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Leseprobe

 

SPIEL

DER VERDAMMTEN

 

Der Chimärenprinz

 

von

Renate Blieberger

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Leseprobe

Prolog

 

 

Ich verfluche eure zukünftigen Söhne König Vallon.

Jeder von ihnen wird mit einem schweren Makel geschlagen sein und bis in alle Ewigkeit daran leiden.

Nur die aufrichtige Liebe zu einer Frau, die diese Liebe erwidert und bereit ist, trotz seines Makels zu ihm zu stehen, wird sie erlösen können.

 

Fluch der Amynta, 2000 vor Christus

1. Kapitel

 

 

Altea verteilte die letzten Fruchtstücke auf den beiden Tellern, griff dann nach der getrockneten Rose, die sie in der Mitte des kleinen Tisches platziert hatte und rief: „Komm zu mir Lysandros.“ Wie üblich flammte einige Augenblicke später ein großer Flammenball mitten in ihrer Höhle auf und der Verdammte aus der Unterwelt trat heraus.

Seine rot glühenden Augen weiteten sich überrascht bei dem Anblick des gedeckten Tisches und er fragte ironisch: „Soll das ein Bestechungsversuch werden, damit ich dir umsonst helfe?“

Altea erwiderte ruhig: „Für so närrisch halte ich dich nicht. Jeder von uns soll ohne schlechtes Gewissen seine Interessen in unserem Spiel weiterverfolgen, aber ich halte es für unnötig, uns dabei auch noch anzufeinden.“

Er spottete: „So weit ich mich erinnere, bist du meist der feindliche Part gewesen. Ich war immer die Galanterie in Person.“ Das stimmte bedauerlicherweise und noch bedauerlicher, er brachte damit ihre kühle Maske zum Bröckeln, ebenso wie der Kuss beim letzten Spiel, den sie ihm eigentlich aus Mitleid gegeben hatte. Es wurde Zeit, auf unverfängliches Terrain zu kommen und das Essen war hoffentlich ein Weg dorthin.

Sie gab zu: „Das ist wahr und ich entschuldige mich für mein Verhalten. Ich räume inzwischen ein, dass du möglicherweise ein anständiger Kerl sein könntest.“

„Möglicherweise?“, fragte er gedehnt und zog dabei den Narbenwulst, in dem sich wohl seine rechte Augenbraue befand, nach oben.

Sie zuckte die Schultern. „Du könntest auch ein begnadeter Schauspieler sein, und da es um nichts weniger als meine Freiheit geht, werde ich dieses Risiko nicht eingehen. Ich dachte, wir könnten freundlicher miteinander umgehen, aber wenn du nicht willst, können wir es auch bleiben lassen.“

„Beinhaltet deine neue Freundlichkeit weitere Küsse?“, fragte er anzüglich.

Sie wehrte ab: „Der Kuss war ein Geschenk, nichts weiter. Weitere Geschenke dieser Art wirst du dir in unserem Spiel verdienen müssen.“

Er verbeugte sich knapp. „Wie schade. Also wieder nach den üblichen Regeln. Sieben Tage und zwei Zauber für jeden von uns. Welches „Monster“ hast du diesmal ausgesucht?“

Altea trat zu der Wasserlacke im Steinboden ihrer Höhle, die ihren magische Spiegel bildete, tauchte ihre Finger hinein und dachte an den ausgewählten Halbbruder. Das Wasser schlug Wellen und zeigte schließlich Demetrios. Dieser Halbbruder hatte die sehnige Gestalt eines Läufers, hellbraune Haare, blaue Augen, für den Mittelmeerraum überraschend helle Haut und eine ungewöhnliche Größe von fast zwei Metern.

„Er sieht nicht wie ein Grieche aus“, bemerkte Lysandros, der an ihre Seite getreten war, „und nebenbei bemerkt auch nicht wie ein Monster. Wieder ein Seher?“

Altea schenkte ihm ein rätselhaftes Lächeln. „Er ist etwas Anderes.“

Der Verdammte erwiderte ironisch: „Ich nehme an, du wirst das nicht näher erläutern.“

„Gut erkannt. Ich werde dir keine zusätzliche Zeit für deine Strategie schenken, aber du wirst recht bald nach Beginn des Spieles erkennen, was mit ihm los ist. Lass uns essen, ehe ich dir die ausgewählte Frau zeige. Es sei denn, du verschmähst mein Friedensangebot?“

„Das würde ich nie tun meine schöne Hexe“, erwiderte er entrüstet, aber das amüsierte Funkeln in seinen Augen verriet ihn.

 

 

Bea lehnte sich zurück und genoss das Naturschauspiel vor ihren Augen. Die Sonne war kaum noch zu sehen und hatte den Himmel in eine tiefrote Farbe getaucht. Sie seufzte genüsslich auf. Hier oben waren sogar die Sonnenuntergänge schöner als in der Stadt. Wann immer es ging, nahm sie ein paar Tage frei und fuhr in den Nationalpark, um zu campen. So spät im Herbst waren hier nicht mehr viele Leute unterwegs und die himmlische Ruhe liebkoste ihre gestresste Psyche. Plötzlich drang das Knistern eines Feuers an ihre Ohren. Hatte sich doch noch ein anderer Camper her verirrt? Ihr eigenes Zelt stand etwas weiter von dem Abhang entfernt, weil hier oben, über dem See, nach Sonnenuntergang eine wahre Mückenplage über den nichts ahnenden Wanderer hereinbrach. Besser sie warnte ihren Nachbarn. Sie stand auf, folgte dem Geräusch und sog ungläubig die Luft ein, als sie hinter einigen Büschen einen mannshohen Flammenball in der Luft schweben sah. Was zur Hölle war das? Ihre Überlegung wurde je unterbrochen, als sie ohne Vorwarnung einen Stoß bekam, der sie direkt auf das Feuer zu beförderte. Sie schrie auf und versuchte, auszuweichen, leider ohne Erfolg. Der erwartete Schmerz blieb aus und sie fand sich einige Augenblicke später am Boden liegend wieder. Sie wirbelte herum, aber der Flammenball war weg.

 

 

Demetrios war seit unzähligen Jahrhunderten in seinem privaten kleinen Kerker gefangen, ohne dass sich ein Mensch zu ihm verirrt hätte, aber vor einigen Augenblicken war ein Feuerball aufgeflammt und hatte eine Frau ausgespuckt. Er schlich vorsichtig näher und musterte sie. Offensichtlich hatte die Welt sich seit seiner Inhaftierung sehr verändert. Die Frau trug Hosen und ein Oberteil, das ihren Ausschnitt überhaupt nicht betonte, was vermutlich ein Jammer war. Dem Rest von ihr nach zu urteilen, würde der nämlich atemberaubend sein. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie war groß für eine Frau, aber immer noch einen Kopf kleiner als er. Ihr Haar war zwar zu einem Zopf zusammengebunden, aber nicht mal der konnte die seidige Fülle der schwarzen Mähne verbergen. Nur die Länge war ungewohnt. Sie reichten ihr nur bis zu den Schultern, was bei einer Frau seiner Zeit undenkbar gewesen wäre. Sie war schlank und er brannte darauf, die Konturen ihres Körpers zu erforschen, nachdem ihm das so lange verwehrt geblieben war. Dummerweise war der Zeitpunkt ihrer Ankunft mehr als ungünstig. Hoffentlich war sie bis morgen früh nicht wieder weg. Der letzte Lichtschimmer verschwand und löste die stets seiner Verwandlung vorhergehenden Schmerzen aus. Er krümmte sich zusammen und versuchte einen qualvollen Schrei zu unterdrücken, als seine Knochen brachen und sich verformten.

 

 

Bea hatte sich aufgerappelt und stieß einen Fluch aus. Den Feuerball mochte sie sich eingebildet haben, aber sie war definitiv nicht mehr an derselben Stelle im Wald. Genau genommen war sie wahrscheinlich nicht mal mehr im selben Wald. Rund um sie waren zwar immer noch Bäume und Sträucher, aber keine, die sie aus ihrer Heimat kannte. Zum Glück hatte sie ihre Bauchtasche mit dem Kompass, ihrer Notration, der Wasserflasche und das Messer dabei. Sie zog den Kompass heraus und fluchte gleich noch mal. Die Nadel drehte sich wie ein Irrwisch im Kreis. Sie musste genau über etwas Magnetischem stehen. Ihr blieb also nur, erst mal in eine Richtung zu laufen, bis sie den Waldrand erreichte, wo sie sich dann hoffentlich orientieren konnte. Noch ehe sie sich für eine Richtung entschieden hatte, erklang einige Meter rechts von ihrer Position ein grauenhafter Schrei. Bea zog hastig ihr Allzweckmesser aus dem Gürtel und schlich auf das Geräusch zu. Wenn noch jemand hier war, musste sie es wissen.

Sie hatte nicht mal die halbe Entfernung zurückgelegt, als ein wandelnder Albtraum vor ihr zwischen den Bäumen auftauchte. Gegen ihren Willen löste sich ein Schrei aus ihrer Kehle und sie taumelte zurück. Das Wesen vor ihr hatte den Körper eines Wolfs, auf dem Rücken Schwingen wie ein Adler, drei Schwänze die in züngelnden Schlangenköpfen mündeten und am ganzen Körper, außer auf den gefiederten Flügeln, grüne Schuppen und seine Augen glühten ebenfalls in einem gespenstischen Grün. Es verharrte einen Augenblick, schlug dann mit den Flügeln und hob ab.

 

 

„Er ist eine Chimäre“, keuchte Lysandros.

„Nur zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang“, erklärte Altea. „Das war ein hübscher Aufschrei, als mein Vater und der Hofstaat es bemerkt haben.“

„Also hat sein Gastspiel im Palast nur einige Stunden gedauert“, stellte der Verdammte fest.

„Wesentlich länger. Seine Mutter war raffiniert und hat erklärt, sich selbst um den Säugling kümmern zu wollen. Sie hat des Nachts niemand zu ihm gelassen und so blieb sein Makel für fast fünf Jahre unentdeckt. Nur eines schönen Tages hatte mein Vater beschlossen, einem Gast beim nächtlichen Fest seinen nun endlich makellosen Erben zu zeigen. Den Rest kannst du dir sicher vorstellen.“

„So ungefähr“, antwortete er mit einem missbilligenden Blick zu ihr. „Dir macht das viel zu großen Spaß. Hältst du sie immer noch alle für Monster, die du für deine unglückliche Kindheit verantwortlich machst?“

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Du bist eine bessere Gesellschaft, wenn du nicht den Moralapostel spielst. Aber selbst du wirst anerkennen müssen, dass dieser Halbbruder kein Mitleid verdient.“

„Tatsächlich?“, fragte Lysandros ironisch. „Was hat dieser Halbbruder dir besonders Abscheuliches angetan?“

„Mir? Nichts. Aber dafür hat er vor seiner Einkerkerung jede Menge Herzen gebrochen. Seine Mutter ist mit ihm in ihre weiter nördlich gelegene Heimat zurückgekehrt und hat ihn dort bei ihrem Stamm aufgezogen. Nachts hat er sich von den Leuten ferngehalten und tagsüber hat er den Charmeur gespielt, egal wie viele Herzen er dabei gebrochen hat und glaub mir, es waren eine Menge Herzen.“

Lysandros narbige Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Lächeln. „Dann dürfte es schwer werden, auf seine Liebe zu bauen. Diesmal werde ich wohl für meinen Kuss nicht auf ein Geschenk warten müssen.“

„Er muss sie nicht lieben, damit ich unsere Wette gewinne“, konterte sie. „Es reicht völlig aus, dass sie es glaubt, wenn du ihr den Rückweg anbietest. Da er aber nun für die nächsten Stunden eine Chimäre ist, werden wir wohl oder übel bis morgen warten müssen, ehe wir unsere Theorien überprüfen können. Ich drehe inzwischen mit Ajax eine Runde im Garten.“

„Deine Liebe zu dem Hund hält also an?“, fragte er neugierig.

„Er ist eben kein Kerl“, spottete sie und ließ ihn zurück.

 

 

Bea war einige Minuten mit hämmerndem Herzen und gezogenem Messer an Ort und Stelle geblieben, aber das Biest war zum Glück nicht zurückgekommen. Sie musste einen Unterschlupf finden, ehe sich das änderte. Das Messer weiterhin in der Hand rannte sie los, hoffentlich in die richtige Richtung.

2. Kapitel

 

 

Die Stunden bis zum Sonnenaufgang waren Demetrios diesmal endlos erschienen. Er hatte einige Hasen erlegt und sonst die Fremde im Blick behalten. Mit jeder verstreichenden Stunde hatte sie ihn mehr gereizt. Sie war nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern auch äußerst fähig. Sie hatte mit raschen aber durchaus vorsichtigen Schritten den Wald auf direktem Weg verlassen, sich die nächste Erhebung gesucht und war von dort zu dem kleinen Bach gegangen, der sein Gefängnis durchquerte. Dort angekommen war sie dem Wasserlauf in Fließrichtung gefolgt, bis sie gegen die unsichtbare Mauer seines Kerkers gerannt war. Der Anblick hatte sein Herz vor Vorfreude auf ihre Gesellschaft einen Hüpfer machen lassen. Sie war auch hier eingesperrt. Den Rest der Nacht war sie die Grenze entlang gelaufen, bis sie seine Hütte erblickt hatte, war darauf zugegangen, hatte sie schließlich betreten und sie bis jetzt nicht verlassen. Die Färbung des Himmels kündigte seine nahende Verwandlung an. Demetrios erhob sich wieder in die Lüfte und suchte den Ort auf, an dem er seine Kleidung und die Hasen zurückgelassen hatte. Es wurde Zeit, seine Eroberung zu starten.

 

 

Bea war die halbe Nacht frustriert der unsichtbaren Grenze gefolgt, bis sie die Hütte gefunden hatte. Sie war sichtlich bewohnt, aber der Besitzer war nicht aufzufinden gewesen. Schließlich hatte sie sich dennoch auf die einfache Pritsche gelegt. Wenn er zurückkam, würde er ihr das hoffentlich nicht übel nehmen und noch mehr hoffte sie auf eine Erklärung für den unsichtbaren Wall, der sie hier einsperrte. Sie hatte nämlich absolut keine.

Inzwischen war sie wieder auf den Beinen und nahm das Innere bei Tageslicht näher in Augenschein. Die Hütte war schlicht und bestand nur aus zwei Räumen. Einer war mit der Pritsche und etlichen Truhen ausgestattet und im Zweiten befanden sich ein Kamin, mit einer Vorrichtung für einen Metallkessel, ein Tisch, zwei Stühle und wieder einige Truhen. Steckdosen oder irgendwelche elektrischen Geräte suchte man vergebens. Wo immer sie hier gelandet war, es musste weitab von jeder Zivilisation sein. Bea hatte für esoterisches Zeug nichts übrig, aber bei ihrer derzeitigen Lage versagten alle logischen Erklärungen. Ehe sie in Versuchung kommen konnte, die Kisten zu durchwühlen, wurde die Tür geöffnet. Sie fuhr herum und erblickte einen Hünen, der mit einer langen hellbraunen Haarmähne, blauen Augen, einem ebenmäßigen Gesicht und einem durchtrainierten Körper einen wahren Adonis abgab und perfekt in das altertümliche Szenario der Hütte passte. Seine Kleidung bestand aus Leder und Fellen und er trug drei tote Hasen bei sich. Waffe sah sie keine, aber dieser halbe Riese konnte ihr wohl auch mit bloßen Händen den Kopf abreißen. Sie erklärte hastig: „Ich entschuldige mich für meine Anwesenheit, aber da war …“

Er unterbrach sie amüsiert: „Ein furchterregendes

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Renate Blieberger
Bildmaterialien: Chimera: Malchev/Shutterstock.com, Mann: Nas Creatives/Shutterstock.com, Wasser: Tyshchenko Photography/ Shutterstock.com, Feuerring: Jag_cz/ Shutterstock.com, Stein: Kseniya Ivashkevich/ Shutterstock.com
Cover: Renate Blieberger
Tag der Veröffentlichung: 27.03.2023
ISBN: 978-3-7554-3710-9

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