Charaktere
Daisuke
Alter: 18
Grösse: 1,78m
Spitzname: Dai
Nr. 1 auf der Weltrangliste in Karate
Satarome
Alter: 17 (Todesalter)
Grösse: 1,64m
Spitzname: Sa-chan
Ehem. Nr. 1 auf der Weltrangliste im Karate
Kiroku
Alter: 17
Grösse: 1,76m
Augenfarbe: blau-grün
Spitzname: Kiro
Nr. 2 auf der Weltrangliste im Karate
Der Arzt
Alter: ca.35
Grösse: 1,74m
Krankenhaus
Weiss. Weisse Wände. Desinfektionsmittel. Der Geruch eines Krankenhauses…
Daisukes POV
Ich versuche die Augen zu öffnen. Wo… wo bin ich? Bin ich in einem Krankenhaus? Ich schaue mich um. Alles weiss. Eindeutig, Krankenhaus. Aber… warum? Was ist passiert?
„Hey, alles in Ordnung?“, eine bekannte Stimme reisst mich aus meinen Gedanken. Mühsam wende ich meinen Kopf zur Seite und blicke direkt in zwei besorgte blau-grüne Augen. Kiroku.
„Ach Dai, was machst du denn? Wie hast du das nur gemacht?“, er ist den Tränen nahe, ich spüre es, auch wenn er versucht seine Stimme fest klingen zu lassen.
„Ich weiss es nicht“, gebe ich flüsternd zu, drehe mich wieder zurück auf die andere Seite. Ich bin müde, möchte schlafen.
„Du… du hast Sa-chans Namen gerufen. Die ganze Zeit… als du bewusstlos warst… hast du… wieder davon geträumt?“
Zaghaft nicke ich. Ja, ich habe noch immer diese grausamen Bilder von vor drei Monaten in meinem Kopf, sehe sie noch immer vor mir. Und das ist auch der Grund, warum ich jetzt allein sein will.
Ich brauche meine Ruhe, ich will schlafen.
Kiro bemerkt es. Er kennt mich, schliesslich ist er mein bester Freund.
„Verstehe…“, sagt er leise, ehe er aufsteht und ich schon kurz darauf Schritte hören kann, die sich immer mehr der Tür nähern. Er geht, gut.
Noch schwach kann ich hören, wie die Tür meines Krankenzimmers hinter ihm ins Schloss fällt und mich nun wieder meinen Gedanken überlässt.
Satarome… warum? Warum ist das damals passiert? Warum ausgerechnet du? Wieso? Ich verstehe es nicht, ich werde es wohl nie verstehen… leider.
Kirokus POV
Er hat schon wieder von ihr geträumt. Ich habe es gewusst. Er wird es nie vergessen, niemals. Diesen Anblick. Ich war damals nicht dabei, aber Dais Augen haben mir mehr gesagt, als alle Worte dieser Welt.
Ich laufe den weissen Flur entlang, komme an einem Arzt vorbei. Dem Arzt, der Daisuke behandelt. Er hält mich an: „Äh… Sir?“, spricht er mich an.
„Ja?“, fragend schaue ich zu ihm.
„Ihr Freund… er… er hat immer wieder diesen einen Namen gesprochen… etwas wie… Sa- chan…?“
Ich nicke: „Ja, Sa-chan, das stimmt.“ Ich weiss nicht worauf er hinaus will, will es vielleicht aber auch gar nicht wissen.
„Wer ist sie?“, fragt er mich.
Ich schaue weg. Ich kann nicht über sie sprechen, nicht jetzt, noch nicht… es ist zwar schon vor drei Monaten passiert, aber der Schmerz ist noch zu gross. Ich will nicht darüber reden. Nicht hier, nicht in einem Krankenhaus, nicht in diesem, in dem sie gestorben ist, nicht hier…
Der Arzt bemerkt mein Zögern, ist ja auch nicht allzu schwer, so etwas zu bemerken…
Aber er lässt nicht locker: „Sir, bitte, ich muss es wissen… es ist wichtig.“
„Klar…“, ein Kloss bildet sich in meinem Hals, ich will nicht…!
„Ist sie… eine Freundin? Oder seine Schwester?“, mit neugierigen Augen schaut er mich an.
Langsam schüttle ich den Kopf: „N-nein… sie… sie war Dais Freundin… na ja, besser gesagt… seine Verlobte.“
Die Augenbrauen des Arztes wandern in ungeahnte Höhen, haben den Mount Everest wahrscheinlich schon längst hinter sich gelassen: „Seine Verlobte?!“, wiederholt er meine Antwort.
Wieder nicke ich.
„A-aber…“, er blättet verwirrt in seinen Akten, bis er gefunden hat, was er sucht, ehe er weiter spricht, „aber… den Akten nach ist er doch erst 18!“
Ich nicke.
„Aber… das… das war nicht seine Entscheidung, oder? Ich meine… mit 18 Jahren eine Verlobte zu haben ist… das… das ist doch nicht…“, weiter wagt er nicht zu sprechen, aber auch so kann ich mir zusammenreimen was er sagen wollte: „… normal? Wollten sie das sagen?“
Diesmal ist es an ihm, eine zustimmende Kopfbewegung zu machen.
Ich lächle: „Stimmt, es ist nicht üblich, aber… doch, es war seine Entscheidung, sie wollten es beide so, aber… das ist eine lange Geschichte.“
Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie meinem Gegenüber alle Farbe aus dem Gesicht weicht. DAS hat er nicht erwartet, ist mir bewusst.
Eine Weile später hat er seine Stimme endlich wieder gefunden und fährt nun mit seinem kleinen Verhör bezüglich meines Freundes fort: „Und… wo ist sie jetzt? Vielleicht wäre es gut, wenn sie… na ja, hier wäre. Das hilft den meisten Patienten. Wenn geliebte Menschen sie besuchen kommen, erst recht, wenn man gerade von ihnen geträumt hat.“
Traurig lasse ich den Kopf sinken, meine Stimme wird leiser, ähnelt jetzt mehr einem heiseren Krächzen als etwas anderem, als ich antworte: „Das… das ist nicht so einfach. Sie… sie ist…“, noch einmal schlucke ich leer, ehe ich mir den Satz über die Lippen zwänge, den ich eigentlich nie sagen wollte: „Sie ist tot.“
Jetzt ist es raus. Nach ein paar Sekunden Pause, hänge ich noch leiser an: „Gestorben vor drei Monaten. Bei… bei einem Autounfall.“ Ich beisse mir auf die Lippen, versuche meine aufkommenden Tränen zu verdrängen, sie zu besiegen. Ich will nicht weinen. Nicht jetzt, nicht hier, nicht schon wieder, nicht deswegen.
„Deswegen also…“, murmelt der Arzt nun vor sich hin.
Verwirrt schaue ich ihn an, was meint er damit?
„Deswegen hat er immer wieder ihren Namen gerufen… jetzt verstehe ich“, fährt er weiter.
Endlich habe ich mich wieder meiner Stimme bemächtigt und frage: „Was… was meinen Sie? Warum ‚deswegen’? Was ist überhaupt passiert?“ Ich will es endlich wissen. Ich will endlich erfahren, was mit meinem besten Freund geschehen ist, dass ich ihn hier, auf der Notfallstation wieder finde.
„Er hatte einen Unfall“, klärt mich der Arzt nun auf, „ein Wagenlenker hat die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren, ist von der Strasse abgekommen und direkt in ihren Freund reingeprallt. Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat. Er hat grosses Glück gehabt.“
Wortlos nicke ich. Ja, Glück, er hatte verdammt Glück!
Eine Zeit lang stehen wir uns schweigend gegenüber, als der Arzt in seinem weissen Kittel wieder das Wort ergreift: „Wollen… wollen Sie mir nicht sagen, was damals vorgefallen ist?“
Verwirrt blicke ich in seine Augen: „Wie…?“
„Sie sehen aus, als ob Ihnen was auf den Herzen liegt… und im übrigen wüsste ich gern, was mit meinem Patienten los ist, dass er sich sogar, als er noch nicht bei Bewusstsein war, gegen die Schläuche, die wir ihm anlegen mussten, gewehrt hat. Und dann dieser Name… immer wieder.“
Er hat Recht, ich weiss es und im Grunde liegt mir dieses Erlebnis von damals wirklich schwer auf dem Herzen… Damals… Satarome… ihr Tod…
„Also?“, reisst mich die Stimme meines Gegenübers aus meinen Gedanken.
Still nicke ich und sehe mich nach einem Sitzplatz um, ich kenne mich langsam gut genug, um zu wissen, dass ich früher oder später den Tränen nah sein und zusammenbrechen werde. Bei dieser Geschichte… ich konnte sie noch nicht vollständig verarbeiten… noch nicht.
Der Arzt bemerkt meine Suche und bedeutet mir ihm zu folgen und schon bald sitzen wir auf einer Bank und schweigen, ehe ich mich dazu durchringen kann, die Stille, wenn auch nur leise, zu brechen: „Es… es geschah vor drei Monaten. Satarome, Dai und ich waren ganz oben. Wir waren die ersten drei auf der Weltrangliste im Karate. Nach so langer Zeit hatten wir es geschafft, wir waren an der Spitze angelangt, endlich. Wir waren in einem super Team und… und wir waren die besten Freunde.
Verstehen Sie, wir… wir hatten nur uns, wir hatten niemand anderen auf der Welt, nur uns. Sataromes Eltern sind schon sehr früh gestorben und der einzige, der von ihrer Familie noch übrig geblieben ist, ist ihr älterer Bruder gewesen. Aber mit ihm hat sie sich nicht verstanden, sie haben immer nur gestritten, wenn sie sich nur gesehen haben. Na ja…
Deshalb haben wir auch zusammengelebt, Sa-chan, Dai und ich. Wir haben zusammen in einer Wohnung gewohnt. Die beiden waren verlobt und ich… ich war einfach der beste Freund von den beiden. Wir waren glücklich, es… es war alles so, wie es sein sollte. Wir hatten Freunde, waren im Karate so weit oben wie noch nie und… und einfach alles lief super.“
Der Arzt nickt, was ich, nach einer Pause, in denen ich meine Tränen mit Erfolg hinunterschlucke, als Aufforderung nehme, weiter zu reden: „Es war Herbst. Das Laub an den Bäumen war rötlich, schimmerte in warmen Farben. Die Strassen waren gepflastert von den Blättern, die hinunterfielen und so… na ja, Sie kennen das ja“, wieder ein Nicken, „ich war zu Hause, hatte die Grippe und… ja, war ans Bett gefesselt, wie man so schön sagt. Jedenfalls sind die beiden weggegangen, ich weiss nicht, wohin…“
Daisukes POV
„Ich weiss es noch ganz genau… ihr Lächeln, als sie sich von mir verabschiedet hat…"
Flashback
„Okay, ich geh dann mal wieder zu Kiro, ich glaub, er könnte seine Medizin jetzt vertragen“, lächelte ich mein Gegenüber an.
Sie nickte: „Sicher. Ich muss aber noch kurz zu Tooru, soll mich wieder mal bei ihm melden, hat ja schon sooooo lange nichts mehr von mir gehört, was…?“
Bei diesen Worten musste ich schmunzeln, ja, das war Tooru: „Na gut, dann komm Toorus Wünschen mal nach. Und… wann dürfen wir dich wieder bei uns erwarten?“
Sie zuckte mit den Schultern: „Weiss nicht, aber ich sollte in zwei Stunden wieder bei euch sein.“
„Na gut, sei vorsichtig, ja?“
„Okay… aber, was soll denn schon passieren? Er wohnt schliesslich nur ein paar Strassen entfernt!“, lächelte sie mich an.
Ich wusste es nicht: „Na ja… sei einfach vorsichtig, okay?“
Satarome verdrehte gespielt die Augen und antwortete gedehnt: „Ja-ha...“
Ich umarmte sie noch kurz, ehe sie sich umdrehte und zur Strasse ging. Lächelnd sah ich ihr nach, als sie sich noch einmal zu mir umwandte und mit der Hand an ihr Cap griff, während sie mir zurief: „Yo, Dai!“, typisch Sa-chan.
Sie stand nah am Straßenrand und trat bloss einen kleinen Schritt zurück, als es geschah…
Ein Wagen, schnell, ohne jegliche Kontrolle des Fahrers, schwarz, schwarz wie die Nacht. Er kam von der Fahrbahn ab, genau auf sie zu.
„Sa-chan, Vorsicht!!“, schrie ich noch, aber es war zu spät. Ich sah alles nur noch in Zeitlupe, den Wagen, Sa-chan, die sich wegen meinen Worten wieder zur Strasse wenden wollte, noch immer ihre Hand am Cap.
Er prallte direkt in sie hinein. Hart schlug ihr zierlicher Körper auf der Kühlhaube des Wagens auf, wurde durch die Geschwindigkeit auf sein Dach geschleudert, danach mehrere Meter weiter, als sie mit einem dumpfen Aufprall auf dem grauen Teer aufschlug.
Satarome…
Eine einzige Sekunde später war alles vorbei. Der Wagen war ein paar Meter weiter zum Stehen gekommen, hatte heisse Bremsspuren auf dem Gehweg hinterlassen. Aber all das… habe ich nicht gesehen… nur sie, Satarome, sie hat auf der Strasse gelegen, umgeben von Glassplittern, von Scherben. So schnell meine zitternden Beine mich trugen, lief ich zu ihr, kniete mich neben sie.
„Satarome…“, flüsterte ich, während ich ihren Kopf in meine Hände nahm und ihn auf meinen Schoss bettete. Blut, überall. An ihren Armen, ihren Beinen, ihrer Stirn, in ihren Haaren, am ganzen Körper… Blut, einfach… einfach überall…
Nein, bitte nicht, das… das konnte doch nicht wahr sein, es durfte nich wahr sein… bitte nicht…
War das… das Ende?
NEIN! Schnell verwarf ich den Gedanken wieder, nein, an so was sollte ich jetzt nicht einmal denken, ich durfte nicht daran denken.
Von weitem hörte ich die Sirenen eines Krankenwagens, wie sie sich schnell näherten…
Hilfe…
Flashback Ende
Kirokus POV
„… so hat Dai es mir erzählt. Ich war nicht dabei, aber er, er hat alles miterlebt. Alles…“
Ein Nicken vom Arzt lässt mich die ganze Geschichte auch noch zu Ende bringen: „Sie kam gleich auf die Notfallstation.
Das ganze Team ist gleich gekommen, auch ich… Wir hatten Angst, wir wussten nicht, wie es um sie stand, wir wussten nicht, ob wir an diesem Tag unsere Freundin verlieren sollten, wir wussten nichts. Angst… ja, unglaubliche Angst.
Zwei Stunden haben wir gewartet, bis der Arzt zu uns gekommen ist, und wissen Sie, was er gesagt hat? Er hat gesagt, sie habe überlebt, dass ihr Zustand schwach, aber stabil sei! Überlebt! Ich glaube… Sie können sich vorstellen, wie wir uns gefühlt haben. Wir… wir dachten, jetzt sei alles in Ordnung, jetzt wäre alles wieder so wie früher, aber…“
Der Arzt beisst sich auf die Lippen: „…aber?“, fragt er nach einer gewissen Zeit nach, in der ich geschwiegen habe.
Mühsam schlucke ich meine Tränen hinunter und fahre fort: „Na ja… wir durften zu ihr, sie war ansprechbar, nach der Narkose und so… Aber… kaum waren wir bei ihr, da… da habe ich gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie hat zwar gelächelt aber… es war gezwungen, nicht echt. Es tat ihr weh, zu lachen, es schmerzte sie, es verletzte sie. Und ihr Blick war leer, kein Leben war in ihren Augen. Sie waren tot. Ich habe es nicht verstanden, habe sie fragend angeschaut, aber… aber sie ist still geblieben, hat nichts gesagt, keinen Ton.
Die anderen sind vor uns gegangen, Dai und ich sind noch ein bisschen geblieben.
Kaum sind die anderen aus der Tür verschwunden, da… da hat sie den Mund aufgemacht, erst dann…“
Flashback
Dai: „Sa-chan? Was ist los?”, ernst sah er sie an. Sie lag auf dem Bett, die Arme an verschiedenen Schläuchen angeschlossen, um den Hals eine Art Kragen, wie man sie manchmal den Hunden anlegt, wenn sie am Hals eine Hautreizung haben. Dai hatte sich auf einen Stuhl neben sie gesetzt und ich lehnte mich an die Wand und liess meinen Blick manchmal aus dem Fenster gleiten, wo ich draussen die leuchtend warmen Herbstfarben sehen konnte. Aber im Moment konzentrierte ich mich auf Satarome und ihre Antwort.
Sie schluckte leer: „Ich…“, traurig schaute sie zu Boden.
„Hm?“, auch ich wollte wissen, was los war, wollte wissen, was sie so bedrückte.
„Ich… es ist vorbei…“, brachte sie nun endlich hervor, womit sie sich verwirrte Blicke unsererseits einhandelte. Was meinte sie damit? WAS war vorbei?
Sie bemerkte unsere Blicke, die auf ihr ruhten, auch wenn sie uns nicht angeschaut hat, also sprach sie weiter: „Der… der Arzt, er kam vorher hierher… vor euch, er… ich…“, weiter kam sie nicht, denn auf einmal bahnten sich verzweifelte Tränen ihren Weg über ihre Wangen. Dai zog sie wortlos in seine Umarmung und versuchte sie zu beruhigen: „Schhhhh… ist ja gut… ruhig… beruhige dich… Sa-chan… es ist alles gut… alles gut…“, wobei er ihr sanft über den Rücken strich.
„Nein! Ist es nicht!“, brachte sie nun unter Tränen hervor, „ich…. ich bin gelähmt, querschnittgelähmt!“
…
WAS?!?
Ich konnte nicht glauben, was sie da erzählte, querschnittgelähmt? Satarome? Das war doch nicht wahr!
Auch Dai hielt in seinen Bewegungen geschockt inne und streckte sie von sich, um ihr in die verweinten Augen sehen zu können: „Wie bitte?“, fragte er sie, während er versuchte, in ihren Augen etwas zu erkennen, was ihm das ganze als Scherz offenbarte. Aber er fand nichts. Rein gar nichts.
„Ich bin gelähmt“, wiederholte sie, „es… es ist vorbei, ich… ich kann nie mehr Kampfsport machen, es… ich kann nicht mehr… nie… nie mehr“, und wieder überkam sie ein Heulkrampf, auf den Dai erneut mit einer Umarmung reagierte.
Sie wollte sich aufrichten, ihm entgegen kommen, als sie auf einmal stockte. Ihr Gesicht war schmerzverzehrt.
„Satarome?“, Panik schwang in Dais Stimme mit, „Satarome?!?!“, sie antwortete nicht, ihr Atem ging flach, war kaum mehr als solcher zu erkennen.
Augenblicklich bin ich rausgelaufen. Ich wollte Hilfe holen… Hilfe.
Der Arzt ist sofort mitgekommen, hat keine Sekunde gezögert, ein ganzes Team im Anhang. Aber als wir im Zimmer ankamen, war es schon zu spät. Wir waren zu spät.
Daisuke hielt sie noch immer im Arm, aber sie war bewusstlos, bewegte sich keinen Millimeter mehr von allein.
„S-Sa-chan…?“, heiser erklang meine Stimme aus meiner Kehle. Fast habe ich sie nicht mehr als die meine erkannt. Wieso nur…? Wieso Satarome?
„Was hat sie?“, Dais Frage an den Arzt, der meine beste Freundin gerade untersuchte. Satarome…
Die Diagnose: schwere innere Blutungen, Überlebenschance: 30 %. Und wenn, dann nicht mehr nur gelähmt, sondern wahrscheinlich auch mit schweren gesundheitlichen Schäden.
Nie mehr ein normales Leben.
Die Lösung: künstliches Koma, zumindest vorübergehend.
Flashback Ende
„… ich bin dann gegangen, aber verabschiedet habe ich mich für immer. Irgendwie habe ich es geahnt, ich habe gespürt, dass ich sie nie wieder lebend sehen würde. Denn… schon als ich das Krankenzimmer betreten habe, ist sie gestorben… Ihre Seele ist schon damals tot gewesen...
Dai ist geblieben und...“
Daisukes POV
„… kaum war Kiro gegangen, haben auch die Ärzte uns allein gelassen. Nur noch sie und ich.
Ihr Körper und ich. Ihre Seele… ist schon lange fort gewesen, gestorben, an einem besseren Ort.
Sie ist nie mehr aufgewacht… aber… aber ich habe gespürt, dass sie mich um etwas gebeten hat. Ich… ich kann es nicht erklären, ich kann es wirklich nicht. Aber ich konnte mit ihr reden, über unsere Gedanken. Nicht über unsere Sprachen, sondern über blosse Telepathie, über Gefühle.
Und dennoch… dennoch weiss ich bis heute nicht, ob ich das Richtige getan habe.“
Flashback
Ich stand ihr gegenüber. Wenn ich meine Augen schloss, habe ich sie vor mir gesehn, wie sie sich schwach aufgerichtet hat, mich anschaute – leere Augen. „Dai?“
„Hm?“, fragend sah ich sie an.
„Kannst du…das Zeug da bitte abstellen?“, schwach deutete sie mit dem Kopf auf die Geräte, an denen ihr Körper angeschlossen war und die unaufhörlich in der Weltgeschichte herumpiepten. Ihr Lebenszeichen war nur noch schwach, aber dennoch vorhanden.
Noch lebte sie.
Fassungslos sah ich sie an: Ich sollte WAS?!?
„Wie?! Aber… aber dann… dann stirbst du…“, der letzte Teil war nur noch ein Flüstern, kaum noch hörbar.
„Ich weiss“, gab sie traurig zu.
Ich verstand es nicht: „Aber… wieso?“, das… das konnte ich doch nicht machen!
„Ich kann so nicht weiter leben… ich… ich bin am Ende…“
Flashback Ende
Kirokus POV
"Wissen Sie, sie war die Beste. Der Kampfsport, das… das war alles für sie, es war das einzige, was sie hatte. Er war ihr Leben, ausser ihm hatte sie doch nichts. Sie… sie hat für ihn gelebt, ihr ganzes Leben, das… das war nur dem Kampfsport gewidmet. Sie war die Beste… ich sag das jetzt nicht einfach so, sie war es wirklich, wir hatten als Team… als Team hatten wir uns den Weltmeisterschaftstitel geholt, wir waren ganz oben. Sie war die Nr.1 der Welt, die Nr.1…
Und jetzt? Mit einem Schlag hatte sie nichts mehr. Kein Kampfsport, nichts, einfach weg, einfach so. Sie wäre für den Rest ihres Lebens an den Rollstuhl gefesselt gewesen, und… Kampfsport? Den konnte sie vergessen, und das wusste sie. Vergessen… den Sinn ihres Lebens. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Von einer Sekunde auf die nächste ergab ihre ganze Existenz keinen Sinn mehr.
Ich weiss, Sie werden jetzt denken… das ist noch lange kein Grund, nicht mehr leben zu wollen. Da stimme ich Ihnen zu, aber… für Satarome war es einer. Sie hat alles verloren, der Kampfsport, das Karate, das alles hat sie aus dem ganzen Elend überhaupt erst herausgezogen, aus dem sie gekommen ist. Sie konnte ohne ihn nicht mehr leben. Für sie war es nicht einfach nur ein Sport, für sie war es etwas wie für uns die Luft zum Atmen ist, für sie war der Kampfsport lebenswichtig. Ohne ihn konnte sie nicht leben… niemals!“
Ich mache eine kleine Pause, um mir mit dem Handrücken die kleinen Tränen, die ihren Weg aus meinen Augen gefunden haben, wegzuwischen, ehe ich mit belegter Stimme weiterfahre: „Und wissen Sie was? … Er hat es getan. Dai hat… alle lebenswichtigen Geräte abgeschaltet.“
„Aber… wieso?“, der Arzt schaut mich verwirrt an.
„Weil… ich habe es Ihnen doch gesagt, ein Leben ohne Kampfsport, das konnte sie nicht leben, nicht Sa-chan, nicht… sie.
Er ist bei ihr geblieben…. Sie ist einfach eingeschlafen, ohne Schmerzen, sie… hat fast nichts mehr gespürt - sie ist einfach nicht mehr aufgewacht...
Und… wissen Sie was? Dafür bewundere ich ihn, dass er das getan hat.“
„Was?!“, der Arzt sieht mich verständnislos von der Seite an. Er versteht mich nicht, klar, kein Arzt würde mich verstehen, keiner…
„Dass er die Maschinen abgestellt hat. Er… er hat sie verstanden. Er hat nicht an sich gedacht, hat nicht daran gedacht, wie es sein würde, ohne sie zu leben. Er… er hat es für sie getan, er… er konnte sich in sie hineinversetzen, er wusste, was sie durchmachen musste und…“, weiter komme ich nicht, denn nun haben mich die Tränen vollends überwältigt.
Nach einer kleinen Weile habe ich mich wieder beruhigt, habe die Tränen hinuntergeschluckt und schaue nun auf den Boden vor mir.
Der Arzt schluckt leer, sagt nichts mehr, nur ein Nicken kann ich aus dem Augenwinkel heraus erkennen, mehr nicht.
Auch ich schweige. Ich habe ihm nichts zu sagen, ich habe ihm die Geschichte von Dai und Satarome erzählt. Er weiss jetzt, was mit seinem Patienten los ist, warum er immer wieder diesen einen Namen genannt hat.
Sa-chan…
Ja, Sa-chan, ein Name, den ich nie vergessen werde, eine Person, die ich nie aus dem Gedächtnis verbannen werde. Sa-chan, ein Mensch, der es Wert ist, einen Platz im Herz eines jeden zu haben.
Das ist sein Erlebnis, das Trauma, das Dai wahrscheinlich noch lange verfolgen wird.
Sa-chan…
Tag der Veröffentlichung: 12.11.2009
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