er mit schwacher Stimme hinzu. 
Es tat weh meinen Papa so zu hören. So verzweifelt und müde. Langsam öffnete ich meine Augen und sah, dass es Emre war der meine Hand hielt. Seine Stirn lag auf meinem Handrücken und ich spürte wie mir Tränen auf die Hand fielen. Er weinte .. Ich musste mich bewegt haben, denn er hob plötzlich seinen Kopf und sah mich mit geröteten Augen an. 
„Sibel ..“, flüsterte er leise. 
Sofort wandte ich meinen Blick von ihm und entzog ihm meine Hand. Ich schaffte es auch nicht meinem Vater ins Gesicht zu sehen. Es tat so schrecklich weh. Ich schämte mich. Selma und Pinar kamen an mein Bett. Selma hatte rote und geschwollene Augen, weinte jedoch nicht mehr. Pinar hingegen heulte wie ein Wasserfall. 
„Abla (Schwester) alles wird gut.“, sagte sie weinend. 
Mein Herz zog sich bei ihrem Anblick zusammen. Automatisch streckte ich ihr meine Hand entgegen, nach der sie dankbar griff. Selma gab mir einen Kuss auf den Kopf und flüsterte mir beruhigende Worte zu. Mein Vater und Can hatten das Zimmer verlassen, Emre hingegen stand am Fenster und starrte geistesabwesend auf den Boden. Langsam hob er seinen Kopf und unsere Blicken trafen sich erneut. Es bildete sich ein Kloß in meinem Hals, mein Körper fing an zu zittern, nur schwer könnte ich die Tränen zurückhalten. 
„Lasst uns kurz allein.“, sagte er zu den beiden. 
Mein Körper versteifte sich, Selma musste es bemerkt haben. 
„Kann das nicht warten? Ihr geht’s noch ..“
„Nur 5 Minuten Selma. Bitte.“, fiel Emre ihr ins Wort. 
Selma sah mich fragend an und ich nickte kaum merklich. Und dann waren wir allein. 
Er setze sich ans Bettende. Eine ganze Weile sagte keiner von uns was. 
„Wer hat dir das angetan?“, fragte er leise und brach so Stille. 
Ich schwieg. Ich wollte nicht darüber reden, vor allem nicht mit ihm. 
„Wer hat dir das angetan?“, fragte er erneut, diesmal jedoch deutlich lauter. 
Weinend schloss ich die Augen, ich schämte mich so. 
„Es tut mir leid, es tut mir so schrecklich leid.“, er nahm meine Hand und küsste sie immer wieder. Eine Träne nach der anderen lief ihm über die Wange. 
„Ich war nicht da um dich zu beschützen, es war meine Schuld. Ich hätte dich nicht allein lassen sollen. Bitte verzeih mir. Bitte.“, entschuldigte er sich. Er weinte wie ein klein Kind. Es tat fürchterlich weh ihn so zu sehen. 
„Nein ich hab Schuld, wenn ich dir von den Anrufen erzählt hätte und wir zur Polizei gegangen wären ..“, meine Stimme versagte als ich realiserte, dass ich all das verhindern könnte. Ich begann vom neuen zu weinen. 
Emre: „Aglama lütfen (Wein nicht bitte), alles wird gut.“
Als er seinen Hände um mein Gesicht legte und sich näherte, verspürte ich erst ein mulmiges Gefühl. Er küsste meinen Kopf und legte dann seine Stirn auf meine. 
„Alles wird gut, ich bin da. Wir schaffen das.“, sprach er leise auf mich ein. 
Bei dem „Wir“ entspannte ich mich sichtlich. Es tat gut zu wissen, das er trotz allem noch zu mir stand und mich nicht allein liess. Ich weiss nicht genau wie lange wir so verharrten. Wir weinten beide, unsere Tränen vermischten sich. 
„Kevin war es.“, sagte ich auf einmal leise. 
Emre liess mich los und starrte mich an. Seine Augen funkelten voller Hass. 
„Bitte Emre bleib. Du darfst nichts machen.“, flehte ich ihn an, als er sich umdrehte und gehn wollte. Einen Moment zögerte er, kam dann jedoch wieder ans Bett und nahm erneut meine Hand. 
„Wir müssen zur Polizei ..“, sagte er leise. 
„Ich hab Angst.“, gab ich mit zitternder Stimme zurück. 
„Brauchst du nicht. Ich bin da.“, antwortete er, gab mir einen kurzen Kuss und lächelte mich aufmunternd an. Als er mich küsste schloss ich die Augen, um diese schmerzvollen Gedanken, die in meinem Kopf kreisten zu verdrängen. 
Polizei, Anzeige, Gerichtsverhandlung. Mich würde in den nächsten Wochen die reinste Hölle erwarten. Doch ich war nicht allein!

Kapitel 36

Eine Woche verging. Eine Woche, in der ich keinen Fuß aus dem Haus gesetzt hatte. Ich weinte viel und aß wenig. Schlafen konnte ich nur schlecht, immer wieder stand ich mitten in der Nacht schweissgebadet auf. Keine Sekunde wurde ich allein gelassen, wenn Pinar in der Schule war, blieb Papa zu Hause. Ich glaube sie hatten alle Angst das ich mir etwas antue. Den Gedanken hatte ich jedoch aus meinen Kopf gelöscht. Auch wenn ein Mensch an einem Punkt gelangt, an dem er nicht mehr kann und man mehr leidet als das man lebt. Egal wie schwer es ist, und welche Qualen man durchmacht. Selbstmord ist eine Sünde! Allah hat mir mein Leben gegeben und nur er wird es mir nehmen. All das sind Prüfungen und ich hatte die richtigen Menschen um mich, um diese zu bewältigen. 


Selma kam jeden Tag vorbei, ich hatte ein schlechtes Gewissen. Wegen mir ist sie nicht in die Flitterwochen geflogen .. Ich lag gerade in meinem Bett und weinte leise vor mich hin, als es an der Tür klopfte. Erschrocken fuhr ich hoch. Schnell wischte ich mir die Tränen weg. 
„Ja?“, fragte ich und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als Selma durch die Tür kam. 
„Hallo mein Schatz.“, lächelte sie, setzte sich an mein Bett und nahm meine Hand. 
„Selma du hast erst vor kurzem geheiratet und hast wegen mir deine Flitterwochen abgesagt. Ich fühl mich schlecht, wenn du so oft kommst, weil ..“
„Sus! (Sei still!)“, unterbrach sie mich und sah mich beleidigt an. 
„Ich will nie wieder ein Wort davon hören! Anladin mi? (Verstanden?)“
Ich nickte wortlos und eine Träne kullerte mir die Wange herunter. Sofort nahm Selma mich tröstend in den Arm. 
„Ist ja gut, nicht weinen.“, versuchte sie mich zu beruhigen.
„Wo ist Emre?“, fragte ich leise. 
Seit unserem Gespräch im Krankenhaus vor einer Woche, war er erst einmal kurz dagewesen. An dem Tag hatte er sich lange mit Papa unterhalten und war nur kurz in mein Zimmer gekommen um sich zu verabschieden. Ich hatte ein mulmiges Gefühl. 
„Selma?“, fragte ich erneut als sie nicht antwortete. Ich löste mich von ihrem Griff und sah sie an, jedoch wich sie meinem Blick aus. Ein kalter Schauder lief mir über den Rücken. Ist ihm irgendwas zugestoßen? Mein Herz zog sich bei dem Gedanken zusammen. 
„Wo ist Emre? Ist ihm irgendwas passiert?“, wollte ich wissen. Meine Stimme zitterte. 
Selma: „Nein keine Sorge es geht im gut ..“
Sie brach mitten im Satz ab. 
„Aber?“, hackte ich nach. 
Und dann .. ganz plötzlich fiel der Groschen.
„Achso..“, sagte ich ganz leise, mehr zu mir selbst als zu Selma. 
Sie legte den Kopf schief und sah mich fragend an. 
„Ich .. ich versteh es natürlich .. wenn er .. wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich mein wer will schon .. wer will schon ein gebrauchtes Mädchen.“, sagte ich stotternd.
Meine Stimme bebte, mein ganzer Körper zitterte ich brach in Tränen aus. 
Selam fiel geschockt die Kinnlade herunter. Mit grossen Augen starrte sie mich an. Dann packte sie auf einmal meine Handgelenke. 
„Sag das nie wieder! Du bist so ein Dummkopf Sibel! Siehst du nicht wie sehr Emre dich liebt? Es macht ihn einfach nur fertig, dich so hilflos zu sehen. Er will dir helfen aber weiss nicht wie. Er hat Angst vor deiner Reaktion, weil du dich so zurückziehst.“ 
Ihre Stimmte zitterte und ihre Augen füllten sich mit Tränen, was mich nur dazu brachte noch heftiger zu weinen. 
„Aber wieso kommt er nicht?“, fragte ich schluchzend. 
Selma: „Weil er nach Kevin sucht. Er fährt stundenlang durch die Stadt, sucht in Klubs bei Kevins Freunden einfach überall. Die Polizei fahndet ja schon seit Tagen nach ihm und immer noch ist er wie vom Erdboden verschluckt.“ 
Ich hielt den Atem an. Angst breitete sich in meinem Körper aus. 
„Keine Sorge, Emre kann auf sich aufpassen.“, versuchte Selma mich zu beruhigen.
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sind wir direkt zur Polizei gegangen und hatten Anzeige erstattet. Von Kevin fehlte bis jetzt jedoch jede Spur. Es war die reinste Tortur gewesen, als ich alles den Ermittlern erzählen musste. Jede Sekunde kam wieder hoch, immer und immer wieder musste ich abbrechen. Doch ich muss sagen, hinterher fühlte ich mich besser. Zwar kraftlos unn müde aber auch befreiend. Doch ich hatte schreckliche Angst .. wenn es soweit war und ich Kevin vor Gericht sehen müsste. Doch erstmal musste man ihn finden und ich betete, dass die Polizei schneller als Emre war. 
„Ich .. ich will jetzt duschen.“, sagte ich leise und stand auf. 
Selma: „Canim .. du hast erst vor 1 Stunde geduscht, deine Haare sind noch nass.“
Wortlos ging ich ins Bad und schloss die Tür hinter mir. Ich stieg unter die Dusche und liess das Wasser laufen. Ich nahm die Seife und wusch mich. Jede einzelne Stelle die er geküsst und angefasst hatte. Würde der Schmutz jemals weggehen? Würde er? Ich fing an zu weinen, meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser. Meine Seele schmerzte, es war so ein unerträgliches Gefühl, dass man einfach nicht in Worte fassen kann. Ich wickelte mich in meinen Bademantel und tapste in mein Zimmer. Meine Augen waren geschwollen. Schweigend kam Selma auf mich zu, nahm mich in den Arm. Dann setzte sie mich auf’s Bett, nahm meinen Fön aus der Schublade und trocknete mir die Haare. 
„Ich mach dir was zum Essen tamam? (okay?)“, sagte Selma. 
„Hab kein Hunger.“, antwortete ich leise. 
„Sibel du musst essen! Schau dich mal an, du hast bestimmt schon 3 Kilo abgenommen!“, gab sie sauer zurück. 
Ihr Blick wurde sofort wieder sanfter, sie gab mir einen Kuss auf den Kopf. 
Selma: „Nur eine Suppe bitte.“
Ich nickte langsam und versuchte ihr ein Lächeln zu schenken. Dann ging sie runter und liess mich allein zurück. Ich zog mich an und legte mich in mein Bett. Auf einmal klingelte mein Handy. Ruckartig fuhr ich hoch und nahm es mit zitternden Fingern in die Hand...

Kapitel 37

„Ja?“, fragte ich leise, als ich abnahm. 
„Hallo Sibel.“, flüsterte jemand. Es war Tolga! 
„Was willst du von mir? Und woher hast du meine Nummer?“, fragte ich wütend. 
Tolga: „Hab von der Sache mit Kevin gehört, es tut mir wirklich leid.“ 
„Lass mich in Ruhe Tolga! Ich hab dich nicht angezeigt, weil ich es nicht schaffe. Ich komme jetzt kaum klar und wenn mein Vater von der Sache mit dir erfährt bist du ein toter Mann! Er soll sich seine Hände nicht schmutzig machen an so Menschen wie dir!“, zischte ich leise ins Telefon. Ängstlich schaute ich zur Tür. Hoffentlich hört mich keiner. 
„Ja ich weiss .. ich wollte mich einfach nochmal entschuldigen. Du hast keine Ahnung wie ich leide Sibel, manchmal spiel ich mit dem Gedanken selber zur Polizei zu gehen!“
Tolgas Stimme zitterte und ich hörte wie er tief Luft holte. Weinte er etwa? Was zum Teufel sollte das werden? 
„Ich hab keine Ahnung was für eine Show du hier abziehst, alles was ich will ist das du mich in Ruhe lässt! Haben wir uns verstanden?“, sagte ich leise und drückte auf die rote Taste ohne auf eine Antwort zu warten. Meine Gedanken spielten verrückt. Als Selma kurz darauf mit der Suppe kam, versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. 
„Alles okay?“, fragte sie mich nach ein paar Minuten. 
„Ja ich bin nur müde.“, antwortete ich und reichte ihr den leeren Teller. 
„Siehst du, ein Teller Suppe bringt dich nicht um.“, strahlte sie mich an. 
Ich schaffte es ihr ein kleines Lächeln zu schenken und legte mich hin. Selma drückte mir eine Kuss auf die Wange und deckte mich zu. 
„Ich bin unten bei Pinar, ruf mich falls du was brauchst.“, hörte ich sie sagen.
Ich nickte kaum merklich und schloss dann meine Augen....



Unruhig wälzte ich mich von einer Seite zur anderen. Es dauerte Ewigkeiten bis ich eingeschlafen war. Als ich dann meine Augen wieder öffnete, sah ich wie Emre auf der Couch in meinem Zimmer saß und mich beobachtete. Als unsere Blicke sich trafen lächelte er mich an. Er stand auf und kam langsam auf mich zu. 
„Wie geht’s dir? Willst du irgendwas?“, fragte er leise. 
„Nein... wo warst du solange?“, meine Stimme zitterte. 
„Hatte zu tun.“, antwortete er ausweichend und setzte sich neben mich. 
Sibel: „Ich will nicht das du nach ihm suchst, überlass das der Polizei.“
Wortlos nahm er meine Hand und küsste sie. 
„Bitte Emre .. was soll ich machen wenn dir was passiert?“, schluchzte ich leise. 
„Nicht weinen, mir wird schon nichts passieren.“, flüsterte er leise, legte einen Arm um mich und gab mir einen Kuss auf die Schläfe. Gänsehaut durchfuhr mich, ich fing plötzlich an zu zittern. 
„Alles okay?“, fragte Emre besorgt und legte ganz unbewusst seine Hand auf meinen Oberschenkel. In meinen Kopf schrillten die Alarmglocken. Ich kniff die Augen zusammen, wich zurück und gab einen ohrenbetäubenden Schrei von mir. 
„Nein! Nein fass mich nicht an. Ich will das nicht.“, brüllte ich. 
Weinend hielt ich mir die Ohren zu. Es war als ob ich alles erneut durchlebte. Kevins Hände auf meinem Körper. Seine Lippen an meinem Hals. 
„Ich will nicht. Ich will nicht.“, schrie ich immer wieder. 
Emre stand geschockt da und sah mich an, als kurz darauf Selma, Baba und Pinar in mein Zimmer kamen. Pinar fing ebenfalls an zu weinen. 
„Was ist passiert?“, fragte Selma. 
Emre: „Ich weiss nicht .. ich .. glaub weil ich sie berührt hab ..“
Total aufgebracht fuhr er sich mit dem Händen duch die Haare. Seine Augen füllten sich mit Tränen. 
„Geht bitte raus, ich kümmer mich um sie.“, sagte Selma, schickte alle drei raus und schloss die Tür. Dann kam sie langsam auf mich zu. Ich kauerte noch immer weinend in der Ecke meines Zimmers. Als sie mich berührte zuckte ich zusammen und sah mich ängstlich um. Dann fiel ich ihr heulend um den Hals. 
„Ich kann nicht mehr Selma, ich kann nicht mehr.“, schluchzte ich leise. 
„Ist ja gut ich bin da.“, flüsterte sie und strich mir tröstend über den Rücken. 
„Ich kann nicht schlafen .. weil ich immer so schreckliche Albträume hab .. und auch Tagsüber ... ich muss immer wieder daran denken. Es soll weg gehen Selma, es soll weg von meinem Kopf ich will das nicht mehr.“, sagte ich mit zitternder Stimme. 
Selma löste sich aus meiner Umarmung und nahm mein Gesicht in ihre Hände. 
„Du brauchst Hilfe Sibel. Professionelle Hilfe.“, sagte sie leise. Sie wischte sich die Träne weg, die über ihre Wange kullerte und sah mich lächelnd an. 
Selma: „Ab jetzt wird alles besser. Zusammen schaffen wir das. Tamam? (Okay?)“
Mein Kopf versuchte das alles zu verarbeiten, mein Atem ging nun langsamer. Ja ich brauchte Hilfe. Eine Therapie .. Selma sah mich Erwartungsvoll an, woraufhin ich kaum merklich nickte. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn und half mir mich auf’s Bett zu setzten. Ein paar Minunten herrschte Stille, für die ich mehr als dankbar war. Dann klopfte es auf einmal an der Tür. Pinar kam rein. Ihre Augen waren gerötet. Instinktiv streckte ich ihr meine Hand entgegen. 
„Gel (Komm)“, sagte ich leise. 
Zögernd griff sie danach und setzte sich neben mich. Ich umarmte sie, woraufhin sie heulend ihr Gesicht in meine Brust vergrub. Erneut fing ich an zu weinen. 
„Bitte wein nicht Abla (Schwester), alles wird gut. Nie wieder wird dir jemand weh tun. Emre und Baba werden das nicht zu lassen.“, schluchzte sie leise. 
Mein Herz zog sich bei ihren Wortern zusammen. Sie war erst 14, nach dem Tod unserer Mutter hatte ich mir geschworen immer für sie da zu sein. Zärtlich strich ich ihr über die Haare und küsste sie auf dem Kopf. 
„Evet (Ja) mein Schatz. Alles wird gut.“, flüsterte ich leise. 
Kurz darauf kam klopfte es erneut, diesmal war es Emre. Er blieb jedoch an der Türschwelle stehen. 
„Kann ich .. kann ich reinkommen?“, fragte er leise. 
Ich nickte langsam und sah dann zu Selma. 
„Lasst uns kurz alleine ..“, sagte ich. 
Wortlos nahm sie Pinar an der Hand und ging aus dem Zimmer. Emre schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Er machte keine Anstalten näher zu kommen. Ich saß schweigend auf meinem Bett und starrte auf meine Hände, die heftig zitterten. Bedrückende Stille breitete sich aus, weil niemand so recht wusste, was er sagen sollte.
„Es tut mir leid.“, flüsterte Emre nach einer gefühlten Ewigkeit. 
Unvermittelt brach ich in Tränen aus. 
„Bitte nicht, das tut so weh dich weinen zu sehen. Bitte wein nicht!“, flehte Emre leise. 
„Mir tut es leid. Ich kann so nicht mehr. Es tut so weh. So verdammt weh! Aber ich weiss das ich auch anderen weh tue mit meinem Verhalten!“, sagte ich. 
Emres Knie gaben nach, er ließ sich neben der Tür zu Boden sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Ich weinte hemmungslos, ließ meinen Tränen freien Lauf. 
Ich nahm einmal tief Luft und sagte dann leise: „Aber ich will gesund werden.“
Abrupt hob Emre seinen Kopf und sah mich an. Seine Augen waren gerötet, er weinte. 
„Ich will gesund werden Emre. Für mich. Für dich.“, erklärte ich ihm. 
„Das soll so nicht weiter gehen. Ich will eine Familie gründen. Mit dir. Ich will Kinder kriegen. Mit dir. Mein Leben soll normal weiter gehen. Mit dir!“, fuhr ich weinend fort. 
Emre: „Sibel ich ..“
Ich hob die Hand um ihm zum Schweigen zu bringen. Sofort hielt er inne. 
Sibel: „Alles was ich von dir will ist Zeit. Ich brauche Zeit um das alles zu verarbeiten. Kannst du warten?“ Eine Frage aber auch ein Flehen meinerseits. 
Er nickte, stand langsam auf und setzte sich neben mich, hielt dabei jedoch Abstand. 
„Ich werde warten. Solange ich lebe, werde ich warten. Ich liebe dich. Nur dich!“, sagte er leise. Ein kleines Versprechen. Ich enstpannte mich, als ob mir eine große Last von den Schultern genommen wurde. Dann rückte ich näher an ihm ran und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er hauchte mir einen kurzen Kuss auf die Schläfe. So verharrten wir eine ganze Weile. Plötzlich klingelte Emres Handy .. Als er einen Blick auf das Display warf, verzog er wütend das Gesicht... 
„Kim o? (Wer ist es?)“, fragte ich, obwohl ich ahnte wer es war..

kapitel 38

„Laura ..“, erwiderte er leise und nahm gleich darauf ab. 
„Was willst du?“, blaffte er ins Handy. Ein paar Sekunden hörte er Aufmerksam zu, dann veränderte sich sein Gesichtausdruck auf einmal. 
„Nein du gehst nicht nach München, bevor du nicht diesen Test gemacht hast!“, schrie er. 
Wütend legte er auf und warf sein Handy auf den Boden. 
„Diese ehrenlose. Behauptet noch immer dass es mein Kind ist, aber will diesen verdammten Test nicht machen!“ 
Verzweifelt vergrub er das Gesicht in den Händen und atmete mehrmals tief durch. 
Emre: „Sibel bitte du musst ..“
„Pshht, ich glaub dir.“, fiel ich ihm ins Wort. „Ich glaub dir Emre.“
„Hayatim (Liebling)“, sagte er leise und hauchte mir einen Kuss auf die Hand. 
Zum ersten mal seit Tagen, lächelte ich. Ein Lächeln das vom tiefstem Herzen kam und das Emre erleichtert erwiderte. Ich glaubte ihm. Mein Vertrauen in diesem Mann war endlos. Ich liebte ihn über alles, er war mein Fels in der Brandung. Auf einmal zog er einen Ring aus seiner Hosentasche. Meinen Ring! 
„Den haben sie dir im Krankenhaus abgenommen, seit dem ist er bei mir.“, flüsterte er. 
Meine Augen fingen an zu strahlen, mein Herzschlag ging schneller. Emre sah mich Erwartungsvoll an. Dann streckte ich ihm meine Hand entgegen. Langsam, ganz langsam steckte er mir lächelnd den Ring an. 
„Ich liebe dich über alles und jeden!“, sagte er und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. 
„Ich liebe dich auch.“, sagte ich und lehnte meinen Kopf erneut auf seine starke Schulter. 



Ganze 3 Wochen vergingen, von Kevin war noch immer keine Spur. Anrufe bekam ich auch keine mehr, es schien so als habe er sich in Luft aufgelöst. Ich hatte meine Therapie begonnen und muss sagen .. es tat gut! Am Anfang hatte ich tierische Angst .. Angst mich einem fremden Menschen zu öffnen. Ich saß gerade in der 3. Sitzung bei Frau Jones, die mir mit ihren Ende 30 und ihrem ehrlichen Lächeln, sofort sympathisch gewesen war. 
„Wann haben sie das letzte mal etwas unternommen?“, fragte sie mich. 
„Ich .. ehm .. ist schon länger her ..“, stotterte ich. 
„Und mit ihrem Verlobter? Wie läuft ihre Beziehung?“ 
„Ganz gut eigendlich, er kommt mich oft besuchen.“, antwortete ich. 
„Frau Özer sie wollen ihr Leben normal weiterführen. Hatte ich das richtig verstanden?“ 
Wortlos nickte ich. 
„Wie soll das gehen, wenn sie das Haus nicht verlassen? Gehen sie ins Kino, gehen sie Eis essen, unternehmen sie etwas. Mit ihremVerlobten. Ihrer Freundin. Ihrer Schwester. Das beste wäre natürlich, wenn sie wieder in die Uni gehen.“ 
„Aber er ist irgendwo da draussen!“, antwortete ich ängstlich. Meine Stimmte begann zu zittern, vergeblich versuchte ich die Tränen zurück zu halten. Frau Jones reichte mir wortlos ein Taschentuch, das ich dankbar annahm. 
„Was wenn er plötzlich vor mir steht? Wenn er mir nochmal weh tut? Ich verkafte das nicht noch einmal, ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr!“, schluchzte ich heftig. 
„Weinen sie. Lassen sie ihren Tränen freien Lauf. Es wird gut tun... Frau Özer, sie sind nicht allein, sie haben Menschen die ihnen helfen diesen schweren Weg zu gehen. Aber nur weil .. Er .. irgendwo da draussen ist, können sie nicht aufhören zu leben. Die Polizei
ist ihm dicht auf den Fersen, er wird bald seine gerechte Strafe bekommen. Finden sie nicht auch das sie genug gelitten haben?“ Sie lächelte mir aufmunternd zu.
Ich wischte mir die Tränen weg und nickte. Sie hatte Recht. Ich hab genug gelitten. 
Mit einem Lächeln auf den Lippen, verließ ich aus der Praxis. Emre wartete bereits auf mich. Ich stieg ein und er startete den Motor. 
„Geht’s dir gut?“, fragte er mich ohne dabei seinen Blick von der Straße abzuwenden. 
„Ja.. ich bin nur ein bisschen müde. Das ist aber immer so nach der Sitzung. Einerseits fühl ich mich erleichtert, andereseits auch jedesmal irgendwie kraftlos.“, antwortete ich. 
„Ist das gut oder schlecht?“, fragte er besorgt. 
„Das ist gut .. sehr gut.“, erwiderte ich lächelnd und griff nach seiner Hand, die er lässig auf die Gangschaltung gelegt hatte. Er strich mit seinem Daumen zärtlich über meine Hand und warf mir einen Blick aus den Augenwinkeln zu. 
„Lass uns ins Kino gehen.“, sagte ich auf einmal. 
Emre warf mir einen überraschten Blick zu. 
„Ey schau nach vorne.“, tadelte ich ihn lächelnd. 
Seine Augen begannen zu funkeln, er küsste meine Hand. Kurz darauf parkte er vor dem Kino, händchenhaltend liefen wir rein. Wir hatten Anfang Oktober, das Wetter war noch recht schön. Nachdem wir zwei Karten gekauft hatten, liefen wir Richtung Kinosaal. 
„Ah warte, ich will Popcorn.“, sagte ich lächelnd. Als wir uns umdrehten hielt ich plötzlich inne. Mein Lächeln verschwand. Laura stand etwa 10 Meter von uns entfernt und kam mit schnellen Schritten auf uns zu. 
„Sieh an, sieh an, wen haben wir denn da.“, sagte sie und warf mir einen verächtlichen Blick zu. Instinktiv klammerte ich mich an Emre, der er einen Arm um mich legte. Ihr Gesicht wurde schlagartig rot. Rot vor Wut und Eifersucht. 
„Was willst du hier?“, zischte Emre. 
„Darf man jetzt nichtmal ins Kino gehen?“, fragte sie hochnäsig. 
„Ich glaub kaum das du extra von München gekommen bist um hier ins Kino zu gehen!“, gab er wütend zurück.
„Tzz, natürlich nicht... ich wollte mit dir reden.“, antwortete Laura, noch immer mit diesem arroganten Unterton. 
Emre: „Es gibt nichts zu ..“
„Was erwartest du Laura?“, fiel ich Emre ins Wort. 
Beide starrten mich überrascht an. Laura musterte mich wütend. 
„Du kannst ruhig nach Hause gehen. Wenn es wirklich Emre’s Kind ist, was sowohl ich als auch er bezweifeln, dann wird er sich natürlich darum kümmern. Er wird ganz bestimmt ein toller Vater.“, sagte ich, legte provozierend meine Hand auf Emres Brust, sodass sie meinen Ring funkeln sah und lehnte meinen Kopf an dessen Schulter. 
Geschockt fiel ihr die Kinnlade herunter .. damit hatte sie wohl wirklich nicht gerechnet. Zufrieden, nachdem ich mein Ziel erreicht hatte, nahm ich Emres Hand und zog ihn in den Kinosaal, während wir Laura stehn liessen. 
„Ich liebe dich. Du hast keine Ahnung wie sehr ich dich liebe.“, flüsterte er mir ins Ohr.

Kapitel 39

„Danke für den schönen Tag.“, sagte ich nachdem Emre mich zur Haustür gebracht hatte. 
Als der Film zu Ende war, sind wir noch beim Italiener was essen gegangen. Es war schön endlich mal wieder ein wenig Abwechslung. 
„Ich hab zu danken, du weisst wieso.“, flüsterte er. 
Sanft strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Gänsehaut durchfuhr mich. 
„Du bist so wunderschön, ich liebe dich.“, sagte er während er mir in die Augen sah. 
Ich griff nach seiner Hand und schmiegte lächelnd mein Gesicht in seine Handfläche. 
„Ich liebe dich auch.“, gab ich zurück. 
Er hauchte mir einen sanften Kuss auf die Stirn. Sein Handy klingelte auf einmal. 
Emre: „Ja?“ 
Sein Mimik änderte sich schlagartig. Eine Mischung aus Erleichterung und Wut, breitete sich in seinem Gesicht aus. 
„Wo? .. Wann genau? .. Ja ich bin sofort da!“, sprach er aufgeregt ins Handy. 
„Was ist los?“, fragte ich nervös, nachdem er aufgelegt hatte. 
„Kevin, ein Kumpel von mir hat ihn eben gesehen.“, sagte er kurz, gab mir eine Kuss auf die Wange und drehte sich dann um. 
„Wohin gehst du? Ruf die Polizei!“, rief ich schockiert und klammerte mich an ihm. 
„Lass mich los Schatz.“, sagte Emre ernst. 
„Emre lütfen (Emre bitte), was soll ich machen wenn dir was passiert?“, flehte ich mittlerweile weinend. Sein Blick wurde sofort sanfter, er nahm mich kurz in den Arm. 
„Aglama (Wein nicht). Mir wird nichts passieren! Die Polizei wurde auch schon alarmiert.“, versuchte er mich zu beruhigen. Und dann war er weg! Ich öffnete die Haustür und ging rein. Papa war noch auf der Arbeit, Pinar saß im Wohnzimmer und schaute Fern. Langsam stieg ich die Treppen hoch in mein Zimmer. Müde legte ich mich in mein Bett. Meine Gedanken kreisten um Emre.. um Kevin. Endlich hatten sie ihn gefunden. Doch irgendwie fühlte ich mich unwohl. Der Gedanke daran, dass Kevin Emre etwas antun könnte. Köpftschüttelnd versuchte ich ihn zu verdrängen. Alles würde gut gehen. Kevin bekommt seine gerechte Strafe... 


„Abla? (Schwester?). Steh auf! Bitte ..“
„Nein!“, schrie ich. 
Irgendjemand rüttelte an meinen Arm. Ich riss meine Augen auf. Mein Atem ging schnell, mein Herz pochte. Ich war schweißgebadet. 
Pinar: „Du bist eingeschlafen. Du hast wieder geträumt und geschrien ..“ 
Ihre Stimme versagte, sie fing an zu weinen. Ich nahm sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. 
„Mir geht’s gut, es ist alles okay. Bald werden sie ganz weg sein.“, flüsterte ich. 
Meine Albträume waren schlimm .. doch dieser hier war irgendwie anders gewesen. Bevor ich überhaupt die Chance hatte darüber nachzudenken, klingelte es an der Tür. Pinar löste sich aus meiner Umarmung und wischte sich die Tränen weg. 
„Das ist bestimmt Baba (Papa)“, sagte sie und lief runter. 
Ich stand auf und band mir die Haare zu einem Dutt. Nervös lief ich durch meinen Zimmer und versuchte mich zu konzentrieren. Vergeblich. Auf einmal hörte ich jemanden die Treppen hochlaufen. Kurz darauf wurde meine Tür aufgerissen. Selma stand mit Tränen in den Augen vor mir. Mein Herz zog sich zusammen, ein kalter Schauder durchfuhr meinen Körper. 
„Noldu? (Was ist los?)“, fragte ich ängstlich. 
Selma schluckte uns sah mich mit ihren geröteten Augen mutlos an. 
„Kevin .. sie haben ihn gefunden.“, sagte sie leise mit zittriger Stimme. 
Das war doch eine gute Neuigkeit? Oder etwa nicht? Oh mein Gott! Emre! 
„Wo ist Emre?“, fragte ich hecktisch. 
Selma fing an zu weinen und blickte zu Boden. Ich ahnte schlimmes.. 
„Wo ist Emre verdammt?“, schrie ich und packte sie an den Armen. 
„Kevin .. er hatte eine Waffe dabei .. Abi (Bruder) liegt im Krankenhaus“, stotterte sie. 
Mein Herzschlag setzte aus, ich hielt geschockt die Luft an. Mein Kopf dröhnte, alles um mich herum drehte sich. Ich taumelte einen Schritt zurück und stütze mich an der Wand. Es war als ob mir jemand den Boden unter meinen Füßen weg gezogen hätte. Ich wollte weinen, schreien aber es ging nicht. Ich versuchte zu realiseren was gerade passierte. War das auch wirklich nicht einer meiner Albträume? 
„Sibel lass uns ins Krankenhaus fahren!“ 
Selmas Stimme holte mich in die Realität zurück. Benommen sah ich sie an und nickte. 
Sie fuhr schnell, doch die Fahrt kam mir erschreckend langsam vor. Noch immer weinte ich nicht. Wie betäubt starrte ich aus dem Fenster. Auf einmal kam mir ein erschreckender Gedanke in den Kopf. Meine Körper zitterte heftig, meine Hände schwitzten. 
„Er wird doch überleben oder?“, flüsterte ich voller Angst. 
Aus den Augenwinkeln sah ich wie Selmas Körper sich anspannte. 
„Natürlich wird er das..“, ihr Stimme bebte, sie klang nicht gerade überzeugend. 
Ein paar Minuten später waren wir dann im Krankenhaus. Wie in Trance lief ich Selma hinterher. Sie unterhielt sich kurz mit dem Arzt. Ich verstand nur Bruchteile. 
„Er wird doch durchkommen oder?“, fragte ich leise. 
Der Arzt lächelte mir aufmunternd zu. 
„Machen sie sich keine Sorgen, er schwebt nicht in Lebensgefahr. Herr Kaya ist jung und stark in ein paar Tagen ist er wieder fit.“ 
Erleichterung macht sich in meinem Körper breit. Ich fiel Selma um den Hals. 
„Dürfen wir zu ihm?“, fragte ich erwartungsvoll. 
„Ja aber bitte nur kurz. Seine Mutter ist schon seit 30 Minuten drinn, der Patient braucht Ruhe.“, antwortete der Arzt und ging dann. 
Wir öffneten leise die Zimmertür. Emres Mutter saß auf einen Stuhl neben dem Bett und hielt dessen Hand. Als sie aufblickte und uns bemerkte, lächelte sie schwach. 
„Mein Junge ist stark, er schafft das.“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. 
Es tat so ubeschreiblich weh sie so zu sehen. Ich warf einen Blick auf Emre. Er lag im Bett und rührte sich nicht. Überall Schläuche und tickende Geräte. Dieser Anblick fühlte sich wie ein Stich ins Herz an. Meine Knie gaben nach, ich fiel zu Boden und brach dann in Tränen aus. 
„Alles meine Schuld. Es ist alles meine Schuld.“, schluchzte ich verzweifelt...

Kapitel 40

Ich weinte wie ein kleines Kind. Die ganzen Tränen, die ich bis eben zurückgehalten hatte kamen mir auf einmal hoch und wollten nicht mehr stoppen. 
„Alles meine Schuld.“, jammerte ich immer wieder. 
Selma kniete neben mir und legte einen Arm um mich. 
„Hör auf! Sag sowas nicht.“, versuchte sie mich zu besänftigen. 
Niedergeschlagen klammerte ich mich an Selma. 
„Es stimmt aber .. es stimmt. Es ist alles meine Schuld.“, schluchzte ich leise. 
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter. Bei der Berührung zuckte ich kurz zusammen und hob dann langsam meinen Kopf. Ich sah in die Tränengefüllten Augen von Emres Mutter. Es versetzte mir einen Stich zu wissen, dass ich Schuld an dieser Situation war. Behutsam strich mir Emres Mutter über die Haare. 
„Kizim aglama (Nicht weinen meine Tochter).“, sagte sie leise. 
Ihre Stimme klang so liebevoll und zärtlich, dass ich noch heftiger zu weinen anfing. 
„Es tut mir so leid! Lütfen beni affet.(Bitte verzeih mir)“, wimmerte ich. 
Sie nahm mich in den Arm und drückte mich an ihre Brust. 
„Yapma. (Hör auf.) Emre wird wieder gesund und dann wird alles gut.“, sagte sie. 
„Es tut mir so leid Anne (Mutter). Es tut mir so leid.“, flüsterte ich leise. 
Verzweifelt hielt ich mich an ihr fest. Zum ersten mal nannte ich sie so, sie war immer Teyze (Tante) für mich gewesen. Doch diese kleine, zierliche, liebevolle Frau gab mir alles was ich seit dem Tod meiner Mutter vermisst hatte. Geborgenheit, Schutz und Trost. Mütterliche Liebe. Sanft strich sie mir über den Rücken und flüsterte mir beruhigende Worte ins Ohr. Es war zu viel für mich. Wann würde das alles einfach ein Ende haben? Dieser ganze Schmerz. Dieser ganzer Kummer. Er soll weg gehen! 


Nach ein paar Stunden erfuhren wir von Kevins Festnahme. Er würde jetzt erst mal in Untersuchungshaft bleiben bis der Richter den Prozessbeginn festlegt, erklärte uns ein Beamter, der gekommen war um nach Emre zu schauen. 
„Herr Kaya ist momentan nicht in der Lage ausszusagen.“, stellte der Arzt fest. 
Wir saßen im Flur und warteten dass Erme endlich aufwacht. Baba und Can waren ebenfalls gekommen. Ich saß zwischen Selma und ihrer Mutter, beide hielten meine Hand. Can und mein Vater unterhielten sich leise. Der Arzt kam erneut um uns über Emres Zustand zu berichten. Sofort sprang ich auf. 
„Er ist stabil, sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“, sagte er. 
Erleichterung breitete sich in unseren Gesichtern aus. Ich legte eine Hand auf die Brust und atmete einmal tief aus. Es war als hätte ich die ganze Zeit über die Luft angehalten. 
„Er sollte auch bald aufwachen, dann können wir ihn in ein normales Zimmer verlegen.“, fügte der Arzt noch hinzu. 
„Können wir ihn sehen?“, fragte ich leise. 
Der Arzt sich mich streng an. 
„Herr Kaya braucht Ruhe ..“, tadelte er mich. 
„Bitte! Nur 5 Minuten?“, bettelte ich. 
„In Ordnung, aber nur einer von euch!“, gab er nach. 
Ich wollte ihn sehen, wollte in seiner Nähe sein. Seine Hand halten. Für ihn da sein. Er soll mich als erstes sehen, wenn er die Augen aufmacht.
Emres Mutter lächelte mich an, als ich ihr einen Blick zu warf. 
„Geh nur kizim (Tochter). Wir warten hier.“, sagte sie. 
Dankbar küsste ich ihre Hand und verschwand dann im Aufwachzimmer. Wie er da lag und so friedlich schlief. Ich unterdrückte die Tränen, die erneut in mir aufstiegen. 
„Nicht weinen Sibel!“, murmelte ich leise vor mich hin. 
Stark sein. Ja ich musste stark sein. Für uns. Für ihn. So wie er für mich stark war. Langsam näherte ich mich dem Bett. Eine gefühlte Ewigkeit sah ich ihn an. Diesen wunderschönen Mann. Mein Mann! Ich konnte mir ein Leben ohne ihn mittlerweile nicht mehr vorstellen. Er half mir aus diesem Loch, aus diesem tiefen Loch in das ich gefallen war. Ganz langsam strich ich mit meinen Fingern über seine Wange. Über sein Haar. Über seine Brust. Ich beugte mich nach vorne und küsste ihn auf die Stirn. Eine einzelne Träne kullerte mir die Wange herab und fiel dann auf Emres Wange. 
„Ich liebe dich so sehr. Du darfst mich nicht allein lassen.“, flüsterte ich. 
Ich griff nach seiner Hand und kurz darauf spürte ich einen leichten Druck. Langsam, ganz langsam öffnete Emre die Augen. Eine Welle der Erleichterung machte sich in meinem Körper breit. Lächelnd küsste ich seine Hand und wollte das Zimmer verlassen um den anderen Bescheid zu geben dass er wach war, doch er liess meine Hand nicht los. 
„Ich lass dich niemals allein.“, sagte er leise. 
Er hörte sich noch schwach an, aber das war nach der Op normal. Er schloss erneut die Augen. Einen Moment lang hielt ich einfach nur wortlos seine Hand. Als er die Augen wieder öffnete rutsche er ein Stück zur Seite. 
„Was machst du? Hast du Schmerzen?“, fragte ich besorgt. 
„Nein.“, antwortete er lächelnd. 
Dann liess er meine Hand los und schlug ganz leicht auf die freie Bettseite. 
„Gel. (Komm.)“, sagte er leise. 
Er wollte das ich mich neben ihm lege?! 
„Schatz deine Wunde.“, sagte ich nervös und ängstlich zugleich. 
„Die ist auf der anderen Seite.“, antwortete er. 
Zögernd hielt ich einen Moment inne. Ich hatte Angst. Angst ihm weh zu tun. Aber da war noch eine andere Angst .. seit dem Tag an dem ich diesen Flashback hatte, hatte Emre mich zwar geküsst, auf die Wange oder auf die Stirn, aber das wars auch schon. 
„Bitte!“, flehte er leise. 
Er warf mir einen Blick zu, unter dem ich zu schmelzen drohte. Ich überwand meine Angst und legte mich langsam neben ihn. Er legte einen Arm um mich und strich mir sanft über den Rücken. Überraschenderweise entspannte ich mich sofort. Ich legte meine Hand auf seine Brust, wo auch mein Kopf ruhte. In seinen Armen .. da fühlte ich mich wohl. 
„Ich hatte solche Angst.“, flüsterte ich unter Tränen. 
Wortlos strich er mir über die Haare. Langsam hob ich meinen Kopf und sah ihm in die Augen. Dann drückte ich ihm einen kurzen aber innigen Kuss auf die Lippen. 
„Ich liebe dich Emre, verlass mich nicht!“, hauchte ich leise. 
„Niemals hayatim (Mein Leben).“, erwiderte er lächelnd..

Kapitel 41

„Ah.“, stöhnte Emre während er sich auf die Couch setzte. 
„Pass auf Askim (Schatz). Tut es arg weh?“, fragte ich und setzte mich neben ihm. 
„Jetzt wo du neben mir sitzt, sind die Schmerzen weg.“, lächelte er. 
Nach einer Woche im Krankenhaus dürfte Emre endlich wieder nach Hause. Die Woche verging überraschend schnell, fast die ganze Zeit über blieb ich bei ihm. Zu Hause war ich nur um zu duschen, sogar meine Sitzungen bei Dr. Jones hatte ich verschoben. Emre war wichtig. Hier und jetzt. Alles andere könnte warten. 
„Endlich bin ich raus da. Ich hasse Krankenhäuser!“, sagte er und lehnte sich zurück. 
Ich schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln und stand dann auf. 
„Nereye? (Wohin?)“, fragte er. 
„In die Küche Anne (Mutter) helfen, die macht grad Essen.“, antwortete ich. 
„Lass doch, Selma hilft ihr. Kommt setzt dich zu mir.“, grinste er. 
Ich hob fragend meine Augenbraue und sah ihn mit gespielt ernster Miene an. 
„Was gibt es da zu lachen Herr Kaya?“, fragte ich und stemmte dabei die Hände in die Hüften. 
„Ich mag es wenn du meine Mutter Anne nennst.“, antwortete er noch immer lachend. 
„Wann heiraten wir?“, fügte er hinzu. 
Uff! Die Frage hatte gesessen, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Mein Puls schoss auf 180 und mein Herz raste. Ja .. wann heiraten wir eigendlich? Mit der Frage hatte ich mich noch gar beschäftigt, die Ereignisse der letzten Wochen waren einfach zu kräfteraubend. Ich setzte mich wieder neben ihn und holte einmal tief Luft. 
„Emre ich ..“, ich stockte. 
Emre griff nach meiner Hand und sah mich schockiert an. 
„Du hast dich doch nicht anders entschieden oder?“, flüsterte er. 
„Salak! (Idiot!).“, zischte ich lachend und schlug ihm auf die Schulter. 
„Ah!“, schrie er. 
„Oh mein Gott! Tut mir leid hab ich dir weh getan?“, fragte ich besorgt und sprang auf.
Emre brach in schallenden Gelächter aus. Lachte er mich gerade etwa aus?! 
„Ey! Hör auf ich hab gedacht ich hätte dir weh getan.“, sagte ich beleidigt. 
„Du willst mir nicht weh tun oder?“, fragte er leise, nachdem er sich beruhigt hatte. 
Ich schüttelte wortlos den Kopf. Er streckte mir die Hand entgegen. Lächelnd griff ich danach und setze mich erneut neben ihn. 
„Dann darfst du mich niemals verlassen. Das wäre die einzige Sache, die mir weh tun würde. Wenn du gehst, dann sterbe ich Sibel ..“, flüsterte er. 
Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder. Verlassen? Nein ich würde diesen Mann niemals verlassen! Meine Angst war, dass er es tun würde. 
„Emre ich liebe dich, aber ich weiss nicht ob ich schon bereit ..“
„Bereit für was?“, fiel er mir ins Wort. 
Schweigend senkte ich meinen Blick und starrte auf meine Hände. Er hob jedoch sofort mein Kinn an, so das ich ihm direkt in die Augen sah. Gänsehaut durchfuhr mich. 
„Sibel. Ich will mein Leben mit dir teilen. Nicht mein Bett verstehst du? Ich hatte es dir schon einmal gesagt und sag es dir jetzt wieder. Ich werde warten! Aber ich will dich heiraten. Ich will dass du Frau Kaya wirst. Ich will Abends neben dir einschlafen und Morgens neben dir aufwachen. Oder einfach nur wissen das du im Haus bist. In unserem kleinen Heim! Ich will dich bei mir haben. Jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde! Für den Rest meines Lebens.“
Wow! Meine Augen füllten sich mit Tränen. Mein ganzer Körper zitterte. Ich spürte ein heftiges kribbeln in Bauch. Kennt ihr das, wenn ihr so glücklich seid, dass ihr für einen Moment all eure Probleme vergisst? Dieses unbeschreibliche Gefühl, gebraucht und geliebt zu werden. Emre strich der Rückseite seiner Fingern sanft über meine Wange. Ich nahm seine Hand und küsste zärtlich die Innenfläche. Dann umarmte ich ihn ganz langsam, ich wollte ihn nicht verletzen und fing an zu weinen. 
„Nicht weinen. Bitte!“, flüsterte er. 
„Ich liebe dich so sehr Emre. Was würde ich ohne dich nur machen?“, schluchzte ich. 
„Shht. Ich bin doch da.“, versuchte er mich zu beruhigen. 
Mein Handy klingelte. Ich löste mich aus Emres Umarmung und nahm ab. 
„Guten Tag Herr König.“, sprach ich ins Handy. 
Es war mein Anwalt. Er erklärte mir dass die Gerichtsverhandlung am 24. November stattfinden sollte. Also in genau 3 Wochen. 
„In Ordnung Herr König, auf wiederhören.“, legte ich nach ein paar Minuten auf. 
Ich saß noch immer neben Emre und spürte seinen Blick auf mir haften. 
„Was gibt’s neues?“, fragte er nach. 
„In 3 Wochen .. ist die Verhandlung.“, antwortete ich leise. 
Emre: „Gut. Endlich kriegt der Hund seine gerechte Strafe!“ 
„Ich hab Angst.“, sagte ich auf einmal, nachdem mehrere Minuten lang bedrückende Stille herrschte. Emre zog mich in seine Arme. 
„Ich hab solche Angst! Was wenn er freigesprochen wird?“, flüsterte ich. 
Emre: „Wird er nicht! Es gibt genug Beweise, dein Anwalt meinte beim letzten mal, dass der Richter höchstwahrscheinlich schon am ersten Tag eine Entscheidung fällt.“
Ich liess mir seine Worte kurz durch den Kopf gehen. Es stimmte. Beweise gab es. Aber irgendwie hatte ich trotzdem Angst, dass etwas schief gehen könnte. Noch mehr fürchtete ich mich jedoch vor der Begegnung mit Kevin. Allein der Gedanken daran in einem Raum mit diesem ehrenlosen zu sein, ekelte mich an. Ich stieß hörbar die Luft aus. 
„Hey.“, sagte Emre und drehte mein Gesicht zu ihm. Er lächelte mich liebevoll an. 
„Wir schaffen das! Du und ich. Zusammen schaffen wir das!“, sagte er. 
Ich nickte.
Emre: „Und wenn das alles ein Ende hat, werden wir heiraten!?“
„Ja.“, flüsterte ich kaum hörbar. 
Emre hob meinen Kopf an und sah mich süß an. 
„Ja!“, sagte ich erneut, diesmal lauter. 
Die Angst, vor dem 24. war da. Aber die Tatsache, dass danach alles gut werden würde zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht...

Kapitel 42

„Ich fühl mich gut. Für meinen Geschmack sogar ein Tick zu gut. Ich weiss das hört sich komisch an aber .. ich träume nur noch ganz selten. Mein zwang mich ständig zu duschen ist mittlerweile auch weg. Ich hab irgendwie das Gefühl, dass es falsch ist. Also dass ich mich so gut fühle, es gibt Momente an denen ich genauso wie früher bin...“
Ich saß gegnüber von Dr. Jones, die mir aufmerksam zu hörte. 
„Wie früher? Also vor den Vergewaltigungen?“, fragte sie mich. 
Ich nickte und starrte auf meine Hände, die auf meinem Schoß ruhten. 
„Wieso denken sie dass es falsch ist? Sie müssen das als riesen Fortschritt sehen Frau Özer, sie dürfen sich keine Vorwürfe machen.“, fuhr sie fort. 
„Ich weiss nicht. Ich mein ..“, ich hielt inne, schloss kurz die Augen, stieß einen Seufzer aus und sprach dann leise weiter. 
„Ich wurde Vergewaltigt. War Wochenlang am Boden zerstört, ekelte mich vor mir selbst, hatte Angst und zuckte bei jeder noch so kleinen Berührung zusammen. Ich hatte sogar daran gedacht mir das Leben zu nehmen und jetzt ..“
Meine Stimme versagte, ich brach in Tränen aus. 
„Und jetzt geht es ihnen besser und sie denken dass es falsch ist?! Nur weil sie Opfer so einer schrecklichen Tat gewesen sind heisst es doch nicht, dass sie nicht das Recht haben glücklich zu sein und ein normales Leben weiter zu führen. Frau Özer jedes Opfer reagiert anders. Manche versuchen alles schnellstmöglich zu verdrängen, was auf Dauer sehr schädlich sein kann. Andere versuchen die Sache kleinzureden, aus Angst, Scham und Schuldgefühlen. Haben sie gewusst, dass andere wiederrum ständig ihre Partner wechseln und mehr Verkehr denn je haben?“ 
Bei den letzten Worten riss ich geschockt meine Augen auf und starrte Dr. Jones ungläubig an. Ich wischte mir mit den Handrücken meine Tränen weg. 
„Ja so ist tatsächlich. Sie dürfen sich auf keinen Fall Vorwürfe machen. Es war absolut nicht ihre Schuld. Kein Mann der Welt hat das Recht einer Frau so etwas an zu tun. Sie haben Menschen, die sie unterstüzten und ihnen Kraft geben. Sie sollten froh sein.“
Für einen kurzen Augenblick, huschte mir ein Lächeln über die Lippen. Menschen die mir Kraft gaben. Baba, Pinar, Selma und .. Emre! Ich war so glücklich sie zu haben. 
„Woran denken sie?“, fragte Dr. Jones, die mich lächelnd musterte. 
„An meine Familie, meine beste Freundin und ..“
Ich brach mitten im Satz ab und griff nach der Halskette, die Emre mir geschenkt hatte. 
„Und ihrem Verlobten?!“, beendete Dr. Jones meinen Satz. 
Ich nickte zustimmend. 
„Er gibt mir die meiste Kraft. Bei ihm hab ich das Gefühl rein zu sein. Rein und unschuldig. Er erwartet nicht viel von mir, küsst mich auf die Wange oder auf die Stirn aber fasst mich sonst nicht an. Ich glaube er hat Angst vor meiner Reaktion, er will mir nicht weh tun. Das komische ist .. und dafür schäme ich mich irgendwie .. ich will mehr. Ich will ihn küssen, ihn berühren, ihn umarmen. Weil ich bei ihm das Gefühl hab etwas wert zu sein. Ich kann es kaum erwarten ihn zu heiraten aber ..“
Ich stoppte und fühlte wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Dr. Jones sah mich erwartungsvoll an, sagte jedoch nichts. 
„Aber ich hab Angst, dass wenn es dann soweit ist alles wieder hockommt..“ fuhr ich mit zitternder Stimme fort.
„Sie brauchen keine Angst haben. Und schämen müssen sie sich sowieso nicht. Das ist etwas ganz normales. Denken sie immer daran Frau Özer .. sie dürfen das niemals mit der Vergewaltigung vergleichen. Emre wird ihr Ehemann sein, ihr Lebenspartner. Wenn sie Stop sagen, dann wird auch Stop sein.“, antwortete Dr. Jones lächelnd... 


Mal wieder erschöpft, aber auch überaus erleichtert lag ich später zu Hause im Bett. Die Hochzeitsvorbereitungen liefen auch schon. Eigendlich wollte ich damit bis nach der Verhandlung warten, die in 11 Tagen war, aber alle meinten die Vorbereitungen würden ohnehin lange dauern. Sie freuten sich für uns. Ich freute mich ja selber wie verrückt! Ich schaltete meinen Laptop an und loggte mich bei Facebook ein. Die vielen Benachrichtungen ignorierte ich, denn ganz oben auf meiner Startseite erschien ein Bild von mir und Emre. Er hatte sein Profilbild geändert, in der Beschreibung stand ‚Mein Leben! Ich liebe dich ♥’ Ich war so gerührt, dass ich unerwartet in Tränen ausbrach. Wie ich diesen Mann liebte! Mit zittrigen Fingern tippte ich ‚& wie ich dich liebe! ♥’ ein und kommentierte das Bild. Keine Minute später klingelte mein Handy. Es war Emre. Ich wischte mir die Tränen weg und ging lächelnd ran. 
„Askim! (Schatz!). Das Bild ist so ..“
„Ja ich weiss, wir sind schon süß ne?“, unterbrach er mich lachend. 
„Ich liebe dich.“, sagte ich nur. 
„Ich dich auch und die ganze Welt soll es wissen.“, antwortete er. 
Gott dieser Mann war so unglaublich süß! 
„Wie war dein Tag?“, fragte ich. 
Emre: „Ach das übliche, war arbeiten. Morgen muss ich in die Uni, hab ne Vorlesung. Wie war es bei Dr. Jones?“
„Ganz gut, ich fühle mich von Sitzung zu Sitzung besser.“, antwortete ich. 
„Das ist gut mein Schatz, sehr gut.“, sagte er fröhlich. 
Wir unterhielten uns noch eine Weile. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. 
„So ich muss jetzt was zu Essen machen, Baba kommt gleich von der Arbeit.“, sagte ich. 
„Okay mein Schatz, bis dann.“, antwortete er. 
Ich wartete ein paar Sekunden, hörte jedoch noch immer seinen Atem. 
„Leg auf Emre.“, sagte ich lachend. 
Emre: „Nein du musst auflegen.“
Sibel: „Immer wieder das gleiche mit dir. Wieso legst du nie auf?“
Emre: „Weil ich das nicht übers Herz bringe.“ 
Sibel: „Uff du machst mich verrückt.“
„Das hoffe ich doch.“, hörte ich ihn kichern. 
Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht, ein Glück dass er mich nicht sehen konnte. 
„Bis dann.“, sagte ich leise und legte dann auf. 
Ich drückte mein Handy kurz an meine Brust, stand dann lächelnd auf und machte meinen Schrank auf. Ich beschloss Morgen zum ersten mal seit Wochen wieder in die Uni zu gehen. Emre würde sich bestimmt freuen. Doch auch jemand anderes würde sich freuen, wie sich später rausstellen sollte .. 

Kapitel 43

Nachdem ich geduscht und gefrühstückt hatte, ging ich erstmal zurück in mein Zimmer. Ich zog mir eine schwarze Jeans und einen roten Pulli an, nahm meine schwarze Lederjacke und schlüpfte in meine roten halb Stiefel. Es war der 14. November, es würde sicher bald anfangen zu schneien. Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Lange hatte ich mich gehen lassen, doch seit kurzem achtete ich wieder auf mein Äusseres. Dezent geschminkt sah ich immer noch am besten aus. Ich fuhr einmal durch meine schwarze Locken, lächelte mein Spiegelbild an und griff dann nach meinem Handy.
„Hey Askim (Schatz).“, sagte ich als Emre ran ging. 
„Hayatim (Liebling).“, antwortete er. 
Sibel: „Bist du schon in der Uni?“
Emre: „Ja in 10 Minuten beginnt die Vorlesung, muss jetzt gleich in den Hörsaal.“
Sibel: „Okay Schatz, sehen wir uns nachher?“ 
Emre: „Natürlich, ich kann dich gegen 13 Uhr abholen?“
„Tamam (okay) bis nacher. Ich liebe dich.“, antwortete ich und legte dann auf. 
Ich entschied mich dazu ihn in der Uni zu überraschen. Lächelnd nahm ich meine Tasche und machte mich auf den Weg.... 



Als ich da war, fiel mir sofort auf dass viele mich anstarrten. Sie wussten davon. Von der Sache mit Kevin, ich fühlte mich komisch. Vielleicht hätte ich doch lieber zu Hause bleiben sollen. Als ich mich auf den Weg in die Mensa machte, kamen mir plötzlich 2 Mädchen entgegen. 
„Ja die bin ich.“, antwortete ich, auf die Frage ob ich Sibel sei .. 
„Wir haben von der Sache gehört.“, sagte die eine. 
„Es tut uns wirklich leid und wir hoffen alle, dass dieses miese Schwein seine gerechte Strafe kriegt.“, sagte die andere. 
Mir fehlten einen kurzen Augenblick die Worte. Es war mir irgendwie unangenehm darauf angesprochen zu werden, aber die Worte der beiden taten mir auch unglaublich gut. Ein mega befreiendes Gefühl zu wissen, dass auch andere Leute hinter mir standen und mir glaubten. Ich bedankte mich lächelnd bei den beiden und setzte mich dann in die Mensa. Emres Vorlesung würde in etwa 10 Minuten zu Ende sein. Ich kramte mein Handy aus meiner Tasche und wollte Selma schreiben. Doch als ich meinen Kopf hob, blieb mir die Luft weg. Keine 10 Meter von mir stand Tolga! Als er seinen Kopf in meine Richtung drehte und unsere Blicke sich trafen, kam er plötzlich mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich wollte aufstehen und weglaufen. Einfach nur weg von hier. Aber mein Körper reagierte nicht! Er setzte sich gegenüber von mir und sah mich eindringlich an. 
„Hi.“, sagte er lächelnd. 
Ich starrte ihn ungläubig an. Er sah anders aus .. nicht wie der Tolga, mit dem ich vor knapp 8 Monaten in einer Beziehung war. Beim Gedanken daran, lief mir ein kalter Schauder über den Rücken. Seine Wangen waren eingefallen, seine Haare waren nicht wie üblich gestylt. Er trug eine Jeans und einen Schlabber Pulli. Und er war unrasiert. 
„Gut siehst du aus, Süße.“, bemerkte er lächelnd. 
Bei dem Wort Süße, versteifte sich augenblicklich mein Körper. Ich war so geschockt, von dieser unerwarteten Begegnung, dass ich noch immer nicht in der Lage war mich zu bewegen. Nach ein paar Sekunden, die mir endlos lang vorkamen, fand ich endlich wieder meine Stimme. 
„Verschwinde!“, fauchte ich ihn an. 
„Warte bitte. Bitte ich flehe dich an, gib mir nur 2 Minuten!“, bettelte er und legte seine Hand auf meine, die auf dem Tisch lag. Sofort versuchte ich sie wegzuziehen, doch er liess nicht locker. 
„Lass mich los, sonst schrei ich!“, zischte ich stinksauer.
„Ich lass dich los, wenn du mir 2 Minunten gibst! Bitte.“, flehte er. 
Irgendwas in seiner Stimme brachte mich dazu zu zustimmen. Ausserdem wollte ich mitten in der Mensa, die voller Studenten war, auf keinen Fall einen Aufstand verursachen. Ich stieß einmal hörbar die Luft aus und nickte dann. 
„Okay. Aber lass mich auf der Stelle los!“, sagte ich leise. 
Sofort liess er von mir und begann zu reden. 
„Du glaubst mir nicht wie froh ich bin dich zu sehen.“, Tolgas Stimme bebte. 
„Das mit Kevin tut mir so unglaublich leid ..“
„Ich will nicht darüber reden!“, fiel ich ihm wütend ins Wort. 
„Okay tut mir leid. Tut mir leid .. es tut mir alles so wahnsinnig leid. Ich hätte das mit den Tropfen niemals tun sollen. Mir ist bewusst was ich angerichtet habe. Aber bitte Sibel du musst mir glauben .. ich bereue es so sehr! Ich kann manchmal nicht einschlafen, weil ich an dich denken muss..“
„Hör auf!“, sagte ich und hob die Hand um ihn zu unterbrechen, doch er sprach weiter. 
„... weil ich an die Zeit denken muss als wir glücklich waren. Ich weiss von meiner Seite aus war es am Anfang nur ein Spiel aber mir ist bewusst geworden dass ich dich ..“
„Nein! Hör auf! Ich will das alles nicht hören.“, schrie ich geschockt und merkte sofort wie mehrere Leute ihre Blicke auf uns richteten. Mein Atem ging erschreckend schnell. 
„Lass mich einfach in Ruhe! Mehr will ich nicht von dir.“, flüsterte ich nun leise. 
„Sibel ich liebe dich! Bitte verzeih mir ..“, gab Tolga ebenfalls leise zurück. 
Ich kniff meine Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu. Nein. Nein. Nein! Was zum Teufel sollte dieser Scheiss? Ich wollte das alles nicht hören! Langsam ganz langsam machte ich meine Augen wieder auf, in der Hoffnung mir das eben alles eingebildet zu haben. Doch Tolga saß noch immer vor mir. Eine einzelne Träne kullerte ihm die Wange herab. Mein Herz zog sich zusammen. Aus Mitleid? Ja es war Mitleid, sein Anblick war einfach nur .. unnormal. Was aus diesem jungen Mann geworden ist, wegen mir .. Nein! Kopfschüttelnd versuchte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen. Keine Schuldgefühle, es war nicht meine Schuld! 
„Ich will nichts mit dir zu tun haben ...“, sagte ich leise, hob meine Hand und zeigte dann auf den Ring an meinen Finger. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig...

Kapitel 44

„Ich bin verlobt und werde bald heiraten. Ich werde den Mann heiraten, den ich über alles liebe. Der mich so behandelt wie ich es verdiene. Der mich auf Händen trägt. Der mir von Anfang an zur Seite steht. Und das wichtigste, der mich nicht verletzt!“ 
Meine Stimme war nur mehr ein leises flüstern. Tolga sah mich traurig an.
„Sibel ich bereue es so. Verzeih mir.“, sagte er leise. 
„Selbst Allah verzeiht, wer wäre ich, wenn ich nicht verzeihe?“, antwortete ich ruhig. 
Seine Augen füllten sich mit Tränen, er sah mich überrascht an. 
„Danke .. ich danke dir so sehr. Du hast mir eine große Last vom Herzen genommen. Ich wünsche dir alles Glück der Welt, denn du verdienst es. Wenn nicht mit mir .. dann eben mit Emre. Ich hoffe er wird dich glücklich machen.“, flüsterte er. 
Er meinte es wirklich ernst, ich sah es an seinen Augen.
„Das wird er.“, erwiderte ich, stand dann auf und ging. 
Ich war so aufgewühlt und wusste einen Augbenblick nicht genau wohin ich gehen sollte. 
Emre! War seine Vorlesung schon zu Ende? Ich suchte auf dem Uni Gelände nach ihm aber ich fand ihn nirgends. Ans Handy ging er auch nicht .. komisch. Ich beschloss nach Hause zu gehen und bis um 13 Uhr auf ihn zu warten, da er mich sowieso abholen wollte. 


13:30 Uhr .. ich saß im Wohnzimmer und wartete auf Emre. Komisch dass er sich verspätete, denn sonst war er immer pünktlich. Ich nahm mein Handy und versuchte ihn zu erreichen. Vergeblich, er ging nicht ran. Vielleicht hatte er sein Handy im Wagen vergessen? Ich ging hoch in mein Zimmer und legte mich auf mein Bett. Meine Gedanken kreisten irgendwie noch immer um die Begegnung mit Tolga. Er bereute es, ich glaubte ihm. Er liebte mich, das hatte er zumindest behauptet. Ich jedoch empfand nichts als Mitleid mit ihm. Ich hatte ihm deutlich klar gemacht, dass er mich einfach nur in Ruhe lassen sollte. Und ich war zuversichtlich, dass er es diesmal auch wirklich verstanden hat. Erneut versuchte ich Emre zu erreichen, ich schrieb ihm auf Facebook und auf Whatsapp, bekam jedoch keine Antwort .. 


Nach 4 weiteren Stunden, in denen ich nichts von Emre gehört hatte, beschloss ich zu ihm zu gehn. Langsam machte ich mir Sorgen, vielleicht war ihm irgendwas passiert? Ein mulmiges Gefühl überkam mich .. kopfschüttelnd versucht ich den Gedanken zu verdrängen. Es war aber einfach nicht typisch für ihn, dass er sich nicht meldete. 
„Nereye kizim? (Wohin Tochter?)“, fragte Baba mich als ich mir meine Jacke anzog. 
„Ich geh kurz zu Emre.“, antwortete ich. 
„Tamam (Okay), hier nimm den Wagen.“, sagte er und warf mir die Autoschlüssel zu. 
„Sagol Baba (Danke Papa). Ich bin gleich wieder da.“, erwiderte ich lächelnd und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. 
„Bekle. (Warte.) Wo ist Pinar? Die ist immer noch nicht nach Hause gekommen und es ist schon nach 18 Uhr.“, fragte Baba mich. 
„Ans Handy geht sie auch nicht.“, fügte er besorgt hinzu. 
„Ah üzgünüm (Tut mir leid). Hab total vergessen dir zu erzählen, dass Pinar mich vorhin angerufen hat. Die ist bei Ayla und lernt.“, entschuldigte ich mich. 
Mein Kopf platzte förmlich, kein Wunder dass ich da irgendwas vergessen hatte. 
Auf dem Weg zu Emre, gingen mir tausend Fragen durch den Kopf. 
Wieso meldete er sich nicht? War irgendwas passiert? Als ich endlich da war, parkte ich. Ein Blick ins Haus verriet mir, dass jemand da sein musste, denn es brannte Licht im Wohnzimmer. Ich griff nach meiner Tasche, stieg aus dem Wagen und klopfte dann an der Haustür. Nach ein paar Sekunden, machte dann auch Emre die Tür auf. Erleichtert fiel ich ihm um den Hals. 
„Askim (Schatz), ich hab mir solche Sorgen gemacht.“, sagte ich und küsste ihn.
Zu meiner Verblüffung erwiderte er weder den Kuss noch die Umarmung.
„Noldu? (Was ist los?)“, fragte ich. 
„Nichts.“, antwortete er und ging dann rein. 
Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihm ins Wohnzimmer. 
„Wo ist Anne? (Mutter).“, fragte ich. 
„Bei Selma.“, gab er zurück und setzte sich dann. 
„Wieso gehst du nichts ans Handy?“, wollte ich wissen. 
Emre: „Ist lautlos.“
Ich nahm neben ihm Platz und sah ihn eindringlich an, er schaute mir jedoch nicht ins Gesicht. Seine Antworten waren knapp und distanziert. Ausserdem klang seine Stimme irgendwie komisch .. 
„Ist irgendwas passiert?“, hackte ich nach und griff nach seiner Hand. 
Für einen kurzen Augenblick dachte ich er würde sie mir entziehen, was er jedoch nicht tat. Stattdessen sah er mich mit ausdruckslosen Augen an. 
„Nichts. Bin nur schlecht gelaunt.“, sagte er leise. 
„Schatz.“, flüsterte ich, küsste seine Hand und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. 
„Das nächste mal musst du dich melden, ich hab mir schreckliche Sorgen gemacht.“
Mehrere Minuten verharrten wir so, keiner von uns sagte was.
„Wo warst du heute?“, fragte er auf einmal und brach so die Stille. 
Oh nein .. was sollte ich jetzt machen? Ich hatte Emre noch nie angelogen, aber ich hatte Angst vor seiner Reaktion, wenn er das mit Tolga hört. Ausserdem sagte er immer wieder er würde ihn am liebsten umbringen und ich wollte auf keinen Fall, dass er wegen mir etwas dummes anstellt. 
„War zu Hause und hab auf dich gewartet.“, log ich. 
Eine gefühlte Ewigkeit sagte er nichts, mein Kopf ruhte noch immer auf seiner Schulter. 
„Wieso?“, fragte er kaum hörbar. 
„Weil du sagtest dass du mich abholst und ..“
„Nein. Wieso ..“, fiel er mir ins Wort, stand dann auf und drehte mir den Rücken zu. 
„Wie meinst du das?“, fragte ich verwirrt und stand ebenfalls auf. 
Emre: „Wieso?“
Seine Stimme klang leise, fast schon zu leise und irgendwie auch bedrohlich. 
„Wieso lügst du mich an?“, flüsterte er. 
Ich hielt den Atem an, mein Puls schoss auf 180. 
„Emre ich ..“ 
Mir fehlten die Worte, ich wusste nicht was ich sagen sollte. 
„Wieso lügst du mich an?“, schrie er plötzlich und haute mit voller Wucht gegen den Wohnzimmerschrank. Ich war so geschockt, dass ich einen Schritt zurück machte ..
„Wieso muss ich mit ansehen, wie dieser elende Hund deine Hand hält?“
„Emre ich kann dir das erklären!“, keuchte ich verzweifelt. 
„Wieso? Wieso? Wieso?“, brüllte er und schlug nach jedem ‚Wieso?’ erneut gegen den Schrank... Fassungslos stand ich da und war nicht in der Lage mich zu rühren. Auf einmal drehte Emre sich um und kam mit schnellen Schritten auf mich zu...

Kapitel 45

Unmittelbar vor mir blieb er stehn und nahm mein Gesicht in seine Hände. 
„Wieso Sibel?“, flüsterte er mit Tränen in den Augen. 
Mein Herz zog sich zusammen, ich bereute es ihm nicht die Wahrheit gesagt zu haben.
„Askim (Liebling) ich...“
„Das war ein Stich in mein Herz .. dieser Anblick in der Mensa.“, unterbrach er mich. 
Sanft strich er mit seinen Daumen über meine Lippen und legte seine Stirn auf meine. 
„Bitte sag mir dass es nicht so ist wie es ausgesehen hat. Lütfen (Bitte).“, flehte er leise. 
„Emre ich ..“ 
Erneut liess er mich nicht ausreden. 
„Als er deine Hand gehalten hat.. Der Gedanken daran, dass dieser Kerl, der die so weh getan hat dich anfassen darf. Der Gedanke daran, dass er dich mir weg nehmen kann..“
„Emre yapma! (Emre hör auf!)“, schrie ich. 
Keuchend hielt er inne und sah mich schmerzerfüllt an. Er weinte. Wegen mir! Ich wischte ihm die Tränen weg, nahm dann seine Hände, die noch immer auf meinem Gesicht ruhten und küsste sie. 
„Du bist mein Leben Sibel!“, schluchzte er leise. 
„Ich weiss. Du meines doch auch!“, erwiderte ich und schlang die Arme um ihn.
Er drückte mich fest an sich, so als hätte er Angst ich könnte im nächsten Moment weg sein. Ich strich ihm behutsam über den Rücken. Unglaublich in was für einer Situation uns wir befanden. Und das alles wegen einer „kleinen“ Lüge. 
„Es tut mir so leid mein Schatz, ich wollte nicht Lügen. Ich wollte nur nicht dass du was falsches denkst. Er hat sich entschuldigt .. ich glaube er bereut es wirklich, er ist nämlich nicht wieder zu erkennen. Er wollte dass ich ihm verzeihe..“, sagte ich. 
„Und? Hast du ihm verziehen?“, fragte Emre, der mich noch immer im Arm hielt. 
„Bilmiyorum .. (Ich weiss nicht). Möge Allah ihm verzeihen.“, flüsterte ich. 
„Das war es?“, fragte er und vergrub dabei sein Gesicht in meine Haare. 
„Nein .. er hat mir auch gesagt, dass er mich liebt und mich zurück haben will.“
Ich merkte sofort wie Emres Körper sich anspannte und sein Griff sich lockerte. Langsam löste mich aus der Umarmung und legte meine Hand auf seine Wange. 
„Weisst du was ich gemacht hab?“, fragte ich lächelnd. 
Nervös schüttelte er mit dem Kopf. 
„Ich hab ihm meinen wunderschönen Ring gezeigt und gesagt, dass ich den tollsten Mann der Welt heiraten werde. Den Mann, den ich über alles liebe!“
Seine Miene erhellte sich, lächelnd drückte er mir einen Kuss auf den Mund. 
„Es tut mir leid, ich werde nie wieder Lügen.“, entschuldigte ich mich. 
„Nein. Mir tut es leid, dass ich so ausgerastet bin. Ich würde dir niemals weh tun, das weisst du doch? Ich liebe dich über alles hayatim (Mein Leben)!“, sagte er leise. 
„Natürlich weiss ich das. Und wie ich dich liebe!“, antwortete ich. 
Er nahm meine Hand, zog mich auf die Couch und legte einen Arm um mich. Dann überhäufte er mich mit kleinen Küssen. Auf die Stirn, auf die Schläfe, auf die Wange. 
„Ich hatte solche Angst .. dass du zu ihm zurückgehst und ..“
„Shht.“, unterbrach ich ihn und brachte ihm mit einen Kuss zum Schweigen. 
„Ich liebe nur dich!“, keuchte ich, als meine Lippen sich von seinen lösten um nach Luft zu schnappen. Ich küsste ihn erneut. Leidendschaftlich und intensiv. Eine Hand legte ich auf seinen Nacken, die anderen vergrub ich in seinen Haaren. Gott wie ich diesen Mann liebte! Emre löste sich von meinen Lippen und küsste meinen Hals. 
„Ich kann es kaum erwarten, dass du endlich meine Frau wirst.“, haucht er mir ins Ohr. Ich merkte wie ich rot anlief, doch statt mich von der Umarmung zu lösen, klammerte ich mich umso mehr an ihm. 
„Ich auch.“, flüsterte ich und strich mit meinen Lippen über sein Kinn und küsste dann seinen Hals. Oh mein Gott! Hatte ich das eben wirklich gesagt?! Es war ja die Wahrheit, aber in dieser Situation klang es irgendwie .. ein wenig .. oh mein Gott! 
Überraschenderweise war es Emre, der sich von mir losmachte. 
„Sibel ich .. ehm ..“, stotterte er. 
Sein Atem ging schnell, er schaute mich mit leuchtenden Augen an. Wieso war mir das so mega peinlich? Mein Gesicht hatte sicher schon die Farbe einer Tomate angenommen. 
„Willst du was trinken?“, fragte Emre auf einmal. 
Ohne auf meine Antwort zu warten stand er auf und ging in die Küche. Ja was trinken .. zum abkühlen, das brauchte ich jetzt. Lächelnd stand ich auf. Kurz darauf kam Emre mit einem Glas Orangensaft zurück. Dankbar nahm ich es entgegen und leerte es in einem Zug. 
„Scheinst ja ziemlich durstig gewesen zu sein.“, grinste er mich an. 
Auch das noch! Peinlich berührt gab ich ihm das Glas zurück und senkte meinen Blick. 
„Du bist so süß, wenn du rot wirst.“, sagte er lächelnd und hob mein Kinn an. 
„Emre hör auf .. ich .. ich schäme mich so.“, stotterte ich verlegen. 
„Musst du doch nicht.“, antwortete er und drückte mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. 
„Ich muss jetzt Pinar abholen, die ist bei einer Freundin .. Baba macht sich bestimmt schon Sorgen.“, sagte ich wahrheitsgemäß. 
Er brachte mich zu Tür und gab mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange. 
„Fahr vorsichtig und ruf an, wenn du zu Hause bist.“, sagte er. 
„Mach ich Schatz.“ 
„Hey Sibel.“, rief Emre als ich grad in den Wagen steigen wollte. 
„Evet Askim? (Ja Schatz?)“, antwortete ich. 
„Seni Seviyorum. (Ich liebe dich.)“, sagte er und zwinkerte mir zu. 
„Bende Seni. (Ich dich auch.)“, gab ich lächelnd zurück und warf ihm eine Kusshand zu. 
Als ich in den Wagen stieg, nahm ich erstmal tief Luft. Ich war so glücklich, dass dieses kleine Missverständniss geklärt war. Nun stand der Gerichtsverhandlung nichts mehr im Wege ..

Kapitel 46

Langsam schlug ich meine Augen auf und warf einen Blick auf mein Handy. Es war erst 05:20 Uhr, ich hatte eine richtig schlechte Nacht hinter mir. Ständig wälzte ich mich von einer Seite zur anderen und stand immer wieder auf um was zu trinken, denn mein Hals fühlte sich unnormal trocken an. Ein Wunder dass ich überhaupt noch eingeschlafen war. Ich fühlte mich mies und matt. Aber das war irgendwie normal bei dem was mich heute erwartete. Es war der 24. November. Kevin. Heute werde ich ihn wiedersehen, die ganze Verhandlung über muss ich im Gerichtssaal bleiben. Die Tatsache das Emre, Selma und Can dabei sein werden beunruhigte mich komischerweise noch mehr. Ich hatte darauf bestanden dass Baba nicht mitkommt, einfach weil ich mich zu sehr schämte, dass vor ihm darüber geredet wird. Er hatte es wortlos akzeptiert, wofür ich ihm sehr dankbar war. Mühevoll stand ich auf und schleppte meinen kraftlosen Körper ins Bad. Ich stieg unter die Dusche und liess das Wasser laufen. Es fühlte sich zwar gut an, aber wirklich wach rüttelte es mich nicht. Nachdem ich fertig geduscht hatte, ging ich in mein Zimmer und zog mich an. Mir war absolut nicht nach schminken, aber ich sah richtig schrecklich aus. Meine Augenringe waren dunkel, weil ich die letzten Tage viel zu wenig geschlafen hatte. Ich legte ein wenig Mascara auf, nachdem ich mit Make up die Augenringe abgedeckt hatte. Dann setzte ich mich auf mein Bett und nahm mein Handy in die Hand. Es war kurz nach 6 Uhr, Emre würde erst in 2 Stunden kommen um mich abzuholen. Ich legte mich hin und schloss meine Augen. Was Kevin wohl sagen wird? Wird er es abstreiten? Wie würde der Richter entscheiden? Würde ich nach den heutigen Tag endlich in Ruhe mein Leben weiter leben können? Ohne ständig an diese Sachen denken zu müssen? All diese Fragen spukten in meinem Kopf herum und verlangten nach Antworten. Das Klingeln meines Handys liess mich hochschrecken. Es war Emre. Ich war wohl eingenickt, denn es war kurz vor 8 Uhr. 
„Hey...“, sprach ich ins Telefon. 
„Guten Morgen hayatim (Liebling).“, antwortete er gut gelaunt. 
Irgendwie beneidete ich ihn, denn war so zuvorsichtilich dass das alles endlich ein Ende haben wird. 
Emre: „Ich hol dich in 15 Minuten ab tamam (okay)?“ 
„Okay..“, gab ich leise zurück. 
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er. 
„Ja .. ja ich denke schon.“, flüsterte ich ins Handy. 
„Sibel alles wird gut. Wir schaffen das.“, versuchte er mich aufzumuntern.
„Ja ..“, antwortete ich nur. 
Meine Stimme bebte. Nein! Ich hatte mir fest vorgenommen nicht zu weinen. Ich hatte genug geweint, ich wollte nicht mehr. Ich konnte nicht mehr. Diese Tränen sollten endlich ein Ende haben. Ich legte auf und ging runter in die Küche, wo Baba und Pinar schon frühstückten. 
„Günaydin (Guten Morgen).“, sagte ich ohne mich zu setzten. 
„Gel kizim (Komm meine Tochter).“, sagte Baba und zeigte auf den Stuhl neben sich. 
„Yok sagol (Nein danke), ich hab kein Hunger.“, antwortete ich leise.
„Sibel du musst was essen!“, tadelte mein Vater mich. 
„Baba lütfen (Papa bitte). Ich kann wirklich nicht.“, gab ich zurück. 
Er runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts mehr. Ich versuchte das Thema zu wechseln. „Wieso bist du noch nicht in der Schule?“, fragte ich Pinar. 
„Hab erst zur dritten.“, antwortete sie und reichte mir dann einen Tee. 
„Danke mein Schatz.“, sagte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. 
„Alles wird gut Abla (Schwester), das weisst du doch?“, flüsterte sie. 
Unvermittelt schlang sie die Arme um meine Taille, vergrub ihr Gesicht in meiner Brust und fing an zu weinen. Liebevoll strich ich ihr mit meiner freien Hand über den Rücken. 
„Aglama (Wein nicht) Pinar.“, sagte ich mit sanfter Stimme. 
„Ich hab dich lieb Schwesterherz.“, schniefte sie und löste sich von mir. 
„Ich dich auch mein Schatz.“, antwortete ich mit zitternder Stimme. 
Ein Glück das es an der Tür klingelte, denn ich war kurz davor in Tränen auszubrechen. Ich legte mein Glas auf den Tisch und ging dann zur Tür. Emre kam rein und unterhielt sich kurz mit meinem Vater. Dann verabschiedeten wir uns. 
„Ruf mich bitte an sobald es zu Ende ist.“, sagte Baba. 
Ich nickte und stieg in den Wagen. Mein Körper zitterte vor Nervösität und .. und Angst. Emre griff nach meiner Hand und hielt sie fast die ganze Fahrt über fest. Wir schwiegen beide. Manchmal war Schweigen einfach das beste. Als wir vor dem Gerichtsgebäude hielten, warf er mir einen aufmunternden Blick zu. 
„Ich liebe dich, zusammen schaffen wir das.“, sagte er lächelnd. 
Wir liefen rein und nahmen im Gerichtssaal platzt. Emre, Selma und Can setzen sich in die erste Reihe. Erleichtert nahm ich zur Kenntniss, dass nur ganz wenige Zuschauer da waren. Ich setzte mich mit Herr König, gleich neben der Staatsanwaltschaft. Mein Herz schlug so heftig, dass ich dachte es würde mir gleich aus der Brust springen. Eine Tür öffnete sich .. Kevin kam rein und nahm auf dem gegenüberliegenden Tisch von mir Platz. Uns trennte der Zeugenstand. Als unsere Blicke sich trafen, stockte mir der Atem. Dieser elende Hund, besaß allen Ernstes die Frechheit mir zu zuzwinkern. Schnell senkte ich meinen Kopf und versuchte meine Atmung zu kontrollieren. Dann schaute ich zu Emre, dessen Blick voller Hass auf Kevin gerichtet war. Oh bitte lieber Gott, lass das schnellstmöglich ein Ende haben. Ein gutes Ende! Nachdem die Staatsanwaltschaft den Anklagesatz vorgelesen hatte, übernahm der Richter das Wort. 
„Wollen sie dazu etwas sagen Herr Schulz?“, fragte er an Kevin gewandt. 
Kevin nickte, stand auf und setzte sich in den Zeugenstand. Mein Mund fühlte sich auf einmal staubtrocken an. Ich nahm das Glas Wasser, das vor mir stand und nippte daran. 
„Ich habe keine Ahnung was in Frau Özers Kopf vorgeht und was sie mit dieser Anklage erreichen will euer Ehren.“, sagte Kevin laut und deutlich. 
Geschockt riss ich die Augen auf und starrte ihn ungläubig an. Ich ahnte was jetzt kommen würde.. 
„Ich denke nicht, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt, wenn sie es selber wollte. Ja sie wollte es .. schnell und hart. Ich hab ihr nur das gegeben, was sie von mir verlangt hat.“, sagte Kevin.
All das sprudelte aus ihm heraus ohne mit der Wimper zu zucken. Ich traute meinen Ohren nicht. Geschockt stand ich auf und wollte protestieren, doch auf einmal drehte sich alles um mich herum. War das Emre, der gerade auf Kevin losging? Das Glas glitt mir aus der Hand und fiel krachend auf den Tisch, mein Magen rebellierte mir wurde plötzlich schwarz vor Augen ..

Kapitel 47

Flatternd gingen meine Augen auf. Ich brauchte einen Moment um zu realisieren wo ich war. Dann errinerte ich mich daran, wie Emre auf Kevin losgegangen ist. Ruckartig stand ich auf, schwankte jedoch stark. Wenn Herr König mich nicht am Arm gehalten hätte, wäre ich sicher nach vorne gekippt. 
„Frau Özer ist alles Ordnung?“, fragte er mich. 
Suchend liess ich meinen Blick durch den Gerichtssaal schweifen. 
„Frau Özer?“, fragte Herr König mich erneut, diesmal etwas lauter. 
„Wo ist Emre?!“, fragte ich aufgeregt. 
„Beruhigen sie sich, er ist draussen. Der Richter hat ihn rausgeworfen..“
„Ist ihm irgendwas passiert? Geht’s ihm gut?“, unterbrach ich ihn zitternd. 
„Machen sie sich keine Sorgen, er wird für den Rest der Verhandlung draussen warten, das war es aber auch schon.“, versuchte Herr König mich zu beruhigen. 
Er reichte mir ein Glas Wasser. 
„Trinken sie. Sie waren ein paar Sekunden bewusstlos. Emre ist fluchend auf Herrn Schulz losgegangen. Gott sei dank war ein Polizist zur Stelle bevor etwas passieren konnte.“, erklärte er mir. 
Augenblicklich beschleunigte sich mein Herzschlag. Ich nahm einen kleinen Schluck Wasser und warf einen Blick auf Selma. Sie saß noch immer an ihren Platz, Can war bestimmt bei Emre draussen. Sie schenkte mir ein schwaches aber aufmunterndes Lächeln, das ich leider nicht erwidern konnte. 
„Können sie weiter machen oder soll ich um eine Pause bitten? Eventuell wäre eine Vertagung auch drinn ..“
„Nein! Keine Vertagung ..“, unterbrach ich Herrn König. 
„Dass alles soll endlich ein Ende haben.“, fuhr ich leise fort. 
„Sind sie sicher? Sie sehen sehr blass aus und sie waren bewusstlos.“, fragte er erneut. 
„Nein .. ich meine ja. Keine Vertagung. Mir geht’s gut ich.. ich hab nur noch nichts gegessen.“, antwortete ich stotternd. 
Er legte die Stirn in Falten, sagte jedoch nichts mehr. Stattdessen nickte er mir zu und wandte sich an den Richter. Kurz darauf wurde ich in den Zeugenstand gerufen. Mit zitternder Knie stand ich auf. Ich warf einen kurzen, vernichtenden Blick auf Kevin, der mich höhnisch angrinste. 
‚Du elendes Pack, dein Lachen wird dir schon bald vergehen.’, dachte ich mir. 
Ich schloss kurz meine Augen und nahm mehrmals tief Luft. Dann begann ich zu erzählen. Mein Körper zitterte. Die ganze Zeit über starrte ich auf meine Hände, die auf meinem Schoß ruhte. Im Gegensatz zum Rest meines Körpers, waren meine Hände eiskalt. Ich hielt nur einmal kurz inne um mir die Tränen wegzuwischen, die mir die Wangen herunter kullerten. 
„Wollen sie eine Pause Frau Özer?“, fragte der Richter mich. 
Wortlos schüttelte ich den Kopf. Ich wollte raus hier. Einfach nur weg. Aber ich wollte auf keinen Fall wieder kommen, deshalb musste ich das zu Ende bringen. 
„Sicher?“, fragte der Richter erneut und warf mir einen besorgten Blick zu. 
Ich stieß hörbar die Luft aus und nickte dann. 
„In Ordnung fahren sie fort.“, sagte er. 
„Ich wollte mich wehren aber .. aber er hatte dieses Messer. Ich hatte solche Angst. Ich wollte es nicht. Nein ich wollte es nicht! Ich hatte ihn angebettelt dass er damit aufhören soll. Aber .. aber er hat es nicht getan, er hat immer weiter gemacht...“
„Lüg doch nicht du dreckige Schlampe!“, fiel Kevin mir ins Wort. 
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen sprach ich weiter.
„Ich wollte es nicht euer Ehren. Ich hab nein gesagt. Es ist mein Körper, ich wollte das alles nicht aber er hat es trotzdem gemacht.“, sagte ich mit zitternder Stimme. 
„Du Miststück, natürlich wolltest du es!“, schrie Kevin. 
„Ruhe!“, herrschte der Richter ihn zornig an. 
Ich kniff die Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu. 
„Nicht schwach werden Sibel, bald hast du es hinter dir.“, sprach mein Unterbewusstsein mir Mut zu. Es war einfach nur die Hölle! Der Richter entliess mich, ich stand auf und nahm erneut neben Herrn König Platz. Ich suchte Selmas Blick, doch die war damit beschäftigt sich die Tränen wegzuwischen. Mehrere Minuten vergingen, alles was um mich herum passierte nahm ich nicht mehr wahr. Mein Kopf dröhnte, ich wollte einfach nur nach Hause. In mein Bett. Schlafen. Weg von hier! Weg von Kevin! Diese Tortur sollte endlich ein Ende haben. Herr König riss mich aus meiner Trance. Der Richter, der sich vor ein paar Minuten zur Beratung zurückgezogen hatte, erschien durch die grosse Tür. Alle standen auf. Ich hielt den Atem an. Dann sprach er laut und deutlich das Urteil aus .. 


Die Türen öffneten sich, langsam lief ich raus. Selma und Herr König gingen rechts und links neben mir. Emre und Can, die etwas abseits standen, kamen sofort auf uns zu. 
„Und?“, fragte Emre aufgeregt. 
„Was ist passiert?“, wollte auch Can wissen. 
Ich brach in Tränen aus und fiel Emre um den Hals. 
„Ist er .. ist er freigesprochen worden?“, fragte er leise.
Ich fing noch heftiger an zu weinen und klammerte mich an ihm. 
„Ist ja gut, alles okay hayatim (Liebling). Ich bin doch da.“, versuchte er mich zu trösten.
Sanft strich er mir über den Rücken und küsste meinen Kopf
„Selma? Noldu? (Was ist passiert?)“, fragte Emre nervös, nachdem ich noch immer nichts gesagt hatte. Langsam löste ich mich aus seiner Umarmung ..

Kapitel 48

„Kann mir jetzt bitte jemand sagen was passiert ist?“, fragte Emre ungeduldig. 
Ich wischte mir mit meinen Handrücken die Tränen weg und setzte ein Lächeln auf. 
„Zwei Jahre ohne Bewährung!“, sagte ich. 
Emre stieß einen Jubelschrei aus, packte mich an den Hüften und wirbelte mich herum. 
„Wie er es verdient hat, dieser dreckige Bastard!“, freute er sich. 
Ich drückte ihm einen innigen Kuss auf die Lippen, es war mir egal dass Selma und Can da waren und uns sahen. Es zählte einfach nur dieser Moment. In Emres Armen. Die Gewissheit, dass ab sofort alles gut werden würde. Erneut fing ich an zu weinen.
„Hey aglama (nicht weinen) mein Schatz.“, flüsterte mir Emre zu. 
„Lass mich das sind Freundentränen.“, lachte ich. 
„Das muss gefeiert werden!“, meldete sich Can zu Wort. 
„Ja aber nicht jetzt. Sibel kann nicht, sie braucht Ruhe.“, antwortete Selma, legte einen Arm um mich und gab mir einen Kuss auf die Wange. 
„Mir geht’s gut, ich muss nur was essen.“, gab ich lächelnd zurück. 
Selma: „Nein canim, guck mal wie blass du bist! Emre fährt dich jetzt nach Hause, du isst was und legst dich dann schlafen. Anladin mi? (Verstanden?)“
Ihr Blick und ihr Tonfall duldeten keine Wiederrede. Ja so war sie, meine Selma. Schmunzelnd umarmte ich sie und drückte ihr einen fetten Kuss auf die Wange. 
„Hör auf deine zukünftige Schwägerin, sonst gibt’s Ärger.“, sagte Emre lachend. 
„Was für Schwägerin? Sie ist meine Schwester.“, sagte ich und hackte mich bei Selma unter. Wir verabschiedeten uns von Herr König und liefen dann raus. Emre und Can gingen vor uns. Selma und ich gingen extra langsam. 
„Ich ruf dich dann heute Abend an, wegen der Feier.“, flüsterte mir Selma ins Ohr. 
„Tamam (Okay). Nur noch 2 Tage, ich muss noch ein Geschenk kaufen. Aber ich weiss Gott sei dank schon genau was ich ihm schenke.“, antwortete ich lächelnd. 
Emre hatte in 2 Tagen Geburtstag, Selma und ich hatten eine kleine Feier in unserer Stamm Shisha Bar organisiert. Emre sollte davon natürlich nicht erfahren. 
„Hey Mädels, was gibt’s da zu flüstern?“, rief Emre, der mit Can schon vor den Autos stand. Als wir sie erreicht hatten, warf er mir einen fragenden Blick zu. 
„Was?“, fragte ich mit Unschuldsmiene. 
Emre: „Wieso habt ihr grad gekichert?“
„Geht dich nichts an Abi (Bruder).“, antwortete Selma frech. 
Emre warf ihr einen gespielt bösen Blick zu und sah dann wieder zu mir. 
„Mädchenkram Schatz.“, sagte ich und streckte ihm die Zunge raus. 
„Of ya.“, sagte er nur. 
Can: „Frauen .. werden wir sie jemals verstehen?“ 
Wir fingen an zu lachen, Selma zwinkerte mir zu. Emre und ich verabschiedeten uns von den beiden und stiegen in den Wagen. Während Emre den Motor startete, nahm ich mein Handy aus der Tasche und wählte Babas Nummer. Er nahm sofort ab. 
„Evet Baba (Ja Papa). 2 Jahre .. ja .. ohne Bewährung .. die werden Berufung einlegen aber Herr König sagt dass es nichts bringen wird .. ja .. ich bin auf den Weg nach Hause .. Emre .. nein die sind schon nach Hause gegangen .. bis dann.“ 
Ich legte auf und liess mein Handy in die Tasche fallen. Emre nahm meine Hand und küsste meinen Handrücken. Ich lehnte mich zurück und schloss meine Augen. 
„Alles okay?“, fragte er mich ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen. 
„Evet (Ja).“, antwortete ich leise, noch immer mit geschlossenen Augen. 
Emre: „Müde?“ 
Sibel: „Ein bisschen.“
Emre: „Was hat dein Papa gesagt?“ 
Sibel: „Der ist auf der Arbeit, konnte nicht richtig reden, aber er klang erleichtert.“
Ein paar Minuten später waren wir da. Ich stieg aus, Emre begleitete mich zur Tür. 
„Hast du Hunger?“, fragte ich.
Wie auf Stichwort knurrte Emres Magen, woraufhin wir beide anfingen zu lachen. Ich nahm seine Hand, zog ihn lachend ins Haus und führte ihn ins Wohnzimmer. 
„Setz dich, ich mach uns was zu essen.“, sagte ich und gab ihm einen kurzen Kuss. 
Emre: „Nein lass. Du bist müde. Ich mach uns zwei Sandwiches und dann legst du dich schlafen.“
Sibel: „Aber ..“
„Nichts aber Schatz.“, fiel er mir lächelnd ins Wort. 
Eine Hand legte er um meine Taille, mit der anderen strich er mit eine Haarsträhne hinters Ohr. 
Emre: „Ich bin so froh dass, das alles endlich ein Ende hat. Der wird noch was draufkriegen weil er mich angeschossen hat ..“
„Shht.“, unterbrach ich ihn und legte einen Finger auf seine Lippen um ihn zum Schweigen zu bringen. 
„Ich will nicht daran denken .. ich hatte so schreckliche Angst um dich.“, flüsterte ich. 
Emre drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn. 
„Ich bin da und werde niemals gehen. Nur der Tod kann uns trennen.“, sagte er leise. 
„Yapma (Hör auf). Sag sowas nicht.“, gab ich ängstlich zurück. 
„Hayatimin (Mein Leben). Ich liebe dich über alles. Bald wirst du meine Frau. Du wirst die Mutter meiner Kinder. Zusammen werden wir alt werden.“, sagte er lächelnd. 
Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte meinen Körper, als ich Emre fest umarmte. Der Mann meiner Träume. Er gab mir Sicherheit und Liebe. Er war einfach perfekt in meinen Augen! 


Nachdem wir was gegessen hatten, brachte ich Emre zur Tür. 
„Bis dann Askim (Schatz). Fahr vorsichtig.“, sagte ich. 
„Mach ich und du legst dich jetzt sofort ins Bett tamam (okay)?“, gab er mit ernster Miene zurück und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich nickte lächelnd. Dann stieg er in den Wagen und fuhr los. Ich ging sofort in mein Zimmer. Überraschenderweise konnte ich erst nicht schlafen, obwohl ich richtig müde war. Zu viele Gedanken kreisten in meinen Kopf herum. Ich liess den heutigen Morgen noch einmal Revue passieren. Endlich. Es war so ein tolles Gefühl zu wissen, dass Kevin eine lange Zeit hinter Gittern bleiben würde. Jetzt war da noch Laura .. aber spätestens im Februar, wenn sie das Kind zur Welt bringt und ein Vaterschaftstest bezeugen wird dass Emre nicht der Vater ist, wird auch dieses Problem gelöst sein. Und mit Tolga war soweit auch alles geklärt .. das dachte ich zu diesem Zeitpunkt zumindest ..

Kapitel 49

„Kann ich ihnen helfen?“, fragte mich eine Angestellte, des Juwelier Mahlberg. 
„Ja, ich such eine schöne Uhr für meinen Verlobten.“, antwortete ich. 
„Hier lang.“, gab sie lächelnd zurück und führte mich ans andere Ende des Geschäfts. 
Der gestrige Tag verging nach meinen kleinen Mittagsschlaf ziemlich schnell. Am Abend hatte ich dann mit Selma telefoniert und die letzten Details geklärt. Wir hatten ein paar Freunde aus der Uni eingeladen und einen schönen Kuchen bestellt. Jetzt brauchte ich nur noch ein Geschenk. Ich hatte mich für eine Uhr entschieden. Etwa 20 Minuten später verließ ich, zufrieden mit meiner Wahl das Geschäft, als mein Handy klingelte. Lächelnd nahm ich ab. 
Sibel: „Askim.“
Emre: „Hayatim, hab dich vermisst.“
Sibel: „Ich dich auch Schatz.“
„Ich will dich sehen, wo bist du?“, wollte er wissen. 
„War grad einkaufen und fahr nachher mit Pinar ins Kino. Hab’s ihr versprochen.“, anwortete ich. 
„Also sehen wir uns heute nicht?“, fragte er mit trauriger Stimme. 
Sibel: „Yapma (Hör auf), mach mir jetzt bloß kein schlechtes Gewissen.“ 
„Sorry aber dass ist voll die Qual dich einen ganzen Tag nicht zu sehen.“, sagte er. 
„Dafür gehör ich Morgen nur dir allein.“, antwortete ich lächelnd.
„Na das will ich doch hoffen. Mein größter Wunsch ist nämlich dass du nur mir gehörst und das nicht nur an meinem Geburtstag.“, gab er mit zuckersüßer Stimme zurück. 
Mitten auf der Straße schoss mir die Röte ins Gesicht. Wie er es mit wenigen Worten immer wieder schaffte mich aus der Fassung zu bringen. 
„Nicht rot werden jetzt.“, lachte er ins Handy. 
„Off Emre Off!“
Ich versuchte böse zu klingen, was mir jedoch nicht wirklich gelang. 
„Ich liebe dich auch.“, kicherte er. 
Lächelnd legte ich auf und machte mich auf den Weg nach Hause. 


Nachdem ich mit Pinar im Kino war und zu Hause noch Stundenlang mit ihr gequatscht hatte, fiel ich kurz vor Mitternacht erschöpft in mein Bett. Es tat gut mal wieder mit ihr zu reden, denn irgendwie hatte ich das Gefühl sie in letzter Zeit vernachlässigt zu haben. Ich freute mich schon riesig auf Morgen, gegen 13 Uhr würde Emre mich abholen kommen. Wir wollten den Tag zusammen verbringen und am Abend würde ich ihn dann in die Shisha Bar locken, wo die anderen auf uns warten werden. 


Als ich am nächsten Morgen aufwachte, stellte ich fest dass es über Nacht ein wenig geschneit hatte. Ich zog mir eine Jogginhose an, schlüpfte in mein Schlabber Pulli und ging runter in die Küche um Frühstück zu machen. Wenig später kamen Baba und Pinar dazu, es war Freitag die Motivation der beiden war im Tiefpunkt.
„Guten Morgen.“, sagte ich fröhlich und drückte Baba einen Kuss auf die Wange. 
„Günaydin kizim (Guten Morgen meine Tochter).“, antwortete er lächelnd. 
„Scheiss Morgen, ich hasse Schule. Gott sei dank ist Freitag.“, sagte Pinar genervt. 
„Schule ist wichtig ...“
„Ja Ja ich weiss, du Streber hast ohne Probleme dein Abi gemacht und studierst jetzt, ich werd das bestimmt nicht schaffen.“, fiel Pinar mir ins Wort. 
„Tut mir leid Baba, deine große Tochter ist Top, deine kleine aber leider ein Flop.“, sagte sie an Papa gewandt. 
Wir fingen alle drei an zu lachen. 
„Salak (Idiot), deine Noten sind gut, du musst einfach ein bisschen mehr lernen, dann wird das schon.“, sagte ich lächelnd. 
„Ich weiss doch Abla (Schwester), du bist mein Vorbild mit deiner Hilfe werd ich das schon schaffen.“, antwortete sie, stand dann auf und umarmte mich. 
„Lass mich nicht allein bitte ..“, flüsterte sie auf einmal. 
„Pinar noldu (was ist los)?“, fragte ich und löste mich aus ihrem Griff. 
Schnell wischte sie ihre Tränen weg. Ihr Anblick versetzte mir einen Stich ins Herz. 
„Was ist denn mein Schatz?“, fragte ich liebevoll und strich ihr über die Wange. 
„Nichts, gestern war so schön .. ich hab Angst dass wenn du heiratest ..“ 
„Pinar! Sag sowas nicht, ich bin immer für dich da!“, unterbrach ich sie und nahm sie in den Arm. Nur mit Mühe hielt ich meine Tränen zurück. Sie war schon 15, aber immer noch meine kleine Schwester, mein ein und alles. 
„Wann wollt ihr heiraten?“, fragte Baba. 
Na toll. So hatte ich mir den Morgen nun wirklich nicht vorgestellt. 
„Bilmiyorum Baba (Ich weiss nicht Papa), ich muss noch mit Emre reden.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Die meisten Vorbereitungen waren bereits fertig, es musste nur noch ein Saal gemietet und die Einladungen verschickt werden. Ich wollte von Anfang an nur was kleines, Emre jedoch bestand auf eine große Hochzeit. Mir graute es davor, einfach weil wirklich jeder von ‚Der Sache’ wusste. 
„Darf ich zum Henna Abend zwei Freundinnen einladen?“, fragte Pinar auf einmal. 
Unwillkürlich versteifte sich mein Körper. 
„Ich will keinen Henna Abend ..“, sagte ich leise. 
„Neden Abla? (Wieso Schwester?)“, fragte sie schockiert. 
Plötzlich musste ich an Selmas Hochzeit denken, als Emre ihr die rote Schleife umgebunden hatte .. meine Augen füllten sich. 
„Tut mir leid ..“, sagte Pinar kleinlaut. 
„Natürlich wirst du einen Henna Abend haben!“, meldete sich mein Papa zu Wort. 
Pinar und ich sahen ihn überrsacht an. 
„Und am nächsten Tag werde ich dir Stolz die Rote Schleife umbinden.“, fuhr er fort.
„Baba lütfen (Papa bitte), ich will das nicht, alle werden reden ..“ 
„Kizim (Meine Tochter), es ist mir egal was die anderen reden und dir sollte es erst recht egal sein!“, sagte er ernst. Dann kam er auf mich zu und gab mir eine Kuss auf die Stirn. 
„Ich bin so stolz auf dich Sibel, vergiss das nie.“
Er sagte das mit so viel Liebe, dass meine Knie drohten nachzugeben. Ich fing an zu weinen und fiel ihm um den Hals... 


Nachdem Baba und Pinar aus dem Haus waren, ging ich erstmal wieder in mein Zimmer und heulte mich eine Runde aus. Es tat gut. Weinen kann echt befreiend sein. Babas Worte .. einfach unbeschreiblich. Ich war glücklich einen so tollen Vater zu haben. Später ging ich dann duschen und zog mich an. Ich wollte heute besonders gut aussehen. Für Emre. Ich entschied mich für eine helle, enge Jeans und einen schlichten aber schönen Pulli. Meine Haare hatte ich geglättet, sie fielen mir fast bis zu den Hüften. Dann schminkte ich mich, zum ersten mal seit langen, wieder so richtig mit allem drum und dran. Als ich fertig war warf ich einen letzten Blick in den Spiegel. Lächelnd ich trug noch ein paar Tropfen von Emres Lieblingsparfüm auf. Zufrieden steckte ich die Uhr, die ich eingepackt hatte, in meine Handtasche und ging nach unten. Um genau 13 Uhr klingelte es dann an der Tür. 
„Wie immer richtig pünktlich Herr Kaya.“, sagte ich zu mir selbst und machte gut gelaunt die Tür auf. 
„Hallo Schatz.“, sagte ich fröhlich. 
Emre stand wie angewurzelt da und sah mich, mit leicht geöffneten Mund an. 
„Alles okay askim? Willst du nicht reinkommen?“, fragte ich leicht verwirrt, als ich merkte, dass er keine Anstalten machte ins Haus zu kommen. 
„Ich ehm .. nein .. ich meine ja.“, antwortete er stotternd. 
Ich machte einen Schritt zur Seite und liess ihn rein. 
„Alles Gute zum Geburtstag Askim, inshallah (so Gott will) noch viele weitere.“, sagte ich lächelnd, gab ihm einen kurzen Kuss und umarmte ihn dann. 
„Danke Schatz. Inshallah werd ich sie alle mit dir erleben. “, flüsterte er mir ins Ohr. Dann löste er sich aus meiner Umarmung, liess meine Hand jedoch nicht los. 
„Du .. du siehst ja sonst auch immer wunderschön aus, aber heute .. wow! Ich frag mich immer, wie ich so jemanden wie dich abgekriegt hab.“, sagte er und küsste meine Hand. 
„Yapma! (Hör auf!)“, gab ich zurück und biss mir nervös auf die Unterlippe. 
Wie immer brachten seine Worte mein Blut in Wallung. Er zog mich an sich und küsste zärtlich meine Lippen. Ich erwiderte den Kuss erst zögerlich, dann aber doch heftiger, denn in mir war ein Feuerwerk explodiert. Meine Gefühle spielten verrückt, ich war einfach nur glücklich. Das Klingeln seines Handys unterbrach uns. 
„Verdammtes Teil.“, zischte Emre genervt, als er von mir liess. 
Lächelnd stand ich neben ihm und küsste ihn kurz auf die Wange. Als ich jedoch einen Blick auf sein Display warf, verschwand mein Lächeln. Laura! Wieso muss dieses Miststück uns ausgerechnet heute stören?! 

Kapitel 50

„Tut mir leid Schatz ..“, sagte Emre und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. 
„Ist doch nicht deine Schuld askim. Geh ran.“, antwortete ich ruhig. 
Innerlich kochte ich vor Wut. Dieses Weib ging mir immer mehr auf die Nerven. 
„Was willst du?“, zischte Emre wütend. 
Er hatte den Lautsprecher angemacht und hielt das Handy vor sich hin.
„Oh wieso so freundlich Süßer? Wollt dir nur zum Geburtstag gratulieren.“, hörte ich Laura sagen. 
„Nenn mich nicht Süßer! Ich will keine Glückwünsche von dir. Und hör auf mich anzurufen, ich werd nach der Geburt deines Kindes nach München kommen und diesen Test machen, damit du mich ein für alle mal in Ruhe lässt.“, schrie er ziemlich laut, wobei er das Wort ‚deines’ besonders betonte. Seine Augen funkelte vor Zorn. 
„Ich wollte doch nur ..“
„Haben wir uns vertanden Laura?!“, unterbrach er sie. 
„Alles wegen dieser Hure!“, jammerte Laura. 
Was zum? Ich traute meinen Ohren nicht. Hatte sie mich gerade allen Ernstes ‚Hure’ genannt?! Bevor Emre etwas sagen konnte ergriff ich dass Wort. 
„Du niveauloses Miststück, was fällt dir ein mich ‚Hure’ zu nennen? Nicht ich bin diejenige, die sich schwängern lässt und dann einem anderen das Kind unterjubeln will.“. schrie ich voller Hass. Emre sah mich mit grossen Augen an. 
„Hayatim lass ..“
„Nein!“, fiel ich ihm ins Wort und hob meine Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. 
„Du bist echt arm Laura, aber wenn du denkst dass du uns jetzt den Tag versaut hast, dann hast du dich geschnitten. Emre ist mein Mann! Versuch das endlich in dein kleines bisschen Hirn zu kriegen, wenn du überhaupt eines hast.“, sagte ich selbstsicher. 
Vom anderen Ende der Leitung hörte man nur noch ein schnelles keuchen. Ziel erreicht! 
„Und jetzt zum Teufel mit dir, ich und mein Schatz haben heute noch was vor.“, fuhr ich fort, nahm Emre das Handy aus der Hand und legte auf. 
Yes! Wie Stolz ich auf mich war. Lächelnd drückte ich Emre einen fetten Kuss auf die Lippen. 
„Du bist doch verrückt.“, lachte er. 
„Ja das bin ich tatsächlich. Verrückt nach dir.“, kicherte ich und griff nach seiner Hand. 
„Und jetzt los, der Tag gehört uns!“ 


„Ah, pass auf nicht so schnell. Willst du mich umbringen?“ 
Lachend nahm Emre mich in den Arm und küsste mich. Wir standen mitten auf der Eislaufpiste, die brechend voll war. 
„Yapma (Hör auf) Schatz, die schauen alle.“, sagte ich und löste mich aus seinem Griff. 
„Na und? Die sollen sehn wie sehr ich dich liebe!“, antwortete er und küsste mich erneut. 
Diesmal erwiderte ich den Kuss. Es war ein unbeschreiblich tolles Gefühl. An Emres Seite war ich einfach nur wunschlos glücklich. 

Nachdem wir uns mehrere Stunden beim Eislaufen amüsiert hatten, gingen wir bei unserem Lieblingsitaliener was essen. 
„Off ich platze.“, sagte Emre und stieß einen tiefen Seufzer aus. 
„Wenn ich so weiter mache werd ich noch fett.“ 
Lachend zog er seinen Pulli hoch und legte die Hand auf seinen Bauch. 
„Ich muss mal wieder ins Fittnesstudio.“, stellte er fest. 
Ich starrte mit leicht geöffnetem Mund auf seinen Bauch. Wow! Zum ersten mal sah ich, wie gut er in Form war. 
„Noldu? (Was ist los?)“, fragte er grinsend und zog seinen Pulli wieder nach unten. 
Oh mein Gott. Wie peinlich! Beschämt senkte ich meinen Blick und spürte wie ich feuerrot anlief. Meine Wangen glühten. 
Emre: „Ich war schon lange nicht mehr trainieren.“
„Brauchst du doch gar nicht.“, sagte ich leise. 
„Hey, wieso schaust du mir nicht in die Augen?“, fragte er und hob mein Kinn an. 
Unsere Blicke trafen sich, Emres Augen funkelten vor Belustigung. 
Emre: „Soll ich keinen Six Pack haben?“
„Also ich .. ehm .. sorry ich .. hab dich noch nie oben ohne gesehen und hab nicht gewusst dass .. also dass .. Off Emre lach nicht so!“, stotterte ich verlegen. 
Lächelnd küsste er meine Nasenspitze. 
„Ich liebe dich über alles hayatim (Mein Leben), aber du hast meine Frage nicht beantwortet.“, stellte er grinsend fest. 
„Ich brauch kein Six Pack, dein Herz reicht mir vollkommen.“, antwortete ich ruhig. 
„Aber wenn er schon mal da ist, kann er von mir aus auch gerne bleiben.“, fuhr ich schmunzelnd fort und streckte ihm die Zunge raus. 


„Was wollen wir hier? Lass uns lieber zu mir gehn, dann können wir .. Tee trinken.“ 
Emre grinste bis über beide Ohren, während wir Händchenhaltend in die Shisha Bar gingen. 
„Ja Ja .. Tee trinken ..“, grinste ich zurück. 
„Na ja mir würden auch andere Dinge einfallen ..“
„Emre!“, unterbrach ich ihn und warf ihm einen gespielt schockierten Blick zu. 
Ich fuhrte ihn ganz nach hinten, wo eine Ecke extra für uns eingerichtet war. 
„Ey was ist das? Woher kommen die alle her?“, fragte Emre mich verblüfft als er die anderen sah. 
„Kleine Überraschung.“, flüsterte ich ihm ins Ohr und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Mit strahlenden Augen nahm er ganz viele Glückwünsche entgegen. Can, Selma und viele Freunde aus der Uni waren gekommen. Mein Blick blieb auf einem Mädchen haften, das ich nicht kannte. Sie unterhielt sich grad mit Selma. Sie war hübsch aber ziemlich klein obwohl sie riesen High Heels Stiefel trug. Lächelnd kam sie auf uns zu. 
„Meltem?!Was machst du denn hier?“, fragte er überrascht und umarmte sie. 
Eifersucht stieg in mir auf ..

Kapitel 51

Emre! Gut siehst du aus. Wie immer.“, antwortete Meltem lächelnd, nachdem Emre sich nach einer gefühlten Ewigkeit von ihr gelöst hatte. 
„Sagt die richtige.“, antwortete er. 
Ich merkte wie er mich ansah. Mein Blick dagegen blieb eiskalt auf diese Meltem gerichtet. Auch sie musterte mich, jedoch mit einem Lächeln im Gesicht. 
„Hayatim (Mein Leben), dass ist meine Cousine Meltem.“, sagte Emre zu mir. 
Oh .. Cousine .. bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, fiel Meltem mir um den Hals. Erleichtert erwiderte ich die Umarmung. 
„Freut mich dich endlich kennenzulernen Sibel. Hab schon viel von dir gehört.“, sagte sie freundlich. Herzlich strahlte sie mich an, was auch mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. 
Jetzt nachdem sie keine Gefahrfür mich war, fand ich sie recht sympathisch. Kurz darauf stetzen wir uns alle und bestellten was zu trinken. 
„Wenn Blicke töten könnten.“, flüsterte mir Selma plötzlich ins Ohr. 
Ich hob fragend meine Augenbraue. 
„Tu nicht so, du hast Meltem vorhin durchbohrt.“, lachte sie. 
„Ich verteidige was mir gehört.“, sagte ich gelassen und zuckte mit den Schultern. 
Es herrschte einen angenehme Atmosphäre, alle verstanden sich gut. Etwa eine Stunde später kam dann der Kuchen. 
„Oh Kuchen gibt’s auch noch?“, fragte Emre mit glänzenden Augen. 
„Was ist ein Geburtstag ohne Kuchen und Geschenke?“, antwortete ich lächelnd. 
„Abi (Bruder) wünsch dir was beim Kerzen auspusten.“, sagte Selma. 
Emre griff nach meiner Hand, führte sie zu seinem Mund und hauchte einen Kuss darauf. 
„Ich bin mit der Frau meines Lebens an meiner Seite wunschlos glücklich.“ 
„Ich liebe dich askim (Schatz), alles gute nochmal.“, sagte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. 
Alle Blicke waren auf mich gerichtet, was dazu führte dass ich mal wieder rot anlief. 
Ich stand auf und ging ins Bad. Ich konnte es kaum erwarten Emre mein Geschenk zu geben. Nachdem ich kurz mein Make Up aufgefrischt hatte, machte ich die Tür auf um wieder zu den anderen zu gehen. Da ich in meiner Tasche nach meinem Handy suchte und nicht nach vorne sah, lief ich jemanden direkt in die Arme. 
„Oh sorry. Mein Fehler ich ..“
Ich brach mitten im Satz ab und machte einen Schritt zurück, als ich sah wer vor mir stand. Tolga! Folgte er mir etwa?! 
„Hi.“, sagte er leise. 
„Was willst du hier?!“, fragte ich. 
Ich versuchte mir meine Nervösität nicht anmerken zu lassen. 
„Ich war zufällig hier und hab dich gesehen...“
„Und bist mir einfach mal auf die Toilette gefolgt!?“, fiel ich ihm wütend ins Wort. 
„Nein. Ich meine ja aber ich wollte dir nur sagen, dass ich nach Bremen zieh.“, flüsterte er kaum hörbar. 
„Du brauchsr dir also keine Sorgen zu machen, ich werd dich nie mehr belästigen. Sorry nochmal für alles, ich wünsch dir alles Glück der Welt.“, fuhr er fort und streifte dabei kurz meinen Oberarm. 
Ich war baff. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Als ich plötzlich Emre sah der auf uns zu kam, stieg Panik in mir auf. Ich konnte seinen Blick nicht richtig deuten. Als er uns erreichte verpasste er Tolga erstmal eine Faust mitten ins Gesicht. 
„Fass meine Frau nicht an!“, schrie er wütend. 
„Emre lütfen (bitte).“, flehte ich. 
Unerwartet packte er mich an beiden Armen. 
„Was soll das Sibel?!“, zischte er. 
Seine Augen funkelten gefährlich, sein Griff verstärkte sich. 
„Emre du tust mir weh..“, flüsterte ich. 
Sofort liess er von mir. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. 
Tolga: „Tut mir leid ich wollte nicht ..“
„Geh einfach. Viel Glück in Bremen.“, unterbrach ich ihn. 
Ohne ein weiteres Wort zu sagen ging er. 
„Es tut mir leid .. ich wollte dir nicht weh tun .. es ist nur, ich werde jedesmal krankhaft eifersüchtig, wenn ich den in deiner Nähe sehe.“, sagte Emre und fuhr sich aufgebracht durch dir Haare. Wortlos nahm ich das Päcken aus meiner Handtasche und reichte es ihm. 
„Was ist das?“, fragte er vorsichtig. 
„Dein Geschenk, mach es auf.“, antwortete ich. 
„Hayatim, das kann warten ..“
„Nein. Mach es auf.“, gab ich ruhig zurück. 
Langsam öffnete er das Päckchen und nahm die Uhr heraus. 
„Danke .. danke mein Schatz. Ich liebe dich über alles es tut mit so leid.“, sagte er. 
„Schau auf den Deckel.“, flüsterte ich. 
Er drehte die Uhr um. Seine Augen füllten sich, als er das eingravierte laut vorlaß. 
„I’m yours. Now and Forever.“ ..

Kapitel 52

„Wann geht das endlich in dein Dickschädel?“, fragte ich und tippte dabei mit meinen Finger auf seine Schläfe. 
„Schatz .. es tut mir so leid. Bitte ..“, flüsterte Emre mit Tränen in den Augen. 
„Vergeben und vergessen .. unter einer Bedingung.“, antwortete ich ernst. 
Emre: „Alles was du willst hayatim (Mein Leben).“
Sibel: „Du sollst aufhören Eifersüchtig zu sein. Vorallem auf Tolga!“
Emre: „Ich kann das nicht ändern, es ist ..“
Sibel: „Natürlich kannst du das ändern Emre!“
Ich liess ihn nicht ausreden, stattdessen hakte ich mich bei ihm unter.
„Es fühlt sich an.. als ob du mir nicht vertraust.“, sagte ich leise. 
„Das ist es nicht! Ich vertrau dir mein ganzes Leben an! Mein Herz, meine Seele! Alles. Es ist einfach so dass ich den Männern nicht traue..bitte versteh mich ein wenigstens ein bisschen. Es ist nicht leicht für mich, dich mit jemanden anderen zu sehen ..“ 
Er hielt kurz inne und nahm dann mein Gesicht in seine Hände. 
„Ich verspreche dir, dass ich mich in Zukunft zusammenreissen werde und versuchen werde nicht eifersüchtig zu sein.“, sagte er leise und küsste mich. 
Der Kuss kam vorsichtig und zögerlich. Er wartete auf meine Reaktion. Die dann auch kam! Ich schlang die Arme um seinen Hals und fuhr mit einer Hand durch seine Haare. 
„Ich liebe dich so sehr! Bitte verlass mich nicht.“, flehte Emre keuchend als er kurz von meinen Lippen liess um nach Luft zu schnappen. 
„Niemals!“, sagte ich völlig ausser Atem. 


Kurz vor Mitternacht bat ich Emre mich nach Hause zu fahren, da ich wirklich müde war. Als wir da waren, begleitete er mich zur Tür. 
„Danke.“, sagte er leise. 
„Wofür?“, fragte ich ein wenig verwirrt. 
„Für alles. Dafür, dass du Laura deine Meinung gesagt hast. Dafür, dass du mit mir einen wundervollen Tag verbracht hast. Dafür, dass du mir nicht böse bist... und für die Uhr. Ich kann das nicht in Worte fassen wie ich mich gefühlt hab, als ich das eingravierte gelesen hab. Mein Herz es.. es war einfach unbeschreiblich.“, antwortete er. 
„Askim (Schatz).“, sagte ich nur und umarmte ihn. 
„Bitte lass uns ein Datum festlegen, ich kann nicht mehr warten.“, flüsterte er mir ins Ohr. 
Lächelnd löste ich mich von ihm. 
„Ich komm in den nächsten Tagen mal vorbei und dann können wir das besprechen.“, sagte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange... 


Keine 10 Minuten später lag ich erschöpft im Bett. Was für ein Tag! Kaum zu glauben dass ich Tolga endgültig los war. Ich weiss, er bereut es .. aber eine zweite Chance verdient er nicht. Ein Vergewaltiger verdient keine zweite Chance! Im großen und ganzen war es aber ein gelungener Tag. Mit einem Lächeln im Gesicht schloss ich meine Augen. Der Hochzeit stand nun nichts mehr im Wege! 


„Oh mein Gott, endlich!“
Emre stieß einen Jubelschrei aus und umarmte mich stürmisch. 
„Ein Monat! Nur noch ein Monat.“, sagte er fröhlich. 
„Emre .. yapma (hör auf).“, flüsterte ich leise und stieß ihm in die Schulter. 
Es war mir ein wenig unangenehm. Mein Papa, Emres Mama, Selma, Can und Pinar waren im Wohnzimmer und tranken Tee. Wir hatten uns für den 20. Januar entschieden. 
„Reicht euch die Zeit um eine Wohnung zu finden?“, hörte ich Can sagen. Ich unterhielt mich gerade mit Selma, die unbedingt ein paar Hochzeitskleider anschauen wollte. 
„Wird knapp, mal gucken ..“, antwortete Emre. 
„Was für ne Wohnung?!“, fragte ich laut. 
Ich merkte wie alle Blicke auf mich gewandt waren. 
„Eure Wohnung ..“, beantwortete Can meine Frage. 
Ich warf Emre einen fragenden Blick zu. 
„Wieso suchen wir eine Wohnung? Ich hab gedacht wir ziehen zu euch?“, sagte ich. 
„Willst du das denn?“, fragte Emre mich. 
„Natürlich will ich das. Wenn Anne nichts dagegen hat.“, gab ich leise zurück. 
Meine Schwiegermutter war eine moderne Frau Anfang 40. Sie führte ein eigenes Kleidergeschäft, das sehr erfolgreich lief. Das 2 Stock große Haus in dem sie lebte, war ihre eigene Arbeit. Ich bewunderte diese Frau, die ich mittlerweile in mein Herz geschlossen hatte. Jetzt saß sie neben mir und hielt mit Tränen in den Augen meine Hand. 
„Kizim (Meine Tochter). Nichts würde mich glücklicher machen.“, schluchzte sie. 
„Aglama Anne (Wein nicht Mama).“, sagte ich und umarmte sie. 

„Bist du dir sicher?“, fragte Emre mich ein wenig später. 
„Schatz ich war von Anfang an davon ausgegangen, dass wir zu euch ziehn. Ich habe keine Sekunde lang an eine eigene Wohnung gedacht. Wieso soll Anne alleine bleiben?“, antwortete ich ehrlich. 
Lächelnd drückte er mir einen Kuss auf die Wange. 
„Ich liebe dich. Mir wird grade wieder bewusst, was für ein Glückspilz ich bin!“ 


„Aman Allahim (Mein Gott) wie schön ist das denn?!“, schrie Selma. 
Ich stand mit dem gefühlten 100. Hochzeitskleid vor ihr und drehte mich einmal. Selma, Pinar und ich waren extra nach Berlin gefahren um die Geschäfte unsicher zu machen. 
„Abla das sieht traumhaft aus! Mashallah.“, sagte Pinar strahlend. 
„Mir gefällt’s auch aber ich weiss nicht...“, antwortete ich zögernd und warf einen Blick auf das Preisschild. 
„Hey! Abi (Bruder) hat mir seine Kreditkarte gegeben. Er meinte für seine Prinzessin ist nichts zu teuer. Also lass heute mal den Blick auf die Preise!“, tadelte Selma mich. 
„Ausserdem sind’s nur noch 2 Wochen!? Du musst dich endlich entscheiden, sonst stehst du am Ende ohne Kleid da.“, fügte Pinar lachend hinzu.
Die letzten beiden Wochen vergingen wie im Flug, ohne irgendwelche Zwischenfälle. Silvester hatten wir alle zusammen gefeiert. Es war unbeschreiblich toll gewesen. Ich war nie glücklicher als jetzt. 
„Nimmst du es? Das ist mit Abstand das schönste!“, fragte Selma und sah mich erwartungsvoll an. Lächelnd nickte ich...

Kapitel 53

„Wie war shoppen?“, fragte Emre, als wir mit vollen Tüten nach Hause kamen. 
Er hatte sich mit Baba über die letzten Details unterhalten, während wir weg waren. 
Pinar: „Geil! Wir haben so viel gekauft. Ganz viele High Heels. Und Abla (Schwester) hat so ein schönes Kleid...“
„Hey! Stop das reicht.“, fiel ich Pinar lachend ins Wort. 
Emre: „Darf ich es sehen?“
Er grinste bis über beide Ohren. 
„Nein darfst du nicht!“, antworteten Selma und ich wie aus einem Mund. 
Alle fingen an zu lachen. 
„Ist ja gut .. ich seh’s ja sowieso in 2 Wochen.“, sagte Emre und zwinkerte mir zu. 
„Ich darf’s dir anziehen!“, sagte Pinar begeistert. 
„Und ich darf’s dir dann ausziehen!?“, flüsterte Emre mir ins Ohr. 
Allahim! Ich spürte wie mein Puls von 0 auf 180 schoss und musste in die Küche flüchten, damit Baba nicht sah wie ich auf einmal puterrot anlief. Mein Herz schlug beim Gedanken an die Hochzeitsnacht so heftig, dass ich dachte es es springt mir gleich aus der Brust. Jedesmal verspürte ich so ein komisches Gefühl im Bauch, wenn Emre solche Andeutungen machte. Was ich jedoch keineswegs als unangenehm beschreiben würde. Es war eher eine Art ..Vorfreude?! Oh Gott. Ich schämte mich für meine Gedanken. 
„Canim, Emre und ich müssen jetzt los. Ich ruf dich nachher an.“
Selma, die an der Küchenschwelle stand, holte mich in die Realität zurück. 
„Ja ehm .. okay.“, stotterte ich verlegen. 
„Noldu? (Was ist los?). Geht’s dir gut? Du bist so .. rot.“, fragte sie besorgt. 
„Dein Bruder treibt mich in den Wahnsinn.“, sagte ich und verdrehte dabei die Augen. 
„Ja der arme .. kann’s kaum erwarten.“, lachte sie nur. 


Nur noch 5 Tage .. ich saß mit Emre grad im Starbucks, wir unterhielten uns über meinen Henna Abend. Baba hatte einen kleinen Saal gemietet, obwohl ich eigentlich wollte dass es zu Hause stattfindet. Es waren aber so viele Frauen eingeladen, dass es im Endeffekt wohl vernünftiger war. 
„Wirst du vorbei kommen?“, fragte ich Emre. 
„Ich weiss nicht .. ich will dich nicht weinen sehen.“, antwortete er. 
Es ist der Abend vor dem großen Finale. Es wird die letzte Nacht für mich im Elternhaus sein, deswegen hat es immer einen traurigen Beigeschmack und es werden auch viele Tränen vergossen. Abschied nehmen .. 
Emre: „Wirst du viel weinen?“
Die Frage riss mich aus meinen Gedanken, einen Moment lang sah ich ihn verwirrt an.
„Was ist dass denn für ne Frage .. natürlich werd ich weinen. Und wenn du jetzt nicht mit dem Thema aufhörst, dann heul ich hier schon los!“, antwortete ich ernst. 
Emre: „Tamam (okay), tut mir leid. Bist du sauer, wenn ich nicht komme? Mama und ein paar Tanten werden dann kommen.“ 
„Nein werde ich nicht. Ich find’s auch besser wenn du nicht kommst.“, antwortete ich ehrlich. Lächelnd nahm er meine Hand und hauchte einen Kuss darauf. 
„Danke.“, flüsterte er. 

Es war einfach nur krass wie schnell die Tage vergingen. Endlich war es soweit. Der ganze Saal war mit Tanten, Cousinen, Freundinnen und Nachbarinnen voll. Ich hatte ein cremefarbendes Abendkleid an, erst wurde getanzt, gesungen und gegessen. Es war toll. Alle amüsierten sich prächtig. Selma wich keine Sekunde von meiner Seite. Als dann gegen 23 Uhr die Henna Zeremonie beginnen sollte, wechselte ich erstmal mein Kleid gegen ein traditonelles Gewand. Selma half mir dabei. Wir gingen dafür in ein extra Raum. Ich merkte wie sie zitterte, als ich sie ansah waren ihre Augen schon gefüllt. 
„Selma hör auf.“, sagte ich leise. 
Meine Stimme bebte, ich war jetzt schon den Tränen nah. Wortlos nahm sie mich in den Arm. Eine ganze Weile standen wir so da, bis es an der Tür klopfte. 
Pinar: „Abla (Schwester), deine Schwiegermutter ist da, die wollen jetzt anfangen.“ 
Selma löste sich aus der Umarmung und sah mich noch kurz an. 
„Bereit?“, fragte sie mich. 
Ich nahm einmal tief Luft und nickte dann. Wir gingen wieder in den Saal. Die Lichter waren aus, überall brannten Kerzen. In der Mitte stand ein großer Stuhl, auf dem ich mich setzte. Mein ganzer Körper zitterte, als mehrere Frauen anfingen zu singen. Traurige Lieder .. da kamen die Tränen von ganz allein. Ich heulte wie ein Wasserfall, als eine meiner Tanten unter das Rote Tuch schaute, das ich auf dem Kopf trug. Typisch. Wollte noch sicher gehn ob ich auch wirklich weine. Irgendwie fand ich das so komisch, dass ich für einen kurzen Moment Lächeln musste. Dann wurde der Henna gebracht, Emres Tante kniete vor mir. Ich schlug meine Handfläche auf, sie schmierte ein wenig von dem Henna drauf. Emres Mutter legte noch je ein Goldstück darauf, dann ballte ich meine Hände zu Fäusten und ein rotes Tuch wurde drüber gebunden... 


Mehrere Stunden später lag ich erschöpft in meinem Bett. Ich schaffte es einfach nicht einzuschlafen. Ausserdem waren es nur noch 5 Stunden bevor ich schon wieder aufstehen und zum Frisuer fahren müsste... irgendwann im Morgengrauen schlief ich dann doch ein. 


„Hey aufstehen du Schlafmütze! Am Hochzeitstag verschlafen tzzz.“
Pinar stand an meiner Zimmertür und grinste mich frech an. Ich warf ein Kissen nach ihr. 
„Hadi los Abla (Schwester), du musst nicht zum Frisuer, die Frau kommt in 30 Minuten hier her.“, lachte Pinar und verschwand dann wieder. 
Oh immerhin muss ich jetzt nicht zum Frisuer fahren. Ich stand langsam auf, schleppte meinen müden Körper ins Bad und sprang unter die Dusche. Das kalte Wasser sorgte dafür, dass ich richtig wach wurde. Als ich zurück in mein Zimmer ging, klingelte plötzlich mein Handy ..

Kapitel 54

Es war Selma. 
„Hey canim.“, sprach ich ins Handy. 
„Sibel mein Schatz. Ich würd so gern bei dir sein aber ..“
„Ich weiss doch. Wir sehen uns nachher. Mach dir keinen Kopf.“, unterbrach ich sie. 
Selma: „Tamam, bis dann canim ich muss jetzt gleich zum Frisuer.“ 
Ich legte auf und zog mir was an, kurz darauf kam dann auch schon die Frisuerin. 


„Fertig! Mashallah Sibel, du bist eine wunderschöne Braut.“, sagte die Frisuerin lächelnd. 
Ich saß eine gefühlte Ewigkeit auf dem Stuhl, mein Hinterteil schmerzte schon. 
„Tesekkür ederim (Vielen Dank).“, antwortete ich leise und warf dann einen Blick in den Spiegel der in meinem Zimmer stand. Ich sah echt .. gut aus. Die Hochsteckfrisur war mega schön geworden und das Make Up.. Perfekt! 
„Jetzt alle raus hier los. Ich will Abla (Schwester) beim anziehen helfen.“, sagte Pinar ziemlich laut, um den Lärm zu übertönen der im Zimmer herrschte. 
Lachend nahm ich sie in den Arm. Nachdem alles weggeräumt war und schliesslich auch alle, bis auf Pinar das Zimmer verlassen hatten setzte ich mich einen Augenblick auf mein Bett. Mit geschlossenen Augen saß ich da. 
„Abla?“, sagte Pinar leise und setzte sich neben mich. „Alles okay?“
Wortlos nickte ich, legte einen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. Nachdem wir ein paar Minuten schweigend so da saßen, brach Pinar endlich die Stille. 
„Du musst jetzt dein Kleid anziehen Abla. Die sind nämlich gleich da und ..“
Ihr Stimme zitterte, sie war nicht in der Lage den Satz zu beenden. 
Sibel: „Pinar, meine kleine Schwester, mein ein und alles. Ich liebe dich und werde immer für dich da sein. Das weisst du doch?“ 
Ich kämpfte mit den Tränen. 
„Nein! Nicht weinen sonst verläuft die Schminke. Du willst doch hübsch sein für deinen Mann?!“, sagte sie schnell, sprang dann auf und holte das Kleid. 
Lächelnd stand ich auf und zog mich an. Keine 15 Minuten später hörten wir ganz viele Autos hupen. Mein Herz machte einen Luftsprung. 
„Allahim sie sind schon da!“, sagte ich laut. 
Pinar verließ schnell das Zimmer. Jetzt stand ich alleine da. Während die Musik immer lauter und lauter wurde, drohten meine Knie nachzugeben. Vergeblich versuchte ich meinen Atem unter Kontrolle zu kriegen. Eine gefühlte Ewigkeit starrte ich auf den Türknauf, als er sich dann auch endlich bewegte. Baba kam rein, gefolgt von Emre dessem Augen strahlten. Dann band Baba mir das Rote Band an meine Taille und küsste liebevoll meine Stirn. Ein unvergesslicher Moment! Dieser Kuss, von dem ich mein Leben lang geträumt hatte. Ich verließ das Haus mit Ehre und Stolz. Das redete ich mir trotz allem immer wieder ein. Und das beste war, die ganzen Menschen die ich liebte gaben mir das Gefühl all das verdient zu haben. 
„Ich bin so stolz auf dich kizim (meine Tochter).“, flüsterte Baba. 
Meine Augen füllten sich, ich schnappte einmal nach Luft. Nur mit Mühe hielt ich die Tränen zurück. Emre stellte sich neben mich, drückte kurz meine Hand und flüsterte mir „Du siehst traumhaft aus.“ ins Ohr. Eine ganze Weile wurde noch getanzt, dann legte mir Pinar einen weißen Pelz um die Schultern und wir gingen nach draussen. Schnee lag überraschend wenig, aber kalt war es schon. Schnell öffnete mir Emre die Beifahrertür eines schicken bmw’s, bei dem mir kurz die Kinnlade herunter fiel. 
„Wem gehört der?“, fragte ich mich großen Augen. 
„Meinem Cousin.“, antwortete er lachend.
„Gefällt er dir? Mal gucken vielleicht kauf ich dir einen.“, fügte er amüsiert hinzu.
Lachend stieg ich in den Wagen, kurz darauf fuhr Emre los. Doch dann herrschte, zu meiner Überraschung Stille. Minutenlange Stille. Ich merkte wie Emre mir immer wieder einen Blick aus den Augenwinkeln zuwarf.
„Wieso bist du so leise?“, fragte ich schliesslich.
Er fuhr plötzlich deutlich langsamer, sein Blick jedoch blieb starr auf die Straße gerichtet. 
„Emre?!“, fragte ich erneut, nachdem er mir nicht antwortete. 
Er stieß einen lauten Seufzer aus und fing dann an zu reden. 
„Ich .. es kommt mir alles wie ein Traum vor. Ein Traum, von dem ich solange geträumt hatte. Jetzt ist er wahr geworden aber irgendwie hab ich Angst. Angst etwas falsches zu sagen. Angst etwas falsches zu tun.“ 
Seine Stimme war nur mehr ein leises flüstern. 
„Wenn ich dich anschaue .. ich hab Angst, dass du im nächsten Augenblick weg bist. Dass es im Endeffekt doch alles nur ein Traum war.“ 
Seine Worte kamen so unerwartet, dass ich erst nicht wusste wie ich reagieren sollte.
„Ich liebe dich über alles und brauche dich. So wie ich die Luft zum atmen brauche.“, sagte er leise. 
Ich spürte mein eigenes Herz nicht mehr klopfen. Die Zeit stand still. Langsam nahm ich Emres Hand und küsste sie. Womit hatte ich diesen Mann verdient? Diesen Traumann. Mr. Perfect. Von dem alle Mädchen träumten. Er gehörte mir. Und ich würde ihn niemals hergeben!
Sibel: „Askim .. mein Mann. Das ist kein Traum. Ich bin hier. Bei dir. An deiner Seite. Nichts und niemand wird uns trennen können.“
Er warf mir einen kurzen Blick zu, lächelte mich an und schaute dann wieder auf Straße. 
„Inshallah (So Gott will).“, sagte er leise und drückte dabei meine Hand...

Kapitel 55

Ein paar Minuten später standen wir in der Eingangshalle und warteten darauf endlich in den Saal zu kommen. Plötzlich kam Selma auf uns zu. 
„Oh mein Gott! Wo warst du? Ich hab dich vorhin gar nicht gesehen.“, sagte ich laut. 
Lachend nahm sie meine Hände und küsste mich auf die Wange. 
„Ja Ja, du hattest nur Augen für Abi (Bruder).“, antwortete sie grinsend. 
„Du siehst bezaubernd aus canim. Einfach nur traumhaft!“, fügte sie hinzu. 
„Sagt die richtige. Geh weg von mir sonst stiehlst du mir die Show.“, gab ich lachend zurück. 
„Du bist ein Highlight. Keiner kann dir das Wasser reichen. Jetzt aber rein mit euch, die Leute warten schon.“, sagte sie und nahm mir die Jacke von den Schultern. 
Ich warf einen Blick auf Emre, der bis über beide Ohren grinste. 
„Was gibt es da zu lachen?“, fragte ich ihn. 
„Selma hat Recht. Dir kann keiner das Wasser reichen.“, sagte er noch immer grinsend. 
„Mit dir an meiner Seite sowieso nicht.“, antwortete ich und warf ihm einen Luftkuss zu. 
„Oh. Nur ein Luftkuss?“, fragte er mit gespielt enttäuschter Miene. 
„Später gibt’s dann mehr.“
Oh mein Gott. Hatte ich das gerade ernsthaft gesagt? Ich sah wie Emre verschmitzt grinste und meine Hand nahm. Dann öffnete sich die Tür. Um Gottes Willen. Der Saal war so riesig und drohte trozdem aus allen Nähten zu platzen. So viele Menschen auf einen Haufen hatte ich selten gesehen. Wir stellten uns mitten auf die Tanzfläche. Emre hob meinen Schleier und küsste zärtlich meine Stirn. Alle klatschten Beifall. Dann fingen wir an zu tanzen. Die Live Musik war hammer geil, die Party fing jetzt richtig an. Jeder Tanz wurde durchgenommen. Das Essen war köstlich. Die Atmosphäre genial. Es war schlicht und ergreifend .. Perfekt! 

Als wir uns kurz an unseren Tisch setzten um ein wenig Luft zu schnappen, merkte ich plötzlich dass jemand fehlte. 
„Ich kann meine Augen nicht von dir lassen.“, sagte Emre ganz nah an meinem Ohr. 
„Ich beschwer mich nicht.“, antwortete ich lächelnd. 
„Askim .. wo ist dein Vater? Ich kenn ihn ja noch gar nicht und weiss nicht wie er aussieht.“, fragte ich. 
Emres Gesichtsausdruck veränderte sich für ein paar Sekunden. Doch dann nahm er lächlend meine Hand und küsste sie. 
„Der ist leider geschäftlich mit seiner Frau unterwegs. Lassen wir das Thema. Heute ist unser Tag.“, sagte er und zog mich wieder auf die Tanzfläche. 
So war es schon immer gewesen. Jedesmal wenn ich ihn auf seinen Vater und dessen Frau ansprach, wechselte er das Thema. Er sprach nicht gerne über die beiden. Den Grund, weshalb das so war würde ich schon bald erfahren .. Momentan machte ich mir jedoch keine Gedanken darüber. Was jetzt zählte waren Emre und ich. Alles andere war mir zu diesem Zeitpunkt egal. Mit meinen 10 cm High Heels tanze ich mir die Füße wund. Die Zeit verging recht schnell, als ich einen Blick auf Emres Armbanduhr warf, zeigte diese schon nach Mitternacht an. 
„Kannst wohl kaum erwarten nach Hause zu fahren was?“, fragte Emre mit einem frechen grinsen im Gesicht. 
„Emre!“, stieß ich geschockt hervor. 
Ich spürte wie ich, mal wieder rot anlief. Bevor ich noch irgendwas dazu sagen konnte wurde die Torte reingebracht. Dankbar für diese Ablenkung stand ich auf. Emre folgte meinem Beispiel. Hand in Hand liefen wir in die Mitte des Saal, wo die Riesentorte stand. Wunderschön! Fast alle standen auf und bildeten einen Kreis um uns. Dann drückte mir ein Mann, den ich nicht kannte, ein großes Messer in die Hand. Emre legte seine Hand auf die meine und gemeinsam schnitten wir die Torte an. Nachdem wir uns gegenseitig „gefüttert“ hatten, klatschten erneut alle Beifall. Die Torte wurde entfernt. Ein langsames Lied setzte ein. Emre zog mich an sich und wir fingen an zu tanzen. Am Anfang war es mir ein bisschen peinlich, weil ich wusste dass alle Augen auf uns gerichtet waren. 
„Ich bin der glücklichste Mann der Welt und werde alles dafür tun, dich zur glücklichsten Frau zu machen.“, flüsterte mir Emre ins Ohr. 
Nach diesen Worten entspannte ich mich und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
„Die bin ich schon. Seit dem ich weiss dass du mich liebst.“, antwortete ich.

Als das Lied zu Ende war setzten wir uns wieder an unseren Tisch. Gleich darauf ertönte schon wieder Halay Musik. Die Leute sprangen auf und stürmten auf die Tanzfläche. Das ging noch gute 2 Stunden so weiter. Dann neigte die Feier sich dem Ende zu. Endlich! 
„Endlich man!“, sprach Emre meine Gedanken aus. 
„Hab schon gedacht die wollen gar nicht nach Hause gehen.“, fügte er lachend hinzu. 
Wir standen auf und verabschiedeten uns von den Gästen. Nachdem auch die letzten Leute weg waren, blieben nur noch die engsten Familienmitglieder zurück.
„Müde?“, fragte Emre mich. 
„Nein.“, erwiderte ich und verfluchte mich kurz darauf für meine Antwort.
Emre grinste wie ein Klein Kind, das soeben einen Lolli gekriegt hatte. Mein Herzschlag beschleunigte sich automatisch, meine Knie fühlten sich plötzlich wie Wackelpudding an...

Kapitel 56

„Kizim, Oglum (Meine Tochter, Mein Sohn). Ich fahr ein paar Tage zu eurer Tante.“, sagte Emres Mutter auf einmal.
„Neden Anne? (Wieso Mutter?).“, fragte ich überrascht. 
„Einfach so kizim.“, antwortete sie. 
„Emre?!“, sagte ich leise und warf ihm einen fragenden Blick zu. 
„Ich schwöre bei Gott , ich hab davon nichts gewusst.“, antwortete er ebenfalls überrascht. 
Lächelnd kam Emres Mutter auf mich zu und nahm mich in den Arm. 
„Entspann dich Sibel. Er wird dir nicht weh tun.“, flüsterte sie mir leise ins Ohr. 
Ach du Scheiße?! Ich schwöre euch, ich kann mich an keine Sitution errinern, die mir peinlicher war als diese hier. Allahim, wisst ihr was noch krasser war? Nachdem sie sich von mir löste, zwinkerte sie mir zu. Hallo!? Mein Gesicht hatte bestimmt schon die Farbe von Pinars knall rotem Kleid angenommen. 


Nachdem wir uns noch von dem Rest verabschiedeten, nahm Emre meine Hand und führte mich nach draussen. 
„Ist dir kalt?“, fragte er mich, zog ohne auf meine Antwort zu warten sein Jackett aus und legte es mir auf die Schultern. 
„Danke.“, flüsterte ich. 
Wir stiegen in den Wagen und fuhren los. Erneut herrschte die ganze Fahrt über Stille, für die ich diesmal mehr als dankbar war...


Meine Gedanken gingen 2 Tage zurück. Der Tag an dem wir uns das Ja Wort gaben. Wir hatten uns gegen eine Trauung auf der Hochzeit entschieden, weil wir dachten dass es so schon stressig genug werden würde. Einen Tag vor meinem Henna Abend, sind Emre, Ich, Selma und Can, der Emres Trauzeuge war zum Standesamt gefahren. Das ganze wurde mit einem tollen Abendessen gekrönt bei dem nur die engsten Verwandten eingeladen waren. Dieses „Ja ich will“ zu hören war einfach unbeschreiblich! 


Als wir ankamen machte er mir die Wagentür auf. 
„Danke.“, sagte ich leise und griff nach seiner Hand, die er mir hinhielt. Dann liefen wir zur Haustür. Emre holte den Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Tür auf. 
„Halt Stop!“, sagte er auf einmal. 
Unvermittelt packte er mich und trug mich über die Schwelle. 
„Ah.“, kreischte ich lachend auf. 
„Traditionen.“, sagte er grinsend als er mich im Flur wieder auf die Beine stellte. 
Ich lief direkt ins Wohnzimmer und setzte mich erstmal. Dann zog ich meine High Heels aus. Erst jetzt merkte ich, wie sehr meine Beine schmerzten. Kurz darauf kam Emre, mit einem Glas Wasser in der Hand ebenfalls ins Wohnzimmer. 
„Hier nimm.“, sagte er und hielt mir das Glas hin. 
„Danke.“, flüsterte ich, nahm es und nippte daran. 
Emre setzte sich auf die gegenüberliegende Couch. Mein Atem ging unregelmässig, ich spürte Emres Blick auf mir haften. Ich fing an ein paar Haarklammern aus meiner Hochsteckfrisur zu nehmen. Die ganze Zeit beobachtete er mich ohne etwas zu sagen. Dann stand ich langsam auf und lief hoch ins Schlafzimmer. Als ich die Tür öffnete, erwartete mich ein Bett voller Rosenblätter. Im ganzen Zimmer waren ausserdem kleine Kerzen angezündet. Bei diesem Anblick schoss mein Puls schlagartig in die Höhe. Ich ging rein, entfernte die restlichen Klammern aus meinen Haaren, und legte diese auf die Kommode. Dann hörte ich Schritte, die immer näher kamen. Ohne mich umzudrehen, schloss ich meine Augen und atmete einmal tief ein. Ich spürte wie Emre direkt hinter mir stand. Langsam strich er mit den Fingern, meine Arme entlang. Gänsehaut durchfuhr mich. Als er dann meine Haare zur Seite schob, meine Schulter und meinen als küsste, setzte mein Herzschlag aus. Mein ganzer Körper bebte. Vor .. Angst? Nein. Es war definitiv keine Angst! Plötzlich spürte ich wie etwas auf meine Schulter tropfte. Ich öffnete meine Augen, die ich die ganze Zeit über geschlossen hielt und drehte mich langsam um. Er weinte!? Emre weinte .. Ich legte meine Hand auf seine Wange und küsste die Träne weg, die ihm gerade herunter lief. 
„Ich werde dir nicht weh tun.“, flüsterte er mit zitternder Stimme. 
„Ich weiss doch askim.“, antwortete ich kaum hörbar. 
„Wenn du das nicht willst, dann brauchst du es nur zu ..“
„Shht.“, flüsterte ich und legte meinen Finger an seinen Mund um ihn zum Schweigen zu bringen. 
„Ich bin bereit. Für dich. Für mich. Für uns!“, sagte ich und küsste ihn. 
Ich weiss nicht genau wie lange wir so dastanden, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Irgendwann jedoch spürte ich wie Emres Finger zum Reisverschluss meines Kleides glitten. Ganz vorsichtig zog er es herunter. Ich löste mich kurz von ihm, um mich vom Kleid zu befreien. Dann nahm ich seine Hand und zog ihm zum Bett ..

Kapitel 57

Ganz langsam drückte er mich auf das Bett. Dann fing er an mich küssen. Meine Stirn, meine Wangen, meine Lippen. Als er meinen Hals erreichte und mit der Zunge darüber glitt, zog ich scharf die Luft ein und klammerte mich an die Bettwäsche. Er hielt kurz inne und befreite sich von seinen Klamotten. Ich zitterte wie verrückt. Mein Atem ging rasend schnell, noch immer hielt ich mich an der Bettwäsche fest. Emre bedeckte meine ganzen Körper mit Küssen, doch als er mit seiner Hand die innen Seiten meiner Oberschenkel erreicht hatte, versteifte sich mein Körper schlagartig. Da war sie .. diese Angst .. diese Angst vor den Schmerzen .. 
„Hayatim (Mein Leben), entspann dich .. es wird nicht weh tun.“, flüsterte Emre. 
Diese Stimme .. leise, liebevoll .. sie war wie Medizin. 
„Ich liebe dich über alles.“, hauchte er mir ins Ohr. 
Ich schlang meine Arme um Emre, schloss die Augen und liess es geschehen ... 



Ich wurde von einem Kitzeln auf der Nase geweckt. Ganz langsam öffnete ich meine Augen. Emre saß auf dem Bett, beugte sich über mir und bedeckte mein Gesicht mit federleichten Küssen. 
„Guten Morgen hayatim (Mein Leben).“, sagte er gut gelaunt. 
„Günaydin. (Guten Morgen)“, antwortete ich leise und warf einen Blick auf die Uhr. 
„Schon 13 Uhr?!“, gab ich schockiert von mir. 
Ich hatte durchgeschlafen, während Emre frisch geduscht in Jeans und Shirt geschlüpft war. Wie gut er roch .. 
„Ja ist doch egal, es ist Sonntag.“, sagte Emre lächelnd.
„Stimmt auch wieder.“, erwiderte ich ohne meinen Blick von der Uhr zu nehmen. 
„Alles okay bei dir?“, fragte er vorsichtig. 
„Ja .. wieso?“, flüsterte ich. 
Emre: „Schau mich an.“ 
Ich schluckte einmal und sah dann langsam zu Emre. Diese wunderschönen grünen Augen, die mich neugierig musterten, wie ich sie liebte! Irgendwie war es mir aber peinlich .. letzte Nacht... 
„Alles okay?“, fragte Emre erneut. 
„Ja .. ich .. es ist nur .. letzte Nacht ..“, stotterte ich verlegen und merkte wie ich hochrot anlief. Mein Gott wieso war mir das alles so peinlich? Er ist mein Mann! 
„Sibel wenn ich dir irgendwie weh getan habe, dann musst du mir das sagen, weil ..“
„Hayir! (Nein!) Es war .. schön! Es ist nur .. ich schäme mich irgendwie.“, unterbrach ich ihn und senkte dann meinen Blick. 
„Hayatim .. meine Prinzesssin.“ 
Er hob mein Kinn an und sah mich eindringlich an. 
„Du musst dich nicht schämen. Das ist etwas ganz normales, mit der Zeit gewöhnst du dich daran.“, sagte er lächelnd und küsste mich zärtlich auf die Stirn. 
Emre: „Ausserdem .. wie sollen wir sonst ganz viele kleine Prinzessinen machen, die genau so hübsch sein werden wie du?“
Lachend fiel ich ihm um den Hals. Emre liebte Kinder. Er sprach immer und immer wieder darüber. Eine Familie ohne Kinder, war für ihn keine richtige Familie. 


Der Rest des Tages verging wie im Flug. Nachdem wir uns ganz viele Filme angeschaut und uns was leckeres gekocht hatten, vielen wir Abends müde ins Bett. Ich kuschelte mich an Emre und legte meinen Kopf auf seine Brust. 
„Wegen Flitterwochen schauen wir dann nach der Klausur nächste Woche.“, sagte Emre auf einmal während er sanft über mein Haar strich. 
„Askim wir müssen nicht unbedingt ..“
„Doch natürlich! Ich will mit dir in die Flitterwochen. Es wird sehr sehr sehr sehr schön das versprech ich dir.“, fiel er mir ins Wort. 
Ich hob meinen Kopf und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. 
„Dich an meiner Seite zu haben ist schön. Egal wo!“, antwortete ich lächelnd. 


1 Woche später .. Es klingelte an der Tür, als ich gerade in der Küche stand und Geschirr spülte. Da Emre oben im Zimmer war und lernte trocknete ich mir die Hände und ging an die Tür. Es war Emres Mama. 
„Anne willkommen zu Hause.“, sagte ich und küsste ihre Hand. 
Sie drückte mir zwei Küsschen auf die Wangen und umarmte mich dann herzlich. 
„Danke kizim (Meine Tochter). Ist Emre da?“, fragte sie mich. 
„Evet (Ja), der ist oben ..“ 
„Anne (Mama) schön dass du wieder da bist.“, unterbrach mich Emre, der gerade die Treppen nach unten gelaufen kam. Dann umarmte er lange seine Mutter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Das war so süß die beiden so zu sehen. Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns erstmal. 
„Emre .. dein Vater hat mich angerufen, er kommt in einer Stunde vorbei.“, sagte Emres Mama auf einmal. 
„Tamam .. (okay).“, antwortete Emre nur und flüchtete wieder in sein Zimmer. 
Diese Reaktion .. irgendwie komisch. Ich hatte jedoch keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn Anne (Mutter) wollte das ich ihr beim Essen machen helfe. 
„Kommt Selma auch?“, fragte ich als ich grade das Gemüse klein schnitt. 
Wie auf Stichwort klingelte es an der Tür. 
„Natürlich, ich glaub das ist sie schon.“, antwortete sie lächelnd. 
Schnell ging ich an die Tür und fiel Selma um den Hals.
Sibel: „Canim benim (Mein Schatz), ich hab dich vermisst.“
Selma: „Und wie ich ich vermisst habe!“ 

Nach dem das Essen so gut wie fertig war, setzten wir uns alle ins Wohnzimmer und warteten. Ich war richtig nervös, endlich würde ich meinen Schwiegervater und dessen Frau kennenlernen. Kurz darauf klingelte es. Emre stand auf und ging an die Tür. Wenige Sekunden später kam dann ein großer Mann ins Wohnzimmer. Mir fiel sofort auf, dass Emre seinem Vater vom Aussehen sehr ähnlich war. Dieselben grünen Augen, das selbe Lächeln. Und seine größe hatte Emre auch von ihm. 
„Hosgeldiniz Baba (Willkommen Vater).“, sagte ich und küsste seine Hand. 
„Danke.“, sagte er freundlich und setzte sich. 
Und dann sah ich sie. Meryem...

Kapitel 58

Geschockt starrte ich einen Moment auf diese Frau, die maximal 25 Jahre alt war, wenn überhaupt! Wieso hatte mir keiner gesagt, dass sie so jung ist?! Sie war so aufgetakelt, als sei sie gerade von einer Hochzeit gekommen. Ihr Blick schweifte durch das Wohnzimmer. Sie schnaubte verächtlich. Wie respektlos ist das denn?! Auf einmal trafen sich unsere Blicke. Sie zog arrogant ihre Augenbraue hoch und musterte mich von oben bis unten, als sei ich ein Stück Ware, das zum Verkauf steht. 
„Du musst wohl Sibel sein?!“, fragte sie mich und hielt mir dann die Hand hin. 
Oh mein Gott! Wie kann man nur so eingebildet klingen? Als ob sie Gift auspukt! Ich ergriff ihre Hand, doch als ich sie kurz darauf wieder entziehen wollte hielt sie mich fest und drehte ihre Handoberfläche nach oben. Ich sollte ihre Hand küssen?! Ich riss mich zusammen, sie war immerhin die Frau meines Schwiegervaters. Da ich nicht respektlos erscheinen wollte, tat ich ihr diesen Gefallen .. 


„Selma, wo ist dein Mann?“, fragte Emres Papa. 
„Der muss leider arbeiten Baba ..“, antwortete sie leise.
So kannte ich Selma gar nicht. So leise und zurückhaltend, sonst hatte sie ein vorlautes Mundwerk. Aber die Gegenwart ihres Vaters schien sie einzuschüchtern. Genauso wie sie mich einschüchterte. Man sah auf den ersten Blick, dass er viel Geld hatte. Er war Autohändler, das hatte mir Emre einmal flüchtig erzählt gehabt. Ich bewunderte Mutter. Sie saß gelassen neben Selma und liess sich im Gespräch nicht aus der Ruhe bringen. Ich fand es nicht selbstverständlich, dass sie so ruhig war.. ich mein .. die neue Frau ihres Exmannes .. könnte ihre eigene Tochter sein? Emre war auch ein Rätsel für sich. Er hielt sich den ganzen Abend zurück, seine Antworten waren knapp. Ich saß irgendwie verloren neben ihm. Meryem, die auf der gegenüberliegenden Couch neben Kerim (Emres Papa) saß, warf Selma, Mutter und besonders mir immer wieder verächtliche Blicke zu. Erst jetzt merkte ich, wie stark sie geschminkt war. Ihre Haare waren elegant hochgesteckt worden. Das schlimmste an allem war, ihr Oberteil. Unglaublich mit was für einen Ausschnitt die sich aus dem Haus traut. Man sah so gut wie ihre halbe Brust! Es herrschte alles andere als eine angenehme Atmosphäre. Ich hatte es mir definitiv anders vorgestellt. Ich stand auf und ging in die Küche um Kaffee zu machen. Selma folgte mir. 
„Selma, wieso habt ihr mir nie gesagt, dass diese Frau so jung ist?!“, flüsterte ich leise. 
„Keine Ahnung ..ich hab sie auch erst 2 mal gesehen.“, gab sie zurück. 
Ihre Stimme zitterte, sie war den Tränen nahe. 
„Canim was ist denn los?“, fragte ich und nahm sie in den Arm. 
„Ich hasse diesen Mann! Ich hasse ihn! Ich wollte gar nicht kommen! Anne hat darauf bestanden.. “, schluchzte sie leise. 
Ich war total überrascht von ihrer Reaktion. Mir war bewusst dass, das Verhältniss zwischen den beiden nicht das beste war. Er war nicht mal auf ihre Hochzeit gekommen. Das war ein richtiger Stich ins Herz damals für Selma. Aber dass sie ihn hasste .. 
„Canim sag sowas nicht, er ist dein Vater.“, versuchte ich sie zu beruhigen. 
Sie löste sich von mir und wischte sich die Tränen weg.
„Was für ein toller Vater. Nicht mal zur Hochzeit seiner Kinder kommt er.“, sagte sie. 
Selma: „Der lässt sich einmal im Jahr blicken und bringt uns dann teure Geschenke mit. Als ob das die Zeit gut macht, die er nicht mit uns verbringt.“
Sibel: „Canim ich ..“
Mir fehlten die Worte. 
„Und dann kommt der mit dieser kleinen Nutte her. Ganz ehrlich die sollen sich so schnell wie möglich verpissen. Sehen die nicht dass sie unerwünscht sind?!“, sagte Selma laut. Vielleicht einen Tick zu laut. 
„Selma .. yapma (Hör auf), was wenn die dich hören?“, flüsterte ich leise.
„Sollen die doch ..“, gab sie zurück und zuckte dabei mit den Schultern. 
Noch immer total Baff, machte ich die Kaffees auf ein Tablett und ging dann mit Selma zurück ins Wohnzimmer. Ich legte jedem ein Kaffee und ein Glas Wasser vor. 
„Ist da Zucker drinn?“, fragte Meyrem mich. 
Nein Gift. Gott was für eine dumme Frage! 
„Evet (Ja).“, antwortete ich so ruhig wie ich konnte. 
„Ich trink die Kaffees nicht mit Zucker, da soll Süßstoff rein. Ich geh mal davon aus, dass ihr Süßstoff ihm Haus habt?“, sagte sie so hochnäsig wie möglich. 
„Ja haben wir.“, anwortete Mutter für mich. 
„Und Sibel wird dir sofort einen Kaffee mit Süßstoff machen.“, sagte sie. 
„Nicht wahr Sibel?“, fragte sie mich ohne den Blick von Meryem zu nehmen. 
Ihre Stimme klang freundlich wie immer, aber ihr Augen sprachen eine andere Sprache. Ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte sie Meryems arroganten Blick. 
„Natürlich Anne.“, antwortete ich leise und verschwand kurz darauf wieder in die Küche. 
Als ich ein paar Minuten später wieder ins Wohnzimmer kam, sah ich dass Emre weg war. Ich legte Meyrems Kaffee auf den Tisch ohne sie anzuschauen. 
„Wo ist Emre?“, fragte ich Mutter. 
„Der hat einen wichtigen Anruf bekommen, er ist gleich wieder da.“, antwortete sie. 
„Wo ist die Toilette?“, fragte Meyrem auf einmal. 
„Ende des Flurs, rechte Tür.“, antwortete ich. 
Wortlos nahm sie ihre Tasche, stand dann auf und verschwand aus dem Wohnzimmer. Als ich mich setzten wollte, merkte ich das Baba kein Wasser mehr hatte. Ich nahm das Glas und verschwand wieder in die Küche. Auf den Weg zurück ins Wohnzimmer hörte ich auf einmal leise Stimmen .. sie kamen aus Mutters Arbeitszimmer. Leise schlich ich mich mit dem Glas Wasser, vor die Tür die nur angelehnt war. 
„ .. verschwinde von hier sofort! Raus verdammt! Was willst du von mir?“, hörte ich Emre leise sagen.
„Wieso denn? Keiner sieht uns.“
Meryem! Mein Herzschlag beschleunigte sich schlagartig. Was machten die beiden alleine im Arbeitszimmer und vorallem wieso reagierte Emre so heftig? 
Meryem: „Reg dich ab Süßer.“ 
Süßer? Sie nannte meinen Mann Süßer?! 
„Nenn mich nicht süßer! Was passiert ist war ein Fehler!“, sagte Emre. 
„Fehler? Willst du mir sagen es hat dir nicht gefallen?“, lachte Meyrem leise. 
Mein Herz hörte auf zu schlagen. Meine Gedanken spielten verrückt. Das Glas glitt mir aus der Hand und fiel krachend zu Boden. Wie Trance machte ich einen Schritt nach vorne und stieß die Tür auf. Ich blickte in zwei geschockte Gesichter, die mich mit großen Augen ansahen...

Kapitel 59

Ich schloss kurz meine Augen und betete zu Gott dass, das alles nur ein schlechter Scherz war. Was ich gerade gehört hatte, dürfte nicht wahr sein! 
„Sibel ..“
Ich hob meine Hand um Emre zum Schweigen zu bringen. 
„Raus hier .. dein Kaffee wird kalt.“, sagte ich an Meyrem gewandt ohne meinen Blick von Emre zu nehmen. 
Meyrem: „Ich ..“
„Raus!“, sagte ich diesmal etwas lauter. 
Ohne ein weiteres Wort zu sagen verliess sie das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. 
Emre: „Sibel ich kann dir das alles ..“
„Ruhe bitte!“, fiel ich ihm ins Wort. 
„Ich hab nur eine einzige Frage .. hast du mit ihr geschlafen?“, flüsterte ich leise. 
„Um Allahs Willen! Nein! Wie kannst du sowas sagen Sibel?“, stieß er geschockt hervor. 
Er kam auf mich zu, ich machte jedoch einen Schritt zurück und hielt die Hände vor mich. 
„Aber .. ihr .. ihr habt darüber gesprochen ..“, stotterte ich. 
Unvermittelt griff er nach meinen Handgelenken und sah mich eindringlich an. 
„Setzt dich bitte .. ich erklärs dir kurz.“, sagte er leise. 
Ja .. eine Erklärung. Das alles hatte sicher eine plausible Erklärung. Ich setzte mich auf Mutters Arbeitstuhl. Emre kniete vor mir und hielt meine Hände. Ich entzog sie ihm nicht. Dann fing er an zu sprechen .. 
„Vor gut einem Jahr .. ich saß grad zu Hause und trank Alkohol. Viel Alkohol .. zwei Stunden zuvor hatte ich Laura mit einem anderen erwischt ..“, flüsterte er. 
Ja das wusste ich .. dass Laura dieses Miststück Emre damals betrogen hatte .. 
„Baba war auf einem Geschäftsessen gewesen .. mit Meryem. Die ist aber überraschend früh nach Hause gekommen, weil sie Kopfschmerzen hatte. Als sie mich so .. sagen wir mal am Boden zerstört .. gesehen hatte, setzte sie sich zu mir und trank mit.“ 
Er hielt kurz inne .. nahm einmal tief Luft und fuhr dann fort. Ich hörte ihm aufmerksam zu .. 
„Irgendwann ist sie dann aufgestanden und .. und hat sich auf meinen Schoss gesetzt.. sie hat angefangen mich zu küssen .. und .. dann hat sie mich angefasst ..“
Ich hielt die Luft an, schloss meine Augen und hielt mir die Ohren zu. 
„Sibel! Hör zu!“, sagte Emre und griff erneut nach meinen Handgelenken. 
Emre: „Ich hatte viel getrunken aber war noch in der Lage um klar denken zu können. Ich hab sie sofort weggeschubst! Und ihr alle möglichen Beleidungen an den Kopf geworfen!“ 
Ich glaubte ihm. Ich wollte ihm glauben, ich musste ihm glauben! Der Gedanke daran wie diese Schlampe sich an Emre ran machte .. 
„Mehr war da nicht?“, flüsterte ich kaum hörbar. 
„Ich schwöre auf alles was mir heilig ist! Mehr war da nicht! 4 Tage später war ich in Hamburg .. und hab dich getroffen .. die Liebe meines Lebens!“, antwortete er. 
Der Gedanke an unsere erste Begegnung vor Starbucks .. er zauberte mir ein schwaches Lächeln ins Gesicht. 
Emre: „Bitte Sibel glaub mir! Mehr war da nicht.“
Sibel: „Ich glaube dir ..“ 
„Hayatim! Hab ich dich jemals angelogen?“, sagte Emre und küsste meine Hände. 
Ich schüttelte langsam mit dem Kopf. 
Emre: „Es war mir einfach alles so peinlich, es hätte niemals so weit kommen dürfen.“
„Es war nicht deine Schuld! Sie sollte sich schämen. Ehrenlose!“, zischte ich wütend. 
Ich hatte solchen Hass in mir. Wie kann man sowas machen?! 
„Lass uns das jetzt erst mal vergessen, ich will nicht das jemand davon erfährt .. wir sollten wieder zurück zu den anderen.“, sagte Emre und stand dann auf. 
Ich folgte ihm, zusammen gingen wir ins Wohnzimmer. 
„Wo wart ihr so lange?“, sagte Emres Vater. 
„Da sind wir doch.“, antwortete Emre. 
Wir setzten uns. Ich sah wie Selma mir einen fragenden Blick zu warf. Ich zuckte nur kurz mit den Schultern, dann wanderten meine Augen zu Meryem. Wie sie da saß und es ernsthaft schaffte meinen Blick zu erwidern. Meine Hand juckte .. am liebsten würde ich ihr ins Gesicht spucken und ihr eine klatschen! Emres Vater nahm einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihm. 
„Was ist das?“, fragte Emre. 
„Ein kleines Geschenk zur eurer Hochzeit.“, antwortete dessen Vater. 
Emre machte langsam den Umschlag auf und holte einen Scheck heraus .. einen Scheck über 10.000 €. Mir fiel die Kinnlade herunter. 
„Das können wir doch unmöglich annehmen.“, flüsterte ich Emre ins Ohr.
Wortlos steckte Emre den Scheck wieder in den Umschlag, legte ihn auf den Tisch und schob ihn zurück. 
„Ich will das nicht. Wir wollen das nicht.“, sagte Emre leise. 
„Neden oglum? (Wieso mein Sohn?) Ich will das ihr das annehmt.“
„Wir wollen das aber nicht ..“, flüsterte Emre leise. 
Zu leise für meinen Geschmack! Ich kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er gerade innerlich kochte. Erneut schob Emres Vater den Umschlag nach vorne. 
„Wenn ihr das nicht annehmt, dann werd ich beleidigt.“, sagte er. 
„Wir wollen das nicht! Was gibt es daran nicht zu verstehen?“, schrie Emre plötzlich und stand ruckartig auf. 
Alle Augen richteten sich total überrascht und geschockt auf Emre. Sein Gesichtsausdruck machte mir Angst .. ich ahnte dass diese Situation zu eskalieren drohte...

Kapitel 60

„Wann verstehst du endlich, dass ich dein Geld nicht will?“, schrie Emre. 
„Oglum (Mein Sohn) schrei nicht so, ich ..“
„Nein! Nenn mich nicht Oglum.“, fiel Emre seinem Vater ins Wort. 
Dem wiederrum fiel geschockt die Kinnlade herunter. Mutter stand auf und starrte Emre mit großen Augen an. 
„Was bist du für ein Vater? Wir sind keine kleinen Kinder mehr, die man mit Geld und Spielzeug glücklich machen kann!“, sprach Emre wütend weiter. 
„Emre! Pass auf wie du mit deinem Vater sprichst.“, sagte Mutter leise. 
„Hayir Anne. (Nein Mutter.) Ich hab genug geschwiegen. Es reicht! Siehst du dieses Mädchen?“, fragte Emre seinen Vater und zeigte mit dem Finger auf Selma. 
Kerim (Emres Vater) warf eine kurzen Blick auf Selma, die leise vor sich hin schluchzte. 
„Hast du schon vergessen? Das ist deine Tochter! Auf deren Hochzeit du nicht gekommen bist! Weisst du eigendlich, was für ein Gefühl das ist?“
„Abi yapma (Bruder hör auf).“, heulte Selma und vergrub das Gesicht in ihre Hände. 
Mein Herz zog sich bei ihrem Anblick zusammen, ich wollte aufstehen und sie in den Arm nehmen, doch irgendwie reagierte mein Körper nicht. Ich stand total unter Schock. 
Emre: „Du bist von hier weggegangen und hast Anne alleine gelassen. Wieso hast du mich mitgenommen damals? Hast du dich jemals gefragt ob ich das will? Hast du?! Nein natürlich hast du nicht. Die Gefühle deiner Kinder kümmern dich einen Dreck.“ 
Mutter: „Emre es reicht! Was soll ..“
„Stattdessen machst du groß Karriere, schwimmst in Geld und legst dir eine neue Frau zu, die deine eigene Tochter sein könnte.“, sprach Emre weiter ohne auf seine Mutter zu achten. 
Plötzlich stand Emres Vater auf. Wie die beiden sich so gegenüber standen machte mir Angst. Ich warf einen kurzen Blick auf Meryem, die wie versteinert da saß und auf den Boden starrte. 
Emre: „Du kommst nicht zu meiner Hochzeit und tauchst ein paar Tage später einfach mal so mit dieser kleinen Nutte hier auf um mir Geld zu schenken.“
OH MEIN GOTT! Er hat .. er hat .. er hat sie Nutte genannt .. 
„Emre!“, schrien Selma und Mutter wie aus einem Mund. 
Mein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an, erneut wanderte mein Blick zu Meryem. Ihr Gesicht war kreidebleich. Und dann, ganz plötzlich folgte eine schallende Ohrfeige! Bevor ich überhaupt realisieren konnte was soeben passierte, sah ich wie Emre sich reflexartig an die Wange fasste. Alle im Raum standen, ausser Meryem. 
„Was fällt dir ein Meyrem Nutte zu nennen?“, zischte Kerim stinksauer. 
„Okay .. vielleicht war ich kein guter Vater .. aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, meine Frau zu beleidigen Emre!“, fuhr er fort. 
Wie aus heiterem Himmel fing Emre an zu lachen. Ein hysterisches Lachen, bei dem es mir eiskalt den Rücken runter lief. Ich ahnte was jetzt kommen würde .. 
„Meinst du ich nenn einfach so jemanden Nutte?“, sagte Emre noch immer lachend. 
„Was soll das heissen?“, fragte Kerim mit leiser Stimme. 
Ich griff nach Emres Arm und rüttelte ihn. 
„Askim .. yapma! (Schatz .. hör auf!).“, flüsterte ich ganz leise. 
Emres Gesichtsausdruck veränderte sich, er hörte auf zu lachen. Stattdessen starrte er seinem Vater wie in Trance in die Augen. Einen Moment lang herrschte bedrückende Stille im Wohnzimmer, die lediglich von Selmas Schluchzern unterbrochen wurde. 
„Deine ach so tolle Frau, hat sich an mich ran gemacht. Sie wollte mich ins Bett kriegen!“, sagte Emre nach einer gefühlten Ewigkeit. 
Ich wage zu behaupten, dass jeder im Wohnzimmer für einen Augenblick den Atem anhielt. Diese Spannung die herrschte, war förmlich mit dem Händen zu greifen. Kerims Mund war leicht geöffnet, er starrte Emre mit großen Augen an. 
„Das stimmt nicht!“, schrie Meryem, die schockiert aufsprang. 
„Er lügt Kerim! Du darfst das nicht glauben ..“, flehte sie unter Tränen. 
„Merkst du nicht, dass sie nur hinter deinem Geld her ist?“, fragte Emre seinen Vater. 
Selma heulte wie ein Wasserfall, ich ging auf sie zu und drückte sie sachte auf die Couch.
„Aglama (wein nicht).“, flüsterte ich ihr ins Ohr und strich ihr über die Haare. 
Einen Moment lang, war keiner in der Lage etwas zu sagen. Mutter brach das Schweigen. 
„Raus hier.“, flüsterte sie leise. 
Sofort richteten sich alle Augenpaare auf Mutter. Im ersten Augenblick wusste glaube ich niemand so recht wen sie damit meinte, denn keiner machte Anstalten sich zu bewegen. 
„Raus aus meinem Haus Kerim.“, sagte sie erneut diesmal etwas lauter. 
Kerim: „Hatice, ich will erst wissen ..“ 
„Nein! Reichen dir die Worte deines Sohnes nicht? Nimm dieses ehrenlose Weib von hier und verschwinde aus MEINEM Haus!“, schrie Mutter auf einmal. 
„Kerim das stimmt nicht, er lügt ..“, schluchzte Meryem verzweifelt. 
„Sus! (Sei still!)“, zischte Kerim. 
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließen die beiden das Haus. Emre ließ sich langsam auf die Couch fallen und vergub das Gesicht in seine Hände. Ich saß neben Selma, deren Kopf auf meiner Schulter ruhte. Unglaublich war soeben passiert war .. 
„Es tut mir leid Anne (Mutter), ich wollte das nicht.“, flüsterte Emre auf einmal. 
Mutter setzte sich neben ihn und strich ihm behutsam über den Rücken. 
„Du hast das richtige getan Oglum (Mein Sohn).“, versuchte sie ihn zu trösten. 
Emre: „Danke dass du mir glaubst ..ich..“
„Shht. Natürlich glaube ich dir. Du bist mein Sohn. Hast du mich jemals angelogen?“, unterbrach sie ihn und küsste ihn auf dem Kopf. 



Kurz vor Mitternacht, lagen wir alle müde im Bett. Mein Kopf ruhte auf Emres Brust, ich lauschte seinem gleichmäßigem Herzschlag. Irgendwie ein beruhigendes Geräusch. Den ganzen Abend über hatten wir das Thema gemieden...
Emre: „Bist du sauer auf mich?“ 
Sibel: „Wieso sollte ich?“
„Na ja .. wegen .. Meryem.“, antwortete er leise. 
Ich hob meinen Kopf und sah Emre eindringlich in die Augen. 
„Askim, es ist nicht deine Schuld gewesen. Wie Anne schon sagte, du hast das richtige getan. Ich hoffe nur dein Vater erkennt früh genug, dass Meryem die falsche für ihn ist.“ 
„Das hoff ich auch ..“, flüsterte er leise. 
„Und jetzt schlaf, du musst Morgen früh Klausur schreiben.“, sagte ich lächelnd und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. 
„Ja .. aber davor fällt mir noch was ein.“, grinste er verschmitzt. 

Kapitel 61

„So So Herr Kaya .. was denn genau?“, fragte ich frech.
Unvermittel packte er mich an den Hüften und drehte mich auf den Rücken. 
„Ahh.“, kreischte ich lachend. 
„Shht. Oder willst du das Anne uns hört?“, fragte Emre.
Ich lag unter ihm und war nicht in der Lage mich zu bewegen, da er mich mit seinem Körper gegen das Bett drückte. Er fing an meinen Hals zu küssen. 
„Askim vor 10 Minuten meintest du, du bist totmüde ..“, flüsterte ich. 
„Für dich bin ich nie zu müde ..“, hauchte er mir ins Ohr. 
Emre: „Ausserdem .. wie sollen wir sonst unsere kleinen Prinzessinen machen?“ 
Da war es wieder. Dieses Baby Thema. Ich glaub Emre hatte nichts anderes im Kopf als Kinder. Lächelnd schlang ich meine Arme um ihn. 
„Gegen einen kleinen Prinzen hätte ich auch nichts einzuwenden.“, antwortete ich. 
Emre hob seinen Kopf, sah mich mit leuchtenden Augen an und küsste mich dann zärtlich. 
„Ich liebe dich über alles!“, sagte er.. 


„Ich komm dich gegen 14 Uhr abholen.“, rief ich Emre hinterher, der gerade in den Wagen seines Kumpels stieg um zur Uni zu fahren. 
„Tamam (Okay).“, antwortete er mir winkend. 
Ich ging zurück in die Küche, wo Mutter gerade frühstückte. 
„Afiyet olsun (Guten Appetit).“, sagte ich und setzte mich neben ihr. 
Sie nickte nur leicht. Irgendwie sah man ihr an, dass die Sache von Gestern ihr Kopfzebrechen bereitete. Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum. 
Sibel: „Anne du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Alles wird gut.“
Ja diese Standard Sprüche .. aber was anderes fiel mir nicht ein, ich stand noch selber total unter Schock wegen Meryem. Mutter schenkte mir ein tapferes Lächeln. 
„Biliyorum kizim. (Ich weiss meine Tochter.)“, sagte sie.

Nachdem auch Mutter in die Arbeit ging, blieb ich allein zu Hause zurück. Ich beschloss ein bisschen zu putzen um mir die Zeit zu vertreiben. Als es bereits 13 Uhr war und ich duschen wollte, klingelte auf einmal mein Handy. Es war Laura!
„Hallo?“, sprach ich leise. 
Laura: „Ist Emre zu Hause? Ich erreich ihn nicht.“
Sibel: „Was willst du? Du solltest erst anrufen, wenn du das Kind hast ..“
„Nerv nicht! Ich hab mein Kind schon gekriegt!“, blaffte sie mich wütend an. 
Sie hatte was?! Aber es war doch noch zu früh .. 
„War dein Geburtstermin nicht ende Februar?“, fragte ich leise. 
„Frühgeburt.“, antwortete Laura ziemlich arrogant. 
„Geht’s dem Kind gut?“, fragte ich obwohl ich eigendlich nicht fragen wollte. 
Laura: „Ja. Sag Emre er soll mich anrufen.“ 
Und weg war sie. Aufgelegt. Einfach so. Kein Danke, kein Bitte. So eine Göre! 
Ich setzte mich erst mal auf mein Bett und schnappte nach Luft .. irgendwie hatte ich Angst. Angst vor diesem Vaterschaftstest. Was wenn es doch sein Kind ist? Nein! Kopfschüttelnd versuchte ich diesen Gedanken zu verdrängen. Auf keinen Fall würde ich jetzt an Emres Worte zweifeln. Er ist nicht der Vater und schon bald wäre das auch bewiesen. Dann war auch endlich das letzte ‚Problem’ weg. Dachte ich damals zumindest .. 


Ich stand grad auf dem Campus und wartete auf Emre. Wir wollten was Essen gehen und dann wegen den Flitterwochen reden, aber da war jetzt die Sache mit Laura. 
„Na du hübsche.“
Ich drehte mich um und sah Oliver, einen sehr guten Freund, zu dem der Kontakt leider abgebrochen war, seit der Sache .. mit Kevin. 
„Oli? Oh mein Gott, wie lang haben wir uns nicht gesehen?“, sagte ich und umarmte ihn. 
„Fühlt sich an wie ne Ewigkeit. Hab dich vermisst.“, antwortete er um erwiderte herzlich meine Umarmung. Er war der klassiche Kumpel Typ, den jedes Mädchen haben muss.
Sibel: „Ich dich auch, aber du weisst ..“ 
Oliver: „Ja ich weiss .. geht’s dir jetzt gut? Hab gehört du hast geheiratet.“
„Ja mir geht’s super, bin sehr glücklich.“, antwortete ich lächelnd. 
„Das freut mich.“, gab er ebenfalls lächelnd zurück und umarmte mich erneut. 
„Sibel?“, hörte ich jemanden rufen. 
Ich löste mich aus Olivers Umarmung und sah wie Emre auf uns zu kam. Als er uns erreichte musterte er Oliver mit funkelnden Augen und warf mir dann auch einen komischen Blick zu. Ich weiss nicht wieso aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich als hätte ich etwas schlimmes getan .. 
„Hallo Schatz, das ist Oliver. Ein guter Freund von mir.“, sagte ich leise. 
Er nickte ihm nur kurz zu und richtete seinen Blick dann wieder auf mich. 
„Lass uns gehen, ich hab Hunger.“, sagte er nur. 
Ich verabschiedete mich von Oliver und lief dann mit Emre zum Wagen. 
„Wie war die Klausur?“, fragte ich ihn. 
„Gut.“, antwortete er. 
Sibel: „Wo willst du essen?“
Emre: „Mir egal.“
Sibel: „Alles okay mit dir?“
Emre: „Ja.“ 
Mein Gott! Diese knappen Antworten. Was sollte das? Ich blieb stehn, während er weiterlief. Als er merkte dass ich nicht mehr neben ihm ging, machte er kehrt. 
„Was ist los?“, fragte er mich. 
„Was los ist? Das sollte ich dich fragen! Was soll das Emre, du tust so als ob ich was schlimmes getan habe. Hast du schon vergessen was du mir versprochen hast?“
Meine Stimme zitterte. So ein Scheiss! Erst das mit Meryem Gestern, dann die Sache mit Laura und jetzt diese unnötige Eifersuchts Szene. Emre wollte mich in den Arm nehmen, ich wich jedoch einen Schritt zurück. Nein so einfach geht das nicht! .. 
„Mit deinem Verhalten gibst du mir das Gefühl, dass du mir nicht vertraust .. das tut weh Emre. Das tut richtig weh .. ich glaub nicht, dass ich das verdient habe.“, flüsterte ich...

Kapitel 62

„Sibel es tut mir leid ..“, gab er kleinlaut zurück und nahm mich in den Arm. 
Diesmal wehrte ich mich nicht. Sanft strich er mir über den Rücken. 
„Bitte versteh mich, ich .. ich hasse es einfach wenn jemand anderes dich umarmt.“, sagte er, strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und küsste mich zärtlich auf die Stirn. 
„Wieso denn? Das war nur ein guter Freund Emre. Ich kenne ihn seit Jahren ..“
„Ich weiss .. es tut mir leid ich bin ein Idiot.“, fiel er mir ins Wort. 
„Ja das bist du tatsächlich.“, gab ich zurück. 
Lächlend drückte er mir einen Kuss auf die Wange. 
„Sorry .. aber weisst du, wenn dich jemand umarmt .. die halten für einen Moment mein ganzen Leben in den Armen Sibel. Deshalb mag ich das nicht.“, sagte er. 
Uff. Wieso schaffte er es sogar in dieser Situation so süß zu sein?
„Askim, ich gehört nur dir! Dir allein.“, antwortete ich und küsste ihn. 

Wir fuhren zu unseren Stammitaliener. Wir setzten uns und unterhielten uns erst über die Klausur. Als Emre dann auf das Thema Flitterwochen kam, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und erzählte ihm vom Anruf. 
„Laura hat angerufen.“, sagte ich leise. 
Seine Augen weiteten sich, wütend legte er die Gabel weg. 
„Dieses Miststück!“, zischte er. 
„Du sollst sie anrufen, sie hat das Kind gekriegt.“, antwortete ich so ruhig wie möglich. 
Emre: „Wie? Aber ..“
Er schien so überrascht, dass er nicht in der Lage war weiter zu sprechen. 
„Frühgeburt, aber dem Baby geht es gut.“, sagte ich. 
„Wann gehst du?“, fügte ich leise hinzu. 
Er hob seine Augenbrauen und sah mich fragend an. 
Sibel: „Nach München?! Wegen dem Test ..“
Emre: „Hayatim (Mein Leben), wir wollten in 2 Tagen in die Flitterwochen fahren ..“
„Das kann doch warten?! Ich will endlich Klarheit.“, unterbrach ich ihn.
„Klarheit? Hast du etwa Zweifel?“, fragte er ein wenig gereizt. 
„Nein .. Nein natürlich nicht! Ich glaube dir doch .. aber ich will dass diese Frau endgültig aus unserem Leben verschwindet. Ein für alle mal. Damit wir unser Leben in Ruhe weiter führen können, ohne ständig damit rechnen zu müssen, dass sie plötzlich an der Tür steht.“
Meine Stimme klang entschlossen, ich dürfte jetzt nicht klein bei geben. Ich hatte absolut keine Lust, die Sache noch weiter rauszuzögern. 
Emre: „Aber ..“
„Nichts aber!“, fiel ich ihm ins Wort. 
Er schloss kurz seine Augen und atmete einmal tief ein. Dann nahm er meine Hände, führte sie zu seinem Mund und hauchte kleine Küsse darauf. 
„Du hast Recht.“, sagte er lächelnd. 
„Ich fahr gleich Morgen früh los, am Abend bin ich wieder zu Hause. Die werden mir das Ergebniss dann per Post schicken.“, fügte er hinzu. 
Zufrieden lächelte ich ihn zucker süß an und beugte mich vor um ihn zu küssen... 


Gespannt saß ich am nächsten Abend im Wohnzimmer und wartete mit Mutter auf Emre. Er war ganz früh losgefahren um dann auch so schnell wie möglich wieder hier zu sein. 
Ich war mittlerweile aufgestanden und lief nervös im Wohnzimmer auf und ab. Immer wieder warf ich eine Blick auf die Uhr. Obwohl die Testergebnisse erst nächste Woche da sein würden, war ich total angespannt .. hatte Emre das Kind gesehen?!
„Er wird gleich da sein Sibel. Keine Sorge.“, versuchte Mutter mich zu beruhigen. 
Wie auf Stichwort hörte ich das Auto vor unserem Haus parken. Sofort lief ich an die Tür, gefolgt von Mutter und riss die Haustür auf. Emre stieg gerade aus dem Wagen und kam dann auf uns zu. Er sah müde aus .. 
„Hey, toller Empfang von euch beiden.“, lächelte er schwach. 
„Oglum (Mein Sohn) du siehst so kaputt aus.“, sagte Mutter. 
„Bin ich auch. War irgendwie ein anstrengender Tag ..“, antwortete er leise. 
Wir gingen ins Haus und setzten uns ins Wohnzimmer. Ich musterte ihn vorsichtig ..
„Hast du Hunger?“, fragte Mutter auf einmal und durchbrach die Stille. 
„Ja und wie.“, antwortete Emre lächelnd. 
Ich sprang sofort auf um ihn was zu machen, Mutter jedoch winkte mich ab. 
„Bleib sitzen Sibel, ich mach das.“, sagte sie und verschwand kurz darauf in die Küche. 
Das liebte ich an dieser Frau, sie wusste einfach immer genau wann der richtige Zeitpunkt war uns allein zu lassen. Emre klopfte neben sich auf die Couch. 
„Gel hayatim (Komm her mein Leben).“, sagte er süß. 
Langsam stand ich auf und setzte mich neben ihn. Er legte einen Arm um mich und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. Ich kuschelte mich an ihn und vergrub das Gesicht in seinen Hals. 
„Hast du das Baby gesehen?“, fragte ich kaum hörbar. 
„Evet (Ja).“, antwortete er knapp. 
Sibel: „Und?“
Emre: „Was und?“ 
Sibel: „Wie sieht es aus?“
Emre: „Süß.. wie ein Baby halt.“
Mein Gott. Er wusste genau, dass ich damit was anderes gemeint hatte. 
Sibel: „Emre .. ich meinte ..“ 
„Nein, es ähnelt mir absolut nicht. Wie denn auch, ich hab nichts mit dem Baby zu tun. Blaue Augen, blonde Härchen .. wie die Mutter.“, unterbrach er mich. 
Ich hatte eigendlich keine Lust auf diese Unterhaltung aber .. 
„Hey. Schau mich an.“, sagte er leise und hob mein Kinn an. 
Ich sah in dieses lächelnde Gesicht, in diese wunderschönen Augen, in die ich mich unsterblich verliebt hatte. Eine Frage spukte in meinen Kopf .. 
„Was wenn es dein Kind ist?“, flüsterte ich leise. 
Emre: „Sibel was soll das ..“
„Was wenn Emre?!“, unterbrach ich ihn und löste mich aus seiner Umarmung. 
Ich stand auf und drehte ihm den Rücken zu. Unwillkürlich füllten sich meine Augen. Verdammt! Wieso musste ich ausgerechnet jetzt heulen. Ich merkte wie auch Emre sich erhob. Dann stand er hinter mir und drehte mich um. 
„Sibel!? Wieso weinst du ..“, fragte er leise und wischte mir die Tränen weg. 
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“, schluchzte ich leise.

Kapitel 63

„Wenn es mein Kind ist, dann werd ich mich natürlich darum kümmern. Keine Frage. Wenn es mein Kind ist, dann wird es ganz viele tolle Geschwister kriegen, die so hübsch sein werden wie du.“, antwortete er ruhig. 
Sibel: „Also .. wirst du nicht ..“ 
Ich konnte diesen Satz einfach nicht zu Ende bringen. 
„Zu Laura zurückgehen?!“, beendete er meine Frage. 
Kaum merklich nickte ich. 
„Allahim (Bei Gott) Sibel.“, lachte er auf einmal und nahm mich in den Arm. 
„Das ist deine Sorge? Ich würde dich niemals verlassen. Nichts auf dieser Welt kann uns trennen. Niemals!“, hauchte er mir ins Ohr. 
Dieses befreiende Glücksgefühl, das nach diesen Worten durch meinen Körper ströhmte .. einfach unbeschreiblich. 


Emre: „Er wird es nicht bereuen .. im Endeffekt wird er mir sogar dankbar sein.“ 
Wir saßen im Wohnzimmer mit Mutter, Selma und Can waren ebenfalls da. Wir hatten gehört das Emres Vater sich von Meryem getrennt und die Scheidung eingereicht hatte. 
„Es ist das beste was er tun konnte.“, sagte Can. 
Ich warf einen Blick auf ihn, er sah noch genauso gut aus wie vor ein paar Monaten, Selma hingegen wirkte irgendwie .. ein wenig müde und ausgepowert. Sie sah tatsächlich unglücklich aus. Auf einmal überkam mich dieses schreckliche Gefühl der Schuld. Als unsere Blicke sich trafen, lächelte sie mich an. Dieses Lächeln erreichte ihre Augen jedoch nicht. So wie es sonst immer der Fall war. Mir wurde schlagarig bewusst wie sehr ich sie in den letzten Monaten vernachlässigt hatte. Immer ging es nur um mich! 
Sibel: „Canim kommst du kurz hoch ins Zimmer, ich will dir was zeigen.“ 
Ich stand auf und reichte ihr meine Hand, die sie sofort ergriff. 
„Entschuldigt uns.“, sagte ich an die anderen gewandt. 
Schweigend liefen wir ins Zimmer. Ich setzte mich auf’s Bett, während Selma da stand und mich neugierig musterte. 
Selma: „Was wolltest du mir zeigen.“ 
„Gar nichts. Wollt nur kurz allein sein mit dir, komm setzt dich zu mir.“, antwortete ich lächelnd.
Sie folgte meiner Bitte und nahm neben mir Platz. 
Sibel: „Wie geht’s dir?“
„Super.“, antwortete sie ohne mir ins Gesicht zu sehen.
Sibel: „Nein. Ich will wissen wie es dir wirklich geht.“ 
Ich nahm ihre Hände und spürte wie sie zitterte. 
„Es ist alles okay.“, sagte sie mit leiser Stimme. 
„Nein ist es nicht! Ich kenn dich doch. Wo ist die freche Selma hin, mit dem losen Mundwerk. Ich vermisse sie...“, flüsterte ich. 
Plötzlich fing sie leise an zu weinen. 
„Hey .. canim benim (Mein Schatz).“, sagte ich leise und nahm sie in den Arm. 
Sofort füllten sich auch meine Augen, es tat einfach so weh sie weinen zu sehen. 
„Aglama lütfen (Bitte wein nicht).“, flehte ich schluchzend. 
„Sibel diese Frau macht mir das Leben zur Hölle. Meckert wegen jeder Kleinigkeit. Die macht mir so einen Druck, frägt ständig wieso ich noch nicht schwanger bin. Manchmal meint sie sogar ich könne keine Kinder kriegen. Langsam hab ich selber Angst ..“, sagte sie weinend. 
Mit „Diese Frau“ meinte sie ihre Schwiegermutter. Cans Mutter war eine schwierige Person, das wusste ich schon lange. Aber das sie mit Selma so schlecht umging .. 
„Ist die verrückt?! Ihr seid erst seit ein paar Monaten verheiratet, was hat die für Probleme man?“, antwortete ich geschockt. 
„Ja ich weiss .. ich war auch schon beim Arzt, der meinte alles sei okay.“, flüsterte sie. 
„Natürlich ist alles okay! Mach dir keinen Kopf Schatz, das wird schon.“, sagte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. 
Selma: „Inshallah (So Gott will).“
Sibel: „Was sagt Can dazu?“
Selma: „Keine Ahnung, was soll er sagen .. ist halt seine Mutter.“
Sibel: „Und wegen der Sache mit den Kindern?“
„Ach .. erst meinte er das hat Zeit .. aber jetzt .. er gibt sich Mühe. Sogar sehr .. wenn du weisst was ich meine.“, antwortete sie grinsend. 
„Oh .. ehm also .. na ja .. ich denke ich weiss was du meinst.“, antwortete ich verlegen. 
„Denkst du, oder weisst du was ich meine?“, fragte sie noch immer grinsend. 
Oh mein Gott. Wie unserer Unterhaltung einfach mal eine komplett andere Richtung nahm. Irgendwie war es mir peinlich, ich hatte noch nie mit jemanden darüber geredet. 
„Selma hör auf zu lachen!“, sagte ich ernst. 
„Sorry, aber du bist so süß. Wenn du mal Ratschläge brauchst, ich steh zur Verfügung.“, lachte sie. 
„Manyak! (Idiot!)“, zischte ich empört. 
Sie lachte nur noch mehr, was dann auch dazu führte das ich ebenfalls anfing zu Lachen. Wie sehr ich diese Gespräche mit ihr vermisst hatte! Wir unterhielten uns noch eine Weile, bevor wir wieder runter zu den anderen gingen.


Ich war gerade in der Küche und starrte auf einen kleinen Stapel Umschläge die vor mir lagen. Ganz oben .. da war er. Der Vaterschaftstest. Emre saß gegenüber von mir und sah mich eindringlich an. Mein Herz schlug so rasend schnell, mein ganzer Körper zitterte als ich den Umschlag nahm und ihn Emre reichte. Mutter war noch auf der Arbeit, wir waren alleine zu Hause. Emre drehte den Brief mehrmals herum .. dann legte er ihn auf einmal langsam wieder auf den Tisch. Fragend sah ich ihn an. 
„Mach du auf.“, sagte er auf einmal. 
Was?! Ich soll .. 
„Aber ich ..“ 
Meine Stimme versagte. Meine Gedanken spielten verrückt. Mit zitternden Finger nahm ich den Umschlag und machte ihn auf. Ich schloss kurz meine Augen, versuchte einigermassen meinen Atem unter Kontrolle zu kriegen und nahm dann langsam den Zettel aus dem Umschlag. Ich sah kurz zu Emre, er starrte Löcher in die Luft und tippte nervös mit dem Füß gegen den Boden. Immer und immer wieder. Dieses Geräusch .. es drohte mich in den Wahnsinn zu treiben. Plötzlich merkte er wie ich ihn ansah. 
„Hör auf damit ..“, flüsterte ich leise. 
Sofort hielt er inne. Ich nickte dankbar und machte dann endlich den Zettel auf. Ich überflog den Anfangstext ... und dann sah ich es. Mein Herz stand für eine gefühlte Ewigkeit still, als ich das Ergebniss sah .. 
„Willst du mich umbringen oder so?!“, fragte Emre und riss mich so aus meinen Gedanken...

Kapitel 64

Eine gefühlte Ewigkeit sahen wir uns einfach nur an. 
„Jetzt sag schon ..“, flehte Emre ungeduldig. 
„Negativ.“, sagte ich mit leiser Stimme und sah ihm in die Augen. 
„Ich bin nicht der Vater!?“, antwortete er und sprang ruckartig auf. 
Ich nickte wortlos. Endlich Klarheit. Nie mehr Laura! Emre kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Ich klammerte mich an ihn. Diese Tortur hatte endlich ein Ende. 
„Hayatim (Mein Leben), ich bin so glücklich.“, sagte Emre. 
„Ich auch Schatz, ich auch.“, antwortete ich lächelnd. 
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste sanft meine Stirn. 
„Ab jetzt wird alles gut.“, sagte er lächelnd. 
„Inshallah (So Gott will).“, flüsterte ich und umarmte ihn. 
Sein Handy klingelte, als er auf das Display sah verzog er das Gesicht. 
Sibel: „Kim o? (Wer ist es?).“
„Meryem die dumme, die versucht schon seit 2 Tagen mich zu erreichen.“, antwortete er genervt und drückte den Anruf weg. 
„Was will die von dir?“, fragte ich leise. 
Emre: „Keine Ahnung, hab noch nie abgenommen. Will es auch gar nicht wissen, die ist wahrscheinlich total am Boden, weil Baba sie verlassen hat. Wenn die weiterhin anruft, änder ich meine Nummer.“


Die gute Nachricht machte schnell die Runde. Alle freuten sich mit uns, dass dieses ‚Problem’ endlich gelöst war. Ich wollte es irgendwie nicht wirklich wahrhaben. Tolga war in Bremen, weit genug weg von mir um mir keine Probleme mehr machen zu können. Kevin war im Gefängnis, nach alldem was er mir angetan hatte wünschte ich mir dass er dort verrottet. Laura mit ihrem Kind in München. IHREM Kind und nichts Emres! Nichts und Niemand, könnte unserem Glück jetzt noch schaden. Ich brauchte Zeit um das alles zu realisieren. Ab jetzt sollte es nur noch bergauf gehn .. doch ich hatte die Rechnung ohne Meryem gemacht .. 


Zwei Wochen später .. ich saß gelangeweilt und auch irgendwie beleidigt auf der Couch im Wohnzimmer und schaute Fern. Ich hatte Geburtstag und alle hatten es vergessen! Mutter war im Geschäft und auch Emre musste heute arbeiten. 
„Könnte spät werden heute Schatz.“ 
Das meinte er zu mir, als er heute Morgen nach einem kurzen Frühstück gegangen war. Kein „Alles Gute“ oder „Happy Birthday“ oder was weiss ich was! Pinar und Baba haben auch noch nicht angerufen. Nicht einmal Selma hatte sich gemeldet! Ich war echt enttäuscht .. aber auch einfach zu dickköpfig um irgendwas zu sagen. Es war kurz nach 17 Uhr als ich einen Blick auf mein Handy warf .. in der Hoffnung irgendeine Nachricht verpasst zu haben. Nichts! Ich beschloss Selma anzurufen. 
„Hey canim.“, sagte ich als sie ran ging. 
Selma: „Hallo schatz, wie geht’s dir?“
„Super.“, log ich. 
„Freut mich, was machst du so?“, fragte Selma. 
Sibel: „Nichts, rumhocken und langweilen, hab vorhin bisschen gelernt. Wo bist du gerade?“ 
Selma: „Bei Cans Tante, ein bisschen chillen. Die ist richtig cool drauf.“
„Schön.“, antwortete ich leise. 
Komm schon Selma, wenigstens du vergiss es nicht! 
„Ich muss jetzt auflegen Schatz, die wollen Tee. Bis dann.“, sagte Selma. 
Oh man! 
„In Ordnung bis dann.“, antwortete ich und legte auf. 
Gekränkt stand ich auf und ging in die Küche um mir was zum Essen zu machen, als auf einmal mein Handy klingelte. Pinar! 
Sibel: „Hey mein Schatz.“
„Hallo Abla (Schwester) ..was machst du so.“, sprach sie leise ins Handy. 
Ihre Stimme klang komisch, ich spürte dass irgendwas passiert war. 
„Noldu? (Was ist los?).“, fragte ich besorgt. 
Pinar: „Ach nichts ..“
Sibel: „Sag jetzt Pinar!“
„Ich wollt eigendlich fragen ob du vorbei kommen kannst, weil ..“
Sie stoppte, ich hörte wie sie einmal tief Luft nahm. 
„Weil?“, fragte ich. 
„Baba geht es nicht so gut. Er ist ein bisschen krank.“, gab sie leise zurück. 
Oh mein Gott! Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen, ich musste mich am Kühlschrank festhalten. Baba war krank ..
Pinar: „Abla es ist nichts schlimmes, nur eine kleine Erkältung!“
Ich antwortete nicht, stattdessen ließ ich mich niedergeschlagen auf den Stuhl sinken. 
„Vallah (Ich schwöre) es ist nichts schlimmes. Er hat halt nach dir gefragt und ich wollte dich deshalb anrufen ..“, versuchte Pinar mich zu beruhigen. 
„Wart ihr beim Arzt? Was hat er ..“
„Bisschen Fieber und Husten .. aber er will nicht zum Arzt.“, unterbrach Pinar mich. 
„Tamam (okay)..“, flüsterte ich leise. 
Pinar: „Kommst du? Bitte ...“
Sibel: „Ja ... natürlich .. ich bin gleich da. Anne hat den Wagen hier gelassen, ich fahr gleich los.“
Meine Stimme zitterte. Vergessen war mein Geburtstag, vergessen war meine Wut. Mir wurde gerade bewusst, wie unwichtig diese Sachen waren. Wenn Baba etwas zustoßen würde .. Ich legte auf und trank erstmal ein Glas Wasser. Nachdem ich mich einigermassen beruhigt hatte, ging ich ins Wohnzimmer und nahm Mutters Autoschlüssel die noch auf dem Tisch lagen. Es war der 26. Februar und es war arsch kalt! Ich zog mir meinen Mantel an, legte mir meinen großen Schal um und machte mich auf den Weg. Ich versuchte Emre zu erreichen, um ihm Bescheid zu geben. Er ging jedoch nicht ran. Wütend warf ich mein Handy auf den Beifahrersitz. Egal! Alles scheiss egal, hauptsache Baba geht es gut. Ich fuhr richtig schnell. Irgendwie wunderte ich mich, heil angekommen zu sein bei den glatten Straßen. Ich parkte und wollte grade zur Haustür laufen als ich Emres Wagen, auf der gegenüberliegenden Straße bemerkte. Er war hier?! 
Oh mein Gott Baba .. ihm war bestimmt etwas passiert. Sofort rannte ich los und klopfte wie wild gegen die Tür. Pinar machte auf. 
„Wo ist Baba?!“, fragte ich völlig außer Atem. 
„Im Wohnzimmer, beruhige dich.“, antwortete sie.
Wie kann sie in dieser Situation von mir verlangen mich zu beruhigen?! Ich zog schnell meine Stiefel aus und lief direkt ins Wohnzimmer. Wie angwurzelt blieb ich am Türrahmen stehn. Ich ließ einen Blick durch das Zimmer schweifen .. ich traute meinen Augen nicht.

 

Kapitel 65

Baba, Emre, Selma, Mutter, Can und mehrere Freunde aus der Uni waren da. Sogar Oliver war gekommen. 
„Überraschung!“, schrien sie alle auf einmal. 
Mit leicht geöffneten Mund starrte ich sie an. Emre kam lächelnd auf mich zu. 
„Hayatim (Mein Leben), ich hab gemerkt wie sauer du warst. Hast du ernsthaft geglaubt ich würde deinen Geburtstag vergessen? Alles Gute mein Schatz, ich liebe dich.“, sagte er lächelnd und nahm mich in den Arm. 
Als er von mir ließ, wurde mir auf einmal schwarz vor Augen. Ich musste mich an ihn klammern damit ich nicht umkippte. 
„Alles okay Schatz?“, fragte Emre besorgt. 
Sibel: „Ja ich .. es ist nur .. boah Pinar du bist so scheiße!“ 
Sofort fingen alle an zu lachen. 
„Ich sag’s dir, deine Schwester wird Schauspielerin.“, sagte Selma lachend. 
„Du bist auch nicht viel besser!“, vergeblich versuchte ich wütend zu klingen. 
Mega erleichtert nahm ich ganz viele Glückwünsche entgegen. Es war richtig süß geworden, ich hatte damit absolut nicht gerechnet. Beim Geschenke auspacken, fühlte ich mich wieder wie ein Kind. Emres Geschenk kam als letzes. Es war ein mega schönes, dünnes Armband aus Silber, das in der Mitte noch ein kleines Herz hatte. 
„Teil zwei meines Geschenks kriegst du heute Nacht im Bett.“, flüsterte er mir ins Ohr. 
Oh mein Gott! Mir war auf einmal richtig heiß und ich spürte wie ich rot anlief... Ich wollte gerade aufstehen um in die Küche zu gehen als mir plötzlich wieder schwindelig wurde. Komisch, das geht jetzt schon seit mehreren Tagen so .. 
„Was hast du?“, fragte Emre mich. 
„Ach nichts, hab nur Hunger.“, gab ich lächelnd zurück. 
„Du isst zu wenig! Du bist voll blass, ab in die Küche mit dir los. Hau dir ein Sandwich rein oder so. Komm schon, nicht dass du mir jetzt hier umkippst.“, sagte Emre ernst. 
„Ai Ai Sir.“, sagte ich grinsend und verschwand daraufhin in der Küche. 


Es war erst 5 Uhr als ich am nächsten Morgen auf die Uhr schaute. Mir war richtig übel! Die kleine Feier gestern war richtig schön, wir hatten viel Spaß. Aber ich hatte dann letztendlich doch zu viel gegessen. Bevor es richtig hell wurde, tapste ich leise ins Bad und übergab mich. Das Essen gestern, hat meinem ohnehin schon empfindlichen Magen wohl nicht gut getan. Ich hatte mir schnell die Zähne geputzt und wusch gerade mein Gesicht als es an der Tür klopfte. 
„Hayatim, ist alles okay?“, hörte ich Emre fragen. 
Schnell trocknete ich mein Gesicht ab und machte dann auf. 
„Oh mein Gott, was hast du? Du bist voll blass!“, sagte Emre geschockt und legte eine Hand auf meine Stirn. 
„Mir geht’s gut askim... das Essen gestern. Du kennst mich doch, ich vertrag nicht so viele verschiedene Sachen auf einmal.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. 
Emre: „Geh zum Arzt! Lütfen (Bitte), lass dir Vitamin Tabletten verschreiben oder so. Ich will mir keine Sorgen machen müssen, versprich mir dass du heute noch gehst!“
Er sah mich mit diesen süßen Kulleraugen an und machte dabei einen Schmollmund. 
„Tamam (Okay), jetzt hör auf so zu gucken.“, sagte ich lachend. 
Emre: „Neden? (Wieso?). Willst du mir sagen du magst das nicht?“
Unerwartet legte er seine Hände um meine Taille, zog mich an sich und küsste mich innig. Wow! Völlig außer Atem löste ich mich von seiner Umarmung und schnappte erst mal nach Luft. Erneut zog er mich an sich und küsste meinen Hals. 
„Emre yapma .. wir sind im Bad .. Mutter ..“, sagte ich heftig atmend. 
„Die schläft noch.“, antwortete er nur. 
Er drückte mich gegen das Waschbecken und küsste mich voller Leidenschaft. 
„Emre ..“, keuchte ich, als ich mich kurz von seinen Lippen löste. 
„Soll ich aufhören.“, fragte er, ohne seine Lippen von meinem Hals zu nehmen. 
„Nein .. mach .. mach die Tür zu.“, flüsterte ich leise. 
Er hob seinen Kopf und grinste mich verschmitzt an. 
„Ihr Wunsch ist mir Befehl.“, sagte er schmunzelnd und schloss dir Tür. 


Nachdem Emre zur Arbeit gefahren war, saß ich mit Mutter beim Frühstück. 
„Du bist wirklich immer so blass kizim (meine Tochter). Emre hat recht, geh zum Arzt. Wenn du willst begleite ich dich...“, sagte Mutter zu mir. 
„Ich bin doch immer so blass Anne! Mir war nur ein bisschen übel wegen dem Essen gestern.“, antwortete ich lächelnd. 
„Hmm .. dir war auch schwindelig gestern, hab das gemerkt. Vielleicht ..“
Sie stoppte und fing an zu grinsen. Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. 
„Vielleicht was?“, fragte ich. 
Und dann, ganz plötzlich machte es klick. Könnte es sein? .. 
„Meinst du .. aber .. ich weiss nicht.“, sagte ich leise.
Mutter: „Das ist durchaus möglich Sibel. Wann hattest du das letzte mal deine Regel?“
Uff, irgendwie total peinlich mit ihr darüber zu reden. Ich dachte kurz nach .. nein ich war noch nicht drüber. Irgendwie enttäuscht, sagte ich es Mutter. 
„Das muss nichts heißen. Geh zum Frauenarzt kizim, dann haben wir Klarheit.“, sagte diese lächelnd...


Zwei Stunden später saß ich aufgeregt in der Praxis beim Frauenarzt und wartete nervös auf Dr. Marx. Er war einer der besten Gynäkologen der Stadt. Ich hatte mich gerade gründlich untersuchen lassen, Urin und Blut Probe. Ultraschall wurde ebenfalls durchgeführt. Ich war richtig aufgeregt und zappelte unruhig auf meinen Stuhl herum. Nach endloser Warterei kam Dr. Marx dann endlich ins Zimmer. Er setzte sich und sah sich die Ergebnisse an. Wie gebannt sah ich ihn an .. 

Kapitel 66

Lange schaute der Arzt sich die Ergebnisse an. Einen Tick zu lange! Seine Miene war unergründlich .. ich weiss nicht genau wieso, aber irgenwie bekam ich Panik als er nach einer gefühlten Ewigkeit seinen Kopf hob und mir in die Augen sah. Dieser Blick .. 
„Frau Kaya .. ich hab leider schlechte Neuigkeiten.“, sagte Dr. Marx. 
Gänsehaut durchfuhr meinen Körper, mein Herz .. ich spürte es nicht mehr schlagen. 
Dr. Marx: „Aus den Ergebnissen geht hervor, dass sie keine Kinder kriegen können.“ 
Diese Worte.. diese Worte zu hören .. es war wie ein Schlag in die Magengrube, der dir alle Luft zum atmen nimmt! Mit weit aufgerissene Augen starrte ich Dr.Marx ungläubig an. Nein! Das kann nicht wahr sein! Das darf nicht wahr sein! Ich träume das sicher nur .. ich schloss meine Augen und klammerte mich verzweifelt an die Lehnen des Stuhls auf dem ich saß. Aman Allahim (Lieber Gott) mach dass, das nicht wahr ist!
„Frau Kaya?! .. Frau Kaya alles in Ordnung?“
Ganz langsam machte ich meine Augen auf, mein Mund fühlte sich staubtrocken an. 
„Ist es .. ist es sicher? Also .. kann es kein Irrtum sein?“, fragte ich mit zitternder Stimme. 
„Leider nein, die Ergebnisse zeigen klar und deutlich, dass ..“
Den Rest seiner Worte nahm ich nicht wahr. Wie in Trance heftete ich den Blick auf meine Tasche, die auf meinem Schoß lag. Alles drehte sich, mein Magen rebellierte. Schwankend stand ich auf und hielt mich am Tisch fest während Dr. Marx noch immer weiter sprach. 
„Frau Kaya bleiben sie lieber noch ein paar Minuten sitzen. Ich weiß, dass es nicht einfach ist so eine Nachricht zu erhalten ..“ 
„Nein!“, fiel ich ihm ins Wort. 
„Ich will raus .. raus von hier .. ich muss weg ..“
Meine Stimme versagte, ich spürte wie meine Lippen bebten. Komischerweise weinte ich nicht. Nicht, weil ich es nicht wollte .. es war einfach .. ich glaub es lag am Schockzustand. Ich wollte weinen, ich wollte schreien. Meiner Trauer freien Lauf lassen. Aber es ging nicht. Es kam nichts! Ich fühlte mich leer, einfach nur leer! Keine Ahnung wie ich es geschafft hatte zum Wagen zu kommen, ich liess den Motor an und fuhr los .. 


Als ich zu Hause war, lief ich direkt ins Schlafzimmer und setzte mich auf’s Bett. Ich war nicht in der Lage klar zu denken. Ich schaffte es einfach nicht zu realisieren, was gerade passiert war. Dieser Satz „.. dass sie keine Kinder kriegen können.“ .. er spukte durch meinen Kopf. Aber ich wollte es nicht wahr haben! Niemals würde ich ein Kind kriegen. Niemals würde ich mein eigenes Baby im Arm halten. Niemals würde ich es singend in den Schlaf wiegen und es küssen. Wieso? Wieso ich?! Womit hatte ich das verdient? Ich griff mit beiden Händen an meinen Hals, wo sich ein Kloß gebildet hatte. Emre .. beim Gedanken an ihn, kniff ich schmerzerfüllt die Augen zusammen. Niemals würde ich ihm die kleine Prinzessin schenken können, die er sich mehr als alles andere wünschte. Es tut so weh! Dieser Schmerz drohte mich zu durchbohren. Wie sollte ich ihm sagen, dass ich keine Kinder kriegen kann? War ich überhaupt in der Lage ihm so das Herz zu brechen? Ich bezweifelte es .. vielleicht war es einfach besser, wenn ich verschwinde? Einfach abhauen, weg von hier, weit weg. Irgendwohin wo mich keiner kennt und mich niemand findet. Kopfschüttelnd verdrängte ich diesen absurden Gedanken. Erschrocken fuhr ich hoch, als es plötzlich an der Tür klingelte. Wer konnte das sein? Ich wollte niemanden sehen! Als er erneut klingelte stand ich schließlich auf und ging langsam die Treppen runter. Als ich die Tür erreichte, nahm ich einmal tief Luft und machte dann auf. Es war Selma, die bis über beide Ohren grinste. Stürmisch nahm sie mich in den Arm. 
„Ich bin schwanger Sibel! Endlich! Ich werde Mama, stell dir vor canim. Ich krieg ein Baby! Ich bin so glücklich, dass glaubst du mir gar nicht.“, sagte sie fröhlich. 
Mein ganzer Körper fing plötzlich an wie verrückt zu zittern. 
„Sibel? Was ist los?“, fragte Selma besorgt und ließ mich los. 
„Ah Selma ich ..“
Ich konnte nicht weiter reden, stattdessen flossen endlich die Tränen. Meine Knie gaben nach, ich sackte vor Selma zusammen und weinte hemmungslos. Selma stand erst total verdutzt da, kniete dann neben mir und nahm mich in den Arm. 
„Sibel was ist denn los? Bitte .. sag es mir, ich will dir helfen.“, sagte sie. 
„Du kannst mir nicht helfen, niemand kann mir helfen!“, heulte ich verzweifelt. 
Selma: „Canim sag sowas nicht...“
„Ich werde niemals Kinder kriegen!“, unterbrach ich sie.
Mit großen Augen sah sie mich an, ihr fiel die Kinnlade herunter. Sie war .. sprachlos. Ja das war das richtige Wort. 
„Niemals werde ich ein Baby haben Selma .. ich bin unfruchtbar.“, schluchzte ich. 
Selma: „Canim ich ..“
Ihre Stimme zitterte, auch sie fing an zu weinen. Sie griff nach meiner Hand und hilf mir aufzustehen, dann zog sie mich hoch ins Schlafzimmer und legte mich auf das Bett. 
„Alles wird gut mein Schatz.“, flüsterte sie mir weinend ins Ohr und drückte mir dann einen Kuss auf den Kopf. 
„Hör auf das zu sagen. Nichts wird gut Selma! Nichts! Was hab ich schlimmes getan, dass ich einfach nicht glücklich werden darf? Ich versteh es nicht! Allah hat es nicht gut gemeint mit mir.“, jammerte ich unter Tränen.
Ich verstand es einfach nicht und würde es auch nie verstehen. All diese Hindernisse und Schicksalsschläge .. hatten sie auch irgendwann ein Ende? War das, dass Ende? Womit hatte ich diese schreckliche Bestrafung, niemals ein eigenes Kind zu kriegen, verdient?
„Yapma (Hör auf), sag sowas nicht ..“, antwortete Selma leise. 
„Es ist aber so .. es ist so .. ich .. Selma wie soll ich das Emre sagen?“, fragte ich leise. 
Dazu fiel ihr keine passende Antwort ein, denn sie umarmte mich einfach wortlos. Mehrere Minute verharrten wir so. Auf einmal hörte ich Emres Wagen vor dem Haus. 
„Bleib bitte!“, flehte ich Selma an und klammerte mich an sie. 
„Ich bin da canim. Ich bin da.“, sagte sie und drückte meine Hand. 
Kurz darauf kam Emre lächelnd ins Schlafzimmer, als unsere sich Blicke trafen verschwand sein Lächelnd jedoch. Sofort kam er auf mich zu. 
„Was ist passiert? Wieso weinst du?!“, fragte er. 
Ich weinte nur noch mehr und wandte meinen Blick ab. Ich kann das nicht .. 
„Wieso weint ihr? Sag jetzt!“, förderte er von Selma, nachdem ich ihm nicht geantwortet hatte. 
Ich sah auf den Augenwinkeln wie Selma ihre Tränen wegwischte. 
„Ich bin unten .. ihr beide müsst reden.“, sagte sie leise. 
„Reden?! Worüber? Was ist passiert verdammt?“, stieß er wütend hervor. 
Ich hörte wie die Tür ins Schloß fiel. Nun waren wir allein. Ich musste es ihm sagen. Er stand auf, ich folgte seinem Beispiel. Sanft wischte er mir die Tränen weg und nahm dann meine Hände. Lange sahen wir uns in die Augen .. es tat so weh! 
„Was ist denn los hayatim?“, fragte er mit sanfter Stimme. 
Ich wollte nicht um den heißen Brei herum reden. Dazu hatte ich sowieso keine Kraft, ich schaffte es grade noch mich auf den Beinen zu halten. 
„Ich war beim Arzt .. und .. Emre ich kann keine Kinder kriegen.“, flüsterte ich mit Tränen in den Augen. 
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich.. er ließ langsam, ganz langsam meine Hände los...

Kapitel 67

Emre taumelte einen Schritt zurück und sah mich ungläubig an. Der Schock war ihm ins Gesicht geschrieben. Mehrmals öffnete er seinen Mund um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch kurz darauf wortlos wieder. 
„Ich werde dir niemals ein Kind schenken können.“, flüsterte ich unter Tränen. 
Noch immer stand er wie angewurzelt da und brachte kein Wort über die Lippen. 
„Ich weiß, dass es dein größter Wunsch ist eigene Kinder zu kriegen und ich weiß auch, dass ich nicht diejenige sein werde, die dir diesen Wunsch erfüllen wird.“ 
Meine Stimme klang nun etwas gefasster, ich hatte aufgehört zu weinen. Bestürzt richtete er seinen Blick auf mich und sah mich mit schmerzerfüllten Augen an. Dieser Blick .. es tat einfach unbeschreiblich weh diese Worte zu sagen. Aber sie entsprachen nunmal der bitteren Wahrheit. Aufgebracht und hilflos, fuhr Emre sich durch die Haare. 
„Es tut weh .. ich kann meinen Schmerz nicht in Worte fassen. Ich liebe dich über alles Emre. Du bist derjenige, der mich aus diesen tiefen Loch gezogen hat, in dem ich vor ein paar Monaten gefallen war. Du bist derjenige, der immer für mich da war. Du bist derjenige, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte.“
Meine Stimme bebte, nur mit Mühe hielt ich die Tränen zurück
„Ich hatte auch wirklich geglaubt, dass ich die Mutter deiner Kinder werden könnte. Ich hatte es geglaubt, ich hatte es gehofft und ich hatte es erwartet.“ 
Ich hielt kurz inne um Kraft zu tanken, für die Worte die jetzt folgen sollten. 
„Ich liebe dich .. aber ich glaube es ist besser .. wenn .. Du wolltest immer eine Familie, eigene Kinder. Das ist etwas, dass ich dir nicht geben kann. So sehr ich es mir auch wünsche. Ich werde dich niemals glücklich machen können. Es ist besser, wenn wir getrennte Wege gehen.“ 
Ich konnte nicht glauben, dass ich das gerade wirklich gesagt hatte. Aber es war nunmal Realität. Emre sah mich entgeistert an, machte erneut ein paar Schritte zurück und lehnte sich mit den Rücken zur Wand. Alle Farbe war aus seinem Gesicht entwichen. Wisst ihr was das schlimmste war? Wisst ihr was meinem ohnehin schon kaputten Herz noch mehr weh tat? Es war die Tatsache, dass er schwieg. Er hatte kein einziges Wort gesagt .. trotzallem .. trotzallem erwartete ich irgendwie etwas .. 
„Es ist besser so .. irgendwann findest du jemanden, der dir .. Kinder .. eine glückliche Familie geben kann.“, sagte ich leise. 
Mehrere Minuten standen wir so da und sahen an einander vorbei. Ich traute mich einfach nicht Emre anzusehen. Ein Blick in seine Augen .. in seinen wunderschönen Augen, würde reichen um jetzt erneut in Tränen auszubrechen. Stattdessen lief ich langsam Richtung Tür, öffnete diese leise und schlich schweren Herzens nach unten. Selma wartete am Treppenende auf mich, ihre Augen waren geschwollen. Sie hatte geweint. Obwohl sie Lachen müsste. Sie war schwanger, sie würde ein Baby bekommen .. ich freute mich trotz meiner Situation für sie. Sie war meine beste Freundin, meine Seelenverwandte. Sie wird eine tolle Mutter sein, da war ich mir sicher. 
„Was ist passiert?“, fragte sie mich leise. 
Ich schüttelte nur wortlos den Kopf und zuckte mit den Schultern. Dann umarmte ich sie kurz aber innig. Als ich mich wieder von ihr löste, drückte ich ihr noch zwei Küsschen auf die Wangen. 
„Herzlichen Glückwunsch mein Schatz. Du wirst eine tolle Mama ..“, sagte ich mit zitternder Stimme. 
Sofort füllten sich ihre Augen, sie nahm mich in den Arm und hielt mich fest. 
„Es tut mir so leid .. es tut mir so leid Sibel ..“, flüsterte sie mir weinend ins Ohr und strich mir dabei sanft über den Rücken. 
Selmas Handy, das im Wohnzimmer lag klingelte auf einmal. Als sie keine Anstalten machte mich loszulassen, befreite ich mich aus ihrer Umarmung. 
„Dein Handy ..“, sagte ich leise. 
„Das kann warten ..“, gab sie zurück. 
„Can macht sich bestimmt Sorgen, geh ran canim.“, hackte ich nach. 
„Okay .. komm mit ins Wohnzimmer ..“, anwortete sie. 
„Nein, ich will .. in die Küche.“, log ich. 
Nein ich wollte nicht in die Küche, ich wollte raus hier. Einfach nur weg. 
„In Ordnung, ich komm gleich nach.“, sagte Selma. 
Ich setzte ein schwaches Lächeln auf und nickte. Dann verschwand sie im Wohnzimmer. Ich nahm meinen Mantel und meinen Schal, schlüpfte in meine Stiefel und ging dann zur Tür. Ich schloss kurz meine Augen, nahm tief Luft und legte meine Hand auf den Türknauf. Als ich die Tür öffnen wollte, regte sie sich nicht. 
„Wohin willst du?“, hörte ich Emre fragen. 
Seine Stimme war nur ein leises flüstern. Langsam machte ich meine Augen auf und drehte meinen Kopf nach Links. Eine einzelne Träne kullerte ihm die Wange herab. Bei seinem Anblick zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. 
„Nach Hause ..“, anwortete ich kaum hörbar. 
„Nach Hause?“, fragt er ungläubig. 
„Das ist dein zu Hause!“, fügte er mit Tränen in den Augen hinzu. 
„Emre mach es nicht schwerer als es ohnehin schon ist.“, gab ich weinend zurück. 
Verdammt! Ich schaffte es einfach nicht diese verdammten Tränen unter Kontrolle zu kriegen. Wie denn auch? Die Situation war einfach nur zum heulen. 
Emre: „Sibel ich ..“
„Emre verstehst du es nicht? Dein Leben wird ohne ein Kind leer sein! Dein Leben wird nie komplett sein, es wird immer etwas fehlen.“, fiel ich ihm schluchzend ins Wort.
Emre: „Sibel ich will ..“
Sibel: „Sag jetzt bitte nichts, dass du später bereuen wirst weil ..“
„Hör mir doch mal zu verdammt!“, unterbrach er mich laut.
Erschrocken zuckte ich zusammen...

Kapitel 68

Emre griff nach meinen Handgelenken und sah mich ernst an. 
„Du bist mein Leben Sibel! Du machst mein Leben komplett! Du bist mein Glück, der Grund wieso ich jeden Tag aufstehe. Ich liebe dich über alles und jeden! Verstehst du das denn nicht? Nur der Tod kann uns trennen! Wenn Allah uns keine Kinder schenken will, dann müssen wir das akzeptieren.“
Er blickte mir direkt in die Augen, seine Stimme klang ruhig und fest. 
Sibel: „Emre ich ..“
„Shht.“, flüsterte er und legte einen Finger an meinen Mund. 
Dann drückte mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Ich schloss instinktiv meine Augen und genoss diesen Moment. Seine Lippen lagen mehrere Sekunden auf meiner Stirn, bis er sich von mir löste und mir sanft die Tränen wegwischte.
„Hayatim! (Mein Leben!) Ich lass dich niemals gehen.“, sagte er liebevoll. 
Seine Augen waren gefüllt, immer und immer wieder kullerten ihm die Tränen herab. Früher dachte ich immer es sei süß, wenn ein Junge wegen einem Mädchen weint. Heute weiß ich, dass es nicht so ist. Emre weinen zu sehen .. die Person weinen zu sehen, die man über alles liebt... es tat weh! Was noch mehr schmerzte war die Tatsache, dass ich der Grund für diese Tränen war. 
„Es tut mir so leid.“, schluchzte ich auf und fiel ihm um den Hals. 
„Alles wird gut, ich bin da.“, sagte er nur und fuhrte mich ins Schlafzimmer. 
Ich legte mich auf’s Bett und schloss meine Augen. Meine Seele schmerzte, ich fühlte mich kraftlos und müde. Emre setzte sich zu mir und nahm meine Hand. 
„Ich bin da.“, hauchte er leise. 
Ohne nochmal die Augen zu öffnen, fiel ich in einen tiefen Schlaf. 


Drei Tage vergingen .. drei Tage, die für mich die reinste Hölle waren. Ich lag die ganze Zeit über auf meinem Bett oder auf der Couch und weinte. Einen Teller Suppe hatte ich zu mir genommen seit ich die Nachricht vom Arzt gekriegt hatte. Mehr kriegte ich einfach nicht runter. Mutter versuchte alles um mich zu trösten. 
„Ich mach dir was zum Essen kizim (meine Tochter).“, sagte sie und warf mir einen erwartungsvollen Blick zu. 
„Ich will nichts ..“, gab ich leise zurück und schüttelte leicht meinen Kopf. 
„Sibel bitte hör auf, du machst dich so nur kaputt.“, sagte sie und setzte sich neben mich. 
„Ich bin schon kaputt Anne (Mutter), schon seit 3 Tagen bin ich kaputt.“, antwortete ich.
Sie nahm mich in den Arm, ich vergrub mein Gesicht in ihre Brust und schluchzte leise. 
„Du machst mit deinem Verhalten aber auch die Leute kaputt, die dich lieben.“, flüsterte sie leise während sie mir sanft über den Rücken strich. 
Ich hob meine Kopf und sah sie fragend an. 
„Emre .. siehst du nicht wie fertig der Junge ist?“, sagte sie. 
Langsam löste ich mich von ihrer Umarmung und wischte mir die Tränen weg. Emre .. er war fast von Morgens bis Abend unterwegs, auf der Arbeit oder in der Uni. Immer wenn er nach Hause kam, lag ich schon schlafend im Bett. Oder zumindest tat ich so als ob ich schliefe. Kaum ein Wort hatten wir miteinander gewechselt.
„Er erträgt deinen Anblick nicht mehr Sibel. Er will nicht mitansehen wie du dich tot hungerst und zu grunde gehst. Deshalb ist der fast den ganzen Tag nicht zu Hause. Er will für dich da sein, weiß aber nicht wie er dir helfen kann. Schau dich doch an .. du weinst die ganze Zeit und willst nichts essen. Du machst dich kaputt und er muss das hilflos mitansehen!“, fügte sie hinzu. 
Ihre Stimme war leise und liebevoll wie immer. Doch irgendwie klangen ihre Worte auch wie ein Vorwurf. Ruckartig stand ich auf, Mutter folgte meinem Beispiel. Mir wurde auf einmal schwarz vor Augen, wenn sie mich nicht festgehalten hätte wäre ich sicher umgekippt. Langsam drückte sie mich wieder auf die Couch. 
„Siehst du? Irgendwann fällst du noch um und schlägst dir den Kopf ein, weil du nichts essen willst. Allah korusun (Gott bewahre uns).“, sagte sie vorwurfsvoll. 
„Ich will das alles nicht.“, flüsterte ich. 
„Dann änder es Sibel! Du bist stark ..ich versteh dich ..“
„Hayir! (Nein!). Sag das nicht Anne, keiner versteht mich. Ihr könnt das nicht verstehen. Diese Schmerzen .. sie sind mit nichts zu vergleichen! Die Tatsache, dass ich nie ein eigenes Kind kriegen werde .. nein ihr könnt das nicht verstehen.“, fiel ich ihr mit zitternder Stimme ins Wort. 
Erneut flossen meine Tränen, ein Wunder dass ich überhaupt noch welche hatte. 
„Alles wird gut Sibel.“, sagte sie mit sanfter Stimme und nahm mich erneut in den Arm. 
Dieser Standard Spruch .. wie oft hatte ich ihn in den letzten Tagen schon hören müssen? Ich wollte protestieren, doch ich hatte ich nicht die nötige Kraft dazu. Würde alles gut werden? Ich bezweifelte es stark. Plötzlich fielen mir die Worte meiner verstorbenen Mutter ein .. „Was auch immer passiert, du darfst die Hoffnung und vorallem den Glauben niemals verlieren.“ 


Am nächsten Morgen stand ich früh auf und tapste leise ins Bad. Eine Dusche würde mir jetzt gut tun, ich fühlte mich nämlich richtig schlecht. Obwohl ich so gut wie nichts im Magen hatte, war mir kotzübel und immer wieder wurde mir schwarz vor Augen. Wenn ich es nicht besser wissen würde, könnte man meinen ich sei schwanger. Als ich unter die Dusche stieg, füllten sich meine Augen schon wieder. Die Tränen vermischten sich mit dem Wasser. Keine Ahnung wie lange ich so da stand, irgendwann klopfte es jedoch an der Tür. 
„Sibel ist alles in Ordnung?“, hörte ich Emre rufen. 
„Ja.“, antwortete ich, drehte das Wasser zu und stieg aus der Dusche. 
Sibel: „Bin gleich fertig.“
Ich zog mir den Bademantel an und warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Meine Augen waren rot. Na ja, ändern könnt ich es nicht also machte ich die Tür auf. Emre stand in Boxershorts vor mir und sah mich an. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Wortlos standen wir da und sahen uns eine gefühlte Ewigkeit in die Augen. Dann hob er langsam seine Hand und strich mir über die Wange. Dann küsste er zärtlich meine Stirn. Gänsehaut durchfuhr mich. 
„Ich liebe dich.“, flüsterte er mit leiser Stimme. 
Ich schloss meine Augen und schmiegte mein Gesicht in seine warme Handfläche. 
„Ich dich auch.“, sagte ich und umarmte ihn. 
Plötzlich hörte ich mein Handy klingeln. Wer ruft so früh am Morgen an? Emre musste sich gerade das gleiche gedacht haben, denn er sah mich fragend an. Ich zuckte nur wortlos mit den Schultern und ging ins Zimmer. Emre folgte mir. 
„Hallo?“, sprach ich ins Handy. 
Es war Dr. Marx .. 
„Kim o? (Wer ist es?)“, fragte Emre mich. 
Ich schaltete den Lautsprecher ein. 
„Spreche ich mit Frau Kaya?“, fragte der Arzt mich. 
„Ja.“, antwortete ich. 
Dr. Marx: „Sibel Kaya .. stimmt’s?“
„Ja.“, antwortete ich wenig überracht. 
Dr. Marx: „Frau Kaya, tut mir leid sie so früh stören zu müssen. Ich bin gerade in die Praxis gekommen und meine Assistentin hat mich auf etwas aufmerksam gemacht.“
Er hielt kurz inne. Ich weiss nicht wieso aber auf einmal fingen meine Knie an zu zittern. 
„Wir haben hier eine Patientin, die Sinem Kaya heisst. Sie ist 32 Jahre alt und hat 2 Kinder. Sie war vor ein paar Tagen ebenfalls zur Behandlung hier. Wie sich rausstellte leidet Frau Sinem Kaya an einer Chlamydieninfektion .. kurz gesagt sie ist unfruchtbar.“
„Okay .. aber ich versteh nicht .. was hat das mit mir zu tun?“, fragte ich. 
Dr. Marx: „Folgendes .. die ersten Ergebnisse wurden vertauscht. Es lag daran, dass ihre Namen fast gleich sind. Es war ein riesengroßer Fehler, der eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Wir bedauern ihn sehr, ich hab sofort angerufen als ich davon erfahren habe.“
Ich nahm einmal tief Luft und sah kurz zu Emre, der mit leicht aufgeklappten Mund am Türrahmen stand. 
Dr. Marx: „Also .. herzlichen Glückwunsch Frau Kaya. Sie sind schwanger.“ 
„Allahim! (Mein Gott!)“, stieß Emre laut hervor. 
Alles drehte sich .. ich spürte nur noch Emres Hände die mich aufrecht hielten .. 

Kapitel 69

Als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich im Bett. Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen .. alle waren da. Hatte ich geträumt?  „Hayatim?“, sagte Emre, der als erster merkte dass ich wach war.  Alle Augen im Zimmer richteten sich plötzlich lächelnd auf mich.  „Geht’s dir gut?“, fragte Emre und strich mir dabei sanft über die Wange.  Sibel: „Ja ich denke schon .. ich ..“ „Abla (Schwester), ich werde die aller beste Tante sein! “, unterbrach mich Pinar, die lachend auf mich zukam und mir eine Kuss auf die Wange drückte.  „Warte mal ich .. hab ich das auch wirklich nicht geträumt? Emre?“ Meine Stimme zitterte, ich sah Emre fragend an.  „Nein mein Schatz .. Dr. Marx hat angerufen, weil die Ergebnisse vertauscht wurden.“, antwortete er lächelnd.  „Ich .. ich bin schwanger? Wir bekommen ein Baby!?“, fragte ich aufgeregt.  „Ja hayatim!“, antwortete er und umarmte mich.  „Oh mein Gott!“, schrie ich und brach in Tränen aus.  Nachdem Emre aufgestanden war, setzte sich Selma ans Bett und nahm meine Hand.  Selma: „Ich hab doch gesagt dass alles gut wird canim. Jetzt wein nicht bitte!“ „Lass mich, oh mein Gott. Das sind Freudentränen!“, schluchzte ich mit einem Lächeln im Gesicht.  Ich legte meine Hand auf meinen Bauch. Es war so ein unbeschreiblich gutes Gefühl!  „Ich werde Mama!“ „Und ich werde Opa!“, sagte Baba auf einmal.  Er kam auf mich zu und küsste mich auf die Stirn. Kurz darauf kam Mutter mit einem Tablett ins Zimmer. Sie legte ihn mir auf den Schoß.  „Iss!“, befahl sie lächelnd.  Hungrig und überglücklich machte ich mich über das Essen her.  Ein paar Stunden später saßen Emre, Mutter und ich im Wohnzimmer und tranken Tee. Ich war mit Emre zum Arzt gegangen und ließ mich nochmal untersuchen. Wie sich herausstellte war ich in der 3 Schwangerschaftswoche. Es war noch zu früh um wirklich was erkennen zu können beim Ultraschall. Trotzdem war es ein tolles Gefühl! Ich freute mich riesig auf meinen nächsten Termin.  „Ich kann’s immer noch nicht glauben.“, sagte Emre auf einmal und riss mich so aus meinen Gedanken.  „Ich auch nicht ..“, antwortete ich leise.  „Jetzt hört mal auf!“, tadelte uns Mutter. „Wenn ihr so weiter macht, dann glaub ich’s auch nicht bis das Baby da ist. Off ya .. ich werd Oma und das gleich doppelt.“, fügte sie lachend hinzu.  „Eine junge Oma vorallem.“, sagte Emre und betonte dabei das ‚junge’ extra lang.  „Manyak! (Idiot!).“, zischte Mutter lachend.  „Hör auf damit Emre! Anne ist jung, hübsch und wird eine tolle Oma sein.“, sagte ich ebenfalls lachend.  Wir waren alle so überglücklich, ich konnte mein Glück kaum fassen. Die letzten Tage waren sehr hart gewesen, ich war einfach nur froh dass diese Tortur ein Ende hatte.  Emres Handy klingelte.  „Wer ist es?“, fragte ich als er einen Blick auf das Display warf.  „Unbekannt.“, antwortete er und nahm gleich darauf ab.  „Hallo?“, sprach er ins Handy.  Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, urplötzlich stand er auf.  „Was willst du von mir du ehrenlose?“, schrie er.  Mutter und ich standen ebenfalls auf, wir ahnten wer es war.  „Mach Lautsprecher an oglum (mein Sohn).“, bat Mutter Emre.  Er folgte ihrer Bitte und gleich darauf ertönte Meryems arrogante Stimme aus dem Handy.  „Du kleiner Hund! Du hast mein Leben ruiniert.“, schrie sie laut.  „Oh das tut mir aber leid. Hast du kein Geld mehr oder was?“, gab Emre höhnisch zurück. „Du wirst sehen was du davon hast. Ich sag es nur einmal... du wirst leiden! Du wirst dir wünschen die Zeit rückgängig machen zu können, das schwör ich dir!“, zischte Meryem.  Emre: „Soll das eine Drohung sein?“ „Drohung? Nein keine Drohung .. das ist eine Warnung mein Lieber. Pass gut auf die Leute auf, die du liebst.“, antwortete sie.  Emre: „Bist du verrückt geworden oder so?“  Meryem: „Wir hören uns.“ „Einen Scheiss hören wir uns!“, schrie Emre wütend.  „Und wie wir uns hören .. beim nächsten mal werde ich dir meinen Beileid aussprechen.“ Bam. Aufgelegt. Emre starrte mit weit aufgerissenen Augen auf sein Handy. Dann hob er langsam seinen Kopf und sah uns an. Ich zitterte am ganzen Körper, auch Mutter war regelrecht geschockt. Was meinte sie mit dem letzten Satz?  Einen Moment lang herrschte Stille im Zimmer.  „Die Tussi ist krank ..“, sagte Emre leise.  „Was hat die vor?“, fragte ich mit leiser Stimme.  „Nichts! Die redet nur, sie lässt ihren Frust raus, weil sie wütend ist.“, versuchte Mutter mich zu beruhigen.  Ein paar Stunden später lag ich müde im Bett. Ich machte mir ernsthafte Gedanken darüber, was Meryem meinte .. irgendwie hatte ich Angst.  „Hey, ich rede mit dir!“ Emres Stimme holte mich wieder in die Realität zurück. Er kam gerade aus der Dusche. Nur ein Handtuch hatte er sich um die Hüften gewickelt, seine Haare waren noch nass.  „Was hast du gesagt?“, fragte ich ein wenig verwirrt.  Langsam kam er auf das Bett zu und beugte sich über mich.  „Wo bist du mit deinen Gedanken hayatim?“, flüsterte er leise und zog dann mit seinen Zähnen sanft an meinen Ohrläppchen.  Ich zog scharf die Luft ein, seine Nähe und sein Geruch raubte mir meinen Verstand.  „Ich .. ich .. war grade in Gedanken .. wegen Meryem.“, stotterte ich keuchend.  Er hob seinen Kopf und sah mich mit seinen wunderschönen Augen an. Dann küsste er meine Nasenspitze, dabei fielen Wassertropfen auf mein Gesicht. Gänsehaut ..  „Mach dir kein Kopf Schatz, sie will uns nur ärgern.“, sagte er leise und glitt dann ein Stück weiter nach unten.  Langsam schob er meinen Top ein wenig nach oben und hauchte kleine Küsse auf meinen Bauch. Mein Puls beschleunigte sich automatisch.  Emre: „Wir werden eine glückliche kleine Familie. Du, Ich und unsere Prinzessin.“ Weg waren meine Gedanken an Meyrem, was jetzt zählte waren Emre und unser Baby.. unser eigenes Baby! Ich war glücklich.. die Frage war nur, für wie lange? ..

Kapitel 70

„Das sieht sehr gut aus.“, sagte der Arzt lächelnd. 
Es wurde gerade eine Ultraschalluntersuchung an mir durchgeführt. Emre hielt meine Hand und strich immer wieder mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Wir hatten Ende März, ich war in der 7. Schwangerschaftswoche. Die letzten Wochen vergingen ziemlich schnell und ich war mega glücklich. Nur muss ich sagen, dass diese lästige Übelkeit an meine Nerven zerrte. 
„Da kommen sie leider nicht drum rum Frau Kaya, aber sehen sie es positiv. Die Übelkeit zeigt nur, dass es dem Baby gut geht.“, beantwortete der Arzt meine Frage, ob man nicht etwas dagegen tun kann. 
„Aber keine Sorge, in 4, spätenstens 5 Wochen sollte die Übelkeit weg sein.“, fügte er lächelnd zu. 
Ich verdrehte die Augen, was Emre mit einen leichten Händedrück quittierte. Als ich ihn ansah, strahlte er über das ganze Gesicht. Es war so süß. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab und trägt mich auf Händen. Es war ja auch schon vor der Schwangerschaft so, ich hätte aber nicht gedacht dass man sowas toppen kann. 
Arzt: „So und jetzt gut zuhören.“
Und dann kam es! Dieses wundervolle gleichmässige Geräusch, der Herzschlag meines Babys. Der Herzschlag unseres Babys! Emre stand wie in Trance da und hörte zu. Ich drückte seine Hand, unsere Blicke trafen sich. 
Emre: „Das ist so schön hayatim.“
Mit funkelnden Augen drückte er mir einen Kuss auf die Stirn. 
„Wann wissen wir ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?“, fragte Emre den Arzt. 
„Schwer zu sagen, das ist immer unterschiedlich. Bei manchen sieht man es schon in der 15. Woche, bei anderen wiederrum dauert es länger.“, antwortete er. 
„Solange alles gut ist und es keine Probleme gibt, ist es mir eh egal.“, sagte ich lächelnd. 
Arzt: „Bis jetzt sieht alles sehr gut aus, keine Sorge.“


Als wir fertig waren und die Praxis verließen, schlug Emre vor noch ins Kino zu gehen.
„Hmm ich weiss nicht ..“, sagte ich ein wenig lustlos. 
„Komm schon Schatz, wir hocken fast den ganzen Tag nur zu Hause ein bisschen Abwechslung schadet nicht.“, bettelte Emre mit seinen Kulleraugen. 
Sibel: „Uff .. tamam (okay), aber hör auf so zu gucken, das macht mich ..“
„Ganz wuschig?“, unterbrach er mich grinsend. 
„Emre!“, gab ich mit gespielt geschockter Miene zurück.
„Bin schon leise.“, erwiderte er noch immer mit diesem frechen Grinsen im Gesicht. 
Hand in Hand gingen wir zum Wagen und fuhren los. Nachdem wir ankamen, entschieden wir uns für eine Komödie. 
Emre: „Geh du und hol Popcorn, ich muss kurz auf die Toilette.“
„Okay aber beeil dich, der Film fängt gleich an.“, sagte ich und lief zum Popcornstand. 
Plötzlich kam mir ein Typ entgegen, der mich komisch ansah. 
„Na schöne Dame. Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick oder soll ich nochmal vorbeilaufen?“, fragte er ziemlich selbstsicher. 
Der Typ war so ne Witzfigur, dass ich ein Lachen unterdrücken musste. 
„Wo warst du mein ganzes Leben lang?“, fragte er und kam näher. 
Ich machte einen Schritt zurück, und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. 
„Wo ich den Rest deines Lebens sein werde, in deinen kühnsten Träumen.“, antwortete ich.
„Ohh Korb! Wie kann so ne hübsche wie du, nur so böse sein?“, fragte er enttäuscht. 
„Ich bin nicht böse. Ich bin verheiratet.“, erwiderte ich und zeigte dabei meinen Ring. 
„Oh sorry sorry.“, sagte er und verschwand anschließend. 
Typisch Männer! Diese Anmachsprüche werden aber auch immer schlechter. Kopfschüttelnd und mit einem Lächeln im Gesicht drehte ich mich um und sah wie Emre mit großen Schritten auf mich zu kam. Oh man auch das noch! 
„Wer war das?“, fragte er als er mich erreicht hatte. 
„Keine Ahnung.“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Emre: „Was wollte er von dir.“
Seine Stimme klang wütend, mit funkelnden Augen sah er zu den Typen, der am anderen Ende des Gangs stand. 
„Schatz hör auf damit.“, flehte ich. 
Nicht schon wieder diese Eifersuchtsszenen! Darauf hatte ich nun wirklich keine Lust. 
„Kaum ist man 5 Minuten weg, wird meine Frau angebaggert!“, zischte er. 
Sibel: „Hab ihn in die Flucht geschlagen. Mit so Typen komm ich klar!“ 
Ich drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen, was dazu führte dass er grinste. 
„Tut mir leid hayatim.“, entschuldigte er sich. 
„Der Film fängt an.“, sagte ich und zog ich ihn Richtung Kinosaal. 



„Göttlich!“, schwärmte Selma. 
Etwa 3 Wochen später saßen wir zu viert bei Starbucks und gönnten uns einen Java Chip Frappuccino. Selma und ich waren süchtig danach! 
„Das ist so lecker.“, antwortete ich ebenfalls schwärmend. 
Can: „Macht weiter so, durch euch macht der Laden doppelten Umsatz.“
Er und Emre tauschen Kopfschüttelnde Blicke. 
Selma: „Lass uns! Wir dürfen das.“
Can: „Ja solange ihr das selber bezahlt, ist ja kein Problem.“
„Übertreib, ein Genltemen lässt die Frau nicht bezahlen.“, sagte Emre grinsend. 
Ich warf ihm einen Luftkuss zu und zwinkerte ebenfalls grinsend. 
Can: „Deine Schwester macht mich arm! Die kauft jetzt schon n Haufen Babyzeug.“
„Frauen halt.“, gab Emre schulterzuckend zurück. 
„Oh mein Gott, stell dir vor wir kriegen unsere Babys am selben Tag!“, sagte Selma auf einmal. 
Wir waren in der selben Schwangerschaftswoche, also war das durchaus möglich. 
„Das wäre so mega!“, antwortete ich begeistert. 
Ich trank gerade den letzten Schluck meines Kaffees, als mein Handy klingelte. 
Unbekannt .. ich nahm ab.
„Hallo?“ 
Keine Antwort. Drei Augenpaare waren auf mich gerichtet. 
„Hallo wer ist da?“, fragte ich erneut. 
Dann endlich ertönte eine Stimme aus dem anderen Ende der Leitung. Eine Stimme, bei der es mir kalt den Rücken runter lief .. 

Kapitel 71

„Herzlichen Glückwunsch.“, sagte Meryem flüsternd.  Ihre Stimme klang so leise und kalt, als ob sie Gift auspuckt.  „Was willst du?“, fragte ich mit bebender Stimme.  Meryem: „Welche Woche?“ Schlagartig versteifte sich mein Körper. Woher zum Teufel wusste sie von meiner Schwangerschaft? Emre sah mich fragend an.  „Was willst du von mir?“, fragte ich wieder, ohne auf ihre Frage zu antworten.  Meryem: „Hab gehört Emre freut sich riesig, dass er Papa wird. Wie süß ..“ „Hör auf mich zu belästigen sonst geh ich zur Polizei!“, unterbrach ich sie laut.  „Sibel, wer ist dran? Gib mir das Handy!“, forderte Emre.  „Die Frage ist nur wie lange er sich freuen wird. Pass gut auf dich auf kleines.“, lachte Meryem höhnisch ins Handy.  Bevor ich etwas sagen konnte, wozu ich eh nicht in der Lage war, nahm Emre mir das Handy ab. Ich zitterte wie verrückt, mein Atem ging schnell, mein Herz raste. Vor Angst!  „Du elende Hure, ich zeig dich an!“, schrie Emre wütend ins Handy.  Mittlerweile waren fast alle Augen im Kaffee auf uns gerichtet. Was für ein unangenehmes Gefühl. Selma, die merkte wie ich zitterte, legte einen Arm um mich.  „Canim hör auf, es ist alles in Ordnung.“, versuchte sie mich zu beruhigen.  „Nichts ist in Ordnung .. nichts!“, flüsterte ich.  „Hayatim was hat sie gesagt?“, fragte Emre nachdem er aufgelegt hatte.  „Ich .. ich .. soll gut auf mich aufpassen ..“, antwortete ich stotternd.  Emre nahm meine Hand und küsste sie.  „Mach dir keine Sorgen Schatz, ich bin da.“ Ja er war da .. aber reichte das?  „Woher weiss sie, dass ich schwanger bin?“, fragte ich mit zitternder Stimme.  Emre: „Was? Wie ..“ „Sie meinte ‚Herzlichen Glückwunsch’ und ‚Welche Woche’ .. sie verfolgt uns Emre!“ Meine Stimme bebte vor Angst, instinktiv legte ich eine Hand auf meinen Bauch.  „Ist die krank oder so? Geht zur Polizei!“, meldete sich Can zu Wort.  „Vallah (Bei Gott), wenn das nochmal vorkommt, such ich die persönlich auf!“, zischte Emre wütend und schlug mit der Faust auf den Tisch „Askim (Schatz), hör auf.“, flehte ich. Selma: „Abi yapma! (Bruder hör auf!).“ „Chill Bruder, reg dich jetzt nicht auf.“, versuchte Can, Emre zu beruhigen.  „Lass uns erstmal nach Hause gehen.“, sagte Selma und nahm meine Hand.  „Ja .. ja ich will nach Hause ..“, erwiderte ich leise. Die ersten Tage nach diesem Anruf war ich in Panik. Ich traute mich kaum aus dem Haus, sogar zur Uni ging ich nur mit Emre. Als es jedoch nach 5 Wochen, noch immer nichts neues von Meryem gab, enspannte ich mich einigermassen. Die Kranke wollte mir höchstwahrscheinlich nur Angst machen, was ihr ja auch gelungen ist.  „Iyi misin kizim? (Alles okay meine Tochter?)“, fragte Mutter mich.  Wir saßen im Wohnzimmer und tranken Tee.  „Evet. (Ja.)“, antwortete ich leise und stand auf um unsere Gläser nachzufüllen.  „Bald sieht man den Bauch.“, sagte Mutter lächelnd als ich wieder kam.  Ich sah an mir herab. Sie hatte Recht. So langsam aber sicher, machte sich ein kleiner Babybauch bemerkbar. Emre liebte es! Jeden Abend küsste er ihn minutenlang. „Ich werde fett.“, antwortete ich. Mutter: „Quatsch! Du hast in den letzten Monaten stark abgenommen, das weisst du selber. Ein paar Kilo mehr auf den Hüften werden dir nicht schaden.“ Ja.. es war die Wahrheit. Ich hatte wirklich viel abgenommen. Vor genau einem Jahr wog ich gute 8 Kilo mehr. Aber irgendwie auch kein Wunder, was ich seitdem alles durchgemacht hatte ..  Emre: „Ich bin so aufgeregt, hoffentlich sieht man schon was es wird.“  Wir liefen gerade Hand in Hand in die Praxis. Lächelnd hauchte ich ihnen einen kurzen Kuss auf die Wange. Ich war jetzt in der 19. Woche, mein Bauch war schon deutlich sichtbar. Schwanger sein war einfach toll. Das Gefühl, dass in dir ein neues Leben wächst .. unbeschreiblich!  Nachdem wir ein paar Minuten im Wartezimmer saßen, rief uns der Arzt ins Zimmer. Ich legte mich hin und zog mein Oberteil hoch. Emre stand nervös im Zimmer und starrte jetzt schon wie gebannt auf den Bildschirm. Immer wieder tippte er mit dem Fuß auf den Boden .. typisch für ihn. Ich kniff kurz meine Augen zusammen, als der Arzt das kalte Gel auf meinen Bauch verteilte. Irgendwie ein ziemlich unangenehmes Gefühl.  „Das sieht prima aus. Herz, Lunge, Magen alles top.“, sagte der Arzt.  „Hier seht ihr wie das Baby sich bewegt.“, fügte er hinzu und zeigte mit einem Stift auf den Monitor.  Emre nahm meine Hand und küsste sie. Lächelnd sahen wir uns an.  Arzt: „Wachstum passt auch. Hervorragend!“  „Sieht man schon ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?“, fragte ich.  Emre sah den Arzt Erwartungsvoll an. Seine Augen strahlten.  „Ihr wollt das Geschlecht also wissen?“, fragte der Arzt lächelnd.  „Ja bitte.“, antwortete Emre hastig.  Man merkte wie aufgeregt er war. Mir war es eigentlich total egal, was es wird. Aber mit seiner Euphorie steckte er auch mich an. Einen Moment lang schaute der Arzt noch auf den Monitor. Dann reichte er mir endlich ein paar Papiertücher um das Gel auf meinem Bauch wegzuwischen. Ich richtete mich auf und zog mich richtig an.  „Also .. Herr Kaya ..Frau Kaya .. herzlichen Glückwunsch sie kriegen einen Jungen.“ Mein Herz schlug Purzelbäume. Ich warf einen schnellen Blick auf Emre, der bis über beide Ohren grinste. Irgendwie dachte ich er wäre enttäuscht, weil er sich immer ein Mädchen gewünscht hatte. Aber es sah definitiv nicht danach aus. Stürmisch umarmte er mich und küsste mich.  Emre: „Ich liebe dich!“ Sibel: „Ich liebe dich auch!“  Auf dem Weg nach Hause hatte ich auf einmal total Lust auf Pizza.  „Du willst Pizza?“, fragte Emre ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen.  „Evet .. (Ja).“, antwortete ich grinsend.  „Dann kriegst du Pizza!“, gab er lächelnd zurück.  Er bog in die Innenstadt und summte zur Musik, die aus dem Radio kam.  „Bist du nicht enttäuscht?“, fragte ich leise.  Er warf mir aus den Augenwinkeln einen fragenden Blick zu.  „Also .. weil es ein Junge ist. Du wolltest immer ein Mädchen und ..“ „Hayatim (Mein Leben), wie kannst du sowas sagen? Ich bin der glücklichste Mann auf Erden.“, unterbrach er mich mit einem Lächeln im Gesicht.  „Dann kriegen wir halt zu erst einen Prinzen. Er wird auf unsere Prinzessin aufpassen wenn er groß ist. Ist doch auch schön.“, fügte er hinzu, nahm meine Hand und küsste sie. „Bleib du hier, ich bin gleich wieder da.“, sagte Emre als wir vor der Pizzaria hielten.  Sibel: „Tamam (okay), nehm für Anne (Mutter) auch.“ Er küsste mich schnell und stieg dann aus. Ziemlich müde lehnte ich mich zurück und wollte kurz die Augen schliessen, als ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Babyshop sah. Sofort war ich hellwach, meine Augen strahlten. Es war kurz vor 19 Uhr und dementsprechend auch schon dunkel. Ich schwankte einen kurzen Augenblick lang .. soll ich rüber gehn oder nicht? Die Babysachen sahen einfach zu süß aus, also entschied ich mich dafür. Ein fataler Fehler wie sich gleich herausstellen würde ..

Kapitel 72

Langsam stieg ich aus und überquerte die Straße. Der Laden war so wunderschön, die Sachen waren alle mega süß. Ich hatte bislang noch nichts gekauft, da wir erst wissen wollten welches Geschlecht unser Baby haben wird. Aber jetzt stand dem nichts mehr im Wege, ich lief durch das Geschäft und sofort viel mein Blick auf ein paar süße blaue Socken. Sie waren so winzig klein und süß, es war Liebe auf den ersten Blick. Mit strahlendem Gesicht nahm ich die Socken und ging zum bezahlen an die Kasse.  „Wird wohl ein Junge?“, fragte die junge Verkäuferin höflich.  „Ja haben wir erst eben erfahren.“, antwortete ich lächelnd und legte meine Hand kurz auf meinen Bauch.  Verkäuferin: „Süß herzlichen Glückwunsch.“  Sie erwiderte mein Lächeln und packte die Socken in eine Tüte.  „Dankschön.“, sagte ich und nahm die Tüte entgegen.  Verkäuferin: „Ihr erstes Kind?“ „Ja, bin total aufgeregt. Schwanger sein ist toll.“, antwortete ich.  Verkäuferin: „Oh ja das stimmt. Hab auch schon drei Kinder.“ „Drei schon? Sie sehen noch so jung aus.“, gab ich ein wenig überrascht zurück.  „Oh danke. Bin aber tatsächlich schon 38.“, sagte sie lachend.  Was zum? Die Frau war gertenschlank, hatte platin blondes Haar und sah sehr hübsch aus. Aber 38?! Ich würde ihr höchstens 25 geben!  „Wow!“, sagte ich nur.  Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten über Babys und Schwanger sein.  „Auf wiedersehen.“, sagte ich schließlich.  „Vielen Dank für den Einkauf und ihnen noch eine angenehme Schwangerschaft.“, gab sie herzlich zurück. Als ich den Laden verließ klingelte mein Handy. Ich kramte kurz in meiner Tasche danach und nahm dann ab. Es war Selma.  „Canim benim (Mein Schatz) was gibt’s neues?“, fragte sie aufgeregt.  Sibel: „Es wird ein Junge Selma!“  „Oh mein Gott! Wie schön hoffentlich krieg ich auch einen Jungen, dann werden die beiden beste Freunde.“, lachte sie fröhlich ins Handy.  Sibel: „Das wäre echt geil. Wann ist dein Termin?“ Selma: „Nächste Woche erst, hoffentlich sieht man es auch bei mir.“ Sibel: „Hoffentlich. Schatz ich steh grad noch vor’m Geschäft und sehe grade das Emre auf mich wartet. Ich ruf dich nachher an okay?“  Selma: „Tamam (Okay), aber vergiss es nicht!“  „Werd ich nicht, versprochen.“, lachte ich und legte dann auf.  Ich hatte ihr gerade ein Verprechen gegeben. Ein Versprechen, das ich leider .. nicht halten werden konnte... Ich sah Emre am anderen Ende der Straße. Er winkte mir kopfschüttelnd zu, als ich ihm lächelnd die Tüte zeigte. Es war zwar dunkel, aber die Geschäfte waren alle noch offen und sorgten dafür, dass alles erhellt wurde. Ich steckte mein Handy in die Tasche und ging dann los .. ich hatte meinen Fuß gerade über den Bordstein gesetzt und lief zu Emre rüber, als mich plötzlich ein Motorenbrummen, das immer lauter und lauter wurde, aufschrecken ließ. Ich hob meinen Kopf und schaute nach links. Ein schwarzer Mercedes kam mit schneller Geschwindigkeit direkt auf mich zu! Starr vor Schreck, blieb ich wie angewurzelt stehen. Plötzlich sah ich alles wie in Zeitlupe .. der Mercedes, nur noch weniger Meter von mir entfernt. Ich warf einen Blick auf Emre, der schockiert erst mich und dann den Wagen anstarrte. Er kam auf mich zu, seine Lippen formten etwas .. meinen Namen. Glaube ich zumindest, ich war nämlich nicht in der Lage klar zu denken. Vorallem spielten sich diese paar Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, irgendwie tonlos ab. Ich hörte nichts. Ich sah nur diesen schwarzen Wagen. Alles andere hatte ich ausgeblendet. Es gab nur den Wagen, mich und .. und mein Baby. Instinktiv legte ich meine Hände um meinen Bauch. Eine Heidenangst fuhr durch meinen Körper. Eine Angst, die ich noch nie zuvor in meinem Leben gespürt hatte. Ich schloss meine Augen, senkte meinen Kopf und fing an Suren aus dem Quran zu rezitieren. Doch es war zu spät. Zu spät für mich? Zu spät für mein Baby? Oder sogar zu spät für uns beide? Kaltes Metal prallte gegen meinen Körper und stieß mich zu Boden. Mein Kopf schlug auf den harten Asphalt auf. Schmerz explodierte wie ein Feuerwerk durch meinen ganzen Körper, vorallem im Unterleib zog sich alles schmerzhaft zusammen. Da lag ich. Auf dem kalten Boden. Ich fühlte eine warme Nässe, die sich in meine Haare sog. Blut ..  „Sibel! Ruft einen Krankenwagen schnell.“, hörte ich Emre schreien.  Irgendwie schaffte ich es meine Augen zu öffnen. Ich merkte wie mehrere Leute um mich herumstanden und spürte wie jemand meine Hand hielt.  „Hayatim (Mein Leben) alles wird gut.“, flüsterte Emre dicht an meinem Ohr.  Ich zitterte am ganzen Körper. Vor Kälte. Vor Schmerz. Vor Angst. Meine Augen fielen zu. Emre musste es gemerkt haben, denn sofort rüttelte er leicht an meinem Arm.  „Mach die Augen auf! Sibel bitte!“, schluchzte er.  Ich hielt den Atem an, als ich plötzlich etwas warmes zwischen meine Oberschenkel spürte. Es war mitte Juni und schön sonnig, deshalb hatte ich mich heute für einen knielangen Rock entschieden. Ich weiss absolut nicht woher ich die Kraft nahm um meine Hand zu bewegen. Aufjedenfall fasste ich mir kurz zwischen die Schenkel. Mit offenen Mund und weit aufgerissenen Augen starrte Emre mich an. Mein Atem ging nur stoßweise, mein Herz hatte für einen Moment aufgehört zu schlagen. Ich wusste was ich jetzt sehen würde, dennoch wollte ich es nicht wahr haben. Als ich meine Hand wieder hob und auf meine blutigen Finger starrte, zog sich jede einzelne Muskel meines Körpers zusammen. Tränen über Tränen kullerte mir über die Schläfen.  „Emre .. mein .. Emre mein Baby ..“, stotterte ich weinend.  „Alles wird gut Schatz.“, versuchte er mich zu beruhigen.  Ein Blick in seine Tränengefüllten Augen verriet mir, dass er selber nicht dran glaubte.  „Emre ich ..“ Meine Stimme versagte als ich die Krankenwagen Sirenen hörte, die immer näher kamen. Ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen entfuhr mir, als ich das Bewusstsein verlor.

Kapitel 73

Es ist dunkel und leise. Ich schlafe .. oder irgendwie auch nicht. Ich weiss es nicht genau. Aufjedenfall liege ich schon ziemlich lange hier. Allein. Oder doch nicht? Nein ich war nicht allein. Es waren Menschen bei mir. In den Raum, in dem ich lag. Menschen die kommen und gehen und das schon seit Tagen. Oder Wochen? Oder sogar Monaten? Ich weiss es nicht. Ich will die Augen öffnen, habe jedoch Angst davor was mich erwartet. Jemand hält meine Hand. Emre. Es ist Emre ich spüre es. Langsam öffne ich meine Augen, nur ganz wenig. Ich hab gar nicht gewusst, dass es so Kraft kosten kann die Augen zu öffnen. Ich senkte meinen Kopf ein wenig und sah wie Emre neben meinem Bett auf einen Stuhl saß. Er hielt meine Hand, seine Stirn hatte er gegen meine Handfläche gelegt. Ich warf einen Blick durch den Raum, in dem ich lag. Ich war im Krankenhaus, das sah und hörte ich auch an den pipenden Geräuschen, die ich mittlerweile wahr nahm. Irgendwie war ich ein wenig verwirrt. Nein nicht nur ein wenig. Ich war völlig von der Rolle. Wieso lag ich hier? Dann sah ich an mir herab. Mein Bauch .. er war flach. Richtig flach! Mein Baby .. mein Baby! In mir schrillten plötzlich alle Alarmglocken. Ich entzog Emre meine Hand, der daraufhin überrascht aufsprang. 
„Hayatim du bist wach!?“, fragte er erstaunt und auch irgendwie erleichtert. 
„Geht’s meinem Baby gut?“, wollte ich wissen. 
Mein Atem ging flach, es viel mir schwer zu sprechen. Wortlos nahm Emre meine Hand. 
„Geht’s .. meinem Baby gut?“, fragte ich erneut. 
Meine Augen füllten sich, weil ich die Antwort auf diese Frage irgendwie schon wusste. 
„Alles wird gut.“, flüsterte Emre leise. 
„Ich hab dich was gefragt verdammt!“, schrie ich auf einmal. 
Keine Ahnung woher ich die Kraft dazu nahm, denn im nächsten Augenblick fühlte ich mich wieder schwach und unbeholfen. Ich schloss meine Augen .. 


Als ich wieder aufwachte, war ich allein. Ich war so müde, diese Müdigkeit war unnormal. Wie lange schlief ich wohl schon? Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Verwirrt richtete ich mich ein wenig auf und dann schlagartig wurde es mir bewusst! Der Unfall ..
„Mein Baby!“, schrie ich aus vollem Halse und legte die Hände um meinen Bauch. 
Im nächsten Augenblick kamen mehrere Leute in das Zimmer. 
„Wo ist mein Baby? Wo ist mein Baby!“, kreischte ich. 
Baba (Papa) griff nach meinen Handgelenken, ich sah im Hintergrund wie Pinar, Selma und Mutter weinten. Emre? Wo war er? 
„Kizim (Meine Tochter) beruhige dich.“, sagte Baba zu mir. 
Ich riss mich los und fuchtelte wie wild mit meinen Armen rum. 
„Wo ist mein Baby verdammt! Ich will mein Baby ..“, heulte ich verzweifelt. 
Ich warf einen Blick auf Selma .. und ihren Bauch. Sie hatte sich gestetzt und heulte wie ein Wasserfall. Mutter strich ihr sanft über den Rücken. Pinar stand da und sah mich mit gefüllten Augen an. 
„Wo ist mein Baby .. wo?“, brüllte ich erneut. 
Plötzlich spürte ich zwei starke Hände, die meine Arme festhielten. Eine Krankenschwester näherte sich und verabreichte mir eine Spritze. 
„Das ist ein Beruhigungsmittel, sie wird gleich wieder einschlafen.“, sagte die Krankenschwester zu den anderen. 
Und dann .. ein paar Sekunden später überkam mich wieder Müdigkeit. 
„Wo ist mein Baby?“, fragte ich erneut .. diesmal war es jedoch nur ein Flüstern. 


„Hayatim?!“, flüsterte Emre leise. 
„Emre mein Baby .. unser Baby ..“, stotterte ich mit Tränen in den Augen als ich ein paar Stunden später wieder wach war. 
„Aglama hayatim (Wein nicht, mein Leben). Ab jetzt wird alles gut, das schwöre ich dir.“, antwortete er und küsste meine Stirn. 
Seine Lippen blieben mehrere Sekunden auf meiner Stirn. Dann küsste er meinen Kopf, meine Schläfe, meine Wange und meinen Mund. Ich spürte wie eine Träne von ihm auf meinen Hals tropfte, als er sein Gesicht in meinen Nacken vergrub. 
„Wieso? Womit haben wir das verdient?“, fragte ich weinend. 
Sofort hob er seinen Kopf, sah er mich an und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. 
Emre: „Alles wird gut. Mach dir keine Sorgen.“ 
„Nichts wird gut! Wie soll alles gut werden ohne unser Baby?“ 
Ich weiss nicht genau wieso, aber das atmen fiel mir richtig schwer. 
„Du lagst im Koma Sibel. 3 Wochen .. seit 3 Wochen liegst du hier. Mit jedem Tag wurde es qualvoller. Du hattest innere Blutungen und 3 gebrochene Rippen. Ich hatte so schreckliche Angst .. dass du nicht mehr zu mir zurück kommst.“ 
Seine Stimme war so leise und voller Schmerz. Während er all das sagte hielt er meine Hand und streichelte mit seinem Daumen meinen Handrücken. Ich hatte also im Koma gelegen .. und das ganze 3 Wochen?! Die gebrochenen Rippen erklärten mir jetzt diese leichten Schmerzen, die ich noch beim Atmen verspürte. Es kam mir so vor als ob ich .. als ob ich einfach mal durchgeschlafen hätte. Diese Müdigkeit war immer noch da, am liebsten würde ich meine Augen schließen, weiterschlafen .. und nie mehr aufstehen. Aber in meinem Kopf schwirrten noch so viele Fragen. Fragen die nach Antworten suchten. Das alles überforderte mich.
„3 Wochen?“, fragte ich ein wenig verwirrt. 
„Nach dem Unfall .. ..“, antwortete er mit zitternder Stimme. 
Nach dem Unfall?! Ah .. der schwarze .. der schwarze Mercedes! Mein Atem ging schlagartig schneller, bei dem Gedanken daran. 
„Wurde die Person gefasst?“, fragte ich angespannt. 
„Ja .. sie sitzt im Gefängnis.“, antwortete er leise. 
Sie? Es war eine Sie!? 
„Moment mal ..“, sagte ich und richtete mich ein wenig auf. 
„War es überhaupt ein Unfall ..?“, fragte ich leise. 
Emre sagte nichts. Das war dann wohl Antwort genug. 
Sibel: „Es war .. es war Meryem oder?“ 
Schon wieder keine Antwort von ihm. Stattdessen drehte er mir den Rücken zu. 
„Antworte mir verdammt!“, verlangte ich laut. 
„Ja .. ja es war Meryem.“, gab er kleinlaut zurück.
Diese elende Hure hat mein Baby getötet! Sofort brach ich in Tränen aus. 
„Es tut mir so leid .. bitte verzeih mir. Es ist alles meine Schuld.“, flehte Emre.
Er kam wieder an mein Bett und nahm meine Hand. Ich entzog sie ihm jedoch. 
„Lass mich!“, zischte ich leise. 
„Sibel es tut mir so leid.“, weinte Emre. 
„Lass mich. Geh einfach. Ich will alleine sein. Geh!“, sagte ich zitternder Stimme. 

Kapitel 74

Als ich eine Woche später aus dem Krankenhaus entlassen wurde, packte ich gerade meine kleine Tasche mit Pinar zusammen. Es war alles so .. unreal. Die letzte Woche verging ziemlich schnell. Mir ging es den Umständen entsprechend überrschend gut. Gut im Sinne vom Körperlichen. Ich hatte keine Schmerzen mehr, auch die Rippen waren mittlerweile vollends verheilt, was mich auch endlich wieder schmerzfrei atmen ließ. Seelisch jedoch war ich noch total .. aufgewuhlt. Ich stand irgendwie noch immer unter Schock und wollte es nicht wahr haben .. Mein Baby war weg .. tot, bevor es überhaupt leben konnte. Ich hatte erfahren, dass Meryem zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt wurde. Hoffentlich wird ihr das Leben dort zur Hölle gemacht. Was anderes verdient diese Mörderin nicht!
„Abla (Schwester) geht’s dir gut?“, fragte Pinar und riss mich aus meinen Gedanken. 
„Ja .. lass uns gehen.“, antwortete ich leise. 
Pinar: „Eniste (Schwager) ist noch nicht da, er ..“
„Ich hab ein Taxi gerufen.“, unterbrach ich sie. 
„Aber ..“ 
„Nichts aber!“, fiel ich ihr genervt ins Wort. 
Ich nahm die Tasche, drehte mich um und lief zur Tür. Dann stand plötzlich Emre vor mir, was dazu führte, dass ich wie angewurzelt stehen blieb. 
Sibel: „Ich .. ehm .. ich ..“
Emres Anblick verwirrte mich und sorgte dafür, dass ich mir plötzlich nicht mehr so sicher war wegen meiner Entscheidung. 
„Pinar kannst du uns kurz allen lassen?“, fragte Emre ohne den Blick von mir zu nehmen. 
„Natürlich.“, gab sie zurück und verschwand kurz darauf aus dem Zimmer. 
Einen Augenblick lang standen wir einfach nur schweigend da. Emre mit den Händen in den Hosentaschen. Ich mit gesenkten Blick, fest meine Tasche umklammernd. 
„Wieso hast du ein Taxi gerufen?“, fragte er schließlich.
Ich nahm einmal tief Luft und dann sprudelten die Worte nur so aus mir heraus. 
„Vielleicht ist es besser, wenn ich für eine Weile nach Hause gehe. Also .. zu Baba. Ich brauch Abstand. Ich brauch Ruhe, ich will einfach nur allein sein. Nachdenken. Über mich. Über mein Leben. Weisst du .. auch wenn ich es mir nicht eingestehen will. Wir tun uns gegenseitig nicht gut. Ich tu dir nicht gut! Mein Leben geht seit über einem Jahr den Bach runter und ich zieh dich mit. Mir wurde so viel genommen Emre .. meine Ehre, mein Stolz. Ich hab gedacht ich komm damit klar. Mit dir .. und ja es hat geklappt. Es hat wirklich geklappt! Aber jetzt ..“
Meine Stimme versagte für eine Moment beim Gedanken an mein Baby, nur mit Mühe hielt ich die Tränen zurück. Emre stand vor mir, noch immer mit den Händen in den Hosentaschen und sah zu Boden, deshalb konnte ich auch seinen Blick nicht deuten. 
„Ich hab geglaubt, dass es nichts schlimmeres gibt als .. als eine Vergewaltigung. Jetzt weiss ich, dass es nicht so ist. Dieses Gefühl .. diese Leere, die in mir herrscht. Sie ist nicht auszuhalten Emre. In den letzten Tagen hatte ich das Gefühl verrückt zu werden. Es tut einfach nur verdammt weh zu wissen .. zu wissen das mein Baby nicht mehr in mir ist. Zu wissen, dass ich es nicht küssen werden kann. Zu wissen, dass ich es nicht in den Arm nehmen kann. Es fühlt sich an, als ob mir jemand ein Stück von mir rausgerissen hätte. Ich brauch jetzt Zeit .. Zeit für mich. Um einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht geh ich wieder in Therapie, damit ich nicht total verrückt werde. Mein Baby .. es ist weg...“
„Unser Baby!“, unterbrach mich Emre plötzlich. 
Ganz langsam hob er seinen Kopf, schaute mich mit tränengefüllten Augen an und kam dann auf mich zu. 
„Unser Baby Sibel .. es war unser Baby.“, flüsterte er erneut als er mich erreicht hatte. 
Dann nahm er meine Hände und küsste sie. Eine Träne kullerte ihm die Wange herab. 
„Es war auch mein Baby hayatim, es war auch mein Prinz. Ich weiß, die schmerzen als Mutter sind mit nichts zu vergleichen aber .. aber glaub mir. Mir tut es auch weh. Ich sterbe innerlich. Mit jedem Tag, mit jeder Minute. Weisst du was für Qualen das waren, dich jeden Tag hier liegen zu sehen. Weisst du was für Schmerzen das waren .. diese Angst. Diese Angst dich auch noch zu verlieren. Ich bin kaputt Sibel, kaputt. Wenn du jetzt gehst .. wenn du gehst und mich verlässt, dann sterbe ich. Ich sterbe Sibel!“
Weinend hielt er meine Hand an seinen Mund. Diese Worte .. diese Reaktion .. wie ein Stich in mein Herz. Mittlerweile weinte ich ebenfalls, ich schaffte es einfach nicht die Tränen unter Kontrolle zu kriegen. 
„Askim (Schatz), wer redet denn von verlassen?“, schluchzte ich leise. 
Ich hob seinen Kopf, wischte ihm die Tränen weg und drückte ihm einen kurzen aber innigen Kuss auf die Lippen. 
„Ich will nur ein paar Tage zu Baba .. eine Art Ferien. Kleine Auszeit vom Leben, ich muss versuchen .. ich muss versuchen damit umzugehen.“, sagte ich. 
„Kannst du das nicht zu Hause machen? Bei uns? Ich schwöre dir, du wirst deinen Freiraum kriegen. Du sagst du willst alleine sein. Ich werde von mir aus auch im anderen Zimmer schlafen, ich will nur dass du zu Hause bist. Bei mir. In unserem zu Hause.“
Mit seinen geröteten Augen und seiner leisen Stimme zebrach er mir das Herz. 
„Lütfen! (Bitte!)“, flehte er. 
Er ließ einfach nicht locker. 
Sibel: „Wenn du Angst hast ich könnte mir irgendwas tun, dann ..“
Emre: „Nein! Allah korusun (Gott behüte uns), das wirst du nicht machen ich weiss es aber .. das ist es gar nicht. Ich will dich nur bei mir haben. Mehr nicht.“
„Nur zwei Tage, dann komm ich nach Hause.“, sagte ich leise und umarmte ihn dann. 
Minutenlang standen wir so da, Emre klammerte sich fest an mir. 
„Tamam (Okay), ich werde zu Hause auf dich warten.“, antwortete er schließlich und löste sich dann von mir. 
„Ich liebe dich. Das weisst du doch.“, flüsterte ich leise. 
„Ich liebe dich auch, du bist mein Leben Sibel.“, gab er zurück und küsste mich. 


Zu Hause angekommen ging ich erstmal in mein altes Zimmer. Alles war so, wie es immer war. Nichts wurde entfernt oder verändert. Pinar legte die Tasche auf das Bett.
„Abla .. trennt ihr euch jetzt?“, fragte sie mich. 
Überrascht sah ich sie an. Erst jetzt realisierte ich, wie sie sich verändert hatte. Schwarz gefärbte Haare, Schwarzer Nagellack, dunkel geschminkte Augen. Ich weiss nicht genau wieso, aber es gefiel mir ganz und gar nicht, dass sie so stark geschminkt war. Vorallem war sie erst 15. 
„Nein. Natürlich nicht, ich will nur zwei Tage allein sein ..“, antwortete ich. 
Pinar: „Okay .. ich geh dann mal.“
„Nereye? (Wohin?)“, fragte ich. 
Pinar: „Raus.“ 
Sibel: „Wo raus? Wohin willst du um die Uhrzeit?“
Pinar: „Es ist erst 19 Uhr .. ich will.. ich will zu Ayla. Wir müssen lernen.“ 
Irgendwie glaubte ich ihr nicht, war jedoch zu müde um jetzt mit ihr zu diskutieren. 
„Komm nicht zu spät.“, sagte ich nur. 
Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, setzte ich mich auf das Bett und packte die Tasche aus. Ich nahm eine kleine Tüte heraus .. die Tüte aus dem Baby Shop. Sofort füllten sich meine Augen. Langsam nahm ich die winzig kleinen Socken aus der Tüte und drückte sie fest gegen die Brust... 

Kapitel 75

Ich lag im Bett und grübelte mal wieder über mein Leben nach, als mein Handy vibrierte. Eine Nachricht von Emre. 
„Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich über alles liebe. Gute Nacht.“, stand darin.
Die Worte zauberten mir ein kleines Lächeln ins Gesicht...


„Willkommen zu Hause.“, sagte Emre und umarmte mich. 
Die zwei Tage Ruhe hatten mir gut getan, mir ist klar geworden dass mir jetzt eine Therapie wieder gut tun würde. Ich mein .. oft genug wurde ich zu Boden gerissen, doch ich hatte die richtigen Menschen um wieder aufzustehen. Selma und Can waren auch da, sie saßen mit Mutter im Wohnzimmer. Ich freute mich sie zu sehen. 
„Geht’s dir besser canim (Schatz)?“, fragte Selma mich.
„Ja .. ja mir geht’s ganz gut.“, antwortete ich. 
Ich legte meine Hand auf ihren Bauch, der mittlerweile schon richtig Rund war. 
„Geht es dem kleinen gut?“, fragte ich mit leiser Stimme. 
Selma: „Ja .. alles in Ordnung bis jetzt.“
Lächelnd nahm sie meine Hand. 
„Alles wird gut, bald wirst du wieder schwanger.“, flüsterte sie. 
Wieder schwanger werden .. 
„Wie siehst mit der Wohnungssuche aus?“, fragte Emre an Can gewandt. 
„Wir schwanken noch zwischen zwei, Selma soll sich entscheiden.“, antwortete dieser. 
Fragend sah ich zu Selma. 
„Wir ziehen endlich aus!“, sagte sie auf eine triumphierende Art und Weise. 
Ihr Tonfall brachte mich zum schmunzeln, endlich war sie ihre Schwiegermutter los. 
Can: „Habt ihr Lust am Freitag ins Kino zu gehen?“ 
Selma: „Oh ja komm bitte. Abi? (Bruder?) Sibel? Ein bisschen Abwechslung?“
„Ich weiss nicht ..“, sagte ich unentschlossen. 
Mir war klar, dass sie versuchten mich auf andere Gedanken zu bringen. Emre sah mich erwartungsvoll an. Also sagte ich zu, denn es war die Zeit gekommen um zurück in den Alltag zu finden.... 


Später am Abend lag ich müde mit Emre im Bett. Ich hatte ihm den Rücken zugedreht. 
„Ich hab dich so vermisst.“, sagte er leise und fing an meinen Hals zu küssen. 
Ich lag nur da, noch immer mit dem Rücken zu ihm. Dann steckte er die Hand unter mein Shirt. 
„Alles okay?“, fragte er, als ich mich weder bewegte noch etwas sagte.
„Ja ich .. bin nur müde ..“, antwortete ich leise. 
Sofort ließ er von mir. 
„Okay .. tut mir leid. Gute Nacht.“, sagte er nur. 
„Dir auch.“, gab ich zurück. 
Dann drückte er mir einen Kuss auf den Kopf und drehte sich um.... 


So ging das Wochenlang weiter, ich hatte zu nichts Lust. Ich lag die ganze Zeit im Bett oder auf der Couch. Zur Therapie ging ich auch nicht gerne, irgendwie fehlte mir .. die Motivation und die Kraft von vorn anzufangen. Ich saß gelangweilt auf der Couch, als mein Handy klingelte. Es war Baba. 
„Kizim (Meine Tochter), kannst du heute bitte herkommen? Pinar ist nicht zu Hause ich erreich sie einfach nicht. Dein Onkel ist krank ich muss dringend nach Berlin.“, sprach er aufgeregt ins Handy. 
„Natürlich Baba ich bin gleich da.“, antwortete ich schnell und legte dann auf. 
Emre lernte in der Küche, also ging ich ihm bescheid geben. 
„Schatz, Baba hat grade angerufen. Er muss dringend nach Berlin weil Onkel krank ist. Er hat mich drum gebeten, heute auf Pinar aufzupassen .. du weißt ja sie ist in letzter Zeit so komisch drauf.“, sagte ich und küsste ihn kurz. 
Er nickte nur leicht und machte sich dann wieder über die Bücher her. Er wirkte so abwesend .. 
„Alles okay?“, fragte ich ihn. 
„Ja. Die Autoschlüssel hängen im Flur.“, antwortete er ohne den Blick von den Büchern zu nehmen. 
Ich dachte mir nichts weiter dabei, also machte ich mich auf den Weg. 


Ich wartete und wartete und wartete. Pinar war immer noch nicht zu Hause! Vergeblich versuchte ich sie zu erreichen. Wo steckte dieses Mädchen? Es war bereits 02:20 Uhr, solange aber sicher machte ich mir Sorgen. Und dann.. etwa 10 Minuten später hörte ich endlich wie sich die Tür öffnete. Leise stand ich auf und tapste in den Flur. 
„Wo warst du?“, flüsterte ich. 
Erschrocken fuhr sie hoch. 
„Allahim (Bei Gott), willst du mich umbringen?“, gab sie leise zurück. 
„Andere Frage. Willst DU mich umbringen?!“, zischte ich stinksauer. 
Sie verzog nur das Gesicht und verdrehte genervt die Augen. 
Pinar: „Was machst du hier? Wo ist Baba?“
„Der ist Berlin, er hat mich drum gebeten heute hier zu bleiben.“, antwortete ich. 
„Oh ja .. ich brauche ja einen Babysitter.“, gab sie ironisch von sich. 
Sibel: „Wo zum Teufel warst du?“
Pinar: „Abla (Schwester) ich bin müde ..“
„Ich hab dich was gefragt!“, fiel ich wütend ins Wort. 
„Ich war bei Ayla man. Zufrieden?“, zickte sie mich an.
Sibel: „Pass auf wie du mit mir redest. Nein nicht zufrieden, ab ins Wohnzimmer mit dir.“
„Ich will schlafen, ich bin müde und ..“
„Wenn du wirklich müde wärst, dann wärst du früher nach Hause gekommen. Los ins Wohnzimmer. Sofort!“, unterbrach ich sie.
Mit hängenden Schultern schlurfte sie endlich ins Wohnzimmer. 
„Was soll das Pinar?“, fragte ich nachdem sie sich gesetzt hatte. 
Pinar: „Was soll was?“
Ich zuckte kurz mit den Schultern und setzte mich dann neben sie. 
Sibel: „Deine Haare .. deine Schminke. Das bist nicht du.“
„Woher willst du wissen wer ich bin?“, gab sie gereizt zurück. 
So kannte ich sie gar nicht, wie könnte sie sich so verändern. Als ich meinen Arm um sie legen wollte, viel mir ein dunkler Fleck an ihrem Hals auf, der langsam aber sicher anfing zu verblassen. Ein Knutschfleck... 
„Verändert er dich so?“, fragte ich leise... 
Bislang hatte sie meinen Blick gemieden, jetzt hob sie jedoch den Kopf und sah mich fragend an. Dann hob ich meinen Finger und zeigte an ihren Hals. Sofort versteifte sich ihr Körper. 
„Machst du das für ihn? Um ihn zu beeindrucken? Findest du nicht, dass du ein bisschen zu jung für sowas bist?“, fragte ich ruhig. Innerlich kochte ich vor Wut. 
„Das geht dich nichts an!“, zischte sie wütend und stand ruckartig auf. 
Ich folgte ihrem Beispiel und hielt sie am Arm fest. 

Kapitel 76

„Und wie mich das was angeht!“, schrie ich wütend.
Pinar: „Eben nicht! Es ist mein Leben, selbst wenn ich durch die Gegend vögel ..“ 
Sibel: „Was redest du Pinar? Verdammt nochmal schau dich an.“
„Menschen ändern sich.“, antwortete sie.
Sibel: „Durch jemanden von dem du denkst, er würde dich lieben? Wenn er dich geliebt hätte, dann so wie du bist. Und nicht so wie er dich gerne hätte! Ja Menschen ändern sich, durch Lebenserfahrungen, durch Schmerz ..“
Pinar: „Lebenserfahrungen? Immer geht es nur um dich. Sibel hier, Sibel da. Wieso frägt nie jemand wie es mir geht? Ich komm mir vor als sei ich unsichtbar. Niemand beachtet mich. Niemand interessiert sich für mich. Baba weiss nicht mal, dass ich draußen bin. Der schläft nach der Arbeit sofort. Nachdem er mich natürlich erstmal gründlich über dich ausgefragt hat. Was es neues gibt. Wie es seiner Prinzessin geht...“
Sibel: „Pinar hör auf, sag sowas nicht ..“
Meine Stimme fing an zu zittern, ich spürte wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. 
Pinar: „Es ist aber so! Muss ich erst Vergewaltigt werden und ein Kind verlieren damit mich hier überhaupt jemand wahr nimmt?“
Bamm. Ein Schlag ins Gesicht. Der gegessen hatte. Es war als ob mich gerade jemand geohrfeigt hätte. Meine Knie zitterten. Pinar hielt sich die Hand vor dem Mund. Schockiert stand sie da und sah mich an. Dann kam sie langsam auf mich zu. 
„Abla (Schwester), es tut mir leid .. ich wollte das nicht sagen ..“
Ich hob die Hand um sie zum Schweigen zu bringen. Mein Puls raste. Pinar setzte sich.
„Es tut mir leid ..“, schluchzte sie und vergrub das Gesicht in ihre Hände. 
Diese Worte von ihr zu hören .. es tat mies weh. Vorallem weil ... weil sie Recht hatte. Alles drehte sich in den letzten Monaten um mich. Ich kann mich nicht daran errinern, wann ich das letzte mal etwas mit ihr unternommen hatte. Dass sie von Baba so ignoriert wurde konnte ich schlecht wissen. Aber ich hätte fragen müssen, ich hätte spüren müssen dass etwas nicht in Ordnung ist. Plötzlich fühlte ich mich richtig schlecht. Pinar stand auf und nahm mich wortlos in den Arm. 
„Es tut mir leid.“, flüsterte sie und vergrub das Gesicht in meine Brust. 
„Nein mir tut es leid. Mir .. bitte verzeih mir. Du bist doch meine kleine Schwester, ich liebe dich über alles. Ich muss dich beschützen, das weisst du doch?“, sagte ich weinend, umarmte sie fest und drückte ihr immer wieder Küsse auf den Kopf. 
„Biliyorum (Ich weiss). Ich werde Schluss machen .. also mit ihm .. weil ich gemerkt hab, dass er mir nicht gut tut.“, antwortete sie leise. 
Ich löste mich aus der Umarmung und hielt stattdessen ihre Hände. 
„Ausserdem bin ich, wie du schon sagtest zu jung für sowas .. ich muss mich jetzt auf Schule konzentrieren.“, fügte sie mit schwachen Lächeln hinzu.
„Vielleicht ist es besser so mein Schatz.“, sagte ich nur.
„Abla .. bitte es tut mir so leid. Ich hab das nur in Wut gesagt, ich bin so dumm. Bitte ..“
„Schon okay.“, unterbrach ich sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. 
„Jetzt geh schlafen, es ist schon spät.“, fügte ich hinzu und ging dann auch in mein Zimmer.. 

Ich glaube dieses Gespräch war nötig gewesen, denn mir wurde nun wirklich bewusst dass sich etwas ändern musste. Diese Situation machte nicht nur mich fertig, sondern auch alle andere um mich herum...


„Manchmal frage ich mich, ob ich wirklich so ein schlechter Mensch bin und es nicht verdiene glücklich zu sein. Manchmal komm ich mir vom Leben auch richtig verarscht vor. Das Leben ist scheisse. Warum?“
Ich saß gerade bei Dr. Jones und redete wie ein Wasserfall. Es tat so gut. Drei weitere Wochen waren vergangen. Ich versuchte mit aller Macht, die Situation zu ändern, doch es gelang mir einfach nicht. Meine Ehe .. ich hatte irgendwie Angst Emre zu verlieren. 
„Das Leben ist nicht scheisse Frau Kaya.“, sagte Dr. Jones. 
„Oder sind es die Menschen? Ja es sind die Menschen, die mir immer ein Bein stellen und hoffen, dass ich nicht mehr hochkomme. Ich glaube es wird immer Personen geben, die versuchen mich unterzukriegen. Wieso sind diese Menschen so bösartig? Haben die keine Gefühle?“, antwortete ich. 
Dr. Jones: „Wichtig ist , dass sie immer wieder aufstehen. Sie sind eine Kämpferin!“
„Ja .. ja ich bin eine Kämpferin. Das Problem ist .. momentan kämpfe ich allein.“
Meine Stimme war nur ein leises Flüstern, ich starrte auf meine Hände, die auf meinem Schoß lagen. Ich spürte Dr. Jones fragenden Blick auf mir haften. 
„Emre .. er .. er ist so komisch. Ich weiss am Anfang .. ich war ein bisschen in mich gekehrt und ..keine Ahnung. Wir haben seit dem Unfall nicht mehr miteinander geschlafen. Ich würde mich nicht wundern, wenn er mir mittlerweile fremdgeht.“ 
Allein beim Gedanken daran zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen... 


Nach dem Gespräch fühlte mich richtig müde. Ein paar Stunden später lag ich deshalb auch schon im Bett und schlief. Irgendwann nach Mitternacht wachte ich auf. Emre lag nicht neben mir .. vielleicht war er heute wieder mit seinen Kumpels unterwegs. Ich stand auf und ging in die Küche um Wasser zu trinken. Auf den Weg dorthin sah ich jedoch dass Licht in Mutters Arbeitszimmer an war. Was machte sie so spät noch wach? Als ich die Tür erreichte, die nur angelehnt war, sah ich dass Emre auf Mutters Stuhl saß... 
„Was macht du hier?“, fragte ich leise. 
Total überrascht stand er ruckartig auf und .. und wischte sie die Tränen weg. Er hatte geweint. Bei diesem Anblick beschleunigte sich mein Herzschlag schlagartig. 
„Nichts.. ich .. ich hab gelernt.“, antwortete er stotternd. 
Ach Lügen .. das war noch nie seine Stärke gewesen. Langsam ging ich auf ihn zu. 
Sibel: „Wieso weinst du?“
Meine Stimme bebte. Langsam ging ich auf ihn zu und blieb unmittelbar vor ihm stehen. 
„Es tut mir leid...“, flüsterte Emre. 
„Wofür entschuldigst du dich?“, fragte ich überrascht und griff nach seinen Händen. 
Emre: „Für alles. Einfach für alles, es ist alles meine Schuld ..“
„Nein! Wie kannst du sowas sagen?“, unterbrach ich ihn schockiert. 
„Mir tut es leid. Mir ..“, fügte ich leise hinzu. 
Ich war so .. bestürzt, weil er sich Schuldgefühle machte. Dabei war es meine Schuld. Ja es war einzig und allein meine Schuld.
„Ich vermisse dich. Ich vermisse es so sehr dich in meinen Armen zu halten. Ich weiß nicht was aus uns geworden ist, ich weiß es echt nicht. Jeden Abend lieg ich im Bett und .. du liegst zwar neben mir aber es fühlt sich an als ob Kilometer zwischen uns stehen. Wie eine Wand .. eine Wand die ich nicht hochklettern kann. Ich hab es versucht, ich hab es so oft versucht. Aber ich schaff es einfach nicht. Ohne Hilfe komm ich da einfach nicht rüber ..“ 
Leise weinte ich vor mich hin. Es tat so weh .. es tat so weh diese wahren Worte zu hören. Emre ließ meine Hände los und drehte mir den Rücken zu. 
„Du musst .. du musst mir sagen, wenn du das nicht mehr willst. Wenn du mich nicht mehr willst. Dein Leben wird auch ohne mich weiter gehen.“, flüsterte er kaum hörbar. 
Schockiert hielt ich die Luft an. Was sollte das heißen? .. 

Kapitel 77

Ohne lange nachzudenken ging ich auf Emre zu, der noch immer mit dem Rücken zu mir stand und umarmte ihn fest von hinten. 
„Emre ich liebe dich. Ich brauche dich!“, flüsterte ich weinend. 
Er drehte sich um un sah mir in die Augen. Diese wundervollen braun-grünen Augen, die ich über alles liebte. Er schien ein wenig überrascht zu sein von meiner Reaktion. 
„Hayatim ich ..“
„Du hast Recht!“, fiel ich im ins Wort. 
„Mein Leben wird auch ohne dich weiter gehen. Genauso wie mein Leben ohne mein ... ohne unser Baby weiter geht. Aber ich will das nicht. Ein Leben ohne dich .. es ist unvorstellbar. Das wäre doch kein Leben mehr! Ich weiß dass die letzten Wochen ziemlich hart waren...“, flüsterte ich. 
Ich nahm Emres Hände und sah ihm fest in die Augen. Eine Träne kullerte ihm die Wange herab. Ich nahm noch einmal tief Luft und sprach dann weiter. 
Sibel: „Es wollte bloß nicht in mein Kopf, dass es nicht nur für mich hart war. Ich hab die Menschen vernachlässigt, die ich über alles liebe, die mein Leben sind. Das alles weil ich zu sehr mit mir .. mit meiner Trauer beschäftigt war.“
Einen Augenblick herrschte Stille. Wir standen uns gegenüber und sahen uns wortlos an. Dann endlich .. ein kleines Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und kurz darauf nahm er mich in den Arm. Ich liebte ihn über alles und würde ihn niemals verlassen. In diesem Moment hielt ich meine ganze Welt in den Armen! Nach mehreren Minuten, löste ich mich langsam von seiner Umarmung und griff nach seiner Hand. Dann zog ich ihn aus dem Arbeitszimmer und leise tapsten wir die Treppen hoch. Auf den Weg in unser Schlafzimmer hauchte er mir immer wieder kleine Küsse auf den Hals. Nachdem ich die Tür geschlossen hatte lehnte ich mich dagegen. Emre stand vor mir und lächelte mich liebevoll an. Seine Augen funkelten .. 
Emre: „Sibel ich ..“
Sibel: „Pshht!“
Ich ging direkt auf ihn zu und brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. 
„Wollen wir jetzt reden oder ..“, flüsterte ich ihm ins Ohr. 
Unvermittelt packte Emre mich und küsste mich leidentschaftlich. Sein Mund suchte meinen Hals. Ich klammerte mich fest an ihn und sog seinen so vertraueten Geruch ein. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr er mir gefehlt hatte! 
„Ich liebe dich. Du bist mein Leben!“, keuchte er mir ins Ohr, nachdem er mich auf das Bett gedrückt hatte. 
„Ich liebe dich auch, bitte lass mich niemals los!“, antwortete ich flehend.... 



Emre: „Lass uns irgendwo hinfahren. Für ein paar Tage. Was hälst du davon?“
Ich saß, gute 2 Wochen später mit Emre bei Selma und Can. Die beiden waren endlich in ihre neue Wohnung gezogen. Es war zwar klein aber sehr gemütlich, ich hatte mich direkt wohlgefühlt hier. Mit Emre war alles .. so wie früher. Ich war wirklich froh drüber. 
„Ich weiss nicht askim (schatz), wir beide müssen noch so viel für die nächsten Klausuren lernen.“, antwortete ich zurückhaltend. 
„Ach komm, so ein kleiner Urlaub schadet niemanden.“, meldete sich Can zu Wort. 
Ich warf einen fragenden Blick zu Selma, deren Bauch schon zu platzen drohte. 
„Geht ruhig .. solange ihr wieder rechtzeitg hier seid!“, sagte Selma laut. 
Ihr Tonfall brachte mich zum Lachen. Nicht mehr lange würde die Geburt, des kleinen Murat dauern. Die beiden hatten sich für den Namen von Cans Opa entschieden. 
Selma: „Lach nicht Sibel! Wehe .. wehe du bist nicht hier ..“
„Chill Schwesterherz.“, lachte Emre. 
Selma: „Nix chill. Du kannst von mir aus nach Amerika gehn. Oder nach Afrika. Oder am besten nach Australien, das ist am weitesten weg. Solange Sibel bei mir ist!“
Ach da war sie. Meine Selma, mit dem losen Mundwerk. Sie liebte diese kleinen Wortgefechte, vorallem mit ihrem Bruder. 
„Hey nicht so frech.“, grinste Emre
„Lass es lieber Emre. Gegen die hast du keine Chance, die macht dich mit ein paar Worte fertig.“, sagte Can lachend. 
„Tja Can, gut das du es mittlerweile eingesehen hast.“, lachte ich. 
Grinsend zwinkerte ich Selma zu. 
Sibel: „Keine Sorge canim, ich werd bei dir sein.“
„Das will ich doch hoffen! So jetzt wird aber gegessen.“, antwortete sie lächelnd. 



Stunden später lag ich mit Emre im Bett. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust. Sanft strich er mir über meinen Arm. Es war so schön, dass alles wie früher war. Die Therapie bei Dr. Jones half mir wirklich sehr, vorallem das Gespräch vor unserer ‚Versöhnung’. Es war ausschlaggebend gewesen. Wir waren glücklich. Unser Leben ging eben weiter .. auch ohne das Baby. Das hatten wir mittlerweile alle akzeptiert. 
„Ist doch gar keine so schlechte Idee mit dem kleinen Urlaub oder?“
Emre riss mich aus meinen Gedanken, ich hob langsam meinen Kopf und drückte ihm einen kurzen aber innigen Kuss auf den Mund. 
„Das soll heißen?“, grinste er mich erwartungsvoll an. 
„Das soll heißen, dass es keine schlechte Idee ist.“, antwortete ich lächelnd. 
Plötzlich fing Emre an mich zu kitzeln. 
„Ah yapma (hör auf).“, lachte ich überrascht und richtete mich auf. 
Jetzt saß ich im Schneidersitz da und hielt Emres Hände fest. 
„Lass das sonst schrei ich.“, warnte ich ihn lächelnd. 
„Hmm ..“, sagte er nur und grinste verschmitzt. 
Minutenlang sahen wir uns einfach nur lächelnd an und alberten ein bisschen rum. 
„Wohin gehen wir?“, fragte ich schließlich. 
„Lass dich überraschen.“, antwortete Emre nur. 


Ich war kurz vor’m einschlafen als mein Handy plötzlich klingelte .. müde richtete ich mich auf und nahm schnell ab ohne zu schauen wer es war .. 
„Hallo?“, sprach ich leise ins Handy.
Emre schlief schon also stand ich leise auf und ging in den Flur um ihn nicht zu wecken. 
„Hallo?!“, fragte ich erneut als ich keine Antwort bekam .. 

Kapitel 78

„Hallo wer ist da?“, flüsterte ich ins Handy. 
Ein leises aber deutlich hörbares keuchen, das mich stark an .. an Kevin errinerte. Sofort beschleunigte sich mein Atem, mein Puls schoss auf 180. 
Emre: „Hayatim (Mein Leben), wer ist dran?“
Blitzartig drehte ich mich um und drückte dabei gleichzeitig auf die Rote Taste. Emre stand im Türrahmen und rieb sich müde die Augen. 
„Ach das war nur Pinar.“, log ich. 
Gott wieso lüge ich? Aber ich könnte ihm unmöglich erzählen, dass es Kevin war. Ich war mir da ja selber nicht sicher nur ... dieses keuchen. Kopfschüttelnd verdrängte ich diesen schrecklichen Gedanken, nahm Emres Hand und zog ihn wieder ins Bett. 
„Wieso ruft sie so spät an?“, fragte Emre gähnend. 
„Ehm .. sie wollte nur fragen .. ob ich sie Morgen früh zur Schule fahren kann.“ 
Ich stotterte wie eine Vollidiotin. Wie ich Lügen hasste! 
„Geht’s dir gut Schatz? Du siehst so weiss aus, als ob du einen Gespenst gesehen hättest.“, lachte Emre leise und kuschelte sich verschlafen an mir. 
Ein Gespenst gesehen? Wohl eher gehört! Ein Glück dass Emre so müde war und ein paar Sekunden später wie ein Baby schlief. Weitere Fragen würden mich nur noch unruhiger machen. War es wirklich Kevin gewesen? War er aus dem Gefängnis geflohen? Nein. Unmöglich. Wenn es so wäre hätten wir doch schon davon erfahren. Vielleicht hatte er aus dem Gefängnis angerufen? Oder .. vielleicht war er es gar nicht? Ich betete dass es so war! Nur jemand der sich in der Nummer geirrt hatte. Da lag ich .. noch stundelang wach, fest umschlungen von Emre. Ich war bei ihm. In Sicherheit! 


Am nächsten Morgen machte ich mich fertig und ging runter zum Frühstücken. Mutter und Emre saßen schon da und aßen. 
„Afiyet Olsun (Guten Appetit).“, sagte ich leise. 
„Sagol (Danke).“, antworteten die beiden wie aus einem Mund. 
Lächelnd klopfte Mutter auf den Stuhl neben sich, da ich hungrig war setzte ich mich. 
„Wohin willst du so früh?“, fragte sie. 
„Pinar zur Schule fahren und danach in die Uni.“, antwortete ich. 
Emre: „Ich muss auch gleich los Anne (Mutter), hab was zu erledigen.“ 
„Tamam (Okay), kommt nicht zu spät ich muss mit euch reden.“, sagte diese nur. 
Ich tauschte einen fragenden Blick mit Emre, der nur mit den Schultern zuckte. Als wir fertig waren stand ich auf um den Tisch abzuräumen. 
Mutter: „Lass kizim (Meine Tochter), ich mach das. Geh du sonst kommst du zu spät.“
Da ich wusste das jedes Wiederwort zwecklos war, bedankte ich mich und machte mich auf den Weg. Emre stand auch schon fertig an der Tür. Er hielt mir lächelnd den Arm hin. Ich hackte mich bei ihm unter und zusammen gingen wir zu den Autos. 
Sibel: „Anne (Mutter) hasst mich bestimmt schon. Ich nehm immer ihren Wagen.“
„So ein Quatsch!“, lachte Emre. 
„Die fährt eh nur noch selten ins Geschäft. Sie hat zuverlässige Angestellte, denen sie vertraut. Aber wenn du willst kauf ich dir ein neues Auto, dann hast du ein Problem weniger.“
„Salak! (Idiot!)“, zischte ich und verpasste ihm eine Faust auf den Oberarm. 
„Aua!“, stieß er mit gespielt verletzer Miene aus. 
Plötzlich packte er mich an den Hüften und küsste mich. Sofort wollte ich mich von ihm los machen, doch er ließ es nicht zu. Stattdessen küsste er mich noch heftiger. 
„Emre, wenn uns jemand sieht!“, keuchte ich außer Atem, als er endlich von mir ließ. 
Emre: „Dann sehen sie ein Ehepaar, das sich liebt und sich zum Abschied küsst.“
Sibel: „Aber ..“
„Nichts aber!“, unterbrach er mich und legte einen Finger an meinen Mund. 
Grinsend drückte er mir noch einen Kuss auf die Stirn. 
Emre: „Ich liebe dich, aber ich muss jetzt los hab viel zu tun.“
„Ich liebe dich auch, bis heute Abend dann.“, antwortete ich und stieg in den Wagen. 


Emre war so süß, dass ich für einen Moment den Anruf vollkommen vergessen hatte. Während der Autofahrt jedoch dachte ich an nichts anderes. War er es? Oder war er es nicht? Würde ich jemals eine Anwort auf diese Frage kriegen? Ich war mir ja nicht mal sicher, ob ich es auch wirklich wissen wollte. 

„Abla (Schwester), was machst du denn hier?“, fragte Pinar überrascht als sie mir die Haustür öffnete. 
„Tolle Begrüßung.“, antwortete ich und drückte ihr zwei Küsschen auf die Wangen. 
Pinar: „Sorry ich .. es ist nur so früh?“
Sibel: „Ich wollte dich heute zur Schule fahren. Wo ist Baba?“
„Der ist vorhin schon zur Arbeit gefahren. Wieso willst du mich zur Schule waren?“
Sie klang verwirrt und auch ein wenig .. angepisst. Ja das war das richtige Wort. 
„Wieso nicht? Hast du schon was anderes vor?!“, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue und musterte sie von oben bis unten. 
Was sollte dieser Minirock, der grad mal ihren Arsch bedeckte? Und diese Schminke .. sollen das Smokey eyes sein? Gottes Willen, so schmink ich mich höchstens zu Hochzeiten! 
„Nein ich .. ich .. bin gleich fertig.“, antwortete sie stotternd und verschwand kurz darauf in ihr Zimmer. 


Auf den Weg zur Schule sagte sie kaum an Wort. 
„Und?“, fragte ich. 
Pinar: „Und was?“
Sibel: „Hast du dich schon von ihm getrennt?“
„Ich ehm .. ja schon lange.“, anwortete sie kleinlaut. 
Ich warf ihr einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Sie starrte aus dem Fenster. 
„Wer ist es?“, fragte ich leise. 
Pinar: „Kennst du nicht.“
Sibel: „Geht er auch auf’s Gymnasium?“
Pinar: „Nein.“
Sibel: „Wie hast du ihn kennengelernt?“
Pinar: „Facebook.“
Boah! Trifft die sich ernsthaft mit Internetbekanntschaften? Ich war kurz vorm Ausrasten aber da ich grade vor der Schule parkte hielt ich mich zurück. Pinar stieg aus und wartete. Sie wartete dass ich wegfahre .. gut dann tu ich ihr den gefallen. Ich fuhr los, hielt jedoch ein paar Meter von der Schule entfernt an und stieg ebenfalls aus. Dann lief ich zurück und versteckte mich hinter einen grossen Gebüsch. Was ich dann sah trieb mir jegliche Luft aus den Lungen....

Kapitel 79

Wie versteinert stand ich da und traute meinen Augen nicht. Pinar stieg in einen schwarzen Bmw ... in Tolgas schwarzen Bmw! Was zum Teufel sollte das?! Träumte ich?! Wieso und vorallem seit wann ist Tolga wieder in Hamburg? Und wieso trifft sich meine Schwester .. meine eigene Schwester mit dem Typen der mich so verletzt hatte? Der mir meine Ehre und meinen Stolz genommen hatte! Als der Wagen losfuhr, taumelte ich ein paar Schritte zurück und griff mir benommen an den Kopf, der zu platzen drohte. Ich wollte in mein Auto steigen und ihnen hinterher fahren, doch ich war nicht in der Lage mich zu bewegen, geschweige denn klar zu denken! Total unter Schock stand ich da und wusste nicht wen von beiden ich verfluchen sollte. Meine eigene Schwester, die mich hintergeht. Oder Tolga diesem Vergewaltiger, der sich ein meine minderjährige Schwester ran macht. Dann fiel mir plötzlich ein, dass Pinar gar nichts davon wusste .. genauso wenig wie Baba. Emre, Selma, Can ... und Kevin. Sie waren die einzigen die von der Sache mit Tolga wussten. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Körper breit. Beim Gedanken an die K.O Tropfen und der ersten Vergewaltigung lief mir ein kalter Schauer den Rücken runter. Das kann doch nur ein Albtraum sein .. das darf nicht wahr sein! Nach mehreren Minuten in denen ich reglos da stand, machte ich mich wieder auf den Weg zurück zum Wagen. 
„Tut mir leid.“, brachte eine Stimme mich wieder in die Realität zurück. 
Jemand hatte mich angerempelt, oder besser gesagt ich hatte ihn angerempelt. Als ich langsam meinen Kopf hob und mich entschuldigen wollte, stand plötzlich Can vor mir. 
„Oh du bist es.“, sagte er ein wenig überrascht. 
„Was machst du hier?“, fragte ich leise. 
„Genau das selbe wollte ich dich gerade fragen.“, lachte er. 
Mir war absolut nicht nach Lachen! 
„Ich hab Pinar heute zur Schule gefahren.“, antwortete ich mit gesenktem Blick. 
Can: „Hab Kübra und Mehtap eben auch hergefahren, weil Babas Wagen in der Werkstatt ist.“ 
Cans Schwestern waren Zwillinge, die wie Pinar 15 waren. Jedoch gingen sie nicht in die selbe Klasse wie sie, deshalb hatten die drei auch wenig miteinander zu tun. 
„Achso okay.“, gab ich leise zurück. 
„Alles klar bei dir? Du siehst .. so nervös aus?“, fragte er plötzlich. 
Ich hob meinen Kopf und sah ihn an, er musterte mich neugierig. 
Sibel: „Nein. Ich meine ja, alles okay. Wie geht’s Selma?“
Stotternd versuchte ich schnell das Thema zu ändern, was mir Gott sei dank auch gelang. Cans Miene erhellte sich schlagartig. Man sah wie er sich auf das Baby freute. 
„Die wird immer runder und runder. Bald ist es soweit.“, gab er lächelnd zurück. 
Wir unterhielten uns noch kurz, die ganze Zeit über lag mir eine Frage auf der Zunge aber ich traute mich einfach nicht! 
„So bin dann mal weiter, muss zur Arbeit.“, sagte Can schließlich. 
„Alles klar, bis dann. Gruss Selma von mir.“, antwortete ich. 
Can: „Mach ich, du auch Emre von mir.“ 
Nachdem ich ein paar Schritte gegangen war, drehte ich mich doch wieder um. 
„Du Can.“, rief ich laut. 
„Ja?“, antwortete er überrascht als ich mit schnellen Schritten auf ihn zu kam. 
„Hab ne Frage.“, sagte ich leise. 
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an. Oh mein Gott, ich muss einfach fragen! 
„Ist Tolga wieder in Hamburg?“, flüsterte ich leise. 
„Was?“, fragte er ungläubig. 
„Ob Tolga wieder in Hamburg ist ..“, wiederholte ich meine Frage. 
Total verdutzt stand er da und starrte mich mit grossen Augen an. Ich glaub ich hatte ihn überrumpelt, mit dieser Frage hatte er wohl am wenigsten gerechnet. 
Sibel: „Ich mein .. ihr wart mal Freunde und ..“
„Ja du sagst es. Wir waren mal Freunde.“, unterbrach er mich und betonte dabei das „waren“ extra lang. 
„Ich hab nichts mehr mit ihm zu tun Sibel, du weisst auch wieso. Sicher bin ich mir nicht aber soweit ich weiss ist er in Bremen. Er tut da sein Studium fortsetzen.“, fügte er hinzu. 
„Okay ..“, flüsterte ich. 
Can: „Wieso willst du das wissen?“
Verdammt! Was sollte ich jetzt sagen? Die Wahrheit wohl schlecht .. 
„Ach ehm .. ich hab vorhin seine Mutter gesehen und keine ahnung .. wollte mal fragen.“
Ich hasse Lügen! Aber wenigstens schien er mir zu glauben. Schnell verabschiedete ich mich erneut und machte auf den Absatz kehrt. Ich stieg in den Wagen und fuhr los. 



Stunden später saß ich, noch immer total aufgewuhlt in der Küche und trank Tee. Ich wartete auf Emre und Mutter, die uns heute Abend sprechen wollte. Warum auch immer. Na ja ich hatte andere Dinge im Kopf als mich zu fragen wieso sie mit uns reden wollte. 
„Na endlich, wo wart ihr so lange?“, fragte ich erleichtert als die beiden endlich kamen. 
„Hatte heute viel zu erledigen hayatim (mein Leben).“, entschuldigte Emre sich. 
„Setzt euch bitte.“, sagte Mutter. 
Wir folgten ihrer Bitte. 
„Ist alles okay?“, fragte ich vorsichtig. 
Bevor ich eine Antwort bekam, klingelte es an der Tür. Wer könnte das sein? 
„Ah das sind sie ja schon.“, sagte Mutter und verschwand kurz darauf um die Tür zu öffnen. 
Ich warf einen hilfesuchenden Blick zu Emre, der nur lächelnd mit den Schultern zuckte. Kurz darauf kam Baba und .. Pinar ins Wohnzimmer. Was zum Teufel sollte das? 
„Ist irgendwas passiert?!“, fragte ich besorgt. 
„Nein kizim (Meine Tochter).“, gab Baba zurück. 
„Können wir nicht mal zu Besuch kommen?“, fragte Pinar. 
Als unsere Blicke sich trafen, lächelte sich mich an. Mein Herzschlag beschleunigte sich beim Gedanken an heute Morgen schlagartig.
„Sie trifft sich mit deinem Vergewaltiger“, spukte es die ganze Zeit durch meinen Kopf. Welche Maske sollte ich heute wieder tragen? Wieso soll ich lachen, wenn ich am liebsten losheulen würde? Sie trifft sich mit Tolga! Das ergibt doch alles keinen Sinn! Oder etwa doch? Waren die beiden ein Paar? Diese ganzen Fragen ..dieser Schmerz in meiner Brust. Ich kann nicht mehr! Ich wollte sie zur Rede stellen. Jetzt! 
Emre: „Schatz ist alles okay?“
„Ich .. ehm...“, verwirrt stand ich auf. 
„Soll ich Tee machen?“, fragte ich und wollte schon Richtung Küche fliehen, doch Mutter hielt mich auf....

Kapitel 80

„Stop, das kann warten kizim. Wir haben ein kleines Geschenk für dich und Emre.“, sagte Mutter. 
Ein Geschenk? Baba reichte mir einen kleinen Briefumschlag. Als ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ, sah ich dass alle Augen erwartungsvoll auf mich gerichtet waren. Pinar saß neben Baba und musterte mich lächelnd. 
„Was ist das? Und wofür?“, fragte ich leise. 
„Mach doch einfach auf.“, sagte Emre ungeduldig. 
Ich nahm einmal tief Luft und öffnete dann den Umschlag. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf zwei Tickets. Karibik. Zwei Wochen. First Class. Für Emre und mich. 
„Wir denken, dass ihr euch so einen kleinen Urlaub einfach verdient habt.“, sagte Mutter. 
Sie strahlte bis über beide Ohren. Auch Baba lächelte mich liebevoll an. 
„Zwei Wochen Karibik, wir kommen!“, stieß Emre fröhlich hervor. 
„Danke ..“, flüsterte ich leise. 
Vergeblich versuchte ich ein Lächeln aufzusetzten. Mein Kopf dröhnte! 
„Freust du dich nicht?“, fragte Emre enttäuscht. 
Sibel: „Doch! Natürlich .. nur First Class .. das war sicher teuer.“
„Ach kizim mach dir bitte darüber keine Gedanken. Ihr sollt und werdet das genießen.“, sagte Baba, stand dann auf und drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn. 
„So jetzt will ich aber einen Tee.“, fügte er lächend hinzu. 
„Sofort. Pinar hilfst du mir?“, antwortete ich und verschwand kurz darauf mit ihr in der Küche. 
Pinar nahm die Gläser und legte sie auf das Tablett. Dann goß ich den Tee ein. 
„Warte kurz.“, sagte ich als sie wieder ins Wonzimmer gehen wollte. 
„Was gibt’s?“, fragte sie lächelnd. 
Mein Gott .. wie? Wie zum Teufel sollte ich sie fragen? 
Sibel: „Ich ehm.. wie war Schule heute?“
Pinar: „Wie immer halt.“ 
Sie stand da und sah mich lächelnd an. Wie unschuldig und unwissend sie war... oder doch nicht? Könnte meine eigene Schwester mich so hintergehen? 
„Pinar, wenn du mir etwas zu sagen hast .. dann tu es jetzt.“, flüsterte ich. 
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich. Ihr Lächeln verschwand, stattdessen senkte sie ihren Blick. 
„Ich weiss nicht wovon du redest Abla (Schwester).“, stotterte sie. 
Sibel: „Pinar ich ..“
„Na ihr zwei hübschen? Wir warten auf den Tee.“, fiel Emre mir ins Wort, der soeben in die Küche kam. 
Tolles Timing! So ein Dreck! Ich könnte kotzen, muss er ausgerechnet in diesem Moment reinkommen? Er schien zu merken, dass etwas nicht stimmte. 
„Alles klar hier?“, fragte er vorsichtig. 
Bevor ich etwas sagen konnte, ergriff Pinar das Wort. 
„Jap, alles super hier. Abla freut sich auf den Karibik Urlaub.“, sagte sie hastig und verschwand gleich darauf ohne mich nochmal anzuschauen, mit dem Tablett ins Wohnzimmer. Emre sah ihr verwirrt hinterher. 
„Ist mit der alles in Ordnung?“, fragte er und kam dann auf mich zu. 
Was sollte ich jetzt sagen?! Lügen? Mal wieder? Nein! Ich war es leid. Ich wollte keine Geheimnisse mehr haben, vorallem nicht vor Emre.
„Hayatim ..“, flüsterte Emre und nahm dann mein Gesicht in seine Hände. 
„Was geht hier vor?“, wollte er wissen. 
„Emre ich .. wir reden nachher darüber tamam (okay)? Wenn Baba und Pinar weg sind.“, antwortete ich und drückte ihm dann einen Kuss auf den Mund. 
Emre: „Das hört sich irgendwie nicht gut an, muss ich mir Sorgen machen?“
„Bilmiyorum .. (Ich weiss es nicht ..).“, flüsterte ich nur.


Nachdem Baba und Pinar endlich weg waren und Mutter schlafen gegangen war, blieb ich mit Emre allein im Wohnzimmer zurück. Mein Kopf drohte zu platzen. Total nervös lief ich hin und her. 
„Schatz .. wie wär’s wenn du dich erst mal zu mir setzt?“, sagte Emre leise.
Ich hielt inne, sah ihn kurz verwirrt an und setzte mich dann neben ihn. Er nahm meine Hand und strich mit seinem Daumen zärtlich über meinen Handrücken. 
„Ich bin hier. Um was auch immer es geht. Ich bin hier Sibel. Zusammen schaffen wir das.“, hauchte er leise. 
Seine Stimme war so liebevoll und zärtlich. 
Sibel: „Aber dieses Problem ..“
„Wir lösen es!“, fiel er mir ins Wort. 
Dann lächelte er. Diese Augen die ich so liebte, sahen mich erwartungsvoll an.
„Also?“, sagte er nach ein paar Minuten, in denen absolute Stille geherrscht hatte. Tief atmetete ich ein und nahm meinen ganzen Mut zusammen. 
„Ich glaube Pinar .. ich glaub sie hat was mit Tolga.“, flüsterte ich mit leiser Stimme. 
Emre stand blitzartig auf und starrte mich ungläubig an.
„Bitte was?“, stieß er, nach Atem ringend hervor. 
Total geschockt und aufgewühlt fuhr er sich durch die Haare. 
Sibel: „Ich weiss, es klingt krass, aber ich hab es mit meinen eigenen Augen gesehen.“
Meine Stimme fing plötzlich an zu zittern. Ich war den Tränen nah, das alles machte mich einfach nur total fertig. 
„Sie ist in seinen Wagen gestiegen und dann sind die beiden irgendwohin gefahren. Ich stand so unter Schock, dass ich Dumme nicht mal in der Lage war ihnen hinterher zu fahren.“, schluchzte ich. 
Emre: „Sibel ..“
Er setzte sich wieder und nahm erneut meine Hand.
„Das muss ein Irrtum sein. Pinar würde dir das nicht antun. Sie würde niemals etwas mit ihm anfangen. Traust ihr sowas zu?“, fragte er mich. 
„Aber ich hab sie gesehen!“, schrie ich laut und stand dann auf. 
Emre: „Beruhige dich hayatim. Tolga ist seit Monaten in Bremen ..“
Sibel: „Pinar ist in seinen Wagen gestiegen ..“ 
Emre: „Hast du Tolga gesehen?“
Sibel: „Und dann sind sie ..“ 
„Hast du Tolga gesehen?“, fragte er erneut, diesmal lauter. 
„Nein ..“, antwortete ich kleinlaut. 
Ich hatte ihn tatsächlich nicht gesehen. Wahrscheinlich war ich zu aufgewühlt und schockiert in dem Moment, ausserdem stand der Wagen schlecht um einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen. 
Emre: „Also hast du Pinar in ein Auto einsteigen gesehen, der so aussieht wie Tolgas Auto?“
„Nein! Es war Tolgas Auto!“, warf ich dazwischen. 
„Schatz, Tolga ist in Bremen.“, gab Emre ruhig zurück. 
„Wieso bist du dir so sicher?“, wollte ich wissen. 
Emre: „Weil ich es weiss.“
Fragend hob ich meine Augenbraue und sah Emre eindringlich an. Ich war total durcheinander. Verschwieg er mir etwas?! .. 

Kapitel 81

Sibel: „Emre.. wieso bist du dir so sicher? Es kann durchaus möglich sein, dass er ab und zu nach Hamburg kommt. Schließlich lebt hier seine Familie und seine Freunde.“
„Nein es ist nicht möglich.“, antwortete er. 
„Emre was soll das!?“, fragte ich verwirrt. 
„Okay Okay .. also .. ich ehm .. ich behalte ihn im Auge. Wenn er in Hamburg ist, dann kriege ich Bescheid. Er war seit Monaten nur 2 mal hier.“, sagte er schließlich, nachdem ich ihn erstmal mit meinen Blicken durchbohren musste. 
Ich traute meinen Ohren nicht! 
„Du verfolgst ihn?!“, fragte ich bestürzt. 
Emre: „Nein ich ..“ 
Er hielt kurz inne und wich dann meinem Blick aus. 
„Nun ja .. okay, wenn du es so nennst. Ja tu ich.“, sagte er leise. 
Sibel: „Aber wieso?“
„Hayatim .. er hat dir weh getan. Also ist er mein Feind. Und seine Feinde sollte man im Auge behalten.“, antwortete er ruhig. 
Ich wusste einen Moment lang nicht, was ich dazu sagen sollte. Total baff, setzte ich mich erst mal wieder hin. Irgendwie war es süß, was Emre eben gesagt hatte, aber irgendwie auch komisch, dass er ihn .. beschattet? Nennt man das so? Keine Ahnung, aufjedenfall war es komisch. 
„Aber wer war es dann?“, fragte ich ratlos. 
Emre: „Das finden wir heraus. Nach unseren Urlaub!“
Sibel: „Aber ..“ 
„Nichts aber Sibel!“, schnitt er mir das Wort ab. 
„Es sieht so aus als ob Pinar einen Freund hat und wenn das der Fall ist, dann musst du es akzeptieren.“, fügte er hinzu. 
Sibel: „Ja schon .. nur, sie ist noch so jung. Sie wird Fehler machen ..“ 
Emre: „Lass sie! Lass sie ihre eigenen Fehler machen und darauß lernen.“
Sibel: „Manche Fehler sind fatal Emre! Aus ihnen kann man nicht lernen, selbst wenn man es will. Diese Fehler verfolgen einen das ganze Leben über und das kann weh tun.“
Ich musste auf einmal wieder an den Drink denken, den Tolga mir damals gegeben hatte. Es war ein Fehler gewesen davon zu trinken. Ein Fehler, der mir meine Jungfräulichkeit gekostet hatte. Ein Fehler, der mir meine Ehre und meinen Solz genommen hatte und mit dem alles anfing kaputt zu gehen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Eine einzelne Träne kullerte meine Wange herab. Sofort zog mich Emre in seine Arme. Ja hier, in seinen Armen fühlte ich mich geborgen und sicher. Hier und sonst nirgendwo! 
Emre: „Aglama lütfen (Wein nicht bitte), ich kann dich so nicht sehen.“
„Halt mich einfach nur fest.“, flehte ich. 
Emre: „Du wirst sehen, dass ist alles nur ein Missverständnis.“
„Inshallah (So Gott will).“, flüsterte ich. 


Ein paar Tage später gönnten Selma und ich uns eine Maniküre. Wir saßen direkt nebeneinander, wärhend unsere Nägel gemacht wurden. 
„Wann fliegt ihr?“, fragte sie. 
„Samstag.“, antwortete ich. 
Selma: „In drei Tagen also .. dann seid ihr 2 Wochen ..“
„Canim keine Sorge ich hab schon gezählt. Wir sind acht Tage vor deinem Geburtstermin wieder zu Hause.“, lachte ich. 
„Puh, hab schon gedacht.“, stieß sie erleichtert hervor. 
„Du denkst zu viel.“, sagte ich grinsend. 
Selma: „Sagt die Richtige, du bist in letzter Zeit so viel am tagträumen.“
Wortlos wandte ich meinen Blick ab und konzentierte mich wieder auf meine Nägel, die gerade schön gemacht wurden. Aber Selma hatte Recht, immer wieder war ich total in Gedanken wegen der Sache von Pinar. Es quälte mich fast schon. 
„Ich hab irgendwie voll Angst.“, flüsterte Selma nach ein paar Minuten plötzlich. 
Ich warf ihr einen überraschten Blick zu. Selma und Angst? Das passt ja mal gar nicht zusammen! 
„Wovor denn canim?“, fragte ich. 
Selma: „Vor stinkenden Windeln.“
Sofort brachen wir in schallenden Gelächter aus. Das liebte ich an ihr, sie wusste einfach genau wann sie einen zum Lachen bringen musste. 
„Salak! (Idiot!), du bist so doof vallah.“, lachte ich laut. 
Ich hatte so einen Lachflash, dass ich mir den Bauch hielt. 
„Still halten bitte.“, ermahnte mich die Nageldesignerin, die ebenfalls ein Lächeln auf den Lippen hatte. 
„Tut mir leid.“, entschuldigte ich mich sofort. 
Noch immer lachte ich, Selma streckte mir nur die Zunge raus und ziwnkerte mir zu. 
Sibel: „Du bist die beste!“
„Biliyorum (Ich weiss).“, grinste sie. 


Samstag Abend, wir waren im Flughafen und hatten gerade unsere Koffer abgegeben. Baba, Mutter, Pinar, Selma und Can, alle waren gekommen. Als unser Flug aufgerufen wurde verabschiedeten wir uns von ihnen. 
„Genießt die Zeit.“, sagte Mutter lächelnd. 
Baba: „Das wird euch gut tun.“
Ich umarmte ihn herzlich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Alles so emotional, dabei waren es doch nur zwei Wochen. Ausgerechnet Selma war diejenige, die losheulte. Lachend fiel ich ihr um den Hals und drückte sie fest an mich. 
Sibel: „Du dumme, wein doch nicht. Ich bin rechtzeitig wieder da, versprochen.“
„Hoff ich doch!“, schluchzte sie. 
„Ja komm übertreib Selma, ich bin doch da!?“, lachte Can. 
Selma: „Du bist aber nicht meine beste Freundin. Die ist nämlich das, was ich brauche.“
„Oha okay .. das merk ich mir.“, gab er mit gespielt beleidigter Miene zurück. 
Dann kam Pinar auf mich zu, gab mir zwei Küsschen auf die Wange und umarmte mich. 
„Viel Spaß Abla (Schwester).“, sagte sie. 
Sibel: „Danke mein Schatz.“ 
Ich löste mich von ihr und sah sie an. Sie war noch so jung, die viele Schminke ließ sie älter wirken. Es war klar, dass sie sich für jemanden hübsch machte. Die Frage war nur, für wen? Für Tolga? Ich betete dass es nicht so war. Ich machte einen Schritt auf sie zu. 
„Wenn ich wieder da bin, müssen wir reden.“, flüsterte ich ihr ins Ohr. 
Sie schluckte einmal und nickte dann kaum merklich ..

Kapitel 82

Dreizehn Tage Karibik und wir bekamen einfach nicht genug. Es war das reinste Paradies. Sonne, Strand, Meer, leckere kalte Cocktails und atemberaubende Massagen gab es hier. Einfach nur Traumhaft schön! Ich war so froh darüber, dass wir uns diese Pause gegönnt hatten. Ein paar Tage vom Alltagsstress abschalten, das war genau das was ich brauchte. Die ersten beiden Tage hatte ich noch ziemlich oft an Pinar denken müssen. Die Sache bereitete mir Kopfzebrechen. Unbedingt wollte ich wissen wer der Typ im Wagen war. Emre hatte zuvor alles getan um mir zu versichern, dass es nicht Tolga war. Trotzdem hatte ich Zweifel, ich wollte Klarheit! Ich wollte es aus Pinars Mund hören, dass sie und Tolga nichts miteinander zu tun hatten. 
„Schalt dein Kopf ab! Wenn wir in Hamburg sind, kannst du wieder einschalten.“ 
Das hatte Emre, an unseren zweiten Abend hier gesagt. Und das tat ich dann auch. Ich genoss die sonnigen Tage, die wundervollen Abende und die unvergessliche Nächte, die leider viel zu schnell vorüber waren. 
„Hey! Wo bist du?“, fragte Emre und tippe dabei mit dem Finger auf meine Schläfe.
„Ich will nicht gehen, es ist so schön hier.“, sagte ich traurig. 
„Biliyorum Hayatim (Ich weiss, mein Leben). Wenn ich es mir leisten könnte, würden wir hierher ziehen.“, antwortete er.
Sofort fing ich an zu Lachen. 
„Was ist daran so witzig? Das war mein Ernst.“, sagte Emre grinsend. 
Sibel: „Ich stell mir grad Selmas Reaktion vor, wenn wir hier her ziehen würden.“
„Ah die würde uns umbringen.“, lachte Emre. 
„Eben.“, stimmte ich lächelnd zu. 
Wir saßen gerade bei einer Art Candle Light Dinner in unserem Hotelzimmer. Das letzte Abendessen hier, Morgen früh heisst es wieder zurück in die Realität. 
Sibel: „So schön es hier auch ist, in Hamburg wartet das wahre Leben auf uns. Genau so, wie noch ein paar ungeklärte Fragen auf uns warten.“
Emre ergriff meine Hand und hauchte zärtliche Küsse darauf. 
„Das wird schon. Aber lass uns jetzt den letzten Abend hier geniessen.“, sagte er lächelnd. 
„Evet (Ja).“, erwiderte ich ebenfalls lächelnd. 
Dann stand er plötzlich auf und hielt mir die Hand hin. 
„Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte er grinsend. 
Im Radio lief irgendein doofes Franzözisches Lied. 
„Komische Musik, aber okay.“, antwortete ich lachend und nahm dann seine Hand. 
Lachend wirbelte er mich einmal durch den Raum. 
Emre: „Komische Musik, du hast recht. Aber das lässt sich ändern.“ 
Unerwartet ließ er mich auf einmal los, ging zum Radio und zog den Stecker. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. 
Sibel: „Was wird das?“
„Siehst du gleich.“, antwortete er lächelnd.
Dann kramte er aus seiner Umhängetasche, sein Handy mitsamt Kopfhörern heraus. Grinsend stand er kurz darauf wieder vor mir. Einen Stöpsel steckte er mir ins Ohr, das andere sich selbst und ein paar Sekunden später ertönte es. Unser Lied! Unser Hochzeitslied! Ich strahlte über das ganze Gesicht. Dann tanzten wir. Ich schloss meinen Augen, legte meinen Kopf auf Emres Schulter und genoss den Moment. 
„Ich liebe dich über alles.“, flüsterte er mir ins Ohr, als das Lied zu Ende war. 
Lächelnd hob ich meinen Kopf und küsste ihn. Lange und innig. Voller Leidenschaft und Liebe. Ich glaube das war der beste Kuss den wir je hatten. Mehrere Minuten standen wir da. Dann löste ich mich langsam von ihm, nahm seine Hand und zog ihn wortlos zum Bett. 


Selma: „Ich hab euch vermisst!“ 
Sibel: „Und wie wir dich vermisst haben!“
Total happy fielen wir uns in die Arme, es war irgendwie schön wieder in Hamburg zu sein. Trotz dieser komischen Situation mit Pinar. Vater und Mutter arbeiteten und Pinar war in der Schule. Also waren Can und Selma gekommen um uns abzuholen. 
„Wie war’s?“, wollte Can wissen. 
„Sehr schön, einfach traumhaft da. Musst ihr auch mal hin!“, antwortete ich begeistert. 
„Die wollte gar nicht mehr weg da.“, lachte Emre. 
Selma: „Irgendwie ja verständlich. Sommer, Sonne, Strand und Meer. Das ganze Jahr über einfach nur chillen. Das wär’s.“
Lächelnd hakte sie sich bei mir unter, während wir zum Auto liefen.
„Hey Abi (Bruder), Morgen Abend seid ihr bei uns zum Essen eingeladen. Ihr kommt doch oder?“, fragte Selma auf einmal. 
Emre: „Bilmiyorum (Ich weiss nicht).“ 
Selma: „Komm schon Abi! Das wird wahrscheinlich das letzte Essen ohne ein kreischendes Baby sein. Das volle Windeln hat.“
Der letzte Satz sorgte dafür, dass wir alle anfingen zu Lachen. Doch gleich darauf tauschten Emre und Can verzweifelte Blicke aus. 
„Huhu was geht bei euch?“, wollte ich wissen. 
„Na ja .. also .. ehm.“, stotterte Can. 
„Spuk es aus Can!“, sagte Selma ein wenig genervt. 
Can: „Also Morgen ist .. da ist so ein Spiel und ..“
„Morgen spielt St.Pauli gegen den Hsv. Wir wollten ins Stadion, Can hat schon Tickets gekauft.“, brachte Emre Cans Satz zu Ende. 
„Oh mein Gott. Fussball!“, zischte Selma entsetzt. 
„Ihr versetzt uns wegen Fussball?“, fragte ich lachend. 
„Hey Mädels, das ist das Spiel der Spiele alle werden da sein.“, verteidigte sich Emre. 
Selma: „Ja Ja geht nur wir brauchen euch nicht.“
Beleidigt stemmte sie die Hände auf die Hüften. Ihr Bauch war mega gross, als ob da drinn Vierlinge wären. Lachend nahm Can sie in die Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Die beiden waren so süß zusammen und bald würden sie Familienzuwachs bekommen. Ich freute mich für sie. 
Can: „Schatz, die letzten Tage ohne kreischendes Baby und volle Windeln. Du weisst.“
Selma: „Dann mach ich es mir mit Sibel gemütlich. Tamam? (Okay?).“
Erwartungsvoll sah sie mich an. Dann nickte ich lächelnd. 


Am nächsten Morgen machte ich mich erstmal auf den Weg zu Baba um Hallo zu sagen. 
Baba: „Kizim wie schön dich zu sehen, seni cok özledim (ich hab dich vermisst).“
„Ich dich auch Baba.“, antwortete ich und umarmte ihn.
Wir unterhielten uns eine Weile, als ich merkte dass Pinar nicht da war. 
„Pinar nerde? (Wo ist Pinar?).“, wollte ich nach ein paar Minuten wissen. 
Baba: „Die ist bei Ayla, ihre Eltern sind in Istanbul. Deshalb hab ich ihr erlaubt dort zu bleiben.“
Sibel: „Wie lange?“
Baba: „Bis nächsten Sonntag. Neden? (Wieso?)“
Na toll! Soll ich jetzt nochmal eine Woche warten um mit ihr zu reden? 
„Nur so, hab sie vermisst.“, sagte ich leise. 
Baba: „Du kannst dich ja Montag mit ihr treffen. Nach der Schule oder so.“ 
„Ja du hast Recht.“, erwiderte ich lächelnd. 
Ich hatte mir fest vorgenommen am Montag mit ihr zu reden. Ich wollte Klarheit! Woher sollte ich zu diesem Zeitpunkt wissen, dass dieses Gespräch noch eine Weile warten musstem, weil mir etwas anderes dazwischen kommt?

Kapitel 83

Am nächsten Abend saß ich bei Selma. Emre und Can waren vor ein paar Minuten losgefahren zum Spiel, also machten wir beide es uns vor dem Fernseher gemütlich. 
„Meinst du die beiden kommen vor Mitternacht?“, fragte sie mich. 
„Ich denke schon, das Spiel ist gegen halb elf aus.“, antwortete ich. 
Selma: „Was sollen wir schauen?“ 
Sibel: „Hmm was hast denn alles da?“
Selma stand auf und machte den Regal auf, in denen eine ganze Reihe voller Dvd’s waren. Sie war ein totaler Liebeschnulzen Fan, besonders die Verfilmungen von Nicholas Sparks Büchern hatten es ihr angetan. 
„Das Leuchten der Stille, Mit dir an meiner Seite, Nur mit dir, Wie ein einziger Tag?“
Beim letzten Titel hob sie ihren Kopf und sah mich erwartungsvoll an. 
„Gott nein!“, lachte ich. 
„Den haben wir schon so oft angeguckt Selma.“, fügte ich hinzu. 
„Ach komm bitte.“, bettelte sie. 
Sibel: „Ich will nicht weinen!“
Selma: „Wir weinen zusammen okay?“ 
Grinsend stand sie da und sah mich mit diesen Kulleraugen an. Dann legte sie eine Hand auf ihren Bauch. 
Selma: „Murat will den auch gucken.“
„Du bist so ein Penner. Mach rein.“, lachte ich. 
Sie wusste genau wie man mich um den Finger wickeln konnte. 
„Wuhu.“, stieß sie triumphirend hervor. 
Nachdem sie die Dvd eingelegt hatte, setzte sie sich zu mir. 
„Allahim (Oh mein Gott).“, schrie sie nach 15 Minuten plötzlich. 
Sibel: „Was ist los?!“ 
„Uff diese Schmerzen man.“, jammerte sie und fasste sich an den Bauch. 
„Ist ja nur noch eine Woche bis zur Geburt, dann bist du durch.“, lächelte ich ihr aufmunternd zu. 
Keine 15 Minuten später schon wieder. 
„Mein Rücken.“, zischte sie mit zusammengekniffenden Augen. 
„Canim, das sind die Wehen ... willst du ein Bad nehmen? Hab gehört das lindert die Schmerzen.“, fragte ich. 
Selma: „Ja ich weiss. Warmes Bad ist gut. Aber ich weiss nicht..“
„Los geh, ich komm schon zu recht. In der Zwischenzeit koch ich Tee tamam?“
Ich stand auf, reichte ihr meine Hand und zog sie ebenfalls hoch. 
„Vallah ich fühl mich wie ein Nilpferd.“, lachte sie. 
Sibel: „Überteib mal nicht, du hast gar nicht so viel zugenommen.“
Sie war tatsächlich fast noch wie vorher, nur ihr Bauch war groß und rund. Ihre Oberweite war auch ein wenig größer, aber der Rest ihres Körpers war wie immer. 
Selma ging kurz in ihr Zimmer, während ich in die Küche ging und Tee aufsetzte. Meine Gedanken wanderten mal wieder zu Pinar, mit der ich mich Morgen treffen wollte. Einen weiteren Anruf wie damals in der Nacht, hatte ich gott sei dank nicht mehr bekommen. Wie es aussieht hatte sich jemand in der Nummer geiirt. Nach guten 30 Minuten nahm mein Handy und wählte Pinars Nummer. Nach dem 4. Klingeln nahm sie endlich ab. 
„Nerdesin? (Wo bist du?)“, fragte ich. 
Pinar: „Bei Ayla. Ich komm erst nächste Woche und ..“
„Nein, ich komm Morgen nach der Schule und hol dich ab. Dann gehen wir was trinken und können uns in Ruhe unterhalten.“, unterbrach ich sie. 
„Aber Abla (Schwester), ich muss lernen.“, protestierte sie. 
Sibel: „Kannst du auch danach. Wann hast du Schule aus?“
Pinar: „Ich weiss nicht genau ..“
„Wann hast du Schule aus Pinar?!“, hakte ich nach. 
„Gegen 16 Uhr.“, antwortete sie schliesslich. 
Sibel: „Gut, bis Morgen dann.“
Zufrieden legte ich auf und wollte grad die Gläser mit Tee füllen als ich auf einmal Selma nach mir schreien hörte. 
Selma: „Oh mein Gott! Sibel?“
Sofort rannte ich in ihr Zimmer. Sie stand in Jogginhosen und einem weiten Top da und sah mich mit großen Augen an. Ihr Haar war noch nass. Als ich an ihr herab sah, merkte ich den Grund ihrer Panik. Ihre Fruchtblase war geplatzt. 
„Sibel ..“, flüsterte sie ängstlich. 
„Keine Panik canim, ich bin da.“, versuchte ich sie zu beruhigen. 
Erstmal half ich ihr etwas anderes anzuziehen. 
„Ahh das tut so weh.“, sagte sie mit schmerzerfülltem Gesicht. 
„Okay beruhige dich canim. Das sind die Wehen, ist ganz normal.“
Ich versuchte Ruhe zu bewahren, dabei war ich selber total in Panik. Jedoch ließ ich mir nichts anmerken, das würde Selma nur unsicherer machen. Dann brachte ich sie ins Wohnzimmer. 
Selma: „Wir sollten die Jungs anrufen.“
„Evet (Ja).“, antwortete ich und reichte ihr das Handy. 
„Ruf du an, ich geh hoch und nimm deine Tasche. Du hast schon eine gepackt oder?“, wollte ich wissen. 
Gott sei dank nickte sie zustimmend, ich war nicht in der Lage jetzt Klamotten zu packen. Meine Finger zitterten verräterisch. Schnell ging ich wieder ins Zimmer und holte die Tasche. 
„Die haben beide ihre Handys aus Sibel!“, schrie Selma als ich wieder da war. 
Sibel: „Sind die bescheuert?!“
Nächste Wehe setzte ein, bei der Selma sich schmerzhaft zusammenkrümmte. 
„Ich kann nicht mehr!“, flüsterte sie. 
„Lass und ins Krankenhaus fahren.“, sagte ich. 
Ich half ihr auf und führte sie langsam nach draussen. 
„Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.“, flüsterte ich. 
Selma: „Meinst du dich oder mich?“
Als sich unsere Blicke trafen, lachten wir beide. 
„Tut mir leid.“, entschuldigte ich mich und hielt ihr dann die Wagentür auf. 


Nachdem wir Mutter informiert hatten, schaffte ich es endlich Emre zu erreichen. 
„Wieso zum Teufel sind eure Handys aus gewesen?“, fragte ich wütend. 
Emre: „Was ist denn los?“
Sibel: „Wo seid ihr?“
Emre: „Auf den Weg nach Hause.“
Sibel: „Kursänderung, ab ins Krankenhaus mit euch. Sofort!“
Emre: „Krankenhaus?! Was ..“ 
Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. 
„Wie geht es Selma?“, hörte ich Can plötzlich am anderen Ende der Leitung. 
„Die Geburt hat angefangen und ..“
„Lass sie nicht allein Sibel. Wir sind gleich da.“, unterbrach er mich nervös. 
„Keine Sorgen ich geh jetzt in den Kreissaal. Beeilt euch!“
Ich legte auf und ging dann direkt zu Selma, die auf einen grossen Bett lag. Um sie herum standen mehrere Schwestern und ein Arzt war ebenfalls gekommen .. wie es aussah stimmte etwas nicht... 

Kapitel 84

Meine Knie zitterten, mein Herz hämmerte wie verrückt als ich die ganzen Schwestern hin und her laufen sah. 
„Was ist los?“, wollte ich wissen. 
„Und sie sind?“, fragte mich der Arzt, der lächelnd auf mich zu kam. 
Das Lächeln beruhigte mich irgendwie, ich atmete einmal tief aus. 
„Ihre Schwägerin. Stimmt denn etwas nicht?“, fragte ich leise. 
„Keine Sorge, wollte nur mal nach schauen, aber es ist alles okay. Ab hier übernimmt die Hebamme.“, antwortete er und verließ kurz darauf das Zimmer. 
Sofort ging ich zu Selma und nahm ihre Hand. Sie sah total erschöpft aus. 
„Wo sind die anderen?“, fragte sie. 
„Anne (Mutter) wartet draussen, die hat Angst umzufallen wenn sie dich hier liegen sieht. Can und Emre sind auf den Weg, die müssten gleich da sein.“, antwortete ich lächelnd. 


Wie in Trance lief ich Stunden später aus den Zimmer. Ich konnte mich grade noch auf den Beinen halten. Es war bereits 4 Uhr Morgens. Das Geschrei von Murat .. und Selmas erschöpftes aber glückliches Gesicht als sie ihn in den Arm genommen hatte. Es war so unbeschreiblich schön. Der Gedanken daran, dass ich mittlerweile ebenfalls .. dass ich mein Baby mittlerweile ebenfalls in den Armen halten könnte, wenn dieser Unfall nicht passiert wäre.. er schmerzte. Der Gedanken tat weh. Unwillkürlich traten mir Tränen in die Augen. Nein! Ich wollte nicht daran denken, es war Vergangenheit. Das Kapitel hatte ich bereits abgeschlossen. So wie ich auch die Sache mit Tolga und Kevin abgeschlossen hatte. Mein Leben war wie ein Buch. An manchen Stellen schlechter, an manchen besser. Wichtig war einfach die schlechten Teile so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Als ich endlich den Kreissaal verlassen hatte, sah ich wie die anderen schnell auf mich zu kamen. 
„Was ist passiert?“, fragte Can nervös.
„Herzlichen Glückwunsch. Murat und Selma geht es gut, sie werden gleich in ein Zimmer verlegt.“, antwortete ich lächelnd. 
Alle fielen sich glücklich in die Arme, auch Cans Mutter und seine Schwestern waren da. 
Nachdem mich Emre fest umarmt hatte, setzte ich mich erstmal auf einen Stuhl. Es war eine lange Nacht gewesen, ich hatte keine Ahnung dass eine Geburt so lange dauern könnte. Total müde lehnte ich mich zurück und schloss meine Augen. 
„Hier nimm hayatim (Mein Leben).“, flüsterte Emre. 
Als ich meine Augen aufschlug, sah ich dass er mir einen Kaffe hinhielt. Dankbar nahm ich ihn und trank. Ein paar Minuten saßen wir einfach wortlos da. 
„Alles okay bei dir?“, fragte Emre schliesslich. 
Ich nickte leicht.
„Wirklich?“, hakte er nach. 
Sibel: „Ja, der kleine ist so süß und Selma ist mega glücklich. Ich freu mich.“ 
Müde legte ich meinen Kopf auf seine Schulter. 
„Ich liebe dich.“, sagte Emre plötzlich. 
Ich hob meinen Kopf und sah ihn lächelnd an. 
Sibel: „Biliyorum (Ich weiss). Ich liebe dich auch.“ 
Emre: „Wir werden noch ganz viele Babys kriegen.“
Sofort wandte ich meinen Blick von ihm. Meine Augen füllten sich. Obwohl es schon mehrere Monate her war, schmerzte es einfach noch immer. Es kam mir vor als wäre es gestern gewesen. Glaubt mir, es gibt nichts schlimmeres als ein Baby auf diese Art und Weise zu verlieren. Damit meine ich nicht nur den Unfall, sondern die Tatsache, dass es gar kein Unfall war. Aus purer Rache ein Menschenleben auslöschen zu wollen.. 
„Hey schau mich an.“, sagte Emre und drehte mein Gesicht zu ihm. 
Zärtlich wischt er mir eine Träne von meiner Wange und küsste mich kurz. 
„Du wirst sehen, alles wird gut.“, versprach er mir lächelnd. 
Emre: „Lass und jetzt nach Hause gehen, du musst schlafen.“
Als ich aufstand taumelte ich erst mal einen Schritt zur Seite. Emre hielt mich fest. 
„Ich muss echt schlafen.“, lächelte ich schwach....



Das Treffen mit Pinar hatte ich abgesagt, da die Geburt ein wenig überraschend kam. Die Woche ging recht schnell um, Selma war mittlerweile zu Hause. Murat entpuppte sich als kleiner schreihals. Alle waren glücklich und verrückt nach ihn. Ich saß bei Selma und hielt den kleinen im Arm, während sie telefonierte. 
„Ay yerim seni (Ich fress dich).“, sagte ich und knutsche Murat ab. 
Selma: „Gott wann hört das scheiss Telefon auf zu klingeln.“
„Dann wenn dir auch wirklich alle 3.000 Verwandte gratuliert haben.“, lachte ich. 
Genervt liess sie sich auf die Couch fallen. Sie schien ein wenig überfordert zu sein. 
„Canim stress dich nicht, in paar Tagen hast dich dran gewohnt.“, sagte ich lächelnd. 
„Hoffe ich doch, Murat lässt mich kaum schlafen.“, antwortete sie ebenfalls lächelnd. 



Am nächsten Tag ging ich endlich zu Baba, ich hoffte Pinar zu erwischen, wenn ich unangekündigt vorbei schaue. Dieses Gespräch war mittlerweile überfällig, ich konnte einfach nicht noch länger warten. Ich hatte zwar die Hausschlüssel, klingelte jedoch. Kurz darauf öffnete Baba mir die Tür. 
Baba: „Kizim (Meine Tochter), schön dich zu sehen.“
Lächelnd nahm er mich in den Arm. Ich trat ein und ging ins Wohnzimmer, wo ich mich erst mal setzte. 
„Wie geht es dir? Du siehst ein wenig blass aus.“, fragte Baba besorgt. 
Sibel: „Ach mir geht’s prima.“
Baba: „Kizim, wenn irgendwas ..“
„Wirklich Baba, mir geht es gut.“, unterbrach ich ihn lächelnd. 
Ich stand auf und machte uns einen Kaffe. Als ich mich wieder setzte fragte ich: 
„Wo ist Pinar? Die sollte doch schon wieder zurück sein von Ayla.“
„War sie auch, aber ihre Klasse ist heute nach München gefahren. Die bleiben eine Woche dort.“, antwortete Baba. 
Mein Gott! Ich fühl mich verarscht! Immer kommt etwas dazwischen. Ich blieb noch eine Weile und fuhr dann nach Hause. Irgendwie dachte ich daran, nach München zu fahren und Pinar zur Rede zu stellen. Kopfschüttelnd verwarf ich den absurden Gedanken wieder. Ich kam mir vor wie eine Besessene. Ich stieg gerade vor der Apotheke aus als mein Handy klingelte. Unbekannt... 

Kapitel 85

„Hallo?“, sprach ich ins Telefon. 
„Hey Baby, hast du mich vermisst?“, hörte ich eine bekannte Stimme reden. 
Sofort legte ich auf. Mit zittrigen Händen starrte ich auf das Display, mein Herzschlag raste, mein Atem ging unregelmässig. Kevin! Was zum .. es war wirklich Kevin gewesen! Ich stand wie versteinert am Eingang der Apotheke. 
„Alles in Ordnung junge Dame?“
Eine alte kehlige Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Als ich meinen Kopf hob, sah ich einen etwa 70 Jahre alten Mann, der mich mit seinen blauen Augen anlächelte. 
„Ja .. ich .. ehm .. mir geht’s gut.“, stotterte ich. 
„Sie sehen ein wenig blass aus, kann ich ihnen helfen?“, fragte er mich. 
„Nein. Nein danke, ich wollt nur eben was kaufen.“, antwortete ich. 
„Also wollen sie rein!?“, gab er lächelnd zurück und hielt mir die Tür auf.
„Danke.“, flüsterte ich und ging rein. 
Als ich die Apotheke wieder verließ, dröhnte mein Kopf. Kevin! Wurde er bereits entlassen? Wegen guter Führung?! Nein! Das kann nicht wahr sein! Das darf nicht wahr sein! Wenn es so wäre, hätten wir doch schon davon gehört? Geht der Horror wieder los? Schnell kramte ich mein Handy aus der Tasche und wählte Emres Nummer. 
Emre: „Hallo hayatim.“
„Schatz wo bist du?“, fragte ich nervös. 
Emre: „In der Uni. Neden? (Wieso?)“
Sibel: „Wann kommst du nach Hause? Wir müssen reden.“
„Was ist denn passiert?!“, fragte er besorgt. 
Sibel: „Ich .. können wir zu Hause drüber reden?“
Mir war absolut nicht danach am Handy darüber zu reden, ich war gerade kaum in der Lage die Straße zu überqueren. 
Emre: „Sibel mach mir keine Angst! Was ist passiert? Selma? Murat? Geht’s denen gut?“
„Ja keine Sorge, denen geht es gut ..“, flüsterte ich. 
„Pinar?!“, fragte er. 
Ich konnte ihn zwar nicht sehen, jedoch hatte ich diesen „Sag mir was los ist.“ Blick von Emre vor Augen. Kennt ihr das, wenn man am liebsten losheulen will, aber die Tränen unterdrücken muss, weil man in der Öffentlichkeit ist? Genau so ging es mir gerade! 
Sibel: „Die ist in München, auf Klassenfahrt.“
Meine Stimme bebte, bevor ich in Tränen ausbrach stieg ich in den Wagen und schaltete den Motor ein. 
Emre: „Sibel! Wo bist du? Ich hol dich ab.“
„Nein ich .. ich fahr jetzt nach Hause.“, murmelte ich. 
Emre: „Hayatim (Mein Leben) ruf mich an, wenn du da bist. Ich hab jetzt Vorlesung, fahre aber sofort los sobald ich hier raus bin.“
Er klang besorgt. Mein Gott wie ich seine Umarmung jetzt brauchte! 
„Tamam (Okay).“, sagte ich leise. 
Ich wollte schon auflegen, als Emre erneut sprach. 
„Sibel?“
„Evet? (Ja?).“
„Ich liebe dich, fahr bitte vorsichtig.“, flüsterte er. 


„Bist du dir sicher, dass es Kevin war?“, fragte Selma. 
Sie war mit Murat zu Besuch gekommen, Mutter war gerade in der Küche. 
„Psht, nicht so laut!“, flüsterte ich. 
Selma: „Okay, okay.“
Sibel: „Er war es! Er meinte ... ‚Hey Baby, hast du mich vermisst?’“
„So ein Hundesohn!“, zischte Selma wütend. 
Sibel: „Ich hab Angst Selma...“
Selma: „Musst du nicht! Der hat definitiv vom Gefängnis aus angerufen. Wenn er schon draussen wäre würden wir das wissen.“
„Ja.. Herr König meinte auch er gibt Bescheid, falls irgendwas ist.“, sagte ich leise. 
Keine 10 Minuten später kam Emre, als ich ihm vom Anruf erzählte rastete er aus.
„So ein kleiner Bastard! Ich bring den um!“, schrie er. 
„Abi (Bruder), er kann nichts machen.“, versuchte Selma ihn beruhigen. 
„Nichts machen? Nichts machen?! Der Wichser ruft meine Frau an!“, brüllte er. 
Er war völlig ausser sich vor Wut und lief im Wohnzimmer auf und ab. 
„Emre schrei nicht so .. der kleine.“, flüsterte ich. 
„Tut mir leid.“, antwortete er kleinlaut.
Nervös fuhr er sich durch die Haare, nahm dann sein Handy und wählte eine Nummer. 
„Wenn rufst du an?“, fragte Mutter, die mittlerweile ebenfalls im Zimmer war. 
„Herr König!“, sagte Emre nur.
Murat fing plötzlich an zu weinen, woraufhin Emre im Flur verschwand. Ich wollte ihm hinterher, mir fehlte jedoch die Kraft aufzustehen. Seit Tagen fühlte ich mich unwohl. 
Als Emre ein paar Minuten später wieder ins Wohnzimmer kam, sah er irgendwie beruhigt aus. Er setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm.
„Keine Sorge Hayatim (Mein Leben).“, hauchte er mir ins Ohr. 
Ich hob langsam meinen Kopf und sah ihn fragend an. 
Emre: „Der Bastard darf ab und zu telefonieren, aber ab jetzt werden die Anrufe überwacht. Hab das mit deinen Anwalt geklärt.“ 
Erleichert legte ich meinen Kopf auf seine Schulter. Es war ein unglaublich gutes Gefühl zu wissen, dass er noch im Gefängnis sitzt! Ich war plötzlich so extrem müde, dass mir die Augen zufielen. 
„Canim geht’s dir gut?“, hörte ich Selma fragen. 
„Ja .. ja .. bin glaub nur ein bisschen müde.“, flüsterte ich, ohne meine Augen zu öffnen. 
Es war einfach nur ein scheiss Tag gewesen. Erst musste ich das Gespräch mit Pinar, mal wieder verschieben. Dann dieser kranke Kevin, der mich einfach nicht in Ruhe lässt. Was ich jetzt wollte war schlafen! 

Stunden später, stand ich schweissgebadet auf. Es war noch mitten in der Nacht. Emre lag neben mir und schlief. Ich setzte mich auf und sah ihn eine Weile an. Wie ich ihn liebte! All diese Hindernisse, die das Leben mir gestellt hatte, würde ich ohne nie niemals durchstehen. Er war mein Fels in der Brandung. Meine bessere Hälfte. Langsam stand ich auf und tapste ins Bad... 

„Sibel? Geht es dir gut?“, hörte ich Emre vor der Badezimmertür flüstern. 
Ganz leicht klopfte er. Ich weiss nicht genau wie lange ich da drinn war, es musste jedoch ziemlich lange gewesen sein. Erneut ein leises Klopfen. 
Emre: „Sibel?! Sag was!“
„Mir geht’s gut ..“, antwortete ich leise. 
„Was machst du da drinn?“, wollte er wissen. 
Was ich hier machte? ...

Kapitel 86

Er wollte wissen was ich hier machte? Ich saß am Badewannenrand und starrte auf diesen kleinen Schwangerschaftstest, den ich mir am Vortag in der Apotheke geholt hatte. 
„Sibel mach jetzt auf!“, verlangte Emre. 
Langsam stand ich auf, versteckte den Test unter der Wäsche und machte dann auf. 
„Was machst du hier?“, fragte er erneut. 
„Nichts, ich wollte Duschen aber hab mich anders entschieden.“, sagte ich. 
Emre: „Um die Uhrzeit?“
Sibel: „Ja ich .. bin ein bisschen durcheinander. Du weisst wieso.“
„Ach Hayatim (Mein Leben), es ist vorbei. Schon lange! Er wird dir niemals mehr weh tun können, das weisst du doch? Ich bin hier. Alles wird gut. Das mit Pinar wird sich auch klären!“, sagte er lächelnd und nahm mich dann in den Arm. 
„Inshallah (So Gott will).“, flüsterte ich. 
Emre: „Lass uns ins Bett gehen.“
Er nahm meine Hand und zog mich wieder ins Zimmer... 


„Der wäre umgefallen vallah (Bei gott)!“, antwortete Selma lachend, auf meine Frage wieso Can nicht bei der Geburt im Kreissaal war. 
Wir saßen in Starbucks und gönnten uns mal wieder einen leckeren Kaffee. Es war schon wieder Ende November, wie schnell die Zeit doch verging. Murat hatten wir für ein paar Stunden bei Cans Mutter gelassen, weil sie meinte der kleine braucht auch Zeit mit der Oma. Selma war es recht gewesen, die arme hockt fast nur noch zu Hause. 
„Hab mich schon gewundert, wieso der nicht reinkam.“, lachte ich ebenfalls. 
Selma: „Ja der hat sogar Angst vor Spritzen hab ich dir das schon erzählt?“
Sibel: „Nein hast du nicht!“
Oh man wie ich es vermisste mit ihr etwas zu unternehmen. 
Sibel: „Lass den kleinen mal öfter bei den Omas, kannst ja auch abwechseln.“
„Ja die beiden haben mir das schon angeboten. Werd in Zukunft öfter abhauen. Die wollen nicht, dass ich nur zu Hause gammel und depressiv werde.“, lachte Selma. 
Selma wie sie leibt und lebt. Mit ihrem losen Mundwerk und den Drang zu übertreiben. Sie schaffte es sogar bei den ernsten Themen Witze zu reißen. 
„Salak! (Idiot!)“, grinste ich nur. 
Morgen würde Pinar endlich aus München kommen, ich hatte extra in der Schule angerufen um zu fragen wann der Bus genau an kommen würde. 
„Hast du für Samstag schon was geplant?“, fragte Selma mich. 
In drei Tagen war Emres Geburtstag, ich freute mich schon riesig. 
Sibel: „Ja canim, wir essen alle zusammen bei uns zu Mittag ich werde was schönes kochen. Danach lassen wir Murat bei Mutter, gehen Eislaufen und dann wird der Abend in der Shisha Bar ausgeklungen.“ 
„Eislaufen?!“, fragte Selma verblüfft. 
„Ja, Emre besteht darauf.“, lachte ich. 
Selma: „Hö, seit wann mag der sowas?“
Sibel: „Seit letztes Jahr. An seinen 23. war ich mit ihm dort. Es war so schön.“
Der Gedanke an Emres letzten Geburtstag zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Damals hatte es mit Lauras Anruf richtig blöd begonnen, aber nachdem ich ihr meine Meinung gegeigt hatte, war der restliche Tag wunderschön gewesen. Na ja .. bis zum Teil in der Shisha Bar, als Tolga plötzlich aufgetaucht war.. 
„So ich glaub wir gehen dann mal.“, sagte Selma nach ein paar Minuten. 
„Müssen wir wiederholen canim.“, lächelte ich. 
Als erstes fuhren wir zu Cans Mutter und holten den kleinen ab. Dann brachte ich Selma und Murat nach Hause. 
„Willst du nicht reinkommen?“, fragte Selma als wir an der Tür standen. 
„Hmm ich weiss nicht, ist schon recht spät..“, antwortete ich und warf einen Blick auf mein Handy. 
Selma: „Hast du noch was zu tun?“
Sibel: „Ja ich .. ehm nein. Nein hab ich nicht.“
„Na dann komm rein.“, lächelte sie und schloss die Tür auf. 
Sibel: „Uff tamam (okay), aber nur kurz. Will den kleinen abknutschen.“


Ein paar Stunden später saß ich mit Emre und Mutter beim Abendessen. 
„Wo warst du heute?“, fragte Emre auf einmal. 
Sibel: „War mit Selma Kaffee trinken.“
Emre: „Und danach?“
Was zum .. seit wann fragt er mich wo ich war? Ich warf ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zu und merkte, dass er auf seinen Teller starrte. 
„Bist du gleich nach Hause gekommen?“, fragte er erneut und hob nun seinen Kopf, so dass ich ihm direkt in die Augen sah. 
„Nein. Ich war noch was kaufen, wieso fragst du?“, gab ich ruhig zurück. 
„Was kaufen?“, fragte er ein wenig überrascht. 
Sibel: „Ja .. du Schlaumeier. Du hast in 3 Tagen Geburtstag.“
„Oh achso, okay. Was hast denn schönes gekauft?“, antwortete er grinsend. 
Sibel: „Das siehst du dann am Samstag. Seit wann fragst du wann und wo ich war?“
„Ich bin mal im Arbeitszimmer. Kizim (meine Tochter), wenn ihr fertig seid mit dem Essen, dann setzt doch bitte den Tee auf.“, meldete sich Mutter zu Wort. 
„Natürlich Anne (Mutter).“, antwortete ich lächelnd. 
„Also ..“, sagte ich als sie weg war. 
Ich hatte meine Gabel bei Seite gelegt und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. 
„Also was?“, fragte er ahnungslos. 
Sibel: „Wieso wolltest du wissen wo ich war?“
Emre: „Nur so.“
Wütend stand ich auf und räumte den Tisch auf. Wollte er mich verarschen? Er fragt sonst nie, ausserdem wusste er dass ich heute mit Selma unterwegs war. 
Emre: „Wieso bist du jetzt sauer?“
„Nur so.“, sagte ich und legte die Teller in die Spülmaschine. 
Emre: „Sibel ..“
Ich merkte wie er aufstand und sich näherte. Dann umarmte er mich von hinten und küsste sanft meinen Hals. 
„Tut mir leid. Ein Kollege hat dich vorhin in der Stadt gesehen, er meinte du sahst verwirrt aus. Du bist seit ein paar Tagen so komisch ich mach mir Sorgen.“, flüsterte er. 
Sofort löste ich mich von seiner Umarmung und drehte mich um. 
„Wo hat er mich gesehen?“, fragte ich schnell. 
Emre: „Keine Ahnung. Sibel ist alles okay?“
„Ja. Ja vallah (Bei Gott), mir geht es gut. Bin nur aufgeregt, wegen Pinar .. die kommt doch Morgen.“, antwortete ich. 
„Das wird schon hayatim (mein Leben).“, lächelte er mir aufmunternd zu. 

Am nächsten Tag fuhr ich zur Bushaltestelle und wartete auf Pinar. Baba hätte sie eigentlich abholen sollen, aber da ich sie sowieso sehen wollte hatte ich das übernommen. Total nervös stand ich da und kaute auf meiner Unterlippe rum. Als der Bus endlich kam und Pinar ausstieg, hämmerte mein Herz wie verrückt. 
„Hey Abla (Schwester), was machst du denn hier?“, fragte Pinar überrascht als ich auf sie zu kam. 
Sibel: „Wie wär’s mit Hallo, wie geht’s dir, ich hab dich vermisst.“
„Sorry.“, sagte sie und umarmte mich dann lange. 
Ich drückte ihr zwei Küsse auf die Wangen. 
„Ich hab dich wirklich vermisst. Du siehst gut aus.“, lächelte Pinar. 
Sibel: „Ich dich auch und gleichfalls mein Schatz. Du wirst immer hübscher.“ 
Wir stiegen in den Wagen und fuhren los. 
„Wohin gehen wir?“, fragte Pinar, als sie merkte dass ich in eine andere Richtung fuhr. 
„Starbucks.“, antwortete ich ohne meinen Blick von der Straße zu nehmen. 
Pinar: „Neden? (Wieso?).“
„Wir müssen reden.“, sagte ich nur. 
Ich sah aus den Augenwinkeln wie sie kurz ihre Augen schloss und einmal tief ausatmete ..

Kapitel 87

„Worum geht’s?“, fragte Pinar. 
Wir saßen seit einer gefühlten Ewigkeit da und tranken Java Chip Chocolate. Ich schloss kurz meine Augen und massierte mir die Schläfen. Gott wie mein Kopf schmerzte. 
„Abla? (Schwester?)“, fragte Pinar erneut. 
„Was hast du mit Tolga.“, platze es aus mir heraus. 
Ich öffnete meine Augen und sah in das geschockte Gesicht von Pinar. 
„Bitte was?!“, fragte sie mit weit aufgerissenen Augen. 
„Du hast schon richtig gehört Pinar.“, flüsterte ich. 
Pinar: „Ja aber .. was meinst du damit?!“
„Das was es heisst!“, zischte ich wütend. 
Ich hatte absolut kein Bock auf Spielchen. Wie sie so auf unwissend tat, kotze mich an. 
„Bist du verrückt geworden?“, schrie sie und stand ruckartig auf. 
Mehrere Augenpaare richteten sich auf uns. 
„Setz dich... lütfen (bitte).“, sagte ich so ruhig wie möglich. 
Als sie merkte wie uns die Leute anstarrten, folgte sie meiner Bitte. 
Pinar: „Ich hab keine Ahnung wer dir diesen absurden Gedanken in den Kopf gesetzt hat.“
„Meine Augen.“, antwortete ich. 
Sie sah mich an als sei ich verrückt geworden. 
„Ich hab euch gesehen Pinar! Du bist in seinen Wagen gestiegen.“, fügte ich hinzu. 
Ihr fiel die Kinnlade herunter. 
Sibel: „Versuch gar nicht erst es abzustreiten ..“
„Du folgst mir?“, unterbrach sie mich geschockt. 
„Nein! Tu ich nicht. Das war an dem Morgen als ich dich zur Schule gefahren hab, Zufall!“, verdeidigte ich mich. 
„Das stimmt nicht ..“, flüsterte sie. 
Sibel: „Doch Pinar .. ich hab euch gesehen.“
„Ich hab nichts mit Tolga! Wie kannst du sowas denken?“, sagte sie leise.
Ihr Stimme zitterte, sie fing an zu weinen. 
Sibel: „Wieso weinst du jetzt?“
„Weil ich nicht glauben kann, dass du denkst ich sei zu sowas in der Lage! Du bist meine Schwester um Gottes Willen, meinst du ich könnte dir so in den Rücken fallen?“, schluchzte sie. 
Sibel: „Aber ..“
„Nichts aber!“, fiel sie mir ins Wort. 
„Was auch immer du gesehen hast. Tu das aus deinem Kopf raus! Ich hab nichts mit Tolga zu tun!“, fügte sie hinzu. 
Mehrere Minuten sagte keine von uns was. Irgendwie glaubte ich ihr, sie schien tatsächlich total unter Schock, dass ich sowas dachte. 
„Ich fass es nicht. Du denkst seit Wochen, dass ich .. aman allahim (Mein Gott.)“, brach Pinar schließlich die Stille. 
„Es tut mir leid ..“, flüsterte ich kleinlaut. 
Pinar: „Mir tut es leid, dass dieses Gespräch nicht schon früher stattgefunden hat. Dann hättest du die letzten Wochen wenigstens nicht leiden müssen.“
Ich hob meinen Kopf und sah sie an, sie lächelte und nahm dann meine Hand. 
„Ich hab keine Ahnung was damals zwischen euch vorgefallen ist und will es auch gar nicht wissen, wenn du nicht bereit bist darüber zu reden. Das geht niemanden was an. Alles was ich dir sagen kann ist, dass ich nichts mit Tolga habe. Du bist doch meine Schwester, ich liebe dich.“, sagte sie lächelnd. 
Meine Augen füllten sich. Ich war so erleichtert und froh, dass es geklärt war. Endlich wurde auch diese „Last“, von meinen Schultern genommen. 
Pinar: „Aglama (Wein nicht), fährst du mich jetzt bitte nach Hause?“
Ich nickte nur wortlos. Als wir da waren, kam mir plötzlich ein Gedanken. 
„Pinar?“, sagte ich als sie schon aussteigen wollte. 
„Ja?“, antwortete sie. 
Sibel: „An dem Morgen .. du bist in einen Wagen gestiegen .. hast du einen Freund?“
Pinar: „Ich .. ich bin total müde. Können wir ein anderen mal darüber reden?“
Sie schien wirklich müde zu sein, ist ja auch ne lange Fahrt von München nach Hamburg. Ich nickte verständisvoll, dann drückte sie mir einen Kuss auf die Wange und stieg aus. 


Emre: “Ich hab doch gesagt, dass alles ein Missverständniss ist.“ 
„Ich bin so erleichtert, das glaubst du mir gar nicht.“, antwortete ich. 
Müde liess ich mich neben ihm auf das Bett fallen. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und klammerte mich fest an ihm. Sanft strich er mit den Fingerspitzen über meinen Arm. 
„Wie hat sie reagiert als du gefragt hast?“, wollte er wissen. 
„Schockiert. Ja sie war wirklich schockiert.. als hätte ich ihr ein Glas kaltes Wasser ins Gesicht geworfen.“, antwortete ich leise. 
Ein paar Minuten lagen wir einfach nur da, keiner von beiden sagte was. Ich genoss die Stille. 
„Ich mach mir Vorwürfe, dass ich sowas überhaupt in Betracht gezogen hab.“, sagte ich schliesslich. 
Emre: „Musst du nicht hayatim (Mein Leben), du willst nur das beste für Pinar. Das weiss sie auch, mach dir da kein Kopf.“


„Happy Birthday to you, Happy Birthday to you.“, flüsterte ich Emre ins Ohr. 
Ganz langsam öffnete er seine Augen und grinste mich verschlafen an. Wie süß er war! 
„Günaydin (Guten Morgen) mein Schatz.“, lächelte ich. 
Eine gute Stunde saß ich im Schneidersitz da und hatte ihm beim schlafen zugeschaut. Jetzt beugte ich mich nach vorne und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. 
„Besser kann der Morgen nicht beginnen.“, grinste Emre. 
Unerwartet packte er mich an den Hüften und schon lag ich unter ihm. Dann küsste er meinen Hals und fing gleichzeitig an mich zu kitzeln. 
„Emre yapma (hör auf).“, kicherte ich. 
Er hielt kurz inne und küsste snaft meine Nasenspitze. Schnell ergriff ich die Chance und drehte den Spieß um.
„Hey was machst du da?“, fragte Emre sichtlich amüsiert. 
Jetzt saß ich rittlings auf ihn, nahm seine Hände und drückte sie gegen das Bett. 
„Teil eins meines Geschenkes.“, antwortete ich. 
Emre: „Ohhh .. wie viele Teile hat denn dein Geschenk?“ 
Sibel: „Drei. Der erste kommt jetzt ..“
Ich hielt kurz inne um ihn zu küssen. 
„Der zweite kommt nach dem Eislaufen.“, hauchte ich und küsste ihn erneut.
Sibel: „Und das beste kommt, wenn wir wieder zu Hause sind.“
Wieder küsste ich ihn, diesmal länger. 
„Kannst du eventuell noch einen Teil draufpacken.“, keuchte er, als er sich von mir löste um nach Luft zu schnappen. 
Langsam beugte ich mich wieder nach vorn und flüsterte ihm: „Da lässt sich was machen ..“, ins Ohr.... 

Kapitel 88

„Boah ich platze, wie soll ich jetzt Eislaufen?“, meckerte Selma, als wir gerade vor der Eislaufhalle parkten. 
„Ich auch!“, stimmte Can ihr zu. 
Nach dem Mittagsessen bei dem auch Baba, Pinar und Cans Familie eingeladen waren, hatten wir noch ein paar Gläser Tee getrunken. Die „Alten“ hatten wir dann zu Hause gelassen, genau so wie Murat. Pinar hatte was anderes zu tun, also waren wir, mal wieder nur zu viert.
„Wie lange hast du gebraucht, um das alles zu kochen?“, fragte Can grinsend. 
Emre: „Die war den ganzen Morgen in der Küche vallah (Bei Gott).“ 
„Fast den ganzen Morgen.“, flüsterte ich nur für Emre hörbar. 
„Was hast du gesagt Sibel?“, wollte Selma wissen. 
„Ehm .. nur dass es die Stundenlange Arbeit wert war, mein Mann hat ja nicht jeden Tag Geburtstag.“, antwortete ich. 
Emre grinste mich wie ein Honigkuchenpferd an.


„Endlich zu Hause!“, sagte ich müde. 
Emre: „Home sweet Home.“ 
Es war kurz nach 23 Uhr, Mutter schlief bereits. Erschöpft ließen wir uns auf die Couch fallen. 
„Hayatim (Mein Leben), danke nochmal für die Karten. Ich liebe dich.“, sagte Emre. 
Ich hatte ihm in der Shisha Bar zwei Karten für das Liga Spiel Hamburg gegen Bayern geschenkt. 
„Ich weiss immer noch nicht, wie du an die gekommen bist. Das Spiel ist seit Wochen ausverkauft.“, freute er sich. 
Lächelnd lehnte ich meinen Kopf auf seine Schulter. 
Sibel: „Alles gute nochmal askim, inshalla (So Gott will) werden all deine Träume war.“
„Mir dir an meiner Seite alt werden, so lässt es sich leben.“, antwortete er. 
Ich hob meinen Kopf und sah in seine strahlenden Augen, die braun/grün schimmerten. 
„Ich liebe dich.“, flüsterte ich leise. 
„Bende seni (Ich dich auch), aber mein Geburtstag ist gleich zu Ende. Ich will den letzten Teil meines Geschenks.“, grinste er. 
Lächelnd stand ich auf und zog ihm wortlos hoch ins Schlafzimmer. Ich schloss die Tür und ging dann zum Schrank. Emre näherte sich und umarmte mich von hinten. Dann hauchte er zärtliche Küsse auf meinen Hals und meinen Nacken, während ich in meinen Klamotten kramte. 
„Was suchst du hayatim?“, flüsterte Emre mir ins Ohr. 
Wo zum Teufel war es? Ich hatte es doch hier irgendwo .. ahhh na also. 
„Das hier.“, antwortete ich und zog einen Umschlag aus dem Schrank. 
Ich drehte mich um und reichte ihn Emre, der mich fragend ansah. 
„Was ist das? Wieder Karten?“, grinste er. 
„Mach auf.“, sagte ich nur. 
Er tat wie ihm geheißen und ris den Umschlag auf. Als er den Zettel rausnahm und ihn lautlos laß, weiteten sich seine Augen. 
„Positiv .. du bist schwanger?!“, flüsterte er leise.
Lächelnd nickte ich. 
„Allahim! (Mein Gott!).“, schrie er und fiel mir um den Hals. 
„Nicht so laut, Mutter schläft.“, lachte ich. 
Er wibelte mich durch das ganze Zimmer. 
„Du bist schwanger! Du bist schwanger!“, jubelte er immer wieder. 
„Wie lange weisst du es schon?“, fragte er, nachdem ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. 
„Den Verdacht hatte ich schon länger, als ich dann überfällig war hab ich mir einen Test gekauft. Vor drei Tagen war ich dann noch beim Arzt.“
„Wie konntest du das solange für dich behalten?“, wollte er wissen. 
„Es war total schwer nichts zu sagen vallah (bei Gott), aber ich wollte dich überraschen.“, antwortete ich lächelnd. 
Emre: „Das ist dir gelungen!“ 
Dann kniete er plötzlich vor mir und schob meine Pulli nach oben. 
„Ich liebe dich! Ich liebe euch!“, sagte er und küsste immer wieder meinen Bauch. 


Mehrere Wochen vergingen, die Zeit verflog ohne irgendwelche besonderen Vorkommnisse. Zweimal war ich beim Frauenarzt. Soweit war auch alles okay, dem Baby ging es gut. Das einzige Problem, ich war ein wenig paranoid geworden. Schlimmer als ich war Emre. Er rief mich mehrmals an, wenn er nicht bei mir war. 
„Geht’s dir gut? Alles okay bei dir? Wie geht’s dem Baby?“ 
Immer wieder die selben Fragen. Einerseits beruhigend, andereseits aber auch total nervig. Vorwürfe konnte ich ihn jedoch nicht machen, ich wusste einfach, dass er sich nur Sorgen machte. Ich mein .. beim letzten mal war auch alles gut und als ich dann die Straße überqueren wollte .. na ja ihr wisst schon. Beim Gedanken an den Unfall überkam mich eine heftige Gänsehaut. 
„Abla lass uns gehen.“
Pinars Stimme holte mich wieder in die Realität zurück. 
„Hmm.. was?“, fragte ich ein wenig verwirrt. 
Pinar: „Der Film ist aus, lass uns gehen.“ 
Ich war mit Pinar im Kino gewesen, es tat gut dass nach der Sache mit Tolga, alles beim alten war. Auf dem Weg zum Wagen starrte sie immer wieder auf ihr Handy. 
„Hast du noch was vor?“, fragte ich beiläufig. 
„Ich .. ehm .. kannst du mich zum Marktplatz fahren?“, fragte sie leise. 
„Klar.“, antwortete ich lächelnd. 
Pinar: „Sagol. (Danke.)“
Ich wusste, dass sie sich mit ihrem Freund treffen wollte. Wir hatten zwar noch nicht richtig darüber geredet aber sie hatte es zugegeben. Druck machen wollte ich ihr nicht, sie sollte mit mir darüber reden, wenn sie bereit war ihn mir vorzustellen. 
„Ruf an, wenn du zu Hause bist.“, sagte ich als wir ein paar Minuten später am Marktplatz waren. 
„Mach ich.“, antwortete sie. 
Sibel: „Und Pinar?“
„Evet? (Ja?)“, fragte sie. 
Die Tür war schon halb auf, von draussen strömte kalte Luft in den Wagen. 
„Pass auf dich auf.“, sagte ich. 
Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange, lächelte und stieg dann aus. 
Wie schnell die Zeit doch verging. Aus meiner kleinen Schwester ist mittlerweile ein wunderschönes 16 Jähriges Mädchen geworden, das ihr Leben selbst in die Hand nahm. 
Schule lief super bei ihr, nach dem Abi wollte sie Jura studieren. Das hatte sie mir letzens erzählt. Dass sie einen Freund hatte störte mich eigentlich gar nicht. In der heutigen Jugend war es mehr als normal in dem Alter schon einen Freund zu haben. Nicht zu vergessen die ganzen Kinder, die auf Facebook und co. posten, wie hart ihr Leben doch sei. Ein hartes Leben, wenn die wüssten was das bedeutet... Ich wollte gerade wieder losfahren, als ich Pinars Handy auf dem Beifahrersitz liegen sah. Schnell stieg ich aus und wollte nach ihr rufen, liess es aber dann bleiben als ich sah, wie sie in ein Caffee ging. Sie braucht ihr Handy .. also schaltete ich den Motor aus, schloss den Wagen und überquerte die Straße...

Kapitel 89

„Geschafft.“
Ich weiss es klingt komisch, aber das sagte ich jedesmal wenn ich eine Straße überquerte. 
Lächelnd legte ich meine Hand kurz auf meinen Bauch und atmete die erfrischende kalte Winterluft ein, die meine Wangen leicht erröten ließ. Mein Handy klingelte. Es war mal wieder, Emre. 
„Hallo askim (Schatz). Mir geht’s gut unserem Baby ebenso.“, sprach ich gut gelaunt ins Handy. 
„Wo bist du?“, fragte er mich. 
Ich merkte an seiner Stimme, dass irgendwas nicht stimmte. 
„Ich war mit Pinar im Kino und hab sie eben zum Marktplatz gefahren.“
„Okay.“, sagte er nur. 
„Neden? (Wieso?)“, wollte ich wissen. 
Schweigen am anderen Ende der Leitung folgte.. 
„Emre? Bist du noch dran?“, fragte ich verwirrt. 
„Ja .. ich .. also Tolga ist in Hamburg damit du bescheid weisst.“, sagte er schließlich. 
„Oh .. okay ..“, erwiderte ich überrascht.
„Falls du ihn siehst oder so ..“ 
„Emre! Hamburg ist groß, wer sagt denn dass ich ausgerechnet Tolga über den Weg laufen werde?“, unterbrach ich ihn. 
Emre: „Ja ich weiß aber ..“
„Ausserdem selbst wenn ich ihn sehen würde, ich hatte alles mit ihm geklärt bevor er nach Bremen gefahren ist. Das weisst du doch!“
Emre: „Biliyorum (Ich weiss), wollt dir nur zur Sicherheit bescheid geben.“
„Tamam (Okay) Schatz, bin bald zu Hause. Ich liebe dich.“, gab ich zurück.
Ich legte auf und ging dann in das Cafe ins das Pinar war. Ich schaute mich kurz um und fand sie schließlich, sie unterhielt sich mit jemanden, der mit dem Rücken zu mir stand. Dann ging ich auf sie zu und winkte mit ihrem Handy. Als sie mich bemerkte wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Der Junge, mit dem sie sich unterhielt drehte sich um .. Tolga! 
„Abla ich schwöre, es ist nicht so wie es aussieht!“, hörte ich Pinar sagen. 
Ich traute meinen Augen nicht. Total schockiert taumelte ich ein paar Schritte zurück. Mir wurde plötzlich schwarz vor Augen, alles drehte sich. Ich hielt mich an einen Stuhl fest um nicht umzukippen und lief dann direkt raus. Pinar und Tolga folgten mir. Meine Schwester und mein Vergewaltiger. Ich wollte es nicht wahr haben. 
„Abla! Abla warte.“, rief Pinar. 
Ich blieb ein paar Meter vom Cafe stehen und schnappte erstmal nach Luft. 
Pinar: „Abla ..“
„Sei still!“, schrie ich. 
Es war mir egal, dass wir in der Öffentlichkeit waren. 
„Steig in den Wagen.“, sagte ich. 
Pinar: „Bitte Abla ..“ 
„Du sollst in den Wagen steigen verdammt!“, schrie ich ausser mir vor Wut. 
„Hör auf deine Schwester Pinar.“, sagte Tolga plötzlich.
Ich warf ihm einen hasserfüllten Blick zu und reichte Pinar dann meine Autoschlüssel. Ohne ein weiteres Wort zu sagen ging sie zum Wagen, der auf der anderen Seite der Straße stand. Erneut wurde mir schwindelig, Tolga griff nach meinem Arm. 
„Fass mich nicht an!“, zischte ich und riss mich von ihm los. 
„Fass weder mich, noch meine Schwester an! Anladin mi? (Verstanden?) Was bist du eigentlich für ein ehrenloser? Hab ich dir nicht gereicht?“
Tolga: „Sibel das ist ein kleines Missvers..“
„Muss meine Schwester jetzt auch dran glauben? Wieder ein Teil einer Wette? Zwei Schwestern flachzulegen? Hast du auch deine K.O Tropfen dabei?“, sprach ich weiter ohne ihn ausreden zu lassen. 
Ich war so voller Hass in mir, wie noch nie zuvor in meinem Leben. 
„Sibel ..“ 
„Sus! (Sei still!)“, brüllte ich. 
„Nimm meinen Namen nicht in den Mund!“ 
Ich merkte wie die Leute, die vorbei gingen uns anstarrten. Doch es war mir egal.
„Ich hätte dich damals anzeigen müssen.“, fuhr ich fort.
„Jetzt ist es vielleicht zu spät. Aber ich schwöre auf alles was mir heilig ist .. fass meine Schwester an und du bist tot!“, zischte ich. 
„Sie weiß nämlich nicht, was für ein ehrenloser Vergewaltiger du bist!“, flüsterte ich. 
Beim letzten Satz senkte Tolga seinen Blick. Er schaffte es nicht mal mir in die Augen zu sehen. 
„Allah belani versin! (Möge Gott dich bestrafen!)“, sagte ich und spuckte neben ihn auf den Boden. 
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, machte ich auf den Absatz kehrt und ging zum Wagen. Ich stieg ein, ließ den Motor an und drückte auf’s Gaspedal. 
„Abla bitte fahr langsamer.“, flüsterte Pinar nach ein paar Minuten ängstlich. 
Ich ignorierte ihre Bitte und fuhr stattdessen noch schneller. 
„Ich fass es einfach nicht. Ich wurde noch nie in meinem Leben so hintergangen.“, sagte ich mehr zu mir selbst als zu Pinar. 
Pinar: „Lass es mich dir erklären!“
„Sei ruhig! Halt einfach den Mund ich will nicht nichts hören.“, brüllte ich wütend. 
„Abla fahr wenigstens langsamer du machst mir Angst.“, flehte sie kleinlaut.
„Ich mach dir Angst?“, fragte ich und fing an hysterisch zu lachen. 
Ich sah aus den Augenwinkeln wie Pinar mich mir grossen Augen ansah. 
„Tolga ist nicht der, für den du ihn hälst! Vor ihm musst du Angst haben.“, sagte ich schließlich, nachdem ich mich einigermassen beruhigt hatte. 
Mein Blick war starr auf die Straße gerichtet. In mir herrschte ein Gefühlschaos wie noch nie zuvor. Tolga könnte ich mit bloßen Händen erwürgen. Von Pinar war ich enttäuscht und verletzt, niemals hätte ich das für möglich gehalten. Andereseits machte ich mir Schuldgefühle, weil sie nichts von der Vergewaltigung wusste. Vielleicht wäre es niemals soweit gekommen, wenn ich ihr davon erzählt hätte. Mit quietschenden Reifen hielt ich wenig später an. Mittlerweile war es fast schon dunkel. Im Haus brannten Lichter, Baba war also schon zu Hause. 
„Steig aus.“, sagte ich leise. 
Pinar zögerte einen Moment lang. 
„Willst du .. willst du nicht mit reinkommen?“, fragte sie vorsichtig. 
„Steig aus!“, sagte ich erneut, diesmal lauter. 
Endlich war sie weg. Ich gab Gas und fuhr weiter... 


Ein paar Straßen weiter hielt ich erneut an. Mein Atem ging schwer. 
„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“, schrie ich.
Mehrmals schlug ich auf das Lenkrad und lehnte dann meine Stirn dagegen. Und dann kamen sie. Die ganzen Tränen, die ich bin eben noch unterdrückt hatte. Ich wollt weg. Einfach nur weg, irgendwohin, wo ich meine Ruhe hatte um diesen Schock verarbeiten zu können. Ich weiss nicht genau wie lange ich so da saß, aufjedenfall kramte ich nach einer Weile mein Handy aus der Tasche und schickte Emre eine SMS. 
„Schatz ich komme heute etwas später. Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut. Ich liebe dich.“
Dann machte ich mein Handy aus, atmete einmal tief ein und fuhr weiter .. 

Kapitel 90

Ich wusste nicht wohin meine Fahrt mich bringen sollte, doch plötzlich fuhr ich an einem kleinen Hotel vorbei. Meine kleine Lösung, mein Zufluchtsort. Wie in Trance hielt ich an, griff nach meiner Tasche und stieg aus dem Auto. Schnurstracks lief ich auf das kleine Hotel am Straßenrand zu. Als ich das Foyer betrat, ging ich direkt auf die Rezeption zu. 
„Willkommen, wie kann ich ihnen helfen?“, fragte die junge Empfangsdame lächelnd. 
„Ich hätte gerne ein Zimmer für eine Nacht.“, antwortete ich. 
Ich wollte nur ein paar Stunden bleiben und dann wieder nach Hause fahren. Nachdem ich bezahlte, reichte die Frau mir die Schlüssel. Als ich danach greifen wollte, torkelte ich jedoch ein paar Schritte zurück. 
Empfangsdame: „Alles okay bei ihnen?“ 
„Ja .. ja danke mir geht’s gut.“, erwiderte ich mit zitternder Stimme. 
Ich musste mich zusammenreissen, nicht mitten im Foyer in Tränen auszubrechen. Schnell griff ich nach dem Schlüssel und lief ins Zimmer. Dort angekommen schloss ich die Tür und lehnte mich dagegen. Meine Lippen bebten und schon kamen die Tränen. Nach ein paar Minuten warf mich mich dann letztendlich auf’s Bett. Ich drückte meine Hände gegen das Gesicht und fühlte wie es schon ganz nass vom Weinen war. Diese ganze Trauer und Wut die in mir war, sie musste raus. Ich kann das nicht mehr! Ich kann nicht immer das starke Mädchen spielen, dass sich von nichts und niemanden unterkriegen lässt. Es war mal wieder so ein Moment, in dem ich mich hilflos fühlte. Mir kame Emres Worte in den Sinn. „Alles wird gut.“ Wann? Wann verdammt wird alles gut? Ich wollte nicht mehr warten, genug hab ich durchmachen müssen! Diese ganzen Probleme brannten in meiner Seele. Wieso trifft es immer die Leute, die es am wenigstens verdienen? Was hab ich schlechtes getan, dass Allah mich so bestraft? Welche Sünde habe ich begangen? Ich wollte doch nur glücklich sein! Mit Emre, mit meinem Baby, meinen Freunden und meiner Familie. Und jetzt stellt sich heraus, dass meine eigene Schwester .. allein beim Gedanken daran zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Schwer atmend richtete ich mich ein wenig später auf. Mein Magen rebellierte, mir war kotzübel obwohl ich heute kaum was gegessen hatte. Schwankend stand ich auf und ging ins Bad. Nachdem ich mich übergab, spülte ich meinen Mund aus und nahm dann aus meiner Tasche ein paar Abschminktücher. Ich schminkte mich ab und wusch mir dann das Gesicht. Das kalte Wasser tat gut .. langsam hob ich meinen Kopf und sah in den Spiegel. Meine Augen waren schon ganz rot und geschwollen vom Weinen. Ich tapste wieder zum Bett, legte mich hin und fing an vom neuem zu weinen. So viel hatte ich schon in mich hinein gefressen, weinen tat einfach nur gut. Es war ein befreiendes Gefühl. Müde und kraftlos schloss ich meine Augen ... 


Stunden später wachte ich auf und wusste für einen kurzen Augenblick nicht wo ich war. Doch dann schaltete sich mein Verstand ein. Pinar und Tolga! Langsam richtete ich mich auf und machte mein Handy an. Fuck! Schon weit nach Mitternacht.. Emre machte sich bestimmt schon Sorgen. Ich hörte kurz meine Mailbox ab. 
„Sibel? Wo bist du?“
„Schatz mach mir keine Angst, sag wo du bist!“
„Willst du mich umbringen verdammt?“ 
Ein paar von vielen Nachrichten die Emre mir hinterlassen hatte. Selma hatte auch angerufen .. und .. Pinar auch. Ich ignorierte es und stand dann auf. Bevor ich das Zimmer verließ ging ich noch kurz ins Bad und band meine Haare, die ein reinstes Chaos waren, zu einem Dutt. Ich schlich den Flur entlang, tapste die Treppe runter zum Foyer und gab den Schlüssel am Empfang ab. 
„Ich hoffe sie hatten einen angenehmen Aufenthalt?“, fragte die Empfangsdame. 
Ich hob meinen Kopf und merkte, dass sie mich neugierig musterte. Ich zwang mich zu einem schwachen Lächeln. 
„Danke.“, flüsterte ich nur und verließ, dann das Hotel. 


Endlich nahm ich die letzte Kurve und hielt vor unserem Haus an. Mittlerweile war es kurz vor 2 Uhr, im Haus brannten Lichter. Ich schloss gerade den Wagen ab, als plötzlich Emre die Haustür aufriss. Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu. Ganz ehrlich, ich hatte damit gerechnet, dass er mich anmault und jetzt eine riesen Diskussion entsteht. Doch stattdessen fiel er mir wortlos um den Hals und umarmte mich fest. Diese Reaktion führte dazu, dass ich erneut in Tränen ausbrach. 
„Aglama hayatim (Wein nicht mein Leben). Ich hatte solche Angst um dich.“, flüsterte er und strich mir behutsam über den Rücken. 
Ich vergrub mein Gesicht an seinen Hals und atmete schluchzend seinen Duft ein. 
„Wieso hat sie das getan? Wieso Emre? Wieso!“, flüsterte ich verzweifelt. 
Sachte löste er sich von mir und hob mein Kinn an, so dass ich direkt in seine wunderschönen Augen sah. Er drückte seine Lippen auf meine Stirn und wischte mir die Tränen weg. Dann nahm er meine Hand und zog mich ins Haus. Mutter wartete im Flur, sie umarmte mich kurz. 
„Kizim (Meine Tochter), ich hab mir Sorgen gemacht. Geht’s dir gut?“, fragte sie besorgt. 
Ich hatte aufgehört zu weinen, aber spürte wieder dieses brennen unter meinen Augen. Den Schmerz versuchte ich zu verdrängen um meine Gefühle und Gedanken zu ordnen. 
„Mir geht’s gut Anne (Mutter).“, antwortete ich auf ihren besorgten Blick. 
Ich zog meinen Mantel aus und ging dann direkt in mein Zimmer. Emre stand an der Tür, während ich vor meiner Kommode saß. Er wartete auf eine Erklärung ...
„Ich will nicht darüber reden .. heute nicht.“, sagte ich und stand dann auf. 
Emre: „Wo willst du hin?“
Sibel: „Duschen.“
Er nickte kurz und griff dann noch einmal nach meiner Hand. Lange sah er mir einfach nur in die Augen. Dann strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste mich. 
„Ich bin da für dich. Das weisst du doch oder?“, flüsterte er zärtlich. 
Dieser Mann war alles für mich! Ohne ihn würde ich all das niemals durchstehen. Ohne ihn wäre mein Leben sinnlos. Ich lag schon so oft am Boden und immer wieder war er derjenige, der mich hochbrachte. 
„Ich .. ich will jetzt nur duschen und schlafen. Eine Nacht drüber schlafen und dann .. und dann reden wir.“, flüsterte ich mit bebender Stimme. 


Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug war es schon nach 11 Uhr. Ich wollte nicht aufstehen, einfach liegen bleiben mich ins warme Bett kuscheln. Den ganzen Tag über, das wär’s .. als ich jedoch Schritte hörte, die gerade die Treppen hochkamen, richtete ich mich auf. Emre kam mit einem Tablett ins Zimmer. 
„Günaydin hayatim (Guten Morgen mein Leben).“, sagte er lächelnd. 
„Guten Morgen ..“, antwortete ich müde. 
Er setzte sich neben mich und legte mir das Tablett auf den Schoß. 
„Iss!“, befahl er lächelnd. 
Sibel: „Schatz ich will nichts ..“
„Sibel bitte! Das ist nicht gut für euch.“, gab er traurig zurück und legte seine Hand auf meinen Bauch. 
Er hatte Recht. Ich konnte nicht nur an mich denken, die Gesundheit meines Baby war wichtiger als alles andere. Da ich auserdem echt Hunger hatte, aß ich was. Gerade als ich etwas sagen wollte öffnete sich die Zimmertür langsam. Als ich meinen Kopf hob blieb mir das Essen im Halse stecken ..

Kapitel 91

Pinar stand an der offenen Tür und sah mich an. 
„Was willst du hier?!“, fragte ich erstickt. 
Emre: „Hayatim, sie ist seit 7 Uhr Morgens hier und ..“ 
„Wieso hast du sie reingelassen Emre? Ich will sie nicht sehen!“, schrie ich jetzt. 
„Abla bitte ..“, flehte Pinar leise. 
Sibel: „Nein sus (sei still), ich will nichts hören!“
Wütend kniff ich die Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu. 
Emre: „Sibel yapma (hör auf), lass sie reden .. sie hat mir alles erklärt und ..“
„Was gibt es da zu erklären?!“, schrie ich laut und legte das Tablett auf den Nachttisch. 
„Abla lütfen (Schwester bitte).“, flüsterte Pinar mit Tränen in den Augen. 
Bevor ich etwas sagen konnte verschwand Emre schon aus dem Zimmer. 
„Hey was soll ..“, protestierte ich. 
Pinar lehnte sich gegen die geschlossene Tür. 
„Hör mir bitte zu.“, verlangte sie. 
„Mach Platz.“, gab ich schroff zurück. 
Doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Stattdessen stand sie entschlossen da, die Hände am Rücken verschränkt und erwiderte meinen eiskalten Blick. Wie schaffte sie es nur mir in die Augen zu schauen? Ich machte einen großen Schritt auf sie zu, als sie plötzlich zum Fenster rannte, es öffnete und etwas rauswarf. Den Schlüssel?! Sie hatte gerade ernsthaft den Zimmerschlüssel rausgeworfen! 
„Was zum Teufel soll der scheiss!“, schrie ich. 
Ich ging zur Tür und drückte den Türknauf. Verschlossen! 
„Du wirst mir jetzt zuhören!“, schrie sie ebenso laut wie ich. 
Ihr plötzlicher Tonfall liess mich kurz zusammen zucken. Woher nahm sie den Mut, so mit mir zu reden? Sie schloss wieder das Fenster, aus dem kalte Luft reinkam. 
„Was denkst du eigentlich wer du bist?!“, zischte ich stinksauer. 
Ich wollte sie einfach nicht sehen! Allein der Gedanke an sie und Tolga brachte mein Blut zum kochen. Hass. Ja ich verspürte nichts als Hass! 
Pinar: „Deine Schwester! Deine Schwester bin ich verdammt!“
Sie schrie so laut, dass ich dachte der Fußboden unter mir würde zittern. Ungläubig und mit großen Augne sah ich sie an und schüttelte meinen Kopf. 
„Wenn du meine Schwester wärst, dann hättest du das nicht getan..“, flüsterte ich. 
Pinar: „Was getan? Was? Um Allah Willen was hab ich denn getan?“ 
Sibel: „Krass, dass du das noch fragen kannst.“
Pinar: „Ich frage weil ich die Antwort darauf einfach nicht weiss!“
Sie setzte sich auf den Stuhl vor der Kommode und ließ ihre Schultern hängen. Ich stand noch immer da und sah sie verständnisslos an. 
„Wie lang geht dass schon mit dir ... mit dir und Tolga?“, flüsterte ich. 
Sie sah mir direkt in die Augen und schüttelte ihren Kopf. 
„Weißt du, bevor man irgendwelche Schlussfolgerungen stellt, von Dingen die man sieht, sollte man vielleicht mal Fragen was Sache ist. Du kannst nicht einfach behaupten, dass Emre eine Affäre, Beziehung oder what ever hat, nur weil er sich mit einer Frau unterhält.“, sagte Pinar. 
„Was soll das? Worauf zum Teufel willst du hinaus?“, fragte ich noch immer sauer. 
„Kluge Menschen können sich dumm stellen, andersherum ist es schon schwerer.“, gab sie zurück. 
Sibel: „Pinar reg mich nicht auf!“
Sie stand wieder auf und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Ich stand noch im Pijama vor der Zimmertür. 
„Du weisst genau was ich damit sagen will.“, sagte sie ruhig. 
Sibel: „Willst du mir jetzt sagen, dass es nicht stimmt? Mädchen ich hab euch gesehen!“
„Ja du hast uns gesehen. Wie wir im Cafe STANDEN und uns unterhielten. Hast du je gefragt wieso? Weshalb? Warum? Fragst du dich das? Es ist nicht immer alles so wie es aussieht Abla. Du haust ab, brüllst herum und verschließt dich in deinem Zimmer. Was hast du davon? Du heulst dich aus und denkst dass deine Schwester, dein eigenes Fleisch und Blut, etwas mit deinen Vergewaltiger hat und willst einfach nichts anderes sehen.“
Meine Kinnlade fiel herunter ich starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. 
„Woher .. woher ..“, stammelte ich. 
Mein Mund fühlte sich plötzlich staub trocken an, ich war nicht in der Lage den Satz zu beenden. Stattdessen ging ich die paar Schritte zu meinem Bett und setzte mich langsam. 
„Abla ich weiss es schon lange. Meinst du ich saß damals beruhigt unten auf der Couch, während Selma Wochenlang ein uns aus kam und du am Boden zertört warst? Ich bin stand manchmal Stunden vor deiner Zimmertür und hab gelauscht, weil ich wissen wollte was dich so fertig macht. Weil ich wissen wollte wieso meine Schwester die ganze Zeit weint.“
Ihre Stimme zitterte, man merkte dass sie den Tränen nahe war. Bei mir dagegen kullerte bereits eine Träne nach der anderen herunter. 
„Wieso hast du mir .. wieos hast du nie was gesagt?“, flüsterte ich. 
„Hatte meherere Gründe .. du warst nicht bereit mit mir darüber zu reden und wolltest nicht dass es jemand weiss. Vorallem Baba .. drauf ansprechen wollte ich dich nicht, dass würde nur die Wunden auffreissen. Du wurdest schon genug verletzt und ja ..“
Sie wusste es also die ganze Zeit über und hat nichts gesagt? Ich konnte es kaum glauben. 
Sibel: „Das erklärt immer noch nicht ..“
„Natürlich erklärt das nichts!“, schnitt sie mir das Wort ab. 
„Wie bitteschön soll sich das erklären, wenn du einen nicht aussprechen lässt? Ich wollte dir gestern schon sagen was Sache ist, aber nein. „Sei still! Halt den Mund ich will nichts hören!“, mehr kam von dir auch nicht gestern.“ 
„Was hast du denn erwartet nachdem was ich gesehen hab?!“, verdeitigte ich mich. 
„Nichts. Deshalb bin ich auch heute kommen, in der Hoffnung in Ruhe mit dir darüber zu reden. Aber dich muss man ja erst einschliessen.“ 
Ich stieß einmal hörbar die Luft aus und vergrub das Gesicht in meinen Händen. 
Pinar: „Ich wollte dass du mich gestern zum Marktplatz fährst. Woher zum Teufel sollte ich wissen, dass Tolga in Hamburg war und ausgerechnet in dem Cafe saß? Furkan hatte mir eine SMS geschickt, dass er es nicht reichtzeitig schaffte, weil sein Opa im Krankenhaus lag. Dann stand ich also auf und wollte nach Hause, als mir plötzlich Tolga entgegen kommt. Ich wollte wortlos an ihm vorbei gehen, er bettelte aber darum, dass ich ihm 2 Minuten gebe.“ 
Sie hielt kurz inne, stand auf und setzte sich neben mich. Dann nahm sie meine Hand und drückte sie. 
„Furkan?!“, fragte ich leise.
Pinar: „Mein Freund .. ich wollte ihn dir in den nächsten Tagen vorstellen.“
Sibel: „Aber ..“
Pinar: „Dazu kommen wir später Abla!“
„Wenn du Tolgas Blick gesehen hättest, dann würdest du ihn auch ausreden lassen. Ich weiss er hat dir so weh getan und dafür wird Allah ihn früher oder später bestrafen. Aber in diesem Augenblick tat er mir irgendwie leid. Ich gab ihm also 2 Minuten. Diese Zeit hat er genutzt um zu fragen wie es dir geht, was du machst und ob du glücklich bist. Er bereut es aus tiefsten Herzen und schämt sich dafür was er getan hat! Mehr wollte er nicht wissen! Im nächsten Augenblick stehst du da und schaust mich an, als ob ich deine größte Feindin wäre.“ 
Mein Kopf brummte. Es war also alles .. ein Missverständnis? Mir wurde plötzlich klar, was ich Tolga alles an den Kopf geworfen hatte gestern. Ich musste mich entschuldigen .. 

Kapitel 92

Verwirrt stand ich auf und dachte einen Moment lang nach. Irgendwas stimmte hier nicht. Ich schloss kurz die Augen und massierte mir die Schläfen. Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. 
„Sag mal willst du mich veraschen?!“, schrie ich so plötzlich, dass Pinar zusammenzuckte. 
Sibel: „Ich hatte dein Handy und ..“
„Ich hab zwei!“, fiel sie mir ins Wort und stand ebenfalls auf. 
Ungläubig schüttelte ich den Kopf, während Pinar in ihrer Tasche kramte. Sie holte zwei Handys hervor, ein iPhone und ein Samsung. Seit wann hatte sie ein iPhone?! 
„Bei meinem Samsung ist irgendwas kaputt ich muss den zur Reparatur bringen. Furkan hat mir solange sein altes iPhone 4 gegeben ..“, sagte sie hastig. 
Dann tippte sie kurz rum und zeigte mir die SMS. Eindeutig kein Fake .. 
„Allahim (Mein Gott), ich werd noch verrückt.“, flüsterte ich. 
Pinar: „Abla ich weiss, dass du ein wenig verwirrt bist aber ..“
Sibel: „Ein wenig? Ein wenig ist gut! Mein Kopf explodiert gleich!“
Pinar: „Verständlich .. ich würde höchstwahrscheinlich nicht anders reagieren und ..“
Sibel: „Nein würdest du nicht glaub mir! Erst dieser schwarze BMW, der genau so aussah wie Tolga seiner und dann seh ich dich mit ihm im Cafe. Was sollte ich sonst denken? Glaub mir Pinar, du hättest nicht anders reagiert.“
Pinar: „Es war seiner.“
„Wie?“, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. 
„Es war Tolga sein BMW, Furkan hat ihn abgekauft als Tolga nach Bremen gegangen ist.“, antwortete sie ruhig. 
Also hatte ich damals recht gehabt, dass es Tolgas Wagen war! Mir wollte ja keiner glauben. Ich verspürte plötzlich dieses Bedürfnis einfach einzuschlafen. Man sagt ja, man vergisst die ganzen Probleme, wenn man schläft. Zu schade, dass sie nicht ganz verschwinden. Total erschöpft setzte ich mich wieder. Ja erschöpft war ich. Aber nicht körperlich, sondern seelisch. Manchmal frag ich mich, wieso ich bei all dem Schmerz nicht schon tot umgefallen bin. Wut stieg in mir auf, die aber gleich daran wieder verblasste. Was jetzt zählte war, dass Pinar nichts mit Tolgas hatte. 
„Abla ich schwöre auf alles, ich sage die Wahrheit! Du musst mir glauben bitte, ich hab die ganze Nacht nicht schlafen können. Wie auch? Der Gedanken daran, dass du dachtest ich hab was mit ihm, vallah (bei Gott) das war so schlimm! Ich hab dich so oft angerufen und dir Nachrichten hinterlassen aber dein Handy war aus.“ 
Tränen kullerten ihr die Wange herunter, während sie das sagte. Sie stand mitten im Zimmer, ich sah sie nur mit leerem Blick an. Stille folgte. Mehrere Minuten, in denen keine von uns was sagte. Irgendwann streckte ich ihr meine Hand entgegen. Ihr Gesichtausdruck veränderte sich, ein kleines Lächeln zeichntete sich auf ihren Lippen ab. Dann wischte sie sich die Tränen vom Gesicht und nahm meine Hand. 
„Es tut mir so leid Abla.“, flüsterte sie. 
Sibel: „Mir auch mein Schatz, mir auch.“


Nachdem Pinar mir noch über Furkan erzählt hatte, bat ich Emre schließlich nach unten zu gehen und den Schlüssel zu holen. Keine Minute später öffnete er langsam die Tür. Seine Augen wanderten von mir zu Pinar und wieder zurück. 
„Alles okay hier?“, fragte er vorsichtig. 
„Wurdest du schon mal eingesperrt?“, fragte ich ernst. 
Emre: „Hayatim ich .. ich wollte doch nur, dass ihr redet und ..“
„Ja Ja lass.“, tat ich einen auf beleidigt. 
Pinar: „Ich glaub ich geh mal.“
Sie zwinkerte mir hinter Emres Rücken zu und verschwand gleich darauf. 
Emre: „Also ...“
„Also was?“, fragte ich mit ausdrucksloser Miene. 
Emre: „Ist alles okay mit Pinar?“
„Ja, aber mit dir nicht.“, sagte ich nur. 
Er kam ins Zimmer, schloss die Tür und lehnte sie lässig dagegen. 
„Und wie kann ich das gut machen?“, sagte er ruhig. 
Ja er stand wirklich voll locker da, aber ich wusste dass er innerlich kochte. Seine Augen glänzten gefährlich. Er sah mich einmal von oben bis unten an, dieser Blick bei dem ich auch nach fast einem Jahr Ehe, jedes mal aufs neue dahinschmolz. 
„Gute Frage .. auf die ich leider keine Antwort hab.“, flüsterte ich geheimnisvoll. 
Emre: „Du vielleicht nicht, aber mir fällt da was ein ..“ 
In kleinen Schritten kam er auf mich zu und stoppte dann unmittelbar vor mir. Wie er es ohne eine einzige Berührung schaffte mein Blut in Wallung zu bringen. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter von einander entfernt. Doch noch immer rührte er mich nicht an. Ich spürte nur seinen Atem auf meinem Gesicht und mir wurde plötzlich verdammt heiss. 
„Jetzt vielleicht?“, fragte er schwer atmend. 
Noch immer hatte er mich nicht angefasst, ich wusste was er wollte. Er wollte dass ich den ersten Schritt mache. Aber das konnte er sich abschminken! Ich schüttelte nur leicht meinen Kopf. Dann kam er plötzlich noch näher. 
„Immer noch nicht?“, keuchte er mir ins Ohr. 
Ich rührte mich nicht, obwohl ich am liebsten über ihn herfallen würde. Seine Nähe und sein Duft raubten mir den Verstand. Aber er wollte spielen und wer mit mir Spiel, der verliert. Ich sah ihn mit halb geschlossenen Lidern an und schüttelte abermals meinen Kopf. Seine Lippe zuckte verräterisch. Im nächsten Augenblick packte er mich an der Taille, zog mich an sich und drückte mir einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund. 
„Du bist so ein Dickkopf.“, sagte er atemlos, nachdem er sich von mir gelöst hatte. 
Nach Luft schnappend grinste ich ihn an und drückte ihn auf’s Bett. 
„Wetten du wärst noch stundenlang so stehen geblieben, ohne mich anzufassen.“ 
„Kann sein.“, antwortete ich noch immer grinsend. 
Natürlich war das gelogen, ich war kurz davor die Beherrschung zu verlieren. Keine Minute länger hätte ich es ausgehalten. Das würde ich jedoch nicht zugeben. Er sah mich beleidigt an. Lächelnd umarmte ich ihn.
Sibel: „Ich liebe dich!“


Sibel: „Ich weiss nicht genau Selma, mir fällt nichts ein!“
„Uhr, Parfüm .. keine Ahnung .. eine romantische Nacht?“, grinste sie. 
„Die kriegt er fast täglich.“, antwortete ich und streckte ihr die Zunge dabei raus. 
Ich saß mit Selma bei Starbucks und unterhielt mich über meinen 1. Hochzeitstag, der Morgen war. Total aufgeregt ging ich alle möglichen Geschenke durch, aber mir fiel einfach nichts ein. Immer diese Standardgeschenke, wie eine Uhr oder Parfüm war langweilig. Ich wollte etwas besonderes .. Gerade als ich etwas sagen wollte, sah ich zum 
Eingang und hielt beim Anblick von Tolga die Luft an .. 

Kapitel 93

Als als er mich sah, wandte er sofort seinen Blick von mir und lief mit gesenkten Kopf an uns vorbei. Als Selma merkte, dass ich total neben mir stand, tippte sie mir auf die Schulter. 
„Mädchen was geht bei dir? Du siehst aus, als ob du ne Leiche gesehen hättest?“
Ohne ihr zu antworten deutete ich mich einer Kopfbewegung Richtung Tolga. Er war mit ein paar Freunden da. Als Selma ihn sah, fluchte sie leise vor sich hin.
„Wieso ist der noch in Hamburg? Dreckiger Hund am liebsten ..“
Ich hob meine Hand um sie zum Schweigen zu bringen. Dann stand ich auf. 
Selma: „Sibel wohin gehst du?“ 
Sie schien total schockiert und hielt meine Hand fest. 
„Muss was klären.“, antwortete ich nur und machte mich los. 
„Er ist es nicht wert.“, gab sie Kopfschüttelnd zurück. 
Ich zuckte nur kurz mit den Schultern und lief dann direkt auf Tolgas Tisch zu. 
Sibel: „Können wir kurz reden?“
Alle Augenpaare richteten sich überrascht zu mir, Tolga der mit dem Rücken zu mir saß, drehte sich um und sah mich mit großen Augen an. Sein Mund war leicht aufgeklappt .. 
„Ja .. ja klar.“, sagte er. 
Sibel: „Draußen?“
Er nickte, stand dann auf und folgte mir nach draußen. Ich verschränkte meine Armen und brauchte einen Moment um die richtigen Worte zu finden. 
„Es tut mir leid.“, sagte ich schließlich. 
Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen erstaunt an. 
„Ich .. ehm ..“, stotterte er. 
Ja er war regelrecht sprachlos. 
„Es tut mir leid, dass ich dachte du hättest was mit Pinar. Das tut mir leid, sonst nichts!“
„Unglaublich dass du dich entschuldigt, nachdem was ich dir getan hab.“, flüsterte er. 
Sibel: „Ja .. ich bin halt so. Ich hab dich wegen dieser Sache zu unrecht beschuldigt. Trotzallem ändert das nichts an meiner Meinung zu dir. Ich hoffe dir ist das klar ..“ 
Wieder senkte er seinen Blick und steckte seine Hände in die Hosentaschen. 
Tolga: „Ja ich weiss .. was ich damals getan hab ..“
„Ich hab eine letzte Bitte an dich.“, schnitt ich ihm schnell das Wort ab. 
Tolga hielt inne und sah mich fragend an. Ich hatte jetzt absolut keine Lust an damals zu denken, es ist zwar schon so lange her. Jedoch schmerzte jeder Gedanken daran noch immer ..
„Alles was ich will ist .. nichts mehr mit dir zu tun haben. Pinar meinte du hättest gefragt wie es mir geht und so .. ich will das nicht. Mein Leben soll dich nichts angehen. Ich bin glücklich verheiratet und wir bekommen ein Baby. Mehr brauchst du nicht wissen. Mich interessiert es schließlich auch nicht, was du machst.“, sagte ich so ruhig wie möglich. 
„Also sollen wir so tun als hätten wir uns nie gekannt?“, fragte er leise. 
„Das wäre wohl das beste ja.“, antwortete ich. 
Tolga atmete einmal tief ein und aus. Dann streckte er mir plötzlich die Hand entgegen. 
„Viel Glück weiterhin.“, sagte er leise. 
Ich wollte ihm meine Hand nicht reichen, ein Blick in seine Augen jedoch ließ mich schwanken. Eine Träne kullerte ihm die Wange herab, die er mit der anderen Hand schnell wegwischte. Schließlich siegte das Mitleid, ich reichte ihm meine Hand. 
„Dir auch.“, flüsterte ich. 
Ich ging rein und griff nach meiner Tasche. Selma sah mich total neugierig an. 
„Lass uns gehn ich erzähl es dir während der Fahrt.“, sagte ich auf ihre fragenden Blicke. 


„Hoffentlich verreckt er.“, sagte Selma wütend. 
Selma: „Kommt der mit der Mitleids Tour, ich versteh nicht wieso du das gemacht hast. Als ob der ne Entschuldigung verdient hätte.“
Sibel: „Sag sowas nicht canim.“
Selma: „Es ist aber so Sibel! Solche Menschen wie er, verdienen es hinter Gittern zu sitzen.“
Sie hasste Tolga über alles, fast schon mehr als ich. 
Selma: „Mit diesem ehrenlosen hat alles angefangen.“
„Lass es lütfen .. lütfen (bitte). Ich will nicht wieder daran denken.“, flüsterte ich leise. 
„Tut mir leid.“, entschuldigte sie sich. 
Mein Blick war starr auf die Straße gerichtet, den Rest der Fahrt sagte keine von uns was. Ich weiss sehr wohl, dass er keine Entschuldigung verdiente. Aber was ich ihm alles an den Kopf geworfen hab wegen Pinar .. es bereitete mir trotzallem ein schlechtes Gewissen. Was jetzt zählte war, dass ich mit Tolga nichts mehr zu tun hatte. 


„Guten Morgen Askim (Schatz).“
Emre kam gerade in die Küche, müde rieb er sich die Augen. 
„Moin, was riecht hier so gut.“, schwärmte er. 
„Frühstück, wie immer.“, antwortete ich. 
Er kam auf mich zu, umarmte mich von hinten und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dann schob er meine Haare zu Seite und strich mit seinen Lippen über meinen Hals. Ich hatte gerade ein Tee Glas gefüllt und wollte es Mutter schicken, die im Wohnzimmer saß, doch er ließ mich einfach nicht los. 
„Emre ..“, kicherte ich. 
Sibel: „Yapma (Hör auf), ich muss .. den Tee ..“
„Kann das nicht warten?“, hauchte er mir ins Ohr. 
Sibel: „Nein.“ 
Emre: „Wieso?“
Sibel: „Weil Baum.“
Emre: „Weil Baum?“
Sibel: „Ja.“
Emre: „Tolle Begründung.“
Sibel: „Ich weiss.“
Schließlich liess er von mir, wir grinsten uns an und ich verschwand dann im Wohnzimmer. Als ich kurz darauf wieder in die Küche kam, saß er am Tisch und aß. 
„Was hast du heute vor.“, fragte er mich. 
„Muss den ganzen Tag über lernen, stehen noch ein paar wichtige Klausuren vor der Tür. Nur noch ein Semester, dann hab ich meinen Bachelor.“, sagte ich. 
Natürlich war das eine Lüge, ich wollte heute mein Geschenk machen und das braucht Zeit. Ich tat jedoch so als ob ich unseren Hochzeitstag vergessen hatte. 
Emre: „Willst du eigentlich weiter machen?“
„Weiss ich nicht genau ... es wären noch 2 weitere Jahre zum Master, aber bald kommt unser Baby und .. keine Ahnung. Mal schauen.“, lächelte ich. 
Emre: „So ich mach mich mal auf den Weg.“ 
Er stand auf, ich folgte ihm zur Tür, wo er mich zum Abschied noch küsste.
„Bis heute Abend.“, sagte er. 
Tzzz hatte er es etwa vergessen?! Später sollte ich sehen, dass es nicht so war...

Kapitel 94

„Boah endlich fertig.“
Erschöpft lehnte ich mich auf Mutters Stuhl zurück und schloss kurz die Augen. Es war kurz vor 18 Uhr, ich saß seit Stunden am Laptop und arbeitete an mein Geschenk. Ich stand auf, streckte mich und gähnte einmal. Die Arbeit hatte sich aber definitiv gelohnt. Lächelnd nahm ich den Laptop und ging hoch ins Schlafzimmer. Dann schloss ihn in am Fernsehn an und bereitete alles vor. Keine 20 Minuten später kam Emre auch schon nach Hause. Als ich ihm im Flur begegnete grinste er mich an. In der Hand hielt er eine wunderschöne, rote Rose. Nur eine? Irgendwie war ich ein bisschen enttäuscht. Trotzdem ging ich auf ihn zu und umarte ihn fest. 
„Alles gute zum 1. Hochzeitstag Hayatim (Mein Leben.)“, sagte er. 
Dann löste er sich von mir, reichte mir die Rose und nahm eine kleine Schachtel auf seiner Hosentasche. Schmuck? 
„Askim das war doch nicht nötig.“, lächelte ich. 
Als ich die Schachtel öffnete sah ich zu meiner Verblüffung kein Schmuck. Nein, es war kein Schmuck. Weder ein Ring, noch eine Halskette oder ein Armband. Stattdessen starrte ich mit großen Augen auf einen Autoschlüssel. Audi .. 
„Emre, was ..“
Bevor ich weiterreden konnte, legte er mir meinen Mantel um die Schultern und zog mich dann nach draussen. Da stand er. Beim Anblick dieses Audi a5 Cabriolet fiel mir die Kinnlade herunter. Emre lief zum Wagen, während ich noch immer reglos vor der Haustür stand. 
„Willst du ihn dir nicht ansehen?“, fragte Emre mich. 
Ganz langsam setzten sich meine Füße in Bewegung. 
„Askim .. das .. das kann du doch nicht machen? Das Auto kostet ein Vermögen!“
Er machte den Kofferraum auf und holte noch einen Riesen Bund mit Rosen heraus.
„Nochmal 99, für die nächsten 99 Hochzeitstage mit dir.“, lächelte er. 
„Emre der Wagen .. das geht nicht!“, protestierte ich. 
„Doch das geht, ich arbeite seit Jahren und helfe Anne mit dem Geschäft. Ich hab das Geld sonst würde ich es dir nicht kaufen. Ausserdem war der etwas billiger als normal, hab Kontakte und so.“, grinste er. 
Er reichte mir die Rosen und küsste mich. Ich zitterte am ganzen Körper, aber war mir sicher, dass es nicht nur mit der Kälte, die hier draussen herrschte zu tun hatte. 
„Gleich mal ne Runde drehen?“, fragte er mit leuchtenden Augen. 
Er war so süß und freute sich total, dass mir der Wagen gefiel. Ich schüttelte jedoch mit dem Kopf, woraufhin er ein wenig enttäuscht drein blickte. 
Sibel: „Ich hab oben eine kleine Überraschung, für dich. Komm mit.“ 
Sofort erhellte sich seine Miene wieder, er nahm meine Hand und zusammen gingen wir nach oben. Ich nahm seine Hand und drückte ihn auf’s Bett. 
„Setzt dich bitte und mach kurz Augen zu.“, sagte ich total aufgeregt. 
Emre: „Wieso?“
Sibel: „Weil B ..“
„Okay Okay hab es verstanden.“, fiel er mir lachend ins Wort. 
Er hasste es, wenn ich dieses „Weil Baum“ benutzte. Ich legte die Rosen auf meine Kommode. Mit klopfendem Herz und zitternden Händen machte ich dann den Fernseher an und schaltete das Licht aus. Ich ließ das Video laufen und nahm neben Emre platz. 
„Augen auf.“, flüsterte ich. 
Er tat wie ihm geheißen und öffnete die Augen. Lächelnd nahm ich seine Hand und kurz darauf ertönte unser Hochzeitslied. Ich hatte Bilder von uns beiden genommen und viele schöne Sprüche drauf geschrieben. Das ganze dann zu einem Video bearbeitet. Vom Anfang unserer Begegnung, bis heute. All die schönen Momente, die wir gemeinsam erlebt hatte, gefolgt von unserem Lied, liefen über den Bildschirm. Ich war so faziniert von meiner eigenen Arbeit, wie gebannt sah ich das Video an und merkte nicht wie mir eine Träne nach der anderen die Wange herunter lief. Ganz zum Schluss, hatte ich noch ein Ultraschall Bild genommen mit dem Spruch „Wenn du da bist, ist unser Leben komplett.“ Als die Musik kurz darauf endete, warf ich einen Blick auf Emre. Er weinte. Diese Tränen die ihm da herab kullerten, es war ein komisches Gefühl. Die Person weinen zu sehn, die man über alles liebt .. seien es Glückstränen und Trauertränen, es tat weh. Wie Messerstiche. Ich küsste eine Träne von ihm weg und umarmte ihn. 
„Alles gute zum Hochzeitstag.“, schluchzte ich. 
Er legte seine Arme um mich und drückte mich fest an sich. Dann vergrub er sein Gesicht in meine Halsbeuge und schluchzte dort. 
„Aglama (Wein nicht) .. bitte. Gefällt es dir nicht?“, fragte ich leise. 
Er hob langsam seinen Kopf, so dass ich direkt in sein Tränenverschmiertes Gesicht sah. 
„Doch .. es ist .. unbeschreiblich. Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich kann meine Liebe zu dir nicht in Worte fassen. Vielleicht glaubst du mir nicht, aber ich bin der glücklichste Mann der Welt. Ich liebe dich über alles und jeden!“, sagte er. 
Dann nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Meinen Mund, meine Wangen, meine Augen, meine Stirn. Er ließ keinen Zentimeter meines Gesichts ungeküsst. Ich schloss erleichtert meine Augen und genoss den Moment... 



Nach ein paar Wochen lernte ich endlich Furkan kennen. Er war 18, machte nächstes Jahr sein Abi und will danach Medizin studieren. Er stammte aus einer guten Familie, die allesamt gebildet waren. Kurz gesagt, er war der perfekte Freund. Das wichtigste jedoch war, dass er Pinar liebte. Er sprach jetzt schon von Verlobung.
Sibel: „Furkan, Pinar ist erst 16 ..“
„In zwei Wochen 17 Abla!“, fiel Pinar mir ins Wort. 
Ich schüttelte lachend den Kopf. Die beiden wollten mich dazu bringen, mit Baba zu reden. Furkan meinte, dass er es seinen Eltern schon erzählt hat und jetzt nur noch darauf wartete damit sie um Pinars Hand anhalten können. 
„Bitte Sibel, red mit ihm.“, bat Furkan traurig. 
Furkan: „Ansonsten steh ich in paar Tagen mit meinen Eltern vor eurer Tür.“
„Tamam! (Okay!). Ich red mit ihm.“, gab ich schließlich nach. 


Nach ein paar Wochen war es dann tatsächlich soweit. Mein Bauch war mittlerweile schön rund, Emre liebte es. Furkan war mit seinen Eltern gekommen und Baba hatte ihnen seinen Segen gegeben. Mit feuchten Augen umarmte er Pinar ganz fest. 
„Aglama Baba (Wein nicht Papa), ist ja nicht so dass ich gleich nächste Woche heirate.“, flüsterte Pinar, die den Tränen auch schon nahe war. 
Ich dagegen weinte wie ein Wasserfall, alles so emotional. Emre meinte ich fang bei jeder Kleinigkeit an zu weinen, was wohl auch mit der Schwangerschaft zu tun hatte. 
Selma sah ich oft, Can, Murat und sie kamen uns oft besuchen und auch wir gingen oft hin. Der kleine Murat war so zucker, diese wunderschönen großen haselnussbraunen Augen hatte er von seiner Mutter. 
Sibel: „Wie schnell die Zeit doch vergeht, meine kleine Schwetser ist verlobt.“
Am nächsten Tag waren wir zu Besuch bei Baba. Can, Selma und Murat waren ebenfalls da. Pinar saß neben mir, ich legte einen Arm um sie.
„Lasst uns Morgen DVD Abend machen bei uns?“, sagte Can. 
„Endlich mal ne gute Idee von dir.“, ärgerte Selma ihn grinsend. 
„Emre sag der mal was, die mobbt mich die ganze Zeit.“, beschwerte sich Can. 
„Schwesterherz .. immer weiter so.“, sagte Emre nur. 
Daraufhin fingen alle an zu lachen. Mein Handy klingelte, ich nahm es aus der Tasche und beim Blick auf das Display blieb mir die Spucke weg. 
„Was will die Bitch von dir?“, fragte Pinar, die neben mir saß.... 

Kapitel 95

Ich zuckte nur mit den Schultern und starrte immer noch auf mein klingelndes Handy. Es war Laura. Wieso ruft sie mich an?! Was zum Teufel wollte sie von mir? 
„Kim o? (Wer ist es?)“, fragte Emre. 
Er stand auf und kam auf mich zu, dann nahm er mir das Handy aus der Hand. 
„Was will dieses elende Miststück?“, zischte er wütend. 
Er drückte auf die Rote Taste und gab mir das Handy wieder. 
„Nimm nicht ab hayatim, die will dich bestimmt nur ärgern.“, sagte Emre. 
„Ja ..“, antwortete ich nur. 
Can versuchte die Stimmung wieder zu lockern, in dem er Witze erzählte. Und es gelang ihm auch. Wir lachten ununterbrochen, sogar der kleine Murat grinste mit, als ob er uns verstehen könnte. Ich stand auf und wollte nach Baba sehen, der vor ein paar Minuten verschwunden war. Ich ging durch den Flur und wollte in der Küche nach schauen, doch als ich an Babas Zimmertür vorbeilief hörte ich ihn flüstern. Die Tür war nur angelehnt ..
„Ja ich weiss ... das zieht sich immer weiter raus!“, hörte ich ihn sagen. 
Mit wem sprach er? Und was zog sich immer weiter raus? Ich wusste, dass es falsch war hier zu lauschen, trotzallem stand ich da und rührte mich nicht vom Fleck. 
Baba: „Ich kann nicht mehr warten .. askim (schatz) ich will nicht mehr warten.“
Ich hielt den Atem an, mein Herz hörte auf zu schlagen. Askim? Askim?! Er hatte .. er hatte eine Beziehung? Komischerweise war das nicht mal schlimm, sondern die Tatsache dass er es verheimlicht. Wieso tut er das? Ich sag ihm schon so lange, dass er sich eine neue Frau suchen soll. Aber immer blockte er ab. Ich hörte wie er auflegte, schnell tapste ich in die Küche. Atemlos setzte ich mich hin. Irgendwie war ich total enttäuscht von ihm. Nicht weil er eine Freundin hatte, nein. Ich wünschte ihm alles Glück auf der Welt, weil er sich nach dem Tod unserer Mutter so gut um uns gekümmert hat. Er wollte immer das beste für uns. Ich war verletzt, weil er mir nichts erzählt hatte .. Grade als ich wieder ins Wohnzimmer wollte, kam Baba in die Küche. Er lächelte mich an, ich dagegen sah ihn ausdruckslos an. 
„Noldu kizim? (Was ist los meine Tochter?)“, fragt er. 
Sollte ich ihn jetzt damit konfrontieren? Nein, lieber nicht. Er sollte es mir selbst sagen. 
Sibel: „Nichts Baba, hab nur Hunger gehabt.“ 
Ich setzte ein Lächeln auf, macht den Kühlschrank auf und nahm eine Essiggurke. 
„Du hast die gleichen vorlieben wie deine Mutter, als sie mit die schwanger war.“, sagte er irgendwie traurig. 
Es war jetzt schon so viele Jahre her, aber immer noch brannte dieser Schmerz in mir. Dieser plötzliche Verlust meiner Mutter damals .. sie fehlte. Ich dachte so oft an sie. Emres Mutter war eine tolle Frau und ich nannte sie gerne Anne (Mutter), weil sie mittlerweile einen festen Platz in meinem Leben einnahm. Sie behandelte mich wie eine Tochter und machte keinen Unterschied zwischen mir und Selma. Ich umarmte Baba kurz und ging dann wieder ins Wohnzimmer... 



Später am Abend saß ich mit Emre auf der Couch uns sah Fern. Mutter war bei einer Freundin, sie würde erst später nach Hause kommen. 
Sibel: „Schatz?“
„Evet? (Ja?)“, antwortete Emre ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen. 
„Ich glaub Baba hat ne Freundin.“, sagte ich leise. 
„Wie kommst du darauf?“, fragte er überrascht. 
Sibel: „Hab ihm beim telefonieren gehört.“ 
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Emre mich an. 
„Du hast gelauscht?!“, wollte er wissen. 
„Nein! .. Na ja okay .. aber das war keine Absicht ..“, antwortete ich kleinlaut. 
Emre lachte und küsste mich auf die Schläfe. 
„Selbst wenn er eine hat, das ist doch gut? Ist es nicht das, was du wolltest?“
Sibel: „Ja! Ich bin froh, dass er jemanden gefunden hat. Aber irgendwie auch total enttäuscht .. ich mein die kennen sich jetzt bestimmt schon ne Weile und Baba hat mir immer noch nichts erzählt.“
Emre: „Das wird er dann machen, wenn er dazu bereit ist. Musst du akzeptieren hayatim.“
Ich nickte nur. Klar, er hatte Recht. Dann hieß es also warten, was sich jedoch als gar nicht mal so lange rausstellte ... 


Erneut vergingen ein paar Wochen, mittlerweile war es schon richtig warm geworden. Diese Angst vor Straßen war noch immer da, jedesmal wenn ich eine überquerte war ich besonders vorsichtig und hielt dabei die Luft an. Das Studium lief super, die letzten Klausuren hatte ich erfolgreich beendet. Mit den komischen Blicken, die mir in der Uni wegen meinem großen Bauch immer zugeworfen wurden, hatte ich mich abgefunden. Ich liebte mein neues Auto! Es war einfach nur traumhaft, ich fuhr so oft es nur ging. 
„Liebst du das Auto mehr als mich?“, fragte Emre eines Abends. 
Wir lagen schon im Bett, er surfte mit dem Laptop im Internet und ich laß ein Buch. 
„Ja.“, antwortete ich. 
Emre: „Das war ne ernste Frage.“ 
Ich hob meinen Kopf und sah ihn mit gespielt verwirrter Miene an. 
„Und du hast ne ernste Antwort gekriegt.“, sagte ich. 
Beleidigt klappte er den Laptop zu und stellte ihn aufs Nachttisch. Grinsend legte ich mein Buch ebenfalls weg und stieg dann mühsam rittlings auf ihn drauf. Mein Bauch war groß! 
„Lass mich, geh zu dein Auto.“, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. 
Oh dieser Schmollmund, wie ich ihn liebte. 
„Salak! (Idiot!).“, zischte ich lachend. 
Dann nahm ich seine Hände und legte sie auf meinen Bauch. Ich beugte mich nach vorne und küsste ihn, lange und innig. 
„Ich liebe dich über alles. Kein Auto der Welt, wird das ändern können.“, hauchte ich. 
Das klingeln meines Handys unterbrach uns. Ich stieg von Emre und nahm mein Handy. Schon wieder Laura! Es reichte, seit Pinars Verlobung rief sie fast täglich an. Jedes mal drückte ich weg, aber so langsam hatte ich die Schnauze voll. Ich nahm ab. 
„Was willst du?!“, schrie ich fast schon ins Handy. 
Emre: „Sibel wieso hast du ..“
Ich hob meine Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. Dann stellte ich auf Lautsprecher. 
„Ich versuch dich schon so lange zu erreichen.“, ertönte Lauras Stimme. 
„Ja hab ich gemerkt.“, antwortete ich schroff. 
„Können wir kurz reden?“, fragte sie leise. 
Ihre Stimme klang anders. Nicht so wie früher, die arrogante und selbstsichere Art war irgendwie weg. 
Sibel: „Ich bin ganz Ohr.“
„Ist Emre auch da?“, wollte sie wissen. 
„Ja.“, gab ich genervt zurück. 
Laura: „Okay .. also ..“ 
Man hörte am anderen Ende der Leitung, wie sie tief Luft nahm... 

Kapitel 96

„Ich wollte mich entschuldigen.“, sagte Laura leise. 
Emre und ich tauschten einen verwirrten Blick aus. 
„Für was genau?“, fragte ich dann. 
„Für alles... für meine Lügen und dafür, dass ich versucht hab euch zu trennen. Ich weiß, dass es falsch war und bereue es mittlerweile sehr.“, antwortete sie. 
Sibel: „Fällt dir aber früh ein ..“ 
Einen Moment lang herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. 
„Du hast Recht .. damals als ich mein Baby gekriegt hab .. es hat sich alles geändert Sibel. Ich bereue es so sehr, ihn damals benutzt zu haben. Ich war sauer und wollte Emre eins auswischen, weil er mich verlassen hat. Dabei war ich selber Schuld an der Trennung. Menschen ändern sich, das tun sie wirklich. Vorallem ein Kind ändert dein Leben, deine Gefühlslage und deine Sichtweise. Du willst alles tun, damit dein Kind gut leben kann. Du selbst stehst jetzt nicht mehr an 1. Stelle. Als ich von deinem Unfall gehört hab .. ich weiss vielleicht glaubst du mir nicht, aber es tat mir so leid. Es gibt so kranke Menschen auf der Welt, die alles tun würde um ihr Ziel zu erreichen und die Tatsache, dass ich selber mal so war .. ich hab mich richtig geschämt.“
Man hörte wie ihre Stimme zitterte. Sie hielt kurz inne und sprach dann weiter. 
Laura: „Ich wollte schon viel früher anrufen aber hab mich nie getraut. Als ich dann doch noch den Mut gefunden habe, hast du nie abgenommen, was ich sogar verstehen kann.“ 
Wieder Stille. Ich war total .. überrascht von dieser Entschuldigung und keine Ahnung wieso, aber ich glaubte ihr. Ich glaubte, dass sie die Entschuldigung wirklich ernst meinte. Mein Mund war leicht aufgeklappt, als ich meinen Kopf hob merkte ich wie Emre mich anstarrte. Er schien genauso überrascht zu sein wie ich .. 
„Bist du noch dran?“, fragte Laura leise. 
„Ja .. ja bin dran, ich weiss grad nur nicht was ich dazu sagen soll.“, antwortete ich. 
Laura: „Verständlich .. Emre? Hörst du mich?“
Emre: „Ja tu ich.“ 
„Es tut mir leid, dass ich versucht hab deine Beziehung zu zerstören. Es tut mir wirklich vom Herzen leid. Ich hoffe, dass ihr mir eines Tages verzeihen könnt.“, schluchzte sie. 
Man hörte wie sie leise weinte, ein paar Sekunden später legte sie dann auf. Emre war völlig von der Rolle, er nahm mir das Handy ab und legte es auf’s Nachttisch. 
„Wieso hat sie das gemacht?“, fragte er mich. 
Ich zuckte nur kopfschüttelnd mit den Schultern und legte mich wieder hin. Auf die Frage, hatte ich selbst keine genaue Antwort. 
„Vielleicht .. vielleicht hat es wirklich damit was zu tun, dass sie Mutter geworden ist. Ich mein ein Kind verändert wirklich dein Leben...“, sagte ich nach ein paar Minuten. 
„So muss es wohl sein ..“, antwortete er lächelnd und küsste meinen Bauch. 
Ich schloss meine Augen und lächelte ebenfalls. Nur noch ein paar Wochen, dann würde unser Baby auch endlich da sein. Ob es ein Mädchen oder ein Junge werden wird, wussten wir immer noch nicht. Wir wollten uns überraschen lassen. Nachdem Emre eingeschlafen war, lag ich noch Stunden später wach. So kurz vor der Geburt, passierten komischerweise so viele Dinge. Erst Pinars Verlobung .. mit 17! Ziemlich jung meiner Meinung nach, aber wichtig war, dass die beiden sich liebten. Dann diese Szene in Babas Zimmer, sie ging mir einfach nicht aus den Kopf. Er hatte eine Freundin .. Immer und immer wieder, wollte ich ihn fragen, aber ließ es dann letztendlich doch bleiben. 


Mutter: „Oglum (Mein Sohn), kannst du hier mal unterschreiben?“ 
Anne reichte Emre einen Kugelschreiber und ein paar Zettel, als wir gerade im Wohnzimmer mit Selma und Can, Tee tranken. Emre legte sein Glas weg, nahm die Zettel und überflog diese kurz. 
„Was ist das?!“, fragte er Mutter ein wenig sauer. 
„Ein paar Dokumente zum Haus überschreiben ..“, antwortete sie. 
Emre: „Ja das seh ich aber wieso?!“
Mutter: „Weil du mein Sohn bist und ich will, dass du ..“
„Selma ist auch deine Tochter!“, unterbrach Emre sie. 
Selma: „Abi, ich hab mit Mama schon geredet! Sie will mir das Geschäft ..“
Emre: „Ach wie schön. Also habt ihr schon drüber geredet.“
Er war richtig angepisst, das merkte ich an seinem Gesichtsausdruck und seinem Tonfall. 
Mutter: „Ja haben wir.“ 
Emre: „Und darf ich fragen, wieso ich das erst jetzt mitkriege?“
Can und ich saßen nur wortlos da. Irgendwie eine komische Situation, ich glaube er fühlte sich genau so wie ich. Fehl am Platz! Dieses Gespräch sollten eigentlich nur die drei führen. Ich nahm Murat, der gerade auf dem Boden kroch und setzte ihn auf’s Schoß. 
Selma: „Weil wir genau wussten wie du reagieren wirst! So wie jetzt! Wieso regst du dich so auf? Anne will nur das beste für uns beide und ..“
„Weil ich 10 Jahre nicht da war! Du hast mehr Recht auf das Haus als ich!“, schrie er. 
Plötzlich klingelte es an der Tür, dankbar für diese Ablenkung stand ich auf und ging mit Murat im Arm zur Haustür. 
„Baba? Pinar? Was machst ihr denn hier?“, fragte ich überrascht. 
So ein doofes Timing echt. Drinnen herrschte grad voll die komische Stimmung und jetzt kommen die beiden noch dazu. Da ich nicht unhöflich sein wollte, machte ich einen Schritt zur Seite und bat die beiden rein. Pinar nahm mir Murat aus dem Arm. 
„Abla spinnst du? Was trägst du den, der Furz ist voll schwer. Du stehst kurz vor deiner Geburt und sollst dich schonen!“, tadelte sie mich erst mal. 
„Ja Ja ich weiss ..“, antwortete ich nur und folgte den beiden ins Wohnzimmer, wo sich zu meiner Verblüffung, die Situation beruhigt hatte. 
Mutter schien irgendwie total schockiert als sie Baba und Pinar sah. 
„Kenan was machst du ihr?“, fragte sie. 
Ihre Stimme klang leise und irgendwie ängstlich. Was mich jedoch noch mehr überraschte war, dass sie ihn duzte! Seit wann war das so? 
„Wir müssen reden.“, antwortete Baba. 
„Kenan .. nächste Woche war abgemacht ..“
„Ich kann nicht mehr warten Hatice!“, unterbrach Baba sie. 
Was zum Teufel sollte das? War das ein Scherz oder so? Ein Blick in die Gesichter der anderen sagte mir, dass sie genau so verwirrt waren ich. Doch dann fiel bei mir der Groschen .. „Askim ich kann nicht mehr warten.“, das hatte Baba am Telefon gesagt. 
„Was geht hier vor?“, fragte Emre endlich. 
„Das würde ich auch gerne wissen. Wieso wolltest du, dass ich mit dir herkomme obwohl ich lernen musste?!“, fragte Pinar ein wenig genervt. 
Mutter: „Kenan ..“
Baba sah sie kurz lächelnd an und fing dann an zu reden .. 
„Also Kinder .. ich glaube es ist Zeit. Emre .. du bist wie ein Sohn für mich, das weisst du doch? Genau so wie du Selma. Du warst schon immer ein Teil meiner Familie und warst immer für Sibel da. Ich will nicht, dass ihr jetzt was falsches denkt.“
„Worauf willst du hinaus?“, fragte Emre sichtlich verwirrt. 
„Ich liebe eure Mutter und will sie heiraten.“, sprudelte es aus ihm heraus. 
Boom! Endlich war die Bombe geplatzt. Ich spürte wie jeder im Raum die Luft anhielt. Als ich meinen Blick durchs Wohnzimmer schweifen ließ, sah ich in eine Reihe geschockter Gesichter. Mein Papa mit Emres Mama? Ich konnte es nicht fassen .. 

Kapitel 97

„Kenan!“, schrie Anne plötzlich. 
„Was für heiraten?! Von Heirat war nie die Rede!“, fügte sie schockiert hinzu. 
Baba warf ihr einen verwirrten Blick zu. 
„Hab ich heiraten gesagt?“, fragte er. 
„Ja hast du! Kinder, wir werden nicht heiraten! Wir wollen nur .. wir wollen nur zusammenziehen ..“, flüsterte Mutter kleinlaut. 
Eine ganze Weile sagte keiner was, wir standen nur da und sahen uns gegenseitig an. Pinar brach schließlich die Stille ..
„Ist das ein Scherz?“, fragte sie leise. 
Baba: „Sehen wir aus als ob wir Witze machen kizim?“
„Nein aber .. aber .. du und Hatice Teyze?!“, stotterte sie. 
Emre stand wortlos auf und ging in die Küche. 
„Oglum lütfen! (Mein Sohn bitte!)“, rief Anne. 
Sie wollte ihm hinterher gehen, aber ich hielt sie am Arm fest. 
„Lass Anne, ich mach das.“, sagte ich. 
Sie lächelte mich schwach an, ich verstand genau was in ihr vorging. Als ich in der Küche war, stand Emre am Fenster und starrte nach draußen. Langsam näherte ich mich. 
Sibel: „Schatz .. ich weiss wie du dich fühlst .. mir geht’s grad nicht anders. Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass Baba mit Anne ..“
Ich hielt inne und nahm seine Hand. Dann sah er mir endlich in die Augen. 
„Ich fühl mich so komisch. Was ich eben gehört hab .. ich weiss nicht. Was meinst du wie lange das mit den beiden schon geht? Wochen? Monate? Jahre?“, flüsterte er. 
Ich zuckte kopfschüttelnd mit den Schultern und beugte mich ein Stück nach vorne, legte meine Hand auf seine Wange und streichelte mit dem Daumen seinen Wangenknochen. 
„Weisst du noch, als ich dir vor ein paar Wochen erzählt hab, dass Baba wahrscheinlich eine Freundin hat?“, fragte ich ihn lächelnd. 
Wortlos nickte er. 
„Du meintest, auch wenn es so ist, ich muss es akzeptieren. Das selbe gilt jetzt auch für dich Emre. Deine Mutter ist seit über 12 Jahren geschieden. Sie hat eine wundervolle Tochter großgezogen, alleine! Sie hat sich selbstständig gemacht und etwas erreicht im Leben. Ich bewundere sie! Und liebe sie, wie meine eigene Mutter .. und bin der Meinung, dass sie es verdient hat, auch in der Liebe ihr Glück zu finden. Egal mit wem, wir müssen es akzeptieren.“
Ich war selber noch total baff, wegen der Szene im Wohnzimmer eben. Aber ich wusste, dass die beiden gut zueinander passen und das Recht haben glücklich zu sein. Emre nahm meine Hand von seiner Wange und küsste meine Hand Innenfläche. 
Emre: „Ich bin so froh, dass du hier bist. Dank dir schaff ich es klar zu denken, ich weiss nicht was ich ohne dich gemacht hätte .. wahrscheinlich wäre ich ausgerastet.“ 
Er umarmte mich fest und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. 
„Du hast Recht, die beiden verdienen es glücklich zu sein. Sie waren so lange allein ..“, murmelte er leise und löste sich dann von mir. 
Liebevoll lächelte er mich an und zog mich dann ins Wohnzimmer ... 

Nach sich die Situation beruhigt hatte, tranken wir ein paar Minuten später Kaffee, den Pinar zuvor in der Küche gemacht hatte. Jedem war der „Schock“ über das soeben Erlebte noch deutlich ins Gesicht geschrieben. 
„Nein von Heirat war nie die Rede! Das weiss Kenan aber auch, wir hatten drüber gesprochen.“, wiederholte Mutter wieder. 
„Ja stimmt, tut mir leid. Das war mein Fehler. Ich war so nervös und aufgeregt, dass ich nicht wirklich drauf geachtet habe, was ich sage.“, entschuldigte sich Baba.
„Ich glaub’s nicht wie lange ihr das geheim halten konntet, ich komm mir vor wie in der Serie Aski Memnu (Verbotene Liebe).“, lachte Pinar. 
„Hey bist du dumm Pinar!“, sagte ich ernst. 
„In der Serie stirbt doch das Mädel zum Schluss oder?“, grinste Emre. 
Sibel: „Allah korusun! (Gott behüte uns!)“ 
Die anderen lachten, die Stimmung hatte sich deutlich gelockert. Ich wollte grade aufstehen um in die Küche zu gehen, als ich plötzlich eine Art knacksen im Unterleib verspürte. Mit gebeugten Rücken hielt ich mich an am Couch Ende fest und bewegte mich nicht. 
„Sibel?!“, sagte Selma und trat neben mir. 
„Ich glaub .. ich glaub ..“, stotterte ich. 
Auf einmal spürte ich wie langsam aber sicher, meine Unterhose nass wurde. 
„Deine Fruchtblase!“, schrie Pinar plötzlich. 
Ich warf einen entsetzen Blick auf Emre, der sofort aufstand. 
„Oh mein Gott es ist soweit!“, rief Selma fröhlich. 
„Allahim! (Mein Gott!)“, schrie Emre panisch und lief im Zimmer auf und ab. 
Mutter: „Oglum (Mein Sohn), beruhige dich. Willst du Sibel Angst einjagen?“
Die nächsten Minuten vergingen wie im Flug, Emre rannte hoch und nahm die fertig gepackte Tasche. Selma half mir nach draußen zum Wagen. So langsam aber sicher kamen auch die Wehen, die immer länger und schmerzhafter wurden. 
Selma: „Abi nicht so schnell man! Willst du uns umbringen?“
Emre raste förmlich. Er warf uns einen entschuldigenden Blick vom Rückspiegel zu. 
„Tut mir leid. Sibel hayatim geht’s dir gut?“, wollte er wissen. 
Ich saß hinten mit Selma, Can war vorne bei Emre. Baba und Pinar folgten uns mit ihrem Wagen. Mutter hatten wir zu Hause mit Murat gelassen. 
„Ja .. ich .. aman allahim (Oh mein Gott), was sind das für Schmerzen?“, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. 
Die nächste Wehe setzte an und hielt eine gute Minute an. 
„Du wolltest mir ja nicht glauben, als es bei mir soweit war.“, lachte Selma mich aus. 
„Seit still! Uff .. uff .. verdammt.“, antwortete ich mit schmerzerfülltem Gesicht. 
Aber sie hatte Recht, niemals hätte ich gedacht, dass es so weh tut. Ich hatte sie damals die ganze Zeit über ausgelacht und meinte sie solle nicht so übertrieben. 


Als wir endlich im Krankenhaus waren, wurde ich sofort ins Kreissaal gebracht. Stundenlang lag ich auf dem Geburtsbett, die Wehen wurden immer unerträglicher. 
„Gleich geht’s richtig los Frau Kaya.“, meinte die Hebamme lächelnd. 
Mir war nicht nach Lächeln zumute. Ich sah bestimmt schon aus wie eine Leiche und fühlte mich richtig schlecht. Während die anderen draußen warteten, saß Emre neben mir und hielt die ganze Zeit meine Hand. Er wirkte total nervös. Die Geburt war gerade im vollen Gange als die Hebamme plötzlich inne hielt. 
„Ruft den Arzt! Sofort!“, schrie sie durch das Zimmer. 
Emre: „Was ist passiert?!“
Hebamme: „Nabelschnurvorfall, bitte verlassen sie das Zimmer Herr Kaya.“
Ich hob meinen Kopf und sah wie Emre kreidebleich wurde. Panik machte sich in meinem Körper breit .. 

Kapitel 98

„Hayir .. (Nein..), geh nicht ..“, gab ich schwach von mir. 
So fest es ging klammerte ich mich an Emres Hand. Ich war fix und fertig, seit Stunden lag ich hier und alles was ich wollte war, mein Baby in den Armen zu nehmen. Meine Augen flatterten schon vor Müdigkeit, nur mit Mühe hielt ich sie offen. Ich spürte einen kurzen Stich an meinem Arm, als kurz darauf der Arzt ins Zimmer kam. 
„Herr Kaya raus hier bitte!“, hörte ich jemand sagen. 
Ich spürte wie Emre meine schweißgebadete Stirn küsste. 
„Alles wird gut hayatim!“, flüsterte er mir ins Ohr. 
Dann ließ er meine Hand los und verließ das Zimmer. Alles drehte sich vor mir, ich sah verschwommene Gestalten die um mich herum standen. Ich konnte nicht mehr klar denken, die Vollnarkose setzte langsam an. Ich schickte noch ein Stoßgebet gen Himmel, bevor mir die Augen zufielen .. 


Als ich meine Augen wieder öffnete fühlte ich mich total komisch. Man hatte mich in ein Aufwachraum verlegt, eine Krankenschwester stand neben meinen Bett. 
„Wie geht’s ihnen Frau Kaya?“, fragte sie mich lächelnd.
Ich fühlte mich richtig kaputt und übel war mich irgendwie auch. Als ob ich einen Marathon gelaufen wäre und ich eben für ein paar Minuten eingenickt war.
„Ich .. Ich weiss nicht. Mir ist so komisch, ich hab Durst... aber wo ist mein Baby?“
Meine Stimme zitterte. Ging es meinem Baby gut?! 
KS: „Alles bestens keine Sorge, die kleine ist bei ihrem Papa.“
Die kleine? Die kleine?! Es war ein Mädchen! Und das beste war, es ging ihr gut! Diese Erleichterung, die sich in meinem Körper breit machte, unbeschreiblich! Ich wollte sie sehen, ich wollte sie anfassen, ich wollte sie riechen! Mein Baby, meine Tochter. Mein Herz raste als ich plötzlich Babygeschrei aus dem Flur hörte. Die Tür öffnete sich, Emre kam rein. Er strahlte über das ganze Gesicht, als er auf mich zu kam.
„Melek will zu Mama.“, sagte er lächelnd. 
Ich streckte die Arme aus und Emre gab sie mir. Ich weiss nicht .. es gibt viele Situationen, in denen man vor Freude einfach mal losweinen will. Aber glaubt mir, es gibt nichts schöneres, als das eigene Kind im Arm zu halten. Dein eigenes Fleisch und Blut, das du ganze 9 Monate in dir getragen hast. Ich drückte dieses kleine Geschöpf an mich, küsste es sanft auf den Kopf und sog ihren Duft ein. Besser als jedes Parfüm! 
„Melek .. gute Wahl.“, lächelte ich Emre an. 
Wir hatten abgemacht, dass ich entscheiden darf, wenn es ein Junge wird und Emre dürfte sich den Namen für ein Mädchen aussuchen. 
Emre: „Melek .. Papas kleiner Engel.“ (Melek bedeutet übersetzt Engel) 
Er hielt ihre winzig kleine Hand, während ich sie stillte und drückte mir einen Kuss auf die Haare. Lächelnd hob ich meinen Kopf und sah ihm in die Augen. 
„Ich hatte solche Angst als sie sagten, ein Kaiserschnitt sei notwendig.“, flüsterte er. 
„Hauptsache uns geht es jetzt gut.“, antwortete ich. 
Ich war so mega froh und Erleichtert, dass mit Melek alles okay war. Schmerzen hatte ich momentan so gut wie keine, aber das lag wohl daran, dass ich Schmerzmittel bekommen hatte, was auch gut so war. Als die kleine fertig getrunken hatte, wollte Emre sie wieder nehmen. 
„Nur noch ein bisschen.“, sagte ich mit zuckersüßer Stimme und drückte Melek an mich. 
Ich wollte sie nicht hergeben, am liebsten würde ich einfach nur hier rumliegen, ihren wunderschönen Duft einatmen und mit ihren kleinen Fingern spielen. 
„Hayatim, du bist erst vor kurzem von der Narkose wach geworden. Du musst schlafen, schau mal deine schwarzen Augenringe an. Es ist nicht leicht nach einer Not Op einfach aufzustehen, schonen ist jetzt angesagt.“
Seine Stimme war sanft und liebevoll, keineswegs tadelnd. Nach ein paar Minuten gab ich sie ihm schließlich, da mir so langsam aber sicher meine Augen zufielen. Ich war noch fix und fertig und wollte jetzt eine Runde schlafen. 



Als ich ein paar Tage später zu Hause war ging es mir richtig schlecht. Diese Schmerzen waren kaum auszuhalten, trotz der ganzen Schmerzmittel die ich nahm. Ich glaub ich konnte nicht mal alleine aufstehen. Richtig hilflos fühlte ich mich. Immer war jemand bei mir. Emre, Mutter, Selma oder Pinar. Alleine gelassen wurde ich die ersten Tage nicht. Ausserdem war diese Narbe ziemlich lang, als ich sie das erste mal richtig sehen konnte, stand ich für ein paar Augenblicke unter Schock. Aber das spielte alles keine Rolle, hauptsache meiner Prinzessin ging es gut. Sie war ein richtiger Sonnenschein, so klein und süß. Emre half mir wo es nur ging. Kurz gesagt, bis auf die Schmerzen war alles perfekt. Etwa drei Wochen, nachdem ich entlassen wurde saßen wir alle zusammen bei uns im Wohnzimmer. 
„Wann ziehst du zu uns Hatice Teyze?“, fragte Pinar auf einmal. 
Wie hatten noch nicht mal die Gelegenheit richtig über die Sache reden. Mutter schien ein wenig von der Rolle, weil sie mit der Frage wohl nicht gerechnet hat.
Mutter: „Das weiss ich noch nicht genau kizim.“ 
„Erstmal soll Sibel wieder richtig fit werden.“, fügte sie hinzu. 
Sibel: „Hey warte mal! Soll das heissen du bist nur noch wegen mir hier?“
Ich war ein wenig sauer. Die beiden hatten schon solange gewartet. Wie sich herausstellte sind sie kurz vor Emres Rückher nach Hamburg zusammengekommen. Das sind über zwei einhalb Jahre! Unglaublich wie lange sie es geheim halten konnten. 
„Yok! (Nein!) Ich bin wegen Melek hier.“, lachte Mutter. 
„Tzz. Vallah mir geht’s prima! Ich hab kaum noch Schmerzen. Gleich nächste Woche, werden wir deine Sachen packen.“, gab ich ernst zurück. 
Mutter: „Bak oglum (Schau mein Sohn), deine Frau will mich aus dem Haus werfen.“
„Off Anne Off!“, stieß ich beleidigt aus. 
Alle fingen an zu lachen. Murat kam auf mich zugekrabbelt, ich nahm ihn auf dem Schoß und knuddelte ihn. Er war so mega süß und richtig lieb. 
„Der’s verrückt nach dir Sibel.“, meinte Selma. 
„Biliyorum (Ich weiss), alle lieben mich.“, antwortete ich grinsend. 
Pinar stand auf und nahm Melek, die bis dahin bei Baba war. 
„Yerim seni (Ich fress dich). Uff ich werde dich richtig verwöhnen, du wirst eine kleine Prinzessin. Tante wird dafür sorgen!“, sprach sie auf Melek ein und knutsche sie ab. 
Baba: „Kizim langsam, sie ist noch so klein!“
Selma: „Pinar sie ist schon eine Prinzessin!“
„Ihre Mutter ist die Königin höchstpersönlich.“, sagte Emre plötzlich, der bis sich bis dahin mit Can über Fussball unterhalten hatte. 
Keine Ahnung wieso, aber ich lief rot an. Noch immer war es mir peinlich, wenn Emre mir vor anderen Leuten Komplimente machte. Plötzlich klingelte es, dankbar für die Ablenkung stand ich auf und ging zur Tür. Es war der Postbote, der mir lächelnd ein Paket reichte... 

Kapitel 99

Nachdem ich unterschrieben hatte, schloss ich die Tür und starrte einen Moment auf das Paket. Es kam aus München .. von Emres Vater. Irgendwie fand ich es nett, aber irgendwie auch nicht. Er hat sich seit über einem Jahr nicht blicken lassen. Nach der Sache mit Meryem war das zwar nicht anders zu erwarten aber trotzdem .. immerhin ist Emre sein Sohn. Ich ging also wieder ins Wohnzimmer, wo die anderen bereits nach mir ruften. 
„Wer war an der Tür?“, fragte Emre. 
Selma: „Oh von wem ist das Paket?“
Ich sah erst auf’s Paket, dann wieder zu Selma. 
„Von deinem Vater.“, antwortete ich leise. 
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, ihr Lächeln war verschwunden.
„Wie nett von ihm.“, sagte Selma mit ruhiger Stimme. 
Ja, sie war wirklich die Ruhe in Person, obwohl ich wusste was gerade in ihr vorging. Es war so ein unangenehmes Gefühl dieses Paket in der Hand zu halten. Vorallem hatte er zu Murats Geburt nicht mal angerufen. Mal wieder wurde mir bewusst, was für ein mieser Vater er doch war. Alle anderen sagten nichts, sie war wie vom Donner gerührt. Was für ein wiederliches Verhalten, solche Unterschiede zwischen den eigenen Kindern zu machen. Als ob Selma nicht seine Tochter wäre. Emre stand auf und nahm mir das Paket aus der Hand. Er wirkte total wütend. 
„Das brauchen wir nicht, ab in den Müll damit.“, zischte er. 
Er verschwand in der Küche und kam kurz darauf wieder ins Wohnzimmer. Es herrschte eine richtig bedrückende Stille, keiner wusste was er sagen sollte. Ich warf einen Blick auf Selma, die Murat auf dem Schoß hatte und Löcher in die Luft starrte. Can saß neben ihr und strich ihr liebevoll über den Rücken. Er war ein guter Mann, ich wusste dass er sie glücklich macht. 
„Selma alles okay?“, brach Emre endlich das Schweigen. 
„Evet (Ja).“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. 
„Alles bestens, was soll schon los sein.“, fügte sie mit zitternder Stimme hinzu. 
Sie war den Tränen nahe, was wiederrum dazu führte, dass meine Augen sich auch füllten. Plötzlich stand sie auf und ging mit Murat in die Küche. Sofort folgte ich ihr. Selma setzte sich wortlos auf einen Stuhl und fing an zu weinen. Murat drückte sie fest an sich. Das tat im Herzen weh sie so zu sehen. Schnell wischte ich mir die Tränen weg, die mir bereits die Wangen runterkullerten und setzte mich neben sie. 
„Canim bitte wein nicht, das ist es nicht wert.“, versuchte ich sie zu trösten. 
„Nein ist es auch nicht. Ich weiss, dass er es nicht wert ist. Keine einzige Träne, keine einzige verfluchte Träne! Aber ich kann nichts machen, es tut trotzallem weh Sibel. Es tut verdammt noch mal weh, genau hier! Wieso schmerzt das so?“, sagte sie unter Tränen und zeigte dabei auf ihr Herz. 
Murat fing an zu weinen, Selma versuchte ihn vergeblich zu beruhigen. 
„Shht oglum, nicht weinen. Nicht weinen.“, sprach sie auf ihn ein. 
Selma: „Mama liebt dich, du bist alles für mich. Ich hab nur dich.“
Sibel: „Sag sowas nicht Selma!“
„Dieser Mann ist für mich gestorben. Er exisitiert nicht mehr für mich. Er ist nicht mein Vater, nicht mehr. Mein Erzeuger, ja das ist er. Sonst nichts. Ich hasse ihn aus tiefstem Herzen. Möge Allah mir verzeihen, aber ich hasse ihn.“ 
„Selma .. yapma (hör auf).“, meine Stimme zitterte. 
Bei ihrem Anblick und ihren Worten, zog sich mein Herz zusammen. Sie hatte mittlerweile aufgehört zu weinen, aber ihre Augen spiegelten all ihre Gefühle wieder. Hass, Enttäuschung, Wut und Schmerz. Dieser Moment, wenn man einfach realisiert, dass du deinem Vater am Arsch vorbei gehst. Dass es ihm nicht im geringsten juckt wie es dir geht. Dann noch dieses Paket zu sehen, das gab ihr dann den Rest. 


„Es hat sie richtig mitgenommen, ich hätte das Paket direkt in den Müll werfen sollen.“ 
Später am Abend lagen wir müde im Bett, Melek schlief bereits. Sie war so ein kleiner Engel, ich liebte es ihr beim schlafen zuzusehen. Jedoch machte ich mir Vorwürfe, wegen diesem scheiss Paket. Noch immer hatte ich Selmas schmerzerfülltes Gesicht im Kopf. 
„Dass er sich überhaupt getraut hat, etwas zu schicken ..“, zischte Emre wütend. 
Normalerweise würde ich jetzt sagen, „Hör auf, er ist dein Vater.“ Doch nach dem heutigen Tag schwor ich mir, das nie wieder zu sagen. Ein Vater, der sich nicht für seine Kinder interessiert .. sowas braucht echt keiner. Ich war so überglücklich, dass Emre ganz anders war. Er half mir wo es nur ging und verbrachte viel Zeit mit Melek. Er war verrückt nach seiner kleinen Prinzessin. Und auch mir laß er noch immer, jeden Wunsch von den Lippen ab. 


Ein paar Wochen später zog Anne endlich zu Baba. Zwei liebende vereint. Und das inshallah (So Gott will), für immer. Man merkte an ihren Gesichtern, dass die beiden mega happy waren. Verdient hatten sie es! Die Zeit verging einfach zu schnell, unsere kleine Melek wurde von Tag zu Tag größer. Ein richtig tolles Gefühl zu sehen, wie sie sich veränderte, wie sie immer hübscher wurde. Die Augen hatte sie eindeutig von Emre. 
„Unser Prinz wird dann deine Augenfarbe haben.“, meinte Emre eines Abends. 
Wir lagen schon im Bett, Melek hatte ich an der Brust. 
„Langsam mein Lieber, es ist noch kein Prinz in Arbeit.“, antwortete ich lächelnd. 
„Noch nicht.“, grinste er mich an. 
Melek hatte fertig getrunken und gähnte vor Müdigkeit. 
Emre: „Prinzessin will schlafen, aber erst muss Bäuerchen gemacht werden.“
Emre streckte die Hände aus, woraufhin ich ihm Lächelnd die kleine reichte. Ich legte ihm ein Tuch über die Schulter, dann legte er Melek drauf und klopfte ihr ganz sanft auf den Rücken. Dieser Anblick .. er ließ mich schmelzen. Emre war ein Traummann. Ich weiss sehr wohl, dass man sagt „Sowas gibt es nur in Filmen oder Büchern.“ Das stimmt aber definitiv nicht! Es gibt solche Männer. Ja es gibt sie wirklich, sie sind schwer zu finden. Aber es gibt sie! Und wenn man so einen Mann gefunden hat, dann darf man ihn nie mehr loslassen. Total verträumt saß ich da und sah die beiden an. Mein Leben. Ja das waren sie, sie waren mein Leben. Der Grund wieso ich jeden Morgen aufwachte. 
„An was denkst du?“, riss mich Emre aus meinen Gedanken. 
„Hm was?“, fragte ich verwirrt. 
„An was du denkst? Du grinst seit Minuten vor dich hin.“, fragte er erneut. 
„Lass mich doch.“, lachte ich. 
„Ich bin nur so verdammt glücklich und hoffe, dass es auch so bleibt. Aber keine Ahnung .. irgendwie hab ich Angst .. Angst, dass wieder irgendwas passiert.“
Meine Stimme war leise und verletzlich. Bevor jetzt wieder Tränen bei mir flossen, nahm ich die kleine von Emre und legte sie in ihr Bett. Nach ihrem Bäuerchen war sie eingeschlafen. Ich deckte Melek langsam zu und blieb dann neben das Bett stehen, an denen Gitter befestigt waren, damit sie nicht rausfällt. Was ich innerhalb von knapp drei Jahren alles durchmachen musste. Aus einer heilen, problemlosen Welt, war die Hölle geworden. Es war schlimm, keine Frage. Aber jetzt war alles gut, das spürte ich. Kennt ihr das, wenn ihr wunschlos glücklich seid und einfach nur hofft, dass es auch so bleibt? Dass keine Hindernisse mehr auftreten, keine Probleme mehr kommen, die einen runterziehen. Ich hatte eine Familie und Freunde, die ich über alles liebte. Einen Dach über den Kopf und in spätestens 2 Jahren meinen Master in Geschichte. Mehr brauchte ich absolut nicht. Ich hörte wie Emre sich vom Bett herob und auf mich zu kam. Er umarmte mich von hinten und küsste meinen Hals. 
Emre: „Hayatim, mach dir keinen Kopf. Es ist alles gut und es wird auch so bleiben.“
Ich drehte mich um und klammerte mich fest an ihn. Mein Gesicht vergrub ich in seiner Halsbeuge und atmete seinen Duft ein. Er roch immer so gut .. 
„Danke.“, sagte ich leise. 
Emre: „Für was denn?“
Ich hob meinen Kopf und sah in seine wunderschönen Augen. 
„Für alles. Dafür, dass es dich gibt. Dafür, dass du seit Jahren für mich da bist und mir das Gefühl gibst, etwas besonderes zu sein. Dafür, dass du mich nach jedem Rückschlag wieder hochgezogen hast...“ 
Ich hielt kurz inne und wischte mir die Tränen weg, die meine Wange herunter kullerten. Sibel: „Dafür, dass du mich nach all den Hindernissen, noch immer liebst...“
„Shht.“, flüsterte Emre und legte einen Finger gegen meine Lippen. 
Dann nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Meine Stirn, meine Augen, meine Wangen, meinen Mund. Zum Schluss hauchte er noch einen Kuss auf meine Nasenspitze und legte dann seine Stirn, gegen die meine. 
„Du bist mein Leben. Du und Melek. Ihr seid mein Leben Sibel, ich sterbe für euch! Alles werde ich tun, damit ihr glücklich seid. Alles werde ich tun, damit euch niemals jemand weh tun wird!“ ... 

Kapitel 100

Mir liefen lautlos die Tränen herunter. Emres Worte berührten mein Herz. Unsere Blicke trafen sich und da war es wieder, dieses Kribbeln in meinem Bauch. Womit hatte ich diesen Mann verdient? Ich fühlte mich wie die glücklichste Frau der Welt. 
„Ich liebe dich über alles.“, sagte ich leise. 
Dann folgte ein Kuss. Ein sehr langer und leidenschaftlicher Kuss. Wisst ihr Leute, es gibt Küsse, die sagen mehr als 1000 Worte. Ich weiss nicht genau wieso und hab auch keine Ahnung wie ich das erklären soll. Aber es ist einfach so. Wenn man das Feuer spürt, das tief in der Seele brennt und deinen ganzen Körper zum zittern bringt. In diesem Kuss war so viel Liebe und Zärtlichkeit .. schlicht und ergreifend perfekt! 



15 Jahre später ... 

„Wein doch nicht mein Schatz.“, flüsterte ich Melek liebevoll ins Ohr und strich ihr über den Rücken. 
„Anne (Mama). Du bist so stark, ich bewundere dich.“, schluchzte sie.
Sie vergrub das Gesicht in meiner Brust und klammerte sich fest an mich. Meine Tochter, meine wunderschöne kleine Tochter, die so langsam aber sicher Erwachsen wird. 
„Kizim was ich damit sagen will ist, dass es weitaus schlimmere Dinge im Leben gibt als Liebeskummer. Das Leben ist wie ein Buch, es gibt Stellen die dir den Atem rauben, die wunderschön und unvergesslich sind. Man hat diese Stellen immer im Kopf. Aber leider gibt es auch Momente an dene es nicht so gut ist. Momente und Erlebnisse, die man am liebsten so schnell wie möglich vergisst.“
Ich löste mich aus Meleks Umklammerung und hob ihr Kinn an. Dann wischte ich ihre Tränen weg und küsste sie sanft auf die Stirn. 
Sibel: „Aglama (Wein nicht). Du weisst, dass dein Vater und ich nur das beste für dich wollen. Du darfst nicht sauer auf ihn sein, nur weil er dich Abends mal nicht raus lässt. Du musst verstehen, dass er sich Sorgen macht. Er liebt dich, du bist sein kleiner Engel, seine Prinzessin. Das wird sich niemals ändern Melek.“ 
„Ich weiss.“, flüsterte sie. 
Es klopfte an Meleks Zimmertür. 
„Komm rein Baba.“, rief sie. 
„Woher weisst du, dass ich es bin?“, fragte Emre als er reinkam. 
„Weil du der einzige bist, der anklopft.“, antwortete Melek grinsend. 
Emre hauchte ihr lächelnd einen Kuss auf den Kopf. 
„Was macht ihr zwei hübschen eigentlich seit Tagen hier drinn? Ihr sperrt euch ein und kommt erst spät am Abend raus.“, fragte Emre neugierig. 
„Mädchenkram.“, antworteten ich und Melek wie aus einem Mund. 
Wir sahen uns grinsend an, während Emre verwirrt im Zimmer stand. Wir saßen wirklich seit Tagen hier drinnen und unterhielten uns stundenlang. Oder besser gesagt ich sprach und Melek hörte zu. Ich hatte mir damals, als Melek noch ein Baby war, fest vorgenommen ihr alles über mich zu erzählen, sobald sie alt genug war um auch zu verstehen. Jenes tat ich dann auch. Sie sollte ich darüber im klaren sein, dass es grausame Menschen gibt, die einen nur Schaden zufügen wollen. Menschen, die einen am Boden sehen wollen. Dass dein Schwarm dich auf Facebook ignoriert oder, dass du nicht das neueste Handy hast .. das sind harmlose Dinge in dieser Welt. 
„Toll, dann verschwinde ich mal wieder, damit ihr euch eurem Mädchenkram widmen könnt.“, sagte Emre beleidigt. 
„Achwas Baba, wir sind schon fertig. Oder Anne?“, lachte Melek. 
Ich liebte ihr Lachen. Sie hatte solche süßen Grübchen, an beiden Wangen. 
„Nein mein Schatz, wir sind noch lange nicht fertig. Aber mit dem Rest lassen wir uns Zeit.“, antwortete ich lächelnd auf ihren fragenden Blick. 
„Oh .. tamam (okay).“, gab sie überrascht zurück. 
„Wie soll man bei euch durchblicken?“, lachte Emre. 
Daraufhin verschwand kopfschüttelnd aus dem Zimmer. Jedoch wurde gleich darauf die Zimmertür wieder aufgerissen. Enes stampfte wütend herein. 
„Mama!“, schrie er. 
Melek: „Junge kennst du klopfen?!“ 
Er ignorierte Melek und schrie stattdessen weiter. 
„Mama, Eren gibt mir mein iPod nicht!“, jammerte er. 
Bevor ich etwas sagen konnte kam der „Übeltäter“ auch schon ins Zimmer. 
„Anne er lügt! Das ist meiner!“, verteidigte er sich. 
Das war mal wieder so eine Situation in der ich es verfluchte, dass Emre die Kinder so verwöhnte. Die Zwillinge waren erst 9 und hatten beide zum letzten Geburtstag einen iPod gekriegt. Melek war schon 6 als die beiden auf die Welt kamen. Wir hatten uns riesig gefreut, als der Arzt meinte, dass es zwei Jungs sind. Beide brüllten unverständliche Dinge durch das Zimmer und beschuldigten sich gegenseitig. 
„Stop! Es reicht!“, sagte ich schließlich ziemlich laut. 
Sofort hörten die beiden auf zu reden und sahen mich an. Mühevoll stand ich auf. 
„Anne warte ich helf dir.“, sagte Melek schnell. 
„Nein lass es geht schon kizim.“, gab ich lächelnd zurück. 
„Eren komm her.“, sagte ich ernst. 
Mit gesenkten Kopf kam er auf mich zu. Dann streckte ich ihm meine Hand hin. 
„iPod her.“, verlangte ich. 
Eren: „Aber Anne ..“
„Keine Wiederrede!“, schnitt ich ihm das Wort ab. 
Langsam nahm er es aus der Hosentasche und reichte es mir. 
„So und jetzt schnappt euch einen Ball und spielt draußen im Garten Fussball.“
Die beiden sahen nicht gerade begeistert aus. 
Sibel: „Anladin mi?! (Verstanden?!)“
„Evet Anne (Ja Mama).“, sagte die beiden. 
Ein wenig gekränkt verließen sie schließlich das Zimmer. 
Sibel: „Melek kizim ich geh mich ein bisschen hinlegen.“
„Okay. Ruf mich, wenn du was brauchst.“, antwortete sie. 
Ich nickte lächelnd und ging dann langsam auf die Tür zu. Mein Bauch war so riesig, er drohte zu platzen. Ich glaub so groß war er nicht mal mit den Zwillingen. Der Geburtstermin war in genau 10 Tagen, aber irgendwie bezweifelte ich, dass es noch solange dauern würde. Wir erwarteten noch ein Mädchen, damit wäre unsere Familienplanung aber auch komplett. Obwohl Emre ja immer meint, dass er am liebsten eine ganze Fussballmanschaft haben würde. 
„Mama?“
Ich stand schon an der Türschwelle als Melek nach mir rief. Mühsam drehte ich mich um und warf ihr einen fragenden Blick zu. 
Sibel: „Was gibt’s denn mein Schatz?“
„Ich .. ehm .. also..“, stotterte sie. 
„Sag schon.“, bohrte ich nach. 
Melek: „Hat Baba dich glücklich gemacht?“
Verblüfft hob ich meine Augenbrauen. Mit dieser Frage hatte ich absolut nicht gerechnet. 
„Das tut er noch immer Melek.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. 
Zufrieden mit meiner Antwort ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Lächelnd schloss ich die Tür und ging runter um mich ein wenig hinzulegen.... 


Als ich im Bett lag, kreisten meine Gedanken mal wieder zurück zur Vergangenheit. Ich dachte nicht oft an die schreckliche Zeit. Aber wenn es so war, dann beschäftigten diese Gedanken mich meistens Stundenlang. Vorallem jetzt, da ich Melek schon so viel erzählt hatte .. teilweise kam es mir vor als ob ich all das noch einmal erlebte. Tolga war endgültig nach Bremen gezogen, hatte eine anständige Türkin geheiratet und auch schon 3 Kinder mit ihr. Nicht dass es mich interessiert hätte, aber sowas hört man halt. Von Laura haben wir nie wieder was gehört. Und Kevin .. er war tot. Ist bei einer Messerstecherei im Gefängnis ums Leben gekommen. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, als ich damals davon gehört hatte. Es kam überraschend. Irgendwie .. irgendwie war es komisch, zu wissen dass er jetzt weg war. Weg für immer. Damals fühlte ich mich, als sei mir endlich die letzte große Last von meiner Schultern genommen worden. Die Gewissheit, dass er mir nie mehr etwas antun könnte. Es tat gut... 


Am nächsten Tag stand ich früh auf und ging runter in die Küche. Heute Abend würden alle zu Besuch kommen. Eren und Enes hatten Geburtstag und Emre bestand auf eine Feier im engsten Familienkreis. Keine zehn Minuten später stand Melek plötzlich in der Küche.
Sibel: „Was machst du so früh wach, geh weiterschlafen es ist Samstag.“
Melek: „Na klar und du kochst alles alleine. Für knapp 20 Personen.“
„Ich schaff das schon.“, erwiderte ich. 
„Ja das bezweifle ich auch gar nicht. Du schaffst alles. Aber ich will dir helfen.“ 
„Tamam aber dann nicht meckern, wenn’s dir zu viel wird.“, lachte ich. 
„Ach Mama, mein Durchaltevermögen hab ich von dir, schon vergessen?“ 
Sie grinste, so dass ihre Grübchen zum Vorschein kamen. Ich kniff ihr kurz in die Wange und dann machten wir uns an die Arbeit. 



Als erstes kamen wie immer Anne und Baba, die beiden hielten sich richtig jung. Selma und Can kamen mit Murat und ihre beiden Töchtern Damla und Defne. Murat war mittlerweile ein hübscher junger Mann geworden, Damla war auch schon 14. Mit der kleinen Defne, die bald 6 wird, hatten sich Can und Selma Zeit gelassen. Als es erneut klingelte rannte Melek zur Tür. 
„Das muss Pinar Teyze sein.“, rief so fröhlich. 
Kurz darauf kam Pinar mit ihrer kleinen Yasemin im Arm ins Wohnzimmer, gefolgt von Furkan und Selim, der wie die Zwillinge schon 10 war. Die beiden hatten nach Pinars Abi sofort geheiratet. Eine riesen Hochzeit war es gewesen, fast so schön wie meine. Aber auch nur fast. Pinar stellte Yasemin auf die Beine, die sofort auf mich zugerannt kam. Sie war erst 2 und verrückt nach mir. Keine Ahnung was für eine Anziehung ich für kleine Kinder hatte, aber fakt war, dass sie mich liebten. 
Sibel: „Yerim seni (Ich fress dich).“
Ich nahm sie auf den Arm und knuddelte sie, aber gleich darauf nahm Melek sie mir ab.
„Anne! Hör mal auf, die kleine ist voll schwer.“, meinte Melek besorgt. 
„Sibel Teyze dick.“, kicherte Yasemin. 
Daraufhin fingen alle an zu lachen. 
„Ja Ja lacht mich ruhig aus. Kommt jetzt raus in den Garten, Tisch ist schon gedeckt.“
Ich ging vor, während die anderen mir folgten. Wir hatten Mitte August. Es war schwül warm, aber die kalten Getränke und die tolle Familiäre Atmosphäre machten den Abend sehr angenehm. Emre, der neben mir saß rückte ein Stück mit seinem Stuhl ran. Dann legte er eine Hand auf meinen grossen Bauch und küsste mich auf die Wange. 
„Alles okay bei euch?“, fragte er leise. 
Ich nickte lächelnd und legte eine Hand auf seine Wange. Er kam noch ein Stück näher. 
„Ich liebe dich.“, haucht er mir ins Ohr. 
„Ich liebe dich auch.“, sagte ich lächelnd. 
Früher als ich noch klein war, wollte ich immer einen Mann, der jede Nacht sagt „Ich liebe dich.“ und es mir jeden Tag beweist. Mit Emre hatten ich diesen Mann gefunden...

 

ENDE

 

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Tag der Veröffentlichung: 23.06.2013

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