Kapitel 7 - Larija
Noch bevor Larija die Augen aufschlug, bemerkte sie, dass etwas anders war. Sie lag in einem Bett, aber es war nicht ihr eigenes. Licht drang durch ihre geschlossenen Augenlider, aber es war heller und reiner als das, welches sie gewöhnt war. Und sie war nicht allein, ganz deutlich spürte sie die Aura von zwei Personen. Das überraschte sie. Die Stimmungen anderer zu ertasten, ohne sie überhaupt zu sehen, war etwas, was man nur mit Magie konnte. Und nun war sie für sie ganz deutlich, stärker als jemals zuvor. Sie spürte die Neugierde der einen und die Angespanntheit der zweiten Person, beinah, als wären es ihre eigenen Empfindungen, Hatte der Zauber gewirkt? Hatte er ihr ihre Kräfte zurückgegeben und sie noch dazu verstärkt? Begeistert öffnete Larija ihre Augen – und erstarrte. Blitzschnell richtete sie sich im Bett auf und kroch zum oberen Ende – eine unbewusste Reaktion auf ihre Umgebung. Sie befand sich in einem großen Raum, in dem alles so anders als in der von Larija gewohnten Umgebung aussah, so, als ob sie sich in einem Film über das Mittelalter befinden würde. Auch die beiden Frauen, die neben ihrem Bett saßen, waren gekleidet, als würden sie aus einer Zeit lange vor der ihrigen stammen. Eine der Frauen, die ältere der beiden, schüttelte gerade an den Schultern der jüngeren, die mit dem Kopf auf der Bettkante lag und zu schlafen schien. Hektisch sah Larija sich um. Wo war sie gelandet? Wie ist sie hierher gekommen? Wo waren ihre Eltern? Sie sah wieder zu den beiden Frauen, und dieses Mal sah auch die jüngere der beiden sie an. Sie hatte lange blonde Haare, ein ovales Gesicht und freundliche, neugierige blaue Augen, sie war sicherlich eine Schönheit, wenn sie nicht ganz so besorgt und müde ausgesehen hätte wie in diesem Moment. Langsam, so als ob Larija ein Reh wäre das jede Bewegung erschrecken würde, beugte sie sich ein Stück zu ihr hin, dann begann sie mit sanfter Stimme zu sprechen. „Ich bin Amelia, und das ist meine Zofe Birgit. Ich habe dich draußen im Wald gefunden und hier her gebracht. Verstehst du meine Sprache?“ Larija nickte langsam. Sie verstand sie tatsächlich, wenn auch nur schwer, trotzdem wusste sie nicht, ob sie ihr vertrauen konnte. Aber die Aura der jungen Frau, die Larija nun ganz deutlich erkennen konnte, war nur besorgt und frei von Lügen. Aber sie hatte die andere Frau als ihre Zofe bezeichnet. Eine Zofe? So etwas gab es doch schon lange nicht mehr... Die junge Frau nickte, scheinbar erleichtert, dann sprach sie weiter. „Kannst du mir sagen, wie du heißt? Wie kamst du in den Wald? An was erinnerst du dich?“ Die Zofe unterbrach Amelia in ihrem Redefluss. „Prinzessin, lasst der jungen Dame etwas Zeit, seht doch nur, wie verwirrt sie aussieht.“ Larija musste sich sehr anstrengen, um die noch rauer gesprochenen Worte der Frau zu verstehen, doch ein Wort hatte sie genau herausgehört: Prinzessin. Prinzessin? Wo war sie hier nur gelandet? In diesem Moment knurrte Larijas Magen. Wie lange war es nun schon her, dass sie etwas gegessen hatte? Wie lange hatte sie geschlafen? Das Gesicht der Prinzessin verzog sich zu einer Grimasse, als sie es bemerkte. „Birgit, hole etwas zu essen für unseren Gast, und für mich auch. Und danach kannst du selbst etwas ruhen, wie ich dich kenne hast du die ganze Nacht nicht geschlafen.“ Birgit stand auf, knickste leicht und verließ den Raum. Die Prinzessin seufzte leicht und fuhr sich mit den Fingern durch die vom Schlaf zerzausten Haare. Eine Weile beobachtete Larija sie dabei, dann nahm sie ihren Mut zusammen und fragte: „Wo... wo bin ich hier?“ Ihre Stimme brach weg, sie musste husten. Die Prinzessin hob beim Klang ihrer Stimme überrascht den Kopf. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „In Verderis, im Schloss des Königs.“ Geschockt riss Larija die Augen auf. Verderis? Das war ein Land auf der anderen Seite des Ozeans! Aus ihrem Geschichtsunterricht wusste sie jedoch mehr: Nach dem Krieg gegen die vereinigten Königreiche hatte das Land einen anderen Namen angenommen – und dieser Krieg fand vor über vierhundert Jahren statt! Die Prinzessin, die Larijas Gesichtsausdruck falsch deutete, sprach beruhigend weiter. „Keine Angst, du bist hier sicher. Ich bin die Prinzessin von Verderis, aber bitte nenne mich einfach Amelia. Wie heißt du?“ Wieder brauchte Larija sich nicht anzustrengen, um die Aura zu erfassen und zu überprüfen, ob Amelia die Wahrheit sprach. Amelia sprach tatsächlich die Wahrheit, zumindest war sie selbst davon überzeugt. Und wieso sollte jemand sie täuschen? Wäre das überhaupt möglich? War Larija wirklich hier gefangen, in einer anderen Zeit, in einem fremden Land mit nur den Besitztümern, die sie bei sich trug? Allerdings hatte sie dafür, so wie es den Anschein hatte, ihre Kräfte wieder. Damit konnte man etwas anfangen. Einen Moment dachte Larija noch weiter über ihre Situation nach, dann räusperte sie sich. „Larija.“ Amelia war erfreut, äußerlich wie innerlich. Anscheinend war sie ein sehr offener und ehrlicher Mensch. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie erfahren würde, woher Larija kam? Was sollte sie sagen? Hallo, ich bin Larija und komme aus den vereinigten Königreichen, die mit deinem Volk verfeindet sind oder verfeindet sein werden? Ach, und noch was, ich werde erst in mehr als vierhundert Jahren geboren? Und ganz zufällig bin ich auch noch eine Magierin? Larija konnte Amelia nicht vertrauen, sie durfte es nicht tun, wenn sie Leben wollte. „Woher kommst du?“, fragte Amelia nun. Was sollte sie nur antworten? Wie sollte sie ihre ganze Lebensgeschichte, ihre ganze Herkunft verheimlichen? Sie wusste es nicht... Das war es. Sie wusste es nicht. „Ich weiß es nicht.“, antwortete Larija leise, hoffend, dass die aufmerksame Prinzessin die Lüge nicht heraushörte. Sie erschrak, als die Prinzessin ihre Hand auf Larijas Arm legte. Sanft streichelte Amelia über Larijas Finger, eine ungewohnte Berührung für Larija. Wieder dachte Larija über all das nach, versuchte, einen Zusammenhang zu erkennen und Verbindungen herzustellen, so wie sie es vom Unterricht her gewohnt war. Etwas an diesem Zauber war gewaltig schief gegangen. Sie war auf der anderen Seite des Meeres und in einer völlig anderen Zeit, aber sie hatte anscheinend ihre Kräfte wieder, die stärker denn je waren und hier gab es jemandem, der ihr freundlich gesinnt war. Die Prinzessin würde, und dessen war sich Larija sicher, sich um sie kümmern, und sei es nur, weil Amelia so neugierig war, dass Rätsel von Larijas bloßer Existenz ihr keine Ruhe lassen würde. Und mithilfe ihrer Kräfte würde sie sicher auch bald einen Weg nach Hause finden, sie durfte ihr Geheimnis nur so lange nicht verraten, was die Sache etwas erschweren würde. Außerdem, dachte Larija ironisch, war es für sie doch eine nette Abwechslung, ohne Schule, ohne ihre Mutter, ohne Ärger. Sie war hier und sie konnte im Moment nichts daran ändern.
Eine Woche war nun seit der Hochzeit vergangen, und noch immer schliefen Rowan und Amelia in getrennten Betten. Inzwischen wusste jeder im Schloss bescheid, und Larija wusste, dass dies Amelia, auch, wenn sie es nie ausgesprochen hatte, sehr verletzte. Überhaupt hörte Larija mehr von Bediensteten des Hauses über die Prinzessin als von Amelia selbst. Genau genommen versorgte Mina, zweite Hand des Küchenchefs, Larija nahezu täglich mit Informationen. Die beiden hatten sich getroffen, als Larija sich eines Nachts in die Küche geschlichen hatte, weil sie das Abendessen verpasst und Hunger bekommen hatte. Zufälligerweise war auch Mina wegen des gleichen Grundes dort gewesen. Zuerst hatten beide sich ziemlich erschrocken, aber da das einen nicht vortzuweisenden humoristischen Effekt hatte, lockterte die Situation sich schnell auf. Lange Zeit waren sie in dieser Nacht noch wach und hatten viel geredet. Sei dem trafen sie sich fast täglich, wenn Mina Pause hatte.
Seit Larijas „Ankunft“ als Edeldame am Schloss des Königs vor zwei Tagen hatte sie Amelia nun nicht mehr gesehen. Larija hatte erwartet, dass sie Amelia, nachdem Larija nun offiziell hier sein durfte, mehr Zeit mit ihr verbringen würde, aber dem war nicht so. Das Einzige, was sie an jenem Tag zum Lächeln gebracht hatte, war der Gesichtsausdruck des Königs, als er versuchte, sich an Larija zu erinnern. Wie sie dort in dem roten Kleid, das Amelia extra für sie hatte anfertigen lassen, auf einem schönen, starken Ross in den Schlosshof geritten kam und die Blicke aller Edelmänner und Bediensteten auf sich gezogen hatte, wie der König ihr zu Ehren ein Festmahl veranstaltet hatte, obwohl er sie nicht kannte und wie er durch gezielte Fragen herauszufinden versucht hatte, ob sie wirklich eine Adelige war. Aber Larija hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und bis auf einige wenige Male immer eine passende Antwort parat gehabt, weil Amelia sie gut vorbereitet hatte und ihr immer dann half, wenn es nötig war. Allein die höfliche Vertrautheit zwischen Amelia und Larija schien den König schließlich überzeugt zu haben, und mit ruhigem Gewissen genoss er den Rest des Abends. Dieser Triumph, vor allen Dingen aber die Aufmerksamkeit, die Larija an diesem Tag zuteil wurde, lies sie aufleben. Mithilfe ihrer Gaben, die teilweise sogar stärker geworden waren, schaffte sie es, unangenehmen Situationen mit zu vielen Fragen aus dem Weg zu gehen. Nun allerdings war ihre Laune weniger euphorisch. Die letzten Tage hatte sie damit zugebracht, sich ein ruhiges Plätzchen im Schlossgarten zu suchen, es dann aber nach zwei erfolglosen Tagen aufgegeben. Stattdessen hatte sie sich meist in ihr Zimmer zurückgezogen und versucht, zu zaubern. Als es zu Beginn nicht klappte, hatte sie sich nicht viel dabei gedacht; sie hatte eine lange Reise voller Magie hinter sich und musste sich sicher erst einmal erholen. Doch als immer noch nichts funktionierte und sie merkte, dass dieser Zustand von Dauer war, wurde Larija zusehends deprimierter. Das Erste, was sie getan hatte als sie an diesem Morgen die Augen aufgeschlagen hatte, war es gewesen, ihre Kräfte auszuprobieren. Und obwohl sie eigentlich mit einem weiteren Misserfolg gerechnet hatte, durchfuhr sie die Enttäuschung, als ihr Vorhaben scheiterte. Trotzdem versuchte Larija, den Tag fröhlicher zu beginnen als die Tage zuvor. Sie ging ins Bad, wusch sich das Gesicht mit dem kalten, klaren Wasser, das eine junge Frau früh morgens vorbei gebracht hatte und schlüpfte in das rote Kleid. Inzwischen hatte sie einige andere Kleider von Amelia bekommen. Natürlich hatte nicht die Prinzessin selbst, sondern ihre Zofe Birgit die Kleider vorbeigebracht. Aber das rote Kleid war ihr das Liebste, denn obwohl die anderen auch schön waren, so war dieses doch noch etwas Besonderes. Abgesehen davon, dass Amelia etwas dünner war als Larija und alles andere dementsprechend eng saßen, erinnerte sie dieses Kleid an ihre Heimat, an ein Kleid, dass sie damals auf ihrem einzigen Abschlussball getragen hatte.
Seufzend betrachtete sie sich noch ein letztes Mal in dem großen, altertümlichen Spiegel. Ihre Haut war, obwohl es hier Sommer war, immer noch so blass wie zuvor. Es wird Zeit, ein bisschen Farbe zu gewinnen, dachte Larija und verließ ihr Zimmer. Inzwischen fand sie den Weg zum Esszimmer, der Küche und anderen wichtigen Räumen sowie den Weg hinaus, ohne sich zu verlaufen, denn Mina hatte sie schon einige Male durch das Gemäuer geführt. Dieses Mal wählte sie den Weg, der direkt zum Haupteingang des Schlosses führte, denn nun hatte sie eine Idee, was sie mit ihrem Tag anfangen konnte. Als sie durch das große Portal getreten war, blieb Larija einen Moment stehen. Die Sonne blendete und die Wärme überwältigte sie. Nachdem sich ihre Augen an das helle Licht gewöhnt hatten beobachtete sie eine Weile das beschäftigte Treiben auf dem Schlosshof. Dann hatte sie ihr Ziel entdeckt und sie ging geradewegs darauf zu. Es war der Stall. Larija hatte zwar nie reiten gelernt, aber sie war sich sicher, dass es nicht so schwer sein konnte, besonders jetzt, wo sie ein noch besseres Gefühl für andere Menschen und Tiere entwickelt hatte. Im Stall angekommen atmete sie erst einmal tief durch. Sie liebte den Geruch von Pferden. Ihr Großvater hatte, sehr zum Missfallen seiner Tochter, einen eigenen Bauernhof gehalten wie ein normaler Mensch. Früher als Kind hatte Larija dort viel Zeit verbracht, deshalb verband sie diesen Geruch mit der schönen, Lern-Freien Zeit. Ein Stallbursche bemerkte sie und fragte scheu: „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“ Larija schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Ja, sehr gern. Ich möchte ausreiten. Kannst du mir ein Pferd satteln? Wenn möglich eines, das nicht leicht scheut – ich habe nicht besonders viel Erfahrung.“ Zaghaft beantwortete der Junge ihr Lächeln, dann nickte er schnell und machte sich bereits an die Arbeit, während er sprach. „Natürlich, Miss. Ich gebe ihnen Stina, sie ist unsere bravste Stute, sie scheut nie. Sie wird sicher keine Probleme machen.“. Eifrig sattelte er die kleine braune Stute und schon bald führte Larija sie hinaus aus dem Stall. Stina schien ganz aufgeregt bei dem Gedanken, endlich wieder einmal auszureiten, trotzdem ließ sie sich geduldig über den Hof hinaus zum Tor führen und wartete dann noch so lange, wie Larija brauchte, um in den Sattel zu steigen. Wieder einmal wünschte sich Larija ihre Jeans herbei, oder wenigstens die Möglichkeit, nicht im Damensitz zu reiten, aber noch war sie in der Stadt und sie wusste, dass sie damit nur noch mehr Aufmerksamkeit erregt hätte als es eh schon der Fall war. Vorsichtig führte sie Stina durch die engen Gassen. Es war Markttag, daher also sehr voll, aber Larijas Sorgen waren unbegründet und weder schenkte ihr jemand besondere Achtung, noch ließ sie Stina von der Menschenansammlung beunruhigen. Schon bald hatten sie den Platz hinter sich gebracht und kurze Zeit später verließen sie die Stadt. Larija ritt noch eine Weile weiter, dann hielt sie Stina an und setzte sich anders in den Sattel. Sie atmete tief durch, dann lockerte sie Stinas Zügel und ließ sie laufen, wohin sie wollte. Stina verfiel in einen Galopp, und Larija beugte sich nach vorn und genoss diesen Moment der Freiheit. Sie dachte nicht mehr an ihre Kräfte, ihre Situation oder ihre Heimat, auch nicht daran, dass sie so schnell so viele neue Sorgen bekommen hatte. Larija dachte an nichts außer dem, was sie sah. Die grünen Schatten, die sie aus den Augenwinkeln sah, der Boden, der unter Stinas Hufen nur so dahinflogen, der blaue Himmel, der stellenweise zwischen den Bäumen zu sehen war. Und der Abgrund, der direkt vor ihnen auftauchte.
Stina hatte ihn zuerst bemerkt. Noch während Larija abgelenkt durch die Umgebung gewesen war, hatte sie bereits ihre Geschwindigkeit verringert. Immer langsamer wurde sie, und schließlich hielt sie ungefähr fünf Meter vor der Schlucht an. Larijas Herz raste. Zwar war es von vornherein sehr unwahrscheinlich gewesen, dass Stina so dumm wäre und direkt in den Abgrund gelaufen wäre, trotzdem hatte sie für einen Moment Todesangst gehabt. Sie hatte sich gefragt, was passieren würde, wenn sie in dieser Zeit starb. Wäre sie dann einfach verschwunden? Niemand hätte gewusst, was passiert wäre – wer hätte sie vermisst? Noch immer völlig geschockt ließ sich Larija auf den Boden fallen. Dort blieb sie einen Moment liegen, ungeachtet des Drecks, der ihr Kleid leicht verschmutzte. Allmählich entspannte sie sich wieder ihr Herzschlag wurde ruhiger. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und es versprach, ein heißer Tag zu werden, zumindest, so weit sie es hier beurteilen konnte. Langsam fühlte sich Larija wieder so gut, dass sie sich aufsetzen und nach Stina sehen konnte. Sie hatte sie bisher völlig vergessen und war nun etwas beunruhigt. Was, wenn sie weggelaufen war? Aber wieder einmal waren ihre Sorgen unbegründet. Stina stand an einer anderen Seite der Klippe und graste im Schatten eines Baumes. Larija stand auf und ging zum Rand der Schlucht. Dort kniete sie sich hin, um hinunter zu sehen. Es war wirklich tief. Weit unter sich konnte sie einen Fluss sehen, der sich in nördlicher Richtung davon schlängelte. Larija blickte in die Ferne. Direkt am Horizont konnte sie ein leichtes, bläuliches Schimmern sehen – dort musste also das Meer sein. Ob auf der anderen Seite Deban lag? Lief die Zeit dort weiter? Vermisste sie dort jemand? Vermisste sie hier jemand? Plötzlich fühlte sich Larija unendlich einsam. In dem Moment hörte sie ein leises Schnauben hinter sich. Sie fühlte die feuchten Nüstern von Stina, die sich an ihrem Arm rieben. Dann sah sie einen kleinen Hasen aus dem Gebüsch hoppeln. Einen Augenblick blieb er stehen und schnupperte, dann näherte er sich ihr langsam und vorsichtig. Larija streckte die Hand nach ihm aus und er scheute nicht zurück. Immer mehr Tiere kamen aus dem Wald auf die Lichtung, und schon bald war Larija umgeben von Lebewesen. Da wusste sie es plötzlich, und diese Erkenntnis ließ sie sich gleich viel besser fühlen. Sie war nicht allein.
Den ganzen Tag verbrachte Larija mit den Tiefen des Waldes. Dann, als die Sonne unterging, verschwanden sie wieder und nur Stina und Larija blieben zurück. Es war immer noch sehr warm und hell, und nur sehr langsam stellte sich das Land auf den Abend ein. Die Sonne brannte immer noch, stärker als sie es in Deban je getan hatte. Larija wandte ihr Gesicht gen Westen, der Sonne zu, und ließ sie sich ins Gesicht scheinen. Dann, als sie wegen des Lichtes schon alles verschwommen sah, drehte sie sich um und wärmte ihren Nacken. Sie schloss die Augen. Dieser Tag war so wundervoll gewesen.
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2010
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