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Leseprobe

 

SPIEL

DER VERDAMMTEN

 

Der Schlangenprinz

 

von

Renate Blieberger

Inhaltsverzeichnis

Prolog 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

Epilog 

Leseprobe 

 

Prolog

 

2000 vor Christi Geburt

 

Amynta ging mit versteinerter Miene, ihre kleine Tochter Altea an der Hand, durch den großen Saal auf ihren König zu. Die Reaktionen der Anwesenden reichten von verlegen abgewandten Gesichtern bis zu offener Häme, aber sie ignorierte sie, ebenso wie das Sträuben des Mädchens an ihrer Hand. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann auf dem Thron. Sein Name war Vallon und bis vor Kurzem war er ihr Gemahl gewesen, bis er sie verstoßen und durch eine neue Königin ersetzt hatte.

Als sie gut die Hälfte des Saals durchquert hatte, fuhr er sie an: „Was willst du hier?“

Amynta verneigte sich spöttisch und fragte: „Hat nicht jeder deiner Bürger das Recht, vom König empfangen zu werden? Oder hast du mir neben meinem Rang auch noch meinen Bürgerstatus aberkannt? Falls ja, hat dein Speichellecker vergessen, es mir auszurichten.“

Besagter Speichellecker, einer von Vallons Ratgebern, trat aus der Menge hervor und beschwor sie: „Ich bitte Euch Amynta, seid vernünftig. Ihr wisst es war zum Besten des Königreiches. Der König braucht einen Erben aber ihr habt in fünf Jahren Ehe nur eine Tochter geboren und zwei Fehlgeburten gehabt. Ihr seid mehr als großzügig entschädigt worden.“

Sie lachte hart auf. „Ein kleiner Hof am Rande dieses Reichs, der mich vom Thronsaal fernhalten soll?“ Sie sah zum König und fragte ironisch: „War das deine Idee, oder haben sie es dir eingeflüstert?“

Vallon war bei ihren Worten aufgestanden und knurrte: „Du vergreifst dich im Ton Amynta.“ So war es und es würde sie das Leben kosten, aber das war ein angemessener Preis für den Erfolg ihres Vorhabens.

Sie sah ihm in die Augen und sprach den vorbereiteten Fluch aus: „Ich verfluche eure zukünftigen Söhne König Vallon. Jeder von ihnen wird mit einem schweren Makel geschlagen sein und bis in alle Ewigkeit daran leiden. Nur die aufrichtige Liebe zu einer Frau, die diese Liebe erwidert und bereit ist, trotz seines Makels zu ihm zu stehen wird sie erlösen können.“

Vallon brüllte: „Tötet sie.“ Amynta hörte das Geräusch, mit dem die Wächter neben dem Thron die Schwerter aus den Scheiden zogen. Sie stieß ihre Tochter von sich weg und verknüpfte ihre Lebensenergie mit dem Fluch. Einen Herzschlag später bohrte sich eines der Schwerter in ihre Brust. Der reißende Schmerz wurde mit ihrer Lebensenergie davongetragen, als diese mit dem Fluch aus ihr floss und sich an Vallon heftete. Sie spürte kaum noch, wie sie am Boden aufschlug.

Als die eisige Kälte des Todes sie durchdrang, krächzte sie: „Für dich wird es keinen Erben geben.“

1. Kapitel

 

2000 nach Christi Geburt

 

Leandro fluchte herzhaft, als die wilde Ziege vor ihm durch die unsichtbare Barriere schlüpfte. Eine Barriere, die nur ihn stoppte, als ob sie eigens geschaffen worden wäre, um seine Qualen noch zu steigern. Kein abwegiger Gedanke, wenn er seine Geschichte in Betracht zog.

Er war vor sehr langer Zeit als Sohn eines griechischen Königs geboren worden, zumindest hatte seine Mutter es ihm so berichtet, ebenso wie von dem Fluch, der ihn verunstaltet hatte. Er war zwar großteils menschlich, aber seine Augen und seine Eckzähne waren die einer Schlange. Ein Makel, der ihn sein Geburtsrecht gekostet hatte. Er hatte lange an dem Wahrheitsgehalt ihrer Erzählung gezweifelt, denn sein Zuhause war seit jeher die einfache Holzhütte am Fuß des hohen Berges gewesen, wo seine Mutter ihn in der Einsamkeit großgezogen hatte und auch gestorben war. Da sein Äußeres die Menschen abschreckte, war er hier geblieben und hatte sich von der Jagd und seinem Garten ernährt, aber spätestens, als er mit knapp dreißig zu altern aufgehört hatte, war die Wahrheit nicht mehr zu leugnen gewesen. Er war dazu verflucht, bis in alle Ewigkeit als Monster über die Erde zu wandeln. An eine etwaige Erlösung glaubte er schon seit seiner ersten Begegnung mit einer Frau nicht mehr. Nach einigen Jahrhunderten war dann die Barriere erschienen und hatte selbst die unwahrscheinliche Chance darauf zunichtegemacht.

Nach einer Weile, als die Einsamkeit ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, hatte er versucht, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Aber der Versuch war ebenso kläglich gescheitert wie seine Fluchtversuche. Jede seiner Wunden heilte wie von Zauberhand und selbst der Versuch, sich zu ertränken, hatte keinen Erfolg gebracht.

Leandro schob die düsteren Erinnerungen beiseite und ging zurück zu seiner Hütte, um sich um das Brennholz zu kümmern. Er mochte nicht sterben können, aber Hunger und Kälte fühlte er wie jeder Andere auch.

 

 

Altea verzog ihre Lippen zu einem hämischen Grinsen, als sie die Ziege vor Leandro durch die Barriere verschwinden sah. Das geschah dem Mistkerl recht, immerhin war er an ihrer Lage schuld, er und seine sechs Brüder. Sie erhob sich vom steinernen Boden, der den magischen Spiegel einfasste, in dem sie regelmäßig ihre verfluchten Halbbrüder beobachtete und ging nach draußen. Der Garten, der die Höhle umgab, mutete mit den üppigen Pflanzen, dem kleinen Teich und den rund ums Jahr warmen Sonnenstrahlen paradiesisch an, aber letzten Endes war er ebenso ein Gefängnis wie die Barriere in der Leandro eingesperrt war.

Hatte ihre Mutter das nicht vorausgesehen, oder war es ihr egal gewesen? Diese Frage hatte Altea sich schon unzählige Male gestellt und es doch nie geschafft, sie zu beantworten. Sie war ebenso eine Hexe wie Amynta es gewesen war, was sie befähigte, ihr Gefängnis erträglicher zu gestalten, als die ihrer Brüder, aber die Einsamkeit mochte nicht mal ihre Magie zu lindern. Ihre einzige Gesellschaft waren die vielen Vögel, die ihren Garten mit Leben erfüllten, doch für die schien sie kaum zu existieren.

Aufgewachsen war Altea im Palast ihres Vaters, wo sie die sieben Geburten ihrer Halbbrüder miterlebt hatte. Wie von ihrer Mutter gewollt war jeder von ihnen mit einem schweren Makel gezeichnet und sobald sich der gezeigt hatte von ihrem Vater verstoßen worden, und zwar mitsamt der Frau, die ihn geboren hatte.

Vallon dieser arrogante Narr hatte geglaubt, den Fluch austricksen zu können, indem er immer wieder eine neue Königin erwählt hatte, manche von ihnen aus den exotischsten Gebieten der damals bekannten Welt. Nach der Geburt des siebenten Sohnes hatte er aufgegeben und einen Nachfolger aus seinen Gefolgsleuten ausgewählt. Altea hatte ihn heiraten müssen, um seinen Anspruch zu rechtfertigen. Heute erinnerte sie sich nicht mal mehr an sein Gesicht. Es war ebenso wie die meisten Erinnerungen in den vergangenen Jahrtausenden aus ihrem Gedächtnis verschwunden.

Von ihrem Vater mit Missachtung gestraft war Altea von ihrer Tante aufgezogen und auch in die Geheimnisse der Magie eingeweiht worden. Als sie mit knapp dreißig zu altern aufgehört hatte, war sie zuerst als Gesegnete der Götter verehrt worden, aber irgendwann war sie den Menschen unheimlich geworden und hatte sich diesen magischen Zufluchtsort geschaffen, um wenigstens zeitweise ihrem Misstrauen entgehen zu können. Seit der Fluch dann irgendwann die Barrieren erschaffen hatte, war sie hier gefangen, dazu verdammt, die Welt nur noch zu beobachten.

Zuerst hatte es sie ausreichend befriedigt, das Leid ihrer Halbbrüder mit anzusehen, aber irgendwann war selbst dieses Vergnügen schal geworden. Sie war nun seit vier Jahrtausenden auf dieser Welt und sie hatte genug. So sehr sie ihren Brüdern ihr Leid vergönnte, wenn sie selbst jemals frei sein wollte, musste sie für deren Erlösung sorgen. Zum Glück hatte sie in den vergangenen Jahrzehnten einen Weg gefunden, wie sie das mit Hilfe aus der Unterwelt bewerkstelligen konnte. Aber das größte Problem war die richtigen Frauen zu finden. Denn welche Frau wäre schon fähig, sich in solche abstoßenden Monster zu verlieben? Aber sie hatte eine vielversprechende Kandidatin gefunden und sie eine Weile beobachtet. Es wurde Zeit einen Versuch zu starten.

Altea ging wieder in die Höhle und kniete sich vor den magischen Spiegel. Eigentlich war es kein Spiegel, sondern eine Vertiefung, die mit Wasser gefüllt war. Sie vermochte damit Blicke in viele Welten zu werfen, die Unterwelt jedoch war den Lebenden verschlossen. Aber sie konnte durch das Wasser einen Ruf aussenden. Sie steckte die Fingerspitzen ihrer linken Hand ins Wasser und dachte an den Herrscher der Unterwelt und rezitierte: „Hades Herr über die Toten und Verdammten, als Gläubige erflehe ich deine Hilfe. Nimm mein Blut als Opfer und erhöre mich.“ Bei den letzten Worten griff sie nach dem Dolch an ihrem Gürtel und zog die scharfe Klinge in einem raschen Schnitt über die Handfläche ihrer linken Hand. Sie sog hart die Luft ein, als der Schmerz in ihr Fleisch biss, und sah zu, wie das Blut über ihre Finger in das Wasser tropfte. Tropfen für Tropfen färbte das Wasser sich um ihre Hand herum immer rötlicher, bis die Oberfläche endlich in Wallung geriet. Altea zog die Hand aus dem Wasser, wich ein paar Schritte zurück und sank demütig auf die Knie, den Blick zu Boden gerichtet.

Nach einer Weile hörte sie das Lodern von Flammen und spürte die Hitze des Feuerballes, der sich aus dem magischen Spiegel erhob und die Ankunft des Gottes ankündigte. Trotz ihrer Neugier sah sie weiter demütig zu Boden, um den Herrn der Unterwelt nur ja nicht zu verärgern. Sie spielte gerade zum wohl tausendsten Mal ihre zurechtgelegten Worte im Kopf durch, als die Hitze erlosch und sie ein hartes Klicken auf dem Steinboden hörte. Was war das? Sie wartete angespannt, aber da der Gott sie nicht ansprach, spähte sie schließlich verstohlen nach oben und riss erschrocken die Augen auf. Jemand war ihrem Ruf gefolgt, aber mit Sicherheit nicht Hades. Das Geschöpf vor ihr war von abstoßender Hässlichkeit. Seine Augen, die in einem von Narben entstellten Gesicht saßen, glühten wie Feuer, sein Haar war nur eine Nuance dunkler und hüllte einen muskulösen männlichen Oberkörper ein, der ganz anziehend gewirkt hätte, wenn seine Hände nicht in spitzen Klauen ausgelaufen wären und der Rumpf in den Unterkörper eines Satyrs gemündet hätte. Als Krönung dieser Abscheulichkeit hatte er auch noch einen schuppigen Schwanz, der umher peitschte. Bekleidet war er nur mit einer Art Lendenschurz. Er musterte sie anzüglich und grinste: „Na sieh mal einer an, was für ein hübsches Vögelchen mich da herbeigerufen hat.“

Altea sprang empört auf und fauchte: „Ich habe nicht dich gerufen, sondern den Gott Hades.“

Er brach in meckerndes Gelächter aus und schnaubte schließlich: „Der gewährt schon seit geraumer Zeit keine Audienzen mehr.“

„Was soll das heißen?“, herrschte sie ihn an.

Das Geschöpf sah sich neugierig um und meinte dann: „In deinem kleinen Kokon hast du es vielleicht nicht mitbekommen, aber unsere Götter haben uns schon lange verlassen.“

Sie widersprach heftig: „Du lügst. Sie sind unsterblich.“

Er zuckte die Schultern. „Mag sein, aber ihre Macht ziehen sie aus der Anbetung ihrer Anhänger und heute glaubt kaum noch einer an sie. Eines Tages war er verschwunden und hat uns Verdammten allein in unseren kleinen persönlichen Höllen zurückgelassen. Ich bin alles, was du bekommen wirst.“ Altea schluckte. Diese Komplikation hatte sie nicht vorausgesehen. Natürlich war ihr die Veränderung der Welt aufgefallen, aber sie hatte fest an die Gegenwart der alten Götter geglaubt, zumindest theoretisch, gebetet hatte sie schon lange nicht mehr zu ihnen. Ihre Gedanken rasten, auf der Suche nach einer Lösung. Sie musste diesen verdammten Fluch trotzdem brechen. Sie musterte das Geschöpf prüfend. Es sah abscheulich aus, aber immerhin hatte es die Grenzen ihres Gefängnisses überwinden können.

Sie räuspert sich und fragte: „Kannst du die Grenzen aller Reiche überwinden, auch mit Passagieren?“

Er schenkte ihr ein zynisches Grinsen, das sein vernarbtes Gesicht noch mehr verzerrte. „Du bist durch den Fluch an dieses Gefängnis gebunden. Niemand kann dich von hier wegbringen, ehe deine Brüder erlöst sind.“

„Du weißt davon?“, fragte sie misstrauisch.

Er lachte: „Amyntas Fluch ist in der Unterwelt wohl bekannt, ebenso wie Vallons Dummheit. Aber wie gesagt, ich kann dir nicht zur Flucht verhelfen.“

Sie schnappte: „Das weiß ich. Ich meinte andere Menschen.“

„Möglich, aber warum solltest du das wollen?“, fragte er neugierig.

„Ich will meine Brüder erlösen“, erwiderte sie ruhig.

„Wie nobel von dir“, spöttelte er. „So viel Güte hatte ich von Amyntas Tochter gar nicht erwartet.“

Altea biss frustriert die Zähne zusammen und fauchte: „Mach dich nicht über mich lustig. Die Monster sind mir egal, ich will nur meine Freiheit.“

„Natürlich“, erwiderte er ironisch. „Aber wieso sollte ein Monster wie ich dir helfen?“ Altea unterdrückte einen Fluch. Wie viel Pech konnte ein Mensch eigentlich haben?

Sie fragte eisig: „Also schön, was willst du für deine Hilfe?“ Er kam auf sie zu, bog aber ab, bevor er sie berührte, und umkreiste sie. Altea schauderte, als sie seinen Blick hungrig über ihren Körper wandern fühlte.

Schließlich blieb er stehen und strich mit einer klauenbewehrten Hand ihr hüftlanges Haar überraschend sanft zur Seite, beugte sich zu ihrem Ohr und flüsterte ihr zu: „Du bist ein so hübsches Vögelchen Hexe und ich durfte so

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Renate Blieberger
Bildmaterialien: Feuerring: Jag_cz/ Shutterstock.com, Stein: Kseniya Ivashkevich/ Shutterstock.com, Mann: Kjell Leknes/ Shutterstock.com, Schlange: d1sk/ Shutterstock.com, Wasser: Tyshchenko Photography/ Shutterstock.com
Cover: Renate Blieberger
Tag der Veröffentlichung: 27.04.2022
ISBN: 978-3-7554-1265-6

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