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Nachhilfe

Fakt Nummer eins ist: Ich hasse Mathe. Fakt Nummer zwei ist: Mathe hasst mich. Denn sonst hätten wir beide längst eine Lösung gefunden, wie wir in Zukunft miteinander auskommen könnten. Aber nein, da wir beide so stur sind (wow, eine Gemeinsamkeit!), bleibt der Krieg zwischen uns bestehen. Es sei denn, es geschieht doch noch ein Wunder. Und dieses Wunder hat mich heute morgen in der Pause angesprochen. ,,Na, Probleme?'' Es ist Tim. Ich sitze gerade auf einer Bank unter dem Fahrradschuppen vom Schulgebäude und starre seit zehn Minuten auf dieselbe Stelle im Heft. Im Matheheft besser gesagt. ,,Ich kapier diesen Müll einfach nicht. Wer ist bloss auf die beknackte Idee gekommen, Buchstaben in der Mathematik einzuführen? Wenn ich schon mit Zahlen genug Stress habe, kann ich Buchstaben erst recht nicht gebrauchen. Und dann dieser doofe Strich da in der Mitte. Der irritiert mich nur.'' Ich verdrehe die Augen gegen die Decke und seufze. ,,Ach, so schwer ist das doch nicht.'' ,,Sagt mir ein Mathegenie. Du hast gut reden.'' ,,He, dafür hab ich in Deutsch keinen Durchblick. Und jetzt sag bitte nicht, dass es nicht so schwer sei.'', wirft er grinsend ein und zwinkert mir zu. ,,Jaja, mich dumm aussehen lassen, aber selber dumm dastehen willst du natürlich nicht.'', gebe ich zurück. ,,War nicht so gemeint. Ich könnte dir ja Nachhilfe geben.'' ,,Wie bitte? Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?'' ,,Wieso nicht? Ich helfe dir in Mathe und du mir dafür in Deutsch. Wär das eine Idee?'' ,,Ja...eigentlich schon...Aber ich bin nicht so gut im Erklären.'' ,,Ach, irgendwie schaffen wir das schon. Einen Versuch ist es wert, oder was meinst du?'' ,,Klar, probieren geht über studieren. Wann hast du denn Zeit?'' ,,Abgesehen vom Mittwochabend jeden Tag. Aber das Wochenende würde ich gerne ohne Nachhilfe verbringen.'' ,,Logo, ich ja auch. Bei dir oder bei mir?'' ,,Am Besten bei dir, das ist näher.'' ,,Stimmt. Gleich nach der Schule?'' ,,Klar. Eine Stunde?'' ,,Abgemacht.'' ,,Super. Wer als erstes draussen ist wartet hier, ok? Dann verfehlen wir uns auch bestimmt nicht.'' Ich muss lachen. ,,In Ordnung. Das Schulgebäude ist ja auch soooo gross.'' Es klingelt zur dritten Stunde und zusammen laufen wir ins Gebäude zurück. Na, das wird ja ein Spass werden mit Tim und Nachhilfe.

Deutsch und Mathe

,,Manoman! Ich.Hasse.Mathe.'' ,,Also nochmal. Wenn du...'' Es geht um Bruchrechnen. 5/8 mal 8/11=40/66=20/33 und so weiter. Katastrophal und hochkompliziert sag ich euch! Armer Tim. Wie viel Geduld er wohl noch mit mir hat? ,,Woher nimmst du bloss diese Geduld her?'', frage ich ihn mit einem gequältem Gesichtsausdruck. Er lächelt und meint: ,,In Deutsch geht's mir auch so wie mit dir in Mathe. Ich verliere da auch zu schnell die Geduld.'' ,,Na, dann hoff ich, dass ich dir da weiterhelfen kann.'' ,,Das kannst du bestimmt. Aber lenk jetzt nicht ab. Wir haben nur noch drei Aufgaben vor uns.'' ,,NUR?!'' Er lacht und wir konzentrieren uns wieder auf die lieben Bruchrechnungen. Es ist ein Wunder, dass noch kein Rauch aus meinen Ohren qualmt, so sehr wie ich meine Gehirnzellen anstrengen muss..!

Nach einer halben Stunde hab ich es geschafft und Tim darf nun seine grauen Hirnzellen anstrengen. ,,Du hast Schwierigkeiten in der Rechtschreibung, stimmt's?'' ,,Jap, genau.'' ,,Also, ich hab hier zuerst ein kleines Diktat vorbereitet, damit ich sehen kann, wo der Fehler liegt und ob es häufige Wiederholungen gibt. Vielleicht kann ich den Knopf bei dir ja lösen.'' ,,Ich hasse Diktate, aber wenn es nicht benotet wird, hab ich eigentlich nichts zu befürchten.'' ,,Keine Sorgen, wenn ich benoten müsste, müsste ich ja rechnen und das liegt mir ja nicht. Also hast du nochmals Glück gehabt.'', lächle ich ihn an- und er zurück. Ich diktiere ihm also ein von mir geschriebener Kurztext. ,,Der ist ja total zusammenhangslos irgendwie.'', schmunzelt Tim. ,,Irgendwie musste ich ja alle möglichen Worte hineinbringen, die komplizierter klingen oder sonst komisch zu schreiben sind. Ist ja nur ein Diktat. Eine Übung.'' ,,Schon fast interessant, dieser Text.'' ,,Danke.'' ,,Woher hast du den?'' ,,Aus meinem Gedächtnis.'' ,,Selbst geschrieben?'' ,,So kann man es auch ausdrücken, ja.'' ,,Wow, wirklich gut. Darfst mir gerne öfters was diktieren.'' ,,Haha, danke. Jetzt aber weiter. Nicht wieder ablenken, kapiert?'', sage ich gespielt ernst. Und weiter geht's.

 

Deutsch und Mathe mit viel Gefühl

Nun geben Tim und ich uns bereits seit drei Wochen gegenseitige Nachhilfe. Wir verstehen uns super (ich mich mit Mathe allerdings immer noch nicht so gut) und seine Rechtschreibung hat sich auch etwas gebessert. ,,Wieso hast du so viel Geduld mit mir? Ich meine, seit drei Wochen hilfst du mir, aber irgendwie komme ich nicht richtig vom Fleck.'', jammere ich bei einer der nächsten Nachhilfestunden in der vierten Woche wieder einmal. ,,Ganz einfach. Ich verbringe gerne Zeit mit dir, es macht mir Spass und ich will dir helfen. Auch, wenn es noch ein Leben lang dauern könnte.'' ,,He!'' Ich kneife ihn in die Seite. ,,So lange werde ich hoffentlich nicht brauchen. Wäre etwas zu lange. Sonst würde ich schon vorher aufgeben.'' ,,Ach komm, so schlimm ist es doch nicht, oder?'' ,,Mit dir geht's ja noch. Auch wenn ich immer noch nahe am verzweifeln bin.'' Plötzlich merke ich, dass etwas anders ist. Ich schaue Tim an und sehe, dass sich sein Blick verändert hat. Er sieht mich total warm an. Mir wird ganz heiss. Was ist denn nun los? Weil mir die Situation ziemlich unangenehm ist, versuche ich schnell abzulenken und weise ihn auf die nächste Aufgabe hin. Er scheint peinlich berührt zu sein, kriegt etwas rote Wangen, dann aber hat er sich schnell wieder gefasst. Was war das denn??

Eine halbe Stunde später ist auch diese Nachhilfestunde vorüber. Ich begleite Tim noch zur Tür. ,,Du Nina?'' ,,Ja?'' ,,Ich..'', druckst Tim herum und ich trete nervös vom rechten Fuss auf den linken und wieder zurück. Er sieht mich unsicher an. Was ist bloss los mit ihm? ,,Tim? Was ist? Stimmt was nicht?'' Da grinst er plötzlich ein wenig und bevor ich mich versehe hat er mir einen schnellen, kaum realisierbaren, Kuss auf die Lippen gehaucht und ist auch schon aus der Tür raus. Und ich stehe nach gefühlten 100 Jahren immer noch wie ein Volltrottel an der Tür, die Augen weit aufgerissen und kann grad gar nicht glauben, dass das wirklich passiert ist.

Der Anfang eines Happy-Ends


Am nächsten Morgen erwache ich mit diesem Kribbeln im Bauch. Die ganze Nacht habe ich wirre Träume gehabt und immer wieder Tim vor mir gesehen und seinen Kuss auf meinen Lippen gefühlt. Hat er sich tatsächlich in mich verliebt? Er? Der Junge, der jedes Mädchen haben könnte? Ich kann es mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, aber dagegen hätte ich natürlich auch nichts einzuwenden. Mal sehen, wie es heute in der Schule weitergeht. Meine schlimmsten Befürchtungen sind A) Dass er mir aus dem Weg gehen könnte, B) Mir sagen würde, es hätte nichts bedeutet oder C) So tut, als wäre nie was geschehen..

,,Nina! Warte kurz!'' Ich überquere grad den Schulhof um beim Fahrradunterstand noch die letzten Hausaufgaben fertig zu kritzeln, als Tim nach mir ruft. Tim?! Überrascht dreh ich mich um. ,,Hey Tim..'', sag ich etwas zögerlich, unsicher was jetzt wohl kommen würde. ,, Du hör mal, wegen gestern...'' Immerhin redet er nicht um den heissen Brei herum. ,,Ich...es war...Eine Liebeserklärung hätte ich mir an deiner Stelle auch anders vorgestellt und eigentlich hab ich mir ja auch überlegt, wie ich es dir sagen könnte, aber als ich dann so vor dir stand war alles weg und ich wusste nicht was tun und einfach wegrennen wäre ja schwachsinnig gewesen und hätte das Ganze nur noch unnötig in Verzögerung gebracht und da dachte ich, ich könnte es eben so machen und ja...es war mir etwas...naja...ich wusste ja nicht wie du darauf reagieren würdest und ob es dir auch so geht oder nicht und...'' ,,Tim!'' ,,Ja?'' Er sieht mich beinahe erschrocken an. Kein Wunder, ich musste ihn ja auch fast etwas anbrüllen, damit ich seinen Redefluss stoppen konnte. ,,Es war also keine Wette, die du mit jemandem abgeschlossen hast?'' ,,Nein, geht's noch? Würd ich doch nie tun!'' ,,Und es war auch kein Irrtum?'' ,,Nein, Nina. Dich gibt's schliesslich nur einmal- für mich jedenfalls.'' Och, wie süss! Ich weiss ja nicht wie's euch geht, aber ich habe noch nie zuvor eine Liebeserklärung bekommen und daher war dieser letzte Satz einfach das Schönste was bisher jemand zu mir gesagt hatte. ,,Nina? Ich...ich mein's ernst mit dir. Ich hab mich total in dich verliebt.'' Kitschiger und romantischer und schnulziger und was weiss ich noch alles geht's einfach nicht mehr, oder? ,,Ich dich auch.'', bekomme ich gerade noch über die Lippen (was nicht sehr passt, wenn man den letzten Satz von Tim beachtet), bevor wir uns nochmals küssen und diesmal ist's kein Turbokuss;D

Jonathan


Seit über einem Monat sind Tim und ich nun glücklich zusammen- und das bereits mit 12 Jahren. Ist irgendwie krass. Aber ein Spruch von mir lautet ,Nicht dein Alter selbst bestimmt wie alt du bist, sondern dein Charakter', und ich denke, dieser Spruch stimmt wirklich. Dies beweist sich auch dann, vor allem dann, als ein Neuer zu uns in die Klasse kommt. Mitten im ersten Halbjahr. Hallo? Geht's noch? Naja, ich will mal nicht voreilig urteilen. Aber für den Neuen wird es auch nicht gerade sehr einfach, sich in einen neuen Stundenplan zu integrieren. Egal. Der Glückliche, der heute zu uns kommen darf heisst Jonathan. Er ist bereits 13 Jahre alt und ist mit seinen Eltern schon viel gereist. Er gehört wohl eher zur reicheren Sorte, da er an seinem ersten Schultag mit einer teuren Lederjacke erscheint, in noch dazu sauteuren Jeans und Sportschuhen, von denen ich den Preis lieber nicht wissen möchte. Da wir ja eine sooo harmonische Klasse sind, begrüssen wir ihn freundlich und versuchen ihn auch gleich mit in unseren Kreis einzubeziehen. Der Einzige, der nicht ganz damit klar kommt ist....Jonathan. Besser gesagt; Er kommt mit Tim nicht gut zurecht. Es ist ja normal dass Jungs sich auch mal gegenseitig doofe Sprüche an den Kopf werfen und so (und im ersten Moment hatte ich auch gehofft, es würde nur bei dem bleiben), doch mit der Zeit wurde es dann doch etwas heftiger. Aber halt! Nicht so schnell. Typisch ich und mein Schreibfluss, tzz!

Aaaalso, nochmals etwas langsamer. Es ist nun beinahe eine Woche um seit Jonathan neu zu uns gekommen ist. ,,Ich hasse diesen Kerl. Der hat irgendwas gegen mich.'', sagt Tim zu mir, als er wieder mal bei mir ist für die Gegenseitige Nachhilfe, die jedoch seit unserer Beziehung etwas kürzer geworden ist...,,Ach was...er...er...'' Verflixt! Mir fällt kein richtiges Gegenargument ein, weshalb Jonathan ausgerechnet seit seinem Hinzukommen in die Klasse auf Tim rumhackt und teils wirklich fies ist. ,,Siehst du?'', unterbricht mich Tim da. ,,Was?'' ,,Dir fällt auch keine andere Erklärung ein. Es ist also eindeutig so.'' ,,Und wenn? Man kann nicht jeden mögen.'' Gutes Argument *mich in Gedanken lob*. ,,Dafür mag er dich.'' ,,Ehm...also...normal. So wie er auch Tina und Marléne und Luana und die restlichen Mädchen mag.'' ,,Nein. Dich flirtet er gerne an. Er steht sicher auf dich.'' ,,Und nochmals: Und wenn? Das interessiert mich 'nen Dreck! Ich liebe dich, Tim! Und dieser Jonathan kann mir gestohlen bleiben.'' ,,Ich liebe dich auch, Nina. Sehr sogar.'' Seine letzten Worte waren beinahe geflüstert und er sieht mich mit seinen warmen Augen ernst und etwas ängstlich an. Er legt seine Hände an mein Gesicht und flüstert: ,,Ich will dich nicht an diesen Typen verlieren. Und sag jetzt nicht, dass dies nicht passieren kann. Er hasst mich, er steht auf dich, ich bin im Weg. Ich bin sicher, dass diese blöden Sprüche bisher noch das Angenehmste von ihm waren.'' Und dann küsst er mich. WOW! So zärtlich, lange und intensiv war es noch nie! Falls Tim recht behalten sollte, dann mussten wir uns in Acht nehmen. Jonathan soll gefälligst meinen Freund in Frieden lassen!

 

 

 

Attackee!!- zum Ersten

,,He Kleiner! Kann ich mal dein Radiergummi benutzen?'' ,,Klar. Hier.'' Ich beobachte, wie Tim Jonathan seinen Radiergummi gibt. Ich sitze schräg hinter den beiden. Jap, leider haben die beiden das Vergnügen nebeneinander zu sitzen. Seit drei Tagen. Jonathan wird es wohl eher geniessen als Tim. Soweit ich das beurteilen kann, ist Tim jederzeit darauf gefasst, dass Jonathan wieder etwas macht. Jonathan verhält sich aber auch sehr seltsam. So nett und höflich. Zu Tim meine ich. Das sieht ihm gar nicht ähnlich und ich bin sicher, dass das nur eine Masche ist bevors erst richtig losgeht.

Und tatsächlich. Nach der Pause als Tim zu seinem Pult geht um sein Etui zu holen (wir sollen ins Musikzimmer), stellt er fest, dass sein Etui weg ist. ,,Dieser Scheisskerl!'', ruft Tim aus und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Ich weiss das alles, weil ich auch gerade mein Etui holen will und so alles mitbekomme. ,,Tim.'', sage ich leise und stelle mich hinter ihn, umarme ihn von hinten und seufze. ,,Wieso kann mich dieser Arsch nicht einfach in Ruhe lassen?'' ,,Du kannst von meinem Etui Stifte benutzen.'' Tim dreht sich zu mir um. ,,Das ist lieb, danke. Aber es geht mir nicht darum, dass ich keine Stifte mehr zum Schreiben habe, sondern darum, dass er diesen Scheiss mit mir abzieht.'' ,,Ich kann dich verstehen. Und ich will nicht wissen, was noch alles folgen wird.'' ,,Ich werde es so oder so erfahren.'' ,,Tim, ich lass dich nicht im Stich. Wir werden's dem Lehrer melden.'' ,,Wozu? Wir haben keine Beweise dafür, dass es wirklich Jonathan war. Vielleicht hat er auch jemanden angestiftet es zu tun, damit er selber als Unschuldig gelten kann.'' ,,Trotzdem können wir nicht einfach nichts tun.'' ,,Nina, es bringt nichts. Jedenfalls jetzt noch nichts. Mein Etui wird's schon überleben und ich auch. Gehen wir jetzt ins Musikzimmer. Sonst werden wir von der Lehrerin wegen zu spät kommen blöd angeschnautzt.'' ,,In Ordnung.'', seufze ich und will mich Richtung Tür drehen. ,,He.'', sagt Tim leise und zieht mich nochmals zu sich heran. ,,Ich liebe dich und ich weiss, dass du mir nur helfen willst. Ich bin froh, dass du bei mir bist.'' Und küsst mich, bevor wir gemeinsam ins Musikzimmer gehen. Dort fällt mein Blick auf Jonathan der Tim frech zugrinst und vor sich auf dem Tisch liegt Tim's Etui. Ich ziehe Tim hinter mir her, weitmöglichst von Jonathan entfernt, an ein Pult und drücke nochmals fest seine Hand. Tim lächelt mich schwach an und schaut nach vorne an die Tafel.

Stirnrunzeln und Kuscheltime


Ich bin gerade dabei meine Hausaufgaben in die Schultasche zu räumen, als plötzlich jemand hinter mir steht. Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht von Jonathan. ,,Was willst du?'', frage ich ihn so kühl wie es mir möglich ist. ,,Das Oberteil steht dir.'' ,,Danke. Sonst noch was?'' ,,Hast du nach der Schule schon was vor?'' ,,Ja, ich treffe mich mit meinem Freund bei mir.'' ,,Und morgen?'' ,,Auch. Jeden Tag. Plus Wochenende.'' ,,Hast du denn keine freie Minute mehr für dich?'' ,,Doch, abends und morgens. Wieso fragst du?'' ,,Was willst du von dem Kerl? Der passt doch gar nicht zu dir.'' ,,Jonathan, ich liebe meinen Freund. Also lass ihn doch in Zukunft einfach in Frieden. Verstanden?'' Ich nehme meine Tasche und gehe.

,,Nina? Liebst du mich noch?'' Tim und ich liegen nebeneinander in meinem Bett und kuscheln. ,,Natürlich! Das weisst du doch, Tim.'' Tim seufzt. ,,Ich habe jeden Tag mehr Angst dich zu verlieren.'', flüstert er und sieht mich traurig an. Sehe ich etwa Tränen in seinen Augen glitzern? Seine Worte erschrecken mich. ,,Tim.'', flüstere ich und küsse ihn sanft. ,,Das sagst du jetzt noch. Irgendwann wird's anders aussehen.'' ,,Tim, hör mal zu. Denkst du wirklich ich steh auf solche Idioten wie Jonathan? Ich hab mich in dich verliebt und das hat auch seine Gründe. An Jonathan gibts nun wirklich nichts, was mir gefallen könnte. Er ist ein Macho, Angeber und blöde Sprüche-Klopfer. Der wird später mal 'ne reiche Tussi heiraten -falls er's überhaupt bis vor den Altar schafft- und die Nacht in Clubs oder verschiedenen Frauenbetten durchfeiern. Steh ich auf solche Typen? Nein.'' Tim grinst mich an und kitzelt mich. ,,He!'' ,,Nina, du bist und bleibst ein Engel mit einer scharfen Zunge und frechen Klappe.'' ,,Tja, auch ich habe meine Spezialeffekts.'', grinse ich selbstsicher zurück. ,,He! Hör auf damit!'', lache ich als er mich wieder zu kitzeln beginnt. Dann sind unsere Gesichter plötzlich wieder ganz nahe und er beginnt mich mit so viel Leidenschaft zu küssen und zu streicheln, dass mir beinahe die Luft weg bleibt..

Jonathan gibt Gas


,,Hey Versager! Wurdest du heute schon gekickt?'' Tim dreht sich verwirrt um und krümmt sich bald darauf vor Schmerz. ,,Ah! Spinnst du?'' ,,Wenn du nicht antwortest, muss ich es halt deutlicher fragen, oder etwa nicht?'', grinst Jonathan hämisch und stolziert mit seinen Frauenfans davon. Ich kann immer noch nicht verstehen, wie ein paar Mädels diesen Angeber und Idioten anhimmeln können. Er provoziert Tim immer und immer mehr. Und jetzt das. Ich renne zu Tim und knie mich besorgt zu ihm nieder. Er hält sich immer noch mit schmerz verzerrtem Gesicht den Bauch und sieht gequält zu mir hin. ,,Tim, ist alles in Ordnung?'' ,,Ja. Geht schon.'' Er rappelt sich auf und geht ohne ein weiteres Wort mit mir zu wechseln ins Klassenzimmer. Es hat bereits zur ersten Stunde geklingelt. Verwirrt und etwas verletzt mache ich mich auch auf den Weg zu meinen Platz. Ich kann es nicht verhindern an Jonathan vorbeizulaufen, weil er mich am Klassenzimmereingang abfängt und da sagt er: ,,Na Süsse, heute nach der Schule bei mir?'' ,,Träum weiter.'', sage ich kühl und knapp und gehe an meinen Platz. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Tim wütend auf sein Pult starrt. Mist! Das hat er bestimmt mitgekriegt. Ich hab Jonathan zwar wieder abblitzen lassen, aber trotzdem...Für weitere Gedanken in diese Richtung bleibt mir nun erstmal keine Zeit mehr, da der Klassenlehrer gerade den Raum betritt. Nun ist Konzentration angesagt.

In der Pause gehen Tim und ich in eine ruhige Ecke des Schulgebäudes, wo sonst niemand ist. Unser Platz, sozusagen. ,,Tim, ich hab ihn abblitzen lassen.'' ,,Ich weiss. Hab ich gehört.'' ,,Warum schaust du mich dann nicht an?'' ,,Weil es mich nervt! Ich hasse den Typen!'' ,,Dann geh doch zum Lehrer?'' ,,Wozu? Verdammt Nina! Was will ein Lehrer da schon tun oder sagen? ,Jonathan lass den Tim in Ruhe'? Und wenn, danach würde es noch schlimmer werden.'' ,,Aber es kann doch so nicht weitergehen! Er hat dich geschlagen, wer weiss was als nächstes kommt.'' Langsam treten mir die Tränen in die Augen. ,,Nina, mach dir nicht weiter Sorgen, ja? Ich komm schon klar.'' ,,Das hab ich bis jetzt ja auch gesehen. Gewehrt hast du dich gleich null.'' ,,Weisst du was? Lass mich einfach machen, ja? Halt dich da raus! Es ist mein Problem und bleibt auch mein Problem.'' Mit diesen Worten dreht er sich um und geht. Hallo? Geht's noch? Das hat er noch nie gemacht. Sieht so aus, als würde es dieser verdammte Arsch tatsächlich schaffen, sich zwischen mich und Tim zu drängen. Das darf aber nicht passieren! Was soll ich jetzt bloss tun? Mit Tränen in den Augen mach ich mich auf den Weg auf's Klo. Mit verheultem Gesicht kann ich schlecht in den Unterricht gehen, das würde nur auffallen.

Nach der letzten Stunde packe ich meine Sachen und mache mich schnell auf den Weg nach draussen. Die nächste Ladung Tränen klopfen schon an. Ich habe das Schulgebäude bereits verlassen, als Tim mich ruft. ,,Nina! Bitte warte!''  Ich drehe mich um. ,,Was ist?'' Ich senke den Blick, weil ich nicht will, dass er meine Tränen sieht. Keine Chance. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und zwingt mich so, in seine Augen zu schauen. ,,Es tut mir leid, Nina. Ich wollte dich nicht so anschnauzen. Verzeihst du mir?'' ,,Blödmann.'', sage ich leise. ,,Natürlich verzeih ich dir.'' Er lächelt mich erleichtert und liebevoll an und küsst mich zärtlich. Unser erster Kuss für heute. ,,Wie kann man nur solch einen Versager knutschen? Ich kotz gleich!'', brüllt da Jonathan in einer vollen Lautstärke über den Schulhof und bevor wir uns versehen, hat er Tim auch schon von hinten gepackt und auf den Boden geschleudert. ,,Spinnst du? Lass Tim in Ruhe!'', schreie ich und will ihn wegziehen, doch da hat er mich bereits beiseite geschupst und stösst Tim in den Bauch. Er hat gar keine Chance sich zu wehren. ,,Jonathan! Hör sofort auf! Hör auf!'', schreie ich so laut ich kann. Als dann endlich ein Lehrer aus der Tür rauskommt, lässt Jonathan von Tim ab und zischt noch ein ,,Dich mach ich fertig, du Versager.'', und geht. Ich knie mich zu Tim, der sich diesmal auf dem Boden hin und her bewegt und sich den schmerzenden Bauch hält. Seine Nase blutet. ,,Scheisse, scheisse, scheisse.'', flucht er vor sich hin. ,,Nina, geh nach Hause. Es ist besser so.'' ,,Tim, ich...'' ,,Nina, bitte. Geh.Nach.Hause.'' ,,Aber, ich will dir doch nur...'' ,,Nina! Geh schon! Es ist besser so.'' Nur ein paar Worte sind es eigentlich. Geh nach Hause. Es ist besser so. 

Doch ich spüre, dass es mehr Konsequenzen hat, als es klingen mag.

Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch gar nicht, wie Recht ich damit habe..

Aus und vorbei?

Als ich zu Hause ankomme, kann ich immer noch nicht glauben, was gerade eben alles passiert ist. Ist es möglich, dass Tim mit mir Schluss gemacht hat? Wegen Jonathan? Dabei lieb ich ihn doch so! Ich lege mich auf's Bett, da kullern die Tränen auch schon über meine Wangen.

Als Tim zu Hause ankommt, geht er gleich in sein Zimmer, schmettert die Tür voller Wucht zu und wirft sich auf's Bett. Er hat gerade seiner ersten grossen Liebe das Herz gebrochen. Und seines noch dazu. Zwei gebrochene Herzen. Und jetzt? Wie soll es weitergehen? Er liebt sie, sie liebt ihn, aber dieser andere Idiot hat was gegen ihn und will sie auseinanderbringen. Hat er jetzt ja auch erreicht. Oder?

Mensch Tim, ich halte doch immer zu dir! Wieso hast du das bloss getan? Ich liebe dich doch so! Erst jetzt, wo die Zeit wieder etwas vergangen ist, wird mir erst so richtig bewusst, was geschehen ist und in mir breitet sich ein Schmerz aus, den ich beinahe nicht aushalten kann. Es ist, als ob mir jemand die Luft wegdrücken würde. Mein Herz gefriert. Mir wird ganz kalt. Mir ist gerade so ziemlich alles egal. Wie es Tim wohl gerade geht?

Ob Tim das Richtige getan hat? Das fragt er sich auch gerade. Und wer kann ihm die Antwort geben? Niemand. Ausser er selbst. Und wie? Er kennt die Antwort doch gar nicht, oder?

Ich hasse Jonathan. Ich hasse das Leben. Die Liebe. Diejenigen, die Glück haben in der Liebe. Ich hasse das Pech. Ich hasse es, dass es überhaupt erst so weit gekommen ist.

 

Jonathan gegen Tim - Tim gegen Jonathan

,,Na? Bist du bereits über dein Lover hinweg? Wenn du noch eine Schulter zum ausweinen brauchst; ich hätte gleich zwei anzubieten.'', quatscht mich Jonathan vor der Schule gleich vor dem Eingang an. ,,Lass mich in Ruhe.'', zische ich und will an ihm vorbei gehen, als er mich am Arm packt und zurück zieht. ,,Aber aber. Solltest du mir nicht dankbar sein?'' ,,Dankbar? Ich wüsste nicht wofür!'' ,,Na, dafür, dass ich dich vor diesem Versager gerettet habe. Ich meine, du hast doch wirklich einen Besseren verdient. Et Voilà!'', ruft er und zeigt auf sich. Bevor ich mich kontrollieren kann, hab ich ihm auch schon eine fette Ohrfeige verpasst. ,,LASS MICH IN RUHE!'', schreie ich und renne wutentbrannt ins Schulhaus, auf's Mädchenklo. Was bildet der sich eigentlich ein? Was hat der vor? Wieso tut er das? Tausend Fragen und keine Antworten.

 

Als ich nach Schulende den Pausenhof betrete, sehe ich, wie sich eine Gruppe auf dem Fussballfeld versammelt hat. Was da wohl gerade abgeht? Je näher ich rangehe, desto deutlicher werden die Rufe. ,Jona! Jona! Jona!' ,Ti-im! Ti-im! Ti-im!' Ach du heilige Scheisse! Bitte nicht schon wieder! Ich kämpfe mich durch die Gruppe und sehe, wie Tim und Jonathan sich am Boden räkeln und gegeneinander kämpfen. ,, Was soll das?'', rufe ich in die Runde. Jemand neben mir, wohl aus einer anderen Klasse dessen Namen ich nicht kenne, meint: ,, Jonathan hat Tim herausgefordert.'' Fassungslos schaue ich zu Jonathan und Tim, die sich am Boden prügeln. Ich bin kurz davor einzugreifen, als ich sich für einen Moment meiner und Tims Blick kreuzen. Es versetzt mir einen Stich. Ich drehe mich um und gehe wieder. Sollen die zwei sich doch prügeln bis zum geht nicht mehr. Ich liebe Tim leider immer noch, aber er kapiert ja nicht das geringste.

Der kann mich mal! 

 

Und noch eine Faust auf's Auge

Seit über zwei Wochen sind Tim und ich nun nicht mehr zusammen. Ich vermisse ihn schrecklich, schlafe schlecht und meine Tränendrüsen haben die letzten vergangenenTage ganze Arbeit geleistet. Tim wird nicht viel besser behandelt in der Klasse. Im Gegenteil. Jeden Morgen betritt er einmal niedergeschlagener als am Tag zuvor das Schulzimmer, setzt sich hin, nimmt seine Schulbücher hervor und das ganze ohne einmal nach links oder rechts zu blicken. Nicht mal für mich hat er einen Blick übrig. Ist vielleicht ganz gut so. Es schmerzt mich auch so schon genug zu wissen, dass es ihm immer wie schlechter geht und er sich nicht helfen lassen will und sich einfach kaputt machen lässt. Ich seufze vor mich hin. Wenigstens lässt Jonathan die blöden Sprüchen mir gegenüber sein. Im Moment jedenfalls. 

 

,,Ich kann so einfach nicht mehr weiter machen!'', beklage ich mich eines Tages bei meiner besten Freundin Anna. ,,Ich leide mit ihm und kann ihm nicht helfen. Oder könnte, aber das will er nicht. Er geht jeden Tag mehr kaputt und irgendwann ist es zu spät. Was soll ich bloss tun?'' ,,Na, das, was du schon längst hättest tun sollen. Geh zum Lehrer und sprich mit ihm.'' Anna hat Recht. Wieso hab ich die ganze Zeit darauf gehört, was Tim sagte? Es ist ja logisch, dass man als Opfer keine Hilfe annehmen will. Ob jetzt aus Angst oder aus Stolz, keine Schwäche zeigen zu wollen. 

Ich gehe also zum Lehrerzimmer und klingle. Frau Seibert aus der ersten Klasse öffnet mir die Tür. ,,Was gibts, Nina?'', fragt sie mich freundlich. ,,Ich würde gerne mit meinem Klassenlehrer sprechen. Es geht um Tim und ist sehr dringend.'' ,,In Ordnung. Ich hole ihn.'' Keine 30 Sekunden später steht mein Klassenlehrer vor meiner Nase. ,,Nina? Du wolltest mit mir sprechen?'' ,,Ja. Es geht um Tim. Er hat grosse Schwierigkeiten mit Jonathan. Er wurde schon verprügelt und will keine Hilfe annehmen. Er wollte nicht, dass ich mit Ihnen spreche, aber ich kann es nicht mehr mit ansehen.'' ,,Seit wann geht das schon so?'' ,,Seit Jonathan zu uns gekommen ist.'' ,,Was? So lange schon? Gut, dass du zu mir gekommen bist. Ich werde mich um die Sache kümmern.'' ,,Aber bitte Sorgen sie dafür, dass Jonathan danach nicht noch fieser zu Tim ist. Sonst wird Tim nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Naja...eigentlich spricht er schon jetzt nicht mehr mit mir, weil er mich schützen will.'' ,,Also wurdest du auch schikaniert von Jonathan?'' ,,Eher belästigt. Er wollte Tim eifersüchtig machen- was er irgendwie auch geschafft hat. Und Tim wollte nicht, dass mir plötzlich auch was passieren würde. Sie müssen Tim helfen, bitte!'' ,,Mach dir keine Sorgen Nina, ich werde schnellst möglichst was dagegen unternehmen.'' 

Nach diesem kleinen Gespräch ist mir eine Last von der Schulter gefallen. Aber gleichzeitig bin ich auch nervös geworden. Was unser Lehrer nun tun würde? Was würde als nächstes geschehen? 

 

Ich hab mich gerade in meinen Lesesessel im Zimmer gesetzt, mit eine Buch in der Hand, als es an der Tür klingelt. Als ich aufmache, steht Tim davor. Ich komme gar nicht erst dazu, mich über sein Auftauchen zu freuen, da er gleich loslegt mit seinem Vortrag: ,,Wie konntet du nur? Ich habe dir mehrmals gesagt, dass ich nicht will, dass du mit dem Lehrer sprichst! Und nun hast du es trotzdem getan. Weisst du eigentlich wie scheisse das jetzt ist? Er hat mit mir nach Schulschluss geredet- und mit Jonathan! Du kannst dir denken, was nun los ist. Jonathan wird mich noch mehr hassen und das habe ich alleine dir zu verdanken! Echt Nina, ich war mal in dich verliebt und dachte, dass es was besonderes ist. Aber da hab ich mich getäuscht. Du kannst mich mal!'' Mit diesen Worten dreht er sich um und geht. Ich habe die ganze Zeit mit offenem Munde dagestanden, die Luft angehalten und spüre nun, wie mein Herz schlägt. Was war das gerade? Ist das wirklich passiert? Oder spielt mir mein Verstand ein Streich? Ich wünschte, es wäre so. Aber ich fürchte, Tim war gerade tatsächlich hier und hat was von Lehrer, Jonathan, verliebt und getäuscht gesagt. 

Ich gehe zurück in mein Zimmer, setze mich auf's Bett und erst nach einer Weile wird mir so richtig bewusst, was gerade eben geschehen war. Er ist sauer auf mich. Weil ich mit dem Lehrer gesprochen hat. Und was hat der Lehrer gemacht? Er hat mit Tim und Jonathan gesprochen. Wie blöd ist der denn eigentlich? Hier geht's doch nicht um ein Kleinkinderstreit aus dem Kindergarten! Wütend boxe ich ins Kissen und fluche vor mich hin. Muss man denn alles selbst in die Hand nehmen? Wozu sind Lehrer eigentlich da? 

Mir ist nun klar, dass ich mich selber darum kümmern muss. Unser Lehrer scheint nicht wirklich fähig dazu zu sein. Ausserdem...Tim war mal in mich verliebt? Hat er das so gesagt? Mir laufen die Tränen über's Gesicht. Aus Wut und Trauer. Na warte! Wenn du nichts tust und der Lehrer zu dämlich dafür ist, muss ich halt was tun. Und das werd ich!

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.02.2014

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