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Leseprobe

 

SPIEL

DER VERDAMMTEN

 

Der Wasserprinz

 

von

Renate Blieberger

 

Inhaltsverzeichnis

Prolog 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

Leseprobe 

 

Prolog

 

Ich verfluche eure zukünftigen Söhne König Vallon.

Jeder von ihnen wird mit einem schweren Makel geschlagen sein und bis in alle Ewigkeit daran leiden.

Nur die aufrichtige Liebe zu einer Frau, die diese Liebe erwidert und bereit ist, trotz seines Makels zu ihm zu stehen, wird sie erlösen können.

 

Fluch der Amynta, 2000 vor Christus

1. Kapitel

 

Vier Jahrtausende später

 

Obwohl Altea den kleinen schwarzen Welpen eben erst in den Garten getragen hatte, schmiegte er sich schon wieder an ihre Beine. Der kleine Hund war ein besonders anhängliches Exemplar, was Lysandros ohne Zweifel auch beabsichtigt hatte. Der Verdammte aus dem Hades hatte es schließlich von Anfang an darauf angelegt, ihre weiche Seite zum Vorschein zu bringen, vermutlich um leichter gewinnen zu können. Sie gab es nicht gern zu, aber die Gesellschaft des Hundes hatte ihr in den vergangenen viel Wochen viel Freude bereitet, vermutlich zu viel, sonst hätte sie die Frau wohl eher gefunden. Aber jetzt war es Zeit, sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren. Sie nahm die getrocknete Rose zur Hand, dachte an das Scheusal und murmelte: „Komm zu mir Lysandros.“

Einen Augenblick später flammte ein Feuerball in ihrer Höhle auf und spuckte Lysandros aus. Der Verdammte mit dem vernarbten Gesicht und dem Unterkörper eines Satyrs verbeugte sich vor ihr und spottete: „Du hast diesmal lange gebraucht. Ich dachte schon, du hast unser Spiel satt.“

Sie schoss zurück: „Ich habe eher dich satt, aber du bist nun mal ein notwendiges Übel.“

Er seufzte theatralisch auf. „Wie schade, dabei hatte ich gehofft, mein letztes Geschenk hätte dir Freude gemacht. Falls du ihn immer noch nicht willst, könnte ich ...“

Sie schnitt ihm das Wort ab: „Lass die Finger von ihm.“

„Dann gefällt er dir doch?“, fragte er gedehnt und musterte sie dabei intensiv mit seinen rot glühenden Augen.

Sie gab widerwillig zu: „Ich mag ihn.“

Lysandros seufzte: „Der Glückliche. Ich nehme an, du hast eine Frau und einen Bruder ausgewählt?“

Sie schnaubte: „Warum hätte ich dich sonst rufen sollen?“ Sie trat zu der mit Wasser gefüllten Vertiefung in ihrer Höhle, die ihr Fenster in die Welt außerhalb ihres Kerkers war, berührte sie mit den Fingerspitzen und rief das Bild ihres Halbbruders herbei und teilte Lysandros mit: „Das ist er und das“, sie rief das Bild der Frau herbei, „ist sie.“

Er musterte die Frau, als ob ihr Bild ihm etwas über sie verraten würde, und antwortete dann: „Wir spielen also wieder um einen leidenschaftlichen Kuss?“

„Da du bisher immer verloren hast, zum Glück um nicht mehr“, konterte sie.

Seine vernarbten Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Lächeln. „Du kannst nicht immer gewinnen.“ Genau das hatte sie aber vor, denn jedes Versagen ihrerseits kostete sie eine intime Gefälligkeit, von denen ein Kuss nur die Harmloseste war. Als er keine Antwort bekam, verbeugte er sich noch mal spöttisch vor ihr, trat einige Schritte zurück und verschwand, wie er gekommen war.

 

 

Danica schwamm mit kräftigen Zügen durch das in der Dämmerung dunkle Wasser. Sie war in den Urlaub gefahren, um dem Druck ihres Jobs zu entkommen und die unzähligen Touristen tagsüber hatten sich dem als ziemlich abträglich erwiesen. Selbst jetzt gelang es ihr kaum, ihre Gedanken zur Ruhe zu bringen. Sie hatte es mit Ehrgeiz und Fleiß von ganz unten bis zur Assistentin des Chefs gebracht, aber nun setzte ihr dieser Posten immer mehr zu, vor allem die Einsparungen in letzter Zeit. Es brach ihr jedes Mal fast das Herz, wenn sie wieder einen Familienvater entlassen musste. Aber was hätte sie dagegen tun sollen? Sie war ja nur der Bote. Sie holte kräftiger aus und schob ihre Gedanken energisch zur Seite. Sie war überarbeitet, sonst nichts, kein Wunder nach einem Jahr ohne Urlaub. Sie hatte noch drei Wochen Erholung vor sich und danach würde alles schon wieder wie gewohnt laufen. Sie warf einen Blick nach oben und merkte, dass der Mond schon hoch am Himmel stand. Es wurde Zeit, umzukehren. Sie drehte sich im Wasser und keuchte erschrocken auf. Keinen Meter vor ihr schwebte ein riesiger Flammenball über der Wasseroberfläche. Während sie ihn ungläubig anstarrte, wurde sie von hinten gepackt und in die Flammen geschleudert. Sie schrie vor Panik auf, aber anstatt zu verbrennen, war sie plötzlich wieder im Wasser. Sie fuhr panisch herum, aber von einem Flammenball war weit und breit nichts zu sehen. Natürlich, weil es ihn nie gegeben hatte, andernfalls wäre sie von Brandwunden überzogen gewesen. Ein Schauer durchlief sie, der nichts mit der Kühle des Wassers zu tun hatte. Sie war offenbar nervlich angeschlagener, als sie gedacht hatte. Sie begann zügig, zum Strand zurückzuschwimmen. Gleich morgen früh würde sie sich einen Arzt suchen, der ihr hoffentlich ein paar gute Medikamente verschreiben würde.

 

 

Das kühle Nass liebkoste Herus Körper, als er durch die Fluten glitt. Das war seit Jahrtausenden seine einzige Freude, zumindest ehe Streuner in sein Leben getreten war. Der Fluch dieser bösartigen Hexe hatte ihm nicht nur Schuppen angehext, die im Wasser zu einem Fischschwanz wurden, sondern ihn nach einiger Zeit auch noch in einer Art magischen Käfig eingesperrt, der nur ein Stück Strand, ein wenig vom Meer und eine kleine Ecke steiniges Gelände umfasste. Streuner war eine getigerte Katze, die eines Tages halb verhungert vor seiner Hütte aufgetaucht war und ihn angebettelt hatte. Seit Heru dem Kater etwas von seinem Fisch spendiert hatte, kam er immer wieder und milderte so seine Einsamkeit. Vermutlich wartete er auch jetzt am Strand auf seine Rückkehr, weil er von seinen nächtlichen Schwimmausflügen meist einen Fisch mitbrachte. Er wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als er in der Ferne plötzlich einen Feuerball aufleuchten sah und kurz darauf ein lautes Platschen im Wasser ertönte. Was war das wieder für ein Hexenwerk? Heru schwamm darauf zu und erstarrte förmlich, als er im dunklen Wasser eine Frau erkannte. Tiere überwanden die unsichtbare Grenze zu seinem Kerker immer wieder mal, aber Menschen wurden von der Magie für gewöhnlich zuverlässig ferngehalten. War sie auch eine Verfluchte? Sein Herzschlag beschleunigte sich. War ihm endlich menschliche Gesellschaft vergönnt? Alles in ihm schrie danach, sie sofort anzusprechen, aber mit seinem Fischschwanz würde er sie vermutlich nur verschrecken. Zu gut hatte er noch die Reaktionen der Leute vor seiner Einkerkerung in Erinnerung. Es würde schon schwer genug werden seine Entstellungen, die an Land übrig blieben, vor ihr zu verbergen. Sie schwamm mit kräftigen, gleichmäßigen Schwimmzügen und würde es ohne Probleme an den Strand schaffen. Er schwamm von ihr weg, um unbemerkt an Land gehen zu können.

 

 

Danica war froh, als sie Boden unter ihren Füssen spürte. Sie musste sich weiter als gedacht vom Strand entfernt haben. Sie legte die letzten paar Meter zu Fuß zurück und ließ sich am Strand auf die Knie fallen, um tief und gleichmäßig ein und wieder aus zu atmen, bis das Zittern in ihren Armen und Beinen sich beruhigt hatte. Erst dann erhob sie sich, aber nur, um sofort wieder zu erstarren, als sie die Veränderung des Strands realisierte. Das war eindeutig nicht der Strand, von dem sie losgeschwommen war. Auf dem typischen Touristenstrand standen unzählige Sonnenschirme und Liegen, ganz zu schweigen von den diversen Strandbars, die bis lange in die Nacht für die unzähligen Touristen geöffnet waren. Auf diesem hier war nichts, außer Sand und ein paar Steine. Sie stöhnte auf. Sie musste bei ihrem Aussetzer die Orientierung verloren haben und war an einen anderen Strandabschnitt geschwommen. Darum hatte der Rückweg auch so lange gedauert. Innerlich seufzend setzte sie sich in Bewegung. Hoffentlich gab es hier in der Nähe zumindest ein Hotel oder ein kleines Dorf, in dem jemand ihr ein Taxi rufen konnte.

 

 

Wieder an Land hatte sein Fischschwanz sich wie üblich rasch wieder zu dem Schuppengürtel um seine Hüften und die kreisförmig um seine Beine verlaufenden Schuppen zurückgebildet, ebenso wie die Klauen an seinen Fingern sich wieder in einen dünnen Schuppenring um sein Handgelenk verwandelt hatten. Aber um vor der Fremden als Mensch durchzugehen, musste er auch die vor ihr verbergen. Er rannte auf seine Hütte zu, von dem empört maunzenden Streuner verfolgt. Er rief ihm zu: „Tut mir leid Streuner, aber das ist ein Notfall.“

In der Hütte angekommen durchwühlte er hastig seine Truhen, bis er eine Hose mit langen Beinen gefunden hatte. Im Sommer trug er nie mehr als einen Lendenschurz. Eine Hose aus Fellen und Häuten zu fertigen war schwierig und Felle selten und außer Streuner sah ihn ja niemand, abgesehen davon war sein an das Meer angepasster Körper nicht besonders kälteempfindlich. Er schlüpfte hastig in die Hose. Damit waren die Schuppen an seinen Beinen und den Hüften verborgen, aber er hatte kein langes Hemd, um auch die an seinen Handgelenken zu verstecken. Er sah sich hektisch um, fand aber nichts. Nach vier Jahrtausenden war alles, was er an Stoff besessen hatte, längst zu Staub zerfallen. Alle seine Sachen bestanden aus den Häuten oder Fellen der selten an den Strand kommenden Tiere. Schweren Herzens nahm er eines der alten Bronzemesser, die er wie einen Schatz hütete, und schnitt von seiner Bettdecke einen dünnen Streifen ab, den er in zwei Teile zerschnitt und sich um die Handgelenke wickelte.

 

 

Zu ihrem Verdruss lagen gleich am Strand weder ein Hotel noch eine kleine Siedlung. Lediglich eine bescheidene Hütte hatte Danica auf einer kleinen Erhöhung ausmachen können, auf die sie nun zu steuerte. Hoffentlich waren die Bewohner keine kauzigen Einsiedler, die ihr nicht mal die Tür aufmachen würden, oder Schlimmeres. Aber was blieb ihr schon anderes übrig? Die nächste Stadt konnte weiß Gott wie weit weg sein und in ihrem nassen Bikini wurde ihr langsam auch noch kalt. Sie kletterte nach oben und ging auf das Gebäude zu. Die Hütte schien aus Steinen gebaut worden zu sein und wirkte äußerst primitiv. Unglaublich, dass heute noch jemand so lebte. Sie trat an die Tür und klopfte. Einen Herzschlag später wurde sie schon geöffnet und sie sah sich einem Mann um die Dreißig gegenüber. Seine Haut war eine Spur zu dunkel für den mitteleuropäischen Raum, aber zu hell für weiter südlich gelegene Gebiete, er hatte schwarzes, schulterlanges Haar, das wohl einem Friseurlehrling in die Hände gefallen war und einen Adonis verdächtigen nackten Oberkörper. Für gewöhnlich wäre ihr bei diesem Anblick der Mund trocken geworden, aber im Moment war ihr dazu viel zu kalt und sie hatte viel zu großen Durst. Sie krächzte: „Verzeihen Sie die Störung, aber ich habe mich im Wasser verirrt. Dürfte ich bei Ihnen telefonieren?“

„Telefonieren?“, fragte er verwirrt.

Sie erklärte: „Ich möchte in meinem Hotel anrufen, damit die mir ein Taxi schicken.“

Er erwiderte bedauernd: „Ich habe nichts zum Telefonieren und Taxis gibt es hier auch keine.“ Sie schloss gequält die Augen. Was konnte denn heute noch alles schieflaufen? Seine Stimme ließ sie die Augen wieder aufreißen: „Sie sehen halb erfroren aus und haben sicher Durst und Hunger. Kommen Sie doch bitte herein.“ Unter normalen Umständen wäre Danica nie einfach allein, noch dazu nachts zu einem Fremden in sein Haus gegangen, aber sich eine Unterkühlung zu holen, oder irgendwo umzufallen, weil sie völlig ausgetrocknet war, wäre noch übler gewesen, also trat sie ein. Im Inneren der Hütte war ihr sofort klar, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Es gab kein einziges elektronisches Gerät, nicht mal elektrisches Licht.

 

 

Hatte er zuerst befürchtet, der unförmige Schnitt seiner Hose würde einen schlechten Eindruck auf sie machen, war er nun froh darüber. Die Frau sah einfach großartig aus und das mehr als knappe Kleidungsstück, ließ auch gar keine Zweifel daran aufkommen. Sie war groß für eine Frau, gerade mal einen halben Kopf kleiner als er. Ihr Haar war zu einem Knoten zusammengesteckt, reichte ihr aber im offenen Zustand vermutlich bis weit über den Rücken hinab. Sie hatte feine Züge, die von zwei rehbraunen Augen beherrscht wurden, deren Wärme seine Sehnsucht nach Gesellschaft noch anfachte und ihr schlanker, aber an den richtigen Stellen sehr weiblicher Körper weckte noch ganz andere Sehnsüchte in ihm. Er schluckte, weil sein Hals plötzlich wie zugeschnürt war. Aber bevor er auch nur an eine Eroberung denken konnte, hatte er noch ein ganz anderes Problem zu lösen. Offenbar wusste sie nämlich nicht, dass sie in einem magischen Kerker feststeckte. Am besten er ging die Sache ganz langsam an. Er nahm seine Bettdecke und legte sie ihr sanft um. Als sie dabei erschrocken zusammenzuckte, erklärte er entschuldigend: „Damit Sie nicht frieren.“

Sie krächzte: „Danke.“

Er verzog seine Lippen zu einem Lächeln. „Ich heiße Heru. Ich mache Ihnen erst mal eine Kleinigkeit zu essen und dann

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Renate Blieberger
Bildmaterialien: Mann + Wasser: Tyshchenko Photography/ Shutterstock.com, Schuppen:Nomad_Soul/ Shutterstock.com, Feuerring: Jag_cz/ Shutterstock.com, Stein: Kseniya Ivashkevich/ Shutterstock.com
Cover: Renate Blieberger
Tag der Veröffentlichung: 21.10.2022
ISBN: 978-3-7554-2364-5

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