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EINE LIEBE, DIE NIE VERGEHT


***

Heute ist leider schon wieder der erste Tag für Schulbeginn. Ich komme in die fünfte Klasse und hoffe, dass die nächsten Ferien bald wieder kommen werden. (Die nächsten Ferien sind Herbstferien in sieben Wochen. Das ist lang, oder?).
Es gibt eine kleine Überraschung für uns. Einen neuen Schüler, der sitzengeblieben ist. ,, Ab dem Jahr seid ihr einen Schüler mehr, da Niklas die Klasse wiederholen muss.'' Super, dann sind wir ja jetzt eine gerade Anzahl von Schülern. 12. Ich sitze zum Glück neben meiner besten Freundin Emilia. Ich nenne sie einfach nur Mia. ,, Ohje, das ist so einer, der die Freundinnen wie die Unterwäsche wechselt.'', raunt sie mir ins Ohr. Sie mag solche Typen, und ihn erst recht, nicht. ,, Sonst ist er aber bestimmt sehr nett.'', räume ich ein. ,, Lern ihn zuerst mal richtig kennen, dann denkst du so wie ich.'' Wie sie meint. Aber so, wie ich bin, gebe ich jedem zuerst eine Chance, bevor ich verurteile. Naja, ich merke in den nächsten Stunden, dass Niklas wirklich sehr anders ist als wir. Schon nach den ersten zehn Minuten muss er mit dem Lehrer vor die Tür, weil er frech war. ,, Ich hab's doch gesagt.'', flüstert Mia mir ins Ohr. Jaja, mir eigentlich egal. Jeder Mensch hat Macken an sich, auch Niklas. Genauso Mia und ich.
Der erste Tag verläuft nicht schlecht. Niklas kann ich bisher so einschätzen: Er hat keinen Respekt vor unserem Lehrer und lässt sich nichts sagen. Bestimmt war er einfach nur ein wenig übermütig, weil er in eine neue Klasse gekommen und sitzengeblieben ist.
Die nächsten Tage verlaufen auch nicht schlecht. Niklas benimmt sich immer noch gleich daneben wie am ersten Tag, Mia mag ihn immer noch nicht und ich versuche trotzdem noch was Gutes an ihm zu finden, was ich Mia in ihr Hirn versuche zu klopfen.
Nach einer Woche, es ist Donnerstag und ich sitze auf der Treppe vor dem Schuleingang, kommt Mia am Morgen zu mir und verkündet: ,, Weisst du das Neuste?'' ,, Ne, was denn?'' ,, Nik ist mit Anna zusammen. Seit gestern Abend.'' ,, Bitte? Mit Anna? Was findet er denn an der?'' ,, Keine Ahnung. Aber ich hab's ja schon immer gesagt: Er ist einer, der immer wieder eine andere hat und es wahrscheinlich nicht mal ernst meint. Der kann doch nur nicht singel sein.'' ,, Wer kann nicht singel sein?'', fragt in dem Moment hinter uns jemand. Es ist Nik. Er schaut Mia fragend und grinsend an. Mia meint: ,, Du natürlich. Du hast so gut wie jeden Tag eine andere und meinst es wohl gar nicht ernst.'' ,, Mia.'', mahne ich sie leise. Sowas darf man doch nicht sagen. Das klingt irgendwie gemein, denke ich für mich. ,, Ach, meinst du? Bist wohl eifersüchtig, was?'', fragt Niklas und zwinkert ihr zu. Dann geht er. Mich hat er nur kurz angesehen, als ich ,Mia' gesagt habe. ,, Ich und eifersüchtig?! Hättest du wohl gerne!'', ruft sie ihm hinterher und setzt sich wutendbrannt neben mich. ,, Mia, es kann dir doch egal sein, mit wem er geht und was er tut. Du magst ihn nicht, also kannst du ihn sein Leben leben lassen.'' ,, Jaja, schon gut, schon gut.'' Endlich läutet es.
Während dem ganzen Unterricht muss ich an das denken, was Mia Nik gesagt hat. Ich muss daran denken, wie er mich kurz angesehen hat und Mia zugezwinkert hat. Ob er wirklich lachte oder ob er ein wenig verletzt war wegen Mia? Verstehen könnte ich es schon. Ich beschliesse, entweder in der Pause oder am Mittag Nik zu sagen, dass es Mia nicht so gemeint hätte.
In der Pause komme ich schon mal nicht dazu, weil er Fussball spielt und ich und Mia mit ein paar anderen Mädchen quatschen. Dann eben am Mittag. Heute benimmt sich Nik nicht so daneben wie sonst. Aber er quatscht immer noch viel. Und Jungs behaupten immer, wir Mädchen würden viel quatschen. Tzz!
Am Mittag dann, muss ich mich höllisch beeilen, weil Nik immer schnell weg ist. Er ist am anderen Ende der Garederobe als ich, also gerade an der Treppe. Drei Stufen und ca. ein Meter und man ist bei der Tür. Ist jetzt zwar nicht so wichtig. Nik ist schon aus der Tür und ich spurte hinterher, stosse die Tür auf und rufe: ,, Nik, warte mal!'' Er dreht sich um und sieht mich an. ,, Ja?'' Du meine Güte! Wenn er mal ganz normal dreinschaut, ohne zu grinsen, sieht er richtig...süss aus. ,, Ich....wollte dir nur sagen, dass Mia... wegen heute Morgen...sie hat es nicht so gemeint.'' ,, Schon gut, sie mag mich eben nicht.'' Ich stehe nun vor ihm und er schaut mir das erste Mal richtig in die Augen. Und ich ihm.
,, Trotzdem, es war nicht richtig von ihr.'' ,, Jeder macht mal Fehler und vielleicht hat sie ja recht.'' ,, Das glaub ich nicht. Also, dass sie recht hat.'' ,, Und wieso nicht?'' ,, Weil du nicht so bist.'' ,, Du kennst mich doch kaum.'' ,, Was ich jeden Tag von dir in der Schule erlebe, reicht mir.'' ,, Das ist aber nicht das Beste, was du erlebst.'' ,, Gibt Schlimmeres.''
,, Ach ja?'' Ich nicke und lächle ihn an. Wir schauen uns noch ein paar Sekunden an und dann sagt Nik: ,, Ich muss jetzt gehen. Bis Morgen.'' ,, Ja, bis Morgen.'' Er dreht sich um und geht. Kaum ist er ein paar Meter weiter weg, kommt Mia. ,, Was hast du denn von dem gewollt?'' ,, Nichts, ich habe ihm nur gesagt, dass du es heute Morgen nicht so gemeint hast.'' ,, Ach, und wenn doch?'' ,, Mia, es ist sein Leben. Er mischt sich auch nicht bei dir ein und sagt: ,Mia, du kannst ja nicht Leben ohne anderen deine Meinung zu geigen.' Oder?'' ,, Tu ich ja auch nicht.'' ,, Und was war das heute Morgen?'' ,, Ich geh' jetzt.'' Sie mochte Nik nicht, das wusste ich jetzt einmal mehr. Aber sie musste sich deshalb nicht in sein Leben einmischen.
Den restlichen Tag zu Hause und am Abend im Bett musste ich an Niks schöne Augen denken. An sein lächeln, wie er mich angesehen hatte. Er sah so gut aus und er war eigentlich auch nett. Auch, wenn er in der Schule etwas anders war. Ziemlich anders.

,, Lena ist echt nett, dabei ist sie mir am Anfang gar nicht richtig aufgefallen.'', sagt Nik zu seiner Schwester Nina am Abend als sie Hausaufgaben machen. ,, Und wieso denkst du, dass sie nett ist?'' ,, Wieso?'' ,, Naja, wieso hast du diesen Eindruck von ihr? Ich meine, sie ist sehr hübsch und klug. Könnte auch eine Schleimtante oder so sein.'' ,, Nein, Lena nicht. Sie hat sich heute für Mia, oder besser, wegen Mia bei mir entschuldigt. Ich hab dir ja erzählt, was Mia mir gesagt hat und Lena hat mich am Ende der Schule aufgehalten, als ich schon draussen war. Fand ich echt nett von ihr.'' ,, Ja, das ist wirklich nett. Ihr liegt wohl was an dir.'' ,, Meinst du?'' ,, Klar, sie mag dich wohl einfach, sonst würde sie sich nicht extra bei dir entschuldigen kommen.'' ,, Hm...hast wohl recht.''

***

Nach drei Wochen ist Nik nicht mehr mit Anna zusammen. ,, Sie hat Schluss gemacht.'', erzählt Mia mir. ,, Wenn er Mädchen nur ausnutzen würde, würde er Schluss machen. Hat er aber nicht.'' ,, Jaja, ich hab ihm wohl etwas Unrecht getan.'' ,, Ein wenig?'' ,, Mensch Lena. Wieso nimmst du ihn so fest in Schutz?'' ,, Gegenfrage: Wieso hackst du dauernd auf ihm rum?'' Mia seufzt nur. Sie muss wirklich nicht wissen, dass ich mich ein wenig in Nik verliebt habe. Sie würde wohl sowas sagen, wie: ,Wieso gerade Nik? Es gibt doch noch andere Typen die es wirklich wert sind.' Oder vielleicht: ,Spinnst du? Der weiss doch selbst nicht, was er an den Mädchen hat, mit denen er zusammen ist.' ,, Erde an Lena, bitte kommen!'' ,, Hm? Was ist?'' ,, Woran hast du wohl gerade gedacht?'' ,, Nichts besonderes.'' ,, Ach?'' ,, Seit wann gehen dich meine Gedanken etwas an?'' ,, 'tschuldigung. Habe nur gefragt.'' Zum Glück klingelt es in dem Moment und ich bin befreit von ihrem Blick, der herauszufinden versucht, was in mir vorgeht.
Heute lerne ich eine Seite an Nik kennen, die ich vorher nicht kannte. Er sagt so gut wie nichts, starrt entweder aufs Pult oder Gedankenverloren auf den Boden und als der Lehrer ihn etwas fragt, hört er nicht zu und als der Lehrer sagt: ,, Niklas, beantworte mir jetzt bitte die Frage. Wieso...'' Weiter kommt er nicht, weil Nik ruft: ,, Lass mich in Ruhe! Ich habe keine Lust für diesen Mist, den wir lernen.'' Etwas erschrocken schaue ich zu Nik. Der hat die Arme vor der Brust verschränkt und schaut etwas trotzig vor sich hin.
,, Niklas, geh' raus, aber sofort.'', sagt der Lehrer streng und zeigt zur Tür. Wütend steht Nik auf, begegnet kurz meinem Blick und geht nach draussen. Natürlich nicht, ohne vorher noch wütend die Tür hinter sich zu zu knallen. Nun ist es ganz still im Klassenzimmer. Der Lehrer fährt weiter fort, wo er war, als wäre nichts geschehen. Ich bin nicht mehr bei der Sache und denke an vorhin, als Nik kurz meinem Blick begegnet ist. In seinen Augen lag zwar trotz, aber auch was trauriges. Ob es mit Anna zu tun hatte? Oder hatte er sonst noch Probleme...?
In der Pause sitzt Nik zwar am Fussballfeldrand auf dem Boden, doch er schaut immer noch ziemlich traurig drein. Und trotzig. Oder wütend. Ich überlege, ob ich zu ihm hingehen soll, entschliesse mich dann aber dagegen. ,, Lena, siehst du jetzt, was ich meine? Der Typ rafft nichts. Keinen Respekt vor den Lehrern und er nützt die Mädchen nur aus.'' Ich und Mia sitzen etwas weiter entfernt auch am Fussballfeldrand. Doch wohl nahe genug, dass Nik hört, was wir sagen. Denn er schaut zu uns rüber und ich zurück. Voller Mittleid. ,, Mia, sag sowas nicht. Es geht ihm eben ziemlich mies. Nur weil du ihn nicht magst, musst du nicht dauernd so fies über ihn herziehen.'' ,, Du magst ihn wohl, was?'' ,, Naja, so wie ich dich eben mag. Was ist so falsch daran?'' ,, Du hast recht, Lena. Ich mag ihn überhaupt nicht und find' es voll daneben, wie er sich immer benimmt. Vorher war unsere Klasse super und da kommt so ein Macho daher, der sich alles erlaubt und die Mädchen ausnutzt.'' Ich höre und sehe dann, wie Nik aufsteht und davon geht. ,, Mia, jetzt hör endlich auf mit diesem Mädchen-ausnutzer-Dings. Er ist kein Macho und es kann dir scheissegal sein, was er macht, was er denkt und was er sagt. Er mischt sich schliesslich auch nicht in dein Leben ein und sagt nicht einmal was fieses, wenn du so über ihn sprichst und er in der Nähe sitzt. Wer ist hier nun gemein und doof? Er oder du?'' Ich hole Luft und schaue wieder den Fussballern zu. Mia schaut mich mit offenem Mund an. Zuerst will sie was sagen, überlegt es sich dann doch anders und ist still, bis die Pause vorüber ist. Auch während dem Unterricht sagt sie nichts. Ausser der Lehrer fragt sie was.
Ich habe wieder einmal ein schlechtes Gewissen, weil Mia so fies war. Dabei sollte sie eigentlich das schlechte Gewissen haben. Da Mia wohl nicht von sich aus eine Entschuldigung bei Nik über die Lippen bringt, entschliesse ich mich selbst mit Nik zu sprechen. Am Nachmittag nach der Schule. Da ist er meist mit dem Fahrrad hier und hat es nicht so eilig.
Die Zeit geht total langsam vorbei am Nachmittag und als dann endlich die Schulglocke ertönt, räume ich meine Sachen so schnell zusammen, wie noch nie. Nik ist allerdings noch schneller und ich habe Glück, dass er zuerst sein Schloss beim Fahrrad öffnen muss. Das verschafft mir noch ein paar Minuten Zeit. Ich renne zu den Fahrradständern, wo Nik vor seinem Fahrrad kniet und sein Schloss gerade aufschliesst. ,, Nik, kann ich kurz mit dir sprechen?'', frage ich, als ich hinter ihm stehe. Sein Schloss geht auf und er steht auf. Dann sieht er mich an. An seinem Blick hat sich noch nichts geändert. ,, Was willst du?'' ,, Wegen heute in der Pause...Was Mia gesagt hat....'' ,, Vergiss es einfach, ja? Mir egal.'' Er dreht sich um, doch ich packe ihn am Arm. Er schaut mich an. ,, Nein, es ist NICHT egal. Es war mehr als fies von ihr, so zu sprechen.'' ,, War ja nicht das erste Mal, oder?'' ,, Nein, aber...'' Nik nimmt meine Hand vorsichtig von seinem Arm und unterbricht mich: ,, Wieso kommst eigentlich du dich immer bei mir entschuldigen? Du hast schliesslich nichts getan.'' ,, Aber Mia.'' ,, Und wieso kommt sie nicht selber? Stimmt, sie mag mich ja nicht und findet alles falsch, was ich tue. Sie hingegen macht keine Fehler. Es ist natürlich erlaubt über andere so herzuziehen, wenn die betreffende Person gerade in der Nähe ist.'' Ich öffne meinen Mund und will verzweifelt was sagen, doch Nik unterbricht mich wieder: ,, Hör zu Lena, ich mag dich sehr, du bist ein total nettes Mädchen und ich find' es total nett, wie du dich immer für Mia einsetzt und dich bei mir für sie entschuldigen kommst. Aber entweder Mia macht es selber oder gar nicht. Das ist nicht deine Sache. Weiss sie überhaupt, dass du mit mir redest wegen ihr?'' Ich schüttle den Kopf. ,, Nur das erste Mal, hat sie es gemerkt.'' ,, Keinen Strich würde sie sich bei mir entschuldigen.'' ,, Nein, deshalb komme ich ja. Weil...'' ,, Weil du ein schlechtes Gewissen kriegst wegen Mia?'', fragt Nik mich nun leiser und sanfter. Ich nicke. ,, Brauchst du nicht. Wenn Mia mich nicht mag, dann ist es eben so. Hauptsache wir kommen miteinander klar, ja?'' ,, Ja, ist gut.'' Ich senke ein wenig den Kopf und drehe mich um, da ruft Nik noch: ,, Lena?'' ,, Ja?'', frage ich mich, nachdem ich mich wieder halb umgedreht habe. ,, Kopf hoch, wird schon wieder alles gut.'' ,, Mhm, klar.'', nicke ich nicht sehr überzeugt und gebe trotzdem noch ein kleines Lächeln zurück.
Nach diesem Gespräch geht es mir nicht viel besser, aber ich weiss jetzt wenigstens, dass Nik mich mag. Er hat gesagt, ich sei ein total nettes Mädchen. Er mag mich sehr. Das ist doch schon mal was, oder? :)

,, Nina, hast du kurz Zeit?'' Nina sitzt auf ihrem Bett und blättert in einer Zeitschrift. ,, Klar, was ist?'' ,, Wegen Lena.'', beginnt Nik und setzt sich auch auf's Bett. ,, Hat sie sich wieder für Mia bei dir entschuldigt?'' ,, Ja.'' ,, Ist doch schön, oder?'' ,, Klar, aber...meinst du...glaubst du...dass...'' Nik bricht ab. ,, Los, raus mit der Sprache.'' ,, Naja, könnte es sein, dass sie...'' ,, Dass sie sich in dich verliebt hat?'' ,, Ja. Meinst du, es könnte sein?'' ,, Kann alles sein. Vielleicht auch nicht. Lena mag dich einfach wie du bist. Muss nicht gleich heissen, dass sie sich in dich verliebt hat.'' ,, Klar, ich weiss. Ich will sie einfach nicht verletzen.'' ,, Wow, dir liegt ja auch was an ihr.'' ,, Ich mag sie eben auch. Als Kollegin.'' ,, Sicher. Pass einfach auf und sei nett zu ihr.'' ,, Okay, mach ich. Danke.'' ,, Immer wieder gerne.'' Nik und seine Schwester verstehen sich so gut, wie keine anderen Geschwister sich verstehen. Wenn sie ein Problem haben, lösen sie es unter sich und fragen einander um Rat. Die Eltern spielen selten eine Rolle dabei.

***

Mia und ich sprechen in den nächsten Tagen nur noch das Nötigste miteinander. Das ist so gut wie nichts. Nik ist zuerst zwei Wochen mit Tanja zusammen und dann bis zu den Ferien und vielleicht noch länger, mit Laura. Ich bin froh, als endlich die Herbsferien kommen...
...und auch bald wieder gehen. Nach den Ferien hat sich natürlich nichts verändert. Doch, eines. Mia und ich sprechen nicht mehr miteinander. Nik ist jetzt mit Sabrina zusammen. Seit drei Tagen. Ich habe komischerweise keinen Liebeskummer, weil ich ja eigentlich in Nik verliebt bin. Mir fällt auf, dass man Nik nie mit dem Mädchen zusammen sieht, wo er gerade als Freundin hat. Ich hätte jetzt Mia gefragt, was sie dazu meint. Aber wir sprechen ja nicht mehr miteinander. Ausserdem hätte sie nur sowas gesagt, wie: ,Ich hab's ja gesagt. Der weiss gar nicht, was er tut. Er nutzt die Mädchen nur aus.' Und das wollte ich auf keinen Fall hören.
Nach drei Tagen Schule kommt Mia einmal in der Pause zu mir und sagt: ,, Lena, ich muss mit dir sprechen.'' ,, Klar, um was geht's?'' Ich sitze am Fussballfeldrand und schaue den Fussballern (darunter auch Nik) zu. Naja, vorallem Nik. Es ist meine Lieblingsbeschäftigung in der Pause. ,, Es geht um Nik. Und um uns zwei.'' Ich seufze. ,, Was gibts?''
,, Also, seit Nik bei uns in der Klasse ist, läuft es zwischen uns nicht mehr gut. Wir streiten nur noch.'' ,, Das liegt daran, dass du Nik nicht magst und nicht akzeptieren kannst, dass ich ihn aber mag.'' ,, Hör zu. Ich habe fast alle, ausser Sabrina, in der Klasse gefragt, ob sie Nik mögen. Nicht die Hälfte hat ja gesagt. WIr mögen sein Getue nicht und seine Art und überhaupt alles an ihm. Damit er kapiert, dass wir ihn so nicht mehr akzeptieren wollen, zeigen wir ihm, dass wir ihn nicht mögen.'' ,, Was heisst das: Ihr zeigt ihm, dass ihr ihn nicht mögt?'' Meine inneren SOS-Lämpchen blinken sofort auf Alarmstufe Rot. ,, Na, wir werden ihn ein wenig ärgern. Vielleicht bessert er sich oder wir greifen zu härteren Massnahmen.'' ,, Spinnt ihr?'' ,, Warte. Entweder du schliesst dich uns an und hilfst uns, dass er sich hoffentlich verändert, oder wir müssen dich leider auch so behandeln. Oder ähnlich.'' ,, Was soll das? Willst du mir etwa klar machen, dass, wenn ich nicht zu euch halte, dass ihr mich dann auch ärgern werdet?'' ,, In etwa so.'' Ich schüttle den Kopf und sage leiser: ,, Mia, wir waren mal beste Freundinnen. Wieso hasst du Nik so?'' ,, Ich mag solche Typen einfach nicht. Und da bin ich nicht die Einzige. Also, was ist?'' ,, Vergiss es. Ich werde nie zu euch halten. Egal, was ihr macht.'' ,, Wie du meinst.'' ,, Sagt ihr Nik, was ihr vor habt?'' ,, Geht's noch? Wir werden ihn überraschen.'' Vor lauter Unfassbarkeit stehe ich auf und gehe weg. Mir geht nur noch eines durch den Kopf: Ich muss Nik warnen! Ich weiss ja nicht, wann sie anfangen wollen, ihn zu ärgern. (Vorallem, was sie mit 'ägern' meinen...). Deshalb weiss ich auch nicht, wie viel Zeit mir übrig bleibt, ihn zu warnen. Diesmal habe ich etwas weniger Mut, ihn einfach anzusprechen, weil er mir ja gesagt hat, es sei seine Sache. Aber diesmal geht es ja um mehr. Also!
Ich entschliesse mich dazu, ihm ein Zettelchen im Unterricht zu schreiben. In Deutsch ist es gerade Ideal, weil wir ein paar Vorträge hören müssen, von ein paar Schülern. Ich tue so, als würde ich mitschreiben, (wir müssen ein paar Notizen machen. Das Wichtigste notieren), dabei schreibe ich Nik. Auf dem Zettelchen steht:

Hei Nik
Mia hat mir vorhin in der Pause gesagt,
ein paar Schüler, darunter auch sie, wollen
dich in der nächsten Zeit mies behandeln,
damit du dich änderst und 'normaler' wirst.
Sie hat mir gesagt, wenn ich mit ihnen
mitmache, würden sie mich verschohnen,
sonst nicht.
Lena

Ich beobachte ihn, während er den Zettel aufklappt und liest. Seine Stirn runzelt sich ein wenig, dann schaut er zu mir. Irgendwie fragend. Dann schaut er zurück auf den Zettel, nimmt einen Stift und schreibt was drauf und gibt ihn jemandem, der ihn an mir weiterleitet. Das Einzige, was drauf steht, ist:

Auf welcher Seite bist du?
Nik

Was denkst du wohl?
Natürlich auf deiner!
Lena :)

Zurück kommt ein Smiley. Er schaut zu mir und lächelt mich an. Ich lächle natürlich zurück und schwebe auf Wolke sieben!
Noch den ganzen Morgen schwebe ich auf Wolke sieben. Nicht einmal dann, als Mia mich noch ein letztes Mal vor ihm 'vorwarnen' will, verdirbt es mir die Laune. ,, Lena, dieser Typ schleimt sich nur bei dir ein, damit...'' Doch ich unterbreche sie. ,, Womit einschleimen? Wir sprechen ja nur wenig miteinander. Er ist nett zu mir und fertig. Wenn es für dich ein Problem ist, kann ich nichts dafür.'' Mia ist beleidigt und wütend und wahrscheinlich auch eifersüchtig. ,, Na dann, viel Glück in den nächsten Wochen.'' ,, Danke, dir auch.'', rufe ich ihr gut gelaunt hinterher. Das Zettelchen, wo ich mit Nik geschrieben habe, lege ich am Abend, als ich in meinem Zimmer bin, in mein Tagebuch. Es wäre einfach zu schön, wenn aus mir und Nik noch mehr werden würde. Bisher haben wir nicht viel miteinander zu tun gehabt. Seufz!

Nik sitzt auf seinem Bett, seine Schwester lehnt an ihm und weint. Mia hat sie ebenfalls gefragt, für wen sie sein wolle und logischerweise wollte sie für Nik sein. ,, Ich will nicht, dass sie so fies zu dir sind. Das hast du nicht verdient.'' Nik streicht ihr über den Rücken. ,, Wird schon alles wieder gut. Sie wollte dir bestimmt nur Angst machen.''
,, Nein, Nik, sie meinte es ernst. Was wollen wir jetzt machen?'' ,, Abwarten. Einfach abwarten und dann ignorieren.'' ,, Das sagst du jetzt so leicht. Wird bestimmt der Horror.'' Nik seufzt. Natürlich wird es das. Aber was sollte er jetzt schon tun?

***

Ich konnte bisher noch nicht so recht daran glauben, dass diese paar Schüler wirklich fies zu Nik sein wollen. Oder vorallem konnte ich mir nicht vorstellen wie. Doch es beginnt nach einem schönen Wochenende, ohne Hausaufgaben, schönem Wetter und einem Wolkenlosen Himmel. Zuerst ist es an diesem Montagmorgen noch ganz still. Jedenfalls in den ersten beiden Lektionen. Doch dann in Deutsch und Mathe beginnt dann die Hölle für Nik. Marc beginnt. Er ist einer, der schnell einmal tut, was man ihm sagt. Leider nicht nur Gutes. ,, Puh! Hier drin ist echt schlechte Luft. Sollte mal jemand das Fenster öffnen und dem Duftverströmer sagen, er solle sich einen Deo besorgen. Aber einen starken.'' Auch, wenn er keinen Namen genannt hat, wissen sofort alle, wer gemeint ist. Nik tut zwar so, als merke er nichts, doch ich sehe ihm an, dass es ihm jetzt schon weh tut. Der arme Nik! (Übrigens ist es zwischen Sabrina und Nik auch wieder aus. Der kann sich wirklich nicht entscheiden, was er will. Aber so verläuft es zwischen anderen Pärchen bestimmt auch).
Der Nachmittag wird auch nicht gerade viel angenehmer für ihn. Vorallem Marc, Maik und Lukas kommen 'ausversehen' an ihm an, dass er stolpert, fegen 'ausversehen' etwas von seinem Pult und machen eben diese Bemerkungen. Am Liebsten würde ich einfach eingreifen und ihm helfen, aber ich habe zu wenig Mut. In den Pausen spielt er auch nicht mehr Fussball, weil sie ihn die ganze Zeit faulen, 'ausversehen' runterschiessen etc. Marc habe ich sagen hören: ,, Kommt, wir machen kleinere Gruppen, sind sonst zu viele auf dem Spielfeld. Ausserdem sind die anderen viel schlechter.'' Mit dem Satz wegen den 'anderen', meinte er natürlich Nik. Daniel allerdings, spielt auch nicht mehr. Er war bei den Gegnern. Einmal in einer Pause, als er bei den Fahrrädern an seinem Fahrrad etwas macht, spreche ich ihn darauf an: ,, Daniel?'' ,, Ja?'' ,, Wieso spielst du nicht mehr Fussball?''
,, Weil Marc und die anderen mich und Nik nicht mehr wollten.'' ,, Aber, sie wollten doch nur Nik fertig mache, nicht dich, oder?'' ,, Wer nicht bei ihnen mitmacht, kommt auch dran, nicht gewusst?'' ,, Doch, Mia hat es mir gesagt.'' ,, Mia also. Sie hasst Nik. Ihr seid wohl nicht mehr befreundet, was?'' ,, Ne, ich glaub nicht mehr. Aber das ist nicht so schlimm. Sie kann es nicht akzeptieren, dass ich Nik eben mag.'' ,, Vielleicht ist sie ja auch in ihn verknallt.'' ,, Auch?'' ,, Na hör mal,'', lächelt Daniel mich jetzt mit schiefem Kopf an, ,, jedes Mädchen steht auf Nik. Wieso nicht auch Mia?'' ,, Sie mag ihn nicht, weil er immer wieder eine andere hat.'' ,, Eifersucht? Weil sie zu keinem Freund kommt?'' ,, Weiss nicht.'' ,, Du bist ja nicht gegen Nik, oder?'' ,, Nein.'' ,, Dann werden sie dich wohl auch noch drannehmen.'' ,, Ja, vielleicht. Stört es dich nicht, dass sie dich nicht mehr Fussball spielen lassen?'' ,, Gibt Schlimmeres. Solange sie sonst nichts machen, geht's ja noch. Hast du Angst davor, was sie dir tun könnten?'' ,, Nein. Irgendwie noch nicht. Ich hoffe bloss, es sei nichts all zu schlimmes.'' ,, Mhm. Ich bin jedenfalls auf keiner Seite. Ich mische mich bei Nik nicht ein, gehe den andern aus dem Weg und alle sind Glücklich und zufrieden.'' ,, Ausser Nik.'' ,, Tja, so ist es eben.'' ,, Du willst ihm nicht helfen?'' ,, Damit sie mich dann dran nehmen? Ne, vergiss es. Der konnte sich auch vor dem Lehrer verteidigen und eine freche Klappe haben. Wieso nicht auch bei den Schülern?'' ,, Der Lehrer disst ihn nicht.'' ,, Mir egal, wer was tut. Die sollen mich einfach in Ruhe lassen mit dem Kram.'' ,, Aha. Ich geh' dann mal wieder.'' ,, Jup, bis gleich.''
Am nächsten Tag erlebe ich dann die Überraschung. Naja, mehrere. 1. In meinem Pult sind drei Zettel, auf denen Gemeinheiten stehen. Bsp.: ,Mach dich weg, wir wollen dich nicht.' Geht ja noch. Das Zweite: ,Hässlich, hässlicher, am hässlichsten. Bääh!' Vielen Dank auch. Ich überlege, ob ich den dritten Zettel auch noch lesen soll, kann dann aber eh nicht anders: ,Schlampen, wie Dich, brauchen wir nicht'. Das ist das Schlimmste.
In der Pause suche ich Nik, finde ihn aber nicht. Ich gehe wieder rein, als ich keinen Lehrer sehe und da kommt Nik gerade von dem Jungen-WC. Er sieht total traurig aus, was ich auch verstehen kann. Er läuft Richtung Schulzimmer. Mich hat er noch nicht gesehen. ,, Nik, warte!'' Ich renne hinter ihm her. Er wischt sich mit dem Ärmel über die Augen (weint er etwa?) und dreht sich zu mir um. ,, Was ist?'' Jetzt, als ich bei ihm bin, weiss ich nicht was sagen. Plötzlich geschieht es automatisch und ich umarme ihn. Zuerst weiss er wohl nicht was tun, doch dann fühle ich, wie er langsam die Arme um mich legt. Er ist gewachsen, fällt mir auf. Ich kann meinen Kopf gut an seine Schulter lehnen. Ach, es ist so schön! Nach einer Weile sage ich leise: ,, Du solltest mit dem Lehrer oder deinen Eltern darüber sprechen.'' Nik nimmt mich sanft bei den Schultern und sieht mich an. Die Umarmung ist damit beendet. Schade. ,, Nein, das mach ich nicht.'' ,, Wieso nicht?'' ,, Weil es meine Sache ist. Mein Problem. Halt dich einfach da raus, ja?'' ,, Und wie bitte schön? Wie sollte ich das machen, wenn sie mir lauter Gemeinheiten schreiben, nur weil ich nicht gegen dich bin, hm?'' ,, Wie, sie schreiben dir Gemeinheiten?'', fragt Nik böse überrascht. ,, Ja.'' ,, Was haben sie dir geschrieben und wer ,sie'?'' ,, Weiss nicht wer. Und was ist auch nicht wichtig. Meine Sache, mein Problem, kann ich auch sagen.'' ,, Lena, ich wollte doch nicht, dass du wegen mir leidest.'' ,, Du kannst mir nur helfen, wenn du mit jemandem darüber sprichst. Einem Erwachsenen. Dir könntest du dabei übrigens auch helfen. Vor allem dir.'' ,, Nein, vergiss das einfach.'' ,, Und wie soll das hier dann noch enden? Willst du, dass es noch schlimmer wird und du zuletzt gar nicht mehr in die Schule kommst?'' ,, So schlimm wird es bestimmt nicht kommen.'' ,, Na gut. Wie du meinst. Ich wollte dir nur helfen. Dann lass es eben.'' Ich drehe mich um und gehe wieder nach draussen. Nik will sich einfach nicht helfen lassen und jetzt kann ich nicht mal mit Mia darüber sprechen und sie um Rat bitten, da sie da mitdrin steckt. Was soll ich jetzt bloss tun?

***

Meine Adoptivmutter merkt sofort, dass etwas nicht stimmt, als ich nach Hause komme. Naja, ich habe ihr schon erzählt, dass es in der Klasse etwas schwierig ist zur Zeit. Mehr nicht. Sie setzt sich zu mir an den Tisch, als ich eigentlich Hausaufgaben machen will, dabei aber schon seit fünf Minuten den Schrankt anstarre, der nun wirklich nicht so interessant aussieht. ,, Was ist los mit dir?'' ,, Wegen Nik.'' ,, Der Junge, der den Lehrern so Stress macht?'' Meine Adoptivmutter hatte bisher noch keinen guten Eindruck von ihm. Das wird sich aber jetzt ändern. Ich erzähle ihr, was Mia mich gefragt hat und was sie gesagt hat. Wie schlecht es nun Nik geht und was schon alles passiert ist, dass er sich nicht helfen lassen will und ich nicht mehr weiter weiss. Das mit den Zetteln, die man mir geschrieben hat, erzähle ich nicht. Will ich nur vergessen. ,, Weisst du was? Ich denke, er möchte schon, dass man ihm hilft und für ihn da ist, aber er kann es vielleicht nicht sagen oder zugeben. Erstens sind Jungs so, dass sie nichts zugeben können und zweitens ist es für ihn sehr schwer und er weiss vielleicht nicht, wie darüber zu sprechen. Oder er möchte dich nicht auch noch hineinziehen.'' Wenn sie wüsste... ,, Also, du meinst, ich soll trotzdem helfen?'' ,, Gerade deswegen solltest du. Lenk ihn ab, zeig ihm, dass du für ihn da bist und versuche ihm Tipps zu geben, wie er damit umgehen soll.'' ,, Was für Tipps denn?'' ,, Naja, er soll sich an die halten, die für ihn da sind und zu ihm halten. Wie du, seine Schwester und es gibt bestimmt noch mehr, oder?'' ,, Ja, ich denke schon. Dann werde ich mal sehen, was ich tun kann.''
Am übernächsten Tag verkündet der Lehrer: ,, Es gibt eine kleine Neuigkeit: Heute Abend gäbe es ein Casting in der Turnhalle. Ihr könnt euren Lieblingssong vorsingen und dann Preise gewinnen. 1. Preis: Ein Auftritt, wenn das Theater der 6. Klässler aufgeführt wird, 2. Preis: 100 Franken und 3. Preis: Gutschein zum Pizza essen mit Freund oder Freundin oder Familie. Ihr könnte euch noch bis um 15.20 Uhr anmelden, dann ist fertig.'' Die Neuigkeit kommt ja sehr früh. Zum Glück höre ich meine Lieblingscd fünf mal am Tag, so kann ich sogar drei Lieder auswendig. Ob ich mich anmelden soll? Die meisten Mädchen sind sehr begeistert, bei den Jungen ist die Begeisterung weniger da. Entweder können sie sie nicht zeigen oder sind wirklich nicht so begeistert. Ich schon. Deshalb überlege ich schon während dem Unterricht, was ich anziehen könnte und gehe den Song in der Pause im Gedächtnis durch. Ich höre Nina zu Sabrina sagen (Sabrina ist ebenfalls für Nik, zeigt es aber weniger): ,, Meldest du dich beim Casting an?'' ,, Du?'' ,, Klar. Bitte, du musst auch.'' Nina bettelt so lange, bis Sabrina ja sagt. Ich habe mich auch dazu entschlossen. Ich bin nicht einmal aufgeregt. Im Gegenteil: Ich freu mich richtig darauf. Hoffentlich würde ich es in die erste Runde schaffen.
Am Mittag erzähle ich Luisa (meiner Adoptivmutter) davon. Sie ist ebenfalls begeistert. ,, Das ist DIE Chance was daraus zu machen. Ich drücke dir die Daumen.'' ,, Danke Luisa.'' Ich finde es komisch, meiner Adoptivmutter ,Mama' zu sagen, weil sie nicht meine richtige Mutter ist. Meine Eltern sind schon zwei Jahre tod. Geschwister hatte ich keine. In meinem Zimmer stelle ich sofort ein Outfit zusammen. Die Haare werde ich locker über die Schultern fallen lassen.
Nik und ich haben nicht mehr miteinander gesprochen, seit damals, als ich ihm sagte, er solle doch zum Lehrer gehen. Das ist jetzt zwei Tage her. Ziemlich lange.

,, Was hast du Nik?'', fragt ihn seine Schwester am Abend als er auf seinem Bett sitzt, den Kopf auf die Knie gestützt, Löcher in die Luft sieht. ,, Ich muss die ganze Zeit an Lena denken. Wir haben seit zwei Tagen nicht mehr miteinander gesprochen. Irgendwie...'' Er bricht ab. ,, Was?'', fragt Nina und setzt sich zu ihm. ,, Sag schon. Was ist los?''
,, Irgendwie mag ich Lena mehr, als ich dache. Mehr, als ich eine Kollegin normalerweise mag.'' ,, Nun ja...sie ist ja nicht eine 'normale' Kollegin. Du bist ihr sehr wichtig, sie hält zu dir und sie leidet, wenn du leidest. Bist du in sie verliebt?'' ,, Ich weiss nicht. Ich habe heute diesen Zettel hier in meinem Pult gesehen.'' Nik gibt den Zettel Nina und sie liest ihn:

Behinderte, wie DICH brauchen wir
NICHT! Verschwinde und lass uns in
Ruhe! Du bist eine Schande für uns alle!

,, Oh mein Gott.'', flüstert Nina und muss sich zusammenreissen um nicht los zu heulen.'' ,, Der erste Satz, das erste Wort, hat mich am meisten getroffen. Meinst du....ich könnte mit Lena darüber sprechen? Ich wäre jetzt so gerne bei ihr.'' ,, Nik?'' ,, Ja?'' ,, Die Frage von vorhin...ich denke, nein ich weiss es, du hast dich total in Lena verliebt.''
,, Wahrscheinlich. Ist ja auch egal. War Lena auch beim Casting?'' ,, Ja. Sie hatte die schönste Stimme von allen, meiner Meinung nach.'' ,, Das glaube ich sofort.'' ,, Ich gehe jetzt schlafen.'' ,, Gute Nacht.''

***

Als ich in die Schule komme, wartet Nik bereits auf mich und kommt sofort auf mich zu, als er mich sieht. ,, Lena, ich...es tut mir leid.'', sagt er, als er vor mir steht. ,, Was tut dir leid?'', frage ich verwirrt. ,, Naja, vor drei Tagen, als wir zusammen geredet haben...'' ,, Was gibt's da zu entschuldigen? Du willst ja keine Hilfe von Erwachsenen. Ich kann dir nicht sehr viel Helfen.'' ,, Doch, das kannst du.'' ,, Und wie?'' ,, Wenn du einfach nur zu mir hälst.'' ,, Nik, falls du es schon vergessen hast: Du bist nicht der Einzige, der leidet.''
,, Haben sie dir wieder was geschrieben?'' ,, Nein, das nicht...'', sage ich zögernd und senke den Kopf. Nik zieht eine Augenbraue hoch, nimmt mich an der Hand und zieht mich hinter die Turnhalle, wo wir ungestört sind. Wir setzen uns hin. ,, Erzähl Lena, was ist passiert?'' Als ich noch schweige, meint Nik leise und streicht mir mit der Hand über die Wange: ,, Ich sehe und spüre doch, dass was ist.'' Ich kriege ein riesen Kribbeln im Bauch und würde am Liebsten die Augen schliessen und das Gefühl geniessen. Stattdessen beginne ich zu erzählen. Aber nur leise.

Ich bin total aufgeregt, da heute Abend das Casting stattfindet. Ja, vorher war ich nicht aufgeregt. Aber als die Zeit schneller vergeht und das Casting näher rückt, werde ich doch noch zappelig. Sabrina, Mia, Nina, Tanja und Anna sind da. Und ein paar Mädchen aus anderen Klassen und anderen Dörfern, die ich aber nicht kenne. Ich komme als siebte dran. Fünf Jurymitglieder. Drei Männer und zwei Frauen. Ich singe 'The Climb' von Miley Cyrus vor. Anfangs bin ich noch ein wenig unsicher, dann klappt es jedoch ganz gut und die Jury ist auch ganz begeistert von mir. Ich bin jedenfalls weiter. Als ich um ca. 20.00 Uhr rausgehe und mich auf den Heimweg mache, packen mich von hinten zwei Hände, (direkt bei der Turnhalle) und ziehen mich nach hinten. Ich werde an die Wand gedrückt und von Daniel festgehalten. Er hält mir den Mund zu, damit ich nicht schreien kann und er steht so nahe bei mir, dass ich auch nicht wegrennen kann. ,, Hör gut zu: Wenn du noch weiterhin mit diesem kranken Typen herumhängst, wird es dir einmal leid tun. Willst du etwa, dass ich Gewalt anwenden muss, damit du ihn in Ruhe lässt?'' Ich kann den Kopf nicht schütteln, will aber nicht, dass er die Gewalt an Nik oder mir anwendet. ,, Ich hasse diesen Typen und würde alles tun, dass er von der Schule fliegt. Also; halt dich von ihm fern oder du kriegst es mit mir zu tun, verstanden?'' Er wartet erst gar keine Antwort ab und gibt mir noch einen Tritt in den Magen und geht dann. Ich krümme mich vor Schmerz und muss mich hinsetzen. Nicht lange, da ich so schnell wie nur möglich weg will. Weg, von diesem gefährlichen Ort. Eines ist sicher: Ich werde Nik nicht im Stich lassen, nur weil mir einer Gedroht hat. Vorher schalte ich die Polizei ein.

Nik kann nicht fassen, was ich erzählt habe. ,, Ich dachte, Daniel hält sich aus allem raus.'' ,, Hat er mir auch gesagt am Anfang. Aber er hat es sich wohl anders überlegt.'' Ich zucke mit den Schultern und schaue starr vor mich hin. Die Arme vor der Brust verschränkt. ,, Und trotzdem sprichst du noch mit mir?'', fragt Nik. ,, Wieso nicht?'' ,, Na, der Typ hat dir gedroht. Er will sonst Gewalt anwenden.'' ,, Nik, wie hast du mir gesagt? Es ist deine Sache, ich solle mich da raushalten. Jetzt halte du dich auch raus. Ich weiss was ich tue. Ich halte zu dir und fertig.'' Nik legt einen Arm um mich und gibt mir einen weichen Kuss auf die Wange. Gut sitzen wir, ich wäre sofort dahingeschmolzen. ,, Danke Lena. Du bist die Beste.'', sagt er und sieht mich traurig und mitleidig an. Ich lächle ihn kurz an und sehe dann weg.
Als wir schon längst im Schulzimmer sitzen, spüre ich immer noch die weichen Lippen von Nik auf meiner Wange. Ich schliesse an meinem Platz die Augen und lächle vor mich hin. Keine Sorge Nik, ich lass dich nicht im Stich!

***

Wie ich schon geahnt habe, ist es bereits so weit gekommen, dass Nik blau macht. Ich kann ihn verstehen, weiss aber, dass etwas passieren muss. Er macht bereits das dritte Mal nacheinander blau.
Als ich am Nachmittag nach Hause komme, (für mich war der Morgen ebenfalls Horror, da ich wieder Zettel kriege und Daniel gemerkt hat, dass seine Drohung gegen eine Wand geprallt ist. Dauert bestimmt nicht mehr lange, bis er wahr macht, was er gesagt hat), wähle ich die Nummer von Niks Zuhause. Nik geht zum Glück gleich selbst an das Telefon. ,, Niklas Gröner, hallo?'' ,, Hallo, da ist Lena.'' ,, Lena? Wie geht's dir?'' ,, Könnte besser gehen. Und wie ist's bei dir?'' ,, Könnte ebenfalls besser gehen.'', murmelt Nik.
,, Hör zu Nik. Ich kriege, seit du 'krank' bist, doppelt so viele Zettel wie sonst und Daniel macht seine Drohung wohl auch bald wahr, da er mich mit tötenden Blicken durchsticht. Komm Morgen wieder in die Schule, ja?'' ,, Ich kann nicht.'' ,, Doch, du musst, bitte!'' ,, Lena! Nein, es geht einfach nicht. Versteh' mich doch.'' ,, Du meinst also, es wird besser, wenn du tagelang blau machst?'' ,, Nein, aber ich bin einfach kaputt. Ich mag nicht mehr. Vielleicht komm' ich übermorgen wieder.'' ,, Du bist kaputt? Du magst nicht mehr? Selbst schuld. Also, machen wir's so: Wenn du bis übermorgen nicht mit dem Lehrer oder mit deinen Eltern gesprochen hast, ich nehme an, sie wissen noch nichts?''
,, Nein.'' ,, Also, wenn du nicht mit ihnen oder mit dem Lehrer sprichst bis übermorgen, mach ich es.'' ,, Nein Lena! Mach das nicht.'' ,, Wieso nicht? Willst du, dass du noch mehr kaputt gehst und dass die anderen auch noch mehr leiden?'' ,, Welche anderen?'' ,, Ich, Nina, Sabrina und so weiter.'' ,, Nein...aber...'' ,, Kein Aber, Nik. Ich habe genug. Meinst du, für mich ist es leicht mit diesen scheiss Zetteln? Es sei leicht für mich, dich so zu sehen? Und für Nina erst. Seit du leidest, ist ihr Lachen nicht mehr echt. Es geht um mehr, als nur um dich. Entweder du machst es oder ich. Basta!'' ,, Lena!'' Doch ich lege auf, lehne mich an meiner Zimmertür an, rutsche auf den Boden und verberge das Gesicht in den Armen, die um die Knie geschlungen sind.

Es ist Freitagmorgen. Ich bin gespannt, ob er kommt. Gerade, als ich los will, klingelt das Telefon. Luisa musste heute früher weg als ich, deshalb nehme ich jetzt schnell ab. Es ist Nik. ,, Nik? Ich wollte gerade gehen.'' ,, Dann habe ich ja Glück gehabt.'' Seine Stimme ist nur leise. ,, Rufst du mit dem Handy an?'' ,, Ja, wieso?'' ,, Die Verbindung ist etwas schlecht.'' ,, Aber du hörst mich doch, oder?'' ,, Ja, ziemlich gut. Also, was ist?'' ,, Kannst du um halb acht beim Parkplatz vorne sein?'' ,, Du kommst also?'' Er seufzt leise und ich sage schnell: ,, Bin um halb acht dort. Bis gleich.'' Bevor ich gehe, speichere ich in Windeseile die Handynummer von Nik in mein Handy ein und gehe.
Pünktlich um halb acht komme ich beim Parkplatz an. Nik kommt auch gleich. Langsam kommt er mit gesenktem Kopf auf mich zu. Ich stehe auf und gehe ihm entgegen. Nina schaut mich mit einem kleinen Lächeln an und geht weiter. Ich umarme Nik und flüstere: ,, Gut, dass du gekommen bist. Jetzt gehen wir zum Lehrer.'' ,, Jetzt?''
,, Ja, jetzt. Komm.'' Ich nehme ihn an der Hand und muss ihn regelrecht ziehen, da er sich sehr dagegen sträubt, mitzukommen. ,, Nik, wir benutzen den Hintereingang, damit sie uns nicht gleich sehen, okay?'' Nik nickt nur. Vor dem Eingang drückt Nik meine Hand und sagt leise: ,, Ich kann da nicht rein, Lena, ich habe Angst.'' Ich nehme Niks Hände und er sieht mich an. Es ist ein trauriger und ängstlicher Blick, der mir durch Mark und Bein geht. ,, Nik, ich kann dich sehr gut verstehen. Ich habe auch Angst. Grosse Angst vor Daniel. Und was sie heute noch tun würden, wenn wir es nicht verhindern werden. Aber wir verhindern, dass sie dich, mich und andere länger dissen, indem wir jetzt zum Lehrer gehen. Es läutet erst in ein paar Minuten. Wir haben genügend Zeit, um zu erzählen, was passiert ist. Danach wird es dir besser gehen. Komm jetzt, ich bin ja bei dir.'' Nun kommt er etwas weniger zögernd mit. Wir gehen rein und beeilen uns ins Schulzimmer zu kommen, wo unser Lehrer bereits an seinem Pult sitzt. ,, Herr Schümann, wir müssen dringend mit Ihnen sprechen.''

***

Nik und ich sitzen im Lehrerzimmer auf dem Sofa und trinken einen Beruhigungstee. Nik hat seinen Kopf an meine Schulter gelehnt und hält meine Hand. Unser Lehrer ist dran, mit dem Direktor zu sprechen. Die anderen Schüler sind im Klassenzimmer und haben einen Auftrag bekommen, der bis Ende Lektion fertig sein muss. Sie wissen noch nichts davon, was läuft. Dass Herr Schümann alles weiss und sich darum, eben mit dem Direktor, kümmert. ,Gott sei Dank weiss Herr Schümann jetzt alles. Dank Lena. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre ich längst daran kaputt gegangen', geht es Nik durch den Kopf. Hoffentlich geht es Nik bald wieder besser. Vielleicht habe ich ja doch noch einmal eine Chance bei ihm...
Nik muss nach einer Weile, als der Direktor zu uns kommt, alles erzählen, was passiert ist. Keine einfach Sache. Deshalb helfe ich ihm manchmal, wenn er nicht weiter weiss und erzähle an seiner Stelle weiter.
Nach ca. 20 Minuten haben Nik und ich alles erzählt. Von A-Z. Auch die Drohung habe ich erwähnt. Nik und ich sollen heute einfach normal wieder in die Schule, niemandem erzählen, was jetzt passiert. Der Lehrer wird die Ohren offen halten und bei jeder direkten Beleidigung und allem sofort eingreiffen. Ob bei Nik, bei mir oder sonst bei jemandem. Er wird Striche machen, ohne, dass es die anderen wissen und ab drei Strichen Strafen verteilen. Nach zwei Wochen 'löscht' es automatisch die drei Strich und es beginnt wieder von vorne. Nik kriegt natürlich wieder die totale Angst, doch der Direktor beruhigt ihn. ,, Herr Schümann und ich sind jetzt informiert. Falls was ausserhalb der Schule passieren sollte, kannst du, und Lena natürlich auch, sofort zu mir kommen. Wir werden jetzt die ganze Sache behandeln und bald wird es wieder besser. Du musst uns dabei aber helfen, indem du ab jetzt wieder in die Schule kommst. Ausser du bist wirklich krank. Es wird sich bald alles ändern. Du hast ja noch Lena.'' Der letzte Satz entlockt Nik ein kleines Lächeln. Mir auch, als ich dies sehe. Der Lehrer ist bereits wieder im Klassenzimmer. Nik hält mich noch kurz zurück, als ich die Tür öffnen will. Ich schaue ihn fragend an. Er meint leise mit einem Lächeln: ,, Danke.'' ,, Nichts zu Danken. Und jetzt; Augen zu und durch.'' Ich öffne die Tür und wir gehen hinein.
Der Morgen verläuft nicht so schlecht. Nik klammert sich einfach an mich und Nina. Die anderen, das heisst: Daniel und Mia vor allem, schauen wir gar nicht erst an. Dann endlich ist es Mittag. ,, Noch Nachmittag und dann hast du's geschafft.'', sage ich ihm, als wir beim alten Eingang stehen. ,, Ich wünschte, es wäre schon vorbei.'' ,, Dein Wunsch wird bald in Erfüllung gehen.'' ,, Mensch Lena, was würde ich nur ohne dich machen?'' Ich lächle und zucke mit den Schultern. ,, Du bist die Beste.'', sagt er und umarmt mich.
,, Mach ich doch alles gerne, dass es dir wieder besser geht.'' ,, Ich habe noch nie ein Mädchen wie dich getroffen.'' ,, Gut, dann gibt es mich nur einmal.'' Nik lächelt. ,, Ja, dich gibt es wirklich nur einmal.'' Die Kirchenturmuhr schlägt halb zwölf.'' ,, Ich muss gehen, Lena. Wartest du Nachmittag um zehn vor eins wieder beim Parkplatz?'' ,, Klar. Bis dann.''
Zu Hause erzähle ich Luisa alles, was heute Morgen passiert ist. ,, Wahnsinn, mein Mädel! Das hast du wirklich gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.'' ,, Danke Luisa.'' ,, Lena?''
,, Ja?'' ,, Kann es sein, dass du dich ein kleines bisschen in diesen Nik verliebt hast?'' Ein Smiley breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich senke den Kopf. Bei meiner Mutter, echten Mutter, hätte ich nie über sowas geredet. Da wäre es mir peinlich gewesen. Sie hätte wohl schon gar nicht erst gefragt. Aber bei Luisa ist mir so schnell nichts peinlich. Daher bin ich froh, dass ich sie jetzt habe. ,, Wusst ich's doch, dass nicht nur dein weiches Herz dahinter steckt. Bring ihn doch einmal zum Mittagessen nach Hause, damit ich ihn etwas besser kennen lernen kann. Denn irgendwie erzählst du immer mehr gute Sachen über ihn.'' ,, Er hat sich verändert.'' ,, Das wollten die anderen doch, oder?'' ,, Ja, irgendwie schon. Aber vielleicht haben sie das nur so gesagt, weil sie einen Grund brauchten um ihn fertig zu machen.'' ,, Du meinst, sie wollten gar nicht, dass er sich verändert, sie wollten ihn einfach fertig machen?'' ,, Ja, genau.'' ,, Hmmm....könnte gut möglich sein. Erzählst du deine Vermutung Nik?'' ,, Ich weiss nicht. Ich warte erst mal ab. Wenn er das Ganze gut verarbeiten kann, will ich schon gar nicht mit solchen Vermutungen kommen.'' ,, Natürlich. Wann ist eigentlich die nächste Runde für das Casting?''
,, Heute Abend.'' ,, Frag doch Nik, ob er auch kommen möchte.'' ,, Mia ist auch da.'' ,, Na und? Mia ist ein freier Mensch. Wahrscheinlich läuft er ihr einmal per Zufall im Coop über den Weg oder im Migros. Frag ihn, ob er Lust hat, dann entwickelt sich zwischen euch ja vielleicht auch noch mehr.'' ,, Ja...vielleicht...'', antworte ich nachdenklich.
Am Nachmittag, als ich wieder beim Parkplatz auf ihn warte und er dann endlich kommt, frage ich ihn auch gleich. ,, Nik, hast du heute Abend schon was vor?'' ,, Nein, wieso?'' ,, Heute Abend ist die zweite Runde von diesem Casting. Wenn du Lust hast, könntest du ja auch kommen. Mir die Daumen drücken.'' ,, Stimmt, Nina ist ja auch dabei. Ich habe dir noch gar nicht gratuliert, dass du es geschafft hast.'' Ich muss lachen. ,, Dann mach es jetzt oder heute Abend, falls ich weiter kommen sollte.'' ,, Natürlich kommst du weiter. Und ich komme mit.'' ,, Echt? Ist ja super. Eh, nur damit du es weisst, Mia ist auch da. Aber es sind noch zig andere Mädchen da. Wir müssen ihr nicht umbedingt über den Weg laufen.'' ,, Okay, gut. Trotzdem lieber Mia als Daniel.'' ,, Das kannst du laut sagen.'' In meinem Bauch kribbelt es wie verrückt, als Nik wieder meine Hand nimmt und mich anlächelt. Dieser Blick!!!!!!!!!! Ich halts nicht aus! Hoffentlich schmelze ich nicht gleich davon. So braune und dunkle Augen, wie er hat, hat sonst keiner. Ich stelle fest, als wir zum alten Eingang laufen, dass er ein kleines bisschen grösser ist als ich. So um etwa vier Zentimeter. Und wenn ich mich nicht täusche, ist er auch etwas älter als ich. Ach Nik, ich wünschte, aus uns würde mal mehr werden, als nur reine Freundschaft!

,, Meinst du, ich soll heute Abend mehr wagen, als nur Lenas Hand zu halten?'', fragt Nik seine Schwester, als sie sich bereitmachen um zu gehen. ,, Ich denke schon. Schliesslich bist du dir jetzt ganz sicher, oder? Bei dir und bei ihr.'' ,, Ja, mehr als nur sicher. Ich liebe sie richtig. Ich habe vorher noch nie sowas gefühlt. Aber, was heisst das? Ich meine, was habe ich bei den anderen gefühlt? Hab ich mich etwa getäuscht und wirklich nur...ausgenutzt?'' ,, Nein, ausgenutzt bestimmt nicht. Sprich mit Lena darüber. Ich bin mir sicher, dass sie eine Antwort weiss.'' ,, Hoffentlich.''

***

Nik und ich haben uns um halb acht beim Parkplatz verabredet. Das Casting beginnt um 20.00 Uhr. Diesmal etwas spät, ich weiss, und man muss Nummern ziehen. Im ganzen sind 17 Kandidatinnen dabei. Sieben kommen weiter in die dritte und letzte Runde. Dort kommen dann nur drei weiter und die kämpfen dann um den ersten, zweiten und dritten Platz. ,, Und, schon aufgeregt?'', fragt Nik mich, als wir, (wieder Hand in Hand), auf dem Weg zur Turnhalle sind. ,, Nein, ich freue mich einfach nur.'' ,, Wäre es schlimm, wenn du nicht weiter kommen würdest?'' ,, Nur etwas entäuschend, weil ich dann nicht mehr vor Publikum singen kann. Aber sonst eigentlich nicht so.'' ,, Singst du auch sonst?'' ,, In meinem Zimmer, wenn ich Musik höre, singe ich leise mit, oder bewege einfach die Lippen dazu. Hauptsache, es hört mich keiner.'' ,, Wieso nicht?'' ,, Weil ich das komisch fände. Unangenehm.'' ,, Ich freue mich schon, dich nachher zu hören.'' ,, Sooo toll singe ich nun auch wieder nicht.'' ,, Nina hat mir gesagt, ihrer Meinung nach hättest du die schönste Stimme von allen gehabt.'' ,, Ach...dann müsste ich heute eigentlich weiter kommen.'' ,, Wirst du auch, bestimmt.'' Wir sind nun in der Turnhalle und ich ziehe eine Nummer. ,, Neun.'' ,, Eigentlich gerade in der Mitte.'' ,, Super, dann kann ich warten und warten.'' ,, Und mit mir reden und reden.'' Ich lache und antworte: ,, Genau.'' ,, Was singst du heute für ein Lied?'' ,, 'Wouldn't Change a Thing' von Camp Rock.'' ,, Noch nie gehört. Mir gefällt das Lied total gut.'' ,, Dann bin ich ja mal gespannt.'' Nach 40 Minuten, wo ich beinahe in den Armen von Nik eingeschlafen wäre, komme ich endlich an die Reihe. ,, Du schaffst das, Lena. Ich weiss es.'' ,, Danke Nik.'' Es ist wieder genau so toll wie beim letzten Mal! Nun muss ich draussen noch warten, bis alle Kandidatinnen durch sind. Als ich aus dem Juryraum komme, wartet dort auf mich ein mit Mund offen stehender Nik, der mich mit grossen Augen ansieht. ,, Was ist? War ich so schlecht?'' ,, Sch...lecht?'', presst Nik hervor. ,, Du warst der absolute Wahnsinn! Ich habe noch nie jemanden mit so einer tollen Stimme gehört. Nina hatte absolut recht.'' ,, Jetzt übertreib mal nicht, Nik.'' ,, Ich übertreibe nicht. Ich untertreibe, wennschon.'' Nik und ich vertreiben uns die Zeit, indem er zuerst alles über seine Familie erzählt. Und über sich. Er spielt total gerne Fussball, hat am 8. August Geburtstag, gleicher Jahrgang wie ich. Er ist genau zwei Monate und vier Tage älter als ich. ,, Und jetzt du.'' Leise fange ich an und erzähle ihm von meinen Eltern und dem Unfall vor zwei Jahren, von Luisa, wie sehr ich sie mag und von meinen Hobbies. Als ich dann fertig bin, meint Nik: ,, Tut mir echt leid, das mit deinen Eltern.'' ,, Mir auch. Aber ich bin froh, dass ich Luisa habe. Sie ist die Beste.'' Einer der Jurymitglieder kommt raus und sagt: ,, Alle bitte reinkommen.'' ,, Oh Gott. Jetzt fällt die Entscheidung.'' ,, Ich weiss, dass du weiter kommst.'' Nik gibt mir einen Kuss auf die Wange und ich schwebe in den Raum hinein. Alle Mädchen stellen sich nebeneinander hin und der Jurychef sagt ein Name nach dem anderen, bis es sieben sind. ,, Ich sage einfach per Zufall. Heisst nicht, dass es die Beste oder schlechteste war. Also, weiter ist....Fiona...'', riesen Gekreische, ,, Kristina...'', noch lauteres Gekreische und weiter. Dritte, vierte...,, Nina...'', super, die Schwester von Nik ist weiter, ,, Lena...'', jetzt kreische ich mit Nina, ,, und....Melanie!'' Wir fallen uns in die Arme, dann kriegen wir diesen Bogen, dass man weiter ist und ich renne raus zu Nik, der schon ungeduldig wartet. ,, Und? Nein, ich rate: Nach deinem Strahlen nach, bist du weiter, stimmts?'' ,, Genauuu!'' Er hebt mich hoch und dreht sich einmal im Kreis mit mir herum. ,, Ich wusste es!'' ,, Komm, gehen wir. Ich brauche dringend frische Luft.'' Wir gehen nach draussen und laufen nach hinten bei der Turnhalle die Treppe runter, wo es für mich nach Hause geht. ,, Luisa hat mir gesagt, ich solle dich einmal zum Mittagessen mit nach Hause bringen. Möchtest du am Montag mitkommen?'' ,, Klar, gerne. Wie komme ich denn zu der Ehre?'' ,, Sie möchte dich einfach mal kennen lernen. Ich habe ihr erzählt, was du in letzter Zeit durchgemacht hast und, tja, da meinte sie heute Mittag, ich solle dich mal einladen.'' ,, Ich komme gerne.'' ,, Super.'' ,, Ist es dir recht, wenn ich dich nach Hause bringe?'' ,, Mehr als recht.'' Gemeinsam laufen wir zu meinem Zuhause. ,, Kommt dich jemand abholen? Nicht, dass dir was passiert.'', sage ich, weil es schon dunkel und unheimlich ist. ,, Mein Vater holt mich und Nina eigentlich jetzt ab. Ich ruf ihn sonst an, dass er zu dir kommt, wenn es dich beruhigt.'' ,, Ja, mach das bitte.'' Nik wählt die Nummer und gibt seiner Schwester durch, dass sie und ihr Vater ihn hier bei mir abholen kommen. Nun stehen wir vor meiner Haustür. ,, Willst du noch mit rein kommen?'' ,, Nein, mein Vater kommt gleich, ich warte hier draussen.'' ,, Dann warte ich auch noch kurz.'' ,, Aber tschüss sagen, kann ich dir schon jetzt.'' Ich lächle ihn an. Er steht jetzt dicht vor mir und streicht mit seiner Hand wieder über meine Wange. Diesmal schliesse ich die Augen kurz und öffne sie wieder, als er sagt: ,, Lena, du bist so schön. Ich liebe dich.'' Ich schaue ihn einfach nur an. Ich kann nicht fassen, was er da gerade gesagt hat. Er findet mich schön. Okay, gut. Aber, er sagte: Ich liebe dich. Kann das sein? ,, Was?'', flüstere ich. Ich bringe kaum noch einen Ton heraus. Doch, statt, dass Nik seine Worte noch einmal wiederholt, nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich langsam und weich auf den Mund. Es ist das schönste Gefühl, das ich je hatte und ich habe das Gefühl, dass ich schwebe. Nach ein paar Sekunden entfernt er sich ein paar Zentimeter. Wahrscheinlich um zu testen, ob ich noch mehr will und so fühle wie er, oder nicht. Natürlich schon! Er merkt es auch und küsst mich wieder. Diesmal länger und mehr. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und er hält mich um die Taile fest an sich gedrückt. Plötzlich hören wir ein Auto, das sich nähert. Wir machen eine Pause (die wohl bis morgen dauern wird) und Nik meint: ,, Das ist mein Vater. Ich muss jetzt leider gehen.'' Er küsst mich noch mal und als er schon zwei Meter weiter ist, rufe ich: ,, Nik?'' ,, Ja?'' ,, Sind wird jetzt...zusammen?'' Nik kommt lächelnd wieder zu mir und sagt: ,, Was meinst du wohl, weshalb ich ,Ich liebe dich' zu dir gesagt und dich danach geküsst habe? Ich mein es ernst mit dir. Ich habe noch keinem Mädche ,Ich liebe dich' gesagt und noch kein Mädchen so geküsst, wie dich.'' ,, Echt nicht?'' ,, Nein, echt nicht.'' Ein Auto hupt. ,, Tut mir leid, aber ich muss jetzt.'' ,, Klar. Richte deiner Schwester einen Gruss aus. Bis am Montag.'' ,, Mach ich. Schlaf gut.'' ,, Du auch.'' Ich warte noch, bis das Auto weg ist und gehe dann rein. Drinnen erwartet mich eine grinsende Luisa. ,, Was ist?'' ,, Er hat dich geküsst, stimmts?'' ,, Wie kommst du darauf?'' ,, Sie mal in den Spiegel, dann kommst du vielleicht selber drauf. Ehrlich, Lena, ich glaube du leuchtest jetzt noch heller als die Sonne es am schönsten und heissesten Sommertag tun könnte.'' ,, Übertreib nicht so.'' ,, Es ist so. Aber ich find es schön, dass ihr zwei euch gefunden habt. Auch, wenn ich ihn noch nicht kenne weiss ich, dass er dich glücklich machen wird und er der Richtige für dich ist.'' ,, Danke Luisa. Ich gehe jetzt ins Bett. Schlaf gut.'' ,, Du auch. Und träum von deinem Nik.'' ,, Mach ich.''
In der Nacht träume ich tatsächlich von Nik. Ich spüre immer noch seine Lippen auf meinen und seine Worte in meinem Herz. Ach Nik, ich liebe dich auch!

Am Abend, erzählt Nik Nina, wie es gelaufen ist. ,, Du hast sie echt geküsst?'', fragt Nina ungläubig. ,, Ja. Es war mein erster Kuss. Vorher habe ich ihr gesagt, dass ich sie liebe. Es war einfach unbeschreiblich, traumhaft schön. Lena ist einfach...unglaublich. Wundervoll.'' ,, Perfekt für dich. Nik, Lena ist ein besonderes Mädchen. Sie hat immer zu dir gehalten, trotz Angst wegen Daniel und sie liebt dich auch. Verletze sie ja nicht.'' ,, Meinst du echt, ich würde Lena jemals verletzen wollen?'' ,, Nein, ich meine ja nur. Sie ist sehr sensibel. Genau so wie du.'' ,, Ja, wie ich. Es passt einfach perfekt.'' Auch Nik träumt von Lena. Im Traum ist alles so einfach. Kein Daniel. Keine Mia. Nichts. Nur Nik und Lena.

***

Am Montagmorgen schwebe ich immer noch auf Wolke sieben zur Tür hinaus und hinauf zum Schulhaus. Ich laufe zum Parkplatz, wo ich auf Nik warte. Ich bin etwas zu früh dran, aber das macht nichts. Als ich so meinen Gedanken nachgehe, kommt mir in den Sinn, dass man Nik ja nie mit einer seiner Freundinnen gesehen hat. Ob er sich mit mir zeigen wird? Und wieso hat er noch nie vor mir ein Mädchen geküsst? Was hat er dann mit denen gemacht? Was er sich wohl unter einer Beziehung vorstellt? Oder vorgestellt hat? Vorstellte? Nun werde ich doch etwas unsicher und weiss nicht recht, wie ich mich nun verhalten soll. Was darf ich tun und was nicht? Es ist meine erste Beziehung, mein erster Freund und ich weiss nicht, was er genau will. Mist aber auch, das wird komplizierter, als ich gedacht habe. Ich habe mir vorher ja auch wirklich keine Gedanken dazu gemacht, was er will und vor allem, was ich will und was ich mir vorstelle. Ich werde ihn nachher gleich mal fragen. Oder jetzt, denn jetzt fährt das Auto gerade auf den Parkplatz. Nina und Nik steigen aus. Nina winkt mir zu und geht weiter. Nik kommt zu mir. Ich stehe auf und gehe auf ihn zu. Ganz normal benehmen. Was er jetzt wohl gleich als erstes tun wird? Er kommt lächelnd zu mir, nimmt mein Gesicht und küsst mich wieder. ,, Hallo Lena.'', sagt er danach. ,, Hei.'', sage ich leise. Ich weiss nicht wieso und wie, aber Nik merkt irgendwie, dass etwas ist, denn er runzelt die Stirn und fragt: ,, Was hast du?'' ,, Ich habe vorhin nur nachgedacht.'' ,, Worüber?'', fragt Nik und streicht mir über die Wange. Ich liebe es, wenn er das tut. Es entlockt mir jedes Mal ein Lächeln. ,, Du hattest ja schon mehrere Freundinnen. Ich weiss nicht, was du dir unter einer Beziehung vorstellst, was du willst und so. Man hat dich schliesslich nie mit einem Mädchen zusammen gesehen. Und gestern hast du gesagt, du hättest noch nie vor mir ein Mädchen geküsst.'' ,, Das verwirrt dich, stimmts?'' Ich nicke. ,,Das mit dir ist etwas anderes. Ich sag es mal so: Etwas Richtiges. Ich habe mich mit allem drum und dran in dich verliebt. Bei den anderen habe ich nie sowas so stark gefühlt.'' Nach einer kurzen Weile meint Nik: ,, Darüber wollt ich noch mit dir sprechen. Aber nicht hier.'' ,, Du kommst heute Mittag zu mir. Dann können wir ja reden.'' ,, Stimmt. Ja, da machen wir das.'' Wir gehen langsam auf das Schulhaus zu (wie immer, Hand in Hand). Plötzlich hält Nik an und fragt: ,, Lena?'' ,, Ja?'' ,, Macht es dir etwas aus, wenn ich dich vor den anderen küsse?'' ,, Solange wir nicht vor den anderen knutschen...'' ,, Nein, nur ein Kuss.'' ,, Kein Problem.'' Nik beugt sich lächelnd zu mir und küsst mich. Mitten in unserem Kuss werden wir von einem: ,, Spinnt die jetzt total? Mit diesem kranken Typen?'', unterbrochen. Nik und ich schauen umher und entdecken Daniel. Und Mia. Sie kommen auf uns zu und Mia zieht mich unsanft zur Seite. ,, Spinnst du jetzt total?'', zischt sie mir zu. ,, Was geht es dich an, mit wem ich zusammen bin?'' ,, Doch nicht mit diesem...diesem...'' ,, Halt dich da raus. Ich liebe ihn, fertig.'' ,, Er nutzt dich nur aus, wetten?'' ,, Nein, ich wette nicht und ich weiss, dass er es ernst meint. Und jetzt, LASS MICH LOS!'' Ich reisse mich los und gehe zu Nik und Daniel. Daniel sagt gerade: ,, Lass die Finger von meiner Lena, kapiert?'' ,, Seit wann bin ich DEINE Lena?'', frage ich. ,, An deiner Stelle würd ich es mir gut überlegen, ob du wirklich....'' ,, Es geht dich nichts an. Niemanden geht es was an. Jetzt lasst uns einfach in Ruhe!'' ,, Wie du meinst. Ich hoffe, du hast unser kleines Gespräch nicht vergessen.'', sagt er noch und dann gehen sie. Er meint die Drohung. ,, Super, und schon haben wir sie wieder am Haken.'', seufzt Nik. ,, Wird wohl noch öfters vorkommen. Willst du...ich meine...sie werden uns bestimmt Schwierigkeiten machen, aber wollen wir trotzdem...''
,, Lena,'', sagt Nik, mein Gesicht in seinen Händen und sein Gesicht ganz nah an meinem, ,, ich liebe dich und will nur mit dir zusammen sein.'' Er gibt mir einen kleinen Kuss.
,, Komm, gehen wir hinten rein. Es läutet eh gleich.'' Ich liebe ihn auch. Aber was wird Daniel alles tun, um uns auseinander zu bringen? Und Mia. Wieso muss alles so kompliziert sein?
Als es endlich Mittag ist, laufen Nik und ich zu mir nach Hause. ,, Weiss deine...also Luisa, dass wir zusammen sind?'' ,, Naja, sie weiss, dass du mich geküsst hast.'' ,, Hat sie uns gesehen?'', fragt Nik mich mit grossen Augen. ,, Nein, aber ich habe anscheinend stärker gestrählt und geleuchtet, als die Sonne an einem der heissesten und schönsten Sommertagen.'' ,, Echt?'', fragt Nik lächlend. ,, Ja. Sie hat es mir gleich angesehen, dass was ist. Sie hat auch gemerkt, dass ich mich in dich verliebt habe. Daher war es dann offensichtlich, dass etwas passiert war. Etwas schönes.'' ,, Ach so ist das.'' ,, Du kannst schon Luisa zu ihr sagen. Nicht irgendwie siezen.'' ,, Okay, gut. Aber ich küsse dich nicht vor ihr. Das würd ich nie tun.'' ,, Ist mir auch recht.'' Luisa freut sich riesig, als sie Nik kennen lernt. Sie ist total begeistert von ihm und beim Essen fragt sie ihn vorsichtig: ,, Wie geht's jetzt so in der Schule, wenn ich fragen darf?'' ,, Naja, Klassenmässig eigentlich besser. Viel besser. Ich habe jetzt fast keine Angst mehr am Morgen.'' ,, Bald wirst du wieder am Morgen aufstehen können und sagen: Hurra, heute ist Schule.'' ,, Ne, das konnte ich noch nie sagen.'', lacht Nik und Luisa und ich lachen mit. ,, Aber wieso sagtest du ,eigentlich' und 'Klassenmäsig'? Wo läufts denn weniger?'' ,, Das kann Lena erzählen.'' Luisa schaut mich an und ich erzähle davon, wie Daniel und Mia gegen unsere Beziehung sind und er mich wieder an die Drohung erinnert hat. ,, Drohung?'', fragt Luisa erschrocken. Mist! Das wusste sie ja noch nicht. ,, Ehm...nichts Schlimmes...also...'' Ich suche nach einer kleiner Wendung, damit es nur halb so schlimm tönt. ,, Daniel hat sich auch in Lena verliebt und kann es nicht akzeptieren, dass ich jetzt mit ihr zusammen bin. Deshalb 'droht' er manchmal, dass er uns mit allen Mitteln auseinander bringen werden würde, wenn ich nicht die Finger von Lena lasse. Und sie darf nichts mit mir zu tun haben, sonst passiert was, aber der Lehrer weiss Bescheid und falls Daniel zu handlichen Massnahmen greifen würde, würde man ihn anzeigen. Oder schon vorher, wenn er weiterhin droht.'', sagt Nik ganz ruhig. Wow, es ist die Wahrheit, was er gesagt hat, obwohl ich nicht weiss, ob Daniel wirklich auf mich steht. Ist ja auch egal. Jedenfalls ist Luisa nun etwas beruhigter, da Herr Schümann informiert ist. ,, Dann ist ja gut. Und was ist mit Mia, Lena? Immer noch streit?'' ,, Ich glaube, das nennt man nicht mehr streit. Unsere Freundschaft ist absolut gestorben. Schnee von gestern. Aber wenn sie nicht einmal akzeptieren konnte, dass ich mich mit Nik schon am Anfang gut verstanden habe, ist sie's eh keine Freundschaft wert.'' ,, Schade, schade. Sie war immer so nett.'' ,, War, Luisa.'' Als Nik und ich fertig sind, gehen wir nach oben in mein Zimmer. Kaum hab ich die Tür hinter mir geschlossen, zieht mich Nik an sich und küsst mich. ,, Ich liebe dich, Lena.'' ,, Ich dich auch. Und jetzt erzähl mir, was du mir erzählen wolltest.'' Wir setzen uns auf's Bett und Nik beginnt: ,, Also, ich weiss nicht genau, wie ich es erklären soll. Ich hatte schon mehrere Freundinnen und dachte auch, dass ich mich in die verliebt hatte, aber seit ich mich in dich verliebt habe, bin ich mir da nicht mehr so sicher, weil ich viel mehr fühle und viel stärker. Bei dir weiss ich, dass ich dich liebe, aber was war es dann bei den anderen?'' ,, Ich denke mal, die anderen Mädchen hast du für irgendetwas bewundert und für sie geschwärmt. So, wie viele Mädchen für Robert Pattinson schwärmen und denken, sie wären in ihn verliebt. Oder in Justin Biber, dabei schwärmen sie nur und bewundern ihn für seine Lieder, Schauspielerei und was weiss ich. Wahrscheinlich bist du jetzt erst so richtig verliebt.'' ,, Ohja, in dich bin ich verliebt. Du bist das erste Mädchen, das ich geküsst habe.'' ,, Aber was hast du dann mit dem Mädchen gemacht, mit dem du zusammen warst? Habt ihr Sachen unternommen?'' ,, Wir haben uns ab und zu getroffen. Aber ich habe sie eher wie eine gute Freundin behandelt. Sabrina war damals nicht zufrieden und ich habe auch gemerkt, dass sie nicht das Mädchen ist, das ich wollte. Anna machte damals den Versuch mich zu küssen, doch ich wollte das nicht. Aber bei dir, als ich näher mit dir zu tun hatte, dachte ich immer öfters an dich und stellte mir vor, wie es wäre dich zu küssen.'' ,, Du hast dir das vorgestellt?'' ,, Ja, hab ich. Lena,'', beginnt Nik und kommt näher zu mir, ,, du musst mir immer sagen, wenn du was nicht willst, oder wenn du etwas anders haben möchtest, ja?'' ,, Ja, aber du auch.'' ,, Alles klar.'' Er küsst mich wieder und dann...tja, bis wir gehen müssen, küssen wir uns noch laaaange.

***

Nik kommt jetzt viel öfters zu mir oder ich gehe zu ihm. Wir machen wenn ich bei ihm bin, manchmal auch mit Nina, Hausaufgaben und haben unseren Spass. In der Schule läufts immer besser. Nur Daniel macht uns Sorgen. Deshalb gehen Nik und ich heute zur Polizei, da Daniel Nik einmal körperlich angegriffen hat und ihm ein paar Mal in den Bauch geschlagen hat. ,, Wir hätten eher zur Polizei gehen sollen. Ich wollte nicht, dass er dich angreift. Ich wusste nicht, dass er...'' ,, Lena, niemand wusste das, niemand wollte das. Naja, doch. Daniel und wahrscheinlich Mia. Wir werden ihn jetzt anzeigen gehen und fertig.'' ,, Ja, machen wir das.''
Als wir die Anzeige aufgegeben haben, machen wir uns auf den Heimweg. Also, zu mir. Da Luisa noch bei der Arbeit ist, haben Nik und ich Sturmfrei. Natürlich knutschen Nik und ich auf meinem Bett die ganze Zeit. Ich habe mich in Niks Arme gekuschelt und er streichelt mir mit seiner Hand über die Wange. Es ist ja so schön. ,, Ich liebe dich so, Lena. Du bist das schönste Mädchen, das es gibt.'', flüstert er mir ins Ohr. ,, Ich liebe dich auch, Nik. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine Chance bei dir haben würde. Aber ich habe gehofft.'' ,, Seit wann bist du in mich verliebt?'' ,, Ich glaube, seit dem Tag, wo Mia das erste Mal was blödes zu dir gesagt hat. Und du?'' ,, Nach dem zweiten Mal, wo du dich bei mir entschuldigt hast wegen Mia. Ich glaube, ab da. Bin mir aber nicht sicher.'' ,, Ist ja eigentlich auch nicht so wichtig. Hauptsache, wir sind jetzt zusammen.'' ,, Genau.'', murmelt Nik und küsst mich wieder.
Später, als Luisa wieder da ist, erzählen wir ihr, dass wir Daniel angezeigt hätten. ,, Du meine Güte, was hat er denn gemacht?'' ,, Er hat Nik körperlich angegriffen. Deshalb, und weil Daniel vermutlich noch mehr tun würde, haben wir ihn nun angezeigt.'' ,, Sehr gut. Dann kann ich ja beruhigt sein. Dir ist aber nichts passiert, oder?'' ,, Nein, nichts tragisches.'', winkt Nik ab. ,, Von wegen, '', widerspreche ich, ,, du hast dich gekrümmt vor Schmerz.'' ,, Wirklich?'' ,, Ja, aber es hätte auch schlimmer kommen können.'' ,, Ja, auch wahr. Trotzdem.'' ,, Ist schon gut, Lena. Es passiert ja jetzt nichts mehr.'' ,, Hoffentlich.''

***

Es dauerte nicht lange und Daniel startete tatsächlich noch einen Versuch, Nik was zu tun.

***

Die dritte Castingrunde steht an. Sie wurde um ein paar Tage verschoben, weil der Chef der Jury und allem drum und dran krank geworden war. Ich hatte also noch länger Zeit zum Üben. ,, Lena, du bist mehr als gut, du kommst sowieso weiter.'', sagt Nik zum x-ten Mal zu mir, als wir auf dem Weg zur Turnhalle sind. ,, Und wenn ich doch nicht weiter komme?'' ,, Das wirst du, du musst nur positiv denken.'' ,, Übernimmst du das für mich? Ich bin viel zu aufgeregt dafür.'' ,, Aufgeregt? Ich dachte, du freust dich?'' ,, Klar tu' ich das, aber es ist die letzte Runde. Wenn ich nicht weiter komme...'' ,, Lena. Sag jetzt einfach nichts negatives mehr. Ich denke für dich positiv und du denkst wenn möglich gar nicht.'' ,, Das ist aber verdammt schwer, an nichts zu denken, wenn man aufgeregt ist.'' ,, Dann denk an mich.'' Ich muss lachen und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
,, Siehst du? Geht ja.'', meint er und zwinkert mir zu.
Heute singe ich den Song, wieder von Camp Rock, ,Can't Back Down'. Heute kommen noch drei weiter, zehn sind noch am Start. Ich komme diesmal als Vierte dran. Die Zeit vergeht wie im Fluge und schon stehe ich vor den Jurymitgliedern. Die CD läuft und ich beginne zu singen.
Als ich fertig bin, muss ich mich noch ein wenig gedulden. Ich kann nicht still sitzen, weil ich so aufgeregt bin. Auch ein Kuss von Nik macht mich nicht ruhiger. ,, Lena, du kommst ganz bestimmt weiter.'' ,, Woher willst du das wissen?'' ,, Weil ich es einfach weiss und weil du einfach super warst. Und jetzt beruhige dich ein wenig.'' ,, Unmöglich.'' Als das Warten endlich ein Ende hat, bin ich noch aufgeregter. Vor lauter Aufregung, bis die Jury uns hereinholt, plappere ich den armen Nik zu. Doch, statt, dass er mir und meinem Gequassel zuhört, küsst er mich, bis einer der Jurymitglieder kommt und uns herein holt. Wieder stellen wir uns in einer Reihe nebeneinander auf und warten darauf, dass unsere Namen ertönen. ,, Also, heute kommen, wie ihr wisst, nur noch drei weiter. Es war nicht einfach zu entscheiden, wer diese drei Mädchen sind, doch mit dem Ergebnis sind wir sehr zu frieden. Also, weitergekommen ist....Sabrina!'' Sabrina kreischt natürlich sofort los und ich halte die Luft an. Ich kann's kaum noch aushalten. ,, Dann, das zweite Mädchen, das eine Runde weiter ist, ist.....Andrea!'' Wieder Gekreische. Ist ja logisch. Super, jetzt sind noch sieben übrig. Oh je. ,, Und das dritte Mädchen, wunderbare Stimme, hat uns sehr beeindruckt, nur hat sie leider zweimal von derselben Gruppe ein Lied ausgesucht. Trotzdem, dank ihrer Stimme ist sie weiter und das Mädchen heisst.....Lena!'' Sabrina und ich umarmen uns und mir fällt das Herz beinahe in die Hose, so aufgeregt und erleichtert bin ich. Ich kann's einfach nicht fassen. Doch es ist wahr. Ich bin weiter! Sabrina, Andrea und ich nehmen den Bogen für das nächste und letzte Mal. Dann renne ich zu Nik hinaus und rufe: ,, Ich bin weiter!'' Wieder hebt er mich in die Höhe und küsst mich danach. ,, Siehst du? Ich wusste es ja.'' ,, Dann kannst du mir bestimmt auch sagen, welchen Platz ich bei der letzten Runde belegen werde.''
,, Den Ersten natürlich.'' ,, Hoffentlich. Wäre zwar auch schön mit dir eine Pizza essen zu gehen.'' ,, Ach, das können wir auch so. Aber der erste Preis, einen Live-Auftritt, ist etwas Einmaliges. So schnell kriegst du keine weitere Chance für deine Zukunft.'' ,, Meine Zukunft?'' ,, Ja, so begabt wie du bist, könntest du mal gross rauskommen.'' ,, Ich weiss ja nicht, ob ich das will. So wie die Stars in Amerika will ich nicht leben. Kein Privatleben mehr, Paparazzis und und und.'' ,, Es gibt aber auch positive Sachen.'' ,, Ja, aber troztdem. Ich lebe jetzt und geniesse es mit dir.'' ,, Und ich mit dir.'' Nach einem weiteren langen Kuss gehen wir zu mir.
Als Luisa am späteren Abend von der Arbeit nach Hause kommt, erzähle ich von der Neuigkeit beim Castin. ,, Super! Noch nächstes Mal und ein neuer Star ist geboren.''
,, Luisa, fang du bitte nicht auch noch damit an. Nik meinte schon, ich könnte mal ganz gross rauskommen.'' ,, Ist aber so. Da hat Nik recht.'' ,, Siehst du, Lena? Was hab ich gesagt? Ich habe einfach immer recht.'' ,, Immer? Übertreib nicht.'', sage ich und kitzle ihn an der Seite. ,, He, nicht!'', ruft er und kitzelt mich zurück. ,, Ach, es ist so schön, wie ihr eure Liebe geniesst. Es kann viel zu schnell zu Ende sein.'', sagt Luisa plötzlich und sieht mich traurig an. Ich weiss sofort, dass sie an meine Eltern denkt. ,, Weiss er's?'', fragt Luisa leise. Ich nicke. Nik kapiert nun, dass wir von meinen Eltern sprechen und umarmt mich von hinten. ,, Ich liebe dich, Lena.'', flüstert er in mein Ohr und Luisa und ich lächeln uns zu. Tja, zwar habe ich keine Familie mehr, aber Luisa und Nik sind jetzt meine Familie. Eine bessere Mutter (abgesehen von meiner echten Mutter), als Luisa, gibt es nicht! Und ein besserer und süsseren Freund als Nik auch nicht.
Später, als Nik wieder weg ist, sagt Luisa zu mir: ,, Wie oft sagt Nik eigentlich 'Ich liebe dich' zu dir?'' ,, Oft.'' ,, Wie schön. Der liebt dich wirklich. Ihr seit noch so jung und schon so verliebt.'' ,, Ja, manchmal kann ich es selbst kaum fassen, mit Nik so richtig zusammen zu sein.'' ,, Lena, ich will mich ja nicht zu sehr in euer Liebesleben einmischen, aber du weisst schon, wie weit du gehen willst?'' ,, Luisa, Nik und ich sind am Anfang. So schnell geht das bei uns nicht. Ausserdem will ich eh nichts überstürzen. Du kennst mich doch.'' ,, Jaja, eben.'' Was soll das denn heissen? Ich frage lieber nicht nach. Ich träume lieber noch ein wenig von Nik. Nur noch ein paar Stunden und ich seh ihn wieder.

***

Noch drei Wochen und Nik und ich sind zwei Monate zusammen. Noch drei Wochen und es sind Weihnachtsferien. Es sind schon drei Wochen vergangen und Daniel hat nichts mehr getan. Eigentlich ein gutes Zeichen, aber irgendwie traue ich ihm noch nicht. Ich habe das Gefühl, sobald ich nicht mehr vorsichtig bin, schlägt er wieder zu. Und so ist es auch. Nik und ich sind auf dem Weg zur letzten Castingrunde. ,, Lena, falls du gewinnen solltest, was du auch tust, gehen wir eine riesen Pizza essen. Und falls du verlieren solltest, was du nicht tust, gehen wir auch eine riesen Pizza essen.'' Ich lache und gebe Nik einen Kuss. Der hält mich gleich fest und will mich nicht mehr loslassen. Zum Glück sind wir zu früh dran, sonst wären wir zu spät gekommen. ,, Ich liebe dich.'', flüstert er mir ins Ohr. ,, Ich dich auch.'', flüstere ich zurück. Danach gehen wir weiter. Heute singe ich wieder ein Lied von Miley. Who Owns My Heart. ,, Bist du sehr aufgeregt?'' ,, Noch nicht. Aber es fängt schon ein bisschen an.'' ,, Du schaffst das, das weiss ich.'' ,, Du weisst ja alles, also brauche ich mir keine Sorgen zu machen.'' ,, Genau. Ist heute wieder nur Jury und fertig? Kein Publikum?'' ,, Doch, ich glaube ich habe was davon gelesen, dass bei der letzten Runde noch Publikum mit dabei ist. Luisa konnte aber nicht kommen, weil sie eine Sitzung hat. Dafür bist du ja da.'' ,, Aha. Ob....Daniel auch da ist?'', fragt Nik vorsichtig und leiser. ,, Ich denke schon und hoffe nicht.'' ,, Wir müssen dem ja nicht umbedingt über den Weg laufen.'' ,, Der wartet bestimmt schon auf eine Gelegenheit, nochmals zuzuschlagen.'' ,, Meinst du?'' ,, So wie du weisst, dass ich heute Abend anscheinend gewinnen werde, weiss ich, dass er noch einmal zuschlagen wird.''
,, Ich bin froh, wenn ich den eines Tages los sein werde.'' ,, Und ich erst...'' Endlich kommen wir bei der Turnhalle an. Sabrina, ich und Andrea müssen in den Dingsraum, wo wir geschminkt und zurecht gemacht werden. Richtig coole Kleidung. Also, wir müssen sagen, was wir singen und dazu gibt es die passende Kleidung, Frisur und passendes Make Up. Zuerst kommt Sabrina an die Reihe. Die Halle ist voller Leute und alle klatschen und kreischen und tun und machen was man bei einem 'Konzert' oder eben Casting macht. Ich nutze meine paar Minuten, die ich noch habe aus, um Nik ausfindig zu machen. Doch stattdessen laufe ich draussen im Flur zuerst Daniel über den Weg. Ich will gerade umkehren, als er sagt: ,, Warte.'' Ich bin so blöd und warte. Ich drehe mich um und frage gelangweilt: ,, Was?'' ,, Bist du etwa immer noch mit diesem...diesem...'' ,, Ja, und? Was geht dich das an?'' Er steht nun ziemlich nah bei mir. ,, Ich hasse diesen Typen, wie ich noch keinen gehasst habe.'' ,, Das haben wir bereits gemerkt. Sonst noch was?'' ,, Ich werd's deinem Freund schon noch zeigen. Der kommt sich so richtig toll vor, weil er mit dir zusammen ist. Der wird noch aufwachen, das sag ich dir.'' ,, Wehe du tust ihm nochmals was. Ich rufe die Polizei, ich schwöre dir.'' ,, Mach du nur. Hauptsache deinem Freund kann ich's nochmals so richtig zeigen.'' Er dreht sich um und eilt davon. Ich rufe ihm noch nach: ,, Lass ihn in Ruhe, kapiert?'' Als er weg ist, krieg ich es ein bisschen mit der Angst zu tun. Was hat er vor? Was meinte er damit: ,Hauptsache deinem Freund kann ich's nochmals so richtig zeigen'? Mensch, was soll ich bloss tun? ,, Hei, solltest du dich nicht bereitmachen für deinen Auftritt?'', fragt mich plötzlich jemand von hinten und legt seine Arme um mich. Nik. ,, Ich bin als Letzte dran.'' ,, Ist was passiert?'', fragt er mich und küsst mich im Nacken. Ich lehne mich an ihn und erzähle, was gerade los war. ,, Dann werden wir wohl etwas vorsichtig sein müssen.'' ,, Nik, ich will nicht, dass er dir nochmals was tut.'' Ich habe mich zu ihm gedreht, meinen Kopf an seine Schulter und meine Arme um seine Taile gelegt. Er streichelt mir sanft mit der einen Hand über den Rücken und mit der anderen Hand übers Haar. ,, Es wird schon nichts Schlimmes passieren.'' Und wenn doch?
Seit ich Daniel an diesem Abend über den Weg gelaufen bin, habe ich keine ruhige Minute mehr und schaue mich immer wieder um, weil ich Angst habe, es könnte -Peng- machen und etwas passiert. Als wir drei gesungen haben, müssen wir uns noch etwas gedulden, da sie auslosen müssen. Das heisst: Die Jury muss die Stimmen zählen. Und das sind viiiiele. Nik und ich gehen nach draussen an die frische Luft. Doch ich schaue mich immer wieder nach allen Seiten um, weil ich angst habe, dass Daniel irgendwo auftauchen würde. ,, Lena, es wird bestimmt nichts passieren.'', will mich Nik wieder beruhigen, aber dazu habe ich schon ein viel zu schlechtes Gefühl. ,, Nik, ich spüre einfach, dass heute Abend noch was passieren wird.'' ,, Bestimmt täuschst du dich nur.'' ,, Nein, tu ich nicht.'' Ich werde etwas lauter und verzweifelter. ,, Schon gut, Lena. Dann gehen wir jetzt wieder rein, damit du etwas beruhigter sein kannst.'' ,, Ja, gehen wir.'', sage ich leise. Drinnen müssen wir nicht lange warten und die Ergebnisse sind da. Ich muss mit Sabrina und Andrea auf die Bühne, wo die Pokäle (so ein Anlass ist es. Echt der Waaahnsinn!!!) überreicht werden. Und natürlich noch der Preis. ,, Und jetzt, meine lieben Zuschauerinnen und Zuschauer,'', beginnt der Jurychef, ,, es ist raus, wer der erste, zweite und dritte Platz belegt hat. Es waren alle drei Mädchen super, da sind wir uns doch einig, oder?'' Eindeutiges 'Jaaa' von den Zuschauern. ,, Jetzt wollt ihr wissen, wer gewonnen hat, stimmts?'' Wieder ein grosses Jaaa. ,, Na gut, ich will euch nicht zu lange auf die Folter spannen.'' Dann sags endlich, denke ich und gebe mir Mühe ruhig zu stehen (und natürlich zu lächeln). ,, Dann verrate ich euch, wer dritt geworden ist. Den dritten Platz geht an....................Andrea!'' Grosser Applaus, pfeifen und brüllen und eine strahlende Andrea, die ihren Bronzepokal bekommt und den Gutschein zum Pizza essen gehen. ,, Und nun kommen wir zu Sabrina und Lena. Welche darf heute Abend den ersten und welche den zweiten Platz feiern? Ihr habt entschieden, welche von den beiden einen Live-Auftritt gewinnen darf und welche 100 Franken. Ich kann's euch sagen: Es ist.............der erste Platz geht an................'' Bitte, bitte sags endlich, ich halts nicht mehr aus!!!
,, Leeenaaaa!'' Grosses gekreische (von mir und Publikum), tosender Applaus, pfeifen und eine Sabrina, die mich stürmisch umarmt. ,, Herzlichen Glückwunsch Lena. Du warst die Beste und darfst diesen Goldpokal mitnehmen. Wir freuen uns auf deinen baldigen Gross-Live-Auftritt hier in der Halle!''
Ich weiss nicht mehr genau, wie ich von der Bühne gekommen bin. Jetzt liege ich in den Armen von Nik, der mich fest an sich drückt und stolz auf mich ist. ,, Das müssen wir feiern.'' ,, Jetzt?'', frage ich überrascht. ,, Na klar. Komm, gehen wir eine Pizza essen.'' ,, Ich muss aber Luisa noch Bescheid geben.'' ,, Klar, mach das ruhig.'' Draussen, vor der Halle telefoniere ich schnell mit Luisa, verkünde meinen ersten Platz und dass Nik und ich noch eine Pizza essen gehen. ,, Viel Spass, mein Mädel.'' ,, Danke, Luisa. Tschüss.''
,, Und?'', fragt Nik. ,, Können wir?'' ,, Ja, wir können.'' Wir machen uns auf den Weg zum oberen Restaurant, weil es näher liegt. ,, Bald haben wir es geschafft.'', sagt Nik leise zu mir. ,, Was geschafft?'', frage ich leise zurück und schaue ihn an. ,, Du hattest doch den ganzen Abend solche Angst wegen Daniel. Bald brauchst du keine Angst mehr zu haben. Im Restaurant sind wir sicher und danach wird auch nichts mehr passieren.'' ,, Bist du dir sicher?'' ,, Ganz sicher.'' ,, Ich aber nicht.'', sagt jemand hinter uns und betohnt jedes einzelne Wort. Ich kriege einen Schreck und bleibe stehen. Nik und ich drehen uns langsam um und da steht -wer wohl- Daniel und- er ist nicht alleine- zwei weitere Typen.
,, Was willst du?'', fragt Nik mit scharfer Stimme und ich drücke seine Hand fester. ,, Na, was wohl?'' Daniel kommt näher, seine Kumpanen ebenfalls und Nik stellt sich schützend vor mich hin. ,, Was willst du von mir? Was habe ich dir je getan?'', fragt Nik weiter. ,, Was du mir getan hast? Mir nichts, Mister Angeber, aber uns allen. Ohne dich waren wir eine super Klasse, dann kamst du und jetzt...'' Seine Stimme wird wehmütig, als er sagt: ,, Jetzt hast du mir sogar noch meine grosse Liebe genommen.'' Mein Unterkiefer klappt auf, als ich das höre und Nik meint: ,, Davon wusste ich leider nichts, dass Lena Deine grosse Liebe ist.'' ,, Ich auch nicht.'', sage ich. Daniel steht nun ganz nah bei Nik und meint: ,, Ich hasse dich und dafür musst du bezahlen.'' Und -zack- schon hat Nik eine Faust im Magen. Er krümmt sich vor Schmerz und will zurück geben. Ich stehe da, die Hände vor dem Mund und weiss nicht was ich machen soll. Daniel ist leider schneller als Nik und gibt noch eine Faust, dass Nik auf den Boden kniet. Ein Schups und Nik ist um. Ich halte Daniel nun fest und versuche ihn wegzubekommen von Nik. ,, Lass ihn in Ruhe, kapiert? Ich würde niemals mit dir zusammen sein wollen.'' Einer seiner Kumpanen packt mich grob am Arm und 'schleudert' mich schon fast weg. Unsanft lande ich auf dem Boden. Nik, der wieder versucht aufzustehen, kriegt wieder einen Tritt. Wieder und wieder. Ich springe auf und ziehe Daniel an den Haaren. Daniel schlägt aus und ich falle auf den Boden. Ich kann nicht mehr klar sehen. Nur noch verschwommen. Aber ich kann noch erkennen, wie sich Daniel über Nik beugt und auf ihn einschlägt. Dann werde ich ohnmächtig.

***

Das nächste Mal, als ich erwache, liege ich auf einem Sofa und um mich herum sind ein paar Leute versammelt. Der Jurychef, die Mitglieder davon, Luisa und ein paar, die ich nicht kenne. ,, Sie ist zu sich gekommen.'', sagt der Jurychef. Jemand, in einem weissen Kittel beugt sich näher zu mir und fragt: ,, Kannst du mich hören?'' Es ist ein Arzt. Ich nicke schwach und schliesse die Augen wieder, da sie mir elendig schwer vorkommen. ,, Sie ist noch sehr schwach. Kein wunder, wahrscheinlich hat sie eine Gehirnerschütterung. Aber nur eine leichte. Sie muss sich jetzt einfach schonen. Sie wird in den nächsten Tagen ziemliche Kopfschmerzen haben. Und wenn sie aufstehen will, wird es ihr etwas schwindelig, aber ansonsten gibts nichts, was Sie wissen sollten. Ich gebe Ihnen Kopfschmerztabletten, für Notfälle.'', sagt der Arzt zu Luisa. ,, Vielen Dank, Herr Doktor.'' Er verabschiedet sich und geht. Ich versuche mich zu erinnern, was genau passiert ist. War ich nicht mit Nik auf dem Weg für....für was schon wieder? Auch die anderen verabschieden sich ,, Luisa?'', frage ich mit schwacher Stimme. ,, Ja?'' ,, Wo bin ich und was genau ist passiert?'' ,, Du liegst auf dem Sofa vom Schminkraum des Castings und was passiert ist...Also, du hast mich ja angerufen und gefragt, ob du mit Nik eine Pizza essen gehen dürftest und ich habe ja gesagt. Dann habe ich zirka 20 Minuten später einen Anruf vom Jurychef bekommen, dass du und Nik ohnmächtig auf dem Boden vor dem Spielplatz gefunden worden seit. Wahrscheinlich haben euch ein paar Jungs abgepasst. Nik konnte kaum noch atmen und blutete heftig aus der Nase. Man hat sofort den Krankenwagen gerufen und ihn in das Krankenhaus gebracht. Du bist zum Glück nicht so schlimm verletzt und liegst jetzt hier. ,, Nik ist im Krankenhaus?'' Alarmiert will ich aufsitzen, doch die Kopfschmerzen und das Schwindelgefühl halten mich davon ab. ,, Au.'', sage ich und lege mich wieder hin. ,, Du darfst nicht so schnell aufsitzen.'' ,, Was ist mit Nik?'' ,, Wir haben noch keinen Bericht bekommen.'' ,, Wie lange liege ich schon hier?'' ,, Bald eine halbe Stunde.'' ,, Was? Aber Nik...er wird es doch überleben, oder?'', frage ich Luisa den Tränen nahe. ,, Aber sicher. Ich vermute, er wird einfach noch sehr schwach sein und mehr als eine Gehirnerschütterung haben, wenn überhaupt.'' Luisa nimmt meine Hand und streichelt sie sanft. ,, Kannst du dich nicht mehr erinnern, was passiert ist?'' ,, Nicht so ganz. Ich weiss nur noch, dass Nik und ich eben auf dem Weg zum Restaurant waren und jemand was gesagt hat. Wir sind stehen geblieben und mehr weiss ich auch nicht mehr. Sind seine Eltern informiert?'' ,, Ja, sie sind gleich zu ihm ins Krankenhaus gefahren.'' ,, Ich darf dann wohl nicht zu ihm. Schliesslich bin ich kein Familienmitglied.'' ,, Wenn es seine Eltern erlauben, darfst du bestimmt hingehen. Ganz bestimmt.''

***

Erst am nächsten Tag bekommen wir einen Anruf aus dem Krankenhaus von Niks Eltern. Er wurde operiert und schläft noch, wird aber durchkommen. Man darf ihn am Nachmittag besuchen gehen. Obwohl mir noch etwas schwindelig ist und meine Kopfschmerzen nicht weniger geworden sind, (die Erinnerung ist immer noch nicht da), will ich natürlich zu Nik ins Krankenhaus fahren. Dort werden Luisa und ich von seinen Eltern in Empfang genommen. Ich habe sie noch gar nie richtig gesehen und stelle mich ihnen nun selbst vor, da Nik ja nicht kann. ,, Du bist also die berühmte Lena. Freut mich sehr, ich bin Andrea und das ist mein Mann Tom.'' ,, Freut mich auch. Das ist meine Adoptivmutter Luisa.'' Sie schütteln sich gegenseitig die Hand und ich suche eine Sitzgelegenheit, bis ich zu Nik kann. ,, Schläft Nik immer noch?'' ,, Ja, aber sein Zustand ist schon stabiler als gestern Abend und heute Morgen.'' ,, Gott sei Dank.'' ,, Und du hast keine Schäden davongetragen?'', fragt mich Andrea. ,, Doch, eine Gehirnerschütterung. Nur eine leichte. Ich weiss einfach nicht mehr, was gestern Abend passiert ist, aber sonst ist alles okay.'' ,, Und die Wirkungen? Kopfschmerzen und Schwindelgefühl?'' ,, Ja. Aber es ist schon besser als gestern Abend.'' ,, Dann ist ja gut.'' Nach knapp 15 Minuten darf ich zu Nik. Die anderen warten draussen. Er schläft noch und ich setze mich vorsichtig auf die Bettkannte, nehme seine Hand und lege meinen Kopf auf die Decke. Nach einer kurzen Weile spüre ich, wie Nik meine Hand kurz ein wenig drückt. Ich setze mich auf und schaue zu ihm. Er hat die Augen ein bisschen offen. ,, Hei.'', sagt er schwach und lächelt. ,, Hei, wie geht's dir?'' Blöde Frage, weil ich es ja sehe. Aber was sollte ich sonst fragen? Bist du fit? Ne, noch blöder. ,, Könnte besser gehen. Aber da du jetzt da bist, geht's schon viel, viel besser.'' Ich lächle und er streicht mit seiner Hand sanft über meine Wange. ,, Und dir? Was haben diese Kerle dir gemacht?'' ,, Ich weiss nicht mehr. Ich habe eine leichte Gehirnerschütterung. Etwas Kopfschmerzen und Schwindelgefühl. Sonst geht's aber.'' ,, Heisst das, du weisst nicht mehr, was passiert ist?'' ,, Nein. Aber das kommt wieder.'' ,, Ich wünschte, ich hätte dich besser beschützen können.'' ,, Mach dir keine Vorwürfe, ja? Hauptsache wir leben beide noch.'' Nik lächelt leise. ,, Da hast du recht. Gibst du mir einen Kuss?'' ,, Klar.'' Ich beuge mich zu ihm und küsse ihn auf den Mund. ,, Ich vermisse dich so.'', sage ich danach. ,, Und ich dich erst. Ich habe zwar geschlafen und nichts gemerkt. Aber ich muss wohl noch eine Weile hier bleiben.'' ,, Ja, wahrscheinlich. Ich komme dich wieder besuchen. Morgen, okay?'' ,, Ja, das musst du. Sonst halt ich es hier nicht aus.'' Noch ein Kuss, diesmal hält Nik mich eine Weile fest, dann muss ich wieder gehen. ,, Bis Morgen.'' ,, Ich liebe dich, Lena.'' ,, Ich dich auch. Tschüss.'' Nik winkt schwach und dann bin ich schon wieder vor der Tür. ,, Wollen wir nach Hause, Lena? Du solltest dich noch etwas schonen.'', meint Luisa sanft. Ich nicke und schaue zu Boden. Warum ausgerechnet Nik? Und wieso behauptete Daniel, ich sei seine grosse Liebe? So ein Schwachsinn! Ich hasse den Kerl. Eigentlich müsste die Polizei ihn jetzt schon festgenommen haben. ,, Luisa?'', frage ich. ,, Ja?'' ,, Müsste die Polizei Daniel nicht schon festgenommen haben? Schliesslich liegt schon eine Anzeige gegen ihn vor.'' ,, Ja, die Polizei hat mich vorhin angerufen. Er sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Wir hätten es nie so weit kommen lassen dürfen.'' ,, Ja. Nik war sich sicher, dass nichts mehr passieren würde. Ich aber nicht.'' ,, Vielleicht wusste er, dass was passieren würde, wollte dich und sich aber beruhigen. Weisst du, auch wenn Nik das Gegenteil behauptet, er ist viel klüger als viele denken und merkt schnell etwas. Ihm kann man so schnell nichts vormachen.''
,, Woher weisst du das? Du hast ihn noch nicht so oft gesehen.'' ,, Es reicht für mich schon, wenn ich jemanden nur ein paar Minuten sehe und mit ihm oder ihr spreche.'' Ob er noch mehr geahnt hat? Oder ob er gewusst hat, wann es passieren würde? Eigentlich egal, ich hoffe, dass er bald wieder draussen ist. Ich vermisse ihn so!

***

Es dauert noch eine ganze Woche, bis Nik wieder fähig ist, aufzustehen und ein paar Meter zu laufen. Es dauert allerdings nur ein paar Minuten und die ganze Schule weiss Bescheid, was passiert ist. Jetzt haben sie plötzlich alle Erbarmen mit Nik. ,, Wie geht es ihm denn?'' ,, Den Umständen entsprechend gut.'' ,, Wann kann er wieder nach Hause?''
,, Das weiss ich noch nicht.'' ,, Was passiert jetzt mit Daniel?'' ,, Er wurde vorläufig festgenommen.'' Fragen über Fragen. Nik erzähle ich, was in der Schule läuft. ,, Meine arme Lena. So viele Fragen.'' ,, Mhm. Wird Zeit, dass du wieder rauskommst aus diesem Krankenhaus.'' ,, Ich gebe mir Mühe.'' Meine Gehirnerschütterung hat sich gebessert. Ab und zu noch Kopfschmerzen, ansonsten ist alles okay. Bis auf das, dass ich Nik trotz den Besuchen unheimlich vermisse. ,, Sobald du da raus bist, gehen wir zwei Pizzas essen.'', sage ich bei einem meiner Besuche, als ich in Niks Armen auf dem Bett sitze. ,, Zwei Pizzas?'' ,, Ja, zwei.'' ,, Mögen wir denn so viele?'' ,, Bestimmt irgendwie.'' ,, Dann aber zwei kleine.'' ,, Oder eine grosse.'' ,, Genau, eine grosse ist noch besser.'' Er küsst mich auf's Haar und flüstert in mein Ohr: ,, Du bist das schönste Mädchen, das ich kenne. Ich liebe dich so, Lena.'' ,, Und du bist der tollste und gutaussehendste Junge der Welt. Und ich liebe dich auch.''
Eine Woche später kann er endlich nach Hause. Ich hole ihn mit seinen Eltern ab und aus lauter Freude und lauter Glück, macht es mir nicht einmal was aus, als er mich vor seinen Eltern küsst. ,, Heute Abend Pizza essen gehen?'', fragt er mich. ,, Aber sicher. Die grösste, die man machen kann.'' Ich fahre mit zu ihm nach Hause und dort verschanzen wir uns erst mal in sein Zimmer um- was wohl- zu knutschen. Er rutscht mit seiner Hand unter mein Pullover und bleibt auf meinem Bauch liegen, was ich total prickelnd und schön finde. ,, Hab ich viel verpasst in der Schule?'', fragt er mich danach. ,, Drei Tests und ein paar Hausaufgaben, ansonsten gibt's nicht viel Neues.'' ,, Achherrje, dann weiss ich ja, was mich die nächsten Tagen am meisten beschäftigen wird.'' ,, Lernen, Hausaufgaben, lernen und wieder Hausaufgaben.'' ,, Genau.'' ,, Ich helfe dir. Schliesslich habe ich die Hausaufgaben schon gemacht.'' ,, Abschreiben?'' ,, Wenn du willst? Du darfst dir aber auch den Kopf zerbrechen über die vielen Rechnungen, Gleichungen, Vokabeln und aah!'', kreische ich und lache, weil Nik mich mit Kitzeln unterbricht. ,, Abschreiben, ganz klar.'', sagt er dann. Nach einer, nein zwei, drei weiteren Runden kitzeln muss ich gehen. ,, Es ist schon fast sechs Uhr. Und morgen Schule.'' ,, Schade...Ich war gerade so in Fahrt.'', meint Nik kitzelt mich wieder. Und ich lache. ,, Hör auf, hahaha, ich habe schon Bauchschmerzen wegen dir.'' ,, Oh nein! Du hast Schmerzen wegen mir?'' Nik schlägt theatralisch die Hände vor den Mund und meint: ,, Jetzt muss ich wohl büssen.''
,, Und wie.'', sage ich und fange nun an, ihn auszukitzeln. Es dauert nicht lange und wir liegen wieder beide lachend auf dem Bett, mein Kopf auf seinem Bauch. ,, Bleib doch über Nacht.'' ,, Mitten in der Woche?'' ,, Wir haben Donnerstag.'' ,, Dann eben ein Tag nach Mitte der Woche. Nein Nik, das geht nicht. Ausserdem, wenn ich Luisa- und du deine Eltern- frage, ob ich über Nacht bei dir bleiben kann, kommt sie nur auf dumme Gedanken.'' ,, Auch wahr. Dann muss ich mich wohl noch ein wenig geldulden.'' ,, Jap, bis morgen, ja?'' ,, Alles klar. Tschüss.''

***

Am Montag, als er wieder in die Schule kommt, wird er sofort von zig Schülern umkreist und die Fragen purzeln nur so auf ihn ein. Ich mache mich aus dem Staub und setze mich auf die Treppe beim Eingang. ,, Na, hast du dich wieder erholt?'', fragt mich plötzlich jemand von hinten. Es ist Mia. ,, Ja, habe ich.'' ,, Wie geht's Nik jetzt?'' ,, Viel besser.'' Mia setzt sich neben mich und ich frage mich, was das soll. ,, Falls du mir wieder einen Nik-ist-nur-ein-Mädchausnutzer-Vortrag halten willst, kannst du gleich wieder gehen.''
,, Nur keine Sorgen, ich halte dir keinen Vortrag mehr darüber. Wie ich sehe, seid ihr immer noch sehr verliebt und er ist...treu und wirklich...süss zu dir.'' ,, Dann siehst du's also endlich ein?'' ,, Was?'' ,, Na, dass er ein netter und normaler Typ ist.'' ,, Jaja, ist er wohl. Ich mag ihn aber trotzdem nicht so.'' ,, Musst du auch nicht. Musstest du nie. Hauptsache du lässt mich mit ihm in Ruhe.'' ,, Ja, mach ich ja. Was Daniel getan hat ist...schlimm.'' ,, Er büsst jetzt dafür. Hast du mit ihm unter einer Decke gesteckt?'' ,, Nein. Ich wollte nie was mit Gewalt zu tun haben. Und wenn es um dich geht, erst recht nicht.'' ,, Danke, nett von dir.'' ,, Hör mal, auch wenn wir keine Freundinnen mehr sind, heisst das noch lange nicht, dass ich gefährlich und fies zu dir werde.'' ,, Gefährlich nicht, aber fies.'' ,, Tut mir ja leid. Ich werde dich von nun an in Ruhe lassen, versprochen. Ich wollte mich eigentlich nur für alles, was bis jetzt passiert ist, bei dir entschuldigen.'' ,, Wofür?'' ,, Na, dafür, dass sie Nik gedisst haben und ich dich da mitreingezogen habe.'' ,, Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Das kannst du ausnahmsweise mal bei Nik tun. Du hast viele Fehler gemacht, was ihn betrifft und ich habe mich immer für dich entschuldigt.'' ,, Dank mir bist du eigentlich mit ihm zusammen gekommen.'' ,, Ja, wenn man das Ganze betrachtet. Aber trotzdem, ich verzeihe dir erst ganz, wenn du dich richtig bei Nik entschuldigt hast. Und zwar ehrlich und dann nie wieder was gegen ihn machst. Versprochen?'' ,, Ja, ich verspreche es. Gleich nach der Schule werde ich mit ihm sprechen.'' ,, Gut. Ich zähl' auf dich.'' Kaum haben Mia und ich unser Gespräch beendet, klingelt es auch schon. Nik kommt zu mir und nimmt meine Hand. ,, Hilfe Lena, diese Fragen.''
,, Jetzt weisst du, wie's mir ergangen ist.'' ,, Mhm.'' ,, Übrigens, nach der Schule wird's noch eine kleine Überraschung für dich geben, aber nicht von mir.'' Nik sieht mich fragend an. ,, Du wirst es dann sehen.'' ,, Wie du meinst.'' Bevor wir ins Schulzimmer gehen, küsst er mich noch mal (weil 'knutschen' im Klassenzimmer bekanntlicherweise ja verboten ist).
Nach der Schule dann, sehe ich wie Mia tatsächlich zu Nik geht. ,, Nik, warte!'' ,, Ja?'' Verblüfft steht Nik da, doch dann geht ihm wohl ein Licht auf, was ich mit der 'Überraschung' meinte. ,, Ich wollte mich bei dir für alles....entschuldigen. Es war nicht richtig, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe. Tut mir leid, von nun an lass ich dich in Ruhe.'' ,, Danke Mia. Ist okay.'' ,, Ehrlich?'' ,, Ja. Du magst mich eben nicht und damit kann ich leben. Bis dann einmal.'', sagt Nik und geht. Ich laufe ihm entgegen und frage ihn: ,, Und?'' ,, Das hast du eingefädelt, stimmts?'' ,, Naja, sie wollte sich bei mir für alles entschuldigen, dabei war sie zu Dir fies, nicht zu Mir. Das habe ich ihr gesagt und gemeint, sie müsse sich bei dir entschuldigen, nicht bei mir.'' ,, Und das hat sie auch. Dann hätten wir ja alles geklärt.'' ,, Kommt nur noch Daniel dran.'' ,, Daniel?'' ,, Na, der sitzt doch noch in Untersuchungshaft. Mal sehen, wie's mit dem ausgeht.''

***

Ein paar Tage später kriegt Luisa (und Niks Eltern auch) einen Anruf vom Polizisten. Daniel wird wegen Körperverletzung und Erpressung auf Bewährung gesetzt. Zwei Jahre.
,, Was bedeutet das?'', frage ich Luisa. ,, Das bedeutet, dass er zwei Jahre niemandem was antun darf, sonst kommt er ins Jugendgefängnis.'' ,, Ist das gut? Ich meine, diese Bewährung.'' ,, Aber sicher. Wenn sie ihn einfach laufen lassen würden und er jemandem wieder was antun würde, dann wäre er noch nicht vorbestraft und bekäme weniger Schwierigkeiten.'' ,, Aha.''
Nik und ich gehen die nächsten Tage einmal eine grosse Pizza essen und einen extra grossen Coup Dänemark dazu.
In der Schule passiert viel auf ein Mal. Alle reden ganz normal mit Nik und behandeln ihn, als wäre nie was passiert. Sabrina meint einmal zu mir: ,, Nik hat sich ja total verändert.'' ,, Ach?'' ,, Und wie.'' ,, Ihr euch aber auch. Entweder habt ihr ein schlechtes Gewissen, oder ihr mögt ihn jetzt wirklich.'' ,, Wir mochten ihn schon immer.'' ,, Klar, deswegen auch die Disserei.'' ,, Lena, eigentlich waren nur zwei oder drei Täter, die anderen waren Mitläufer und feige.'' ,, Und jetzt denkt ihr, wenn ihr ihn so behandelt, als wäre nie was gewesen, dann ist alles vergeben und vergessen?'' ,, Weiss ich doch nicht. Hat sich denn Nik wieder von all allem erholt?'' ,, Weiss nicht genau. Wenn nicht, lässt er sich jedenfall nichts anmerken.''
Als ich nach der Schule mit zu Nik gehe, frage ich ihn bei ihm im Zimmer: ,, Sag mal, die anderen behandeln dich ja, als wäre nie was passiert. Wie sieht's eigentlich bei dir aus?'' ,, Ich weiss nicht genau. Wenn ich nicht an die vergangenen Wochen erinnert werde, geht's. Es kommt eben, wie's kommt.'' ,, Mhm. Weisst du was?'' ,, Nein, was?'' Ich sitze bei Nik auf dem Schoss und habe die Arme um ihn gelegt. ,, In drei Tagen sind wir fast ein halbes Jahr zusammen.'' ,, Fast?'' ,, Na, dann noch vier Wochen und es sind sechs Monate.'' ,, Wahnsinn. Meine längste Beziehung, die ich je hatte.'' ,, Meine erste Beziehung, die ich je hatte. Wieso hast du dich in mich verliebt?'' ,, Hatten wir das nicht schon einmal?'' ,, Weiss nicht. Ich hör es trotzdem gerne.'', lächle ich mein typisches Grinsen. Nik lächelt ebenfalls und meint: ,, Na, weil du anders bist, als die anderen und immer zu mir gehalten hast. Du hast dich für Mia immer bei mir entschuldigt, was uns näher gebracht hat.'' ,, Ja, das hat sie mir auch gesagt.'' ,, Was?'' ,, Dass wir eigentlich dank ihr zusammen gekommen sind.'' ,, Wenn man es von ganz weit weg betrachtet, hat sie recht. Aber sonst hat sie keinen Einfluss darauf.'' ,, Sowas Ähnliches hab ich ihr auch gesagt.'' ,, Und du? Wieso hast du dich in mich verliebt?'' ,, Das weiss ich nicht so genau. Dein Aussehen und dein Charakter. Es ist wahrscheinlich einfach typisch, dass sich Mädchen in die Jungs verlieben, die meist eine grössere und frechere Klappe haben, als andere Jungs.'' ,, He!'' Er kippt mich hinten über auf's Bett und kitzelt mich aus. ,, Ah! Nein, hahahaha....hör....hör auf!!!'' ,, Wie war das? Grössere und frechere Klappe?'' ,, Hahaha, jahahahaha!'' ,, Vielen Danka auch.'' ,, Bihihihittehehe! Iiih!'' Ich muss noch etwas lauter kreischen, weil er mich noch mehr auskitzelt. ,, Erbahaharmen!'' ,, Na gut, ich will mal nicht so sein.'' ,, Danke sehr.'' Ich atme erleichtert auf und ziehe Nik zu mir. ,, Weisst du noch unser erster Kuss? Wie du mich vor meiner Haustür geküsst hast...es war schöner als im Märchen.'', seufze ich leise und schaue verträumt an die Decke. ,, Das werd' ich nie vergessen.'' ,, Mhm, es war unbeschreiblich schön. Der erste Kuss ist einfach immer der Schönste.'' ,, Ja, das stimmt.'' Nik legt den Arm ganz fest um mich und zieht mich eng an sich. ,, Ich liebe dich mehr, als ich je ein Mädchen geliebt habe.'' ,, Und ich liebe dich.''
Nik, meine erste grosse Liebe. Schon mit 12 Jahren. Ich fühle mich viel älter und Nik kommt mir auch viel älter vor. Dabei sagt man, dass Jungs immer so ca. drei Jahre der Entwicklung hinter her sind. Aber Nik nicht. Er hat sich wahnsinnig verändert und ist der tollste Junge, den ich bis jetzt kennen gelernt habe. Ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Ob jetzt als Freund oder nur Kumpel. Ich will ihn nie wieder verlieren!

***

Das fünfte Schuljahr geht nun schon wieder zu Ende. Nik und ich sind immer noch zusammen. Es wird Sommer und es dauert nur noch drei Wochen, dann sind Sommerferien. Nik und seine Familie reisen in der zweiten Woche für zwei Wochen nach Spanien. ,, So lange? Das halt ich nicht aus.'', seufze ich, als wir an einem heissen Nachmittag auf meinem Balkon vor dem Zimmer stehen und die Aussicht, die Wärme, die Sonne und unser Zusammensein geniessen. ,, Ich weiss, klingt nach einer langen Zeit, aber es wird schneller vorbei sein, als du auf drei Zählen kannst.'' ,, Eins, zwei, drei. Sind jetzt zwei Wochen um?'', frage ich als Scherz, weil ich weiss, dass es nur eine Redewendung ist.
,, Lena! Du weisst was ich meine.'' Nik sieht mich schief an. ,, Jaja, ich weiss, ich weiss. Dann können wir auch nicht telefonieren?'' ,, Höchstens zwei Mal die Woche. Wird sonst viel zu teuer.'' ,, Nur zwei Mal? Ohje. Und SMS?'' ,, Das wird schon eher möglich sein.'' ,, Hauptsache eine erfreuliche Nachricht an diesem Tag.'' ,, Nun übertreib mal nicht.'' ,, In jeder Beziehung gibt es dieselben Sorgen, wenn der Junge oder das Mädchen verreist.'' ,, Ich bleibe dir Treu, ich schreibe dir genügend SMS und ich rufe dich auch zwei Mal die Woche an. Und ich schaue keinem anderen Mädchen hinterher.'' Er legt seine Arme um meine Hüfte und sieht mich an. Ich trage rote Flip Flops, ein etwas dünklerer roter Rock, der mir knapp über die Knie reicht und meine Figur betont und die Haare habe ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Nik streicht mir mit seiner Hand über meine Wange, was ich immer wieder mit geschlossenen Augen geniesse. Er selber hat Turnschuhe an (dunkelblaue), kurze Hosen (schwarz und über die Knie), ein dunkel-hellblau gemustertes T-Shirt und ein schwarzes Cap. Mit dem schwarzen Cap sehen seine sonst schon so braunen Augen noch bräuner und dunkler aus, was ich unheimlich schön finde. Ich öffne die Augen wieder und schaue ihn an. Es ist wieder einer dieser Momente, wo ich ein extrem starkes Kribbeln im Bauch verspüre und ihn nie wieder loslassen will. ,, Egal, wie lange und wie weit ich weg bin, ich liebe nur dich. Ich schwöre es bei unserer Liebe.'' Er küsst mich und drückt mich fest an sich. Ich liebe dich auch. Und ich werde dir auch immer treu sein und keinem anderen Jungen hinterher schauen, denke ich bei mir.
Endlich ist der letzte Schultag. Eine Woche noch, dann reist Nik nach Spanien. Für mich ist es nichts Schlimmes, wenn fast alle erzählen können, wie weit sie gereist sind und was sie alles erlebt haben. Hauptsache, ich kann die Ferien geniessen. Die zweite und dritte Woche geht so schnell vorbei, wie mein Herz schlägt. Nik und ich wollen gleich nach Schulende schwimmen gehen. Es macht unheimlichen Spass mit Nik. ,, Bist du schon einmal von einem Metersprungbrett gesprungen?'' ,, Nein, dafür bin ich zu feige.'', sage ich und schaue skeptisch das hohe Brett an. ,, Ach was. Du bist doch nicht zu feige.'' ,, Wenn ich nicht zu feige wäre, dann wäre ich letzten Sommer nicht dreimal hinauf- und bereits nach zwei Sekunden wieder hinuntergestiegen.'' ,, Hast du Höhenangst?'' ,, Ja.'' ,, Das ist natürlich was anderes. Ich springe nur einmal, dann gehen wir ein Eis essen, okay?'' ,, Kannst auch zweimal springen. Auf mich brauchst du nicht zu schauen.'' ,, Aber ich will den Tag doch nicht nur auf dem Sprungbrett verbringen, sondern bei dir.'' ,, Na dann, in zwanzig Sekunden bist du wieder genau hier.'' ,, He, so schnell bin ich nicht.'' ,, Statt zu plaudern würd ich mich an deiner Stelle beeilen, sonst hast du tatsächlich viel länger.'' Grinsend gibt Nik mir einen Kuss und springt auf's Sprungbrett hinauf. Es ist fünf Meter hoch. Eins-zwei-hopp! Und schon landet er im Wasser. Ich seufze innerlich. Er ist total sportlich und hat vor nichts, oder fast nichts angst. Ich hingegen kann nicht einmal vom Dreimeterbrett springen. Ich sollte mich schämen. ,, Was schaust du denn plötzlich so miesepetrig drein?'', fragt Nik mich, als er plötzlich neben mir steht. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich gedankenverloren auf den Boden schaue und dabei etwas miesepetrig dreinschaue. ,, Nichts.'', sage ich lahm und lächle schwach. ,, Komm, mir kannst du nichts vormachen. Was ist los?'' Nik lehnt seine Stirn gegen meine und legt die Arme um mich. ,, Ach, ich schäme mich manchmal nur, wie unsportlich und feige ich bin. Wenn ich dir zusehe, wie du Fussball spielst, wie du vom Sprungbrett springst und so, dann denk ich immer: Ich sollte mich in meiner Unsportlichkeit schämen.'' ,, Lena, du musst dich doch nicht schämen. Ich bin dafür sehr schlecht in Deutsch und Französisch und lange nicht so klug und intelligent wie du.'' ,, Du bist viel klüger als ich.'' ,, Nein, bin ich nicht. Ausserdem kannst du super gut singen und hast den ersten Preis gewonnen. Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Jedenfalls bin ich es.'' Da hat er auch wieder recht. Ich kann gut singen und habe den ersten Preis gewonnen. Was will man mehr? Ich küsse ihn und sage: ,, Du hast ja recht.'' ,, Wie immer.'' ,, Angeber.'', sage ich und knuffe ihn in die Seite. Er lacht leise und küsst mich noch einmal.

***

Die zwei Wochen, in denen Nik weg ist, gehen laaangsam vorbei. Hingegen, als er wieder da ist und wir unsere noch gemeinsame Ferienzeit geniessen, geht alles schnell vorbei. In der zweitletzten Ferienwoche (8. August), feiern wir noch Niks Geburtstag. Ich habe ihm ein Foto von uns zwei in einem schönen Rahmen geschenkt. Dazu eine CD gebrannt, mit Liedern von denen ich weiss, dass sie ihm gefallen. ,, Danke Lena, das ist das schönste Geschenk, dieser Rahmen mit uns zwei.'' Ich bin nur am Nachmittag kurz bei ihm vorbei gegangen, da er sonst noch viel Besuch bekommen hat. Doch am Abend dann, treffen wir uns wieder bei ihm und feiern noch ein wenig zusammen. ,, Jetzt bist du schon wieder älter als ich und bis ich wieder gleich alt bin, dauert es noch laaange.'' ,, Ach, das ist doch egal. Bald bist du auch schon so alt wie ich.'' ,, Aber das dauert...'', sage ich und verdrehe dabei die Augen. Nik lacht. ,, Hättest du's lieber, wenn ich jünger wär als du?'' ,, Ohnein, bloss nicht.'' ,, Wäre das so schlimm?'' ,, Naja...mein Freund muss eben ein wenig älter sein als ich. So wie du jetzt.'' ,, Na, dann ist ja alles in Butter.'', grinst Nik und gibt mir einen Kuss.
Und dann findet noch der Auftritt von mir statt (neben dem Theater der 6. Klasse), den ich beim Casting gewonnen habe. Ich singe alle drei Lieder, die ich beim Casting auch schon gesungen habe und ein paar weitere. Das Konzert dauert etwa 30 Minuten, wenn nicht noch länger. Es wird ein voller Erfolg und eines ist für mich klar: Sowas will ich nochmals erleben. Ob jetzt Wettbewerb oder nicht. Es ist einfach ein furchtbar tolles Abenteuer auf der Bühne herumzuhüpfen, springen, singen...und die Zuschauer zu sehen, die einem zujubeln, klatschen, pfeifen und kreischen. Nik ist auch sehr begeistert gewesen von mir und hat mir mindestens hundert mal gesagt, ich müsse umbedingt nochmals sowas machen. Und das Beste ist gewesen: Viele Kinder und auch ältere wollten von mir Autogramme haben und Fotos machen. Etwa eine Stunde habe ich mit noch zig Leuten Fotos gemacht und auf Zeitungen, in Büchlein, auf Jacken, T-Shirts, Mützen, Etuis...unterschrieben. Es war einfach SUPERMEGAOBERAFFENGEIL! :D

***

In diesem Jahr müssen wir uns besonders gut anstrengen in der Schule, da die Übertrittsprüfung stattfindet. ,, Es wäre einfach zu schön, wenn wir in dieselbe Klasse kommen würden.'', meine ich, als Nik und ich einmal zusammen Hausaufgaben machen. ,, Ja, schon. Aber die Chance ist gering.'' ,, Wieso?'' ,, Na, dass wir beide in die gleiche Stufe kommen geht ja, aber es gibt nicht nur eine Klasse pro Stufe. Entweder kommen wir zusammen in die Klasse, oder eben nicht.'' ,, Hm...hauptsache wir sehen uns dann in den Pausen.'' ,, Genau. Und im Bus und auch sonst fast überall. Ausserdem haben wir ja noch genügend Freizeit.'' ,, Meinst du? Gibt es in der Oberstufe nicht zehn mal so viele Hausaufgaben wie hier?'' ,, Kommt bestimmt auch auf den Lehrer draufan. So schlimm wird das schon nicht werden.'' ,, Hoffentlich.'' ,, Hast du etwa Angst?'', fragt er mich mit zusammengekniffenen Augen. ,, Naja....ein wenig vielleicht.'' ,, Das brauchst du doch nicht. Du lernst neue Freunde kennen, zehn verschiedene Lehrer, neue Fächer...wird doch total interessant.'' meint er ganz zuversichtlich, doch ich entgegne: ,, Klar, du hattest nie Schwierigkeiten damit, Freunde zu finden. Du gehst auf jemanden zu, sprichst jemanden im Bus an und fertig. Schon hast du wieder drei Freunde gefunden. Ich kann nicht einfach so jemanden ansprechen und werde die ersten paar Tage bestimmt nur herumstehen und blöd aussehen.'' ,, Du vergisst, dass du einen Freund namens Nik hast, der für dich da ist und wenn die anderen sehen, dass du einen Freund hast, werden sie neidisch und bewundern dich und schon hast du auch ein paar Freunde.'' ,, Meinst du? Dann brauch ich also nur dich herumzuschleppen und schon laufen mir die anderen Mädchen nach?'' ,, Solange es nur Mädchen sind, die dir hinterherlaufen aus Neid und Bewunderung ist es mir recht.'' Zwinkert er mir mit dem rechten Auge zu und ich grinse ihn an. Nach den Hausaufgaben gibt es noch eine andere Beschäftigung, bei der wir nicht gestört werden wollen. ;)
Natürlich gibt es nicht nur die Übertrittsprüfung. Auch mein Geburtstag findet am 4. Oktober statt. Den feiern Nik und ich gemeinsam nach meinem Wunsch mit einem gemütlichen DVD-Abend zu zweit. Mit Luisa habe ich schon gefeiert und ausserdem hat sie gesagt: ,, Ich denke, du möchtest heute Abend mit Nik feiern. Ich wünsche euch viel Spass.'' Und so machte sie sich mit ihren Arbeitskolleginnen auch einen schönen Abend.
Die Wochen vergehen immer schneller, die Prüfung rückt immer näher und meine Aufregung und mein Lampenfieber steigen auch. ,, Lena, wieso bist du aufgeregt? Weiter runter als in die Real B geht's eh nicht.'' ,, Ich weiss, aber ich...ich weiss doch auch nicht.'' ,, Komm, entspann dich mal ein bisschen. Ich massiere dich jetzt, bis du wieder etwas ruhiger bist, okay?'' ,, Na gut.'' Nik kann sehr gut massieren, was mich auch immer schnell wieder beruhigt wie auch bei diesem Mal. ,, Denk einfach immer daran, egal wohin du kommst, du machst das Beste daraus. Es wird alles gut.'' ,, Hoffentlich.'' Nach ein paar Sekunden fühle ich, wie Nik sein Gesicht in meinen Haaren vergräbt und den Duft einatmet. Er hat die Arme um mich gelegt. Ich schliesse die Augen und geniesse seine Nähe.

***

Bald feiern Nik und ich unser Einjähriges. Ich bin überglücklich und könnte die ganze Welt umarmen. Endlich kommt der Frühling, die Prüfung rückt immer näher und mein Lampenfieber steigt auch wieder an. Nik und ich haben fleissig gelernt und sind bereit.
Am Tage der Prüfung kommt Mia zu mir und meint: ,, Ich wünsche dir viel Glück. Vielleicht kommen wir beide ja in dieselbe Klasse.'' ,, Dir auch. Ja, vielleicht.'' Was ist denn mit der los? Seit Wochen sprechen wir nicht mehr zusammen. Und jetzt das. Egal, ich konzentriere mich jetzt auf die baldige Prüfung. Vor Schulbeginn haben Nik und ich hinter dem Schulhaus nichts Wichtigeres zu tun, als zu knutschen. ,, Ich liebe dich, Lena, ich will dich nie wieder loslassen.'' ,, Ich liebe dich auch. Du darfst mich niemals alleine lassen.'' ,, Das werd' ich nie tun, versprochen.'' Leider klingelt in diesem Moment schon die Schulglocke und wir müssen uns auf den Weg machen. ,, Hoffentlich ist die Prüfung nicht so schwer.'' ,, Du schaffst das schon. Wir schaffen das schon.'' Drinnen müssen wir uns an unsere Plätze setzen und dann wird auch schon erklärt, wie es funktioniert. Die Regeln, die Aufgaben und und und. Dann geht es los. Zuerst kommt Deutsch an die Reihe. Einen Aufsatz in der Vergangenheit schreiben, einen Lückentext und ein Diktat. Danach gibt es eine Pause. Ich atme erleichtert aus und stehe auf. Wir gehen in den Flur, wo man für uns Kuchen und Getränke hingestellt hat. Nik kommt zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange. ,, Na, wie ist es gelaufen?'' ,, Nicht schlecht. Deutsch geht mir ja noch, aber nachher Mathe...'' ,, Denk positiv. Ich weiss, dass du es kannst.'' ,, Mhm. Und wie ist es bei dir gegangen?'' ,, Ich will gar nicht erst wissen, wieviele Fehler ich beim Diktat gemacht habe. Und der Aufsatz....naja, bei dir ist es wohl besser, als bei mir. Und beim Lückentext hatte ich die grössten Schwierigkeiten.'' ,, Ja, der war nicht einfach. Da hatte ich auch Schwierigkeiten.'' ,, Na, das beruhigt mich ja.'' Wir setzen uns auf die Treppe und geniessen die Pause zusammen. Sabrina und Nina setzen sich später zu uns und quatschen mit uns über allerlei. Solange, bis wir wieder ins Schulzimmer müssen.
,, Nochmals Deutsch oder was anderes?'', fragt mich Nik. ,, Ich weiss nicht. Hoffentlich noch etwas Deutsch. Wäre nicht schlecht.'' ,, Lieber Mathe für mich. Viel Glück weiter hin.'' Er küsst mich nochmals, dann setzen wir uns auf unsere Plätze. Mathe kommt. Als ich die Aufgaben sehe, werde ich ganz blass (das spüre ich irgendwie, mir wird ganz flau im Magen) und schaue zufälligerweise leicht nach rechts, wo Nik zwei Pulte weiter sitzt. Er sieht auch zu mir und lächelt mir liebevoll zu und hebt unauffällig den Daumen. Ich mach es ebenfalls und schaue wieder auf's Blatt. Wie um himmels Willen soll ich die Fläche unseres gezeichneten Schulzimmers ausrechnen? Dann noch Formen, die nicht aufgehen, Dreiecke und einen Kreis. Na gut, alles was Ecken hat ist noch tausend Mal leichter als was Rundes. Hilfe! Woher soll ich wissen, wieviel drei Dosen Grafitti kosten, wenn eine 4.95 Franken kostet. Dreimal 4.95? Oder nur zweimal, weil eines schon steht? Oder ganz anders? Man! Ich kann das einfach nicht! Wenn Nik neben mir sitzt und mich fragt wie ich die Aufgabe Schritt für Schritt ausrechnen muss, dann ist es viel leichter. Dann könnte ich diese verdammte Prüfung auch. Und dann noch eine Tabelle ausrechnen. Ein Liter Milch kostet 1.50 Franken. Wieviel kosten drei, fünf, sechs und sieben Liter Milch? Ein Sack Kartoffeln wiegt 10 Kilo. Wieviel wiegen zwei, drei, fünf und acht Säcke Kartoffeln? ICH WEISS ES NICHT! Am liebsten würde ich laut schreien. Aber STOPP, wir sind hier im Klassenzimmer. Ich muss mich also zusammenreissen und ruhig durchatmen. Ein, aus, ein und wieder aus. Puh! Sollte jetzt gehen. Also, das mit dem Zusammenreissen geht ja noch, aber die Aufgaben sind nicht leichter geworden. Leider.
Als die zwei letzten Lektionen des Morgens endlich überstanden sind, habe ich zwar nicht wirklich alles gelöst und auch nicht richtig. Ich habe einfach gerechnet, was ich gedacht habe. Mir doch egal, wenn es falsch ist. In Deutsch bin ich dafür etwas besser. Ich laufe mit Nik zu mir, weil er heute zu mir essen kommen kann. ,, Und wie ist es nun in Mathe bei dir gelaufen?'', fragt er mich unterwegs. ,, Du hast richtig blass ausgesehen. Am Liebsten hätte ich dir geholfen, aber das ging leider nicht.'' ,, Ach...pff...tzz...keine Ahnung. Ich habe einfach was gemacht. Stimmt wohl alles hinten und vorne nicht. Aber ich hatte keine Ahnung.'' ,, Für mich war es dafür diesmal leicht.'' ,, Hast du's gut.'' ,, Dafür ist bei mir Deutsch mieserabel ausgefallen, da bin ich mir sicher.'' ,, Dann sind wir ja quitt.'' ,, Ja, sind wir.'' Bevor wir reingehen, küssen wir uns noch einmal herzhaft.
Luisa erzähle ich beim Essen kurz, was ich für ein Gefühl bei Mathe habe. ,, Ach, das wird schon. Und wenn nicht, den Übertritt schaffst du sowieso. Kommst du eben in die Real B. Du hast dafür andere Talente, wo du kein Mathe gebrauchen kannst.'' ,, Genau,'', stimmt Nik ihr zu, ,, beim Singen muss man nicht rechnen.'' ,, Ich glaube, ich werde einmal Sängerin.'', sage ich gespielt nachdenklich, als hätten sie mir nicht schon hundert Mal genau das gesagt, zu werden. Luisa und Nik lachen und Nik sagt: ,, Und wieder hatte ich recht. Du wirst einmal Sängerin werden.'' Und Luisa meint: ,, Denk nicht zu fest an das Ergebnis bei der Prüfung. Deutsch wird gut, Mathe wird mieserabel, du kommst so oder so irgendwo hin und entwickelst dabei dein Talent weiter. Das Schicksal wird dich eines Tages sowieso zu irgendwas bringen, wo für dein Leben bestimmt ist. In deinem Alter hatte ich auch sehr grosse Angst, niemals eine Lehrstelle zu finden, das Falsche zu lernen und nichts erreichen zu können. Ich habe zwar nicht einen Beruf erlernt, wo ich Millionärin werden kann, dafür habe ich mir die kleinen Dingen des Lebens erfüllt, eine wunderbare Adoptivtochter bekommen und all das erlebt, was ich je erleben wollte. Jeder Tag ist einzigartig und bringt etwas Neues. Nur nicht verzweifeln und denken: ,Hilfe, was soll ich bloss machen?' Ein Tag mit Nichts gibt es nicht.'' ,, Du hast recht. Das wird schon. Und wenn ich nicht in die Sek A komme.'' ,, Dort willst du gar nicht hin. Dort gibt es schwierigere Aufgaben, Tests und mehr Hausaufgaben. Die Lehrer verlangen mehr von dir und helfen dir auch weniger beim finden einer Lehrstelle. In der Real A oder B bist du am Besten aufgehoben.'' ,, Das würd ich auch sagen.'', stimmt Nik ihr zu. Ja, beide haben recht. Ich sollte mir wirklich nicht so viele Gedanken machen und mich einfach darauf konzentrieren, was mir mein Leben bringen wird.
Am Nachmittag kommt zuerst nochmals Deutsch dann wieder Mathe. Dann haben wir es endlich geschafft. Um 15.10 Uhr können wir nach Hause gehen. Nik und ich müssen uns leider schon beim Parkplatz verabschieden, weil er nach Hause muss. Er küsst mich gaaanz lange und dann kommt auch schon das Auto von seinem Vater angefahren.
,, Bis Morgen.'' ,, Tschüss.'' Nachdem das Auto weg ist mache ich mich auch auf den Heimweg. Ich bin richtig erschöpft und freue mich auf mein Bett, wo ich in Ruhe von Nik träumen kann.

***

Die nächsten Wochen laufen wieder entspannter und in der Schule werden die Lehrer auch wieder etwas lockerer. Einmal müssen die Eltern mit dem Kind die Übetrittsprüfung anschauen gehen und dort kommt raus, wohin man eingestuft wird. Ich werde in die Real A eingestuft, womit ich sehr zufrieden bin. Nik wird in die Sek B eingestuft, was mir nichts ausmacht. Ich bin stolz auf ihn und er auf mich. Wir sind gegenseitig stolz aufeinander, was einem noch mehr Mut gibt, für die Zukunft. Eigentlich alles super, wie es läuft. Bis zu diesem Tag....
Es ist ein sonniger Freitag. Eigentlich ein Tag, der nur schön werden kann. Das denke ich am Morgen auch, als ich aufstehe und bin super gelaunt. Bis ich in die Schule komme. Nik ist ganz anders als sonst. (Nina übrigens auch). Das merk ich, als wir uns begrüssen. Er begrüsst mich nicht richtig und lächelt nur schwach. Er schaut die ganze Zeit auf den Boden. Man möchte meinen, es wären sieben Tage Regenwetter. ,, Was ist los mit dir, Nik?'', frage ich vorsichtig, als wir uns beim alten Eingang auf die Treppe setzen.
,, Meine Eltern lassen sich scheiden.'' Oh mein Gott. Das muss ja schrecklich sein! ,, Oh man, das tut mir leid, Nik. Komm.'' Ich lege die Arme um ihn und er lehnt sich an mich. Er fühlt sich richtig elendig, das spüre ich. Was sagt man bloss zu jemandem, dessen Eltern sich scheiden lassen wollen? Alles wird gut? Nein, das passt nicht. Was soll schon gut werden, wenn die Familie auseinander bricht? Ich kann mir gut vorstellen, dass es schlimm ist. Nein, schrecklich muss es sein. Aber was würde ich an seiner Stelle hören wollen? Gar nichts. Ich möchte alleingelassen werden und trauern. Aber er erwartet bestimmt von mir, dass ich was sage. ,, Haben sich deine Eltern denn gestritten?'' Ob das was Richtiges war? ,, Nein...doch..ich weiss nicht genau. Sie haben entweder fast nichts miteinander geredet oder nur knappe Sätze, kühler Umgang, sonst nichts.'' ,, Wie lange denn schon?'' ,, Seit einer Woche oder so.'' ,, Wer zieht denn von zu Hause weg?'', frage ich vorsichtig, weil diese Frage besonders schmerzt. ,, Meine Mutter mit...'', er holt tief Luft und sieht mich an, ,, mit Nina und mir.'' Ich schaue ihn entsetzt an. ,, Was? Aber...wie...wohin denn? Ich meine, du....und Nina...ihr...'' Ich breche ab und schüttle den Kopf. Ich kapiere nichts mehr. ,, Mam, Nina und ich werden wegziehen und anderswo zur Schule gehen.'' ,, Was? Nein, Nik, das ist doch nicht wahr!'', rufe ich fast und will aufstehen, doch Nik hält mich zurück. ,, Doch, leider schon. Wir werden nicht an dieselbe Schule gehen, aber wir können uns immer noch oft sehen.'' Nun ist Nik dran, mich zu trösten. Dieser Tag ist für mich gelaufen. Nik wird wegziehen, ich werde ihn nur noch wenig sehen und vielleicht findet er ein neues Mädchen, verliebt sich und aus die Maus. Fertig. Amen. Schluss. Basta. Nik drückt mich fest an sich. ,, Ich liebe dich, Lena, das soll nicht daran scheitern, nur weil ich wegziehen muss.'' ,, Bist du dir sicher? Was, wenn du ein anderes Mädchen findest?'' ,, Dich gibt es nur einmal.'' ,, Ach Nik.'' Seufzend lehne ich mich an seine Schulter. Mir wird plötzlich ganz übel. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, wie es sein wird ohne Nik. Wenn ich ihn nicht mehr täglich sehen kann. Ob das unsere Beziehung aushalten wird?

***

Am Mittag erzähle ich Luisa, was Nik erzählt hat. ,, Wie bitte? Oh nein, der arme Junge!'' ,, Ja, vor allem...was wird dann aus Nik und mir? Ich glaube nicht, dass ich eine Fernbeziehung lange aushalten werde.'' Unglücklich schaue ich auf den Tisch, den Kopf auf die Hand gestützt. ,, Alles wird gut, Lena, bestimmt. Versucht es einfach mal, sonst bleibt ihr einfach gute Freunde.'' Gute Freunde? Ich und Nik? Das ist eine komische Vorstellung, wenn wir jetzt zusammen sind. ,, Kann man das denn?'' ,, Was?'' ,, Na, mit dem Ex-Freund befreundet bleiben.'' ,, Natürlich kann man das. Naja, es könnens nicht alle.'' ,, Und wenn es bei Nik und mir auch so wäre?'' ,, Lena, nun denk einfach mal positiv, ja? Ihr seid jetzt noch zusammen und das wird bestimmt noch so bleiben.'' Hoffentlich hat sie recht, denk ich für mich.
Am Nachmittag in der Schule sprechen Nik und ich nochmals darüber. ,, Wir schaffen das schon, Lena. Es gibt schliesslich noch Ferien.'' ,, Ja...schon...'' ,, Und am Wochenende können wir uns sehen.'' ,, Jedes Wochenende?'' ,, Nein, unregelmässig. Alle zwei oder drei Wochenenden.'' ,, Super.'', sage ich mit wenig Begeisterung. Meine grösste Angst ist immer noch, dass er sich in ein anderes Mädchen verlieben könnte. ,, An was denkst du?'', fragt Nik mich und streicht mit seiner Hand über mein Haar. Wir sitzen übrigens bei unserem Stammplatz beim alten Eingang auf der Treppe. ,, Ach, nichts Wichtiges.'', winke ich ab und gebe Nik einen Kuss auf die Wange. Ich sehe ihm an, dass er mir nicht ganz glaubt, aber er sagt nichts mehr. Als es klingelt, stehen wir auf und gehen rein. Während dem Unterricht merke ich, wie Mia immer wieder zu mir sieht. Einmal schaue ich zurück. Sie schaut mich fast ein bisschen mitleidig an und sieht wieder weg. Was hat sie denn jetzt schon wieder? In der Pause dann, als ich mit Nik bei den Fahrrädern stehe, kommt Mia und meint: ,, Tut mir echt Leid für euch zwei.'' Nik und ich schauen uns skeptisch an und ich frage zurück: ,, Was meinst du?'' ,, Na, dass Nik wegziehen muss. Wird bestimmt nicht leicht werden für euch.'' ,, Nein, das bestimmt nicht.'' , sage ich langsam. ,, Tja...ich geh dann mal wieder. Bis nachher.'' Und weg ist sie. ,, Was um himmels Gotts Willen war das denn?'', frage ich verwirrt und schüttle den Kopf. ,, Ich kann's mir schon denken.'', sagt Nik mit immer noch zusammengekniffenen Augen. Ich schaue ihn fragend an. ,, Ganz einfach: Da ich nicht an dieselbe Schule gehen werde, wie du, kann sie sich wieder bei dir einschleimen und ihr werdet wieder beste Freundinnen ohne einen störenden Nik.'' ,, He, du bist nicht störend. Das sagt sie. Ich nicht.'' ,, Da bin ich ja erleichtert.'' ,, Aber Mia und ich werden bestimmt nicht mehr beste Freundinnen.'' ,, Und wenn doch?'' ,, Nein, nie.'', sage ich und wechsle das Thema. ,, Gehen wir nächstes Wochenende wieder Pizza essen? Ich hätte grosse Lust darauf.'' ,, Klar, könnten wir eigentlich.'', antwortet Nik und küsst mich, bevor wir wieder reingehen müssen.

***

Die Zeit vergeht immer schneller, der Tag, an dem Nik und Nina weggehen müssen, rückt immer näher. Natürlich sind zuerst noch drei Wochen Ferien. Sport- und Frühlingsferien. Dann nochmals eine laaange Zeit und die Sommerferien stehen vor der Tür. In diesem Sommer geht Nik's 'Familie' nicht mehr in die Ferien. Jedenfalls nicht alle zusammen. ,, Am 15. August ziehen wir um.'', meint Nik an einem Wochenende, als wir auf meinem Balkon Eis essen und die Sonne geniessen. Noch drei Wochen Schule und dann beginnen die Ferien. ,, Hauptsache feierst du deinen Geburtstag noch hier.'' ,, Bestimmt. Sonst hätten wir ihn nachgefeiert.'' ,, Und du kommst nur unregelmässig an den Wochenenden hier her?'' ,, Naja...eigentlich jedes Zweite, ausser es steht bei meiner Mutter was an, das dazwischen kommt.'' ,, Mhm.'' ,, Wir telefonieren jeden Tag, wir schreiben jeden Tag SMS und sehen uns bestimmt einmal in der Woche.'' ,, Das wird doch zu schwierig. Du wohnst dann weiter weg.'' ,, Wir werden das schon überstehen.'' ,, Mhm, hoffentlich.''
Nik und ich unternehmen noch so viel wie möglich, doch der Stein in meinem Bauch wächst immer mehr. Ich zähle nun schon Wochen und Tage. Bald noch Stunden und Minuten. Nik versucht so zu tun, als wäre nichts und will mich ablenken. Am Anfang versuche ich, später gelingt es mir schon besser, ihm vorzumachen, alles wäre gut. Oder anders gesagt: Mir ginge es besser. Dabei weint mein Herz und ich kann an nichts anderes als an diesen 15. August denken. Ich hasse diesen Tag und es graust mir davor. Logisch, dass die Zeit schneller vergeht, wenn man sie geniesst, als wenn man sich wünscht, sie würde mal vergehen. Tage fliegen an mir und Nik vorbei. Er kommt nun oft am Wochenende zu mir übernachten, da es bei ihm zu Hause meist dicke Luft hat. Nina geht oft zu Sabrina. Seine Eltern gehen ganz kühl miteinander um und sprechen kaum ein Wort miteinander. Mit Nik und Nina gehen sie allerdings um, als wäre nichts. ,, Sie denken, Nina und ich würden uns so besser fühlen. Dabei ist es mehr horror, wenn sie so tun, als wäre nichts, als wenn sie so wären, wie es ist.'' Nik liegt auf meinem Bett und starrt an die Decke. Ich sitze im Schneidersitz auf dem Bett, mich zu ihm gewendet und löse Sudokus. ,, Sie wollen es dir und Nina wohl so angenehm wie möglich machen, können aber miteinander selbst nicht mehr 'nett' oder 'normal' umgehen.'' ,, Angehnehm? Nichts ist mehr angenehm zu Hause. Ich wünschte, ich müsste gar nicht mehr nach Hause. Nina tut mir so leid. Sie leidet am meisten. Sie weint fast jeden Abend in ihrem Bett und wenn ich sie trösten will, sagt sie nur: ,Lass mich in Ruhe. Es geht mir gut.' Dabei seh' ich doch, wie sie leidet. Aber Hilfe will sie keine.'' ,, Einerseits möchte sie vielleicht Hilfe, kann es aber nicht sagen, weil sie sich so beschissen und alleine fühlt, andererseits will sie vielleicht wirklich alleingelassen werden.'' ,, Siehst du? Es ist nicht einmal sicher, was sie will, wie sie sich fühlt und was jetzt richtig wäre zu tun.'' ,, Nik, ich bin mir sicher, sie wird dir bestimmt irgend so ein Geschwisternsignal senden, wenn sie wirklich nicht alleine sein möchte. Oder du gehst einmal einfach trotzdem zu ihr, auch wenn sie klar und deutlich sagt, sie wolle alleine sein. Wir sagen oft Sachen, die wir nicht meinen, damit die anderen es richtig verstehen und nicht gehen.'' Nik setzt sich auf und hebt mein Kinn an. ,, Woher weisst du das alles? Du sagst immer so logische Sachen. Erklärst etwas, das so logisch klingt, wo man vorher nicht schlau daraus wurde.'' ,, Ich sage, was ich denke und was meine Meinung ist. So, wie ich es auch tun würde, vielleicht.'' Nik lächelt und sagt: ,, Meine Lena.'', und küsst mich. Danach meint er: ,, Sag mal, ihr Mädchen quatscht doch immer mit eurer besten Freundin über alles, was man mit dem Freund oder sonst so erlebt. Mit wem sprichst du eigentlich darüber?'' ,, Das, was mich wirklich interessiert frage ich Luisa, aber sprechen...mit wem sollte ich schon?'', antworte ich immer noch ins Sudoku vertieft. ,, Mit niemandem?'' ,, Nein.'' ,, Dir fehlt einfach eine beste Freundin.'' Ich schaue ihn an und und schaue wieder in mein Sudoku. Irgendwie, keine Ahnung weshalb, kriege ich gerade schlechte Laune. Aber gewaltig. Nik und ich haben uns erst zweimal gezofft. Nicht heftig. Naja, beim ersten Mal war ich so ziemlich heftig verzeifelt, dass sich Nik vielleicht in ein anderes Mädchen verlieben würde...

,, Lena, du weisst, dass ich nur dich liebe, wieso also, sollte ich mich in ein anderes Mädchen verlieben?'', fragt Nik bald am Ende seiner Geduld. Wir sind in seinem Zimmer. Ich sitze auf seinem Bett, er steht mitten im Zimmer und sieht mich nun an. ,, Wieso, Lena?'' ,, Kannst du das wirklich nicht verstehen? Hast du etwa keine Angst, dass ich einem Jungen über den Weg laufen könnte, der in mir auch Gefühle wecken könnte?'' ,, Ich habe vertrauen und weiss, dass du mich liebst.'' ,, Ich habe auch vertrauen. Und ich weiss auch, dass du mich liebst. Aber, du bist schliesslich ein Mädchenschwarm. Jedes zweite Mädchen schaut dir hinterher, jedes dritte Mädchen macht dich an und in jedes vierte könntest du dich verlieben. Ich bin eben nicht so begehrt wie du!'', rufe ich schon fast. Ich stehe nun vor ihm und schaue ihn wütend an. Er hingegen schaut fast traurig drein.
,, Lena, wie oft am Tag soll ich dir denn noch sagen, dass ich dich liebe? Willst du es schriftlich?'' ,, Du kapierst es einfach nicht.'' Ich schüttel den Kopf und schliesse Kurz die Augen. ,, Was kapiere ich nicht.'' ,, Es geht doch nicht darum, wie oft du mir sagst, dass du mich liebst, es geht darum, dass es auf dieser grossen Welt noch zig andere Mädchen gibt, die sich in dich verlieben könnten und du dich in sie, weil sie etwas haben und ich nicht, was dir gefällt. Oder etwas nicht haben, dass dich an mir stört.'' Nik seufzt und meint: ,, Na gut, ich verstehe schon.'' ,, Das sagst du doch nur so.'' ,, Nein, es ist so. So begehrt bin ich nun auch wieder nicht.'' ,, Sieh dich doch mal an.'' ,, Geht's nur um's Aussehen?'' ,, Nein, mir nicht, aber anderen Mädchen schon.'' Zuerst ist eine Weile einfach nur still, dann plötzlich meint Nik wütend: ,, Wenn du eben meinst, dass ich mich in ein anderes Mädchen verlieben könnte, mach ich's eben auch. Und du suchst dir am Besten auch einer, der perfekt ist. Dann lassen wir's eben. Hat doch eh keinen Sinn mit uns, wie du sagst. Geh' halt und such dir einen Freund, der immer in deiner Nähe ist und dich niemals alleine lassen würde! Geh!'', ruft Nik. Er hat mich an den Schultern gepackt und stösst mich nun ein wenig sanfter, als er mich gepackt hat, weg. Ich schaue ihn erschrocken an. Was ist bloss in Nik gefahren? Warum ist er so wütend? Langsam erhole ich mich wieder vom ersten Schock und gehe. Ich springe die Treppe runter, ziehe meine Schuhe an, nehme meine Tasche und gehe. War's das jetzt? Oder ist er einfach nur ausgerastet, wegen...wegen mir?
Am nächsten Tag in der Schule sitze ich auf der Treppe, wie immer, beim alten Eingang, als Nik kommt. Ich habe mich an die kleine Mauer gelehnt und denke an den gestrigen Streit nach. Nik setzt sich neben mich hin und nach einer Weile meint er leise: ,, Tut mir leid wegen gestern. Ich wollte dich nicht so anschreien und so grob an den Schultern packen. Es ist nur, ich weiss einfach nicht, wie ich dir beweisen soll, dass ich dich wirklich 1000%ig über alles liebe. Ich verstehe deine Zweifel ja und deine Ängste, aber versuch doch einfach unsere Liebe jetzt noch so zu geniessen, wie sie ist und an uns zu glauben.'' Nach einer kurzen Weile Schweigen, anworte ich leise: ,, Mir tut es auch leid. Und ja, ich versuche mehr positiv zu denken und es noch zu geniessen.'' Auch, wenn es mir verdammt schwer fällt. Nik legt den Arm um mich, dreht mit der Hand mein Gesicht zu sich, sieht mich zuerst nur an, dann küsst er mich. Es ist total schön ihn wieder so nahe zu haben. Es kommt mir vor, als hätten wir jahrelang gestritten und uns endlich wieder versöhnt.

Das zweite Mal, an dem wir uns gezofft hatten war, als wir beide einen etwas schlechten Tag hatten. Zuerst hätte ich fast verschlafen, dann hat Nik mir Vorwürfe gemacht, dass ich zu spät kam, was mir absolut den Laun in den Keller fallen liess. Er selbst hatte Streit mit seiner Mutter und hatte schlecht geschlafen. Den ganzen Tag sprachen wir nicht mehr miteinander, erst am nächsten Tag versöhnten wir uns wieder und lachten darüber, was passiert war.

,, Jedes Mädchen braucht schliesslich eine beste Freundin. Mit wem soll sie sonst lästern und über die Ereignisse quatschen?'', sagt er mehr so vor sich hin. Doch mir reicht dies schon. ,, Vielen Dank auch, dass du mir noch unter die Nase reiben musst, dass ich keine beste Freundin mehr habe und eben mit niemandem darüber sprechen kann. Ausserdem lästere ich nicht, das ist das Letzt was ich tun würde. Ihr Jungs seid nicht besser.'' Ich habe das Sudoku neben mich gepfeffert und stehe nun auf. Nik sieht mich zuerst erschrocken an, dann steht er auf und will mich besänftigen: ,, He, ich hab's doch nicht so gemeint.'' ,, Dann sag sowas nicht. Falls du es nicht mehr weisst, bin ich nur nicht mehr mit Mia befreundet, weil ich dich von Anfang an mochte.'' ,, Ach, bin ich jetzt etwa noch schuld?'' ,, Das habe ich nicht gesagt. Ich hab's dir nur unter die Nase gerieben.'' ,, Lena, ich habe doch schon gesagt, dass ich es nicht so gemeint habe.'' Er nimmt mich am Arm und zieht mich zu sich heran. ,, Und wieso sagst du dann sowas?''
,, Das habe ich doch nur so gesagt. Tut mir leid.'' Er streicht mir über die Wange und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. ,, Ich sage nie wieder sowas, versprochen.'' Ich seufze und lehne mich an ihn. Wieso werde ich in letzter Zeit nur so schnell wütend? Ist es, weil Nik bald geht? Oder was?
Nik bleibt noch zum Abendessen, dann verabschiedet er sich. ,, Bis Morgen, Lena.'' ,, Tschüss, komm gut nach Hause.'' Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, sagt Luisa hinter mir: ,, Na, eure Beziehung leidet wohl sehr darunter, dass Nik bald gehen muss.'' ,, Wie kommst du darauf?'' ,, Du strahlst nicht mehr so, wenn er kommt und ihr lacht nicht mehr so viel zusammen wie am Anfang. Oder....habt ihr sonst Streit?'' ,, Nein, klar, wir haben öfters etwas Streit als sonst, aber wir lieben uns immer noch.'' ,, Dann ist ja gut.''
Am Abend, als ich im Bett liege, denke ich für mich: Sieht man so sehr, dass Nik und ich darunter leiden, dass er bald weg muss? Ich seufze noch einmal, bevor ich dann einschlafe.

***

Zwischen mir und Nik ist die Stimmung nun viel öfters gereizt. Naja, wir vertragen uns zwar am nächsten Tag dann immer, aber trotzdem. Wir leiden sehr darunter. Einmal, als wir einen kleinen Spaziergang von seinem Zuhause aus machen, frage ich ihn: ,, Sag mal...wir streiten in letzter Zeit ziemlich oft. Ich frage mich oft, ob du wohl noch lange mit mir durchhalten wirst. Ob du...ob du noch die Kraft und die Nerven dazu hast.'' ,, Naja, meine Nerven sind bald alle.'', grinst Nik. ,, Nik, ich mein' es ernst.'' ,, Ich weiss. Lena glaub mir, ich denke auch oft darüber nach, wie das mit uns weiter gehen wird. Aber jedesmal, wenn ich daran denke, dass wir uns plötzlich...trennen, so weit denke ich kaum, weil mir dann immer wieder alles in den Sinn kommt. Wie ich dich kennen gelernt habe, wie ich mich in dich verliebt habe, unser erster Kuss und so, dann denk ich immer; mit diesem Mädchen hab ich schon so viel erlebt und durchgemacht, das geb ich jetzt nicht auf. Dafür lieb ich sie zu sehr.'' ,, Ehrlich?'' Ich bin stehen geblieben und schaue ihn nun überrascht, tief berührt und traurig lächelnd an. ,, Ja, ehrlich. Ich will immer mit dir zusammen sein, ich liebe dich schliesslich mehr, als alles andere. Für mich bist du mehr als nur eine oder meine Freundin, für mich bist du ein Mädchen, das immer zu mir gehalten hat, mir geholfen hat und mir gezeigt hat, was liebe ist. Du hast mich nicht im Stich gelassen, nur weil die anderen mich nicht mochten. Sogar, als du fiese Zettel gekriegt hast, hast du zu mir gehalten. Ich glaube, einen grösseren Liebesbeweis gibt es nicht. Dafür lieb ich dich.'' Wir küssen uns lange und innig. Nik hat recht. Auch, wenn bald eine schwierige Zeit auf uns zukommt und wir uns weniger oft sehen; Wir schaffen das! Unsere Liebe ist stark genug. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, ohne Nik zu sein. Er ist das Beste, was ich bisher bekomen habe.

***

Es dauert jetzt noch genau fünf Tage, dann sind Sommerferien. Zehn Tage und Nik muss gehen. Traurig aber wahr. Nik und seine Schwester wollen im Sommer bei ihnen zu Hause eine Abschiedsparty feiern. Ich helfe ihnen beim Organisieren und einladen. Die ganze Klasse soll kommen. ,, Mia auch?'', frage ich Nik. Er schaut zu mir und nickt. Na gut, dann laden wir Mia eben auch ein. ,, Vielleicht verträgst du dich ja wieder mit ihr.'' ,, Nach allem, was sie mir und vor allem dir angetan hat? Ne, vergiss es.'' ,, Lena, Menschen machen Fehler um daraus zu lernen und Freunde und Familie sind da um zu verzeihen.'' ,, Ich nicht.'' ,, Das zwischen euch wird bestimmt wieder besser. Vielleicht werdet ihr nicht mehr beste Freundinnen, aber wenigstens so gute Freundinnen, die wieder Sachen miteinander unternehmen und zusammen lachen können.''
,, Vielleicht.'', sage ich knapp und konzentriere mich wieder auf die Liste mit den Sachen, die wir für die Party brauchen werden. Es soll ein wenig getanzt, zusammen gelacht und gequatscht werden. Es sollen sich alle sehr amüsieren und es lustig miteinander haben. Es hat mich sehr verwundert, dass Nik und Nina alle einladen wollen, da ja fast die Hälfte der Klasse sich Nik gegenüber so fies benommen hat. Aber er muss es ja wissen. Und wenn er sich sicher ist, dass es eine gute Idee ist, bitte.
Die Party wird bestimmt bis Mitternacht dauern, wenn nicht noch länger. Ich darf übernachten, Niks Wunsch, und Sabrina übernachtet bei Nina, Ninas Wunsch.
Die Party beginnt um frühestens 18.00 Uhr. Die Leute kommen dann, oder auch etwas später.

Endlich ist der Tag gekommen! Es sind Sommerferien und die Party ist heute. Ich bin schon etwas früher mit Sabrina dort um bei den nötigsten Vorbereitungen noch zu helfen. Dann geht's endlich los. Die Leute aus unserer Klasse kommen einer nach dem anderen. Im Keller, der extra ein wenig geheizt wurde, haben wir einen grossen Tisch aufgestellt, mit Getränken und Knabberzeug. Eine kleine Stereoanlage mit viel Power wurde installiert, damit wir so richtig Musik hören und abtanzen können. (Ich selber möchte ja lieber nicht tanzen, und die anderen...). Jeder hat eine CD mitgebracht, damit jeder Musikwunsch einmal dran kommt und niemand später jammern kann, wir hätten nicht richtige Musik aufgelegt. Farbige Lichter haben wir aufgehängt und eine Diskokugel, von Sabrina gespendet, hängt auch mitten im Raum. Der Raum sieht jetzt echt toll aus. Da muss man fast einmal das Tanzbein schwingen gehen... xD
Als die Party in vollem Gange ist, vordert mich Nik auf, zu tanzen. Hät' ich mir ja denken können. ,, Das willst du dir nicht wirklich antun, Nik.'', sage ich und halte mich am Tisch ein wenig fest. ,, Oh doch, das will ich mir liebend gern antun.'', lacht Nik und zieht mich auf die Tanzfläche. Es ist gar nicht so schlimm, wie ich später bemerke, (aber niemals zugeben würde), und amüsiere mich prächtig. Nach dem Tanzen setze ich mich ein wenig hin, während Nik noch Sabrina zum Tanzen auffordert. ,, Na? Nichts dagegen, wenn dein Traumprinz mit einer anderen tanzt?'', sagt jemand von hinten und setzt sich neben mich. Mia. ,, Was willst du?'', frage ich müde und genervt. ,, Ich wollte nur ein bisschen mit dir quatschen.'' ,, Das habe ich gemerkt. ,Na? Nichts dagegen, wenn dein Traumprinz mit einer anderen tanzt?','', äffe ich sie nach. ,, 'tschudligung. Die Party ist echt cool. Schade, müssen die zwei wegziehen.'' ,, Schade? DU findest es schade?'' ,, Klar.'', meint Mia unschuldig wie ein kleines Kind. ,, Ach, komm schon. Du magst Nik nicht, wieso solltest du es denn schade finden?'' ,, Jaja, komm jetzt wieder mit dem.'' ,, Du hast angefangen.'' Eine Weile ist Schweigen und ich wünsche mir in Gedanken, dass Mia geht. Doch sie bleibt. Leider. ,, Wie geht es eigentlich mit euch weiter?'', fragt Mia nun. ,, Was geht dich das an?'' ,, Frage ja nur.'', murmelt Mia. Na gut, wenn's sein muss...,, Nik und ich werden eine Fernbeziehung führen, ganz klar.'' ,, Eine Fernbeziehung? Lena, so gut kenn' ich dich nun doch, dass ich weiss, dass dies nie funktionieren wird. Du und eine Fernbeziehung? Ne.'' ,, Vielen Dank für deine Motivation an mich. Kann ich wirklich sehr gut gebrauchen.'' ,, Es ist aber so, wollen wir wetten, dass du es nicht auhalten wirst, ihr streit kriegt und euch wahrscheinlich sogar trennt?'' ,, Mia! Jetzt halt deine Klappe!'', rufe ich und stehe auf. ,, Mit sowas blödem wette ich nicht.'' Ich gehe nach oben, um mir ein Glas Wasser zu holen. Als ich in der Küche aus dem Fenster schaue, in Gedanken versunken, (mir gehen die Worte von Mia nicht mehr aus dem Kopf. Auch wenn ich es gar nicht zugeben würde vor ihr, ich und eine Fernbeziehung? Ich habe jedenfall grosse Angst davor...!), das Glas in der Hand, schlingen sich plötzlich zwei Arme sanft um mich. Es ist Nik. ,, Was ist los, Lena? Ich habe gesehen, wie du mit Mia gesprochen hast und dann plötzlich wütend davongelaufen bist.'' ,, Ach...es ist...nichts. Nicht so wichtig.'', versuche ich abzuwinken, drehe mich um und lächle ihn an, als wäre nichts. Doch Nik ist nicht so blöd. ,, Komm schon Lena, was ist passiert?'' Er streicht mir mit seiner Hand sanft über die Wange. Ich liebe diese Geste. Sie beruhigt und verursacht in mir ein Kribbeln und lässt ein warmes Gefühl aufsteigen. Ich seufze. Hat ja eh keinen Sinn. Er merkt sowieso immer alles. Also erzähle ich ihm, was ich mit Mia geredet habe und was sie gesagt hat. Als ich fertig bin, schaut er auf den Boden, dann wieder in meine Augen.
,, Und?'' ,, Was und?'' ,, Ist es, wie sie sagt? Sie kennt dich länger und weiss es daher besser als ich. Bist du für eine Fernbeziehung weniger geeignet?'' ,, Nik, ich...'' ,, Lena, sag es mir.'' ,, Hab ich doch eigentlich schon zig mal. Wenn ich gesagt habe, dass du plötzlich ein anderes Mädchen findest, wenn wir uns weniger sehen, uns auseinander leben und plötzlich...'' Ich breche ab. ,, Lena, so weit wird es nie nie nie nie nie niemals kommen, ich verspreche es dir. Hör nicht auf Mia. Eine Fernbeziehung ist für niemanden leicht. Ausserdem haben wir zwei Glück, dass es nicht nur eine Ferienliebe ist. Die, die im Ausland jemanden kennenlernen, die sehen sich dann wahrscheinlich nie wieder. Aber wir zwei, wir werden uns so oft wie es nur geht, sehen. Ich liebe dich doch, Lena.'' er gibt mir einen Kuss und nimmt mich in die Arme. Ja, Nik hat recht, wir werden das schon schaffen. Fernbeziehung hin oder her. Mia kann noch viel sagen. Aber Nik und ich, wir lieben uns schliesslich schon lange. Und noch länger. Nach ein paar Minuten gehen wir wieder hinunter. Ein paar aus der Klasse haben Nik und Nina noch ein Geschenk mitgebracht. Mist, an das habe ich nicht gedacht. ,, Was schaust du denn so komisch?'', fragt Nik mich, der plötzlich neben mir steht. Ich stehe am Tisch und trinke gerade eine Cola. ,, Was? Äh...nichts.'' ,, Komm, du kannst mir nichts vormachen. Gefällts dir nicht?'' Er hat die Arme um meine Taille gelegt und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. ,, Doch, es gefällt mir sehr gut. Ehrlich...'' ,, Aber?''
,, Ich bin gar nie auf die Idee gekommen, dir und Nina ein Abschiedsgeschenk zu geben. Fast alle haben was mitgebracht.'' ,, Also, erstens mal; nicht alle, wie du gesagt hast. Zweitens: Ich will mich nicht von dir verabschieden, weil wir uns immer wieder sehen werden und drittens: wenn du mir und Nina was geben möchtest oder noch einen Wunsch erfüllen möchtest, hätte ich da eine Idee.'' ,, Und die wäre?'' Nun hat Nik mich neugierig gemacht. Er zieht mich in eine Ecke und winkt Nina heran. ,, Was gibts?'', fragt sie neugierig. ,, Was haltet ihr davon, wenn Lena...''
Zwei Minuten später...
,, Leute, hört bitte mal kurz hin. Ich und Nina möchten uns bei euch für die Geschenke bedanken und dafür, dass ihr alle gekommen seid. Es war bis jetzt sehr toll mit euch und wird jetzt noch toller. Jetzt kommt unser kurzfristiges Highlight. Ladies and Chentelmen, hier ist.....Lena!'' Alle klatschen laut und ich trete an das Mikro, (das es komischerweise und glücklicherweise auch noch im Keller gehabt hat), und beginne. Ich beginne zu singen. Ich beginne mit The Climb, fahre weiter, (nach kurzem und heftigem Applaus), mit How Owns My Heart, dann Let's Get Crazy, Can't Back Down, I Miss You und Kicking and Screaming. Alle klatschen so heftig, dass ihre Hände rot werden. Nik tritt zu mir auf die Bühne, als ich fertig bin und sagt ins Mikro: ,, Das war Lena, unsere zukünftige und berühmteste beliebteste Sängerin, die die Welt jemals zu Gesicht bekommen hat!'' ,, Nik, übertreib mal nicht.'', sage ich leise. ,, Ich übertreibe gar nicht.'', zwinkert Nik mir zu, da kommt es von der Menge vor uns: ,, Küssen, küssen, küssen!'' Erst, als wir uns dann auch noch küssen, geben sie ruhe und klatschen nochmals so richtig fest und jubeln und kreischen. Ich bekomme wieder dieses herrliche Gefühl wie damals, als ich auf der Bühne stand und die Menge mir zujubelte. Einfach traumhaftschön!
Gegen Mitternacht werden die ersten abgeholt. Bis alle weg sind, ist es halb zwei Uhr morgens. Ich bin froh, als dann alle weg sind und ich mich in die Federn begeben kann. Ich merke gerade noch, wie Nik kommt und mir ,Gute Nacht, Lena' zuflüstert, als ich auch schon eingeschlafen bin.

***

Am nächsten Morgen erwache ich in den Armen von Nik. Der gestrige Abend war einfach der Wahnsinn! Schade, haben wir solch ein Fest nicht schon vorher gemacht. Kein Abschieds-, sondern Klassenfest. Man wäre gestern Abend nie darauf gekommen, dass in dieser Klasse mal der grösste Horror gewesen war. NIE! Es waren alle so nett zueinander. Vor allem zu Nik. Na gut, Daniel war nicht dabei. Von dem hat niemand gesprochen. Mir kommt das Gespräch mit Mia wieder in den Sinn. Ich und eine Fernbeziehung. In diesem Punkt hat sie leider recht. Sie wollte mit mir Wetten. Ich wünschte, die Liebe wäre nicht so kompliziert. Eigentlich ist sie's ja auch nicht, nur muss Nik eben wegziehen. Das macht es ja so kompliziert. Ach Nik, ich wünschte, du würdest bei mir bleiben.
Um etwa halb elf Uhr haben Nina, Sabrina, ich und Nik ausgeschlafen und geniessen das Frühstück. ,, Das Beste gestern Abend war immer noch, als Lena gesungen hat.'' , meint Sabrina, als wir von gestern noch etwas diskutieren. ,, Da stimme ich dir voll und ganz zu.'', meint Nik und lächelt mir zu. Ich verdrehe die Augen und lächle zurück. ,, Echt schade, dass ihr weg müsst. Ihr bleibt aber noch zusammen, oder?'', fragt Sabrina mich und Nik. ,, Klar bleiben wir zusammen. Wir können uns eben weniger sehen, aber das wird schon klappen.'', antwortet Nik ganz zuversichtlich. Meine Gedanken möchte er jetzt nicht lesen können, ich zweifle nämlich schon wieder. Eigentlich immer, wenn es um dieses Thema geht. ,, Und was meinst du dazu?'', fragt Sabrina mich. Mist, ich habe gar nicht zugehört. Reden sie immer noch vom selben? ,, Äh...was? Sorry, habe gerade nicht zugehört.'' ,, Ob du auch der Meinung bist, dass die Fernbeziehung bestimmt klappen wird.'', wiederholt Sabrina nochmals. Was soll ich jetzt sagen? Nik weiss genau, wie ich dazu denke und sagt nichts. Er könnte mir wenigstens helfen oder so. Dann werde ich eben mal etwas flunkern...,, Klar, wird bestimmt gehen. Ich meine, was sollte Nik und mich trennen? Falls wir diese Fernbeziehung nicht schaffen sollten, dann sind wir nicht füreinander bestimmt.'' Uups! Habe ich das gerade gesagt? ,, Ja, da hast du absolut recht. Ist ja gerade wie ein Liebestest: ,Übersteht unsere Liebe diese Fernbeziehung?' Klingt richtig spannend.'', meint Sabrina begeistert. ,, Naja, ich find's ja weniger interessant. Ich mag mir gar nicht vostellen, wenn wir diesen 'Liebestest' nicht bestehen sollten...'', meine ich skeptisch. ,, Wir schaffen das schon, Lena. Hab ich dir doch schon tausend mal gesagt.'' Ja, hast du. Trotzdem: Was, wenn wir diesen 'Test' nicht bestehen werden?
Nach dem Frühstück räumen wir im Keller fertig auf, was so zirka eine Stunde dauert. Danach sind wir wieder total erschöpft. Nina und Sabrina decken den Tisch, während Nik und ich zusammen das Mittagessen vorbereiten gehen. Niks und Ninas Eltern sind nicht da, oder haben sich unsichtbar gemacht. Sie haben uns gesagt, (also, der Vater):
,, Macht ruhig eure Party. Eure Mutter und ich werden erst morgen Abend wieder erscheinen.'' Also müssen wir auch unser Mittagessen selber machen. Spaghetti Bolognese und Käse darüber. Mmmm, echt lecker! Während dem Aufräumen im Keller habe ich so gut wie kein Wort gesprochen. Dafür Sabrina und Nina und ab und zu hat Nik seinen Senf dazu gegeben. Und jetzt in der Küche, sage ich genauso viel wie vorher. Nichts. ,, Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?'', fragt Nik mich plötzlich. Hab ich dir das nicht schon ungefähr HUNDERTAUSENDMAL gesagt?, denke ich für mich, sage aber: ,, Nichts.'' ,, Ich sehe doch, dass etwas ist.'' Wenn ich sage, was los ist, nämlich das, was schon seit ungefähr vier Wochen los ist, (die Trennung seiner Eltern und das Wegziehen von Nik und Nina), wird er wütend und sagt: ,Das haben wir doch schon tausendmal besprochen. Wir schaffen das schon.' Wenn ich aber sage: ,Es ist nichts,', dann glaubt er mir nicht und bohrt solange weiter, bis ich entweder den wahren Grund nenne, was ich lieber nicht tun sollte, oder, dass ich etwas erfinde. Aber was? ,, Ach Nik, ich bin einfach müde, ja? Lass mich einfach.'' Das stimmt sogar. Ich bin wirklich müde. Und er soll mich auch in Ruhe lassen. Wenn ich nochmals sage, was los ist, dann explodiert er wirklich und plötzlich wird es dann keine Fernbeziehung geben, weil...nein, nicht so weit denken. ,, Lena.'', sagt Nik leise und dreht mich zu ihm. Er steht nun ganz nahe vor mir. Wir schauen uns in die Augen und dann nimmt er mein Gesicht in die Hände und küsst mich einfach. Ich merke, wie ich seine Nähe vermisse und mir fällt auf, dass wir uns erst einen Kuss gegeben haben, als wir nämlich aufgestanden sind. Und das sind jetzt zwei Stunden her. Ungefähr. Normalerweise küssen wir uns alle zwei bis drei Minuten oder so. Unsere Liebe kommt irgendwie jetzt schon zu kurz. Wie wird es dann erst werden, wenn...,, Denk nicht immer an's ,wenn'. Wir machen einfach das Beste daraus, was nun auf uns zukommen wird.'' ,, Kannst du Gedanken lesen?'', frage ich verblüfft. Nik lacht leise. ,, Nein, kann ich nicht, aber ich spüre eben, wenn du wieder was denkst, das dich nicht gerade fröhlich stimmt. Ausserdem küsst du dann anders.'' ,, Ach ja?'' ,, Mhm. Hör zu, ich weiss sehr wohl, was du am Tag ungefähr 22 Stunden lang denkst, seit die Trennung bekannt ist. Und glaub mir, ich denke bestimmt auch fast nur an das.'' ,, Eben, dann weisst du ja, wir mir zu Mute ist. Nur, dass du besser damit umgehen kannst.'' ,, Ja, das ist es auch.'' Nik seufzt und lässt die Schultern hängen. Nun sieht er so richtig hilflos aus. Wahrscheinlich weiss er einfach nicht, wie er mich sonst noch auf positive Gedanken bringen kann. ,, Du hast recht, das wird schon. Und jetzt sollten wir uns um die Spaghettis kümmern und um die Sauce, sonst wird das jedenfalls nichts.'', sage ich lächelnd, küsse ihn und konzentriere mich dann auf die Pfannen.
Den Rest vom Tag lache ich so viel ich kann, gebe auch meinen Senf dazu und schaue fröhlich. Naja, eher die Maske, die ich mir schnell übergezogen habe, schaut fröhlich. Ich selber nicht. Aber ich will Nik nicht noch mehr den Tag verderben.
Gegen den Nachmittag dann, muss Sabrina gehen. ,, Sehen wir uns noch?'', fragt sie Nina. ,, Klar, es dauert schliesslich noch ein paar Tage.'' ,, Gut, dann, bis irgendwann. Tschüss Nik.'' ,, Tschüss, und danke.'' ,, Und wann musst du gehen?'', fragt Nina mich. ,, Ich? Keine Ahnung. Jedenfalls noch vor dem Abendessen.'' ,, Und wie kommst du nach Hause?''
,, Luisa holt mich wahrscheinlich ab. Ich simse ihr nachher mal.'' ,, Okay, ich gehe in mein Zimmer. Ruf mich, wenn du gehst, ja?'' ,, Klar, mach ich.'' Und weg ist sie. Nik und ich stehen noch bei der Haustür (drinnen) und sagen erstmals eine Weile nichts. Irgendwie ist die Stimmung zwischen uns nicht mehr so prickelnd wie am Anfang. Was ist bloss los? Ist es nur, weil sie wegziehen müssen? ,, Komm, gehen wir in mein Zimmer.'' ,, Mhm.'' Er nimmt mich an der Hand und zieht mich hinter sich her. Wenigstens kriege ich noch ein Kribbeln im Bauch, wenn er meine Hand nimmt, mich in die Arme nimmt und mich küsst. Und wenn er diese Geste macht. In seinem Zimmer schliesst er die Tür hinter sich und dann meint er: ,, Irgendetwas fehlt, Lena, meinst du nicht auch?'' ,, Wie meinst du das?'', frage ich unsicher. Meint er dasselbe wie ich? ,, Naja, ich liebe dich ja noch, aber die Stimmung zwischen uns. Anfangs brauchte ich nur an dich zu denken und schon stieg ein wollig warmes Gefühl in mir hoch und jetzt muss ich dich erst irgendwie irgendwo berühren, damit ich dieses Gefühl wieder habe. Wie ist es bei dir?'' ,, So ähnlich. Ich weiss doch auch nicht so genau.'' ,, Liebst du mich noch?'' ,, Ja.'' Nik kommt ganz nahe vor mich hin und streicht mit seinen Fingerspitzen über mein Gesicht. Ich schliesse die Augen und lächle vor mich hin. Ich nehme seine Hand und schaue ihn an. ,, Lena?'', fragt Nik ganz leise. ,, Ja?'' ,, Darf ich...'' ,, Was? Sag schon.'', ermutige ich ihn. Die Stimmung zwischen uns wird nun etwas prickelnder. ,, Darf ich dich berühren?'' ,, Wo?'', frage ich verunsichert. ,, Nur da,'', er küsst mich am Hals, ,, da,'', auf der Schulter, ,, und da.'', und am Dékolletée. ,, Klar.'', sage ich leise. Es ist ein herrliches Gefühl und ich bin mir jetzt auch wieder viel sicherer, dass wir die Fernbeziehung mit links meistern werden.
Um fast 18.00 Uhr holt mich dann Luisa ab. Ich verabschiede mich von Nik und Nina und dann geht's ab nach Hause. ,, Na, hat's Spass gemacht?'', fragt sie mich auf dem Nachhauseweg. ,, Aber sicher. Ich habe sogar noch ein paar Lieder zum Besten gegeben. Und getanzt hab ich auch ein bisschen.'' ,, Na, das ist ja was. Und wie ist es mit Mia gegangen?'', fragt Luisa mich vorsichtig. ,, Naja...'' Ich erzähle auch ihr von dem Gespräch mit Mia und was sie alles gesagt hat. Dann das, was Nik mir gesagt hat. ,, Nik hat recht. Für niemand ist eine Fernbeziehung einfach. Aber ihr habt eigentlich eine nahe Fernbeziehung, da er nicht irgendwo im Ausland wohnt.'' ,, Ich weiss...aber, dort wo er dann zur Schule geht, hat es bestimmt noch hübschere Mädchen als mich.'' ,, Das kann durchaus sein, dass es eines gibt, dass noch ein kleines bisschen hübscher ist als du.'' Ich schaue Luisa von der Seite mit offenem Mund an. Was hat sie da eben gesagt? Luisa lacht, als sie mich ansieht. ,, Mensch Lena, es kommt nicht nur auf das Äussere draufan und so, wie ich Nik kennen gelernt habe, hat er bei dir mehr auf das Innere geachtet, als du so ein weiches Herz hattest und zu ihm gehalten hast, in seiner schwierigen Zeit. Bestimmt nicht nur auf dein Inneres, aber vor allem darauf.'' Hm...ja, da hat Luisa wahrscheinlich recht. ,, Du meinst also, Nik würde dort eh nicht einfach auf hübsche Mädchen Ausschau halten, sondern auch darauf, wie sie sind.'' ,, Genau, und bei dir...er hat sich wirklich sehr in dich verliebt, ihr seid schliesslich schon mehr als ein Jahr zusammen. Und das in eurem Alter. Das gibt es selten. Mach dir nur nicht so viele Gedanken darüber, was ihm noch für Mädchen über den Weg laufen werden. Falls eure Beziehung dann zu Ende gehen würde, dann wäre er sowieso nicht der Richtige gewesen.''
,, Sowas habe ich heute auch gesagt, am Frühstücksttisch, ohne, dass ich es eigentlich wollte.'' ,, Aber du hattest recht.'' Dann hoffe ich mal, dass Nik und ich diesen 'Liebestest' bestehen werden.

***

Nik, ich, Nina und Sabrina unternehmen noch so viel zusammen wie möglich. Wir gehen schwimmen, ins Kino, Shoppen, Fotos machen in solch einem Fotokasten und machen auch gemütliche Abende zusammen. Wir schauen DVDs, essen Popkorn, Chips und trinken Cola und Limonade. An Niks Geburtstag lassen wir es so richtig krachen. Wir veranstalten eine halbe Disco, laden noch ein paar Freunde ein und tanzen so richtig ab. Sabrinas Cousin spielt den DJ, was er sehr gut macht. Ich und Nik tanzen die halbe Nacht zusammen. Dann muss oder darf ich wieder ein, zwei Songs singen. Aber an diesem Abend will ich nicht umbedingt singen, sondern einfach nur bei Nik sein. Schliesslich dauert es noch sieben Tage und er ist weg. Ich, Nina und Sabrina haben Nik ein kleines Adressbüchlein gebastelt. Naja, Ninas Adresse braucht er ja eigentlich nicht, aber sie hat uns mit der Gestaltung geholfen. Ich habe ihm noch einen kleinen 'Abschiedsbrief' geschrieben, in dem habe ich geschrieben, wie alles angefangen hat, die schönen Momente und die weniger schönen Momente. Am Schluss noch einmal ein ,I love you 4-ever, deine Lena' und fertig. Bei den Adressen, (auch von den anderen Klassenmitgliedern), haben wir ein Foto und einen kleinen Weisheitsspruch oder Witz aufgeschrieben. Nik freut sich riesig darüber, als er das Büchlein begutachtet hat. ,, Das ist ja ein Wahnsinnsgeschenk!'', ruft er, umarmt zuerst Nina, Sabrina und dann mich und gibt mir noch einen Kuss. ,, Den Brief werde ich nachher gleichmal lesen, wenn ich ungestört bin, okay?'', sagt er bei der Umarmung leise in mein Ohr. ,, Klar, mach das.'' Natürlich gibt es auch noch eine Geburtstagstorte. Zitronencake mit Guss. Mmmm, ich liebe den Guss. Den Kuchen selbst natürlich auch. Die meisten verabschieden sich so gegen elf Uhr und werden abgeholt. Sabrina muss leider auch schon bald wieder gehen. ,, Ich wünsche euch alles Gute. Schreibt mir, ja? Ach, ich vermiss euch schon jetzt.'' Nina und Sabrina umarmen sich fest und ich denke bei mir; Bald werde ich mich auch so von Nik verabschieden. Wahrscheinlich sogar mit ein paar Tränen. Nik merkt wohl, dass ich wieder etwas trübe Gedanken habe und umarmt mich von hinten. ,, Denk jetzt nicht an nächste Woche. Jetzt ist jetzt und diesen Moment geniessen wir zusammen.'', flüstert er in mein Ohr. ,, Mhm, du hast ja recht.'' ,, Wie immer.'', grinst er und ich knuffe ihn lächelnd in die Seite. Nik, ich und Nina räumen ein wenig auf und gehen dann in Niks Zimmer, wo wir ein Nachtlager bereitgemacht haben. Luisa hat mir erlaubt hier zu übernachten, worüber ich sehr froh bin. Nina geht ins Bad und ich sage zu Nik: ,, Ich gehe noch ein Glas Wasser trinken.'' ,, Klar, mach nur.'' Während ich nach unten gehe, liest Nik den Brief:

Lieber Nik
Nun sind wir schon ziemlich lange zusammen. Eineinhalb Jahre und weiss-nicht-wieviele-Tage.
Ich bin noch genauso fest in dich verliebt, wie am Anfang. Nein, noch mehr. Weisst du noch, wie alles
angefangen hat? Das erste Mal, wo wir uns kurz in die Augen sahen war, als Mia dir gegenüber einen blöden
Spruch losgelassen hat. Sie mochte dich von Anfang an nicht- im Gegensatz zu mir. Ich weiss nicht genau, wann
ich mich in dich verliebt habe. Ob es gleich das erste Mal bei unserem ersten Blickkontakt war, oder erst, als ich
mich einmal, dann zweimal bei dir wegen/für Mia entschuldigen kam. Naja, das war erst der Anfang. Weiter
ging es damit, (ich drücke es jetzt mal schön und sanft aus), als die schwierige Zeit für dich anfing. Ich hatte
dich immer sehr gern und fragte mich, weshalb die anderen so fies zu dir waren. Ehrlich gesagt denke ich nicht,
dass sie dich nicht mochten, wie du warst, oder nur ein paar, wahrscheinlich brauchten sie einfach ein Opfer
zum demütigen. Wenn ich mutiger gewesen wäre, hätte ich dich gerne verteidigt und den anderen gefragt,
warum sie so fies zu dir waren. Aber dazu hatte ich keinen Mut. Ich habe zu dir gehalten, weil ich 1. dich niemals
beleidigen und verletzen würde, 2. ich keine Mitläuferin sein wollte, mit einem schlechten Gewissen und 3.
weil meine Gefühle für dich, die ich damals schon hatte, stärker waren, als die Angst davor, was sie mit mir
machen würden. Eigentlich war es gar nicht so schlimm, diese Zettel. Klar, es hat mich zum Teil verletzt,
aber wenn ich vergleiche, was mit dir passiert ist, war die Aktion gegen mich einfach nur lächerlich und
kindisch. Naja, wir haben uns in der Zeit ziemlich angefreundet und ich habe immer gehofft, dass aus unserer
Freundschaft einmal mehr werden würde. Dank dem Casting, (sonst hättest du keinen Grund gehabt zu mir zu
kommen und...), habe ich den ersten Kuss von dir bekommen. Wärst du sonst einmal zu mir gekommen? Oder
hätte da Schicksal uns sonst irgendwie zusammengeführt? Jedenfalls: Es war der schönste Augenblick, den ich
nie wieder vergessen werde. Selbst wenn wir plötzlich...nein, so weit denk ich nicht.
Was ich dir sagen will: Unsere Liebesgeschichte, wie wir zusammenkamen, ist echt spannend, wenn man sie
erstmals schriftlich hat, (wie hier zum Teil:D), und wenn es dir mal ganz mies gehen sollte wegen mir oder du
sonst irgendwie das Gefühl hast, dass zwischen uns bald alles aus sein könnte...also, dann musst du diesen Brief
lesen, damit du wieder weisst, wieviel unsere Liebe wert ist und du einfach nur einen schlechten Tag hast, den
jeder mal hat ;) Ich mache das auch immer. Ich denke zurück an den Anfang, an meinen/unseren ersten Kuss und
dann weiss ich wieder: Ich liebe Nik einfach!
Ich liebe dich Nik und werde dich immer bei mir im Herzen haben. Du bist für mich nicht nur mein Freund, sondern
der beste Freund, den ich je hatte! Danke für alles und danke, dass es dich gibt <3

I love you 4-ever, deine Lena

***

Als Nik dies gelesen hat, spürt er, wie seine Augen brennen. Jaja, meine Lena, denkt er. Was würde ich bloss ohne sie machen? Sie ist das Beste, was mir je passiert ist. Er faltet den Brief behutsam zusammen und steckt ihn in die abschliessbare Pultschublade. Kaum hat er dies gemacht und sich wieder hingesetzt, kommt Nina und fragt: ,, Wollen wir nachher noch einen DVD schauen?'' ,, Hm?'', fragt er und schaut sie verwirrt an, da er gerade in Gedanken noch beim Brief und bei Lena war. ,, Was ist denn mit dir los? Weinst du?'', fragt Nina und kneift die Augen zusammen. ,, Ich? Nein, ich weine doch nicht. Habe wahrscheinlich nur was ins Auge gekriegt.'' Und zwar den wunderschönen Brief von Lena, denkt er und muss lächeln. ,, Achso,'', sagt Nina, als würde sie ihm glauben, ,, dann schauen wir noch einen Film oder nicht?'' ,, Ich bin müde, eher nicht.'' ,, Okay, aber ich. Ich komme später zu euch oder besser, ich gehe in mein Bett.'' ,, Wirklich? Du kannst schon zu mir und Lena kommen.'' ,, Ach was, ich will euch doch nicht stören.'' ,, Du störst nie.'' ,, Nik, es macht mir wirklich nichts aus.'', lächelt Nina und Nik lächelt zurück. ,, Übrigens ist Lena noch im Bad, aber sie sollte gleich kommen.'', meint Nina und geht.
,, Mhm.'', murmelt Nik noch, als Nina schon weg ist.

***

Als ich wieder ins Zimmer komme, lehnt Nik auf seinem Bett an der Wand und sieht starr vor sich hin. Als er mich bemerkt, bleibt sein Blick an mir hängen und er lächelt. ,, Ist was?'', frage ich und setze mich zu ihm. ,, Mhm.'', murmelt er nur. Er streicht mir über die Wange und küsst mich sanft. So sanft, als würden Schmetterlingsflügel meine Lippen streifen. Verdutzt schaue ich ihn an. ,, Was ist denn mit dir los?'' ,, Dein Brief.'', sagt er nur und lächelt mich wieder an. ,, Achso, hast du ihn also gelesen.'', stelle ich fest und lächle zurück. ,, Solch ein schöner und lieber Brief habe ich noch nie gekriegt. Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll.'' ,, Du musst nichts sagen. Geniessen wir noch ein wenig den Abend.'' ,, Ja, machen wir das. Übrigens schaut Nina unten noch einen Film und geht dann in ihr Bett. Sie möchte uns nicht stören.'' ,, Oh, sie stört doch gar nicht.'' ,, Hab ich ihr auch gesagt, aber sie hat nur gelächelt und gemeint, es würde ihr wirklich nichts ausmachen, in ihr Bett zu gehen.'' ,, Na gut, wie sie will.''
An diesem Abend sprechen ich und Nik nicht mehr viel zusammen. Erstens sind wir schon ziemlich müde und zweitens gibt es auch noch anderes, das man tun kann, ausser zu reden. Wir reden nur kurz über den Abend und kommen dann irgendwie wieder auf das Thema, das für unsere Beziehung in letzter Zeit nicht so gut war. ,, Langsam aber sicher wird mir auch etwas enger ums Herz.'', meint Nik leise. ,, Mir schon lange.'', sage ich tonlos und schaue starr auf seinen Pullover. ,, Lena.'', sagt Nik leise. ,, Lena.'' ,, Soll ich am Samstag oder schon am Freitag tschüss sagen kommen?'', frage ich Nik. Er seufzt leise. ,, Am Samstag. Damit der Tag wenigstens noch etwas schönes für mich bereithält.'' ,, Und für mich gar nichts.'' ,, Ist es nicht schon für dich, mich zu sehen?'' ,, Doch, aber doch nicht zum Verabschieden.'' ,, Ist ja nicht für immer.'' ,, Ich weiss. Trotzdem, der Stein in meinem Bauch ist grösser als am Anfang geworden.'' ,, Das kann ich gut glauben. Ich spüre auch einen Stein in meiner Magengegend. Aber wir werden uns in den Sommerferien bestimmt noch ein paar Mal sehen.'' ,, Hoffentlich. Es wird ganz komisch sein für mich am ersten Schultag, wenn ich in die Schule gehe und kein Nik bei mir ist. Ich werde erst nach ein paar Tagen Freunde finden und nur an dich denken können.'' ,, Das letzte finde ich gut.'' Ich muss lachen. ,, Aber nur, wenn du auch ein wenig an mich denkst.'' ,, Ein wenig? 99.9% vom Tag bin ich damit beschäftigt, an dich zu denken. Nennst du das ,ein wenig'?'', fragt Nik mich mit grossen Augen. ,, Nein, natürlich nicht.'' Ich muss herzhaft gähnen und so meint Nik: ,, Ist wohl besser, wenn wir jetzt schlafen, du frisst mich ja schon fast auf, vor lauter Müdigkeit.'' ,, Hehe, aber nur fast.'', grinse ich. Ich kuschle mich also in seine Arme. Nicht mehr lange, geht es mir durch den Kopf, bevor mich dann die Müdigkeit überfällt.

***

Nik und ichversuchen die restliche Zeit noch so fest wie möglich zu geniessen, was nicht wirklich einfach ist. Jeden Tag treffen wir uns und gehen in die Stadt ein Eis essen, ins Kino, shoppen, Schwimmen, einfach nur zu mir und am letzten Tag gehe ich zu ihm um noch etwas beim Packen zu helfen. ,, Wieviel nimmst du mit und was lässt du hier?'', frage ich ihn, als wir in sein Zimmer kommen. ,, Eigentlich das Meiste. Die Möbel und der PC lass ich natürlich hier.'' Nik hat schon reichlich eingepackt. Drei Taschen stehen bereits im Flur, die Schulsachen und jetzt noch die restlichen Sachen. Also, Zeitschriften, Geschenke von den Mitschülern und solches Zeug. ,, Nimmst du den Fotorahmen mit uns zwei auch mit?'' ,, Ja, schliesslich will ich dich immer bei mir haben.'' Ich lächle ein wenig und nehme den Fotorahmen um ihn einzupacken. Ich habe mal einen Film geschaut, bei dem der 17 jährige Freund für ein Jahr lang in ein anderes Land reiste und seiner Freundin ein Kleidungsstück hinterliess, das seinen Duft hatte, damit er immer sehr nahe bei seiner Freundin war. Und sie gab ihm ein Kleidungsstück von sich mit. Heute habe ich ein schwarzen dünnen Pullover mit einem hellblauen Trägertop darüber an und einen blauen Sommerschal. Ob ich den vielleicht....,, An was denkst du?'', fragt Nik plötzlich, der die Arme um mich gelegt hat. Irgendwie ist es mir fast peinlich ihn nach einem Kleidungsstück zu fragen. ,, Ähm...nicht so wichtig.'' ,, Komm, sag schon, bitte.'' ,,Hmm...na gut....in den Filmen geben sich doch die Pärchen gegenseitig ein Kleidungsstück mit, wenn einer von beiden für lange Zeit weg muss. Bei uns ist es ja in dem Sinn nicht so lange, aber...naja....'' ,, Du meinst, ich könnte dir ein Kleidungsstück von mir geben und du eines von dir?'' ,, Ja...wäre das eine schlaue Idee?'' Nik lächelt: ,, Sehr schlau. Ich gebe dir meinen schwarzen Pullover und du gibst mir dein blaues Trägertop, okay?'' ,, Okay. Bleibt denn der Duft langen an den Kleidungsstücken?'' ,, Hmm...kommt draufan, wo du das Kleidungsstück überall hast und wenn du den Pullover selbst oft trägst, riecht er dann bald nach dir.'' ,, Dann bringen wir eben beim nächsten Treffen wieder ein anderes Kleidungsstück mit .'' ,, Glaubst du wirklich, ich warte so lange, bis der Duft weg ist?'' ,, Na, wenn's so lange dauert, dann natürlich nicht.'' ,, Schon besser. Also, gib mir dein Trägertop, ich gebe dir meinen Pullover.'' ,, Jap.'' Ich ziehe also mein Trägertop aus und Nik seinen Pullover, den ich natürlich sofort anziehe. ,, Wenn du ihn oft genug trägst, dann riecht er bald nach dir.'' ,, Dann gibst du mir eben noch einen anderen Pullover.'' ,, Nein, nein, so schnell verschwindet der Duft schon nicht.'' ,, Dann ist ja gut.'' Nik räumt mein Trägertop schön zusammengefaltet in seine Tasche und umarmt mich dann. ,, Bald ist es so weit.'' ,, Ach Nik. Warum nur?'' ,, Nur, weil Mama und Papa sich trennen. Es ist bei ihnen nicht die wahre Liebe. Leider.'' ,, Was ist eigentlich schlimmer für dich: Dass sie sich trennen und du auch wegziehen musst, oder dass es nicht die wahre Liebe ist und sie sich getäuscht haben?'' ,, Naja...schwer zu sagen. Wegen dir jetzt, dass ich wegziehen muss, aber eigentlich ist es schon sehr schlimm, dass unsere Familie kaputt geht.'' ,, Kann ich gut verstehen.'' ,, Ich liebe dich Lena, vergiss das nicht.'' ,, Werd' ich ganz bestimmt nicht.'' ,, Kommst du Morgen auch?'' ,, Klar, wolltest du doch so.'' ,, Dann ist ja gut.''
Bald wird es Zeit für mich nach Hause zu gehen. Ich wünschte, die Zeit würde heute für einmal etwas langsamer vergehen, damit es noch laaange dauert, bis Nik gehen muss. Doch die Zeit hat keine Gnade mit uns und vergeht trotzdem ziemlich rasant.
In der Nacht schlafe ich sehr schlecht und am nächsten Morgen spüre ich schon den Kloss im Hals. Bloss nicht heulen Lena, sage ich mir, bloss nicht heulen. Doch, ob ich es beim Abschied auch ohne Tränen schaffen werde, bezweifle ich.
Um 10.00 Uhr bin ich bei Nik, (Luisa hat mich hergebracht und Nik und Nina auch noch alles Gute gewünscht), der mich nun in Empfang nimmt. ,, Wann fahrt ihr ab?'' ,, In etwa zehn Minuten. Lena, Nina und ich sind jedes zweite Wochenende hier und in den Ferien sogar noch länger, das ist doch schon mal was.'' ,, Ja, super.'', lächle ich schwach. Die letzten Gepäckssachen werden in das Auto getragen, Nina verabschiedet sich zuerst von ihrem Vater, dann Nik. Nina drückt mich noch einmal fest und, was ich erleichtert festelle, bei ihr kullert eine Träne über die Wange. ,, Lena, hör zu, aber sag nichts zu Nik, dass ich dir davon erzählt habe, er denkt wohl, ich weiss es auch nicht...'' ,, Ja?'', frage ich. ,, Gestern Abend habe ich gehört und durch den Türspalt gesehen, wie er geweint hat. Er hat dein Top fest an sich gedrückt und hineingeschluchzt. Normalerweise gehe ich ja dann zu ihm, um ihn zu trösten, aber er will das nicht mehr so, weil er eben männlich ist.'', meint Nina und verdreht die Augen. Ich muss lächeln. ,, Bei dir tut er es bestimmt manchmal. Aber das geht mich ja nichts an. Ich wollte es dir nur sagen, damit du weisst, dass ihn der Umzug auch sehr weh tut.'' ,, Danke Nina, das war jetzt wirklich nett von dir.'' Nina lächelt mir noch einmal zu und geht dann zum Auto. Dann kommt Nik zu mir und umarmt mich. Nun geht es nicht mehr anders. Ich lasse den Tränen freien lauf. Alles, was sich in mir angestaut hat, lasse ich jetzt raus. Nik streicht mir sanft über den Rücken. Ich kann nur noch an das denken: Wieso Nik und ich? Wieso muss er wegziehen? Wieso? Die Welt ist so ungerecht. Niks Gedanken: ,Wenn ich doch bloss bei Lena bleiben könnte. Ich will nicht weggehen. Ohne sie ist alles so öde. Ich vermisse sie jetzt schon.' Als wir uns wieder ein wenig voneinander lösen sehe ich, dass auch er Tränen in den Augen hat. Ich putze sie ihm lächelnd weg und auch er lächelt. Dann küssen wir uns noch ein letztes Mal. ,, Ich liebe dich, Lena. Immer.'' ,, Ich dich auch, Nik. Ruf mich an, wenn ihr dort seid, oder schreib wenigstens eine kurze SMS.'' ,, Mach ich, ganz bestimmt.'' ,, Nik, komm jetzt bitte!'', ruft seine Mutter. Nik und ich drücken uns ein letztes Mal, er gibt mir noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er dann zum Auto geht. Ich winke ihnen nach, bis ich das Auto schon längst nicht mehr sehen kann.

ENDE

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.02.2011

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