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Kapitel 2 - Larija



Larija saß in völliger Dunkelheit, ihr T-Shirt klebte an ihrer Haut und ihr Herz hämmerte wie wild. Was war passiert? Sie murmelte ein paar leise Worte und ein Licht erschien über ihrem Kopf. Es dauerte einen Moment, bis sie sich an das helle Leuchten gewöhnt hatte, dann wurde ihre Umgebung klarer und sie blickte sich misstrauisch um. Direkt gegenüber war die große Tür, zu beiden Seiten daneben standen ihre Bücherregale, über und über voll gestopft mit Lernbüchern. An der rechten Wand stand ihr Kleiderschank, links war ihr Schreibtisch. Ein paar Regale hingen neben ihrem Bett und ein heller Teppich zierte den Boden. Alles, Tür, Boden, Schreibtisch und die Schränke waren aus demselben hellen Holz. Ihr Zimmer wirkte sehr ordentlich und zu leer für das Zimmer einer jungen Frau, aber Larija hatte nicht viele Hobbys oder Interessen, für die sie Platz benötigt hätte. Sie nutzte ihre ganze Zeit zum lernen. Noch einmal blickte sie zur Tür, dann zum Fenster, durch das sie nun wage die Umrisse des Waldes hinter dem Garten erkennen konnte. Am Himmel leuchteten ein paar Sterne. Alles sah aus wie immer. Aber irgendwas... Larija zögerte. Irgendwas war anders, das spürte sie. Plötzlich zog sich ihr Bauch krampfartig zusammen. Sie sprang aus dem Bett und verlor dabei die Kontrolle über ihre Magie. Ein heller Lichtblitz erschien, dann wurde es dunkel, während Larija sich mit einer Hand an der Wand abstützend versuchte, sich zu beruhigen. Sie atmete tief durch, eine Hand am Bauch, eine an der kalten, glatten Wand. Dann hatte sie sich so weit unter Kontrolle, dass sie in sich gehen und den Schmerz suchen konnte, so wie sie es von einem ihrer zahllosen Privatlehrer gelernt hatte. Sie atmete einmal tief durch, dann folgte sie ihrem Atem in ihren Körper. Zielstrebig wanderte sie im Geiste zu ihrem Magen, doch sie fand nichts, was die Ursache ihres Schmerzes sein konnte. Beunruhigt wollte sie weitersuchen, doch da durchzuckte sie eine erneute Woge des Schmerzes und sie verlor die Kontrolle. Nur mit Mühe schaffte sie es, sich aufrecht zu halten. Langsam stolperte sie zurück zu ihrem Bett und ließ sich darauf nieder. Noch einen Moment rang sie um Fassung, gab dann aber auf und glitt in einen leichten, ohnmächtigen Schlaf.
Als Larija wieder die Augen aufschlug dämmerte es bereits. Sie erinnerte sich nur noch schwach an den Schmerz, der sie vergangene Nacht geplagt hatte. Denn irgendwann war der Schmerz einem dumpfen, tauben Gefühl gewichen, der ihre Erlösung versprach. Larija blickte mit zusammengekniffenen Augen zu ihrem Wecker. Viertel vor fünf. Larija stöhnte leise und drehte sich auf die andere Seite. Sie wartete darauf, dass der Schmerz zurückkehren würde, aber zu ihrer Erleichterung blieb er fern. Nur kurz fragte sie sich, woher der Schmerz nur kommen konnte, doch dann entglitt ihr der Gedanke, bevor sie ihn richtig verarbeiten konnte und sie schlief wieder ein.
Sie glühte, als sie das nächste Mal erwachte. Erschrocken richtete sie sich auf. Es dauerte einen Moment bis sie begriff, was sie geweckt hatte. Ihr Wecker klingelte in diesem schrillen Ton, der keinen Widerspruch duldete. Sie griff zielsicher zur Schlummertaste, um für einen kurzen Moment dem Albtraum des täglichen Lebens zu entkommen, doch wie sonst auch, gab sie frühzeitig auf und erhob sich mühsam. Sie tapste ins Bad. Dort angekommen suchte sie erst einmal den Lichtschalter. Sonst formte sie sich eine Kugel aus Licht und verzichtete so auf Elektrizität, aber heute... sie fühlte sich so schwach. Ihre Finger tasteten an der Wand entlang und entdeckten den Schalter. Voraussehend kniff sie die Augen zusammen und wartete eine Weile, bevor sie sie wieder öffnete. Das Licht war trotzdem unnatürlich hell. Es bereitete ihr Kopfschmerzen. Während sie in die Dusche stieg achtete sie sorgfältig darauf, nicht in den Spiegel zu sehen. Sie musste schrecklich aussehen. Schon lange hatte sie nicht mehr so schlecht geschlafen wie vergangene Nacht. Während das warme Wasser über ihr Gesicht floss, bemerkte sie, wie sie langsam wacher wurde. Ihr Kopf klarte sich auf und sie konnte sich besser an das Geschehene erinnern. Noch immer konnte sie sich nicht erklären, was passiert war. Sie schüttelte ihren Kopf. In der Schule hatte sie noch genug Zeit um darüber nachzudenken. Sie hatte ja sonst nichts zu tun. Doch soweit kam sie gar nicht. Schon während sie sich die Haare wusch, begann sie, sich etwas unwohl zu fühlen. Aber als sie sich dann abgetrocknet hatte und gerade ihre Unterwäsche angezogen hatte, erwischte es sie erneut. Eine plötzliche Woge des Schmerzes brach über ihr zusammen. Sie keuchte und sackte zu Boden. Larija krümmte sich, sie konnte nicht das Hausmädchen Katinka hören, eine Nicht-Magierin, dass bei dem Poltern angelaufen kam und besorgt nach ihr fragte, sie konnte nicht den kalten Fußboden an ihrer Wange spüren. Überall war dieser alles verschlingende Schmerz. Dann endlich, als ihr Körper es nicht mehr aushielt, fiel sie wieder in eine erlösende Ohnmacht.
Als sie das nächste Mal erwachte war es nicht, weil sie Schmerzen hatte. Sie fühlte sich etwas unwohl. Aber zugleich spürte sie die Wärme ihrer Bettdecke und bemerkte, dass sie nun wieder ein Nachthemd trug und in ihrem Zimmer war– jemand muss bei ihr gewesen sein. Das Gefühl des Unwohlseins verstärkte sich. Unbehaglich blickte sie sich um und sah ihre Mutter auf der Bettkante sitzen, die Stirn leicht gerunzelt und die Hände ineinander gefaltet, so wie sie es immer tat, wenn sie sich konzentrieren musste. Larija begriff, dass ihre Mutter sie gerade auf die Selbe Art untersuchen musste wie sie selbst vergangene Nacht. Das machte sie stutzig. Etwas an diesem Bild passte nicht. Es war weniger die leichte Spur der Besorgnis, die nun in dem Gesicht ihrer Mutter zu lesen war, als mehr die Tatsache, dass sie einfach so in ihren Körper eindringen konnte. Jeder Magier, der seine Kräfte grundlegend beherrscht, kann sich einen leichten Schild bauen, der den betreffenden Magier beschützt, genau genommen vor dem, was ihre Mutter jetzt tat. Das lernte jedes Kind, das Talent besaß, schon in der 2. Schule. Es war sogar eine Art Prüfung des Könnens gewesen, dieses Schild zu bilden und aufrecht zu halten. Normalerweise verschwendete Larija nie auch nur einen Gedanken an ihr magisches Schild, es war immer da und schon längst ein Teil von ihr geworden. Doch nun schien es weg zu sein. Ihr Schild! Denn ihre Mutter konnte, egal wie groß ihre Fähigkeiten waren, nicht durch einen fremden Schild dringen ohne die Gefahr einzugehen, dass der andere Magier verletzt wurde. Hatte sich ihr Schild von selbst aufgelöst? War es, weil sie bewusstlos war? Weil der Schmerz zu groß war? Oder gab es einen anderen Grund? Sie legte sich zurück auf ihr Kissen, ertrug schweigend die Untersuchung ihrer Mutter und versuchte, den natürlichen Reflex zu unterdrücken, ein Schild aufzubauen. Ihre Mutter war - wie immer - sehr gründlich und dementsprechend lange dauerte es auch. Noch dazu kam, dass sie – genau wie Larija – nichts gefunden haben musste. Sonst würde sie sich nicht so lange aufhalten. Sie war zwar hart und hatte ganz andere Ansichten als Larija, aber man konnte bei ihr darauf vertrauen, dass sie ihren Weg zum Ruhm nicht schaden wollte, dass sie nicht wollte, dass ihr Plan in Gefahr geriet und dass sie alles tun würde, um die Sicherheit des Einzigen wichtigen Faktors zu garantieren: von ihr, Larija. Da fiel Larija etwas ein. Sie blickte auf die Uhr. Es war schon nach neun! Der Unterricht hatte bereits um acht Uhr angefangen! Sie würde sicher Ärger bekommen! Gerade wollte sie aufspringen um sich schnell anzuziehen um dann in die Schule zu flitzen als ihre Mutter sich bewegte. Das ließ sie innehalten und erkennen, dass sie nicht zu spät dran war. Ihre Mutter war bei ihr und hatte sie noch nicht rausgeworfen. Also war sie nicht unentschuldigt zu Hause. Gespannt blickte sie in das Gesicht ihrer Mutter. Larija glaubte zwar nicht wirklich dran, aber vielleicht hatte ihre Mutter etwas gefunden, was sie selbst übersehen hatte. Als sie sie nun jedoch anblickte schwand ihre Hoffnung. Ihre Mutter sah sie verärgert an. „Tja, ich kann nichts finden. Und du mit Sicherheit auch nicht. Wahrscheinlich hast du alles nur vorgespielt. Du gehst jetzt sofort zur Schule, ich werde dir keine Entschuldigung schreiben. Schmerzattacke, das ich nicht lache.“ Mit diesen Worten verließ sie den Raum. Larija sah ihr entgeistert hinterher. Wie bitte sollte sie eine Ohnmacht vortäuschen? Trotzdem sprang sie aus dem Bett und lief zum Kleiderschrank. Sie griff wahllos hinein und holte eine dunkle Jeanshose und ein blaues Top hinaus. Sie zog sich geistesabwesend an, nahm dann noch ihren Schwarzen Pullover vom Vortag und zog ihn sich über. Sie würde zur Schule gehen. Sie hatte keine andere Wahl, aber es ging ihr eh schon wieder viel besser. Was sollte sie sagen, weil sie so viel zu spät gekommen war? Sie hatte Geschichte der Magie bei Professor Morgan, ein gebildeter, netter, alter Mann mit einer Halbglatze. Er hatte Mitleid mit ihr. Vielleicht würde er es nicht so schwer wiegen. Larija schüpfte in ihre Turnschuhe und lief dann noch einmal ins Bad um sich ihre Haare zu kämmen. Sie waren sehr zerzaust und wirr, weil sie noch mit nassen Haaren wieder im Bett lag. Am liebsten hätte sie sie noch mal gewaschen, doch dafür blieb keine Zeit. Sie befeuchtete die besonders widerspenstigen Stellen erneut und versuchte dann, ihre Haare glatt zu bekommen. Erst hinterher fiel ihr ein, dass sie das auch mit Magie hätte tun können, aber sie war bereits fertig. Nun schaute sie doch noch einmal prüfend in den Spiegel. Ihre ernsten Augen schienen dunkler als sonst, sie hatten die Farbe von gesundem Gras an einem Spätsommerabend, darunter lagen tiefe Schatten. Ihre vollen roten Lippen stachen richtig hervor. Denn ihre Haut war sehr blass, obwohl es gerade erst Sommer gewesen war. Das Einzige, was sie noch vom Sommer hatte waren ein Paar Sommersprossen auf und um ihrer kleinen Stupsnase. Trotz ihrer Müdigkeit sah sie nicht so schlimm aus, wie sie es erwartet hatte. Sie wusch sich noch einmal das Gesicht, dann verließ sie den Raum und lief noch einmal in ihr Zimmer, um ihre Schultasche zu holen. Dann raste sie die Treppe hinunter. Sie ging in die Küche und schmierte sich ein Brot. Sie packte es in ihren Rucksack und nahm sich einen Apfel aus der Obstschale. Sie würde so oder so viel zu spät kommen, da machten ein paar Minuten mehr oder weniger auch nichts mehr aus. Trotzdem beeilte sie sich, das Haus zu verlassen. Ein Wagen stand vor der Tür und versperrte den Weg. Larija hielt verdutzt im Kauen inne und blieb stehen. Das war der Wagen ihres Vaters! Warum stand er dort? War ihr Vater noch zu Hause? Da öffnete sich die Tür an der Fahrerseite. „Larija. Steig ein, ich fahre ich zur Schule.“, sagte ein schwarz gekleideter Mann, dessen Name sie nicht kannte. „Oh, okey…“, erwiderte sie etwas verwirrt. Eine Tür hinten an dem eleganten Wagen öffnete sich und sie stieg ein. Die Tür schloss sich hinter ihr und der Wagen fuhr los. Larija starrte auf die Straße, während sie schweigend ihren Apfel aß. Kurze Zeit später waren sie an der Schule angekommen. Larija seufzte leise und stieg aus dem Wagen. Sie warf einen Blick auf die Uhr, die am Schultor hing. Der Geschichtsunterricht war in zehn Minuten zu Ende. Das heißt also, sie könnte Glück haben. Sie ging jetzt langsamer. Es wäre nicht sehr förderlich, wenn sie total außer Atem wäre. Beim Klassenzimmer angekommen atmete sie noch einmal tief durch. Sie hasste es, die gesamte Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber da musste sie jetzt wohl durch. Sie hob ihre Hand, um anzuklopfen, überlegte es sich dann jedoch anders und öffnete die Tür.
Alle starrten sie an. „Setzen Sie auf ihren Platz, Miss Uleira. Wir reden später.“ Dankbar nickte sie Professor Morgan zu, dann ging ich zu meinem Tisch in der letzten Reihe. Dies war ein Fach, welches Larija sehr zu ihrem Bedauern nicht gemeinsam mit Ari hatte. Sie wartete die zehn Minuten geduldig ab, tat so, als interessiere sie brennend, was Professor Morgan erzählte und überlegte, was sie sagen sollte. Beim Gong entschied sie, die Wahrheit zu sagen. Mehr oder weniger. Sie packte ihre Sachen zusammen und stand langsam auf. Dann ging sie nach vorne. „Miss Uleira. Ich denke, sie haben sicher einen guten Grund dafür, wieso sie so spät erschienen sind. Da es ihr erstes und mit Sicherheit letztes Mal sein wird, werden wir es einfach vergessen, nicht wahr?“ Larija war einen Moment verwirrt. Sie hatte nicht erwartet, dass es so einfach sein würde. Sie nickte lächelnd. „Natürlich, Professor Morgan. Vielen Dank.“ „Sie können jetzt gehen.“ Erleichtert verließ sie den Klassenraum. Sie hatte wieder Alltagszauberei. Ari wartete schon vor dem Klassenzimmer. Als sie Larija entdeckte, ging sie auf sie zu und schloss sie in ihre Arme. „Was hast du nur wieder angestellt, La?“, fragte sie vorwurfsvoll und blickte ihre Freundin fragend an. „Was hab ich denn getan?“, antwortete Larija verwirrt. „Na, Schule schwänzen tust du!“ Jetzt musste Ari lachen, und Larija stimmte mit ein. „Achso. Dass du das schon weißt hätte ich nicht erwartet! Ich erzähl dir gleich was passiert ist, in Ordnung? Jetzt sollten wir erst einmal hineingehen. Ich will heute nicht noch einmal zu spät kommen!“ Sie betraten den Raum und Larija erzählte soviel sie konnte, bis der Unterricht losging. Sie redeten leiser weiter, bis sie beide ermahnt wurden und selbst dann konnten sie nicht aufhören, sie änderten nur die Stilart. Sie schrieben jetzt Zettel. Nach der Stunde wusste Ari alles, was geschehen war. Als es zur Pause gongte, legte Ari, die gerade am Schreiben gewesen war, den Stift weg und fragte: „Und du bist dir sicher, dass du es nicht nur geträumt hast? Ich meine, du sagst ja selber, als du das zweite Mal aufgewacht bist, hattest du keine Erinnerung mehr an den Schmerz.“ „Natürlich bin ich mir sicher und sonst könnte ich auch noch Katinka fragen, sie hat mich ja schließlich gefunden.“ „Mh…“ Ari sah nachdenklich aus. „Und du sagst, du hättest nichts gefunden, was die Ursache für den Schmerz hätte sein können?“ „Ja. Und Renata auch nicht. Deswegen hat sie mir auch nicht geglaubt.“ „Das ist alles sehr merkwürdig… Ein Schmerz, mitten in der Nacht und dann noch einer, am Morgen danach. Keine Ursache, keine Auswirkungen. Sehr verwunderlich…“ Der Unterricht ging weiter und sie hatten keine Zeit mehr zum Reden, weil der Lehrer einen unangekündigten Test schreiben ließ. Es war einfach für Larija, aber irgendwie konnte sie sich nur schwer konzentrieren. Es war wie auch schon in Geschichte als ob das alles ein Stück von ihr weggerutscht wäre. Sie kritzelte irgendetwas auf das Blatt, das mit Sicherheit trotzdem richtig sein würde und schaute dann wieder aus dem Fenster. Wieder wurde sie wehmütig und sie bekam Fernweh, und erneut holte sie das Ende der Stunde aus ihren Gedanken. Ari verabschiedete sich von ihr. Sie hatte jetzt Anwendungsunterricht während Larija Kunst hatte. Sie würden sich also erst zur Mittagspause wieder sehen. Larija war mit ihrem Gemälde bereits fertig, ebenso mit dem nächsten und da die Lehrerin keine Aufgabe mehr für sie wusste, konnte Larija ungestört herumsitzen, nachdenken und ihre Mitschüler dabei beobachten, wie sie ohne irgendwelche Hilfsgegenstände versuchten, ein Bild, das genau ihren Gedanken entsprach, auf ein Stück Papier zu bringen. Die Zeit verging schneller als erwartet. Als es klingelte blickte Larija überrasch auf. Sie war gerade in den Versuch einer Mitschülerin versunken. Sie tat ihr bestes um die Aufgabe zu erfüllen, aber leider schien sie sich nicht richtig konzentrieren zu können, denn das Bild der Pflanze, die vor ihr stand war unscharf und hatte unnatürliche Farben. Larija beschloss, ihr das nächste Mal zu helfen, stand auf und verließ den Raum. Ari und sie trafen sich draußen. Es war ein schöner Tag, die letzten Sonnenstrahlen des Herbsts waren stark und kraftvoll als ob sie noch einmal Wärme schenken wollen würden um sich dann zur Ruhe zu legen. Ari und Larija saßen am Rande des Sportplatzes auf dem Dinge wie Fliegen oder Teleportieren geübt wurden. Sie erzählten sich gegenseitig, was sie um Unterricht durchgenommen hatten. Larija beobachtete die bunten, umherwirbelnden Blätter während sie Aris Ausführungen zuhörte. Sie hatte nichts zu sagen, wie immer, aber es bereitete ihr Freude, wenn sie hörte, dass andere noch Spaß am Unterricht hatten, der für sie schon seit Jahren eine unangenehme Prozedur war. Sie aßen Äpfel, die sie von einem Baum in der Nähe des Platzes gepflückt hatten und genossen die Sonne. Dann gongte es sehr zu ihrem Bedauern und sie mussten zum Unterricht zurückkehren. Sie hatten wieder gemeinsam Unterricht, ChuM bei Professor Corés. Sie hasste diesen Unterricht. Aber immerhin würde sie, wenn sie es hinter sich gebracht hatte, nach Hause gehen können. Dies war der Einzige Tag, an dem sie nicht bis abends Unterricht hatte. Als Larija auf ihrem Platz saß, fing sie an, die Minuten zu zählen. Nur noch 2 Stunden, sagte sie sich. Dann betrat Professor Corés den Raum. Ohne ihre Schüler zu begrüßen startete sie den Unterricht. „Also schön. Gestern habt ihr euch Ringe hergestellt. Heute werden wir etwas Anspruchsvolleres machen. Ihr werdet gleich ein Stück Metall bekommen. Zuerst müsst ihr dieses bestimmen. Dann werde ich euch Blätter verteilen, auf denen Skulpturen zu sehen sind. Ihr müsst diese perfekt nachbilden. Es wird auch in der nächsten Arbeit drankommen, also strengt euch an. Alles verstanden?“ Ohne eine Antwort abzuwarten sprach sie weiter. „Gut. Dann werde ich jetzt das Metall und die Blätter verteilen.“ Sie ging durch die Reihen und legte jedem ein unförmiges Stück Metall auf den Platz. Latija beobachtete sie genau und bestimme im Kopf jedes der Metalle. Aluminium, Blei, Eisen… Professor Corés war nun bei Yaena angekommen, die Larija heute ausnahmsweise noch keine Beachtung – oder besser Verachtung – geschenkt hatte. Zinn. Natürlich das, was am leichtesten zu bearbeiten war. Dann ging es weiter. Gold Magnesium, Zink. Dann stand sie vor Ari. Kupfer. Dann würde Larija wohl… ja, genau. Das Stück, welchen Professor Corés vor ihr auf den Tisch gelegt hatte, war Wolfram. Nicht, dass sie es nicht erwartet hätte. Es war das Metall, das von denen, die Professor Corés verteilt hatte, das mit der höchsten Siedetemperatur war. Larija lächelte. Als ob das ein Problem für sie wäre. Die Lehrerin verteilte die Zettel und es ging los. Eine Weile beobachtete Larija die anderen. Dann, als sie sich sicher war, dass Ari ihre Hilfe nicht brauchte, wandte sie sich ihrem eigenen Metall zu. Sie warf einen Blick auf das Arbeitsblatt. Eine sehr verschlungene und verworrene Form war darauf abgezeichnet. Sie prägte es sich genau ein, dann konzentrierte sie sich auf das Metall. Sie musste schon lange keine Zaubersprüche mehr gebrauchen um das geschehen zu lassen, was sie wollte. Sogar etwas gelangweilt starrte sie nun ihren Wolframklumpen an und befahl ihm, sich zu erhitzen. Doch nichts passierte. Larija runzelte leicht die Stirn und Professor Corés, die Larija nicht aus den Augen ließ, ebenfalls. Larija schüttelte leicht den Kopf, baute mehr Konzentration auf und versuchte es erneut. Nichts geschah. Auch Ari bemerkte, dass etwas nicht stimme und wandte ihren Kopf zu Larija, um sie fragend anzusehen. Doch ihre Freundin achtete nicht auf sie und versuchte es erneut, diesmal anders. Wie sie es früher immer getan hatte, suchte sie nun nach dem hellen Licht der Magie in sich, um ein wenig davon abzuschöpfen und es so für den Zauber zu benutzen. Als sie es zuerst nicht fand, dachte sie es wäre, weil sie es schon lange nicht mehr gesucht hatte. Dann aber, als sie die Stelle fand, wo das Licht hätte sein sollen, wo nun jedoch nicht mehr war als ein schwaches Glimmen, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Das konnte doch aber nicht sein! Verzweifelter suchte Larija jetzt weiter. Sie fand nichts. Keinen Hinweis. Kein Zeichen. Ihre Magie war weg. Ihr Gesicht wurde aschfahl als ihr klar wurde, was das bedeuten könnte. Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal Magie gewirkt hatte. Ihr fiel auf, dass dies das erste Mal an diesem Tag gewesen wäre. Und dann plötzlich wusste sie es und ihr wurde schlecht. Ihr fiel wieder ein, was Ari zu den Schmerzen gesagt hatte. Keine Ursache, keine Auswirkungen, hatte sie gesagt. Die Ursache ist nicht klar, das stimmt. Aber die Auswirkung, die das Ganze auf Larija hatte, waren nun deutlich zu erkennen. Larija hörte jemanden aus weiter Ferne ihren Namen rufen. Doch sie konnte nicht antworten. Sie war gefangen in einer Woge des Schocks und immer wieder dachte sie: „Nein! Das kann nicht sein! Nein!“


Wie ein Zombi muss sie ausgesehen haben, als sie neben Ari nach Hause gegangen war. Sie konnte nicht reden. Sie konnte ihrer Freundin nicht in die Augen sehen. Sie war total gefangen in ihrem Albtraum. Sie malte sich aus, was das für Auswirkungen auf ihr Leben haben würde, wie ihre Mutter reagieren würde, wenn sie ihr das erzählte! Oder auch Ari… „Nun rede doch mit mir, bitte! Was ist los? Kann ich dir irgendwie helfen?“ Das könnte sie sich doch auch denken, dachte Larija teils spöttisch, teils verzweifelt. Sie hatte die Aufgabe nicht lösen können. Sie hatte eine sechs bekommen. Doch das störte sie nicht. Das war ihr egal. Es war alles vorbei. Ihr ganzes Leben hatte sie für eine Zukunft gearbeitet, die es nun nicht mehr gab… „Soll ich noch mit reinkommen?“ Ist doch egal, dachte Larija. Ob sie alleine war oder nicht, lernte oder nicht… es gab keine Hoffnung mehr. „Na schön, dann nicht. Ruf mich an, wenn es dir etwas besser geht, in Ordnung?“ Unbeholfen nahm Ari Larija in ihre Arme. „Es gibt immer Hoffnung“, murmelte sie ihrer Freundin noch zu, dann ging sie langsam fort. Eine Weil stand Larija einfach nur da. Irgendwann muss es angefangen haben zu regnen, denn sie spürte, wie ihr Gesicht nass wurde. Dann fiel ihr auf, dass es nur ihre Tränen waren. Sie hörte einen Wagen vorfahren. Sie drehte sich nicht um. Es war ihr egal. Sie hörte eine Wagentür aufegehen, dann noch eine, die kurz darauf wieder geschlossen wurde. Jemand sagte etwas, dann schloss sich auch die andere Tür und der Wagen fuhr davon. Larija hörte, wie jemand die Treppe zur Haustür hinaufging wo sie stand. Es war jemand mit Absätzen. Also ihre Mutter. Was würde sie wohl sagen? „Was stehst du hier so nutzlos rum, Larija? Geh hinein und erledige deine Hausaufgaben! Außerdem kommt gleich noch dein Privatlehrer, um dir…“. Sie stockte, als sie sah, dass ihre Tochter weinte. „Was ist los, Larija? Sag es mir!“ Larija konnte nicht antworten. Zu lange schon hatte sie geschwiegen. Ihre Mutter schüttelte sie und das ließ sie wieder etwas zur Besinnung kommen. „Ich… Ich konnte meine Magie nicht benutzen.“, schluchzte sie. „Sie war nicht da. Meine Magie… sie ist weg!“ Jetzt konnte Larija sich nicht mehr an sich halten. Hemmungslos fing sie an zu weinen. Ihre Mutter beobachtete sie stirnrunzeld, dann nahm sie sich ein Herz und führte ihre Tochter hinein ins Haus. Sie brachte sie zum Sofa. Gemeinsam setzten sie sich und Larija versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Zuerst gelang es ihr nicht, doch dann wurde das Schluchzen leiser und ihr Atem etwas ruhiger. Nur ihre Augen waren immer noch feucht und ab und zu lief doch noch eine Träne. Ihre Mutter wartete geduldig. Als sie fand, dass sich Larija einigermaßen beruhigt hatte fragte sie: „Wieso glaubst du, dass deine Kräfte verschwunden sind?“ Larija hörte, dass selbst Renata sich nur noch mit Mühe zusammenreißen und den gleichgültigen Tonfall behalten konnte und fing wieder an zu schluchzen. Sie atmete ein Paar Mal tief durch und versuchte, sich erneut zu fassen. Schließlich konnte sie reden ohne die Gefahr zu laufen, dass ihr sofort wieder die Tränen kamen. Dann erzählte sie alles, angefangen vom Schmerz bis hin zu der Erkenntnis, dass sie ihre Kräfte verloren haben musste. Ihre Mutter hörte schweigend zu. „Darf ich mir das selbst einmal ansehen?“, fragte sie dann. Larija stockte der Atem. Die inneren Räume waren etwas sehr persönliches. Wollte ihre Mutter allen ernstes, dass Larija sie durch sie hindurch zu der Quelle ihrer Magie führte? Oder besser an den Ort, wo ihre Magie gewesen war. Doch sie wusste, dass ihr eigentlich nichts anderes übrig blieb. Deshalb nickte sie und schloss die Augen, um sich dorthin zu begeben und ihre Mutter zu empfangen.
„Nun…“ sagte Renata widerstrebend. „Wir werden wohl einen Arzt aufsuchen müssen, der sich das auch noch einmal ansieht. Es kann nicht sein, dass deine Magie auf einmal und einfach so verschwindet. Sie werden klären können woran es lag und dafür sorgen, dass du sie zurückbekommst.“
„Um ehrlich zu sein, Renata, weiß ich auch nicht, was deine Tochter hat. So etwas ist mir noch nie untergekommen. Ganz eindeutig ist ihre Magie verschwunden, wie du ja auch schon selbst hattest feststellen können. Aber wie du auch sehe ich innerlich keine Anzeichen für eine Erkrankung. Rein körperlich ist sie also kerngesund. Nein, ich denke, der Verlust könnte durch psychische Belastung oder zu großen Stress erklärbar sein, aber dann wäre der Verlust mit Sicherheit nicht so stark gewesen und nicht entgültig. Wenn es also doch so war, dann dürfte man ihre Magie wiederherstellen können. Ich weiß jedoch nicht, wie… Es tut mir wirklich sehr Leid, Renata. Aber wenn es dich tröstet, ein befreundeter Kollege könnte ihr vielleicht helfen oder zumindest feststellen, woran der Verlust liegen könnte. Vielleicht solltest du zu ihm gehen. Ich schreibe dir seine Kontaktdaten auf.“ Larija hörte die Worte von Dr. Ross, dem besten Arzt der Stadt und ein guter Freund ihrer Mutter, aber es dauerte eine Weile, bis sie deren Sinn verstand. Immer noch war sie wie betäubt… Larija hatte Dr. Ross ihren Körper und ihre Räume untersuchen lassen müssen, wie ihre Mutter es auch schon getan hatte. Es war schrecklich, so viele persönliche Dinge preiszugeben, aber es war notwendig. Nun stöhnte sie innerlich, das Gleiche bei noch einem Arzt durchmachen zu müssen. Bald würden sämtliche Ärzte der Stadt ihre Gedanken kennen, scherzte sie. Aber sie hatte lange gelernt, sich zu kontrollieren. Deshalb war sie auch bereit, diesen Preis zu zahlen, wenn sie dafür wusste, was passiert war. Und weshalb. Sie schaute zu ihrer Mutter. Sie trug ihre schwarzen Haare zu einem Zopf, ihr strenges Gesicht blickte sehr ernst, als Dr. Ross ihr den Weg erklärte. Dann stand sie auf und reichte ihm die Hand. Sie lächelte ihn an, aber es war ein Lächeln, das ihre kühlen Augen nicht erreichte. Larija stand ebenfalls auf, strich sich einmal über ihren Pullover und gab dem Arzt ebenfalls die Hand zum Abschied.
Ihre Mutter und sie gingen zu Fuß zu dem Arzt, den Dr. Ross ihnen empfohlen hatte. Inzwischen hatte Larija wieder etwas Hoffnung… oder vielleicht war sie auch einfach nur komplett durchgedreht. Trotzdem wunderte sich Larija über ihre Mutter. Zum einen war es ungewöhnlich, dass sie zu Fuß gingen. Normalerweise ließ sie sich überall hinbringen, sei es auf menschliche Art mit dem Auto oder auf magische Art, in dem sie teleportierte – normalerweise nahm sie sich nie die Zeit, zu Fuß zu gehen. Doch nun tat sie es. Und zum anderen wirkte ihre Mutter so ruhig, selbst für sie, ihre Tochter. Sie schien sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Vielleicht war es ihr wirklich egal… Sie schüttelte ihre Gedanken ab und konzentrierte sich dagegen auf ihre Umgebung. Die hohen Häuser, die schmalen Gassen. Der Himmel war ihrer Laune entsprechend: getrübt. Sie fragte sich, wie sie wohl auf ihre Umgebung wirkten. Eine große, schlanke Frau mittleren Alters, edel gekleidet, daneben ein Mädchen, nicht annähernd so gut angezogen wie ihre Mutter. Larija musste klein und zierlich wirkten neben ihrer Mutter, und ihr rundes Gesicht so anders aussehen als das von Renata, die nichts mit Larija gemeinsam hatte. Sie erreichten ein großes, helles Gebäude. Ein Ärztehaus, wie Larija feststellte. Renata öffnete die Tür. Im Treppenhaus blieb sie einen Moment unschlüssig stehen. Sie hasste Fahrstühle, aber teleportieren konnte sie sich mit mir nicht und Treppen laufen wollte sie nicht. Sie ging einen Schritt, dann zögerte sie erneut, drehte sich einmal im Kreis und ging dann zum Fahrstuhl. Larija folgte ihr verwundert. Dass sie ihre Angst überwinden wollte überraschte sie. Der Fahrstuhl kam und sie gingen hinein. Es war ein großer Fahrstuhl, für mehrere Personen, mit Spiegel. Renata drückte auf die dreizehn. Dass sie so hoch mussten hatte Larija nicht erwartet. Renata kniff die Augen zusammen und atmete stoßweise. In gewisser Weise amüsierte Larija das. Ihre Mutter, Renata, war eine so mächtige Magierin, dass sie beinah alles bewältigen konnte. Und das Einzige, vor dem sie Angst hatte, waren Fahrstühle! Larija kicherte, aber ihre Mutter schien es gar nicht zu bemerken. Als der Fahrstuhl im dreizehnten Stock anhielt und die Tür sich langsam öffnete, stürzte Renata hinaus. Dann blieb sie stehen, mit einer Hand an die Wand gelehnt und atmete tief ein. Sie wirkte so verletzlich… Es war merkwürdig für Larija, ihre Mutter so zu sehen. Sie sah sie immer nur als strenge, lieblose Mutter die sie nur benutzen wollte. Nun allerdings war dem nicht so. Die Zeit der Veränderung war nahe, das spürte sie. Renata hatte sich wieder gefasst. Sie ging zu einer Tür am Ende des Ganges. Auf ihr stand: Dr. Frik, Spezialisiert für besondere Krankheiten und psychische Störungen. Larija zog leicht eine Augenbraue in die Höhe. Psychische Störungen? Sie schob ihre Bedenken beiseite und trat nach ihrer Mutter durch die Tür. Der Empfangsbereich und das Wartezimmer waren genau so, wie sie erwartet hatte. Hell, schlicht und unendlich langweilig. Ein blondes Mädchen saß am Pult und strahlte sie an. „Kann ich ihnen helfen?“, fragte sie mit honigsüßer Stimme. Renata lächelte sie an, aber Larija bemerkte, wie wenig Respekt sie vor der Sekretärin hatte. „Wir haben einen Termin. Larija und Renata Uleiras.“ Sie blickte auf ihr Notizblock und strahlte uns dann wieder an. „Er erwartet sie bereits. Die 2. Tür links, bitte.“ Renata erwiderte nichts und ging würdevoll durch die Tür. Sie betraten ein Untersuchungszimmer. Es war genauso gestaltet wie auch das Vorzimmer. Dr. Frik, ein großgewachsener junger Mann mit blondem Haar und Brille war aufgestanden, als sich die Tür geöffnet hatte. Er begrüßte erst Renata, dann Larija. Er wirke etwas nervös, und merkwürdiger Weise kam er Larija irgendwie bekannt vor. Er fragte Renata, was das Problem sei. Als ihre Mutter es erzählt hatte, schwieg er. Dann fragte er um die Erlaubnis, ein paar Tests durchführen zu dürfen. Larija war misstrauisch, hatte aber keine andere Wahl da ihre Mutter schon zugestimmt hatte. Dr. Frik bat sie, ihre Kräfte auf unterschiedliche Weisen einzusetzen. Natürlich funktionierte nichts. Das war sehr deprimierend für Larija und sie brauchte eine Pause. Sie wollte aber keine Schwäche zeigen und hielt durch. Sie wurde erlöst, als sie gerade versuchte, einen Gegenstand zum Schweben zu bringen, weil das Telefon ihrer Mutter klingelte. „Entschuldigt mich einen Moment.“, sagte sie und verließ den Raum. Sobald ihre Mutter den Raum verließ gab Larija auf. „Ich muss mich setzen.“, sagte sie und ging unsicher zu einen Stuhl. „Es wird eh nicht klappen. Glauben Sie mir.“ Der Arzt lehnte sich ihr Gegenüber an die Liege und beobachtete sie. Larija blickte auf. Er war sogar noch jünger, als sie erwartet oder zuerst bemerkt hatte. Er lächelte sie freundlich an und sie wusste, dass es nicht gespielt war. Sie lächelte schwach zurück. Plötzlich wusste sie, was anders an ihm war. „Sie sind kein Magier, oder?“, fragte sie wenig feinfühlig. Sie war einfach zu neugierig um rücksichtsvoll zu sein. Die meisten normalen Menschen die sie kannte bekleideten nur niedrige Positionen, wie zum Beispiel Katinka. Er lachte leise. Anscheinend wusste er, was sie dachte, denn er sagte: „Nicht alle Nicht-Magier sind Hausmädchen und Gärtner, Larija.“ Er schaute sie gütig an und sie wusste, dass ihm ihre ungewollte Beleidigung nichts ausmachte. „Ich habe zwar nicht die Selben Methoden wie die Magier, aber ich bin genauso gut wie sie. Nur in deinem Fall habe ich keine Ahnung, was mit dir sein könnte...“ Larija sah ihn nur stumm an und Dr. Frik sprach weiter während sie versuchte herauszufinden, woher sie ihn kannte. „Die Tests, die ich dich vorhin habe machen lassen, waren nur Tarnung, eine Möglichkeit, Zeit zu schinden. Ich wollte mit dir reden ohne dass deine Mutter dabei anwesend ist. Und es tut mir Leid, wenn ich dich damit auf irgendeine Weise belastet habe.“ „Woher wussten Sie, dass meine Mutter gehen wird?“, fragte Larija leicht misstrauisch. „Nun, das war leicht zu erraten. Der Ruf deiner Mutter eilt ihr weit voraus.“ Da hatte er Recht. Wenn Larija darüber nachdachte, hatte sie auch so etwas erwartet. Sie musste lächeln. Er war intelligent. Dann jedoch fiel ihr wieder ein, was er gesagt hatte. Sie wurde augenblicklich wieder ernst. „Was denken Sie ist die Ursache für das Verschwinden?“ Er zögerte und blickte Larija ernst an. „Nun, ich denke… Nicht nur der Ruf deiner Mutter ist ihr vorausgeeilt. Auch von dir weiß man so manches.“ „Ach ja?“ „Ja. Zum Beispiel, dass du von deinen Eltern gezwungen wirst, zu lernen und gute Chancen hast, die nächste Rejanna zu werden. Dass du außerordentlich viel Begabung besitzt und dass du diese auch schon seit 10 Jahren mehr nutzt als manch anderer in seinem ganzen Leben. Also, meine Theorie ist...“ Er brach ab. Dann fing er erneut an. „Ich würde bei dir auf Überlastung tippen, aber es ist eben nicht sicher. Und ich kenne auch keinen Weg um dir deine Kräfte zurückzugeben. Denn das sie fehlen ist offensichtlich.“ Larijas Gesicht wurde wieder bleich. „Könnte es sein“, fragte sie dann langsam, „dass ich meine Kräfte dauerhaft verliere?“ „Es ist durchaus möglich. Es tut mir Leid.“ Bestürzt starrte sie ihn an. Sie versuchte, ruhig zu atmen. Der junge Arzt schaute sie mitfühlend an. „Es tut mir wirklich sehr Leid. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag mir Bescheid. Hier ist meine Visitenkarte. Larija nahm sie an und warf einen Blick darauf. Sie war noch immer geschockt von der Neuigkeit, doch seine Karte lenkte sie ab. „Christopher Frik? Chris?“ Er lächelte zaghaft. „Ich hatte gehofft, dass du dich an mich erinnerst.“ „Es ist schon so lange her… Du bist Arzt geworden. Wie alt bist du? Du kannst doch höchstens zwanzig sein!“ „Neunzehn. Er lächelte leicht amüsiert. Wobei es im Vergleich zu dir nicht bedeutend ist, habe ich doch sehr viel gelernt damit ich das erreichen konnte was ich nun erreicht habe. Sieh mich an. Ich bin der jüngste normale Arzt in ganz Deban!“ Larija hatte gelächelt, als sie Chris erkannt hatte. Er war einmal ein Freund von ihr gewesen. Sie war mit ihm in der zweiten Schule gewesen, im dritten Jahr. Das war das Jahr in dem nur die mit genügend Talent weiterkamen. Und Chris gehörte leider nicht dazu. Es war sehr schwer für sie gewesen, ihn zu vergessen. Aber ihre Sorgen, das alltägliche Leben und das viele Lernen hatten ihn verdrängt. Nun jedoch, als er sechs Jahre später vor ihr stand war es, als wäre er nie fort gewesen. Er strahlte nun und sie erkannte, dass das der wahre Grund dafür gewesen war, dass er mit ihr alleine sein wollte. Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür und ihre Mutter stand dort. Sie bemerkte die Veränderung der Atmosphäre offensichtlich nicht, denn sie sagt nur: „Ich habe es eilig. Können sie jetzt sagen, was es ist oder nicht?“ Chris warf Larija einen verstohlenen Blick zu. Offenbar wollte er ihr Einverständnis. Aber sie zuckte nur leicht mit den Schultern und wandte sich wieder zu ihrer Mutter. „Nun… es ist nicht sicher. Aber es könnte sein, dass Larija, ihre Tochter, ihre Kräfte für immer verliert. Ursache des Problems könnte zu großer Stress oder zu viel Benutzung der Kräfte sein, das ist nicht sicher. Aber mehr weiß ich leider auch nicht. Ich denke, ich kann Ihnen nicht helfen.“ Larijas Mutter schaute von oben auf Chris hinab, der ihrem Blick nicht auswich. Larija beobachtete die Szene und wusste schon, wie es ausgehen würde. Ihre Mutter würde seinem Urteil nicht trauen. Und Chris wusste das anscheinend auch. „Dies ist mein Urteil. Und nur weil ich ein normaler Mensch bin heißt es nicht, dass ich weniger Ahnung habe als Magier. Gehen sie doch zu einem anderen Arzt, wenn sie mir nicht trauen. Aber ich glaube kaum, dass sie mehr sagen können als ich.“ Mit diesen Worten erhob er sich und stand Renata nun gegenüber, sodass sie ihn nicht mehr von oben herab behandeln konnte. „Wenn Sie das sagen.“ Renata war es nicht gewohnt, dass man sich ihr widersetzte. Vielleicht sollte sie das auch mal versuchen, dachte Larija und lächelte verhalten. „Gut. Somit wäre alles geklärt. Komm, Larija, wir gehen.“ Ohne ihm die Hand zu geben verließ Renata den Raum. Sie war außer sich vor Wut. „Ist sie immer so?“, fragte Chris, der sich ihr gegenüber an die Wand gelehnt hatte. Larija nahm ihren Blick von der Tür und sah ihn an. Er sah wirklich gut aus. „Äh… ja.“, antwortete sie leicht verwirrt und konnte ihren Blick nicht mehr von seinen Augen abwenden. Sie waren so blau wie das Meer der Karibik… Auch Chris schien gebannt von ihr gewesen zu sein, denn als sie nun ruckartig aufstand, räusperte er sich verlegen und wandte den Blick ab. „Ich… muss gehen.“ Sagte Larija schnell. Es fiel ihr unnatürlich schwer, nun zu gehen. Sie hatte schon zu lange keinen Kontakt mehr mit anderen Leuten als ihrer Familie und Ari gehabt. Und seine… nun ja, menschliche normale Art war erfrischend für sie. Chris bemerkte ihren inneren Konflikt. „Deine Mutter wartet. Du solltest sie nicht noch wütender machen als sie eh schon ist. Und im Übrigen…“ Er stockte und seine Haut wurde eine Nuance röter. „Ich würde mich freuen, wenn du dich mal bei mir melden würdest. Wir hatten schon so lange keinen Kontakt mehr…“ Larija lächelte gehimnissvoll. Sie freute sich über das Angebot aber sie befürchtete, es nicht annehmen zu können. Trotzdem würde sie sich mal bei ihm melden. „Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, du hast ja meine Nummer. Ruf mich einfach an, okay?“ Larija nickte. „Ja. Danke, Chris. Bis bald dann.“ Sie hielt ihm ihre Hand hin und er drückte sie sanft. „Bis bald. Hoffentlich.“, murmelte er noch, als Larija bereits gegangen war. Doch das hörte sie nicht mehr.
Ihre Mutter hatte anscheinend nicht auf sie warten wollen, denn als Larija die Praxis verließ schwebte ein leuchtender Zettel in der Luft, auf dem ihr Name stand.
„Larija. Ich habe es wirklich eilig. Wir sehen uns heute Abend zu Hause. Diesen Tag kannst du tun, was du möchtest.“ Freude stieg in Larija auf. Die wurde aber von der allgegenwärtigen Hoffnungslosigkeit verdrängt. Sie wollte erst umdrehen und Chris fragen, ob sie etwas unternehmen wollten. Aber da fielen ihr die Leute ein, die in seinem Wartezimmer saßen und behandelt werden wollten. Außerdem gab es noch etwas anderes, was sie tun musste. Sie nahm die Treppen, als sie sich auf den Weg machte. Es hatte etwas gedauert, aber sie hatte Zeit. Zeit zum Nachdenken. Über ihre Zukunft. Ihre Magie. Sie fragte sich, ob sie wirklich verloren war und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie ging die Straßen entlang. Da fand sie den Platz, den sie gesucht hatte. Larija warf einen Blick auf die große Uhr, die in der Mitte des Platzes auf einer Säule stand. Sie setzte sich auf einen Stein und wartete. Dann sah sie die Person, auf die sie gewartet hatte. Ihr Kinn-langes, schwarzes Haar wirbelte ihr um den Kopf. Sie sah etwas besorgt aus und hatte die Stirn in Falten gelegt. Ari.

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Tag der Veröffentlichung: 02.06.2010

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