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Verloren, gefunden, verloren- für immer

Ich sitze im Zug nach Berlin, wo ich meiner Schwester am Bahnhof gegenüber treten werde. Das erste Mal werde ich sie heute sehen. Ich bin ziemlich aufgeregt, gespannt, freue mich aber sehr. Ich kann es nicht recht glauben, dass ich nachher gleich jemanden sehen werde, der genauso aussieht, wie ich. Doch als der Zug hält und ich aussteige, muss ich es doch glauben. Ein Mädchen, 14 Jahre alt, braunes langes und leicht gewelltes Haar, kommt auf
mich zu und wir begrüssen uns erstmals mit einer festen Umarmung. ,, Herzlich Willkommen, Schwesterchen.'' ,, Danke.'' Auch Mam und Paps begrüssen sich. Paps noch mich und Mam noch Alexa, meine Schwester. (Unsere Eltern sind getrennt, aber davon später). Danach gehen wir auf den Parkplatz, wo bereits ein grosses Auto auf uns wartet, das uns alle zu meiner Schwester nach Hause bringen soll. Ich bin sehr gespannt, wie sie lebt, was ihr Geschmack in allem ist. Aber das werde ich ja bald erfahren. Nach 20 Minuten sind wir am Ziel. Meine Schwester zieht mich sofort in ihr Zimmer hinauf. Es ist nicht das grösste, aber auch nicht das kleinste Zimmer. Gerade praktisch. Es hat genug Platz für das, was ein Mädchen in seinem Zimmer unbedingt haben muss und will. ,, Na, wie gefällts dir?'', fragt Alexa mich. ,, Es sieht super aus.'' Ich setze mich zu ihr auf das Bett. ,, Es ist toll, dass du gekommen bist, Nadja.'' ,, Ich find's auch super, dass ich endlich mal kommen konnte. Ich möchte so gerne alles über dich erfahren.'' ,, Und ich über dich.'' Wir setzen uns im Schneidersitz gegenüber und stellen einander Fragen, die wir gleich selber mit ,ich auch', oder ,ich nicht, dafür...' beantworten. Oder ähnlich jedenfalls. ,, Deine Lieblingsfarbe?'', beginnt Alexa. ,, Blau.''
,, Meine auch. Lieblingszahl?'' ,, 24.'' ,, Meine nicht. 94.'' ,, Wieso 94?'' ,, Wegen dem Jahrgang.'' ,, Aaah...ich glaube, ich ändere meine Lieblingszahl auch nach 94. Schliesslich ist es UNSER Jahrgang.'' ,, Genau.'' ,, Lieblingsessen?'' ,, Pizza Margherita. Lieblingsmusik?'' ,, Pop und Rock von Miley, Ashley, Ke$ha und Emily Osment.''
,, Eigentlich ist es bei uns alles dasselbe.'' ,, Man merkt also, dass wir Zwillinge sind.'' ,, Ja, das ist schon mal gut.'', sagt Alexa zufrieden. ,, Und Freunde, hast du viele?'', frage ich, weil mir nichts Schlaueres einfällt. ,, Naja, was heisst schon viele? Es sind mehr als drei, aber weniger als zehn. Jedenfalls sind vier meine besten Freunde, die anderen ganz normale.'' ,, Kann ich die dann auch kennenlernen?'' ,, Klar. Ich habe ihnen erzählt, dass ich Besuch bekomme und ich dich ihnen vorstellen will.'' ,, Hast du gesagt, dass deine eineigene Zwillingsschwester kommt?'' ,, Nein, ich will sie etwas erschrecken.'' Ich muss kichern. ,, Ist ja der Hammer!'' ,, Ich weiss. Also, Tanja und Melanie sind meine besten Freundinnen. Tanja ist die blonde und ist einfach ein netter Mensch. Nicht nachtragend und so. Sie ist 14. Melanie ist 13 und somit die Jüngste von uns allen.'' ,, Klingt, als gäbe es noch mehr bei dir.'' ,, Ja, die kommen gleich.'' Ich nicke und höre weiter zu. ,, Melanie ist eher schüchtern. Eigentlich ist sie so wie du. Auch zurückhaltend und sagt nicht so viel.'' ,, Ich hab mich aber verändert, hat jedenfalls Laura, meine beste Freundin, gesagt. Wir kennen uns seit dem Kindergarten. Ich rede anscheinend viel mehr als vorher.'' ,, Wow, mein Schwesterchen wird wie ich.'', sagt Alexa anerkennend. ,, Also, erzähl weiter.'' ,, Na gut. Eben, Melanie und Tanja kennst du jetzt. Bleiben noch Daniel und Lukas.'' ,, Zwei Jungs?'' ,, Ja, wir sind eine Clique, sozusagen. Ich, Daniel, Lukas, Tanja und Melanie. Daniel ist auch blond und hat unheimlich schöne blaue Augen und ein süsses Lächeln. Er ist bereits 15, aber bei mir in der Klasse. Wir sind alle in derselben Klasse. Er ist der älteste unserer Clique. Daniel ist der Schwarm fast aller Mädchen.''
,, Auch dein Schwarm oder bereits Freund?'', frage ich. ,, Nein, weder noch. Wir sind nur Freunde. Ehrlich, er ist nicht mein Geschmack. Ich stehe nicht auf ruhige Typen. Er ist sehr ruhig und sensibel. Der perfekte Boy für dich. Aber er kann auch freche Sprüche drauf haben. Nur selten.'' ,, Hurra, da kann ich mich auf was gefasst machen.'' ,, Mhm, sicher. Und dann noch Lukas. Er ist 14, haut braunes Haar und braune Augen. Er ist weder ruhig noch plappert er andauernd. Eigentlich ganz normal. Mein Geschmack, aber ich steh nicht auf ihn.'' ,, Noch nicht.'' ,, Du sagst es. Hab ich das richtig verstanden, dass du einen Monat hierbleibst?'' ,, Ja, hast du. Ich werde auch zu dir in die Klasse kommen. Deine Lehrerin weiss schon Bescheid. Ich bin total aufgeregt.''
,, Also ist vom schüchternen Mädchen doch noch was übrig?'' ,, Ich habe nie gesagt, dass ich selbstbewusster geworden bin, nur nicht mehr so still.'' ,, Aha, das ist also ein Unterschied.''
,, Ja, eigentlich schon.'' ,, Hmm, jedenfalls sagte Daniel, als ich erzählt habe, dass du zu mir kommst und eine Weile hierbleibst: , Dann werden wir sie also bei uns aufnehmen, oder?' Ich sagte: , Wenn alle einverstanden sind?' Die anderen haben sofort genickt und waren total begeistert jemanden Neues begrüssen zu dürfen und Daniel sagte nach mir noch: , Klar sind alle einverstanden! Ich freu mich schon.' Also, ob du Freunde findest, darum musst du dir keine Sorgen machen. In der Schule sitzt du neben mir in der mittleren Reihe am Fenster. Besser geht's fast nicht, oder?'' ,, Das ist super. Ich freue mich schon auf deine Clique. Gibt's bei euch sowas wie ein Chef oder wie eine Cheffin? Oder Cliquenführer?'' ,, Wir besprechen meisst alles. Gibt schon Meinungsverschiedenheiten, aber da finden wir dann auch eine Lösung.'' ,, Ist ja cool.'', sage ich begeistert. ,, Jetzt erzähl mal von deinen Freunden.'', fordert Alexa mich auf. ,, Na gut. Ich habe zwar keine Clique und nur eine beste Freundin. Laura heisst sie. Sie ist auch 14. Mit ihr gehe ich durch Dick und Dünn. Ich bin nicht die beliebteste in meiner Klasse, wenn Laura nicht wäre, wäre ich ziemlich aussenseiterisch. Naja, meine Klasse ist nicht die Beste und es hat mehr Angeber als 'normale' Schüler und Schülerinnen. Aber sonst ist es ziemlich cool bei uns. Laura war total traurig, als ich ihr erzählte, dass ich für vier Wochen weg bin. Aber als ich gesagt habe, zu wem, da machte sie Augen. Ich hab ihr versprochen ein Bild zu schicken, wo wir beide drauf sind.'' ,, Klar, können wir machen. Hast du ihr erzählt, weshalb wir nicht zusammen leben?'' ,, Ja, ich hab' es nur ihr anvertraut und sie kann schweigen wie ein Grab.'' ,, Okay.'' Tja, unsere Geschichte. Ihr wollt sie bestimmt hören? Also:
Alexa und ich wohnten zusammen, bis wir zwei waren. Dann trennten sich unsere Eltern. Mam nahm mich und Paps nahm Alexa. Paps und Alexa zogen weg und wir hatten kaum mehr Kontakt miteinander. Doch, als Alexa und ich 14 wurden, auch etwas erwachsener, wollten wir uns dann umbedingt und endlich kennenlernen, was verständlich ist. Mam und Paps haben das natürlich verstanden und dann ausgemacht, dass wir, Mam und ich, bald zu Paps und Alexa fahren würden. Weil sie aber sehr, sehr, sehr weit von uns entfernt wohnen und es nicht rendierte, für einen Tag dorthin zu fahren, hat Mam beschlossen, mich eine Weile bei Alexa einzuschulen. Eigentlich geht sowas ja wahrscheinlich nicht, aber Mam hat Alexas Lehrerin einen Teil unserer Geschichte erzählt und die hat es erlaubt. Hätte sie wohl auch so, weil sie so nett ist. Also sind wir bald hierhergefahren und nun hier. Alexa und ich waren ja noch sehr klein, als wir getrennt wurden und konnten uns nicht mehr aneinander erinnern. Aber wozu gab es Fotos? Unsere Eltern habe uns immr von der anderen erzählt. Auch, als wir nochsehr klein waren. Zuerst haben Alexa und ich uns gegenseitig Briefe geschrieben, dann Stundenlang telefoniert. Deshalb wissen wir schon ein wenig voneinander. Wie es nach vier Wochen aussieht, weiss ich nicht. Mam fährt Morgen zurück. Aber das stört mich nicht wirklich. Und Alexa? ,, Sag mal, Alexa, macht es dir nichts aus, dass Mam Morgen wieder abfährt?'' ,, Naja, es geht. Ich habe mich daran gewöhnt, nur einen Vater hier zu haben. Und sonst hab ich ja alles. Mir ist am Wichtigsten, dass du bleibst. So schnell lass ich dich nicht mehr gehen.'' Ich muss lachen und umarme sie.
Am Abend schauen wir noch einen Film und schlafen dann zu frieden ein. Es ist ein tolles und seltsames Gefühl in einem anderen Zimmer mit der Zwillingsschwester zu schlafen. Das erste Mal nach vielen Jahren.

2.
Am Sonntag gehen wir Auswärts essen und noch spazieren. Alexa zeigt mir etwas die Gegend und erzählt mir, was man in der Freizeit machen kann. Shoppen, Kino, Eis essen, Skaten, Park und andere Sachen, was dann eher mit Sport zu tun hat. Nichts für mich. Dann, als wir wieder zurück sind, verabschiedet sich Mam von uns. ,, Ich wünsche euch beiden sehr viel Spass zusammen.'' ,, Danke Mam. Komm gut nach Hause.'', sage ich den Tränen nahe, was aber niemand bemerkt. Doch, Alexa. Aber sie sagt nichts. Erst als wir wieder in ihrem, jetzt unserem, Zimmer sind, fragt sie mitfühlend: ,, Du vermisst Mam schon jetzt, oder?'' ,, Naja,'', sage ich und lächle ein wenig, ,, es ist einfach so: Immer wenn ich mit Mam irgendwo hingehe, wo ich glückliche Familien sehe, denke ich: , Wieso sind meine Eltern nicht mehr zusammen? Wieso gerade meine Eltern?' Dann krieg ich einen Kloss im Hals und im Magen einen Stein. Und vorhin hab ich gedacht: , Es ist so komisch, dass sich Mam verabschiedet, weil sie nach Hause geht. Dabei wäre sie hier bei uns zu Hause. Wir, alle zusammen. Aber so ist's nun nicht mehr.'' ,, Och, Schwesterchen.'', tröstet Alexa mich und nimmt mich in die Arme. ,, Ich bin froh, hier bei dir zu sein, Alexa.''
,, Ich bin auch froh, dass du hier bist.''
Das war jetzt ein etwas kurzes Kapitel, aber das war der Sonntag. Mam und Paps verstehen sich übrigens gut. Aber sie sind nicht gerade wieder ein Herz und eine Seele. Ich verstehe mich ebenfalls gut mit Paps. Er ist total nett. Aber es ist ein komisches Gefühl, ein Mann in der Küche zu haben und keine Frau. Also, ein Vater und keine Mutter.

3.
Jetzt ist Montagmorgen um sieben Uhr. Mein erster Schultag in der neuen Klasse. Gott sei Dank ist meine Schwester da, ich habe nämlich das totale Lampenfieber, Angst und bin aufgeregt wie noch nie. Ich bringe nichts runter und laufe in der Küche hin und her und kann mich nicht still halten. Alle fünf Sekunden schaue ich auf die Uhr. ,, Nadja, jetzt setz dich doch mal hin. Es wird bestimmt alles gut.'', meint Alexa beruhigend. ,, Tut mir ja leid, aber ich bin total aufgeregt. Ich meine, ich muss mich bestimmt vor der ganzen Klasse vorstellen und das hasse ich wie die Pest.'' Paps muss lachen. ,, Das hast du von mir. Ich bin auch immer aufgeregt, wenn ich im Geschhäft einen Vortrag halten muss, auch wenn ich es hundert Mal im Jahr tue.'' Ich lächle Paps an und sage zu Alexa: ,, Siehst du? Das ist ansteckend und sogar vererbend, ich kann also nichts dafür. Man, man, man, man! Ich bin so aufgeregt.'' Alexa schüttelt lachend den Kopf. ,, Mensch, Nadja. Mein Schwesterchen.'' Wir lacheln einander an.
Dann wir es Zeit. Paps bringt uns bis 50 Meter vor die Schule. Den Rest laufen wir. Das Schulhaus ist gross. Blöde erklärung. So sind Schulhäuser nun mal. Also, jedenfalls hat es zwei grosse Mauern, die an den Bordstein grenzen. Dazwischen ein grosses Tor. Echt cool! Ein Kieselweg führt bis zur Treppe und die dann zur Tür und so weiter. Links und rechts vom Weg ist Wiese. Aber kein Spielplatz, weil hier nur die grossen Schüler und Schülerinnen sind. Dafür einen kleinen Teich mit Fische (links) und drei mittelgrosse Bäume rechts. Am Tor warten Alexas Freunde. Tanja und Daniel leuchten mit ihren blonden Haaren von weitem. Melanie erkenne ich auch sofort, weil sie als kleinere hervorsticht und Lukas steht mit seinen braunen Haaaren wie ein brauner Fleck neben Daniel, den ich auch sofort erkenne. Als wir bei ihnen sind, stellt Alexa mich gleich vor:
,, Leute, das ist meine Schwester. Besser gesagt, meine eineigene Zwillingsschwester Nadja. Nadja, das sind Daniel, Melanie, Tanja und Lukas. Und? Was sagt ihr nun?'' Sie stehen sprachlos und mit grossen Augen da. Lukas meldet sich als erster wieder: ,, Wow! Du hast eine eineigene Zwillingsschwester?'' ,, Jup, siehst du ja.'' ,, Wahnsinn! Freut mich sehr. Wie schon gesagt, ich bin Lukas.'', sagt Lukas und reicht mir freundlich die Hand. ,, Freut mich auch.'' ,, Und ich wäre dann Daniel.'', sagt Daniel und lächelt mich an, während er seine Hand reicht. ,, Ich bin Tanja. Toll, dass wir dich kennenlernen dürfen.'', sagt Tanja und reicht mir ebenfalls die Hand. Und etwas schüchtern gibt mir Melanie die Hand und sagt: ,, Ich bin dann Melanie.'' ,, Hallo. Ich hab mich auch total gefreut euch kennen zu lernen.'' ,, Wie lange bleibst du denn hier?'', will Lukas wissen. ,, Vier Wochen.'' ,, Ist ja super! Dann hoff ich, dass du dich bis dahin gut einlebst.'' ,, Bestimmt wird sie das und wir helfen ihr dabei.'', sagt Daniel mit seiner weichen Stimme zu Lukas und lächelt mir dann wieder zu. Und ich lächle zurück. Mensch, Alexa hat wirklich überhaupt nicht übertrieben, was Daniel anging. In den könnt' ich mich glatt verlieben. Leider läutet die Glocke bereits und wir müssen reingehen. ,, Ohmann! Jetzt bin ich wieder aufgeregt.'' ,, So schlimm wird es bestimmt nicht. Unsere Klasse ist wirklich super und Neue nehmen wir immer gerne auf.'', beruhigt mich Daniel. ,, Klingt, als hättet ihr schon mal jemanden Neues bekommen.'', sage ich. Daniel antwortet: ,, Ja, Martina. Sie ist neu hierhergezogen und wurde mitten im Jahr zu uns in die Klasse gebracht. Wir wussten von nichts, aber wir waren alle nett zu ihr und sie hat sich schnell hier eingelebt.'' ,, Musste sie am Anfang vor der Klasse stehen und sich selber vorstellen?'' ,, Hast du etwa davor Angst?'' Ich nicke und schaue ihn hilflos an. Er lächelt mich wieder so süss an und sagt: ,, Also, die Lehrerin hat nur gesagt: , Kinder, das ist Martina. Sie wird ab heute bei uns sein. Seid bitte nett und zeigt ihr nachher ein wenig das Gebäude. Du kannst dich dort hinten neben Nina setzen.' Martina musste nichts sagen.'' ,, Hoffentlich muss ich auch nichts sagen. Ich bringe nämlich keinen Ton heraus.'' ,, So schlimm wird es bestimmt nicht. Mach dir bloss keine Sorgen.''' ,, Ich versuch's.'' Im Schulzimmer sind schon die meisten da. Alexa und ich gehen gemeinsam, Hand in Hand, in das Schulzimmer. Ein paar entdecken uns und kommen mit grossen Augen auf uns zu. ,, Alexa? Du hast eine eineigene Zwillingsschwester?'', fragt ein grosses und sehr hübsches Mädchen. Ziemlich aufgetackelt. Wie eine Tussi. ,, Ja, das ist Nadja. Nadja, das ist Simone. Nadja wird ab heute vier Wochen hier zur Schule kommen.'' ,, In unsere Klasse?'', fragt Simone.
,, Ja, in unsere Klasse.'' Hinter Simone taucht plötzlich noch ein Mädchen auf. ,, 'allo, isch bin Valérie.'', begrüsst das Mädchen mich mit ihrem schönen Französischen Akzent. Den R bei Valérie hat sie wie ch ausgesprochen. ,, Ich bin Nadja, freut mich sehr.'' ,, Valérie kommt aus Frankreich, was du ja bestimmt gehört hast, an ihrem Akzent.'' Als Alexa noch was sagen will, kommt die Lehrerin herein.
,, Guten Morgen miteinander.'', ruft sie fröhlich. Sie ist etwas um die 40, sieht aber nicht so streng aus. ,, Oh, du bist bestimmt Nadja, stimmt's?'', fragt sie mich, als sie mich entdeckt hat. ,, Ja, Guten Tag Frau...äh...'' Mist, ich kenne ja ihren Namen noch gar nicht. ,, Ich bin Frau Sommer. Du kannst kurz hier bleiben, bei mir.'' Die anderen sind bereits allen an ihren Plätzen. Mist! Jetzt starren mich alle an. Naja, ausser Simone. Die schaut in ihren Handspiegel. Passt auch zu ihr. Alle anderen schauen zu mir. Als ich Daniels Blick begegne, schaut er mich aufmunternd an und zwinkert mir zu. Ich lächle zurück und dann sagt Frau Sommer, als es ganz still ist: ,, So, das hier ist Nadja, die eineigene Zwillingsschwester von Alexa. Wirklich unheimlich, wie ähnlich ihr euch seht. Ich hoffe, Nadja, dass du hier gut zurecht kommst. Alexa hilft dir ja sowieso und von den anderen verlange ich, dass ihr euch auch ein wenig um Nadja kümmert, damit sie sich hier gut einlebt. Du darfst dich jetzt neben Alexa setzen.'' Ich atme unauffällig aus, als ich endlich an meinen Platz darf. Daniel und Lukas sitzen direkt vor mir und Alexa. Daniel vor mir. Tanja und Melanie sitzen vorne an der Tür. Als erstes haben wir Deutsch, dann Mathe. Danach kommt die 20 Minütige Pause und dann geht's weiter mit zwei Stunden Englisch. Das hat mir Alexa alles schon gesagt und ihren Stundenplan kopiert. Der klebt jetzt in meinem neuen Hausaufgabenheft, das ich extra für hierher gekauft habe. Naja, Mam hat es mir gekauft. In Deutsch bin ich ja gut. In Mathe hab ich ein Loch in meiner langen Leitung, deshalb kommt der Stoff schon gar nicht in meinem Gehirn an und deshalb verstehe ich absolut nichts davon. In Englisch bin ich durchschnittlich.
In der Pause kommen alle, ausser Simone, an unser Pult und löchern mich mit Fragen. Alexa hat irgendein Ämtchen und musste deshalb schnell gehen. Toll, jetzt bin ich alleine den neugierigen fremden Schülern ausgeliefert und muss Frage für Frage beantworten. Ich habe aber nicht mit Daniel gerechnet, der in der Nähe steht. Ich merke ihn erst später. Meine Schüchternheit meldet sich leider auch sehr bald, als ein Mädchen sich auf mein Pult setzt. Aber vorher fragt einer, der sich als Maik vorstellt: ,, Wieso wohnst du denn nicht bei Alexa?'' ,, Weil sich unsere Eltern getrennt haben und jede von uns bei einem anderen Elternteil aufgewachsen ist.'' ,, Echt? Ist ja krass.'', staunt der. Dann kommt eben dieses Mädchen. Tussiger als Simone. Puh! Die meisten anderen gehen, weil sie wohl keine Interesse mehr haben oder so. Nur noch wenige bleiben. Auch ein Mädchen, dass ebenfalls sehr, sehr aufgetackelt ist. Sie steht neben der ersten Tussi. ,, Hi, ich bin Angeli. Sag mal,'', fragt sie und sieht mich von oben bis unten an, ,, woher hast du diese Klamotten?''
,, Äh...ich kaufe meistens bei H&M ein. Oder C&A und so.'' ,, Wirklich? Ich könnte nicht solche Klamotten tragen.'' Kann dir doch egal sein, denke ich für mich. ,, Du hast also bis vor kurzem noch nicht bei Alexa gewohnt?'' ,, Nein.'' ,, Bei wem dann?'' ,, Bei Mam. Und Alexa bei Paps.'' ,, Aha. Und seit wann sind deine Eltern geschieden?'' ,, Seit ich und Alexa zwei waren.'' ,, Ihr habt euch aber vorher schon gesehen, oder?'' ,, Nein,'', sage ich zögernd, ,, bis vor kurzem noch nicht. Mit zwei Jahren wurden wir auseinander genommen.'' Angeli reisst die Augen auf. ,, Was?'' sagt sie erschrocken. ,, Was sind denn das für Eltern?'' ,, Eh, es sind meine Eltern, auch wenn sie sich getrennt haben.'' ,, Aber sie haben euch 12 Jahre lang getrennt. Das sind ja brutale Eltern.'' ,, Nein, sind sie nicht! Hast du noch nie davon gehört, dass Eltern Kinder voneinander trennen?'' ,, Doch, aber meine tun es nicht.''
,, Tja, aber meine haben es getan. Stört es dich?'' ,, Ja, solche Eltern sind Egoisten, gemein und denken nur an sich.'' Ich will gerade was sagen, (ich koche vor Wut), als Daniel mir zu Hilfe kommt und sagt: ,, Angeli, es reicht jetzt. Du musst nicht gleich so gemein sein zu Nadja. Nadjas Eltern sind trotzdem nett.'' ,, Du kennst sie doch nicht.'' ,, Na und? Schon an der Art, wie Nadja ist, merkt man doch, dass ihre Eltern nett sind.'' Achja? Ich schaue ihn fragend an. Er schaut wütend zu Angeli. Die wirft ihre Haare schwungvoll nach hinten und sagt zu dem Mädchen, das neben ihr steht: ,, Komm Vanessa, die interessiert uns nicht.'' Die anderen gehen auch. Lukas ist ebenfalls gegangen und Tanja und Melanie auch. Alexa ist immer noch weg. Daniel sieht mich entschuldigend an und seufzt: ,, Tut mir leid, was Angeli gesagt hat. Hör nicht auf sie. Ihre Eltern sind reich und sie wird total verwöhnt, wie niemand anderes. Deshalb ist sie so tussig.'' ,, Schon okay. Danke für deine Hilfe. Ich habe richtig gekocht vor Wut und wäre ihr nächstens an den Hals gesprungen, dann hätten mich alle gehasst.'' ,, Ach was. So jemand wie dich kann doch niemand hassen.'' ,, Danke. Aber wo ist eigentlich Alexa?'' ,, Sie muss jeden Montag mit Melanie und Tanja irgend so ein Ämtchen erfüllen. Weiss auch nicht genau was.''
,, Achso.'' ,, Wollen wir jetzt in die Pause?''
,, Ja, gerne.'' Zusammen gehen wir hinaus. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, da wir noch so lange drinnen waren.
Der restliche Tag verläuft gut. Ende Schultag kenne ich jeden aus meiner Klasse, weiss dessen Namen und...tja, was will ich noch mehr? Wir haben noch keine Hausaufgaben bekommen und deshalb zeigt mir Alexa noch ein wenig die Umgebung. Daniel, Lukas, Melanie und Tanja gehen nach Hause. Sie müssen in zwei verschiedene Richtungen davon gehen.
Am Abend im Bett fragt Alexa: ,, Na, wie hat es dir heute gefallen?'' ,, Gut, ausser das in der Pause war etwas...naja...doof.'' ,, Was denn?'' Weil Alexa ja nicht da war, erzähle ich ihr nochmals alles. Als ich fertig bin, meint sie wütend: ,, Diese Schlange! Ich hasse sie. Sie, Vanessa und Simone sind die drei Tussis bei uns. Angeli die Schlimmste. Sie ist gemein und kennt sowas wie Gefühle bei anderen nicht. Ich hätte dich warnen sollen.'' ,, Schon okay. Daniel hat mir dann geholfen, als ich vor Wut gekocht habe.''
,, Daniel?'' ,, Ja, er hat ihr gesagt, sie solle aufhören.'' ,, Wie süss.'' ,, Mhm. Er ist wirklich süss und so nett.'' ,, Dasselbe denkt er bestimmt von dir.'' ,, Meinst du?'' ,, Ja, bestimmt.''
,, Hoffentlich.'', seufze ich. Dann schlafen wir bald ein.

4.
Die restliche Woche verläuft eigentlich gut. Am Mittwoch gehen Alexa, ich, Daniel, Lukas, Tanja und Melanie in den Park die Enten am See füttern. Also, Tanja sitzt auf einer Bank und hält ihr Gesicht in die Sonne während Lukas mit ihr quatscht. Alexa und Melanie versuchen immer wieder eine Ente einzufangen. Ich stehe etwas abseits von Melanie und Alexa und werfe in Gedanken versunken kleine Stücke Brot zu den Enten, als plötzlich Daniel neben mir steht. ,, Wie gefällt es dir bis jetzt bei uns?'' ,, Eigentlich gut.'' ,, Aber?'' ,, Was 'aber'?''
,, Naja, 'eigentlich' hört sich nach einem 'aber' an.'' ,, Achja? Tja, ein aber gibt's bis jetzt nicht.'' ,, Dann ist ja gut. Hat Angeli dich bis jetzt in Ruhe gelassen?'' ,, Ja.'' ,, Liegt dir wohl immer noch im Magen, wie sie dich so ausgefragt hat und was sie gesagt hat, stimmt's?'', fragt Daniel mich leise. Ich schaue ihn an und nicke dann langsam. Dann schaue ich seufzend zu Boden. ,, Immer, wenn mir jemand solches Zeug sagt, wie das, wegen meinen Klamotten, werde ich so unsicher und...finde, dass ich wirklich andere Kleidung tragen sollte.''
,, Nadja,'', sagt Daniel und nimmt mich sanft bei den Schultern, ,, hör nicht drauf, was sie sagt. Du bist ein total hüsches Mädchen. Hast du gesehen, was für Klamotten Valérie trägt? Ich will jetzt nicht über sie spotten, aber so läuft fast niemand mehr rum. Deine Kleider sehen toll aus, glaub mir.''
,, Danke.'', sage ich lächelnd zu Daniel. ,, Aber, sag mal,'', beginnt Daniel zögernd, ,, wie war das denn jetzt eigentlich mit deinen Eltern, wenn ich fragen darf?'' ,, Naja, also...'' Ich schaue zu Alexa hinüber, die immer noch am Enten einfangen ist. ,, Du brauchst es nicht zu erzählen, wenn du nicht willst oder nicht darfst.'', meint Daniel beschwichtigend. ,, Ich kann es dir schon erzählen,'', sage ich langsam, ,, wenn du es aber für dich behälst. Ich erzähle nicht gerne jemandem davon. Ausserdem weiss ich nicht, ob Alexa einverstanden ist. Ich gehe sie mal fragen.'' Und schon bin ich weg. Bei Alexa angekommen, zupfe ich an ihrem Ärmel: ,, Alexa? Kann ich dich kurz was fragen?''
,, Klar. Komme gleich wieder, Melanie.'' Wir gehen etwas abseits und dann frage ich: ,, Kann ich Daniel die Geschichte erzählen, von unseren Eltern?''
,, Hm...bei uns in der Clique gibt es keine Geheimnisse und wenn du Daniel davon erählst, müssen es die anderen auch wissen, sonst gibt es noch streit. Es ist besser, wenn wir es niemandem hier erzählen.'' ,, Aber Daniel weiss ja schon ein wenig, wegen Angeli.'' ,, Na gut, aber dann sollten wir es allen erzählen.'' ,, Allen?'' ,, Ja. Wir können ihnen vertrauen, schliesslich kennen wir uns schon lange genug.'' ,, Na gut. Wann erzählen wir es ihnen?''
,, Jetzt. Wir treffen uns alle bei der Bank dort, wo Tanja und Lukas sitzen.'' ,, Okay, ist gut.'' Ich gehe zurück zu Daniel und berichte ihm, was jetzt ist. Gemeinsam gehen wir die 20 Schritte zur Bank und setzen uns hin. Alexa beginnt, als alle da sind und sagt: ,, Also, wahrscheinlich wollen ein paar von euch die Geschichte von Nadja und mir hören und erfahren, wie alles gelaufen ist und wieso Nadja erst jetzt hier ist und und und. Oder?'' Alle nicken.
,, Also. Ihr dürft aber niemandem davon erzählen, weil 1. tut es wohl Angeli schon und 2. geht es einfach niemandem etwas an. Aber ihr seit meine, und jetzt auch Nadjas, beste Freunde und ihr habt ein Recht darauf.'' ,, Danke, das ist nett von euch.'', sagt Melanie da. ,, Also, ich fange mal an. Ich bin eigentlich älter. Sieben Minuten, um genau zu sein.'' Sie erzählt weiter, wie sich unsere Eltern, als wir zwei waren, sich getrennt haben und jede von uns zu einem anderen Elternteil gekommen ist. Wie sie nur noch wenig Kontakt hatten und Alexa und ich Kontakt aufgenommen haben und das erste Mal telefonierten. Wie unsere Eltern planten, wann Mam und ich zu Paps und Alexa fahren würden und wie sie mich hier angemeldet hatte für vier Wochen. Wie schwer es mir aber immer noch fällt zu wissen, dass Mam und Paps nicht mehr zusammen sind und ich niemals eine richtige Familie haben werde. Als Alexa das sagte, hat Daniel mitleidig zu mir gesehen und, (er sitzt neben mir), seine linke Hand auf meine rechte Hand gelegt. Wow! Bei mir hat es in dem Moment von den Haar- bis zu den Zehenspitzen gekribbelt. Aber ich konnt ihn noch nicht ansehen. Ich wäre sonst knallrot angeloffen. Als Alexa fertig ist, ist eine Weile Stille. Dann sagt Lukas: ,, Ist ja wahnsinn. Ich dachte immer, dass solche Sachen nur bei solchen passiert, die ich nicht kenne. Muss hart gewesen sein.'' Und Tanja meint: ,, Wir vier schätzen es jedenfalls sehr, dass ihr uns das anvertraut habt und werden schweigen wie ein Grab. Hochheiliges Ehernwort.'' Alle vier heben ihre rechte Hand an die Stelle, wo ihr Herz ist. Ich nehme an, das machen sie immer, wenn sie was hoch und heilig versprechen. Lukas fragt: ,, Was macht ihr denn, wenn Angeli wirklich, das wo sie weiss, allen erzählen geht und womöglich noch was dazudichtet?'' Daniel antwortet: ,, Sie macht nichts. Wir. Wir werden die zwei schon verteidigen können. Schliesslich sind wir eine Clique und halten immer zusammen.'' ,, Genau.'', stimmen Tanja und Lukas im Chor zu. Und Melanie nickt nur und lächelt mich an, als ich zu ihr schaue.
,, Danke, ihr seid wirklich die Besten.'', sagt Alexa.
Leider wird es bald Zeit, den Heimweg anzutreten. Bis zum Parkeingang, bzw. Ausgang, laufen wir zusammen, dann trennen sich unsere Wege. Wir umarmen uns alle. Dann gehen ich und Alexa nach Hause. ,, Weisst du was, Nadja?'' ,, Was?'' ,, Ich bin froh, dass wir es ihnen gesagt haben. Ich hasse es, wenn ich ausgerechnet vor ihnen Geheimnisse haben muss.''
,, Ich bin auch froh. Vorallem, dass sie es für sich behalten können. Nur Angeli...'' ,, Lass sie nur. Wenn es ihr Spass macht, über uns herzuziehen, soll sie ruhig. Wir werden uns schon verteidigen können. Du hast ja Daniel gehört, oder?'' ,, Ja, hab ich.'' ,, Eben. Ich glaube fast, der steht auf dich.'' ,, Meinst du? Wär echt zu schön.'' ,, Stehst du denn auf ihn?'' ,, Ich denke schon. Jedenfalls, als er meine Hand gehalten hat, als du gesagt hast, die Trennung mache mir immer noch zu schaffen, da hatte ich ein riesen Kribbeln im Bauch. Nein, im ganzen Körper.'' ,, Wow, Schwesterchen! Im ganzen Körper? Dich hat es aber erwischt.'' ,, Ich weiss.'', seufze ich verträumt. ,, Dann wird es aber Zeit, nachzuhelfen.'' ,, Was hast du vor?'' ,, Keine Ahnung. Kommt mir sicher noch was in den Sinn.'', sagt Alexa grinsend. Hand in Hand laufen wir dann quatschend weiter.

5.
Wie Lukas schon gesagt hatte, erzählte Angeli über mich und Alexa Sachen, die nicht stimmten. Mehr über mich, weil ich wohl neu war und, wie man es sicher gemerkt hatte, war ich auch die schüchternere von uns beiden. Als wir am Freitag in die Schule kamen, kam Valérie aufgeregt auf uns zu und sagte: ,, Alexa, Nadja! Angeli echzählt Sachen übech eusch, die gach nischt stimmen gönnen.'' ,, Was denn?'', fragt Alexa und zieht ihre linke Augenbraue hoch. ,, Na, zum Beispiel, dass du, Alexa, bis zu deinem 14. Gebuchstag fast keinen Kontakt zu deinech Schwestech hattest.'' ,, Tja, das stimmt. Unsere Eltern haben sich getrennt, als wir zwei waren und jede von uns ist bei einem anderen Elternteil aufgewachsen. Aber erzähl es nicht weiter. Das macht ja jetzt Angeli. Erzählt sie sonst noch Sachen?'' ,, Isch 'abe nuch das geöcht, mech nischt.'' ,, Dann können wir uns ja auf was gefasst machen, denn es kommt bestimmt noch mehr.'' Alexa hat tatsächlich Recht. Naja, hät' ich auch so gewusst, weil Angeli eben so ist. Über mich wurde erzählt, dass ich meine Kleider von der Kleidersammlung bekomme und zu wenig Geld hätte, für 'schönere Klamotten', wie es Angeli gesagt hat. Als ich ins Schulzimmer komme mit Alexa, schauen mich alle an und tuscheln. Alexa fragt sofort ohne Hemmungen: ,, Was glotzt ihr so? Ist was nicht in Ordnung?'' Tina fragt laut: ,, Stimmt es, dass Nadja ihre Kleider von der Kleidersammlung bekommt, weil sie zu wenig Geld hat für schönere Sachen?'' Ich laufe rot an und Alexa sagt mit scharfer Stimme:
,, Nein, stimmt nicht. Wer sagt das?'' ,, Angeli.'' Alexa geht auf Angeli zu, die auf der Fensterbank sitzt, in ihren Handspiegel schaut und so tut, als gehe sie das alles nichts an. ,, Warum erzählst du so einen Mist über meine Schwester?'' ,, Mist? Ach, das stimmt gar nicht? Hoppla. Es hat nur so ausgesehen, aber dann ist das Missverständnis ja geklärt.'', sagt Angeli gespielt erschrocken und grinst dann frech.
,, Wenn du noch mehr solches Zeug erzählen gehst, gibts Ärger, verstanden?'' ,, Jaja, schon gut.'' Daniel und Lukas sind nicht da, weil die Jungs in den ersten beiden Lektionen Sport haben. Mädchen und Jungs sind in Sport getrennt. Einerseits bin ich froh, dass er nicht hier ist, weil ich mich zu Tode geschähmt hätte, andererseits hätte er mich bestimmt wieder verteidigt. Unter den Blicken der anderen gehe ich an meinen Platz und nehme die Schulbücher hervor. Es ist einfach nur Horror, wenn man weiss, dass einem alle anstarren und es ganz still ist im Zimmer. Gut ist meine Schwester da. Tanja und Melanie stehen plötztlichen neben mir und Tanja sagt: ,, Ich weiss wirklich nicht, was euer Problem ist. Nadja ist hübsch und total nett. Wenn ihr mit ihr nicht klarkommt, wie seid ihr dann all die Jahre mit Angeli ausgekommen, wenn sie immer wieder solchen Mist über andere erzählt hat? Auch über ein paar von euch.'' Ein paar nicken, als würden sie denken: , Stimmt, Tanja hat Recht.' Für den Rest des Morgens gibt Angeli keinen Mucks mehr von sich. Die anderen sind ganz nett zu mir und in der Pause erzählen wir, Alexa, Tanja, Melanie und ich, Daniel und Lukas, was vorgefallen ist. Mir ist es etwas peinlich, als Tanja das mit der Kleidersammlung erzählt und schaue zu Boden. Aber Daniel sagt: ,, Diese dumme Kuh! Eines Tages will ich es ihr so richtig zurückzahlen. Das ist einfach das Letzte! Dabei ist Nadja so hübsch. Die ist ja nur neidisch, dass sie mit einfachen Kleidern und wenig bis keiner Schminke nicht so hübsch aussieht, wie Nadja.'' ,, Da hast du Recht. Ohne Schminke sieht sie wirklich schrecklich aus.'', stimmt Lukas zu. ,, Woher weisst du denn das? Hast du sie schon mal ohne Schminke gesehen?'', fragt Tanja erstaunt. Etwas verlegen sagt Lukas: ,, Ja, hab ich. Vor ca. einem Jahr, als sie noch nicht so tussig war, hat sie mich ziemlich interessiert und als sie mich und ein anderes Mädchen aus der oberen Klasse zu sich einlud, haben wir bei ihr übernachtet und da hab ich sie eben ungeschminkt gesehen. Da ist meine Interesse an ihr dann schnell verflogen.'' Wir müssen lachen. ,, So so, hät' ich dir gar nicht zugetraut, dass du dich mal für sie interessieren würdest.'', meint Alexa. ,, Lukas ist einfach immer wieder für eine Überraschung gut.'', sagt Daniel und klopft ihm freundschaftlich auf die Schultern. Da läutete es schon. Leider. ,, So, jetzt wieder in die Höhle des Löwen.'', sage ich leiser und blicke zum Eingang, wo Angeli bereits mit Simone und Vanessa steht. Wir gehen auch langsam Richtung Eingang. Ich bin zu hinterst. Daniel wartet und legt dann einen Arm um mich und sagt: ,, Du musst keine Angst haben, Nadja, wir sind ja auch noch da.'' ,, Ich weiss, danke, Daniel.'' Als wir an Angeli und ihren Tussis vorbeigehen, schaut sie mich nur spöttisch an. Doch ich glaube, dass ich noch was anderes in ihrem Gesicht sehe. Als wäre ihr fieses Getue nur eine Maske und hinten dran steckt ein Mädchen, das selbst ein Problem hat. Naja, die, die andere Ärgern und fies sind, haben ja meist selbst ein Problem. Doch ihr zweiter Gesichtsausdruck geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Während dem Unterricht bin ich sehr still, zwar nichts Neues, doch meine Gedanken, die sonst meistens im Unterricht halb dabei sind, sind gar nicht dabei. ,, Nadja, nicht träumen, sonst gibt's noch Ärger.'', sagt meine Schwester leise und boxt mich sanft in die Seite. Ich schrecke ein wenig zusammen, bin dann aber wieder etwas mehr im Unterricht. Die Lehrerin hat zum Glück nichts gemerkt.
Nach der Schule versinke ich wieder in Gedanken. Daniel merkt, dass ich anderswo bin und als die anderen gerade was quatschen, kommt er zu mir und fragt: ,, Stimmt was nicht, Nadja?'' Wieder erschrecke ich. ,, 'tschuldigung, wollte dich nicht erschrecken.'' ,, Schon okay.'', lächle ich. ,, Was hast du eben gefragt?'' ,, Ob etwas nicht in Ordnung sei.'' ,, Naja, eigentlich schon. Okay, ich weiss, 'eigentlich' hört sich für dich wie ein 'aber an'.'' ,, Genau. Jetzt gibt's eines, oder?'' ,, Ja. Hast du den Gesichtsausdruck von Angeli gesehen, als wir nach der Pause an ihr vorbeigelaufen sind?''
,, Ja, spöttisch, wie immer.'' ,, Und den Zweiten auch?'' Daniel schaut mich etwas irritiert an. ,, Ich weiss, klingt komisch, aber als ich sie so angesehen habe, hab ich gemeint, noch was anderes in ihren Augen zu sehen. Als wäre ihr spöttisches Grinsen nur eine Maske und in Wirklichkeit steckt was anderes dahinter.'' ,, Das ist meistens bis immer so, bei solchen Mädchen wie Angeli.'' ,, Wenn sie mich wieder mal spöttisch anschaut und du bist in der Nähe, schau mal in ihre Augen, dann siehst du's bestimmt auch.'' ,, Na gut, ich werd' mich mal achten.''
,, Kommt ihr?'', ruft Lukas. ,, Ja, wir kommen schon.'' Gemeinsam laufen wir zum Tor und verabschieden uns dann voneinander. Als Tanja, Melanie und Lukas schon gegangen sind, ruft Daniel mich nochmals zurück. ,, Nadja! Warte mal!'' ,, Ja?'' Er kommt auf mich zu und Alexa wartet ein paar Schritte weiter hinter mir. ,, Hast du ein Handy?'' ,, Ja, hab ich.'' ,, Kann ich deine Nummer haben?'' ,, Klar.'' Er nimmt sein Handy hervor und ich diktiere ihm meine Nummer. ,, Danke, Nadja. Bis Morgen.'' ,, Tschüss, bis Morgen!'' Ich laufe zu Alexa und dann gehen wir nach Hause. ,, Was wollte er?'' ,, Meine Handynummer.'' ,, Aha.'', sagt sie und grinst vor sich hin. ,, Mehr nicht.'', sage ich und stupse sie in die Seite. ,, Noch nicht.''
Zu Hause wartet Paps auf uns. ,, Eure Mutter hat vorhin angerufen und lässt fragen, wie es dir bis jetzt gefallen hat.'' ,, Suppi!'', rufe ich und umarme Paps. ,, Aber Paps, wieso ist sie nicht länger geblieben?'' Paps seufzt und sieht mich an. Dann sagt er sanft: ,, Siehst du, deine Mutter und ich verstehen uns noch nicht so gut. Deshalb war es besser, dass sie am Sonntag wieder nach Hause fuhr. Wir wollten uns nicht streiten.'' ,, Habt ihr euch denn früher oft gestritten?'' ,, Ja, ziemlich. Ein paar Monate nach eurem zweiten Geburtstag hat es angefangen. Wir haben uns über alles aufgeregt, was nicht gut lief. Ich arbeitete zu viel und deine Mutter zu wenig. Das warfen wir uns gegenseitig vor. Ich wäre zu wenig für euch da und...'', er zögert, fährt dann aber fort, ,, sie würde dich mehr bevorzugen, als Alexa. Das habe ich so gesehen. Deshalb schaute ich mehr zu Alexa, was aber nichts damit zu tun hatte, dass ich dich weniger mochte. Ich habe euch beide sehr lieb und eurer Mutter schon ein paar Mal den Vorschlag gemacht, dass du und sie mal hierherkommen sollt. Als ihr zehn wart, hab ich es das erste Mal vorgeschlagen, doch sie wollte mich noch nicht sehen. Sie ist ein ziemlicher Sturkopf, was Alexa geerbt hat. Aber ihr seid beide gleich toll, Nadja, glaub mir. Ich liebe euch beide sehr.'', sagt er abschliessend und nimmt uns in die Arme.
,, Danke Papa.'', sage ich und gehe hinauf ins Zimmer. Dort weine ich ins Kissen. Ich habe nicht gewusst, dass sie sich so gestritten haben und Mam mich bevorzugte. Wieso konnte unsere Familie nicht so werden, wie andere Familien auch? Das ist so gemein. Das sage ich Alexa auch, als sie sich zu mir auf's Bett setzt und über mein Haar streicht. ,, Nadja, wein doch nicht. Sonst muss ich auch noch.'' Ich muss etwas lächeln. ,, Alexa?'', frage ich und setze mich auf. ,, Ja?'' ,, Wieso konnte unsere Familie nicht so werden, wie andere auch? Das ist so gemein.''
,, Klar, aber denk doch mal anders. Denn es gibt noch Schlimmeres. Manche Eltern schlagen ihre Kinder, lassen ihren Frust an den Kindern aus und schlagen sich gegenseitig auch. Sie haben sich nur gestritten und sich getrennt, weil es das Beste war. Sonst wären wir im Streit aufgewachsen.'' Da hat sie Recht, denke ich. ,, Du hast Recht.'', sage ich dann noch.
,, Geht's wieder?'', fragt sie mich. ,, Ja, es geht wieder.'' Wir fangen an, die Hausaufgaben zu machen, als mein Handy plötzlich klingelt. Unbekante Nummer. ,, Nimm schon.'', drängt Alexa, weil ich zögere. Also geh' ich ran.
,, Ja? Hier ist Nadja.'' ,, Hei, ich bin's, Daniel.'' ,, Hei Daniel.'' ,, Stör ich dich gerade?'' ,, Ne, ich mache mit Alexa die Hausaufgaben.'' ,, Achso. Du, eh, ich wollte dich Fragen, ob du Lust hast mit mir heute Abend ins Kino zu gehen. Es läuft ein guter Film und alleine hab ich keine Lust.'' ,, Klar, also, ich muss schnell fragen. Wartest du kurz?'' ,, Klar, mach nur.'' Ich springe auf und runter in die Küche, wo Paps am Tisch sitzt. ,, Paps, darf heute Abend ins Kino?'' ,, Mit wem?'' ,, Mit Daniel, einem Kumpel von Alexa und mir.'' ,, Aber um zehn bist du wieder da, ja?'', sagt Paps und lächelt mir so zu, wie ein Vater die Tochter ansieht, wenn es um Jungs geht. ,, Ich darf,'', sage ich ins Handy, bereits wieder auf dem Weg ins Zimmer, ,, aber ich muss um zehn wieder zu Hause sein.'' ,, Klar. Also, der Film beginnt um halb neun. Ich denke, so gegen zehn ist er fertig und dann...naja,, punkt zehn wird es dann wohl nicht gerade sein.'' ,, Macht nichts, ich verstelle Paps die Uhr, dann merkt er nichts.'' Daniel lacht: ,, Im Ernst jetzt?'' ,, Ja, im Ernst jetzt. Er trägt zum Glück keine Armbanduhr, deshalb muss ich mir darum keine Sorgen machen.'' ,, Dann ist ja gut. Treffen wir uns beim Bus? Der, in der Nähe bei der Schule rechts.'' ,, Ja, wann?'' ,, Er fährt um zwanzig nach Sieben. Wir müssen 15 Minuten eher die Karten abholen, also viertel nach Acht. Wir sind so um zehn vor dort.'' ,, Okay, dann um zehn nach beim Bus?''
,, Alles klar. Bis dann, ich freu mich schon.''
,, Ich mich auch, tschüss.'' ,, Und? Was hat er gesagt?'', fragt Alexa gebannt. ,, Er hat mich ins Kino eingeladen. Wahrscheinlich sind wir nicht punkt zehn hier, wie ich aber sollte, deshalb wollte ich die wichtigsten Uhren verstellen.'' ,, Ich helfe dir. Die in der Küche, im Schlafzimmer und hier. Man weiss ja nie, wo er plötzlich überall draufschaut, wenn man nicht damit rechnet.'' ,, Ja, also, ich nehme die im Schlafzimmer und die in der Küche. Aber er ist noch dort.'' ,, Weisst du was? Zuerst die hier, dann ruf ich ihn, weil ich das hier angeblich nicht kapiere und in der Zeit verstellst du die in der Küche. Aber nicht zu fest.'' ,, Aber fünf Minuten sollten es schon sein.''
,, Fünf? Nimm drei. Sonst ist's zu viel. Das fällt dann auf.'' ,, Na gut. Also, fangen wir an. Wieviel Uhr ist jetzt?'' ,, Eh...Sechs Uhr.'' ,, Super, geht ja auf. Jetzt ist gleich drei vor Sechs.'', kichere ich und Alexa kichert auch. Nachdem wir die Uhren im Zimmer verstellt haben, gehe ich hinunter in die Küche. Paps ist immer noch in seine Zeitung vertieft.
,, Paps? Kannst du mal zu Alexa gehen? Sie kapiert eine Aufgabe nicht richtig.'' ,, Und wieso kommt sie nicht selber?'' ,, Weil...ich hatte sowieso durst, da mochte sie nicht noch selbst hinunter kommen.''
,, Aber euer alter Vater soll hinauf gehen?''
,, Jep.'' Mit einem seufzen steht er auf und geht nach oben. Blitzschnell nehme ich einen Stuhl, steige hinauf und stelle die Uhr drei Minuten zurück. Dann steige ich wieder hinab und stelle den Stuhl zurück. Schnell noch ein Glas Wasser nehmen und wieder gehen. Kaum bin ich an der Treppe, kommt Paps wieder nach unten. Im Zimmer stellen wir mein Outfit zusammen und dann ist es bald Zeit zu gehen. ,, Viel Spass heute Abend, Schwesterchen.'', sagt Alexa und umarmt mich.
,, Danke. Tschüss.''

6.
Das hat man davon, wenn man die Uhr verstellt und nicht auf sein Handy schaut. Jetzt bin ich drei Minuten zu früh. Aber das ist ja icht so schlimm. Daniel kommt dann auch bald und begrüsst mich mit einer Umarmung. ,, Na, alle Uhren verstellt?'' ,, Ja, die Wichtigsten. Jetzt haben wir drei Minuten mehr Zeit. Deshalb war ich auch drei Minuten zu früh dran.'' ,, Handy auch verstellt?'' ,, Ne, aber ich bin nicht auf die Idee gekommen, auf's Handy zu schauen. Aber das macht ja nichts. Wie heisst eigentlich der Film.'' ,, The Karate Kid. Hier ist so eine Karte, wo die Handlung draufsteht.'' Er reicht sie mir und ich lese sie durch. ,, Klingt spannend.'' ,, Ich hoffe, du stehst ein wenig auf so Kung-Fu- Zeug.'' ,, Ich habe noch nie richtig was von Kung-Fu gehört und gesehen. Wird sicher interessant. Vorallem weil es auch um eine kleine Liebesgeschichte geht, wie hier steht.'', sage ich und schaue nochmals nach. ,, Du siehst gerne Liebesfilme, was?'' ,, Naja, ja, aber es darf auch was anderes sein.''
,, Horror?'' ,, Wenn ich ein Kissen mitnehmen kann, ja.'' Daniel lacht wieder. ,, Du bist echt witzig. In der Schule bist du immer ganz anders. Ruhig, schüchtern und so.'' ,, Stört es dich?'' ,, Nein, mich stört es nicht. Im Gegenteil. Mir gefällt deine Art.'' ,, Dann ist ja gut. Manchmal wär ich aber gerne wie Alexa.'' ,, Wie Alexa?'', fragt Daniel. Doch auf die Antwort muss er warten, weil der Bus gerade kommt. Als wir im Bus sitzen, fahren wir fort mit unserem Gespräch. ,, Ja. Sie ist so selbstbewusst und mutig. Ich dagegen, ich bin...eben nicht so.''
,, Das ist aber gut. Deine Art passt zu dir. So bist du nun mal.'' Ich nicke. Daniel hat wieder seine Hand auf meine gelegt. ,, Darf ich dich mal was fragen?'', fragt er und sieht mich an. ,, Klar, frag nur.''
,, Hattest du...schon mal einen Freund?'' Mist, ausgerechnet die Frage. ,, Nein, noch nicht.'', sage ich schliesslich zögernd und frage zurück: ,, Und du eine Freundin?'' ,, Ja, mit 14 eine. Aber es war nichts Richtiges. Nur Händchenhalten, mehr nicht. Und nicht lange. Zwei Wochen oder so.'' ,, Stimmt, du bist ja schon 15.'' ,, Ist das schlimm für dich?'', fragt er und schaut mich unsicher an. ,, Nein, ich komme mir nur gerade so...kindlich vor.'' ,, Musst du nicht. Wann hast du Geburtstag?'' ,, 15. November.'' ,, Ich am 15. August. Ich bin also nur drei Monate älter.'' ,, Moment, du bist also erst 15 geworden?'' ,, Ja, genau.'' ,, Dann bist du also noch gar nicht so alt.'', sage ich und lächle zufrieden. ,, He, ich bin doch gar nicht alt!'', sagt Daniel gespielt empört und kitzelt mich. ,, Nein, nicht kitzeln, hahaha, aufhören, bitte!'' ,, Na gut, ich hab Erbarmen.'' ,, Danke. Sehr nett. Aber, macht es dir nichts aus, dass ich noch keinen Freund hatte? Ich hatte mit Jungs noch so gut wie nichts am Hut.'' ,, Nein, stört mich nicht. Dann...'' ,, Dann was?'', frag' ich ihn und schaue ihn fragend an.
,, Dann wär' es für uns beide das erste Mal. Weil meine erste Freundin kann man nicht wirklich zählen. Für mich ist eine Beziehung eine richtige Beziehung, wenn man sich küsst.'' ,, Für mich auch.''
Nach einer Weile hält der Bus an und wir steigen aus. Hand in Hand (! :D !) laufen wir Richtung Kino und holen die Karten und suchen uns zwei Plätze, in der dritten Reihe von hinten in der Mitte. Als der Film beginnt, bin ich ganz darin gefangen. Trotzdem merke ich, wie Daniel den Arm um mich legt und ich lege meinen Kopf an seine Schulter. Der Film ist sehr gut und interessant.
Nach dem Film laufen wir wieder zum Bus. ,, Wenn der Bus pünktlich ist, bist du um zwei nach zehn zu Hause.'', meint Daniel. ,, Dann...bin ich um eins vor zehn zu Hause.''
,, Eins vor zehn?'', fragt Daniel. ,, Ich hab' sie drei Minuten zurückgestellt. Wenn bei dir nachher zwei nach ist, ist bei mir eins vor. Klar so weit?'' ,, Stimmt, hab ich schon wieder vergessen.'' Jetzt sind wir bei der Bushaltestelle. Es ist sonst niemand da. ,, War toll mit dir im Kino.'', sagt Daniel da.'' ,, Mit dir auch. Danke nochmal.''
,, Gerngeschehen. Nadja?''
,, Ja?'' ,, Ich muss dir da was sagen...'' ,, Ja?'' Er steht vor mir und streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. ,, Aber ich weiss nicht wie.''
,, Vielleicht könntest du es ja...zeigen?'', frage ich und schaue ihn lächelnd an. Daniel muss auch lächeln. ,, Ja, könnte ich. Aber dazu musst du deine Augen schliessen.'' Ich schliesse also meine Augen und spüre dann, wie er mich küsst. WAHNSINN!!! Mein allererster Kuss von meinem allerersten Freund. Also, er ist ja jetzt mein Freund, oder? Das frage ich sicherheitshalber, als ich meine Augen wieder öffne. ,, Das heisst also, dass wir jetzt zusammen sind?'' ,, Wenn du möchtest?'' ,, Und wie!'' Lächelnd küsst er mich wieder, bis der Bus kommt, dann steigen wir ein und fahren nach Hause.
Alexa wartet schon ungeduldig darauf, dass ich alles erzähle. Wir sitzen auf ihrem Bett und haben es uns gemütlich gemacht. ,, Jetzt erzähl endlich! Wie ist es gelaufen?'' ,, Es war einfach nur himmlisch schön!'', seufze ich und falle rückwärts hin. ,, Das hilft mir auch nicht weiter. Komm schon, erzähl endlich!'', drängelt Alexa. ,, Na gut. Also...'', fange ich an und Alexa hängt gebannt an meinen Lippen. Als ich fertig bin, kriegt sie ihren Mund kaum mehr zu vor staunen. ,, Was? Ihr habt euch geküsst?'', fragt sie immer noch fassungslos. ,, Ja, er hat mir gesagt: , Nadja, ich muss dir da was sagen.' Ich habe gefragt: , Ja?' Dann hat er gesagt: , Aber ich weiss nicht wie ich es sagen soll.' Oder so ähnlich und dann hab ich gesagt:
, Vielleicht könntest du es ja...zeigen?' Dann hat er gesagt: , Ja, könnte ich. Aber dazu musst du deine Augen schliessen.' Ich habe also meine Augen geschlossen und er hat mich geküsst.'' ,, Ist ja waaahnsinn.'', sagt Alexa und verdreht verträumt ihre Augen. ,, Es war dein erste Kuss, oder?'' ,, Ja. Und er ist mein erster Freund. Er ist so toll. Er merkt immer genau, wenn etwas mit mir ist.'' ,, Ja, Daniel hat ein Gespür für sowas. Ihr passt wirklich zusammen wie Topf und Deckel.'' ,, Wow, jetzt werden wir mit Topf und Deckel verglichen. Bin ich der Topf oder der Deckel?'' ,, Hahaha, keine Ahnung. Ich meine nur. Ihr passt perfekt zusammen. Ich wusste doch, dass er in dich verliebt ist.'' ,, Moment mal, kann es sein, dass du deine Finger noch mit im Spiel hast?''
,, Ich?'', fragt Alexa ganz unschuldig. ,, Ja, du. Komm schon, du hast ihm gesagt, er soll mich um meine Handynummer bitten und mich dann anrufen und fragen wegen Kino.'' ,, Also, das mit der Nummer stimmt und dass er dich anrufen soll. Er ist so schüchtern, da musste ich eben ein wenig nachhelfen. Aber das mit Kino und den Rest ist nicht von mir.'' ,, Du bist ein Chenie!'', rufe ich und umarme Alexa. Die fällt gleich hinten über. ,, He, brauchst mir nicht zu danken. Hab ich doch gern gemacht.'' ,, Trotzdem. Danke, danke, danke! Du bist die Beste!'' ,, Ich bin ja auch deine Schwester. Eineigene Zwillingsschwester. Das liegt uns im Blut.'' ,, Du bist eine Komikerin.'' ,, Ich weiss. Wollen wir jetzt schlafen?'' ,, Ohja, bin todmüde.'' ,, Gute Nacht.'' ,, Gute Nacht.'' Es sind jetzt zwei Betten im Zimmer von Alexa, weil ich ja nicht einfach eine Freundin bin, die da ist, sondern die Schwester. Es liegt auf der anderen Seite, wo eigentlich das Pult war, das haben wir aber ein Stück nach hinten geschoben, direkt ans Fenster. Die zwei Kleiderschränke stehen vor den Betten. Und daneben eine kleine Komode mit Schminke, Spiegel und so.
Ich schlafe traumlos und sehr gut und lange. Lange, weil ja Morgen Samstag ist. Schade, da sehe ich Daniel nicht. Denn Paps will mit mir und Alexa einkaufen gehen. Also, er kauft Lebensmittel und so Zeug und Alexa und ich dürfen sonst ein bisschen shoppen gehen. Bei der Gelegenheit machen wir noch ein paar Passfotos von uns und schicken eines davon an Laura, der ich ja versprochen hatte, eines zu schicken, ein Foto. Dann geht's weiter.

7.
In dieser Stadt hat es ja wahnsinnig viele und billige und auch teure Kleider. Und viel, viel schönere, als bei uns. Alexa und ich stöbern gerade im H&M die Kleider durch.
,, Gibt es hier vielleicht nicht einen Laden, der modernere, aber trotzdem billige Kleider hat?'', frage ich Alexa und betrachte kritisch ein rotes kuscheliges und weiches Jäcklein, das zwar superschön aussieht, aber nicht halb so modern ist, wie andere Kleider. ,, Wieso? Hier gibt es doch ganz schöne Kleider, oder nicht?'', fragt Alexa verblüfft.
,, Naja, doch schon...aber, ach, ich weiss doch nicht.'' ,, Es ist wegen Angeli, oder?'', fragt Alexa leiser und stellt sich vor mich hin. ,, Jaaa....'', sage ich und senke den Kopf. ,, Hör mal, Nadja: Mag ja sein, dass du nicht in der neuesten Mode herumläufst, aber ich kann mir nicht richtig vorstellen, dass du einmal voll modisch sein wirst. Nicht böse gemeint. Aber es passt nicht zu dir, was zum Beispiel jetzt Angeli trägt. Ich trage auch nicht das modischste. Was du anhast, passt zu dir.''
,, Meinst du?'' ,, Klar. Daniel hat sich in ein Mädchen verliebt, weil es ruhig, schüchtern, süss ist und toll aussieht. Weil es eben nicht immer in den neuesten Sachen herumlaufen muss.'' ,, Na gut. Soll ich das hier also nehmen? Es ist so kuschelig.''
,, Klar, nimm das. Für gemütliche Wintertage vor dem Kamin mit Daniel. Schliesslich ist der Sommer bald vorbei.'' ,, Okay, ich nehme es.''
Gegen den Nachmittag kommen wir zurück. Kaum sind wir zu Hause, klingelt mein Handy. Es ist Daniel. Sofort kurven tausend Schmetterlinge in meinem Bauch herum. ,, Hei Daniel.'' ,, Hei Nadja. Wie geht's?'' ,, Fantastisch und dir?'' ,, Mir auch. Aber mir würde es noch besser gehen, wenn ich dich heute wengistens einmal noch sehen könnte. Wollen wir in den Park gehen?'' ,, Klar, können wir. Wann?''
,, Gleich jetzt, wenn's geht, vor dem Eingang?''
,, Okay, bin in ein paar Minuten da.'' ,, Dann bis gleich.'' ,, Tschüss.'' ,, Paps, ich bin gleich wieder weg, wenn's gut ist.'' ,, Dann hättest du vorher fragen sollen.'' ,, Darf ich etwa nicht?'', frage ich und habe schon Angst, dass er nein sagt. Doch er meint lächelnd: ,, Natürlich darfst du. Viel Spass.'', sagt er und zwinkert mir zu. ,, Gib ein Gruss von mir!'', ruft Alexa noch. ,, Mach ich. Tschüss.''
Ein paar Minuten später springe ich noch die letzten zehn Meter bis zum Eingang vom Park. Daniel ist schon da und breitet lächelnd die Arme aus, als er mich sieht. Als ich endlich bei ihm angekommen bin und erschöpft in seine Arme sinke, meint er: ,, Na, hattest du's so eilig?'' ,, Ja, ich konnte es kaum noch erwarten, dich wieder zu sehen. Und ein Gruss von Alexa, soll ich ausrichten.'' ,, Mir ging's auch so und danke. Wenn du ein wenig ausgeatmet hast, würd ich dich gerne noch küssen zur Begrüssung.'' ,, Oh, natürlich. Nur zu.'', sage ich und schliesse die Augen.'' Daniel lacht leise und küsst mich dann. Danach gehen wir in den Park und spatzieren gemütlich zum See. Hand in Hand natürlich. ,, Wann siehst du deine Mutter eigentlich wieder?'', fragt Daniel plötzlich. ,, Keine Ahnung. Vielleicht bald, vielleicht noch lange nicht.'' ,, Ist das nicht ein wenig hart?'' ,, Doch schon. Naja, es ist härter zu wissen, dass die Mutter noch lange nicht kommt, weil sie getrennt sind und nicht, weil sie irgendwie...auf einer Geschäftsreise ist oder so. Paps hat mir und Alexa am Mittwoch gesagt, weshalb sie sich getrennt hätten. Meine Mutter hat am Mittwoch angerufen und gefragt, wie es mir bis jetzt gefallen würde. Deshalb sind wir auf das Thema gekommen. Er hat gesagt, dass sie sich erst nach ein paar Monaten vor unserem zweiten Geburtstag andauernd gestritten hätten, sich Sachen vorgeworfen haben und so. Mam arbeitete anscheinend zu wenig, dafür Paps zu viel. Er habe zu wenig Zeit für mich und Alexa. Und er warf ihr vor, dass sie mich bevorzugte und sie wiederrum, dass er sich zu wenig um mich kümmern würde. Er sagte mir, dass er aber mich und Alexa beide gleich lieb hätte. Sie hätten sich dann getrennt. Für mich was das etwas zu viel. Ich bin dann rauf ins Zimmer gegangen und habe geweint.'', sage ich leise und blicke zu boden. Daniel bleibt stehen und nimmt mein Gesicht in seine Hände, damit ich ihn ansehen muss. ,, Das tut mir sehr leid. Aber es war bestimmt das Beste so.''
,, Ja, hat Alexa mir dann auch erklärt. Trotzdem, ich weiss auch nicht genau. In mir drin ist irgendwie immer noch, oder jetzt wieder, sowas wie ein Stein, ein Druck oder so.'' Daniel nimmt mich in seine Arme und streicht mir sanft über den Rücken. Das beruhigt mich sehr. ,, Aber irgendwann werd' ich es bestimmt verstehen.'' ,, Ganz bestimmt. Komm, es hat noch irgendwo so ein Typ, der Eis verkauft. Falls du Lust hast.'' ,, Und wie. Aber ich hab kein Geld mitgenommen.'' Obwohl man normaleweise immer ein wenig Geld bei sich hat. ,, Musst du auch nicht, ich hab Geld dabei.'' Wir laufen in die Richtung, wo dann so ein Verkäufer sein sollte. Wir finden auch einen und Daniel kauft zwei Eisstängel. Wir laufen an den See und setzen uns auf eine Bank. Heute hat es schon mehr Leute als beim letzten Mal. Aber trotzdem nicht so viele. Nach einer Weile frage ich: ,, Wenn dir jemand was Blödes sagt, weisst du dann immer gleich eine Antwort drauf?'' ,, Naja, mir sagt man eben selten was Blödes. Aber, wenn ich dann antworte, geben sie meist Ruhe.'' ,, Aha.'' ,, Du meinst jetzt wegen dir, stimmt's?'' Ich nicke. ,, Mir kommt nie das Richtige zur richtigen Zeit in den Sinn. Erst danach oder gar nicht.'' ,, Weisst du, eigentlich muss man ja nicht umbedingt eine Gegenantwort liefern. Kannst zum Beispiel auch einfach nur sagen: ,Jaja, red du nur, wenn du Spass daran hast.' Und dabei die Augen verdrehen oder so. Richtig gelangweilt schauen, damit es ihnen die Freude verdirbt.'' ,, Hmm, klingt eigentlich gut. Das sollte ich ja hinbekommen.'' ,, Bestimmt. Und sonst gibst du uns Bescheid und wir zahlen es der Person heim.''
,, Wie denn das?'' ,, Also, wir verprügeln niemanden. Wir versuchen es auch einfach nur mit Reden zu klären und so.'' ,, Dann ist ja gut. Wegen mir muss sich nun wirklich niemand prügeln.'' Daniel lächelt, legt den Arm um mich, kommt mir näher und sagt: ,, Für dich würd' ich mich prügeln.'', dann küsst er mich. Unser Eis haben wir natürlich schon gegessen. War nicht das Grösste.
Daniel besteht darauf, mich nach Hause zu bringen.
,, Kennt mein Vater dich eigentlich schon?'' ,, Nein, er kennt Tanja und Melanie. Lukas und ich hatten bisher keinen Grund zu euch zu kommen.'' ,, Habt ihr nie zusammen Hausaufgaben gemacht?'' ,, Doch, auch schon. Aber meistens waren wir bei Tanja oder bei Lukas.'' ,, Tja, dann darfst du ihn heute kennenlernen. Er ist kein alter Graus und eigentlich sehr nett.'' ,, Du mit deinem 'eigentlich'.'', lacht Daniel. ,, Dann halt: , Und er ist sehr nett.'' ,, Da bin ich aber beruhigt. Hat er das mit den Uhren herausgefunden?'' ,, Ne, wie denn? Waren nur drei Minuten. Heute Morgen, als er noch schlief, haben wir sie wieder richtig gestellt.'' ,, Ich hätte nie gedacht, dass du zu sowas fähig bist.'' Was ich hasse ist, wenn man denkt, ich würde nie sowas tun, weil ich die ruhige und schüchterne Person bin. Dabei hab ich auch schon kleine Sachen gemacht. Ich werde etwas wütend und antworte schnippischer, als ich wollte:
,, Tja, mit so einer Schwester macht man automatisch Dinge, die ein anderes Mädchen nicht so schnell tun würde. Auch wenn sie schüchtern ist.'' Daniel hat gemerkt, dass ich es ein wenig falsch aufgenommen habe. Er sieht mich an und sagt sanft: ,, He, ich hab's nicht böse gemeint. Ich find's klasse, was du machst und wie du bist. Tut mir leid, wirklich.'' Weil ich nicht schon am zweiten Tag unserer Beziehung streiten will, (will ich auch sonst nicht), lenke ich ein: ,, Schon okay. Ich hab wohl ein bisschen überreagiert.'' ,, Nein, hast du nicht.'' ,, Es ist nur, die meisten trauen den etwas schüchtereren Mädchen einfach nichts zu.'' ,, Oder weniger.'' Ich nicke. ,, Weisst du, ich war früher bis ich etwa 11 war auch sehr schüchtern und hatte wenig Freunde. Ich machte nicht viel Unsinn und wollte am Liebsten zu Hause bei meinem Bruder sein.'' ,, Du hast noch einen Bruder?'' ,, Ja, er ist zwei Jahre älter als ich. Bis er 13 war, konnte ich noch viel mit ihm spielen. Wir hatten viel Spass zusammen. Doch dann mit 14 wollte er nur noch zu seinen Kumpels und nicht mehr mit seinem kleinen Bruder spielen und so. Anfangs war ich sehr traurig, doch dann habe ich in der 5. Klasse Lukas kennen gelernt. Der war schon mit Tanja in der Klasse gewesen und die mit Alexa und Melanie. So habe ich dann die drei kennengelernt und seither war ich in meiner Freizeit meist mit ihnen zusammen und so. Tja, ich habe gelernt, weniger schüchtern zu sein und mich was zu trauen. Aber mein Bruder sagt, vom ruhigen und sensiblen Typen sei immer noch viel übrig.'' ,, Zum Glück. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass du das Gegenteil von dir wärst.''
,, Ich mir auch nicht.'' Mittlerweile sind wir bei mir angekommen. Ich öffne die Tür und rufe in den Flur: ,, Paps! Kommst du mal? Ich möchte dir jemanden vorstellen.'' Paps kommt aus der Küche und sieht Daniel freundlich an. ,, Das ist Daniel, Daniel, das ist mein Vater Martin.'' ,, Guten Tag.'' ,, Hallo Daniel, sag ruhig Martin zu mir, ich komme mir sonst so alt vor.'' Daniel muss lachen. ,, Na dann, hallo Martin.'' ,, Du bist also Nadjas Freund?'' ,, Ja, bin ich.'' ,, Na dann, freut mich, dass ich dich jetzt kenne. Nadja, Alexa ist mit Tanja und Melanie unterwegs, soll ich dir ausrichten.'' ,, Ist klar. Komm, wir gehen rauf.'' ,, Komme schon.'' Wir gehen rauf in meines und Alexas Zimmer und ich setze mich auf's Bett, während Daniel die CDs und Bücher und das alles anschaut. ,, Ist nicht so ein grosses Zimmer, aber es hat alles Platz, was Alexa und ich brauchen.'', sage ich fast ein bisschen entschuldigend. ,, Mir gefällt's. Es ist so gemütlich. Man fühlt sich hier richtig wohl.''
,, Echt? Dann ist ja gut. Dann kommst du also öfters mal zu mir?'' ,, Immer wieder gern.'', sagt er, kommt zu mir und küsst mich.

8.
Am Abend erzähle ich Alexa wieder genau, was wir gemacht haben und dann erzählt sie: ,, Wir sind zur Skatbahn gefahren und Lukas und Melanie haben ein wenig geskatet.''
,, Melanie kann skaten?'' ,, Ja, das wusste ich auch nicht. Sie hat plötzlich ein Skateboard genommen, man kann dort ausleihen, und ist auf die Bahn gegangen. Tanja, ich und Lukas haben schön gestaunt, was sie alles kann. Die hat Kunststücke vollbracht, die nicht einmal Lukas kann. Und der skatet schon zwei Jahre.'' ,, Wow! Ist ja cool.'' ,, Dann sind wir ein Eis essen gegangen und haben Angeli und ihre Tussis gesehen.'' ,, Muss ja sein.'' ,, Ja. Sie ist an unseren Tisch gekommen und hat gesagt: , Sieh mal einer an. Alexa ist ohne ihre Schwester unterwegs. Wo habt ihr sie denn verloren?' Da hab ich ganz beiläufig gesagt: , Bei Daniel.' Und dann sie: , Bei Daniel? Und was will die bei ihm?' Sie hat versucht ganz gleichgültig zu klingen, aber man spürte wie sie innerlich vor Eifersucht Kochte. Ich sagte dann:
, Tja, die sind seit gestern zusammen. Was dagegen?' Sie hat ihre Haare schwungvoll nach hinten geworfen, sich umgedreht und ist, die Nase hoch oben in der Luft, nach draussen gestöckelt. Ich sage dir, war die eifersüchtig.'' ,, Man...jetzt hasst sie mich bestimmt noch mehr.'' ,, Dachtest du etwa, sie würde dich einmal lieben?'' ,, Nein...ja...nein, lieben nicht. Ich meine, ist ja nicht normal, dass sie so fies ist. Hast du nicht mal drüber nachgedacht, dass sie vielleicht ein Problem haben könnte?'' ,, Pah! Die hat mehr als ein Problem. Sie ist das Problem.'' ,, Alexa, bitte! Ich mein's Ernst. Wenn sie so ein richtiges Problem hat und ihr fieses Getue nur eine Maske ist?'' ,, Nadja, das ist es meistens bei solchen Menschen. Mach dir keinen Kopf. Der ist nicht mehr zu helfen.'' Man, jetzt redet sie schon fast wie Daniel, denke ich für mich. Ich merke, dass es keinen Sinn hat, mit ihr weiter darüber zu diskutieren, also lass ich es sein. Ich schreibe Daniel noch eine Gute-Nacht-SMS und kuschle mich in meine Decke. ,, Gute Nacht.'' ,, Gute Nacht, Schwesterchen.''

9.
Der Sonntag zieht sich voll in die Länge. Es regnet den ganzen Tag und ich laufe von der Küche ins Wohnzimmer und wieder zurück. Daniel und die anderen sind nicht zu Hause oder haben Besuch und Alexa liest ein Buch. Als dann der lang ersehnte Abend kommt, mache ich das Abendessen, ein kleines Dessert und schaue noch ein wenig Fern. Danach gehe ich ins Bett und schlafe auch bald ein.
Endlich Montag! Das hätte ich früher nie gedacht, weil ich Montage hasste. Es ist der Beginn der Woche, der Schule und der Folter, die darin folgt. Aber da ich Melanie, Lukas, Daniel und Tanja wieder sehe, freue ich mich. Sie warten bereits vor dem Schultor auf mich und Alexa. Daniel begrüsst mich mit einem Kuss, dann gehen wir ins Schulzimmer. Dort ist Angeli schon mit ihren Tussis versammelt und als sie mich sieht, sagt sie: ,, Na? Hast du ein Junge gefunden, der sich ein wenig an dir interessiert?'' Diesmal kommt die Gegenantwort ganz von alleine. ,, Ja, ich habe einer gefunden. Und du? Hast du auch einer? Oder himmelst du immer noch die Zeitschriftenboys an?'' Angeli ist sofort beleidigt und sagt, (diesmal eine Beleidigung gegen Daniel): ,, Tja, die in den Zeitschriften haben wenigsten einen Sixpack und sehen gut aus.'' ,, Dafür hat Daniel was im Kopf und sieht nicht so gekünztelt aus, wie die in den Zeitschriften. Von wegen Superboys. Die Fotos sind doch alle bearbeitet. Robert Pattinson zum Beispiel sieht anscheinend gut aus, dabei ist eines seiner Beine länger als das andere. Eine andere hat ein eckiges Kinn, was aber tuschiert wurde. Bei Daniel ist alles echt und perfekt ohne bearbeitung. Wer ist also toller? Deine Superzeitschriftenboys oder Daniel?'' Puh! Jetzt bin ich fertig. Allen ist die Kinnlade heruntergefallen. Angeli starrt mich überrascht an. Tanja sagt als erste wieder was:
,, Nadja hat recht. Vielleicht hat sich bis jetzt nur Daniel für sie interessiert, dafür ist ihre Liebe so stark wie eine Mauer und lässt keine Gemeinheiten wie deine durch. Du hattest vielleicht schon mehrere Freunde, dafür war es nur kurz und nichts Richtiges.'' Angeli schnappt nach Luft. Sie hat wohl nicht mit unseren Antworten gerechnet. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Vorallem nicht mit meiner. Sie und ihre Tussis stöckeln an ihre Plätze, (Nase in der Luft, wie immer) und ignorieren uns für den Rest des Morgens. Ein paar andere kommen rein und nehmen ihre Sachen hervor. Alexa und die anderen schauen mich begeistert an und Lukas sagt: ,, Respekt, die Kleine hat ja was drauf. War echt super, was du da gesagt hast.'' ,, Nein, es war der Hammer! Einfach...'', setzt Tanja hinzu und Melanie sagt: ,, Sensationel!'' Wir lachen alle. ,, Ich wusste gar nicht, dass du sowas drauf hast.'',meint Alexa.
,, Ich auch nicht, ehrlich. Ich hab' mich glatt selbst überrascht.'' ,, Jetzt gibt sie bestimmt für eine Weile Ruhe.'', meint Daniel und legt den Arm um meine Schultern. Jetzt sowieso, da die Lehrerin gerade herein kommt und wir uns hinsetzen müssen.
Für den Rest des Tages kann nichts und niemand mehr meine Laune zerstören. Meine überaus gute Laune. Paps ist am Mittag ganz erstaunt, wie gut gelaunt ich bin und da ich nichts sage, nimmt er an, dass es mit Daniel zu tun hat.
Dienstag gibt Angeli auch noch Ruhe. Klar, sie will sich die nächsten Sprüche aufsparen, wenn Daniel nicht dabei ist. Alexa und Tanja müssen noch in die Bibliothek, also gehen ich und Melanie vor. ,, Alexa hat mir erzählt, dass du gut skaten kannst.'', sage ich, damit überhaupt ein Gespräch zustande kommt. ,, Naja, gut nicht, aber ich übe viel.'' ,, Alexa hat aber richtig geschwärmt. Wann gehst du das nächste Mal üben?'' ,, Morgen wahrscheinlich.'' ,, Dann will ich mitkommen, wenn ich darf. Ich würde gerne einmal deine Kunststücke sehen.'' ,, Klar, wenn du willst. Ich kann es aber nicht immer gleich gut.'' ,, Macht doch nichts. Ich kann es gar nicht.'' Melanie lacht: ,, Ich kann es dir ja beibringen, wenn du willst.'' ,, Würdest du?'' ,, Klar! Eh, Nadja, eine Frage mal...'' ,, Ja?'' ,, Wenn du jetzt Daniel nicht kennen würdest, könntest du dir vorstellen...mit Lukas...naja...dich in ihn zu verlieben?'' ,, Naja, er ist nicht so mein Typ, aber sehr nett. Mehr als Kumpel würde da auch nicht drin liegen. Wieso?'' ,, Naja, weil...ich...'' ,, Bist du etwa in ihn verliebt?'', frage ich sie leise. Sie nickt. ,, Und er in dich?'' ,, Keine Ahnung. Aber am Samstag, als wir zusammen geskatet haben, hat er mich immer total lieb angesehen und mir Komplimente gemacht.'' ,, Wie süss. Geh doch mal mit ihm alleine skaten, damit ihr euch näher kommen könnt. Er mag dich bestimmt auch sehr.'' ,, Meinst du? Ich meine, ich bin so schüchtern und naja...'' ,, Ach, das ist doch egal. Daniel liebt mich schliesslich auch und ich bin sehr schüchtern.'' ,, Stimmt. Aber Daniel gehört auch zu der ruhigeheren Sorte.'' ,, Ja, aber trotzdem. Versuch es einfach mal.'' ,, Na gut.'' Wir gehen ins Schulzimmer und es scheint, als habe Angeli auf mich gewartet. ,, Na? Warst du wieder bei der Altkleidersammlung?'' Was? Zuerst war es noch die Kleidersammlung. Man! ,, Ne, wieso?'', frage ich und packe meine Schulsachen aus. Sie sitzt auf dem Fensterbank neben mir und kringelt eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. ,, Na, dieses Jäcklein hattest du noch nie an.'' Ich habe das rote kuschelige und weiche Jäcklein an, das ich in H&M gekauft habe. ,, Das ist von H&M, siehst du das nicht? Hab ich auch gesehen, aber nicht gekauft.'', meint Melanie. Ich schaue sie dankbar an. ,, Nein, ich hab's nicht gesehen, weil ich in richtige Kleidergeschäfte gehe, wo sie was zu bieten haben.'', meint Angeli. Jetzt reichts, denke ich, stehe auf und schaue sie schwarf an. ,, Sag mal, was genau hast du für ein Problem? Warum hast du andauernd was an meiner Kleidung auszusetzen? Meinst du, ich würde freiwillig solche Tussiklamotten anziehen? Ich bin keine Tussi, ich bin keine, die immer die neueste Mode anhat. Ich kaufe mir Sachen, die mir bequem sind und zu mir passen. Tut mir leid, wenn dir meine Kleidung und der Rest an mir nicht gefällt, aber ich kann dir nur sagen: Du gefällst nicht der Hälfte der Klasse. Aber das heisst nicht, dass wir dich beleidigen und fies sind. Ausserdem, diese Schminke, die du immer trägst, das ist einfach viel zu viel. Ich habe mir schon mal versucht, dich ohne Schminke und in normalen Klamotten vorzustellen. Mit normalen und anderen Klamotten und weniger Schminke würdest du viel besser aussehen, glaub mir. Aber es ist ja deine Sache. Wenn du es magst, dass man hinter deinem Rücken über dich lästert und du nur mit anderen Tussis befreundet sein kannst, bitte. Mach nur. Ich halte dich nicht auf. Aber lass mich und die anderen, die nicht so sind wie du, in Ruhe, kapiert?'' Puh! Ich glaube, heute Abend habe ich keine Stimme mehr. Mein Hals schmerzt schon. Angeli sieht mich mit grossen Augen an. Ich schaue ihr genau in die Augen und sehe tatsächlich etwas trauriges darin. Werden ihre Augen etwa feucht? Als sie es wohl nicht mehr aushält, springt sie von der Fensterbank, stösst mich unsanft zur Seite und rennt raus. Wahrscheinlich auf's Mädchenklo. Hinter mir ertöhnt applaus. Überrascht drehe ich mich um und sehe, dass bereits alle da sind. Auch Tanja und Alexa. Die Lehrerin noch nicht. Zum Glück. ,, Der hast du's aber gezeigt.'', sagt Alexa und kommt auf mich zu. ,, Das war wirklich grossartig!'' Auch die anderen loben mich. Ich schaue immer wieder zur Tür. Doch Angeli kommt in dieser Lektion nicht mehr. Auch in der Zweiten fehlt sie. In der Pause gehe ich auf's Klo und -was hör ich da? Jemand weint. Dieser Jemand klingt wie Angeli. ,, Angeli?''
,, Lass mich in Ruhe.'', schluchzt sie. Sie hat sich in der hintersten Kabine eingeschlossen. ,, Angeli, ich hab's nicht böse gemeint, was ich gesagt habe. Ich wollte dir einfach nur klarmachen, dass ich so bin wie ich bin und so angezogen bin, wie ich will. Das kann dir doch egal sein.'' Als Angeli nichts sagt, fahre ich fort: ,, Hör mal, kann sein, dass ich es mir einbilde, aber ich habe das Gefühl, dass du in Wirklichkeit irgendwelchen Kummer hast und den hinter deinem fiesen Getue versteckst. Ich würde dir ja gerne helfen
-und die Anderen sicher auch- aber dazu musst du uns eine Chance geben. Weil, ich mag dich eigentlich schon, ehrlich, nur deine Tussigkeit passt einfach nicht zu dir. Du wärst sonst bestimmt ein hübsches und nettes Mädchen. Wieso kleidest du dich immer so ein? Und wieso Schminkst du dich immer so stark? Das bist doch nicht du, oder?'' Angeli hat aufgehört zu schluchzen. Sie öffnet die Tür und flüstert: ,, Komm rein und schliess wieder ab, bitte.'' Ich tue, was sie sagt und schliesse wieder ab. ,, Also, was ist? Wie kann ich dir helfen?'' ,, Niemand kann mir helfen.'' ,, Bist du sicher? Erzähl doch einfach mal, was los ist.'', bitte ich sie und sie erzählt.
,, Meine Eltern leben seit fünf Jahren getrennt. Sie haben sich nur noch angeschrien und jetzt streiten sie sich darum, zu wem ich gehen soll. Ich bin jetzt 14 und dürfte mitbestimmen, aber ich kann schon gar nicht mehr mit ihnen reden. Beide arbeiten den ganzen Tag und sind erschöpft, wenn sie nach Hause kommen. Um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, schenken sie mir andauernd teure Sachen. Vor fünf Jahren, als sie noch friedlich waren, war ich auch noch anders. Ich hatte viele gute Freundinnen und bin mit den meisten gut ausgekommen. Ich war aber auch ziemlich schüchtern. Doch dann hab ich mich verändert, immer die teuren Sachen angezogen und mich angefangen zu schminken. Vanessa hat mir gesagt, mit viel Schminke würde ich sehr schön aussehen und Simone hat sich uns angeschlossen, als wir immer zusammen waren. Simone ist nicht so tussihaft wie Vanessa und ich und ich bewundere sie dafür, wie sie noch ein wenig natürlich geblieben ist. Als ich mich mit Vanessa angefreundet habe, habe ich mich immer mehr von den anderen abgekapselt und die meisten Freunde verloren. Damit niemand merkte, wie beschissen ich mich fühlte deswegen und wegen zu Hause, habe ich angefangen fies zu sein und habe eine Mauer um mich gebaut, damit mich niemand verletzen konnte. Natürlich traf mich das eine oder andere Wort, aber ich habe es zur Seite geschoben und wurde immer fieser. Ich bin also bewusst darüber, wie fies ich bin. Ich habe einfach Angst, Vanessa und Simone zu verlieren und alleine dazustehen. Gestern Abend hat meine Mutter mich geschlagen, weil ich sagte, dass ich doch mit 14 auch mitreden durfte. Es hat ihr sofort leid getan, doch ich hab mich bis heute Morgen in meinem Zimmer eingeschlossen und bin eine halbe Stunde früher weggegangen. Mein Vater wohnt nicht mehr bei uns. Ich bin nur am Wochenende bei ihm. Damit ich die Ohrfeige schnell vergesse und es mich nicht zu sehr verletzt, war ich heute Morgen so fies zu dir. Es tut mir sehr leid.'' Angeli lächelt ein wenig, schaut mich an und sagt dann: ,, Eigentlich finde ich dich nämlich total hübsch und nett. Ich habe gehofft, dass mich einmal jemand versteht, ohne dass ich es sagen muss und mir zuhört, so wie du jetzt. Verzeihst du mir nochmals? Ich bin auch nie wieder fies zu dir.'' ,, Ja, ich verzeihe dir. Aber sei auch zu den anderen nicht mehr fies, ja?''
,, Versprochen.'' ,, Das sagst du denen nachher gleich.'' ,, Was?'' ,, Wenn alle im Klassezimmer sind, stellst du dich vor die Klasse und entschuldigst dich, das bist du mir noch schuldig.'' ,, Na gut. Erzähl bitte niemandem davon, was ich dir jetzt erzählt habe. Wenn die anderen fragen, sollen sie zu mir kommen.'' ,, Klar, versprochen.'', lächle ich.
,, Danke.'' ,, Schon okay. Also, komm jetzt.'' Kaum sind wir draussen vor der Mädchenklotür, läutet es. Im Schulzimmer erwartet uns, oder wohl eher mich, Daniel, Alexa und die anderen drei. Sie schauen überrascht und skeptisch drein, als ich mit Angeli reinkomme. ,, Hei zusammen.'', sage ich. ,, Wo warst du?'', fragt Alexa mich. ,, Auf dem Klo.''
,, So lange?'' ,, Ja, ich musste mit Angeli was klären.'' Fünf fragende Blicke. ,, Ihr werdet es nachher erfahren.'', sage ich und zwinkere Angeli, die hinter mir steht, zu. Als dann endlich alle da sind, rufe ich: ,, Leute, könnt ihr bitte mal still sein? Angeli will euch was sagen.'' Sofort ist es still und alle schauen gebannt zu Angeli. Ich stehe bei Daniel und schaue sie aufmunternd an, als sie zögernd beginnt. Sie ist jetzt plötzlich das schüchterne Mädchen, dass stotternd anfängt zu reden: ,, Also...ich...ich wollte mich bei euch allen entschuldigen, dass ich zu manchen von euch so fies war. Ich...ich habe gewusst, dass ich euch damit verletze und wütend mache. Es ist so...bei mir zu Hause läuft's seit fünf Jahren nicht mehr gut, meine Eltern wollen sich scheiden lassen und schreien sich oft an und jetzt streiten sie darüber, zu wem ich soll und so. Das entschuldigt nicht mein ganzes Verhalten. Ich habe es gehasst nach Hause zu gehen und habe meinen Kummer und meine Traurigkeit in Wut verwandelt und die an euch rausgelassen. Das war nicht in Ordnung und ich würde es verstehen, wenn ihr jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollt. Ich hoffe, dass ihr mir eine zweite Chance gebt. Ich werde mich ändern, versprochen. Aber ich wäre froh, wenn ihr mir helft, wieder so zu werden, wie ich es einmal war, denn, alleine schaff ich das nicht, weil es mir einfach schlecht geht.'' Als sie fertig ist, lächelt sie kurz ein wenig und als sie gehen will, sagt Maik: ,, Klar werden wir dir eine zweite Chance geben, wenn du mir auch noch eine gibst.'', sagt er und kommt nach vorne. Wow, da geht es wahrscheinlich um eine andere Art von Streit. Haben die etwa was miteinander? Er nimmt Angelis Hände in seine Hände, sieht sie an und sagt:
,, Auch, wenn es zwischen uns viele Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten gab, lieb ich dich immer noch sehr und wünsche mir, dass du mir noch eine zweite Chance gibst. Dass du UNS noch eine zweite Chance gibst. Bitte, Angeli.'' Alle warten auf ihre Antwort. Daniel legt von Hinten die Arme um mich und da sagt Angeli endlich:
,, Ja.'' Mehr nicht. Zu mehr ist sie wohl nicht in der Lage. Alle klatschen, als die zwei sich küssen. Von der Tür her klatscht auch jemand und ruft: ,, Das war sehr schön. Hätte man wirklich filmen sollen.'' Frau Sommer kommt herein. Angeli und Maik schauen erst ein wenig erschrocken zu Frau Sommer, doch die ist sehr begeistert davon, was sie gerade gesehen hat. ,, Aber trotzdem wird es Zeit, dass ihr jetzt an eure Plätze geht.'', sagt sie dann und alle setzen sich an ihre Plätze. Ihre Laune, die hervorragend ist, kann niemand mehr verderben. Das ist gut, denn dank ihrer guten Laune, gibt sie uns keine Hausaufgaben auf. Wir kriegen zwar auch sonst sehr wenig, aber keine sind noch besser, als sehr wenig.

10.
Der Mittwochmorgen bleibt für den Rest der Woche das Gesprächsthema der Schule. Alexa und die anderen fragen mich am Donnerstag: ,, Was hast du bloss mit Angeli gemacht, dass sie so nett ist?'' ,, Ich habe ihr die Meinung gesagt und gefragt, was sie für ein Problem hat. Wenn sie netter zu uns sei, würde man ihr auch zuhören und so was in der Art. Da hat sie mir erzählt, was sie hat und ich habe sie getröstet, dann hat sie mir versprochen, nie wieder fies zu sein.'' ,, Wow! Super gemacht, Nadja.'', lobt Lukas mich. ,, Und was ist Angelis Problem?'', fragt Tanja. ,, Ich habe ihr versprochen, es niemandem zu erzählen. Die, die es wissen wollen, sollen sie selbst fragen, hat sie mir gesagt. Ausserdem hat sie ja schon betohnt, dass es mit ihrer Familie zu tun hat.'' ,, Achso. Ja. Tja, Hauptsache, sie ist jetzt nicht mehr so fies.'', meint Tanja seufzend. Dann habe ich eine Frage. ,, Sagt mal, hatten Angeli und Maik eigentlich mal was zusammen?'' Daniel erklärt: ,, Naja, wir haben nur am Rande was mitbekommen. Sie haben sich einmal laut im Schulzimmer gestritten, aber worum es gegangen ist, wissen wir nicht. Jedenfalls sah es einmal so aus, als wären sie ineinander verliebt und dann beachteten sie sich wieder gar nicht.'' ,, Aha.''
Am Freitagmorgen kommt Angeli zu mir, als ich gerade alleine stehe und fragt: ,, Du, Nadja?'' ,, Ja?'' ,, Meinst du, ich könnte mal was mit dir und deinen Freunden zusammen unternehmen? Weil...Vanessa will nichts mehr vom mir wissen und Simone weiss nicht recht, ob sie jetzt zu Vanessa oder mir halten soll.'' ,, Ich frage die Anderen nachher mal, weil alleine kann ich nichts bestimmen.'' ,, Schon klar. Danke.'' Und dann geht sie wieder. In der Pause frage ich dann die anderen, was sie meinen. ,, Ich denke,'', meint Lukas,
,, wir sollten ihr eine Chance geben. Ist jetzt bestimmt nicht einfach für sie.'' Die Anderen sind derselben Meinung und so gehen wir am Nachmittag nach der Schule gemeinsam mit Angeli zur Skatebahn. Melanie und Lukas vollführen wieder die tollsten Kunststücke und wir anderen haben sonst auch jede Menge Spass zusammen. Angeli erzählt dann auch meinen Freunden, was bei ihr zu Hause los ist und weshalb sie so fies war. Tanja meint, als sie fertig erzählt hat: ,, Tja, das erklärt Einiges.'' Und Melanie, die schon lange nichts mehr gesagt hat, meint: ,, Ich glaube, ich an deiner Stelle hätte ähnlich reagiert. Aber jetzt hast du ja uns.'' ,, Danke, Melanie. Ich bin euch wirklich sehr dankbar.'' Später gehen wir dann noch ein Eis essen und dann wird es Zeit, sich zu verabschieden. ,, Wir könnten doch Morgen zusammen Zelten gehen, was meint ihr?'', fragt Daniel, der sich nicht von mir trennen will und umgekehrt genauso. ,, Ja, wieso nicht? Aber wir müssen zuerst wissen, was für Wetter ist.'', meint Alexa. ,, Okay, hören wir heute Abend den Wetterbericht und dann rufen wir einander an.'', sage ich. Alle sind einverstanden und so müssen Daniel und ich uns eben trotzdem trennen.
Leider macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung und so lädt uns Angeli kurzerhand ein, bei ihr zu übernachten. ,, Macht es euch was aus, wenn Maik auch kommt?'', fragt sie, als wir ein Riesentelefonat führen. Riesentelefonat, weil wir alle miteinander verbunden haben. ,, Nein, der soll ruhig auch kommen, damit wir ein wenig mehr Jungs sind.'', sagt Lukas. Wir müssen alle lachen. ,, Dann also bis Morgen um 19.00 Uhr bei mir, ja?'' ,, Ja, bis Morgen.'' ,, Tschüss.'' ,, Ciao.'' ,, Bye, bye.'', verabschieden wir uns alle und dann hängen wir auf und Alexa und ich gehen auch gleich ins Bett, weil es schon ziemlich spät ist.

11.
Am nächsten Abend sind Alexa, ich, Daniel und Tanja pünktlich um 19.00 Uhr bei Angeli vor der Tür. ,, Hei, kommt rein.'', begrüsst uns Angeli freundlich. Maik ist schon bei ihr, bemerke ich, als wir bei ihr ins Wohnzimmer kommen. Er sitzt auf dem Sofa und sortiert DVDs. Wir begrüssen uns mit einem ,Hei Maik' oder jenachdem. ,, Sind Lukas und Melanie nicht mit euch gekommen?'', fragt Angeli, der aufgefallen ist, dass zwei fehlen. ,, Tja, schon nur wenn man 'Lukas und Melanie' hört, klingeln einem schon die Alarmglocken, oder nicht?'', meint Daniel und grinst. Klar, Melanie hat mir ja erzählt, dass sie sich in Lukas verknallt hat. Aber das muss ich ja nicht sagen, weil es jetzt logisch ist. Wir machen es uns schon mal auf dem Sofa bequem und Angeli bringt für jeden Cola oder Eistee, je nach Wunsch. Nach etwa 10 Minuten klingelt es wieder an der Tür und Melanie und Lukas stehen draussen. ,, Jetzt sind wir ja endlich vollständig.'', meint Tanja und zwinkert Melanie zu, die etwas rot wird. ,, Tut uns leid für die Verspätung.'', sagt Lukas. ,, Nicht schlimm. Also, fangen wir an?'', fragt Angeli und Lukas fragt verblüfft: ,, Womit?'' ,, Na, mit dem Film. Wir schauen Film, knabbern was und danach machen wir es uns in meinem Nachtlager gemütlich.'' ,, Klar, los kommt. Machen wir's uns gemütlich.'', fordert Alexa uns auf und so schauen wir zwei Minuten später einen Film. Ich in Daniels Armen, Melanie in Lukas' Arme und Angeli in Maiks Arme eingekuschelt.
Doch nach dem Film gehen wir natürlich noch nicht schlafen, sondern setzen uns im Kreis hin und quatschen noch ein bisschen. ,, So,'', meint Angeli und schaut Lukas und Melanie an, ,, jetzt verratet uns mal, seit wann ihr ein Paar seid.'' ,, Seit Donnerstagnachmittag, um genau zu sein. Wir sind skaten gegangen und da hat's eben richtig gefunkt. Stimmt's, Meli?'' Er nennt sie Meli? Wie süss! ,, Genau.'', bestätigt Melanie. ,, Hei, wir könnten doch Flaschendrehen spielen.'', schlägt Lukas vor. ,, Melanie kannst du auch so küssen, uns macht's nichts aus, falls es dir darum geht.'', grinst Daniel. ,, Und du deine Nadja.'', gibt Lukas zurück. ,, Nur zu gerne.'', meint Daniel, beugt sich zu mir und küsst mich. Die anderen klatschen. Angeli, die eine Flasche geholt hat, legt diese nun in die Mitte. ,, Was nehmen wir alles?'', fragt sie in die Runde. Frage und Action.'', schlägt Alexa vor. Die hat sich auch schon lange nicht mehr gemeldet, geht's mir durch den Kopf. Wir sind einverstanden und so dreht Angeli die Flasche. Die Flasche zeigt auf Tanja. ,, Ohje. Jetzt kann ich eines aussuchen, oder?'' ,, Ja und beim zweiten Mal musst du das andere nehmen.'', sage ich. ,, Also, ich nehme Frage.'' ,, Das Beste am Schluss, wie?'', sagt Daniel wieder. Man, der hat heute Abend ja lauter freche Sprüche drauf. Hihi, mein Daniel xD. ,, Also, in wen, von diesen drei Jungs hier, warst du schon einmal verliebt?'' ,, Oh man...okay, aber es ist Vergangenheit, ehrlich.'' ,, Schon klar. Also, in wen?'' ,, In...Lukas und...Daniel.'' ,, Echt jetzt?'', kommt es von den beiden Jungs wie aus einem Mund. Tanja nickt. ,, Echt krass!'', sagt Lukas und fragt: ,, Wann denn?'' ,, Ehm...ich glaube, in der 5. Klasse war das, als wir unsere Clique gründeten.'' ,, Und wann in mich?'' ,, Nach Lukas.'' ,, Also, weiter jetzt? Eigentlich ist ja nur eine Frage genehmigt.'', meint Angeli. ,, Ja, von der Person, die dreht nur eine, aber was die Anderen betrifft, haben wir nichts ausgemacht.'' ,, Also, dann gillt ab jetzt dasselbe für die Anderen, einverstanden?'', frage ich und alle nicken. Nun dreht Tanja die Flasche. Jetzt zeigt sie auf Alexa. ,, Frage oder Action?'' ,, Frage.'' ,, Also...wenn du dich für einen Jungen von hier entscheiden müsstest, wen würdest du nehmen?'' ,, Schwierige Frage...Eigentlich finde ich ja alle drei ziemlich nett und so...ich glaube...Lukas. Der würde noch am ehesten meinem Geschmack entsprechen.'' ,, Oho, ich fühle mich geehrt.'', meint Lukas und lächelt. ,, Gute Wahl und weiter.'', sagt Tanja. Alexa dreht die Flasche. Jetzt bleibt sie bei Lukas stehen. ,, Frage oder Action?'' ,, Action.'' War ja irgendwie logisch. ,, Also, dann küss doch Melanie bitte mal. Auf den Mund.'' ,, Logisch.'', sagt Lukas, nimmt liebevoll Melanies Gesicht in seine Hände und küsst sie auf den Mund. Wieder klatschen alle. Melanie strahlt und Lukas legt seinen Arm um sie. ,, Du musst jetzt noch die Flasche drehen.'', meint Alexa und kichert. Lukas dreht die Flasche und die bleibt diesmal bei Daniel stehen. ,, Frage oder Action?''
,, Action.'' Ui, was kommt jetzt wohl?? ,, Also, dann...mach Nadja einen Heiratsantrag.'' ,, Oh Gott.'', murmle ich und stehe dann auf, damit sich Daniel vor mich hinknien kann. Er räuspert sich und beginnt. ,, Meine liebe Nadja. Seit ich mich in dich verliebt habe, will ich nur noch mit dir zusammen sein. Du bist die Frau meines Lebens und das Wertvollste, das ich je besessen habe. Und so frag ich dich: Willst du meine Frau werden?'' ,, Ja, logisch.'', antworte ich und alle lachen und klatschen begeistert. Daniel steht auf und küsst mich. ,, Hei, hast du zu Hause schon mal n'bisschen geübt, dass du das so gut kannst?'', fragt Lukas. ,, Ne, hab ich nicht. Aber die letzte Zeile entspricht der Wahrheit. Ne, die Zweitletzte, wenn man das ,Willst du meine Frau werden' mitzählt.'' Das war doch, ich sei das Wertvollste, das er je besessen habe, oder? Wie süss! ,, Oh, ich liebe dich!'', rufe ich und umarme ihn fest. Er lacht und drückt mich fest. Als wir uns fertig gedrückt haben, setzen wir uns wieder und er dreht die Flasche. Sie hält bei Maik an. Der hat sich bis jetzt auch nicht mehr gemeldet. ,, Frage oder Action?'' ,, Frage.'' ,, Wann warst du mit Angeli schon mal zusammen, wenn überhaupt?'' Es wird ganz still. Maik räuspert sich und sagt dann mit rauer Stimme: ,, Vor etwas mehr als einem Jahr.'' ,, Wieso habt ihr euch getrennt?'', will Tanja wissen. ,, Es ist nur eine Frage gestattet.'', wirft Angeli ein, doch Maik winkt ab. ,, Lass nur. Wir haben uns gestritten, weil...wir haben uns immer mehr voneinander distanziert. Sie wurde immer tussiger und ich immer...gewalttätiger.'' ,, Was?'', fragt Tanja erschrocken. ,, Ich wurde schnell wütend und habe sie oft angebrüllt. Deshalb haben wir...also mehr sie oder irgendwie auch ich, Schluss gemacht. Aber ich habe nie aufgehört, Angeli zu lieben.'' Echt rührend. ,, Wow, das ist ja echt...'' ,, Romantisch.'', seufzt Melanie. Ich lächle sie an. Sie zurück. ,, Tja, ich bin froh, dass ich sie wieder habe.'' ,, Mir geht's auch so.'' ,, Das haben wir nur dir zu verdanken, Nadja.'', wendet Angeli sich an mich. ,, Mir?'' ,, Ja, du hast mir geholfen und die Augen geöffnet, dann hat Maik wieder Mut gehabt, mich nochmals zu fragen.'' ,, Och...hab ich doch gern gemacht.'', meine ich berührt. ,, Dreht jetzt endlich die Flasche weiter, mir kommen gleich die Tränen bei so viel Liebe und Herzschmerz.'', meint Tanja. Wir müssen lachen und Maik dreht die Flasche. Sie hält bei Tanja. ,, Wieder ich? Nein! Jetzt muss ich ja Action nehmen, oder?'' ,, Genau, also...küss Daniel.'' ,, Was? A...aber Daniel ist vergeben und...ich glaube nicht, dass...dass Nadja sehen will...dass ich...'' ,, Ist ja nur ein Spiel. Ausserdem kann Nadja die Augen schliessen.'', meint Maik erbarmungslos. Tanja schaut unsicher zu mir. ,, Ist nur ein Spiel, macht mir nichts aus, Tanja, ehrlich.'', beruhige ich sie und lächle sie an. ,, Na gut...auf die Wange?'', fragt sie hoffnungsvoll. ,, Ne, natürlich auf den Mund.'', sagt Maik und grinst. Macht der das extra? Also, ich bin ja nicht eifersüchtig, aber ich habe das Gefühl, er macht es extra so. Egal. Tanja und Daniel stehen auf und da fügt Maik noch hinzu: ,, Drei Sekunden lang.'' ,, Okay...'', murmelt Tanja. ,, Los.'', sagt Maik und zählt, während Tanja Daniel küsst, (ich kann die Augen gar nicht abwenden und schaue zu, wie sich ihre Lippen treffen. Grr!):
,, Eins...zwei...drei.'' Genau bei drei entfernt sich Tanja wieder und setzt sich schnell wieder hin. Daniel setzt sich wieder zu mir und sieht mich von der Seite an. Ich schaue aber nicht zurück, sondern rufe mir das Bild nochmals in Erinnerung. Eigentlich sah es schön aus, wie sie sich geküsst haben...richtig...einfach richtig schön. Moment! Was denke ich nur? Ich sollte mich wieder konzentrieren. Die Flasche dreht sich bereits wieder und bleibt bei mir stehen. Tanja fragt: ,, Frage oder Action?'' Ihre Stimme ist noch leise. Ich überlege und entscheide mich für: ,, Frage.'' ,, Also...ehm...wo besteht für dich die Grenze, wo du sagen kannst: , Jetzt hat er mich betrogen.' Oder: , Jetzt habe ich ihn betrogen.'?'' ,, Hmm...eigentlich, wenn ich oder er jemanden anderes küssen würde. Naja, wenn man seine Kollegin links, rechts auf die Wange küsst, geht's noch, aber so richtig knutschen oder jemanden anderes ziemlich lange auf den Mund küssen, wäre für mich der Anfang von Betrug oder jedenfalls Untreue.'' ,, Aha. Gut, weiter. Du bist dran.'', meint Tanja. Hat sie diese Frage jetzt bewuss gestellt? Ich drehe die Flasche und sie bleibt bei Melanie stehen. ,, Frage oder Action?'' ,, Frage.'' ,, Wieso hast du dich in Lukas verliebt?'' ,, Weil er unglaublich nett und süss ist.'', antwortet Melanie und küsst ihn. Er lächelt sie liebevoll an, dann dreht Melanie die Flasche. Wieder bleibt sie bei Maik stehen. ,, Jetzt muss ich wohl Action nehmen, was?'' Melanie nickt. Sie weiss wohl nicht, was sie sagen soll, als Lukas ihr was ins Ohr flüstert. Dann sagt sie: ,, Sing ein Lied vor.'' ,, Was?'' ,, Du sollst ein Lied vorsingen.'' ,, Muss das sein?'', fragt Maik gequält. ,, Ja, das muss sein.'' ,, Und welches?'' ,, Diese Wahl überlass ich dir.'' Maik seufzt und singt dann ,Alle meine Entlein'. Er trifft zwar nicht alle Töne, aber es klingt nicht schlecht. Als er fertig ist klatschen und jubeln wir. Er steht auf und verbeugt sich. ,, Danke, danke.'' Dann setzt er sich wieder und dreht die Flasche. Sie bleibt bei Alexa stehen. ,, Mist! Jetzt muss ich Actoin nehmen.'', klagt Alexa und grinst gequält. ,, Gut, dann...Moment, muss schnell was überlegen.'', meint Maik. Ich habe ja kein gutes Gefühl. Was hat er jetzt im Sinn? Meine Frage wird gleich beantwortet. ,, Du musst Lukas fünf Sekunden lang küssen. Frag jetzt nicht wo, das sollte klar sein.'', wirft er noch schnell ein. ,, Aber...'', will Alexa erwidern, doch Maik lässt sie nicht zu Worte kommen. ,, Nichts aber, oder willst du ihn 10 Sekunden lang küssen?'' Ich habe so den Verdacht, dass sie das gern getan hätte, aber das wollte sie Melanie wohl nicht antun. ,, Nein...nein, schon gut. Fünf Sekunden reichen.'', wehrt Alexa ab und steht auf. Lukas steht schon. ,, Also dann. Los!'', ruft Maik und Alexa und Lukas küssen sich. Maik zählt. ,, Eins...zwei...drei...vier...fünf!'', ruft er wieder und Alexa setzt sich schnell wieder hin. Lukas setzt sich ebenfalls wieder neben Melanie und legt ihr wieder den Arm um die Schultern. Melanie scheint der Kuss nichts ausgemacht zu haben. Ich schaue zu Alexa. Sie sieht zu Boden und merkt wohl meinen Blick, denn sie schaut auf und ich erschrecke fast ein wenig. Sie schaut mich aus traurigen Augen an und lächelt ein wenig. Was hat sie nur? ,, Alexa, du bist dran mit Flaschendrehen.'', weist Lukas sie hin. ,, Äh...klar, mache schon.'', stottert Alexa und dreht die Flasche. Sie hält bei Maik. Schon wieder. ,, Frage oder Action?'' ,, Action natürlich.'', meint dieser lässig. Plötzlich hat Alexa sowas wie Wut in ihren Augen. ,, Du musst...'' Sie sieht in die Runde und fährt dann fort: ,, Du musst Tanja eine Liebeserklärung machen, wie du sie bei einem Mädchen machen würdest, in das du dich verliebt hast.'' ,, Man! Kann ich nicht was anderes machen?'', fragt Maik, grinst aber und ist bereits aufgestanden. Alexa schüttelt nur den Kopf. Er geht zu Tanja und streckt ihr die Hand hin. Sie nimmt sie und er hilft ihr auf. ,, Na gut, dann...'', fängt Maik an und kratzt sich am Kopf. ,, Wie soll ich anfangen?'' ,, Das musst du wissen. Wie hast du's bei Angeli gemacht?'', fragt Alexa. ,, Naja...also...'' Er räuspert sich und beginnt dann endlich: ,, Tanja, ich muss dir was beichten. Ich glaube...ich habe mich...in...dich verliebt.'', bringt er schliesslich sehr stotternd heraus. Zuerst ist es danach ganz ruhig im Raum, doch dann bricht Lukas endlich die drückende Stille. ,, Super gemacht. Richtig glaubwürdig gestottert hast du.'' Wir müssen alle (fast alle) lachen und Maik setzt sich, rot angelaufen, wieder hin. Tanja hat sich auch wieder gesetzt. Während Maik die Flasche wieder dreht, schaue ich zu Alexa. Sie schaut immer noch zu Boden. Ich überlege schnell, mit welcher Ausrede ich sie schnell unter vier Augen sprechen kann. ,, Alexa, kommst du schnell?'', frage ich und schaue sie durchdringend an, als sie mich fragend ansieht. Sie kapiert und sagt: ,, Klar.'' ,, Wir sind gleich wieder da.'', sage ich in die Runde und so gehen wir in den Flur, wo ich sie frage: ,, Was hast du, Alexa?'' ,, Es ist einfach total doof.'', sagt sie. ,, Komm, gehen wir nach draussen.'', sage ich und ziehe sie mit. Draussen dann, sprudelt alles aus ihr heraus. ,, Ich habe dir doch mal gesagt, dass Lukas mir am meisten gefällt oder so, weisst du noch?'' ,, Ja, ich glaube, ich kann mich noch dran erinnern.'' ,, Eben. Heute, als ich ihn küssen musste, hatte ich 1000 verdammte Schmetterlinge im Bauch. Maik hat wohl was geahnt, weil ich gesagt habe, dass ich mich für Lukas entscheiden würde, wenn ich müsste.'' ,, Stimmt.'' ,, Eben. Er hat es extra gemacht und jetzt hab ich mich noch in Lukas verliebt. Es kann sein, dass ich schon vorher ein wenig auf ihn stand, aber jetzt...'' Sie bricht ab und schaut mich unglücklich an. ,, Das heute Abend war mein erster und schönster Kuss.'', sagt sie leise. Ich nehme sie in die Arme und tröste sie ein wenig. Naja, ich versuche es jedenfalls. ,, Wenn du willst, können wir nachher nach Hause gehen.'', sage ich dann. ,, Ne, lass mal. Dann wollen die anderen wissen, was los ist und ich mag nicht Ausreden erfinden.'' ,, Und was sagen wir nachher?'' ,, Wir sagen: , Ach, nichts war ihr wissen solltet.' Dann geben sie schon Ruhe. Aber bitte erzähl es niemandem. Auch Daniel nicht, klar?'' ,, Versprochen.'' ,, Sag mal, wie war es eigentlich für dich, als Tanja Daniel küssen musste?'', fragt Alexa nun vorsichtig und sieht mich mitfühlend an. ,, Naja, dass Tanja so reagiert hat, dass er doch schon vergeben sei und so, beruhigte mich. Aber sowas möcht ich nicht jeden Abend sehen müssen.'' ,, Das glaub ich dir nur zu gerne. Gehen wir wieder rein?'' ,, Mhm.'' Wir gehen also wieder rein und setzen uns zu den anderen. ,, Wo wart ihr denn?'', fragt Angeli uns. ,, Ach, wir waren bloss draussen.'', sage ich und sie fragt weiter: ,, Was habt ihr denn gemacht?'' ,, Nichts, was ihr wissen solltet.'', antwortet nun Alexa. Angeli nickt nur und schweigt dann zum Glück. Eigentlich war ausgemacht, dass wir bei Angeli übernachten würden. Aber die Stimmung ist jetzt ziemlich drückend, ausserdem haben die meisten keine Lust mehr dazu. Und so verabschieden sich bald ein paar. Das heisst, ich, Daniel und Alexa verabschieden uns. ,, War ein toller Abend. Bis Montag in der Schule.'', verabschiedet sich Angeli und dann gehen wir. ,, Ich gehe schon mal vor.'', meint Alexa und geht. ,, Was hat sie?'', fragt Daniel mich. ,, Nicht so wichtig.'' ,, Aha.'' Nach kurzem Schweigen fragt Daniel: ,, Sag mal, dass Tanja mich küssen musste, hat dir hoffentlich nichts ausgemacht, oder?'' ,, Ne, ich sehe es total gerne, wenn mein Freund beim Spielen andere Mädchen küssen muss oder geküsst wird..'', sage ich, was ich natürlich ironisch meine. Er merkt es zum Glück. ,, Nadja, es war nur ein Spiel, das weisst du doch. Hat nichts zu bedeuten. Ich liebe nur dich, das weisst du doch, oder?'' ,, Klar.'', sage ich versöhnlich und Daniel gibt mir ein Kuss. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sich, seit dem Kuss von Daniel und Tanja, etwas verändert hat, zwischen mir und ihm. Aber ich sage nichts. Vor der Haustür verabschiedet er sich von mir und geht.

12.
Alexa ist bereits im Bett, als ich ins Zimmer komme. Zuerst ziehe ich meinen Schlafanzug an und merke dann erst, als ich mich auch hinlegen will, dass sie noch wach ist. Nicht nur das...,, Alexa, weinst du?'' ,, Nein.'', schluchzt sie unter der Bettdecke hervor. Ich setze mich zu ihr auf die Bettkannte und streiche ihr durch's Haar, das noch ein wenig unter der Bettdecke hervor lugt. ,, Es ist wegen Lukas, stimmt's?'', frage ich sie leise. ,, Ja.'', bringt sie gerade noch hervor und beginnt zu weinen. Die Arme! Jetzt hat sie noch Liebeskummer. So ein Mist. Und erst noch wegen einem Jungen, den sie in der Clique hat und seine Freundin auch. Das ist hart. Als sie sich etwas beruhigt hat, setzt sie sich auf und meint: ,, Ich werde eine Weile nichts mehr mit der Clique unternehmen. Ich kann es nicht auch noch in der Freizeit ertragen, Melanie und Lukas zusammen zu sehen.''
,, Meinst du nicht,'', sage ich vorsichtig, ,, dass sie sich wahrscheinlich jetzt am Nachmittag manchmal etwas anders beschäftigen werden, als mit unserer Clique?'' ,, Stimmt wohl. Ich seh's dann. Aber sonst krieg ich einfach Bauch,- oder Kopfschmerzen.'' Ich nicke. ,, Schlaf dich Morgen erstmals aus, ja?'' ,, Mach ich.'' Alexa kuschelt sich wieder unter die Decke und ist bald eingeschlafen. Noch bevor ich mich selber eingekuschelt habe. Ich bin aber noch lange wach und überlege. Denke nach. Was heute alles passiert ist und so. Ich bin mir jetzt 100%ig sicher, dass Maik das mit dem Küssen, (1. Daniel+Tanja, 2. Lukas+Alexa), extra gemacht hat. Das war fies. Alexa hat jetzt wegen ihm Liebeskummer und ich habe ein seltsames Gefühl bei Daniel. Als wäre ich nicht mehr 100%ig in ihn verliebt. Dabei sind wir doch erst ein paar Tage zusammen. Naja, wenn ich plötzlich nichts mehr für ihn empfinde, kann ich ja dann nichts dafür. Ich bin nicht sauer auf Tanja, ganz im Gegenteil. Es war ihr selber unangenehm. Aber ehrlich, Tanja und Daniel wären noch ein schönes Päärchen...

13.
Der Sonntag ist wieder grauenvoll. Naja, das Wetter ist schlecht, Alexa bleibt den ganzen Tag im Zimmer vor Liebeskummer und Paps fragt mich, ob sie denn krank sei. Er weiss noch von nichts. ,, Ja, sie hat Schmerzen.'', antworte ich. ,, Schmerzen? Wo?'' ,, Herzschmerz.'', antworte ich. Ist ja auch die Wahrheit. Paps kapiert. Liebeskummer. ,, Wenn ich was tun kann, dann sag es bitte, ja? Ich helfe gern.'', meint Paps. ,, Klar. Danke Paps.'' Daniel meldet sich den ganzen Sonntag nicht bei mir und ich mich nicht bei ihm. Auch egal. Entweder sitze ich vor der Glotze oder vor dem Pc. Einmal nehme ich ein Buch in die Hand, lege es aber wieder weg, weil ich doch keine Lust zum lesen habe. Später gegen den Abend ruft Melanie mich an. Ich bin ziemlich erstaunt, als ich sie am Apparat habe. ,, Melanie? Was gibts?'' ,, Viel!'', ruft sie fröhlich und seufzt. ,, Lukas und ich waren im Kino. Es war ja sooo romantisch!'', schwärmt sie mir dann eine halbe Stunde lang die Ohren voll. Dann fragt sie: ,, Wie geht's Alexa?'' ,, Äh, wieso meinst du?''
,, Naja, ich frage nur aus Nettigkeit.'' ,, Achso. Naja...das Wetter macht nicht gerade die beste Laune.'', weiche ich aus. Ich kann ihr unmöglich sagen, dass Alexa vor lauter Herzschmerz wegen Lukas nicht mehr aus dem Bett kommt. Aber es liegt irgendwie auch am Wetter. ,, Ja, wenn ich Lukas nicht hätte, wäre mir todlangweilig. Gib ihr einen lieben Gruss, ja?'' ,, Mach ich. Bis Morgen.'' ,, Tschüss.'' Puh! Gott sei Dank hat sie nicht mehr gefragt.
In dieser Nacht schlafe ich ganz schlecht. Erst gegen den Morgen kann ich einschlafen. Alexa hat den ganzen Tag nichts gesagt, gegessen und getrunken. Hoffentlich leidet sie nicht mehr so lange!

14.
Bis Donnerstag ist Alexa nicht mehr ansprechbar oder sie antwortet nur kurz und bündig. Jetzt kann ich Daniel nicht mehr sagen, dass es nichts Wichtiges sei. ,, Tut mir leid, aber ich denke nicht, dass ich darüber sprechen darf.'' ,, Aha, okay.'' ,, Unternehmen wir Nachmittag was?'' ,, Eh...du...tut mit leid, aber...ich....also...ich gebe Tanja in Bio etwas Nachhilfe.'' ,, Aha.'' Daniel ist sehr gut in Biologie. Verständlich, dass er ihr hilft. Aber mir versetzt es einen Stich. ,, Morgen?'', fragt er. ,, Klar.'', sage ich gleichgültig. Daniel gibt mir einen Abschiedkuss und geht. ,, Na, hat er dich versetzt?'', fragt mich jemand hinter mir. Ich kenne doch diese Stimme, denke ich. Klingt so, als wolle dieser Jemand sagen:
, Tja, interessiert er sich also doch nicht nur für dich, hm?' Ich drehe mich um und schaue Maik direkt in die Augen. ,, Ne, nicht versetzt. Er hat eben keine Zeit. Nicht schlimm.'', sage ich und will gehen. Doch Maik kann die Sprüche nicht lassen. ,, Klar, keine Zeit, sich mit seiner Freundin zu treffen, aber den ganzen Nachmittag mit dem Mädchen, dass ihn geküsst hat, lernen kann er. Dafür hat er Zeit.'' ,, Was willst du?'', frage ich schroff, weil es mir reicht. ,, Nichts.'', sagt er ganz das Unschuldslamm. ,, Dann lass mich gefälligst in Ruhe und geh' zu deiner Angeli.'' ,, Liebend gerne. Ich habe wenigstens Zeit.'' Ich drehe mich abrupt um und gehe, weil ich ihm sonst noch eine Ohrfeige gegeben hätte. Ich laufe nach Hause, wo Alexa auf mich wartet. ,, Wo warst du denn?'' ,, Ich wurde aufgehalten.'' Ich erzähle ihr kurz alles. ,, Der ist ja total fies. Wenn Angeli auch noch tussig wäre, würde ich sagen: , Jetzt wird er wie sie.' Aber das ist ja nun nicht wirklich möglich. Der ist wohl einfach stolz, weil er wieder eine Freundin hat. Und was Daniel betrifft: Hör nicht hin, was Maik sagt, kapiert? Daniel liebt nur dich.'' ,, Er hat Tanja zuvor nie Nachhilfe gegeben.'' ,, Stimmt.'', murmelt Alexa. ,, Toll, dann rechne ich damit, dass er sich jeden Moment in sie verliebt. Oder schon hat und sie jeden Moment zusammen sind.'' ,, Tanja würde dir sowas nie antun.'' Das stimmt. Sie verletzt mich zwar nicht, aber...
Am Freitag nach der Schule kommt Tanja auf mich zu. ,, Nadja, hast du kurz Zeit?'' ,, Klar, was gibt's?'' Tanja sieht irgendwie traurig, unsicher und...ängstlich drein. Was wohl los ist? Mit allem hab' ich gerechnet, aber nicht damit: ,, Ich...ich muss dringend mit dir sprechen. Es kann sein, dass du nachher nichts mehr mit mir zu tun haben willst, aber wenn ich schweige, dann wärst du danach bestimmt wütender und verletzter. Also: Als ich Daniel beim Flaschendrehen küssen musste, wollte ich zuerst nicht, weil ersterns bist du ja mit ihm zusammen und zweitens...'', sie holt tief Luft und sagt dann, ,, hab ich mich in ihn verliebt. Schon länger. Bevor ihr zwei zusammen gekommen seid, doch er hat nichts gemerkt. Dann seid ihr zwei zusammen gekommen und ich wollte eurer Liebe nicht im Wege stehen, weil ich euch diese Liebe von Herzen gönne. Ehrlich! Dann musste ich ihn eben küssen und die Schmetterlinge kehrten zurück. Als wir am Dienstag Bio machten, kapierte ich es nicht und Daniel hat es mitbekommen. Er hat mir Nachhilfe angeboten. Ich habe angenommen, weil ich es kapieren wollte, kein anderer Grund. Doch als...als Daniel bei mir war und er es mir erklärt hat, hat er mit mir ein Gesrpäch angefangen. In etwa so:
,, Ich wusste gar nicht, dass du so gut küssen kannst. Beim Flaschendrehen, meine ich.'' Tanja läuft etwas rot an und antwortet: ,, Oh...äh...danke.'' ,, Hast du eigentlich einen Freund?'' ,, Ne, hab ich nicht. Wieso?'' ,, Nur so.'' Sie sitzen auf Tanjas Bett und Daniel hat ihr gerade die letzte Aufgabe erklärt. Nun räumt sie die Sachen zusammen, als er dieses Gespräch beginnt. Er fragt weiter: ,, Würdest du mich nochmals küssen?'' Doch Tanja blockt ab. Schon nur wegen Nadja, die sie nicht verletzen und entäuschen will.
,, Daniel, du bist mit Nadja zusammen. Was willst du also von mir?'', fragt sie deshalb. ,, Ich weiss. Aber...seit unserem Kuss ist sie so komisch. Als...keine Ahnung. Sie ist wie ausgewecheselt. Ich glaube, sie traut mir nicht mehr. Sie denkt wohl, dass ich jetzt auf dich stehe.'', sagt er leiser. ,, Und?'', fragt Tanja zögernd. ,, Ist es so?'' Daniel schaut ihr direkt in die Augen und nickt dann. ,, Ich glaube, ich liebe Nadja nicht mehr.'' ,, Was?'', ruft Tanja entsetzt. ,, A...aber...'', stottert Tanja, doch Daniel unterbricht sie: ,, Tanja, ich kann doch nichts dafür, wenn ich mich in dich verliebt habe. Ich kann Nadja nichts vormachen und meine Gefühle für dich nicht einfach abstellen. Was ist mit dir?'' ,, Daniel, auch, wenn ich gleich empfinde, das kann ich Nadja nicht antun. Sie ist meine Freundin und ich will sie nicht verlieren. Dafür verzichte ich lieber auf den Jungen. Tut mir leid.'' Damit war das Gespräch beendet.
,, Tja, ich wollte dir das nur sagen. Bist du jetzt sauer?'', fragt Tanja mich unsicher. Mir bleibt der Mund offen, doch dann sage ich ruhig: ,, Wieso sollte ich? Du bist total ehrlich und hast nicht nur an dich gedacht. Das finde ich echt nett von dir. Danke.'' ,, Ist doch Ehrensache, bist schliesslich meine Freundin.'' ,, Ja, aber du liebst ihn und...'' In meiner Kehle bildet sich ein Kloss von Tränen. ,, Und er liebt offensichtlich dich. Machst du mir einen Gefallen?'', frage ich mit tränenvoller Stimme. ,, Ja, was?'', fragt sie mich leise und unsicher. ,, Geh zu Daniel und sage ihm, wenn er dich liebt und du ihn, will ich eurer Liebe nicht im Wege stehen.'' ,, Aber Nadja!'' ,, Was? Du hast es auch für mich getan, also.'' Ich versuche ein Lächeln. ,, Ich will, dass meine Freundin glücklich wird. Mach schon. Bitte.'' ,, Danke Nadja.'', flüstert Tanja und umarmt mich.
Zu Hause gehe ich ins Zimmer und heule mich eine Runde aus. Es ist komisch. Ich dachte, ich sei nicht mehr wirklich in Daniel verliebt und jetzt, wo Schluss ist, tut es so weh. Was ist bloss los? Wieso leide ich, wenn es eh nicht mehr richtig gefunkt hätte? Kann es sein, dass ich trotzdem noch in ihn verliebt bin? Mist!
Am Nachmittag ist ein Cliquentreffen. Ich gehe hin, weil ich jetzt wissen will, wie es um meine Gefühle steht. Doch zuerst erzähle ich Alexa, der es wieder besser geht, alles.
,, Oh, mein Schwesterchen. Jetzt leidest du. Tut mir ja so leid für dich.'' ,, Schon gut. Gehen wir?'' ,, Klar. Wenn du meinst?''

15.
Wir gehen zur Skaterbahn. Es sind alle da. Ich, Alexa, Lukas, Melanie, Tanja, Daniel, Angeli und Maik. Unsere Clique hat sich etwas vergrössert. Zwar, wer hat gesagt, dass Maik nun auch dabei ist? Oder ist es automatisch so, weil er mit Angeli zusammen ist? Keine Ahnung. Deshalb frage ich Alexa. ,, Ne, von mir aus ist der nicht bei uns. Vorallem nicht, seit er dich so provoziert hat.'' Gut, ist ja beruhigend. Tanja wirft mir immer wieder traurige Blicke zu. Da ich kein richtiges lächeln zustande bringe, schaue ich nicht hin. Daniel und ich sprechen kein Wort miteinander. Hät' ich eh nicht gekonnt.
Die Tage vergehen viel zu schnell und eigentlich müsste ich bald wieder nach Hause, doch die Lehrerin ist einverstanden, dass ich den Semester hier beende und nicht mittendrin weggehe. Einerseits bin ich froh, dass ich bei Alexa bleiben kann, andererseits möcht ich Daniel am Liebsten nie wieder sehen. Ich habe nun herausgefunden, dass ich ihn noch liebe.
Die Wochen vergehen. Ne, die Tage. Seit drei Wochen sind Tanja und Daniel nun zusammen, (seit drei Wochen leide ich (immer-)noch), seit zwei Wochen sind Melanie und Lukas zusammen. Sie sind ein schönes Päärchen und Alexa kann wieder ziemlich locker mit Lukas sprechen. Aber ich und Daniel- nix.
,, Alexa?'', frage ich sie einmal. ,, Ja?'' ,, Weiss Melanie, dass du in Lukas verliebt bist?'' ,, Nein, wieso sollte sie?'' ,, Naja, Tanja hat es mir auch gesagt, was ich gut fand. Ich würde ehrlich sein. Weil, Lukas schaut immer öfters zu dir, wenn du mit jemandem sprichst. Vielleicht ahnt er was und redet dann mit Melanie. Und wenn sie es dann nicht von dir erfährt...'' ,, Ist es nicht schlimm, weil ich sie ja in Ruhe lasse.'', unterbricht Alexa mich. ,, Ich werd' es ihr bestimmt mal sagen, wenn ich wieder mehr leide, versprochen.''
Zwei Stunden später Telefon für mich. Melanie. Was will sie wohl? ,, Ja?'' ,, Hei, hier ist Melanie.'' Sie klingt etwas bedrückt. Also, ihre Stimme. ,, Hei, was gibt's?'' ,, Lukas hat Schluss gemacht.'' ,, Was? Wieso?'' ,, Weil...er glaubt, dass er sich in Alexa verliebt hat.'' Ohje. Musste das so kommen? ,, Und jetzt? Ich meine...was sagst du dazu?'' ,, Alexa ist schon länger in ihn verliebt, oder?'' ,, Und wenn?'', frage ich mit kratziger Stimme. ,, Dann sollte sie jetzt nicht mehr länger zögern und sich mit Lukas treffen.'' Melanie klingt seltsam gefasst. Kein bisschen Tränen in ihrer Stimme oder so. Ganz normal eben. ,, Ich habe schon lange geahnt, dass Alexa sich in Lukas verliebt hat.'' ,, Wieso denn das? Ich meine, wieso hast du's geahnt?'' ,, Naja, seit dem Flaschendrehen, wo sie ihn küssen musste, war sie dann so komisch und wollte nichts mehr mit der Clique unternehmen. Ich habe Lukas gesagt, dass ich es komisch fände und er meinte, es sei ihm auch schon aufgefallen. Wir haben darüber geredet, ob es noch eine Zukunft für uns gäbe und sind zum dem Entschluss gekommen, dass wir nicht mehr zusammen passen.'' ,, Aber...wie lange wart ihr denn jetzt zusammen?'' ,, Bald einen Monat.'' ,, Oh man. Wieder ein Päärchen dahin.'', murmle ich. Alexa, die hellhörig wird und sich neben mich gestellt hat, sieht mich fragend an. 'Nachher', deute ich ihr an. ,, Und bei dir und Daniel? Sprecht ihr wieder miteinander?'', fragt Melanie mich vorsichtig. ,, Nein, das würde ich nicht schaffen.'' ,, Du liebst ihn noch, hm?'' ,, Scheint so. Aber ich will mich nicht zwischen Daniel und Tanja stellen. Schliesslich hat Tanja auch lange gelitten. Und dir macht es nichts aus, das wegen Lukas?'' ,, Nicht wirklich. Wir sind jetzt einfach sehr gute Freunde.'' ,, Freut mich für euch.'' ,, Also, richte Alexa aus, dass ich ihr nicht mehr im Wege stehe und sie sich einen Ruck zu Lukas geben soll.'' ,, Werd' ich ihr ausrichten. Tschüss und danke.''
,, Tschüss.'' Als ich aufgelegt habe, bestürmt Alexa mich sofort mit Fragen. Ich wehre sie ab. ,, Moment! Lass mich erklären. Lukas und Melanie haben Schluss gemacht, sind jetzt einfach noch sehr gute Freunde und du sollst dir einen Ruck geben zu Lukas. Melanie steht dir nicht mehr im Weg.'', sage ich schnell, damit ich nichts vergesse. ,, Ehrlich? Das hat sie gesagt?'', fragt Alexa fassungslos mit offenem Mund. ,, Jap, das hat sie gesagt. Und jetzt geh.'' ,, Wohin?'' ,, Zu Lukas nach Hause, wohin denn sonst?'' ,, Einfach so?'' ,, Nein, du gehst zu ihm und sagst ihm, dass du ihn liebst. Was ist so schwer daran, wenn er dich auch liebt?'' ,, Hast recht. Also, dann geh' ich jetzt mal.'' Wir umarmen uns fest. Dann geht sie strahlend. ,, Viel Glück!'', ruf ich ihr nach. ,, Danke!'' Und weg ist sie. Mit einem Seufzer lass ich mich zu Paps auf das Sofa fallen. ,, Na, meine Kleine? Schwester endlich los, hm?'', sagt er lächelnd und zwickt mich sanft in die Seite. ,, He!'' Ich zwicke zurück. ,, Ich bin froh, dass sie nicht mehr leiden muss.'' ,, Und du? Ich habe einfach das Gefühl, dass Daniel sich für die Falsche entschieden hat, wenn er jetzt mit Tanja zusammen ist.'' ,, Woher willst du das wissen?'' ,, Ich habe nur so ein Gefühl. Ihr wart so ein süsses Päärchen.'' ,, 'Wart'. Jetzt nicht mehr. Geht eben alles mal vorbei.'' ,, Aber bei dir und Daniel...nein. Ihr gehört einfach zusammen. Das weiss man, wenn man euch sieht. Ich meine, gesehen hat.'' ,, Aber du hast ihn noch nicht mit Tanja gesehen.'' ,, Brauch ich auch nicht. Ich weiss auch so, dass sie nicht die Richtige für ihn ist.''
,, Dann mach das mal Daniel klar. Der liebt jetzt Tanja.'' ,, Und du ihn, oder?'' ,, Ja. Ist aber egal. Ich gönne es Tanja. Sie hat wegen mir auch gelitten.'' ,, Na dann, hab Geduld. Bald wendet sich das Blatt wieder, glaub mir.'' Es ist immer so komisch, wenn Paps so spricht. Als könnte er alles vorraussehen. Er hat meistens Recht gehabt. Als es Alexa schlecht ging, hat er mir auch gesagt, dass sich das Blatt bald wieder wendet. Und so ist es auch. Ob es bei Daniel und mir auch so sein wird?
Ich beschliesse noch etwas spazieren zu gehen. Es ist draussen etwas kühl, aber es geht noch. Meine Beine führen mich zum Park. Was will ich da? Mir wird plötzlich total übel. Ich weiss auch nicht wieso. Ich habe heute ausnahmsweise mal genug getrunken und genug gegessen. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Zum Mittagessen gab es Lasagne und dann habe ich später noch Brot mit Schokolade genommen. Das Datum beidner Nahrungsmittel war noch gut. Getrunken habe ich nur Wasser und zum Mittagessen Eistee. Daran kann es nicht liegen. An was dann? Mir wird brechend übel und in meinem Bauch zieht sich plötzlich alles zusammen. Als ich es fast nicht mehr aushalte und auf dem Gehweg zusammenbreche, (ich werde aber nicht ohnmächtig), geht das Gefühl langsam wieder weg. Mein Herz rast und ich atme, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Mit der einen Hand stütze ich mich auf dem Boden ab, mit der anderen Hand halte ich meinen Bauch. Was war bloss los? Und wieso ist es jetzt so plötzlich vorbei? Da schiesst mir wie ein Blitz das Bild von Alexa durch meinen Kopf. Mein Kopf tut genau in dem Moment weh und es ist, als höre ich sie in meinem Kopf schreien. Ich nehme mein Handy raus und wähle ihre Nummer. Ich habe das Gefühl, dass ich sie anrufen muss. Ob es ihr gut geht und so. 'Diese Rufnummer ist ungültig', klingt es aus meinem Handy. Was? Kann doch nicht sein! Ich schaue mir die Nummer nochmals genau an. Ich weiss sie auswendig und tippe sie nochmals ein. 'Diese Rufnummer ist ungültig', klingt es wieder aus dem Handy. Wieso? Ich rapple mich auf. Mein Bauch schmerzt nicht mehr und mein Kopf tut auch nicht mehr weh. Das Übelkeitsgefühl ist wie weggeblasen und die Rufnummer von Alexa ist plötzlich ungültig. Ich entscheide zu Lukas zu gehen. Nein, ich gehe nicht, ich renne. Und zwar, als wäre der Teufel hinter mir her. Als ich endlich bei ihm ankomme, läute ich Sturm, als Lukas endlich die Tür öffnet. Ich bin immer noch ausser Atem. ,, Nadja, was ist denn mit dir los?'', fragt er mich überrascht und hält mich an den Schultern fest, da ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. ,, Ist Alexa bei dir?'', japse ich luftholend. ,, Nein, sie ist vor etwa 20 Minuten gegangen.'' ,, Seid ihr jetzt zusammen?'' ,, Ja, sind wir. Ich bin echt froh darüber...'' ,, Tut mir leid,'', unterbreche ich ihn, ,, aber hat sie vielleicht ihr Handy bei dir gelassen?'' Ist zwar nicht möglich, dass dann die Rufnummer ungültig ist, aber ein Versuch ist es ja immer wert. ,, Nein, hat sie nicht. Wieso?'' ,, Ich versuche sie zu erreichen, aber es heisst nur: ,Diese Rufnummer ist ungültig'. Wollte sie nach Hause, oder hatte sie noch was anderes vor?'' ,, Sie wollte nach Hause. Willst du mal zu Hause anrufen? Kannst unser Telefon benutzen, komm.'' Er zieht mich rein in den Flur, schliesst die Tür und führt mich zum Telefon. ,, Danke.'' Ich wähle unsere Nummer und nach dem etwa zehnten Klingeln nimmt Paps den Hörer ab. ,, Ich bin's, Nadja!'', rufe ich in den Hörer, bevor Paps noch was sagen kann. ,, Hallo Nadja. Wo bist du?'' ,, Bei Lukas. Ist Alexa bei dir?''
,, Nein, die ist doch bei Lukas?'' ,, Sie ist vor etwa 20 Minuten, gut bald 30 Minuten gegangen.'' ,, Was? Bist du ihr denn nicht über den Weg gelaufen?'' ,, Nein. Eben nicht!'', rufe ich beinahe verzweifelt. Lukas legt mir beruhigend den Arm um die Schultern. ,, Dann werd ich mich mal auf den Weg machen.'', sagt Paps. ,, Ich mich auch. Bis dann.''
,, Tschüss.'' ,, Und?'', fragt Lukas mich. ,, Paps macht sich auf den Weg. Und ich mich auch. Wir gehen sie suchen.'' ,, Meinst du, ihr ist etwas zugestossen?'' ,, Naja, wie soll ich sagen...'' Ich erzähle ihm, was mir vorhin passiert ist. Bauchschmerzen, Übelkeit und die Kopfschmerzen. Und der Schrei in meinem Kopf. ,, Wow. Ich komme mit.'' ,, Na gut. Komm!'' Kaum hat Lukas die Tür hinter sich zugezogen, klingelt mein Handy. Es ist Paps. ,, Was gibt's?'' ,, Ich habe einen Anruf vom Krankenwagen bekommen. Komm zur Bushaltestelle. Schnell!'' Und schon hat er aufgelegt. ,, Wir müssen zur Bushaltestelle, hat Paps gesagt. Er hat einen Anruf vom Krankenwagen gekriegt.'' ,, Ohoh.'', sagt Lukas nur noch, dann rennen wir los.

15.
Als wir völlig ausser Atem bei der Bushaltestelle ankommen, bleiben wir wie angewurzelt stehen. Was wir sehen, schockt uns und lässt uns das Blut in den Adern gefrieren. Ein schwarzer Mercedes, halb verschrottet, steht vor dem Bushüttchen. Das Bushüttchen sieht auf der linken Seite, wo wir gekommen sind, so aus, als wäre ein Auto hineingerast. Zwei Polizeiautos stehen da, ein Feuerwehrauto und zwei Krankenwagen. Die Presse ist auch hier. Wow! Was ist denn hier passiert? Die halbe Strasse ist gesperrt. Die Sanitäter betten gerade jemanden auf eine Bahre. Als ich Alexa darauf erkenne, kriege ich einen erneuten Schock und Lukas muss mich festhalten. Alexa hat eine riesen Wunde an ihrer Stirn. Sie haben ihr so ein Sauerstoffdings über den Mund gelegt, damit sie Luft kriegt. Sie ist blass. Sehr blass. Paps kommt auf mich zu. Er ist kreidebleich und sagt mühsam: ,, Deine Schwester hatte einen Unfall. Der schwarze Mercedes hat sie von hinten angefahren. Sie wird ins Krankenhaus gebracht.'' ,, Was? Ka...kann ich m...mit?'' Paps, ich und Lukas gehen zu einem der Sanitäter und der erlaubt zwar nicht, dass wir mit dem Krankenwagen mitfahren, dafür bietet er an, mit einem Polizisten zu fahren. Paps fährt mit dem Krankenwagen mit und Lukas und ich mit dem Polizisten.
Ungefähr 30 Minunten später sind wir im Krankenhaus angekommen und warten nun vor dem Notfallraum. Lukas sitzt auf einem der Stühle, das Kinn auf die Hände gestützt und sieht gedankenverloren auf den Boden. Paps hat den Kopf auf die Hände gestützt und sieht ebenfalls gedankenverloren drein. Ich laufe von rechts nach links, von links nach rechts, raufe mir die Haare, schaue an die Decke und wieder zum Notfallraum. Was machen die da drin? Wie steht es um Alexa? Was genau hat sie? Lebt sie überhaupt noch? Ich mag gar nicht daran denken, wenn...,, Nadja, komm und setz dich ein wenig.'' Lukas hat den Arm um mich gelegt und führt mich zum Stuhl. ,, Soll ich dir was zu Trinken holen?'', fragt er mich. ,, Wär wohl nicht schlecht.'' ,, Was warmes? Du zitterst nämlich.'' ,, Was? Ich...stimmt. Hab ich gar nicht gemerkt. Dann einen Tee oder so.'' ,, Alles klar.'' Er macht sich also auf den Weg und ich lehne mich zurück und schliesse die Augen. Ich bete im Stillen, dass alles wieder gut wird. Ich seufze leise. Ob wirklich alles wieder gut wird?
Nach einer Weile kommt Lukas mit einer Tasse Tee zurück. ,, Hier, bitte.'' ,, Danke.'' Der Tee ist angenehm warm und riecht auch ganz gut. Paps meint plötzlich: ,, Ich geh mal an die frische Luft.'' ,, Okay.'' Als er weg ist, frage ich Lukas leise: ,, Denkst du, Alexa wird es überleben?'' ,, Was soll ich da antworten? Wenn ich ja sage und das Gegenteil der Fall ist, bin ich und du umso trauriger. Sage ich aber nein, denke ich negativ, was ich nicht sollte. Und du auch nicht.'' ,, Ich habe vorhin gebetet.'' ,, Betest du öfters?'' ,, Nein. Eigentlich nie. Aber, naja, ein Versuch war's Wert, denke ich.'' ,, Gut gedacht.'', lächelt Lukas mich an. ,, Du tust mir leid.'' ,, Ich?'', fragt Lukas mich überrascht. ,, Ja.'' ,, Wieso das denn?'' ,, Naja, kaum verliebst du dich in Alexa und ihr kommt zusammen, passiert sowas. Wenn sie es jetzt vielleicht nicht schafft, dann...dann fällt eine ganze Welt für dich zusammen.'' ,, Natürlich wäre es sehr schlimm für mich. Aber zum Glück hat sie eine eineigene Zwillingsschwester und so bleibt mir doch noch was von ihr übrig.'' ,, Aber mir würde dann ein Teil fehlen. Eine ganze Seite von mir. Ich wäre dann nicht mehr vollständig.'' ,, Es wird bestimmt alles wieder gut.'' ,, Ich hoffe es.'' Nach einer Weile Schweigen, fragt Lukas mich vorsichtig: ,, Was ist jetzt eigentlich mit dir und Daniel? Ich meine, wird da mal wieder was draus oder ist es ganz aus?'' ,, Ich weiss nicht genau. Aber im Moment fühle ich nichts mehr für ihn. Er konnte ja nicht mal richtig mit mir Schluss machen. Er hat Tanja angebaggert und ihr gesagt, dass er mich nicht mehr liebt. Er hat sich nur in sie verliebt, weil sie ihn küssen musste, beim Flaschendrehen.'' ,, Naja, weisst du, ich hatte mich erst recht in Melanie verliebt, nachdem wir uns geküsst haben. Ein Kuss macht schon viel aus. Wenn ich dich jetzt einfach so küssen würd...naja, es ist wie ein Zauber, der einem dann belegt. Ein wundervoller Zauber.'' Ich schaue ihn erstaunt an. So habe ich das noch gar nicht wirklich gesehen. ,, Das hast du gut erklärt.'' Lukas lächelt. ,, War es bei dir und Daniel nicht auch so?'' ,, Irgendwie schon. Aber das ist jetzt vorbei.'' ,, Bist du dir sicher?'' ,, Nicht ganz, aber fast.'' Nach einer endlosen Zeit kommt endlich ein Arzt aus dem Notfallraum. Paps, der inzwischen wieder aufgetaucht ist, springt sofort auf. Ich und Lukas stehen ebenfalls auf. Paps schaut den Arzt hoffnungsvoll und fragend an. Der Arzt schüttelt bedauernd den Kopf und meint: ,, Tut mir leid, aber...sie hat es nicht mehr geschafft.'' Genau in dem Moment, wo er das letzte Wort gesagt hat, bricht für mich eine Welt zusammmen. Eine Welt mit Alexa und mir. Nun ist nicht nur meine Schwester von mir gegangen, meine eineigene Zwillingsschwester, sondern auch ein ganzer Teil von mir. Lukas hat beide Arme um mich gelegt und drückt mich nun an sich. Ich bin froh, dass er jetzt hier ist und ich mit Paps nicht alleine bin. Paps ist nun noch blasser als vorhin. Er setzt sich wieder hin, nur kurz, steht wieder auf und sagt mit einem leeren Ton: ,, Ich gehe deine Mutter anrufen.'' Stimmt, Mam weiss ja noch von nichts. Oh Gott, die Arme! Wenn sie es am Telefon erfährt, kriegt die sofort einen Herzstillstand. ,, Du wirst es ihr doch nicht am Telefon erzählen?'', rufe ich Paps nach. Er dreht sich kurz um und schüttelt den Kopf. Gut, dann wird sie zuerst hierher kommen und dann...Der Polizist, der uns ins Krankenhaus gefahren hat, bringt Lukas und mich zu Lukas nach Hause, während Paps im Krankenhaus bleibt und auf Mam wartet. Kann allerdings noch dauern, bis sie kommt. Während der Fahrt laufen mir schon ein paar Tränen über die Wangen, aber weinen kann ich noch nicht. Lukas' Lächeln ist jetzt auch ganz weg und er schaut starr Löcher in den Fahrersitz. Er hat mich vorhin getröstet, jetzt bin ich wohl dran, auch wenn ich nicht genau weiss, wie. Mir ist nur ein Satz im Kopf: Ein Teil von mir ist für immer gegangen.
Als wir bei Lukas zu Hause angekommen sind, wartet schon seine Mutter draussen auf uns. Ich hab sie noch nie gesehen und weiss nicht einmal wie sie heisst. Aber ich hätte jetzt eh kein 'Guten Abend' hervorgebracht. War ja auch kein guter Abend. Wie spät oder gar schon, wie früh es wohl jetzt war? Lukas Mutter dankt dem Polizisten und fragt, was denn genau passiert sei. Lukas nimmt mich an der Hand und zieht mich hinein in die Küche. Dort hängt eine Uhr an der Wand. Es ist bereits Morgen um 02.00 Uhr. Wow! Die Zeit ist aber gegangen. Erst jetzt merke ich, dass die Zeit wohl doch nicht stehen geblieben ist. Im Gegenteil. Sie ist davongerast, wie ein...ein...Weltmeister. Lukas und ich setzen uns hin. Ich bin auf einmal todmüde und ich muss mich beherrschen, dass ich nicht hier einschlafe. Wo wohl Lukas' Vater ist?, schiesst es mir plötzlich durch den Kopf. Wieso frag ich mich das denn jetzt? ,, Wo ist dein Vater?'', frag ich da. Ich beiss mir auf die Zunge. Geht mich doch nichts an. ,, Der ist weg. Keine Ahnung wo.'' Ich schaue Lukas an. Seine Augen sind total schön braun. Richtig warm. Und im Moment traurig. Jetzt lächelt er ein wenig. ,, Ich find's nicht mehr so schlimm, ohne einen Vater zu leben.''
,, Ich könnte nie ohne einen Elternteil leben.'' ,, Ich weiss.'' Lukas' Mutter kommt rein und begrüsst mich und meint: ,, Es tut mir sehr leid für dich. Ihr zwei seid bestimmt müde, oder?'' Wir nicken. ,, Lukas hat in seinem Zimmer ein Gästebett, das kann er aufklappen und für dich bereitmachen.'' Ich nicke und freue mich schon auf ein warmes gemütliches und weiches Bett.

16.
Lukas und ich gehen zusammen nach oben und ich helfe ihm mit dem Bett. Es steht einen Meter entfernt von Lukas' Bett. Ich bin froh, nicht alleine in einem Zimmer schlafen zu müssen. Als es bereit ist, meint Lukas: ,, Kannst einen Trainer von mir haben, wenn du willst.'' ,, Mhm, gerne.'' Er gibt mir einen Trainer, der halbwegs meiner Grösse entspricht und zeigt mir, wo das Bad ist. Ich schliesse ab und betrachte mich zuerst eine Weile im Spiegel. Meine grau-blauen Augen sehen leer und müde aus. Mein Gesicht ist blass und ich sehe aus, wie eine Tote, die wieder auferstanden ist. Meine Haare hängen wie ein Vorhang an mir herunter. Meine Lippen sind schmal und die Mundwinkel hängen herab. Ein grauenhafter Anblick. Und so bin ich im Krankenhaus herumgesessen und so hat mich Lukas' Mutter das erste Mal zu Gesicht bekommen und mich begrüsst? Peinlich! Aber was kann ich denn dafür? Ich ziehe mich aus und den Trainer an. Er ist kuschelig, bequem und riecht nach Lukas. Riecht gut. Ich wasche mir das Gesicht. Nun bin ich etwas frischer, aber immer noch blass. Ich versuche zu lächeln. Ein müdes und trauriges Lächeln bringe ich zustande. Tja, dann muss dieses Lächeln wohl reichen. Ich schliesse wieder auf und gehe zurück ins Zimmer. Lukas sitzt auf dem Bett und starrt auf den Boden. Er sitzt so, wie im Krankenhaus. Nur mit Schneidersitz auf dem Bett. Als er mich hört und sieht lächelt er ein wenig. ,, Na, jetzt willst du wohl schlafen? Oder hast du noch Hunger oder Durst?'' ,, Ne, einfach schlafen. Danke trotzdem. Und du? Bist du auch müde?'', frage ich zurück und setze mich auf das Gästebett. ,, Irgendwie schon. Aber ich mag noch nicht schlafen.'' ,, Was dann?'' ,, Ich würde gerne noch mit dir sprechen.'' ,, Worüber denn?'' ,, Weiss nicht. Über Gott und die Welt. Über...Alexa. Ich weiss zwar schon viel von ihr, aber vielleicht erzählst du mir noch was aus deiner Sicht von ihr?'' ,, Kann ich.'' ,, Komm.'' Er rutscht zur Seite und so machen wir es uns gemütlich. ,, Du und Alexa habt uns zwar schon alles erzählt, aber eben von Euch, nicht von Ihr.'' ,, Alexa ist eine wunderbare Schwester. Ich meine, sie war es. Sie mit ihrer selbstsicheren Art. Wie sie es einfädelte, dass Daniel und ich endlich zusammen kommen und so. Ich kann nicht viel über sie sagen, weil ich sie lange nicht gesehen habe. 12 Jahre lang. Das ist eine furchtbar lange Zeit.'' ,, Ja, das ist wahr. Aber, hast du deiner Mutter nie gefragt, wegen Alexa?'' ,, Doch, natürlich schon. Sie hat mir von der Trennung und allem immer wieder von Alexa erzählt. Sie wollte es nicht so machen, dass ich erst nach Jahren von Alexa mehr weiss, sondern von klein auf. So war sie trotzdem noch nah bei mir.'' ,, Hm, ich könnte mir nicht vorstellen von meinem, wenn ich einen hätte, eineigenen Zwillingsbruder getrennt zu sein. Und das 12 Jahre lang.'' ,, Ja es ist lange. Und eineigene Zwillinge haben eine sehr nahe Beziehung. Habe ich schon gemerkt, als ich spürte, dass was mit ihr war.'' Da Lukas davon noch nichts weiss, erzähle ich es ihm. ,, Wow, unheimlich! Aber gleichzeitig auch irgendwie spannend und...cool sowas!'' Ja, das schon. ,, Es war einfach ein wunderschöner Moment, wo wir uns das erste mal endlich wieder sahen und sie mich umarmte.'' Als ich an den Tag zurück denke, spüre ich, wie meine Augen anfangen zu brennen und wische die Tränen weg, bevor sie runterkullern können. Lukas legt den Arm um mich und sagt sanft: ,, Du musst nicht weitererzählen, wenn es zu schwer ist für dich.'' ,, Es wird mir nie wieder leicht fallen. Aber wenn ich jetzt über sie spreche, ist es, als wäre sie wieder nah bei mir.'' ,, Ist sie auch und wird es auch immer sein.'' ,, Ja, und bei dir auch.'' ,, Ja, bestimmt.'' Lukas lächelt mich wieder an. ,, Ich bewundere dich, wie du noch so lächeln kannst. Ich bringe einfach kein richtiges Lächeln mehr zustande.'', sage ich und lächle traurig. So, wie ich es vor dem Spiegel gemacht habe. Lukas nimmt den Arm langsam wieder weg und legt seine Hand auf meine. ,, Weisst du, wenn ich dich ansehe, Nadja, sehe ich irgendwie auch Alexa vor mir und das entlockt mir einfach immer ein Lächeln. Ihr wart so gleich und doch so verschieden. Eben Zwillinge. Eineigene Zwillinge.'' Nach einer Weile Schweigen, fragt Lukas mich leise: ,, Musst du bald wieder zurück zu deiner Mutter?'' Ich schaue ihn an und er mich. ,, Und wenn ich muss, ich will nicht mehr zurück.'' ,, Du hast aber bestimmt auch Freunde in deiner alten Schule, oder?'' ,, Eine Freundin um genau zu sein.'' ,, Nur eine?'' ,, Ja. Mit ihr verstehe ich mich am Besten. Ich fühle mich nicht wirklich zu den anderen aus meiner Klasse hingezogen. Sie sind alle so wild und die Jungs machen dauernd blöde Sprüche über die Mädchen. Die Mädchen halten nicht wirklich zueinander und stossen einander gegenseitig immer wieder aus. Dann ist wieder alles gut und dann, blablabla. Wenn ich Laura nicht hätte, hätte ich in meiner Klasse niemanden. Wir sind beide eher etwas aussenseiterisch und haben wenig mit den anderen zu tun. Weiss gar nicht, ob die noch wussten, dass es zwei Mädchen namens Nadja und Laura gegeben hat.'' ,, Klingt etwas traurig.'' ,, Ach, ich bin lieber aussenseiterisch, statt, dass sie uns ärgern und fies sind.'' ,, Da hast du auch wieder recht. Aber mit Angeli konntest du es ja dann auch. Wieso denn nicht in deiner Klasse?'' ,, Ich glaube, weil ich in meiner alten Klasse 'nur' Laura hatte, obwohl Laura für mich ein ganzer Freundeskreis war. Aber hier habe ich dich, Tanja, Melanie und Daniel. Angeli und Maik gehören nicht wirklich dazu für mich. Du, Tanja, Melanie und Daniel seid mir viel mehr ans Herz gewachsen und ich habe mich durch euch nicht mehr so schwach und alleine gefühlt. Deshalb war ich dann so stark. Und natürlich noch dank Alexa. Meine Mutige und starke Seite, die nun fehlt.'' ,, Ich find's toll, wenn jemand wie du, der eigentlich eher zurückhaltend und schüchtern ist, plötzlich so stark wird. Dafür bewundere ich dich sehr.'' ,, Danke. Aber das ist so ziemlich das Einzige was mich damals stolz gemacht hat. Sonst kommt mir nichts in den Sinn.'' ,, Oh doch. Du kannst stolz darauf sein, dich zurückhalten zu können, dich nicht in alles einzumischen, nicht eine aufgetackelte Tussi zu sein sondern so zu sein, wie du eben bist. Andere ändern sich für die Anderen und machen aus sich Sachen, die nicht zu ihnen passt. Aber du bist du.'' ,, Ich dachte immer, so zu sein wie ich bin, sei nicht gut. Ich wollte meistens anders sein. Stark, mutig und so.'' ,, Nein, so darfst du nicht denken. Du bist toll so, wie du bist.'' ,, Danke, so viele nette Worte auf einmal habe ich schon lange nicht mehr zu hören bekommen.'' ,, Nicht? Dann lächelst du jetzt wegen mir wieder?'' ,, Lächle ich?'', frage ich erstaunt. Lukas lacht und meint:
,, Ja, du hast gelächelt. Richtig schön. Wie Alexa lächeln konnte.'' Jetzt wird mein Lächeln trauriger. Wie Alexa. Ich kann wie Alexa lächeln. Ich habe wohl mehr gemeinsam mit Alexa, als ich glaube. ,, Tut mir leid, wahrscheinlich habe ich wieder etwas Falsches gesagt.'', meint Lukas und beisst sich auf die Lippe. Ich muss lächeln. Lukas ist so süss. Nicht falsch verstehen. Er merkt, wenn er was 'falsches' sagt von sich aus und behandelt mich so lieb. Er vermisst Alexa bestimmt auch sehr und trotzdem kann er mich immer noch so lieb anlächeln. ,, Du hast nichts Falsches gesagt. Ich wusste nur noch nicht, dass ich so viele Gemeinsamkeiten mit ihr habe. Ich dachte immer, wir sind total verschieden.'' ,, Seid ihr auch. Aber ihr habt mehr Gemeinsamkeiten, als du denkst. Ihr seid beide Stark und könnt viel Mut beweisen, wenn es sein muss. Es gibt noch so vieles. Aber ihr seid trotzdem sehr verschieden.'' ,, Du sprichst, als wäre sie noch da. 'Ihr seid'.'' ,, Für mich ist sie eben noch da.'' ,, Ja, für mich auch. Ich glaube erst, dass sie nicht mehr da ist, wenn ich eine ganze Weile nichts mehr von ihr höre und sie dann auf dem...'' Ich breche ab. Ich kann das nicht ausprechen, dieses Wort, wo man die besuchen geht, wo von der Erde gegangen sind und nun darunter liegen. ,, Ich kann es auch erst dann glauben.'', sagt Lukas in meine Gedanken hinein, der wohl weiss, was ich meine. Ich lehne mich vorsichtig an Lukas, der mich wieder festhält und so sitzen wir eine ganze Weile da und sagen nichts. Es ist schön von jemandem festgehalten zu werden, der jetzt ungefähr dasselbe empfindet, wie ich. Ich merke nicht, wie mir plötzlich die Augen zufallen und ich einschlafe. Ich kriege dann nur noch vage mit, wie Lukas mich vorsichtig hinlegt und zudeckt. Er streicht mir sanft über die Wange und geht dann. Wohl ins Gästebett. Ich schlafe dann wieder ein und träume. Von Alexa. Wie sie mir zulächelt. Wie sie mich umarmt. Ich spüre sie richtig. Wie sie mich wieder loslässt. Wie sie mir zuwinkt. Immer noch lächelt. Und wie sich dann plötzlich eine Tür schliesst und Alexa dahinter verschwindet. Eine goldene Tür. Es sind eher zwei Tore die sich schliessen. Etwa das Tor zum Himmel?, schiesst es mir im Traum durch den Kopf. Alexa hat sich von mir verabschiedet. Für immer. Und ewig.

17.
Als ich das nächste Mal erwache merke ich, wie was feuchtes über meine Wangen streicht bis ans Kinn und den Hals runter. Ich fahre mit meinen Händen schlaftrunken darüber und merke, dass es Tränen sind. Ich setze mich auf und wische mir über's Gesicht. Ich wische mir die Tränen weg. Nützt nichts. Es kommen wieder neue nach. Ich ziehe die Nase hoch. Zufällig schaue ich aus dem Fenster. Draussen sehe ich, wie die Morgendämmerung heranbricht. Ich drehe mich auf die andere Seite. Neben dem Bett steht ein Nachttischen. Darauf hat es ein Päckchen Papiernastücher. Ich nehme mir eines raus und schnäuze mich. So still, wie es jetzt im Zimmer ist, kommt mir das Schnäuzen unheimlich laut vor. Ich schaue zu Lukas hinüber. Er schläft noch. Sein Gesicht hat er zu mir gedreht. Er sieht friedlich aus. Ich muss ein wenig lächeln. Doch da laufen mir wieder neue Tränen übers Gesicht und plötzlich ist mir zum Weinen zu Mute. Ich versuche nicht zu weinen, doch es geht nicht. Ich merke jetzt, wie sehr ich Alexa vermisse. Ich versuche leise zu weinen. Zuerst glaube ich, dass es auch funktioniert, doch dann spüre ich, wie sich jemand, natürlich Lukas, neben mich setzt und mich in seine Arme nimmt. Ich schaue ihn aus Tränenschleier an und sage mit pipsiger Stimme: ,, Ich wollte dich nicht wecken.'' ,, Ist nicht schlimm. Ist ja eh schon fast hell draussen.'' Von wegen. Der Himmel färbt sich jetzt orange. Die Sonne geht bald auf. Aber es ist noch nicht Tag. Er streichelt tröstend über meinen Rücken, über meine Haare und legt seinen Kopf auf meinen. ,, Ich habe von Alexa geträumt.'', sage ich dann leise. ,, Was hast du von ihr geträumt?'' ,, Es mag jetzt vielleicht etwas albern und komisch klingen, aber sie hat sich in meinem Traum von mir verabschiedet. Ich hab genau gefühlt, wie sie mich umarmt hat. Das letzte Mal.'' ,, Das klingt nicht komisch oder albern. Was hat sie noch gemacht?'' ,, Zuerst hat sie mich angelächelt, danach umarmt, dann wieder losgelassen. Und am Schluss hat sie mir zugewunken und immer noch gelächelt. Dann haben sich zwei Tore geschlossen. Sie war dahinter. Goldene Tore waren es. Ich glaube, die Tore zum Himmel. Ist das verrückt?'' ,, Nein, ist es nicht. Es klingt plausibel. Sie hat sich von ihrer eineigenen Zwillingsschwester verabschiedet. Für immer.'' ,, Meinst du, sie hat sich auch von Paps verabschiedet?'' ,, Auf eine andere Art bestimmt. Aber das, was du geträumt hast, gehört dir alleine. Es ist was besonderes, weil es der letzte Moment mit deiner Schwester war. Der Abschied. Sie hat sich auch von mir verabschiedet. Gestern. Nur wusste ich noch nicht, dass es für immer sein würde. Und sie bestimmt auch nicht.'' ,, Glaubst du, sie hat es vielleicht geahnt?'' ,, Nein. Glaub ich nicht. Wenn sie jetzt krank gewesen wäre, dann vielleicht. Aber sonst ahnt es niemand. Wennschon, dass bald was passieren wird. Aber niemand weiss genau, wann, wo und wie.'' ,, Gestern Abend, als ich diese Übelkeit verspürte, die Bauchschmerzen und der Schrei in meinem Kopf war, meinst du, dass das was mit Alexa zu tun hatte?'' ,, Ja. Hatte es. Das glaub ich nicht, das weiss ich. Es ist so. 100%ig. Genau, als du den Schrei hörtest, wurde sie angefahren. Sie hat bestimmt geschrien.'' ,, Was hat es mit der Übelkeit auf sich und mit den Bauchschmerzen?''
,, Die Übelkeit hat bestimmt damit zu tun gehabt, als das Auto hinter ihr fuhr. Sie hat gemerkt, dass was passieren wird. Die Bauchkrämpfe waren, als das Auto so nah an ihr war, dass es zu spät für eine Rettung war. Und der Schrei war eben bestimmt, als sie vielleicht geschrien hat und als er vorbei war, war ihr Leben vorbei. Bestimmt war es so gewesen.'' Woher weiss Lukas das alles? Es klingt so logisch. Wenn es wirklich so war...Was heute wohl in der Zeitung stehen wird? Ob ich es überhaupt sehen, hören und wissen will?
Die Post kommt normalerweise um ca. 10.00 Uhr. Da es noch nicht mal 07.00 Uhr ist, vertreiben wir uns die Zeit mit plaudern. Mit Lukas kann ich locker über alles plaudern. Komisch. Ich dachte immer, mit Jungs könne man nicht so gut reden, wie mit Mädchen. Lukas ist wohl 'ne Ausnahme. Die Zeit vergeht nun viel schneller. Die Sonne steigt in einem Affentempo an den Himmel hinauf. Lukas und ich müssen heute nicht zur Schule gehen, wegen diesem tragischen Unfall. Als es endlich 8.30 Uhr ist, geht's mir schon wieder viel besser und irgendwie verspüre ich sogar ein Glücksgefühl, wenn ich daran denke, dass Alexa sich in meinem Traum von mir verabschiedet hat. Ich find's spannend und aufregend sowas erlebt zu haben. Lukas hat recht: Er gehört nur mir. Dieser Traum. Dieses Erlebnis in diesem Traum. Lukas und ich gehen nach unten in die Küche, wo seine Mutter bereits das Frühstück bereit macht. Als sie uns kommen hört, begrüsst sie uns lächelnd. ,, Guten Morgen, ihr Beiden. Gut geschlafen?'' ,, Guten Morgen Frau...''
,, Nenn mich einfach Lauren.'' ,, Okay. Guten Morgen Lauren. Also ich habe gut geschlafen.'' Dass ich mit Tränen aufgewacht bin, muss ich ja nicht erwähnen. ,, Morgen. Ja, so ziemlich. Vielleicht ein bisschen wenig.'' ,, Versteh' ich. Ihr seid auch spät ins Bett gegangen.'' Und haben noch lange geredet, denke ich für mich. Wir Frühstücken gemeinsam und unterhalten uns über Sachen, die uns etwas fröhlicher- oder jedenfalls nicht trauriger stimmen. Über das Wetter können wir uns nicht unterhalten, weil es regnet. Also unterhalten wir uns darüber, was wohl in 100 Jahren auf unserer Erde los ist. ,, Bestimmt gibt es dann Roboter, die alles für einen machen.'', ist Lukas' Idee. ,, Roboter? Wär ja'n Ding. Oder die Menschen haben einfach für alles einen Apparat, der alles macht. Die Menschen werden immer fauler und gefrässiger.'', sage ich. Lauren meint: ,, Oder es gibt die Erde schon gar nicht mehr, da der Weltuntergang, den sie immer wieder vorhergesagt haben, wirklich noch auftritt.'' ,, Glaubst du an ein zweites Leben?'', fragt Lukas mich. ,, Vielleicht ist das hier ja mein zweites Leben. Ich glaube dran. Weil, man kann ja nicht immer im Himmel sein. Das wird doch dann einem langweilig.'' Lukas und Lauren müssen lachen. Nachdem sich die Beiden etwas ausgelacht haben, fragt Lauren: ,, Was soll ich euch zu Mittag machen?'' ,, Uns? Bist du nicht da?'', frage ich. ,, Ich muss zur Arbeit. Ich arbeite weiter weg von hier in einer Buchhandlung. Am Nachmittag. Deshalb muss ich am Mittag losgehen.'' ,, Achso. Also mir spielt es keine Rolle. Was isst du am Liebsten, Lukas?'', frage ich ihn. ,, Am Liebesten habe ich Spinatröllchen. Oder noch besser, Pizza!'', ruft er und schliesst genüsslich die Augen. Ich lache und sage: ,, Dann fassen wir doch die Sachen zusammen und machen Spinatpizza.'' ,, Magst du denn Spinat?'' ,, Klaro.'' ,, Super. Mam, haben wir noch Pizza?'' ,, Ja, aber nur mit Salami. Ich muss eh noch einkaufen gehen. Möchtet ihr mit? Oder bleibt ihr hier und geniesst das Wetter?'' ,, Wir bleiben hier und geniessen das Wetter.'', sagt Lukas und ich nicke dazu. ,, Na gut. Dann geh' ich mich mal umziehen. Die Post kommt in ein paar Minuten. Ihr könnt sie dann hereinholen, ja?'' ,, Klar. Moment, ist es etwa schon fast 10.00 Uhr?'', fragt Lukas verblüfft. ,, Ja. Die Zeit vergeht eben schnell, wenn man es nicht erwartet.'' ,, Ich merke es.'' Lukas und ich helfen Lauren noch in der Küche und dann geht sie in das Badezimmer. Als es dann endlich 10.00 Uhr ist und der Postbote da war, sitzen wir drei gebannt in der Küche und Lauren schaut schon mal die Zeitung durch. Was wohl in der Zeitung steht wegen dem Unfall? Was wohl genau passiert ist? Ich rutsche ungeduldig auf meinem Stuhl hin und her. Lukas knetet seine Finger und als ich dann auch mit meinen Fingern nervös auf dem Tisch nicht vorhaltene Brosmen wegwische, nimmt er meine Hände und massiert sie ein wenig. Dann endlich fragt Lauren mich: ,, Willst du's hören?'' ,, Nicht wirklich, aber es nimmt mich schon Wunder, was genau passiert ist.'', sage ich mühsam, weil mir bald die Stimme wegbleibt. ,, Dann les ich mal vor.'' Lukas rückt näher an mich heran und legt seinen Arm um meine Schultern. Mit der freien Hand hält er meine rechte Hand. (Er sitzt rechts von mir). Lauren beginnt zu lesen:

Unfall bei der Bushaltestelle

Gestern Abend um 19.45 Uhr überfuhr ein schwarzer Mercedes ein 14 Jähriges Mädchen,
das vermutlich auf dem Weg nach Hause war, als sie von hinten überrascht wurde. Der Autofahrer
konnte nicht mehr anhalten, da er so schnell fuhr und fuhr direkt auf das Mädchen zu und dann
in das Bushaltestellehäuschen hinein. Er hatte wohl mehr als zwei Schutzengel bei sich, im Gegenteil
zum Mädchen. Der Autofahrer ist geflohen und daher ist der Verdacht grösser, dass er es mit Absicht
gemacht hat. Das Mädchen wurde so schnell wie möglich ins Krankenhaus gebracht. Am Unfallort
mit dabei waren zwei Polizeiautos, zwei Krankenwagen und ein Feuerwehrauto. Dann kamen der Vater,
Herbert C.*, die Schwester und ein weiterer Junge dazu. Claudia Meister hat Herbert C. noch ein paar
Fragen gestellt.
Claudia: Was haben Sie als erstes Gedacht, als Sie vom Unfall erfuhren?
Herbert C.: Was soll ich da schon sagen? Ich habe es hier erfahren und bin geschockt.
Claudia: Das ist verständlich. Glauben Sie, dass es Ihre Tochter schaffen wird?
Herbert C.: Wenn ich sage, dass sie es schafft und es dann nicht so ist, bin ich enttäuscht und noch
geschockter und Negativ sprech' ich bestimmt nicht darüber.
Claudia: Natürlich. Wissen Sie, wer der Autofahrer hätte sein können?
Herbert C.: Keine Ahnung.
Claudia: Hatte Ihre Tochter Feinde?
Herbert C.: Meine Tochter ist 14. Dass sie Feinde hat, in der Schule ist wohl klar, aber dass sie Feinde
haben sollte, die ein paar Jahrgänge älter ist als sie, das bezweifle ich.
Claudia: Wie werden Sie es verkraften, falls es Ihre Tochter nicht schaffen sollte?
Herbert C.: Wie würden Sie sowas verkraften?
Claudia: Nun, natürlich keine einfache Frage. Sie habe noch eine Tochter. Was denken Sie, wie wird sie
es verkraften?
Herbert C.: Weiss ich nicht.
Claudia: Es war die eineigene Zwillingsschwester, oder?
Herbert C.: Ja, war es.
Claudia: Sehr tragisch. Sie wird es jetzt bestimmt nicht einfach haben. Wie helfen Sie Ihrer Tochter?
Herbert C.: Kein Kommentar.
Weitere Fragen hat Herbert C. nicht beantwortet. Bestimmt wird es für die Familie nicht sehr einfach in den
nächsten Tagen. Die Tochter wurde bei einem Kumpel untergebracht und die Mutter wurde sofort angerufen.
Genaueres berichten wir Ihnen Morgen.
*Name von der Redaktion geändert

,, Ich fass es nicht.'', bringe ich schliesslich nach einer Weile Schweigen raus. ,, Was?'', fragt Lukas. ,, Na, dass diese Claudia meinem Vater so viele Fragen gestellt hat. Ich meine, ,Was denken sie, wie wird sie es verkraften?' Sowas fragt man doch nicht. Ich weiss es schliesslich selber nicht, woher sollte es dann mein Vater wissen?'' ,, Tja, die Presse ist so. Wenn sie was wissen will, gibt's keine Gnade.'' ,, Wenn die mich was fragen wird, dann werd' ich der schon meine Meinung geigen.'' ,, Mach das. Das haben die verdient.'', stimmt mir Lauren zu. ,, So, ich geh' jetzt mal einkaufen. Braucht ihr sonst noch was, ausser dem Mittagessen?'' ,, Eine Packung Nerven und ein Döschen Lachen bitte.'', antworte ich. Nur so als Witz. Lukas lächelt und Lauren meint: ,, Ich werd' mal sehen, was ich finden kann. Ach, und lest mal, wann die Beerdigung stattfinden wird.'' Klar, die ist ja auch noch. Morgen ist sie, lesen wir. ,, Wirst du gehen?'', fragt Lukas mich. ,, Wenn du mitkommst und mich stützt?'' ,, Klar. Ist doch logisch.'', lächelt er mich an.
Lukas und ich gehen, nachdem Lauren weg ist, etwas spatzieren. Aber nicht in die Nähe des Parkes oder so. Nein. Wir laufen in eine andere Richtung und kommen an einem Kiosk vorbei. Mein Blick fällt auf eine Zeitung mit einem Bild, wo ein schwarzer Mercedes drauf ist. Ich gehe näher ran und siehe mir die Schlagzeile an.
,Tragischer Unfall an der Bushaltestelle', steht da. ,, Diese Zeitung wirst du wohl noch öfters sehen.'', meint Lukas, der neben mich getreten ist. Seufzend lege ich sie zurück in den Ständer und als wir weitergehen wollen, meint die Kioskdame: ,, Bist du nicht die Schwester vom verunfallten Mädchen?'' ,, Ja, bin ich.'', sage ich und will weitergehen. Doch die Dame plappert weiter. ,, Ich habe den Artikel gelesen. Kindchen, das tut mir aber leid. Ist bestimmt schrecklich für dich, die eineigene Zwillingsschwester zu verlieren. Ihr seid ja erst 14. Noch das ganze Leben vor euch. Jetzt nur noch du. Wirst wohl lange Zeit brauchen den Unfall zu verkraften. Ich weiss ja nicht. Ich glaube, ich bekäme Depressionen und müsste schlussendlich zum Psychiater und...'' ,, Hören Sie mal,'', meint Lukas da mit scharfer Stimme und geht zur Dame, ,, wenn Sie noch mehr so reden, von wegen Depressionen, Psychiater und und und, dann wird es meiner Freundin bestimmt noch schwerer Fallen und sie wird wegen Ihnen noch Depressionen kriegen. Also, halten Sie jetzt bitte den Rand. Danke.'' Somit nimmt er mich an der Hand und zieht mich weg. Die Dame, deren Mund sperangelweit offen steht, lassen wir zurück. Als wir weit genug von ihr entfernt sind, damit sie uns nicht mehr hört, hält Lukas an und sieht mich an. ,, Geht's?'' ,, Mhm. Das war jetzt Rettung in letzter Sekunde.'', sage ich leise, doch die Tränen, die mir schon vorhin raufgekommen sind, kann ich nun nicht mehr zurückhalten. Er nimmt mich in die Arme und ich schluchze los. Ich kann es wieder nicht fassen, dass meine Schwester für immer weg ist. Für immer! Immer! Ich will sie nicht wirklich verloren haben! Ich brauche sie doch! Sie ist ein ganzer Teil von mir. ALEXA!!!
Mit einem Umweg, damit wir nicht beim Kiosk vorbei müssen, laufen wir nach Hause. Ich sage keinen Ton mehr. Ich bringe einfach nichts raus. Unmöglich. Ich setze mich in der Küche auf den Stuhl und starre auf den Boden. Die weiss-grauen Plättchen fangen sich mit der Zeit an zu bewegen, wo ich nicht blinzle. Sie bilden Muster. Dann erkenne ich ein Gesicht. Dann ein anderes. Ein Weibliches, ein Männliches, eines, mit einer grossen Nase, eines, das einen Hut an hat, dann einen Zwerg. Einen Delphin. Ich bekomme nur am Rande mit, wie Lukas mir eine Tasse Tee kocht und vor mich auf den Tisch stellt. Doch ich trinke nichts. Ich bin weit weit weg. Irgendwo, wo alles gut ist. Es wird ganz schwarz und nach einer Weile sehe ich ein Licht. Dann höre ich jemanden meinen Namen rufen. Ich schaue umher. Da! Alexa ruft mich. Sie steht etwa 10 Meter vor mir. Ich gehe weiter und bleibe dann automatisch stehen. Vor mir ist ein unendbarer Abgrund. Er ist genau ein Meter breit. Alexa streckt die Hand nach mir aus. Sie lächelt mich glücklich an. Ich strecke meine Hand auch aus und berühre ihre Hand. Es ist ein tolles Gefühl sie anfassen zu können. Moment. Ich bin nicht wirklich da. Und sie auch nicht. Sie ist schliesslich jetzt im Jenseits. Dann müsste ich ja auch da sein. Sie sieht so glücklich aus. Hinter ihr ist weiter Horizont, Wiese, Bäume und Sonnenschein. Plötzlich zieht sie ihre Hand weg. In meiner liegt ein Kettchen. Es ist ein Mini-Medaillon. Ich öffne es. Drin steht: Bin immer bei dir. Deine Alexa. Ich schliesse es wieder und schaue zu Alexa. Doch die ist nicht mehr da. Ich umschliesse das Kettchen mit meinen Händen und drücke es an mein Herz. Jetzt ist sie für immer bei mir. In diesem Kettchen. In meinem Herzen. Was ist das? Die Erde bewegt sich. Sie schaukelt hin und her. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Da wird alles schwarz. Ich seh nichts mehr. Da hör ich Stimmen.
,, Nadja! Nadja! Hörst du mich? Nadja!'' Die kenn ich doch, diese Stimme. Moment...Alexa ist es nicht. Mama auch nicht. Paps auch nicht. Wer dann? Lukas? ,, Nadja!'' Ja, es ist die Stimme von Lukas. Mit Mühe öffne ich die Augen und blicke in die verschwommenen Augen von Lukas. Dann kann ich endlich alles genau erkennen. Ich liege im Bett von Lukas. Er sitzt auf der Bettkannte und sieht mich besorgt an. ,, Was ist passiert?'', frage ich ihn. ,, Du bist fast vom Stuhl gefallen, aber ich konnte dich noch festhalten und hinauftragen.'' ,, Du hast mich hinaufgetragen?'' ,, Wie sonst hät' ich dich hier ins Bett bringen sollen?'' ,, Auch wahr. Danke.'' Ich versuche aufzusitzen, doch es beginnt sich gleich alles wieder zu drehen. ,, Bleib lieber noch liegen und ruh' dich ein wenig aus. Willst du was zu Essen?'' ,, Nein danke.'' ,, Aber ich muss was Trinken gehen. Bin gleich wieder da, ja?'' ,, Klar, mach nur.'' Als er weg ist, schaue ich alles im Zimmer genau an. Das Fenster, Pult, Schrank, Nachttischchen. Plötzlich fühle ich, dass etwas in meiner Hand liegt. Ich öffne meine Hand und sehe ein kleines Kettchen. Das Mini-Medaillon vom Traum? Es sieht genauso aus. Ich öffne es. Ich ziehe die Luft ein. Es ist tatsächlich das vom Traum. Drin steht: Bin immer bei dir. Deine Alexa. Wie kann das möglich sein??
Lukas kommt wieder ins Zimmer und ich starre immer noch auf das Kettchen. ,, Was hast du da?'', fragt er mich. Ich strecke ihm wortlos das Kettchen hin. ,, Woher hast du das?'', fragt er, als er es angesehen hat. Ich habe es geschlossen. ,, Öffne es.'', sage ich ihm. Er öffnet es und liest. Dann sieht er mich fragend und irritiert an.
,, Wie...woher...hä?'' ,, Ich hab es vorhin bekommen.'' Er schaut immer noch irritiert drein. Also erzähle ich ihm, was ich geträumt habe. Er hört gebannt zu und als ich fertig bin, meint er: ,, Wow!'' ,, Soviel sag ich auch. Wie ist das möglich? Ich meine, es war doch nur ein Traum. Oder hab ich einmal aufgehört zu atmen und war wirklich bei Alexa?''
,, Nein, du hast immer geatmet. Ich glaube, es ist einfach ein Wunder.'' ,, Das ist einfach...unglaublich.'' ,, Du sagst es. Soll ich es dir umlegen?'' ,, Gerne.'' Ich drehe mich mit dem Rücken gegen ihn und er legt mir das Kettchen um. ,, Siehst schön aus mit dem Kettchen.'' ,, Danke.''

18.
11.23 Uhr. Es klingelt an der Tür. Lukas und ich haben gerade den Tisch gedeckt. Lukas geht und öffnet die Tür. Ein riesen Stimmengewirr dringt in den Flur. ,, Stimmt es, dass die Schwester von Alexa Nadja heisst und stimmt es, dass sie sich das Leben nehmen wollte?'' ,, Ich sage nichts. Geht jetzt. Tschüss. Schöner Tag.'' Die Presse lässt sich nicht so leicht abwimmeln. Woher wissen die, dass ich hier bin? Eine Frau kann sich in den Flur drängen und nun steht sie bei mir in der Küche. ,, Bist du Nadja? Die Schwester von Alexa?'' ,, Ja.'' ,, Ich bin Claudia. Ich habe gestern schon deinen Vater Interviewt. Stimmt es, dass du dich Umbringen wolltest?'' ,, Nein und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.'' Da kommt Lukas in die Küche. ,, Hab ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie gehen sollen?'' ,, Jaja, nur noch eine Frage: Ist das hier dein Freund?'', fragt Claudia und zeigt auf Lukas. Er zieht die Augenbraue hoch, sieht mich an und verdreht die Augen. Ich muss lächeln. ,, Er ist ein sehr guter Freund, aber nicht so, wie Sie glauben.'' Claudia lächelt wissend, als habe sie was super Spannendes erfahren. ,, Danke. Du hast mir sehr gut geholfen. Wiedersehen.'' Erhobenen Hauptes schreitet sie zurück zur Tür. ,, Kommt, ich weiss alles was ich wissen wollte.'' So verlässt die Presse endlich das Haus und ich atme hörbar aus. ,, Endlich! Die haben mir gerade noch gefehlt.'' ,, Diese Claudia stellt vielleicht Fragen.''
,, Bin mal gespannt, was Morgen alles in der Zeitung steht.'' ,, Ich auch.'' Lukas blickt zur Uhr und meint: ,, Wir könnten schon mal den Backofen anlassen. Mam kommt bestimmt gleich nach Hause.'' ,, Mhm, machen wir das.'' Als der Backofen angelassen ist, klingelt Lukas' Handy. ,, Ja?...ist gut...ja...bis dann, tschüss. Es war Mam. Sie kommt in 20 Minuten.'' ,, Gut, bis dann ist der Backofen bestimmt heiss.'' ,, Ganz bestimmt.'', lacht Lukas. ,, Hast du was dagegen, wenn ich ein Kreuzworträtsel löse?'' ,, Ne, nur zu. Ich löse sie eh nicht.'' Gerade, als ich anfangen will, klingelt mein Handy. Der Display zeigt Daniel an. ,, Mist, was will der denn?'' ,, Daniel?'', fragt Lukas. Ich nicke. ,, Geh' ran. Irgendwann müsst ihr zusammen sprechen.'' Seufzend nehme ich ab. ,, Ja?'' ,, Ich bin's, Daniel.'' ,, Was willst du?'' ,, Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich immer noch liebe und möchte dich um eine zweite Chance bitten. Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe. Tanja und ich...wir sind nicht mehr zusammen. Wir haben gemerkt, dass es mit uns nicht funktioniert. Wir sind zu verschieden. Ich liebe nur dich, Nadja.'' Das wäre jetzt die Chance nochmals von vorne anzufangen. Ich schaue zu Lukas, der mich erwartungsvoll ansieht. Genau in dem Moment, wo er mich anlächelt, (wohl sein schönstes Lächeln), weiss ich, was ich tun muss. Während ich Lukas in die Augen schaue, sage ich ins Handy: ,, Tut mir leid, aber es ist aus.'' ,, Für...für immer?'', bringt Daniel mühsam heraus. ,, Ja. Du konntest nicht mal mit mir Schluss machen und baggerst Tanja an. Auf dich kann ich verzichten, auch, wenn es mir noch so schwer fällt.'' ,, Das heisst, du liebst mich noch?'' ,, Kann sein. Lass mich eine Weile einfach in Ruhe, ja?'' Schweigen am anderen Ende der Leitung und dann Räuspern. ,, Ist gut. Noch was; bist du jetzt mit Lukas zusammen?'' ,, Nein.'' ,, Gut. Mach's gut.'' ,, Du auch, tschüss.'' Ich lege auf und nach einer Weile fragt Lukas: ,, Wieso hast du jetzt Schluss gemacht? Für immer ist eine furchtbar lange Zeit.'' ,, Ich weiss. Vielleicht schaffen wir es ja eines Tages wieder.'' ,, Ich wünsch' es dir. Er liebt dich nämlich wirklich.'' ,, Ja, aber Liebe ist nicht das einzig Wichtige in einer Beziehung.'' ,, Was ist denn für Dich noch wichtig?'' ,, Vertrauen, Treue, Ehrlichkeit und dass man nicht zu feige ist, Schluss zu machen. Das letzte trifft erst seit jetzt zu, wegen Daniel.'' ,, Du bist noch nicht drüber hinweg, oder?'' Ich schüttle den Kopf. ,, Das versteh ich. Mir ginge es genauso. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag es einfach, ja?'' Ich lächle ihn an und sage: ,, Aber du hilfst mir doch schon die ganze Zeit.''
20 Minuten später kommt Lauren nach Hause und schiebt sofort die Pizza in den Ofen. ,, Tut mir leid, wegen der Verspätung. Aber ich war nicht die Einzige, die vorhatte, einkaufen zu gehen.'' ,, Kein Problem. Wir hatten in der Zwischenzeit Besuch.'', sage ich und und verdrehe die Augen, wie es Lukas gemacht hatte. ,, Von wem?'' ,, Von dieser Claudia und ihren Kollegen.'' ,, Was? Was wollten die denn?'', ruft Lauren mit grossen Augen. ,, Sie hat gefragt, wer ich sei und...'' ,, Mich hat sie gefragt, ob sie sich umbringen wollte.'' ,, Und was hast du gesagt?'' ,, Nein.'' ,, Und dann hat sie mich noch gefragt, ob er mein Freund sei und ich hab gesagt: Ein sehr guter Freund, aber nicht so, wie Sie glauben. Dann ist sie gegangen.'' ,, Diese Frau...Sie ist bekannt dafür, anderen dämliche und dämlichere Fragen zu stellen. Die lässt nicht locker.'', seufzt Lauren. ,, Echt? Dann mach ich mich darauf gefasst, dass sie mich nicht so schnell in Ruhe lassen wird.'' ,, Das fürchte ich auch. Die braucht doch ihre Storys.'' ,, Du kannst in den nächsten Tagen bei uns bleiben, oder Mam?'' ,, Klar, aber wir müssen noch mit ihren Eltern schauen.'' ,, Ich denke nicht, dass die mich im Moment brauchen werden. Die sind jetzt bestimmt mit sich selber beschäftigt.'' ,, Aber möchtest du sie nicht noch einmal sehen?'' ,, Ich weiss nicht.'', sage ich leise und senke den Kopf. Lukas umarmt mich und meint: ,, Hat ja noch Zeit.''
Als wir am Nachmittag meine Eltern fragten, waren sie zum Glück damit einverstanden, dass ich eine Weile bei Lukas zu Hause bin. Lukas hat versprochen zu schauen, dass die Presse mich nicht dauernd überall in die Finger kriegt.
Am nächsten Tag gehen Lukas und ich in die Bäckerei um frische Brötchen zu kaufen. Als wir aus der Bäckerei kommen, blitzt es von allen Seiten und Claudia hält mir ein Mikro unter die Nase. ,, Was ist es für ein Gefühl nach zwei Tagen keine Schwester bei sich zu haben?'' Die Fragen purzeln nur so auf uns ein und ich weiss nicht mehr, was tun. ,, Seid ihr zwei jetzt ein Paar? Warst du vorher mit ihrer Schwester zusammen? Was für ein Gefühl ist es für dich? Wie fühlt man sich?'' ,, Wir sagen nichts. Lasst uns durch!'' Lukas zieht mich durch die Menge und so rennen wir nach Hause und schliessen die Tür hinter uns. ,, Puh! War das jetzt anstrengend.'', seufzt Lukas. ,, Und wie. Ich muss mich hinsetzen. Ich kann nicht mehr.'' Lukas führt mich in die Küche und gibt mir ein Glas Wasser. ,, Hier, trink. Geht es?'' ,, Jaja, geht gleich wieder. Wieso muss diese Claudia dauernd solche Fragen stellen? Solche, die schmerzen. Was für ein Gefühl es ist, zwei Tage ohne Schwester. Wie soll ich da ihren Tod verarbeiten, wenn man mir dauernd solche Fragen stellt?'' Ich stehe auf, weil ich ins Bad möchte. Ich bin den Tränen nahe. Doch ich muss mich festhalten, weil mir schwindlig wird. Lukas kommt und umarmt mich. ,, Ich hätte besser aufpassen müssen. Tut mir leid, Nadja.'' ,, Dir muss es doch nicht leid tun. Du kannst nichts dafür. Ich bin froh, dass ich dich jetzt habe.''
Lauren arbeitet heute am Morgen. Ich bin nach diesem Presseüberfall so k.o., dass ich mich kurzerhand hinlege. Ich schlafe dann auch bald ein, träume mal nichts und erwache erst, als es draussen dunkel wird. Ich schaue auf den Wecker auf dem Nachttischchen. 18.53 Uhr. Wow! Und am Morgen hab ich mich hingelegt. Ich stehe auf und schaue noch auf mein Handydisplay. Eine Nachricht von Tanja. Ich öffne und lese sie.

Liebe Nadja
Wollte dir nur mitteilen, dass
Daniel und ich nicht mehr zusammen
sind. Er ist für mich gar nicht so toll,
wie ich immer dachte. Ich hoffe, dass
ihr doch noch glücklich werdet.
Lg Tanja

Danke Tanja, denke ich, aber es ist aus zwischen ihm und mir. Ich gehe runter in die Küche, wo Lukas mit Lauren die Küche aufräumt. Als Lukas mich sieht, kommt er lächelnd auf mich zu. ,, Na, du Schlafmütze? Gut geschlafen?'' ,, Ja, sehr gut sogar. Ich habe irgendwie ein Bärenhunger.'' ,, Das kann ich mir denken, nach acht Stunden Schlaf.'' ,, Acht Stunden?'' ,, Ja, acht Stunden.'' ,, Jetzt kannst du wohl heute Abend nicht mehr schlafen.'' ,, Wahrscheinlich nicht, nein.'' ,, Dann habe ich die perfekte Lösung für dich.'', meint Lukas strahlend. ,, Ach, und die währe?'' ,, Heute Abend läuft ein guter Film im Kino. Wir könnten zusammen hingehen. Am Abend ist die Gefahr von Presseüberfällen bestimmt auch geringer.''
,, Wirklich super Idee!'', rufe ich und umarme Lukas voller Freude. ,, Ich würde mir bei dieser Claudia nicht so sicher sein.'', warnt Lauren uns noch. ,, Klar, wir passen auf.'', antwortet Lukas. ,, Wenn du möchtest, hat es noch etwas Lasagne, die ich dir aufwärmen kann.'', bietet Lauren an. ,, Ohja, gerne.'' Ich setze mich hin und Lukas setzt sich zu mir.
,, Übrigens hat Claudia einen spannenden Artikel über uns geschrieben.'', meint er. ,, Über uns?'' ,, Hier. Lies mal.'' Er gibt mir die Zeitung und ich lese den Artikel.

Unfall und weiteres

Den Autofahrer vom schwarzen Mercedes hat man leider noch nicht gefunden. Das Bild unten im Kasten
ist eines der neusten vom Autofahrer. Er hat schon einmal ein sieben Jahre altes Kind überfahren, das über
den Fussgängerstreifen gehen wollte. Damals sah eine ältere Frau, wie der Autofahrer Gas gab, als er das
Kind sah. Es scheint, als würde dieser Mann mit Absicht andere jüngere Kinder und Teenager anfahren.
Das Kind war damals auf der Stelle tod. Er ist ebenfalls geflohen. Sollte er irgendwo auftauchen, bitte
sofort melden!
Die Schwester von Alexa leidet wohl mehr, als sie zugibt. Sie ist zwar bei ihrem 'guten Freund' untergebracht,
doch man sagt, dass sie sich noch das Leben nehmen wollte und ihr 'guter Freund' sie davon abhalten konnte.
Stimmt es? Oder nicht? Das Mädchen, dessen Namen vermutlich Nadja lautet, sagte nur nein. Doch man weiss
ja nie. Der Junge, dessen Namen noch unbekannt ist, sagt genauso viel, wie das Mädchen.
Die zwei halten zusammen und lassen niemanden durch. Die Eltern erholen sich und werden noch ein wenig
ärztlich unterstützt, da es sie ebenfalls sehr mitnimmt.

,, Was das Schreiben in der Zeitung angeht, haben die immer sehr viel Fantasie und Ideen. Wer hat denen gesagt, dass ich mir das Leben nehmen wollte?'' ,, Bestimmt haben es die sich nur ausgedacht. Sie müssen doch was schreiben. Ob es jetzt stimmt oder nicht.'' ,, So ein Mist.'', murmle ich. ,, Hier, iss erstmal ein wenig von meiner Lasagne. Selbst gemacht.'' ,, Danke.''

19.
Um 19.45 Uhr fährt uns Lauren zum Kino. Lukas meinte, wir sollten besser nicht mit dem Bus gehen, weil es da noch mehr Erinnerungen gäbe. Ich war total seiner Meinung. Wir holten gleich die Eintrittskarten ab und suchen uns jetzt einen günstigen Platz. ,, Wo sitzt du lieber? Hinten, Mitte, vorne?'' ,, Am Besten dritte Reihe von hinten vierte und fünfte, oder fünfte und sechste Plätze. Ziemlich in der Mitte.'' ,, Okay, setzen wir uns...da hin. Gut hier?'' ,, Jap, perfekt.'' Wir machen es uns gemütlich und müssen dann leider immer noch eine Weile warten. Wir reden aber die ganze Zeit über alles mögliche. Die Zeit vergeht schnell, der Saal füllt sich ein wenig und dann endlich stellt das Licht ab. Genau da muss ich an Alexa denken. Ich denke ja die ganze Zeit an sie, aber jetzt fehlt sie mir sehr. Wir waren zwei mal zusammen im Kino, sonst nicht. Ein paar Mal einkaufen und und und. Aber wir haben trotzdem sehr wenig zusammen gemacht. Wie lange bin ich jetzt hier? Bald drei Monate? Zweieinhalb vielleicht? Nicht lange. Und schon hat sie mich, natürlich ungewollt, verlassen. Ich greife nach dem Kettchen und schliesse es fest in meine Hand. Lukas, der rechts neben mir sitzt, merkt wohl, dass meine Gedanken nicht beim Film sind und drückt meine rechte und freie Hand. Ich schaue zu ihm und er lächelt mich liebevoll an. Meine Hand lässt er während des ganzen Films nicht mehr los. Sie ist schön warm.
In der Pause holen wir uns Popcorn und Maltesers und Cola. ,, Na, gefällt dir der Film bis jetzt?'' ,, Ja, er ist super.''
Als der Film dann fertig ist, gehen wir nach draussen, wo Lukas Lauren anruft. ,, Ist dir kalt?'', fragt er nach dem Telefonat. ,, Nein, geht noch.'' Trotzdem legt er seinen Arm um mich. Ich bin wieder einmal total froh, dass ich ihn noch habe. Ein paar Tränen suchen den Weg zur Oberfläche. Ich wische sie schnell ab, aber Lukas entgeht nichts. ,, He, nicht weinen. Sie ist ja bei dir.'', meint er sanft und umarmt mich fest. Sofort fühle ich mich wieder besser. Als dann Lauren mit dem Auto kommt, habe ich mich wieder etwas erholt.
Bei Lukas lege ich mich sofort ins Bett und schlafe bald ein.
Am nächsten Morgen in der Zeitung der Schock: Ein Foto von Lukas und mir, wie wir uns umarmen. Diese Claudia hat genau in dem Moment auf den Auslöser gedrückt, als Lukas mich fest umarmt hat. Auf dem Foto sieht es so aus, als wären wir zwei frisch Verliebte, die sich umarmen. ,, Mist! Mist! Mist! Wieso kann diese Claudia uns nicht einfach in Ruhe lassen? Es hatte ja nichts zu bedeuten. Oder darf man jetzt einander nicht mal mehr in den Arm nehmen zum trösten?'', rege ich mich auf und verschränke die Arme vor der Brust. ,, Nadja, ich denke mal, dass es nicht das letzte Foto sein wird, wenn wir uns in der Öffentlichkeit noch mehr zusammen zeigen.'' ,, Aber wir können uns ja nicht verkleiden oder alleine rausgehen. Sonst überfällt die Presse mich und ich weiss wieder nicht, was tun.'' ,, Weglaufen.'' ,, Die werden mich umzingeln.'' ,, Dann schreist du laut, und kämpfst dich mit Ellbogen durch und rennst schnell hierher.'' Ich schweige. Hoffentlich klappt das, wenn es dann soweit ist.
Am Nachmittag ist noch die Beerdigung meiner Schwester. Ich soll eine kleine Rede halten. ,, Was sagt man da so?'' ,, Na, du könntest erzählen, was ihr alles schönes zusammen erlebt habt und so. Einfach, wie ein kleiner Lebenslauf. Ein paar Abschiedsworte. Es muss ja nicht viel sein.'' ,, Na gut.'' ,, Schreibst du's dir auf?'' ,, Nein. Ich improvisiere einfach.'' ,, Wenn du meinst. Ist auch gut.''
Um 13.30 Uhr fängt sie an. Die Betroffenen, ich, Mam, Paps, Lukas und die Tanten, Onkeln und die restliche Verwandtschaft sitzen in den zwei Vordersten Bänken. Freunde sitzen hinten dran. Lukas kann vorne sitzen, weil er mit Alexa zusammen kam und deshalb nun auch ein wenig zur Familie gehört, hat Paps entschieden. Lukas sitzt neben mir und hält meine Hand fest. Doch, als ich nach vorne muss, muss er sie loslassen. Als ich am Pult vorne stehe und in die Menge schaue, sehe ich Daniel. Ganz hinten. Er schaut ebenfalls zu mir. Aber in seinen Augen sehe ich kein Mitleid oder Trauer, sondern Wut und Kälte. Ich schaue weg und fange an. ,, Ich habe mir jetzt keine Notizen gemacht, was man vielleicht machen soll. Ich dachte, ich improvisiere und erzähle frei heraus was über meine Schwester und unsere gemeinsame Zeit. Es hat uns mal jemand gefragt, ob ich und Alexa nicht wütend seien auf unsere Eltern, weil sie uns so lange auseinander gehalten haben. Ich und Alexa sagten beide nein. Wir sagten: Wir haben uns gefunden und das ist das Einzige was zählt. Ich bin nicht wütend. Ich habe meine Schwester endlich wieder getroffen, wir hatten eine sehr schöne Zeit zusammen. Sie hat mich vor denen beschützt, die fies zu mir waren und war immer für mich da. Genauso umgekehrt. Einem Freund von mir habe ich gesagt: Dass ich meine Schwester verloren habe ist so, dass ich einen ganzen Teil von mir verloren habe. Wir waren eineigene Zwillinge, da ist es wohl verständlich, dass sie ein ganzer Teil von mir war und immer von mir sein wird. Ich vermisse sie sehr, aber zwei Menschen geben mir im Moment viel Kraft und das lindert meine Schmerzen in meinem Inneren. Ich möchte mich bei den zwei Personen bedanken.'' Lukas und Lauren lächlen mir zu und Lukas zwinkert mir zu. ,, Ich danke allen, die für mich da sind und die mit Alexa befreundet waren. Und ich danke allen, die mir jetzt zugehört haben und für mich da sind.'' Ich gehe zurück an den Platz. Der Sarg, wo Alexa drin liegt, ist aus reinem goldbraunem Holz und verziert mit Vergissmeinnicht, gelben und blauen Rosen und ein rotes Band, wo draufsteht: ALEXA, WIR LIEBEN DICH. Wenn ich mir vorstelle, dass dort Alexa drin liegt, mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen auf dem Bauch, ein ganz kalter Körper und ein Herz, das jetzt eine Pause für die Ewigkeit eingelegt hat. Schrecklich aber leider wahr.
Nach der Messe warte ich bis alle weg sind, ausser Mam, Paps, Lauren und Lukas. Wir stehen beim Sarg und trauern noch ein bisschen zusammen. Dann sage ich leise: ,, Könnt ich jetzt bitte noch kurz alleine sein mit Alexa? Ich muss ihr noch was sagen.'' ,, Klar. Wir warten draussen.'', sagt Lukas und dann gehen sie. Mama hat während der ganzen Messe ununterbrochen geheult. Seit zwei Tagen, sagte Paps, heule sie nur noch. Sie hatte ja auch nicht viel von Alexa. Als sie endlich draussen sind, knie ich mich vor den Sarg und sage: ,, Danke Alexa, für alles. Du hast mir so geholfen. Ich habe mich verändert und bin mutiger als zuvor. Ich weiss, dass du, dort wo du jetzt bist, kein Leid mehr hast und glücklich bist, also bin ich es auch. Auch, wenn du mir sehr fehlst. Ich hoffe, dass ich dich in ein paar Jahren wieder sehe, wenn ich zu dir komme. Warte auf mich, ja? Ich hab dich lieb.'' Ich stehe langsam wieder auf, drehe mich um und erschrecke mich total, da Daniel vor mir steht. ,, Von wegen: Es ist nichts zwischen dir und Lukas. Die Bilder in der Zeitung sagen was ganz anderes.'' ,, Erstens Daniel, ist das hier nicht der richtige Ort für solche Gespräche und zweitens sagen die Bilder in der Zeitung meist was anderes, als sie sollten.'' Ich gehe an ihm vorbei, nach draussen, wo Lukas und die anderen auf mich warten. Lauren und meine Eltern sprechen noch mit dem Pfarrer in einiger Entfernung. Daniel kommt hinter mir her. ,, Hier ist aber der richtige Ort. Du und Lukas seid doch schon lange ein Paar. Gib's zu, du hast mich abserviert und weil du mir nicht die Wahrheit sagen wolltest, hast du mit mir einfach Schluss gemacht und gesagt, es sei aus.'' ,, Das stimmt nicht Daniel.'', sage ich. Langsam steigt Verzweiflung in mir auf. Wenn Daniel so überreagiert, wegen ein paar Bildern in der Zeitung, was sagen die anderen dann dazu? Tanja, Angeli, Mike und Melanie? ,, Nadja und ich sind nicht zusammen. Und wenn, dann würde es dich nichts angehen, weil ihr nicht mehr zusammen seid.'' ,, Halt du dich da raus!'', sagt Daniel mit scharfem Ton und funkelt Lukas wütend an. Ich gehe zu Daniel, packe ihn an den Schultern und sage mit schneidender und leiser Stimme: ,, Lass uns in Ruhe. Es kann dir egal sein, mit wem ich nun zusammen bin. Lukas ist ein Freund, nicht mein Freund. Also, geh jetzt.'' Tatsächlich geht Daniel, als ich ihn losgelassen habe. ,, Ich sag's doch: Er ist immer noch total in dich verliebt.''
,, Aber ich nicht in ihn.'' ,, Bist du dir wirklich sicher?'' ,, Lukas, wenn ich es doch sage. Willst du, dass ich noch in ihn verliebt bin oder was?'' ,, Nein, nein. Wenn du's nicht bist, bist du's eben nicht.'' ,, Dann hätten wir das also geklärt.'' Gemeinsam gehen wir alle zu Mama und Paps nach Hause. Also, zu Paps. Dort gibt es ein kleines Dessert. ,, Wie ist es jetzt eigentlich? Gehst du wieder zu Lukas? Oder kommst du wieder zu mir?'', fragt Paps dann. ,, Oder zu mir.'', wirft Mam dazwischen. ,, Naja...ich...ich weiss ja nicht, was Lauren meint.'' Fragend schaue ich zu ihr. ,, Nadja kann so lange bei uns bleiben, wie sie möchte. Eine Person mehr im Haus schadet nicht und bis jetzt war's ja auch lustig und schön.'' ,, Tja dann...zu mir kannst du jeder Zeit wieder kommen.'', meint Paps. ,, Und wenn du wieder mal zu mir kommen möchtest, meine Tür steht auch immer offen. Ich muss es einfach früh genug erfahren, damit ich die Billete besorgen kann.'' ,, Klar, kein Problem.'' Genau dann, als Mam das gesagt hat wegen den Billeten, hab ich einen richtigen Stich gespürt. Wieder einmal frage ich mich, weshalb sich meine Eltern trennen mussten. Wieso? Es sind beide gleich toll und sind superlieb. Wieso also?
Bald verabschieden wir uns. Lauren und Lukas gehen schon mal vor und die Gelegenheit nutze ich und frage meine Eltern: ,, Wieso musstet ihr euch trennen?'' Paps seufzt und Mam schaut auf den Boden. Dann sagt Paps: ,, Das habe ich dir doch erklärt. Wir haben uns nur noch gestritten. Es war das Beste so.'' ,, Ihr könntet es doch noch einmal probieren. Ich meine, es sind ettliche Jahre vergangen und ihr habt vielleicht dazu gelernt und Fehler eingesehen, die ihr damals gemacht habt.'' ,, So einfach ist das nicht.'', sagt Mam sanft. ,, Wieso nicht? Versucht es doch, bitte.'' ,, Nein, es geht nicht. Wir haben uns zu weit voneinander distanziert. Es klappt nicht mehr.'' ,, Könnt ihr es euch denn gar nicht vorstellen nochmals zusammen zu sein?'' Meine Eltern schauen sich an, schauen zu mir und schütteln ihre Köpfe. ,, Macht's gut.'', sage ich und renne zum Auto. Mir ist wieder zum heulen zu Mute. Lukas sieht mich besorgt an, doch ich schaue aus dem Fenster.

20.
Lukas und ich können natürlich nicht tagelang zu Hause bleiben und müssen so am nächsten Tag der Beerdigung wieder zur Schule. Am Abend zuvor...
Wir sitzen auf Lukas Bett. Das heisst, er sitzt. Ich laufe hin und her und frage mich folgendes: ,, Ich weiss nicht, ob ich das überstehe, wenn mich alle bemitleiden. So kann ich nichts verdauen.'' ,, Du musst es ihnen gleich sagen in der Klasse.'', meint Lukas. ,, Was?'' Ich halte inne und setze mich zu ihm. ,, Na, wenn du allen sagst: , Ich möchte nicht bemitleidet werden, helft mir, dass ich den Unfall schnell verdaue', dann helfen sie dir bestimmt und lenken dich ein wenig ab.''
,, Keine schlechte Idee.'' ,, Warten wir erst ab, was Morgen passiert.'' ,, Genau. Danke, Lukas.'' ,, Wozu?'' ,, Naja, weil...so wie du für mich da bist und mir heute geholfen hast, als Daniel...'' ,, Ich helfe dir so gut ich kann und das mit Vergnügen.'' ,, Du wärst wirklich der perfekte Junge für Alexa. So hat sie sich ihren Traumtypen immer vorgestellt. Sie hat mir gesagt, ihr Traumboy dürfe nicht ein zu schüchterner Typ sein, aber auch nicht einer, der dauernd plappert. So wie du eben.'' ,, Und für dich? Was ist für dich der perfekte Traumboy?'' ,, Naja, so wie ich Daniel erst gekannt habe, war er es. Aber da...da kannte ich dich noch nicht richtig. Ich sehe dich jetzt mit ganz anderen Augen als vorher. Vorher warst du einfach ein Junge für mich, der gerne seinen Senf dazu gibt.'' ,, Achja? Und jetzt bin ich wie Daniel?'' ,, Nein. Ihr seid irgendwie weit voneinander entfernt.''
,, Könntest du dir jetzt vorstellen, aus reiner Neugier, mit mir zusammen zu sein?'', fragt Lukas mich und sieht mich an. Als er mich so ansieht, merke ich, dass ich ihn nicht nur als Kumpel sehe. ,, Ja, kann ich.'' Wir schauen uns lange in die Augen und dann kommt er immer näher, bis er mich küsst.

21.
Am nächsten Morgen betreten wir das Schulhaus Hand in Hand und gut gelaunt. Angeli und Mike kommen auf uns zu und bevor ihr Blick auf unsere Hände fällt, sagt Angeli zu mir: ,, Nadja, es tut mir so leid, was mit Alexa passiert ist. Ich...Wieso strahlst du denn so?'' ,, Strahle ich?'' ,, Deine Augen leuchten, als würde die Sonne hindurch scheinen.'', sagt Angeli mit grossen Augen. ,, Ist ja auch so.'', sagt Lukas. Nun fällt Angelis und auch Mikes Blick auf unsere Hände. ,, Seit wann...?'', beginnt Mike und schaut uns fragend an. ,, Seit gestern Abend.'', antwortet Lukas. ,, Was ist denn mit Daniel?'', fragt Angeli mich. ,, Es ist aus und kein weiteres Wort mehr davon, ja? Ausserdem war er zuletzt mit Tanja zusammen.'' ,, Klar. Und du und Melanie?'' ,, Ist schon lange aus.'' ,, Wir müssen jetzt weiter.'', sage ich und so lassen wir sie mit offenen Mündern stehen. Daniel ist leider schon im Schulzimmer und als wir reinkommen, blafft er: ,, Ich hab's doch gewusst, dass du mich anlügst!'' ,, Wir sind erst seit gestern Abend zusammen.'', sage ich ruhig.
,, Klar! Ihr habt schon gestern Nachmittag so vertraut miteinander ausgesehen.'', ruft er. ,, Wir sind nicht mehr zusammen, also muss ich dir nicht erzählen, mit wem ich nun zusammen bin. Also lass mich einfach in Ruhe!'' Plötzlich sieht Daniel mich ganz traurig an. ,, Weisst du, wo du gerade stehst?'' ,, Im Schulzimmer, wieso? Was soll das?'' ,, Du stehst da, wo ich dich das erste Mal von hinten umarmt habe, damals, als Angeli sich vor der ganzen Klasse entschuldigt hat, damals, als ich wusste, dass du meine absolute Traumfrau bist. Mein Traumgirl. Damals, als es noch so schön war.'' ,, Das war einmal. Es ist vorbei. Du wirst bestimmt bald wieder eine andere kennen lernen und dann wirst du auch sagen, dass sie deine absolute Traumfrau ist. Wir sind erst 14 und 15.'' ,, Nadja,'', sagt Daniel ruhig und stellt sich vor mich hin, ,, klar, wir sind noch sehr jung, aber eines weiss man bestimmt einmal: und zwar, wenn man dem Traumgirl begegnet. Das weiss man dann einfach. Da gibt es kein wenn und aber. Ich weiss es und du wirst es auch einmal wissen. Früher oder später.'' Somit dreht er sich um und geht nach draussen. Ich stehe da, wie erstarrt. ,, Nadja, ich muss los, wir haben Sport.'' ,, Klar, tschüss.'' Lukas gibt mir einen Abschiedskuss und geht. Ich bleibe nachdenklich stehen, dann gehe ich zum Fenster und schaue nach draussen. Es ist heute mildes Wetter. Wetter für zu Hause im Bett zu bleiben. Aber das geht leider nicht. Was hat Daniel gesagt? Er weiss, dass ich sein Traumgirl bin. Ich bin erst 14. Und er 15. Woher will er wissen, dass ich die Richtige bin? Ich sollte mal Alexa...nein, geht ja gar nicht. Sie ist ja weg. Aber vielleicht doch. Ich werde sie heute Nachmittag nach der Schule fragen. Sie weiss mir bestimmt einen Rat.
Als es klingelt und alle reinkommen, bemitleiden mich wirklich alle Mädchen, doch ich mache ihnen klar, dass sie mir nur helfen können, wenn sie mich nicht bemitleiden.
,, Versucht wenigstens mich so zu behandeln, wie sonst immer. Als normale Schülerin, die bei euch in der Klasse ist. Ich vermisse Alexa sehr und ihr bestimmt auch, aber ich weiss, dass sie an dem Ort wo sie ist, glücklich ist und dass es ihr gut geht.'' ,, Das ist ja die Hauptsache.'', sagt Melanie da. ,, Genau.'', stimmt ihr auch Angeli zu und Tanja meint: ,, Aber falls du trotzdem mal Trost brauchen solltest, sind wir für dich da, das weisst du ja, oder?'' ,, Klar, danke. Tanja, ich muss dir noch was sagen.'' ,, Ja?'' ,, Unter vier Augen.'' Wir gehen nach hinten, wo uns niemand hören kann und dann sage ich: ,, Du hast mir ja geschrieben, dass du und Daniel nicht mehr zusammen seid.'' ,, Ja. Er hat manchmal so freche Sprüche drauf und kann richtig gut mit Mädchen flirten.'' ,, Gut dass du das erwähnst.'', murmle ich. ,, Also, ich wollte dir sagen, dass er mich angerufen hat und mich um eine zweite Chance bat, aber ich habe gesagt, es sei aus, weil ich mich jetzt in Lukas verliebt habe.'' ,, Es ist wirklich aus? Und du bist jetzt mit Lukas zusammen?'' ,, Ja, bin ich, ja ist es. Behalte den Teil mit Daniel für dich, ja?'' ,, Ist gebongt.'' ,, Danke.''
Von diesem Morgen gibt es nicht mehr viel interessantes zu berichten. Die Lehrerin hat mir noch ihr herzliches Beileid ausgesprochen und Daniel hat mich den ganzen Morgen mit traurigen Augen angesehen. Am Nachmittag ist eigentlich ein Cliquetreffen ausgemacht, aber ich frage mich, ob unsere Clique, die eigentlich die Clique von Alexa ist, weiterhin zusammen bleibt. Daniel ist wütend, sauer, verletzt wegen mir, Angeli und Mike gehören jetzt wohl auch dazu und die anderen, naja, wir haben mitlerweile Wichtigeres zu tun. Lukas und ich möchten zu zweit mehr unternehmen, Mike und Angeli ebenso, Tanja und Melanie haben sich besser angefreundet als je zuvor und dann...Daniel möchte mir wohl am Liebsten gar nicht mehr begegnen. Sieht also nicht so gut aus für unsere Clique. Das habe ich auch Lukas gesagt und der hat gemeint, dass wir das nachmittagliche Treffen für eine Cliquesitzung nutzen sollten. Wir haben es den anderen ausgerichtet und nun steht es fest: Nachmittag um 14.00 Uhr beim Parkbank am See, wo wir das erste Mal mit mir waren. Hoffentlich kommen alle.

22.
Mit etwas klopfendem Herzen mache ich mich um 13.45 Uhr auf den Weg zum Park. Es ist wieder so ein Augenblick, wo ich Alexa total vermisse. Es ist das erste und vielleicht auch das letzte Treffen mit der Clique ohne Alexa. Nach dem Treffen will ich dann noch ans Grab gehen und sie um Rat fragen wegen Daniel. Hoffentlich kann sie mir auch helfen!
Pünktlich treffe ich beim See ein, wo alle schon da sind. Nein, Tanja und Melanie kommen erst noch. Als dann alle da sind, setzen wir uns in einen Kreis auf die Decke, die Melanie mitgebracht hat. Dann startet Lukas das Wort. ,, Wir haben euch ja gesagt, weshalb wir zusammensitzen müssen. Was denkt ihr: Lohnt es sich noch, eine Clique zu sein? Ich meine, es gibt immer mehr auseinandersetzungen, jeder hat andere Interessen und ausserdem fehlt das Obermitglied.'' Das hätte er nicht sagen sollen. Eine Träne rollt über meine Wange und Tanja und Melanie, die neben mir sitzen umarmen mich gleich. ,, Wer ist dafür, dass wir noch zusammenbleiben sollten und wer denkt, dass es keinen Sinn mehr hat?'' ,, Also, ich denke einfach, dass wir schon zusammenbleiben sollten, aber vielleicht jeder mehr ''Freiheit'' haben sollte. Ab und zu ein Treffen ist okay, aber nicht festgelegte Treffen.'', sagt Angeli. Ausgerechnet, denke ich, dabei sind sie und Mike nicht wirklich aufgenommen worden. ,, Sind jetzt eigentlich Mike und Angeli richtig bei uns dabei?'', fragt Tanja da. ,, Ja, sind sie. Wir sollten noch einen neuen Chef bestimmen.'', meint Lukas da. ,, Aber nur, wenn unsere Clique jetzt auch zusammen bleibt. Oder wir haben einfach alle was zu sagen.'', sage ich. ,, Wenn alle was sagen können, gibt es mehr Komplikationen. Es ist besser, wenn es ein Chef gibt, der dann die Entscheidung trifft. Wir hatten nie ein Problem damit, dass Alexa bestimmt hat, was jetzt gemacht wird.'', sagt Lukas. Die anderen nicken. ,, Vielleicht sollten wir eine kleine Auszeit nehmen. Ich glaube, es gibt da unter einigen Mitgliedern Meinungsverschiedenheiten oder sowas Ähnliches.'' Dabei meint er wohl auch Daniel und mich, wenn nicht noch jemand anderes. ,, Ja, eine Auszeit finde ich gut.'', stimmt da Melanie mit ein. ,, Wer ist nun der Chef?'', fragt Tanja. Da meldet sich Melanie zu Wort: ,, Ich wäre für zwei. Lukas und Nadja.'' ,, Ja, wieso nicht mal zwei Chefs?'', findet auch Tanja. Aber ich finde es nicht besonder gut. ,, Ich bin nur die Assistentin. Lukas ist von mir aus der Chef.'', sage ich. ,, Wenn du es so möchtest? Dann ist es also beschlossen? Lukas Chef und Nadja Assistentin.'', schliesst Mike das Thema ab. ,, Also, wie lange soll die Auszeit dauern?'', fragt Lukas. ,, So lange, bis sich jemand entschliesst, wieder einmal ein Treffen zu veranstalten.'', sage ich. ,, Das ist gut. Aber wir sind trotzdem noch eine Clique?'', fragt Angeli dann. ,, Ja, sind wir. Dann ist die Sitzung wohl geschlossen, oder möchte jemand noch was sagen?'' Lukas schaut in die Runde und da meldet sich Daniel und sagt, was ich nie erwartet hätte: ,, Ich habe noch was zu sagen. Aber fragt nicht nach. Ich steige für eine Weile aus.'' ,, Was?!'', kommt es von allen, ausser von mir, im Chor.
,, Keine Fragen, hab ich gesagt. Es ist ja nicht für immer.'' Innerlich atme ich auf. Wenn es nicht für immer ist, bin ich ja erleichtert. Ich schaue zu ihm und er genau dann zu mir. Wegen mir steigt er eine Weile aus, schiesst es mir durch den Kopf. In seinen Augen sehe ich noch den Schmerz, den er von unserer Trennung hat. Ich senke den Kopf. Dann sage ich in die Runde: ,, Ich muss jetzt gehen. Ich muss noch was erledigen.'' ,, Wenn du an unserem im Moment letzten Treffen schon so früh gehen musst, muss es ja schon was Wichtiges sein.'', sagt Angeli. Täusche ich mich oder höre ich was abschätziges in ihrer Stimme? ,, Wenn sie gehen will, kann sie.'', verteidigt Lukas mich. Ich bin bereits aufgestanden, da kommt Lukas und gibt mir einen Kuss. Mir ist es etwas unangenehm vor Daniel. Das tut weh. Lukas merkt es wohl und sieht mich seltsam an. ,, Tschüss.'', sage ich und gehe.

23.
Ich bin froh, dass gerade niemand Alexas Grab besuchen will, dass ich alleine mit ihr bin. Zuerst giesse ich die Blumen mit diesem kleinen Dings, das bei jedem Grad steht und zünde die Kerze erneut an, die wohl erloschen ist. Dann knie ich mich hin und suche einen Anfang. ,, Hallo Alexa. Vielleicht weisst du, weshalb ich komme. Falls nicht, es geht um Daniel. Er liebt mich wohl immer noch und ich bin ja jetzt mit Lukas zusammen. Hoffentlich bist du nicht sauer. Jedenfalls; Daniel hat mir gesagt, dass er weiss, dass ich sein Traumgirl sei. Er verunsichert mich. Liebe ich jetzt Lukas, oder nicht? Liebe ich Daniel noch? Er hat mich verletzt und will wieder zu mir. Aber, ich weiss nicht, was ich tun soll. Lukas kümmert sich echt gut um mich und ist super nett und so. Aber Daniel ist eigentlich mein Typ und sieht immer besser aus. Ich liebe blaue Augen, das weisst du ja. Ich stehe auf das Aussehen von Daniel. Aber der Charakter von Lukas gefällt mir wieder besser. Bitte hilf mir. Ich weiss einfach nicht weiter. Bitte, Alexa, bitte!'' Ich schliesse die Augen und versuche vergebens die Tränen zurück zu drängen. Wird Zeit zu gehen und an etwas anderes zu denken. Auch wenn's nicht einfach ist.
Was wird Alexa mir wohl für ein Zeichen geben? Oder anders: Wie wird sie mir helfen? Ich hoffe nur, dass ich das Richtige tun werde. Die richtige Entscheidung treffen werde.
Den ganzen Nachhauseweg denke ich an Daniel und Lukas. Es war mir unangenehm, dass Lukas mich vor Daniel küsste. Daniel hat es bestimmt sehr wehgetan. Ob es wirklich klug ist, mit Lukas zu gehen? Er war für mich die ganze Zeit da, aber wo ist der Unterschied von Freundschaft und Liebe? Freundschaft ist:

- Wenn man für einen da ist
- Man lässt ihn/sie nie im Stich
- Man sollte nicht lügen

Gibt bestimmt noch mehr Sachen. Aber die sind in der Liebe genauso wichtig.

- Man beschützt einander
- Man ist immer füreinander da
- Treu sein
- Vertrauen
- Nicht hintergehen
- ...

Und noch mehr. Lukas war für mich da. Er hat mich nicht im Stich gelassen. Er hat mich beschützt. Er hat mich nicht in irgendeiner Art hintergangen oder angelogen (nehme ich mal an). Ist er für mich nur ein Kumpel, ein sehr guter Kumpel? Oder mehr? Wenn ich das doch nur wüsste...!

24.
Am Abend gehe ich zu Lukas. Ich bin jetzt wieder zu Hause und von den Paparazzis und der Presse habe ich im Moment auch meine Ruhe. Als er mir die Tür öffnet, küsst er mich zur Begrüssung und dann gehen wir in sein Zimmer. ,, Wohin musstest du heute gehen?'', fragt er mich, als wir uns auf sein Bett gesetzt haben. ,, Ich bin ans Grab von Alexa gegangen.'' ,, Ich wäre schon mit dir mitgekommen.'' ,, Nein, ich wollte alleine gehen. Danke trotzdem.'' ,, Daniel ist total eifersüchtig. Nachdem du gegangen bist, hat er mich nur noch böse angefunkelt und ist dann auch bald gegangen.'' ,, So ein Mist.'', sage ich zerknirscht und schaue auf die Matratze. ,, Er weiss, dass er bei dir verloren hat, also brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben. Er war zuerst gemein und hat nicht mal Schluss machen können. Er sollte ein schlechtes Gewissen haben.'' ,, Hatte er ja auch. Er hat sich von Tanja getrennt. Oder beide voneinander.'' ,, Sag mal, nimmst du diesen Kerl etwa noch in Schutz?'' ,, Wieso in Schutz? Ich sage doch nur, dass er ein schlechtes Gewissen hatte. Er hat sich in Tanja getäuscht. Ich will ihn nicht verletzen, auch wenn er mich sehr verletzt hatte. Das ist Vergangenheit.'' ,, Sag mal, hörst du eigentlich, was du da sagst? Du sprichst nur positiv über ihn.'' ,, Was hast du gegen Daniel?'' ,, Nichts, wieso?'' ,, Weil...wir sind zusammen, ich will Rücksicht auf seine Gefühle nehmen und egal, was ich von ihm sage, kommentierst du negativ darüber. Ich höre genau, was ich sage. Du solltest dich mal hören.'' ,, Was ist denn jetzt mit dir los? Zickst du jetzt jedesmal so rum, wenn es sich um Daniel handelt?'' ,, Zicken? Ich? Vielen Dank auch! Wenn ich vorher gewusst hätte, wie fies du sein kannst...'' ,, Dann was?'' ,, Alexa hätte sich wohl gar nicht erst auf dich eingelassen und ich hätte mich gar nicht erst nach dir umgesehen.'' ,, Manchmal täuscht man sich eben in jemandem.'' ,, Ja, das hab ich mich wohl.'' ,, In Daniel?'', fragt er fast hoffungsvoll. ,, Nein. In dir.'' Ich stehe auf und gehe. ,, Nadja! Jetzt warte doch mal! Es tut mir leid.'' An der Zimmertür hält er mich fest und sieht mich an. ,, Ich wollte nicht gleich so reagieren.'' ,, Hast du aber.'' ,, Ja...ich weiss. Es ist nur...Daniel liebt dich immer noch und ich habe das Gefühl, dass du auch noch nicht so ganz drüber weg bist. Ihr wart lange zusammen.'' ,, Ein paar Wochen, ja. Aber ich habe Schluss gemacht.'' ,, Schluss machen kann man immer, aber ob man innerlich mit den Gefühlen auch Schluss gemacht hat, ist was anderes. Das kann man nicht einfach so abstellen.'' ,, Was willst du damit sagen?'' ,, Ich will damit sagen, dass du Daniel immer noch liebst und wir zwei vielleicht unsere Beziehung beenden sollten.'' ,, Sie hat noch gar nicht richtig angefangen.'' ,, Ist auch besser, dann wird's leichter.'' ,, Wie du meinst.'' In meinem Bauch fühle ich plötzlich gar nichts mehr, keine Trauer, keinen Schmerz, nur eine Übelkeit. ,, Ich geh' dann mal.'' ,, Ich kann dich nach Hause begleiten, wenn du willst.'' ,, Nein, geht schon.'' Er kommt noch mit bis zur Tür, dann verabschieden wir uns. ,, Mach's gut.'' ,, Danke, du auch.'' Draussen ist es etwas nieselig geworden. Herbstlich, fast winterlich. Auf dem Weg geh ich noch ans Grab. Die Kerze ist fertig. Am Grab hat es ein kleines Kästchen mit noch mehr Kerzen und einem Feuerzeug. Ich nehme eine neue Kerze und zünde sie an. ,, Vielleicht wolltest du ja, dass es so kommt mit Lukas und mir. Vielleicht ist das dein Zeichen?'', fange ich an mit ihr zu sprechen.
,, Ich fühle auch gar nichts mehr. Mir ist nur übel. Ob das mit dem Chaos zu tun hat? Ich hoffe nur, dass sich bald alles zum Guten und Richtigen wendet. Ich muss wieder, bis ein ander Mal. Hab dich lieb, Alexa.'' Ich stehe auf und gehe wieder. Und zwar nach Hause.
Als ich zu Hause ankomme, ist mir immer noch übel. Paps sitzt in der Küche, (wie fast immer), und liest Zeitung. ,, Hei Paps.'' Überrascht blickt er von der Zeitung auf. ,, Oh, hallo. Schon zurück?'' ,, Ja.'' ,, Du siehst blass aus.'' ,, Mir ist ein wenig übel. Ich geh ins Bett. Wann kommt Mam wieder?'' ,, Ich weiss es nicht.'' Ich nicke und gehe nach oben in mein Zimmer. Alexas Sachen liegen und stehen noch genauso da, wie sonst. Toll, die erste Nacht ohne Alexa in diesem Zimmer. Ich seufze und lege mich hin. In Alexas Bett. Es riecht noch nach ihr. Mit Tränen in den Augen schlafe ich schliesslich ein.
Das nächste Mal, wo ich erwache ist es Mitten in der Nacht. Na super. Ich habe irgendwie hunger. Ich gehe leise nach unten in die Küche und, als ich in den Kühlschrank schaue, wird mir wieder übel und ich schaffe es gerade noch zum Klo, bevor ich mich übergebe. Total schlapp schleppe ich mich wieder ins Bett. Der Hunger ist mir gründlich vergangen. Kaum liege ich, klopft es an der Tür. ,, Ja?'', sage ich schwach. ,, Darf ich?'', fragt Paps und kommt rein. ,, Musstest du dich vorhin...'' Er macht ein Zeichen beim Bauch und ich nicke. ,, Soll ich dir etwas Cola holen? Oder ein Tee machen?'' ,, Eine Cola, bitte.'' ,, Gut, bin gleich wieder da.'' Zwei Minuten später trinke ich in langsamen Schlucken die Cola. ,, Geht's wieder?'' ,, Ja, ist besser. Ich schlafe jetzt wieder.'' ,, Mach das. Schlaf gut.'' Mein Vater geht wieder und ich finde auch bald wieder den Schlaf.
Natürlich sind die nächsten zwei Tage Schule für mich gestrichen, was mich sehr freut. So muss ich Lukas und Daniel nicht begegnen, kann nachdenken und auch einfach schlafen und an nichts denken. Ich schlafe wirklich lange und erwache immer rechtzeitig, wenn mein Magen wieder den Salto macht. Die Übelkeit kommt übrigens nicht von dem Durcheinander. Auch Angeli, Tanja und zwei andere aus unserer Klasse sind betroffen. Die Magendarmgrippe. Eine ganze Woche darf oder muss ich zu Hause bleiben. Hurra! Keine Hausaufgaben und keine Tests. Naja, ein paar Sachen muss ich dann wohl noch nachholen. Melanie ruft mich einmal an und fragt, wie es mir bis jetzt geht und ob sie mal vorbeikommen soll. Doch ich mag keinen Besuch. Ich sage ihr, dass ich eigentlich alleine sein möchte. Lukas meldet sich natürlich und zum Glück auch nicht. Ich hätte seinen Anruf wohl schon gar nicht entgegengenommen. Ich bin ganz überrascht, als Mam plötzlich anruft. ,, Dein Vater hat mir aufs Band gesprochen, dass du krank seist. Wie geht es dir jetzt?'' ,, Nicht mehr so schlimm. Schon besser. Wann kommst du wieder hierher?'' ,, Achje, im Moment kann ich gar nicht. Hab viel zu viel zu tun. Tut mir leid. Aber in den nächsten Ferien kannst du ja wieder einmal zu mir kommen. Deine Freundin vermisst dich schon sehr.'',, Hat sie sich etwa bei dir gemeldet?'', frage ich begeistert. ,, Ja, hat sie. Sie hat sich noch für ein Foto bedankt, dass du ihr geschickt hast. Und dann hat sie gefragt, wann sie dich wieder mal sieht und ob ihr wieder mal was zusammen machen könntet. In euerer Klasse hat es eine neue Schülerin gegeben. Marie heisst sie glaube ich. Laura und sie verstehen sich sehr gut und du würdest dich sicher auch gut mit ihr verstehen, hat Laura gesagt.'' ,, Aha. Bestimmt. Sonst noch was Neues?'' ,, Einer aus euerer Klasse ist weggezogen.'' ,, Welcher?'', rufe ich fast in den Hörer. ,, Ich glaube es war...Kevin. Ja, Kevin.'' ,, Kevin? Wieso denn das?'' ,, Seine Eltern haben sich getrent.'' ,, Oh, ist ja nichts Neues heut zu Tage.'' ,, Ach übrigens: Ich hoffe du hast Lauras Geburtstag nicht vergessen.'' ,, Lauras Geburtstag? Ist der denn schon bald?'' ,, Schon bald? Ja, sehr bald. In einer Woche. Also, falls du nächstes Wochenende als Überraschungsgast bei ihr aufkreuzen willst, dann sags jetzt, damit ich dir die Fahrkarte besorgen und mir an dem Tag frei nehmen kann.'' ,, Klar komm ich! Was soll ich ihr bringen?'' ,, In letzter Zeit hat sie nur von Shoppen geschwärmt. Vielleicht kannst du ihr einen Gutschein machen lassen.'' ,, Okay, mach ich. Danke Mama.'' ,, Dann bis nächste Woche. Ich werde noch mit deinem Vater drüber sprechen.'' ,, Ist gut. Tschüss.'' ,, Tschüss, hab dich lieb.'' Nun geht es mir schon wieder viel besser. Aber eines muss ich mir beschämt eingestehen; Wenn Mama mir nichts von Lauras Geburtstag gesagt hätte, dann hät' ich denn wohl glatt vergessen. Ich gehe zurück in mein Bett und überlege, was für ein Gutschein ich ihr machen könnte. Ich könnte ja noch Melanie, Tanja oder sonst wer mitnehmen. Ob Laura von Alexas Tod weiss? Wohl schon. Denn ich hätte am Liebsten Alexa mitgenommen. Tja, dann tuts jemand anders auch gut. Und Gutschein. Wie wär's für's Kino? Zwar nicht zum Shoppen, aber mit der besten Freundin :) Ja, Kino wär gut. Mal sehen, wie viel Geld ich noch habe. Mühsam steh ich auf und schaue in meinen Geldbeutel. Es reicht noch, was ich habe. Aber irgendwie sollte sie noch was persönliches von mir haben. Ein Glücksarmband! Das ist es. Aber wie macht man sowas? Ich könnte Melanie fragen. Oder Tanja? Ja, welche nehm ich denn mit? Ich werde auslöseln. Mal sehen, ob die zwei überhaupt Zeit haben. Ich muss sie mal anrufen. Am Besten gleich jetzt. Es ist Freitag 15.43 Uhr. Ich gehe in den Flur nach unten und schnappe mir den Telefohnhörer und wähle die Nummer von Tanja. Paps ist arbeiten gegangen und kommt erst gegen den Abend wieder zurück. ,, Hier ist Tanja, hallo?''
,, Hei, hier ist Nadja.'' ,, Nadja! Wie geht es dir?'' ,, Besser als am Montag. Und dir?'' ,, Auch besser. War heute wieder in der Schule.'' ,, Toll. Ich habe zwei Fragen an dich.''
,, Schiess los.'' ,, Also, erstens; Weisst du wie man Freundschafts- oder Glücksarmbänder macht? Und zweitens; Hast du nächsten Samstag was los?'' ,, Erstens ja, zweitens nein. Ich habe nichts los und ich weiss wie man so Bänder macht.'' ,, Ist ja super!'' ,, Wieso fragst du?'' ,, Naja, meine beste Freundin an meiner alten Schule hat nächsten Samstag Geburstag und ich wollte ihr was persönliches schenken und noch eine Freundin von hier mitnehmen, wenn das geht.'' ,, Cool! Ich bin sofort dabei.'' ,, Super, kannst du heute oder Morgen mal vorbeikommen?'' ,, Klar, kann ich. In einer Viertelstunde könnte ich bei dir sein.'' ,, Das geht. Bis gleich, ja?'' ,, Bis gleich.'' Ich stürme in mein Zimmer, (naja, stürmen nicht direkt, weil ich noch etwas schlapp bin), ziehe mir was anderes an und gehe mir die Zähne putzen, die Haare bürsten und gehe in die Küche um einen Tee zu machen. Zehn Minuten später klingelts an der Tür. Ich gehe und mache auf. ,, Hei Tanja, komm rein.'' ,, Hei.'' Wir gehen in die Küche und setzen uns hin. ,, Ich habe gerade Tee gemacht. Wenn du auch möchtest, bediehn dich ruhig.'' ,, Danke. Ich habe hier die Sachen dabei, die man für ein Glücksarmband oder Freundschaftsarmband braucht.''
,, Super!'' ,, Dann zeig ich dir mal, wie das geht.'' Die Zeit vergeht wie im Fluge und nach einer Stunde habe ich begriffen, wie das geht und drei schöne Bänder kreirt. ,, Sag mal, wie läufts eigentlich zwischen dir und Lukas?'' ,, Wir sind nicht mehr zusammen. Es hat schon gar nie richtig angefangen. Er meinte, in meinem Inneren würde ich immer noch Daniel lieben.'' ,, Und er dich. Lukas hat recht, Nadja. Tut mir leid, wenn ich das jetzt einfach so gesagt habe, aber ihr gehört zusammen. Sprich dich mal mit ihm aus. Es sind viele Wochen vergangen, seit ihr zusammen wart und ich dann mit ihm. Es ist Vergangenheit.'' ,, Liegt es jetzt an mir, dass wir noch nicht zusammen sind?'' ,, Es ist nicht deine Schuld. Ich vermute mal, du weisst nicht genau, was du willst.'' ,, Ich weiss nicht, ob es richtig war, mit Lukas zu gehen und ob es richtig wäre mit Daniel zusammen zu sein.'' ,, Das wäre ganz bestimmt richtig. Ein Versuch wär es bestimmt wert.'' ,, Daniel hat mich inzwischen bestimmt vergessen.'' ,, Vergessen? Nein. Wie oft hat er wohl Melanie diese Woche gefragt, wie es dir geht und so.'' ,, Was?'' ,, Ja, deshalb, also, auch deshalb hat sie dir ja angerufen. Sie wollte sowieso noch anrufen. Aber Daniel ist echt verrückt nach dir und wartet nur noch auf seine zweite Chance. Nadja, was zögerst du noch? Am Montag sprichst du mit ihm und gibst ihm noch eine Chance.'' ,, Und was soll ich sagen?'' ,, Zum Beispiel, dass du es nochmals mit ihm versuchen möchtest.'' ,, Na gut. Ich kanns ja mal versuchen. Macht dir das denn gar nichts aus?'' ,, Ne, ich bin über den hinweg. Und ausserdem wusst ich nicht, was der so alles drauf hat.'' ,, Na eben...'' ,, Nadja, bei dir ist er ganz anders.'' ,, Wie damals beim Flaschendrehen, klar.'' ,, Er hat sich geändert. Ich schwörs!'' ,, Na gut, versuchen werd ich's. Aber versprechen kann ich nichts.'' ,, Versuchen ist schon sehr gut.''
Was hab ich mir nur wieder vorgenommen? Am Montag muss ich also mit Daniel sprechen. Es wird ihn garantiert freuen, wenn er weiss, dass ich nicht mehr mit Lukas zusammen bin.

25.
Montagmorgen. Ich atme nochmals durch, bevor ich durch das Schultor schreite und mich nach Daniel umsehe. Er steht beim Eingang an die Mauer angelehnt und sieht in den Himmel. Ich gehe auf ihn zu und bleibe vor ihm stehen. ,, Hei.'', bringe ich mit krächzender Stimme hervor. Überrascht, verwirrt und traurig sieht er mich an. ,, Oh, hei.'' ,, Kann ich mal kurz mit dir sprechen?'' ,, Klar.'' Wir gehen rein ins Schulzimmer und dann such ich nach den richtigen Worten. ,, Also...vielleicht weisst du's ja schon, dass ich und Lukas nicht mehr zusammen sind.'' ,, Nicht mehr?'' ,, Nein. Er meinte, in meinem Inneren würde ich dich noch lieben.'' ,, Ach. Und? Ist's so?'' ,, Kann sein. Ich wollte dich fragen, ob wir es nochmals zusammen versuchen wollen.'' ,, Im Ernst jetzt?'' ,, Denkst du, ich mache Witze?'' ,, Äh...nein. Ich meine, wow!'' Überrascht und überglücklich sieht er mich an und stellt sich vor mich hin. ,, Ich würde es liebend gerne nochmals versuchen. Nadja, es tut mir leid, dass ich...'' ,, Vergangenheit.'', unterbrech ich ihn. ,, Ist schon okay. Also, sind wir jetzt wieder...zusammen?'' ,, Klaro.'' Glücklich küssen wir uns und...tja, kein und. Wir küssen uns bis es klingelt und die anderen reinkommen. Lukas ist nicht gerade begeistert davon, mich wieder mit Daniel zu sehen. Aber er hat mir selbst eingeschärft, dass ich ihn noch liebe. Obwohl ich es eigentlich wusste, nur nicht zugeben wollte.
Zu Hause erfahre ich von Paps, dass Mam angerufen hat und das mit der Fahrkarte geregelt ist. Ich frage Paps bei der Gelegenheit, ob Tanja mitkommen dürfte. ,, Du bist ja früh dran. Ich denke schon. Darf sie von zu Hause aus?'' ,, Keine Ahnung. Ich frag sie Nachmittag.'' ,, Mach das. Ach, noch eine Frage: Wieso strahlst du so?'' ,, Die anderen hatten recht, dass Daniel und ich zusammen gehören.'', sage ich nur und höre noch, wie Paps zu sich sagt: ,, Und ich auch.''

26.
Tanja darf zum Glück von ihren Eltern aus mit zu mir nach Hause. Also zu Mam. Ich bin ja sowas von aufgeregt, aber ich freue mich total Laura wieder einmal zu sehen. Ob das eine gute Überraschung wird? Mensch, ich bin soooo aufgeregt! Und Tanja erst. Die Gute zappelt schon die ganze Zeit neben mir auf dem Autositz und kann sich gar nicht still halten. ,, Hoffentlich mag Laura mich. Sie kennt mich schliesslich nicht einmal. Ob ihr mein Geschenk gefällt? Was, wenn sie nur dich sehen wollte?'' ,, Äh, Tanja, sie weiss von niemandem und nichts. Sie weiss nichts davon, dass ich komme. Und von dir deshalb auch nicht. Sie wird sich bestimmt freuen dich kennen zu lernen. Und dein Geschenk wird ihr bestimmt auch gefallen.'' Tanja hat Laura einen Shoppinggutschein und ein Schreibsett gekauft, da Laura gerne Sprüche und allerlei Zeugs aufschrieb. Mein Vater fährt uns an den Bahnhof und dann geht die Fahrt mit dem Zug und ohne Paps weiter. Mama wird Tanja und mich am Endbahnhof abholen und dann nach Hause bringen. Ich freu mich schon total sie wieder zu sehen. ,, Paps, wir könnten mal zusammen zu Mam fahren.'' ,, Können wir mal machen. Aber im Moment hab ich keine Zeit.'' Nie hast du Zeit, denk ich für mich. Aber das sag ich jetzt in Anwesenheit von einer Freundin nicht. ,, Ist klar.'', sage ich nur leise und schaue wieder aus dem Fenster.
Während der Zugfahrt sagt Tanja, die gegenüber von mir sitzt: ,, Es ist nicht einfach für dich, dass deine Eltern getrennt sind, stimmts?'' ,, Mhm. Und seit dem Tod von Alexa noch schwieriger. Ich hätte gerne eine ganze und richtige Familie. Aber das wird's nicht mehr geben.'' ,, Vielleicht lernt deine Mutter wieder jemanden kennen oder dein Vater.'' ,, Ja, aber dann sind sie trotzdem nicht mehr zusammen. Wennschon noch weiter voneinander entfernt.'' Tanja seufzt. Tja, was sollte sie daraufhin schon sagen?
Mam wartet bereits, als wir mit dem Zug eintreffen und begrüsst uns fröhlich. ,, Hallo, du bist dann wohl Tanja.'' ,, Ja, bin ich. Hallo.'' Wir gehen zum Parkplatz und steigen ins Auto. ,, Wie überraschen wir Laura jetzt? Fahren wir zu ihr?'', frage ich meine Mutter. ,, Nein. Ich habe sie für ihn 20 Minuten zu mir bestellt. Ich sagte ihr nur, ob sie in 20 Minuten vorbeikommen könnte, vorher sei ich noch schnell unterwegs. Sie hat ja gesagt und fertig. Ihr zwei werdet im Wohnzimmer bei der Torte und den Ballons die ich aufgehängt habe warten und dann werde ich ihr vor der Tür die Augen verbinden und sie hineinführen. Wenn ich dann die Augenbinde wegnehme, ruft ihr zwei: Überraschung! Und das wäre dann die Überraschung.'' ,, Echt spitze, Mam! Das wird der Hammer!'' ,, Ganz bestimmt.''
Zu Hause angekommen gehen Tanja und ich gleich ins Wohnzimmer. Es ist total geschmückt und auf dem Tisch steht eine Torte. Lecker! Mama geht vor die Tür, wo sie Laura abfängt. Wir hören, als sie kommt und Mama ihr sagt, sie müsse ihr leider die Augen verbinden. Sie kommen rein und Mama nimmt ihr die Augenbinde ab. ,, ÜBERRASCHUNG!'', rufen Tanja und ich gleichzeitig. ,, Wow! Nadja, du hier? Das ist ja eine mega Überraschung!'' Wir umarmen uns lange und dann stelle ich ihr Tanja vor. ,, Das ist Tanja, eine sehr gute Freundin von mir. Tanja, das ist meine beste Freundin Laura.'' ,, Hei Laura.'' ,, Hallo Tanja. Schön, dass du auch gekommen bist.'' ,, Nicht nur ich, hier mein Geschenk.'' ,, Oh, danke.'' Laura nimmt das Päckchen entgegen und öffnet es. ,, Oh super! Danke Tanja. Kann ich echt gut gebrauchen.'' ,, Und das hier ist meines.'' Auch mein Geschenk nimmt sie und öffnet es. ,, Ja! Das ist ein Grund, dass du bald wieder kommen musst. Danke Nadja.'' ,, Gerngeschehen.'' ,, Und das hier sind Freundschaftsarmbänder, wenn ich richtig sehe, oder?'' ,, Das hier ja, das da ist ein Glücksarmband. Ich hoffe jedenfalls, dass es Glück bringt.'' ,, Sowas könnte ich nie machen. Das ist doch schwierig.'' ,, Tja, ich hatte von Tanja die Hilfe. Sie hat es mir beigebracht. Musst dich also auch bei ihr bedanken.'' ,, Dann: Danke Tanja ebenfalls.'' ,, Bitte, bitte.'' ,, Also, wollt ihr euch jetzt hinsetzen und meine Torte genissen, oder soll ich sie selber aufessen?'', fragt Mama da. ,, Wir setzen uns ja schon. Los, setzt euch.'' Wir nehmen Platz und Mama schneidet die Torte an. Zum trinken gibt es Limonade, Cola und Eistee. ,, So, jetzt erzählt mal ein bisschen, wie das bei euch so läuft.'', sagt Laura dann. ,, Zuerst du. Kevin ist also weggezogen und es ist eine Neue gekommen?'' ,, Das weisst du von deiner Mutter, oder?'' ,, Ja.'' ,, Also: Kevin ist weggezogen, ja. Mit seinem Vater. Er ist ja schon 14 und kann deshalb selbst bestimmen, bei wem er wohnen will. Die Neue heisst Marie und ist fast wie du. Auch sehr schüchtern, versteht sich mit allen recht gut und wir wurden sofort gute Freundinnen. Aber du bleibst meine beste Freundin.'' ,, Gut zu wissen, danke.'' ,, Und jetzt du.'' ,, Also, es ist eine laaange Geschichte. Tanja, hilf mir zu erzählen.'' ,, Von A-Z?'' ,, Ja.'' ,, Okay, dann los. Sonst kommen wir nicht fertig.'' Und so fangen wir an zu erzählen. Wirklich alles. Von Daniel, Alexa der ganzen Clique und und und. Das Ganze dauert länger als fünf Minuten. Um etwas genauer zu sein: Wir erzählen ca. zwei Stunden die ganze Geschichte. Dann kommen wir endlich zum Schluss. Laura bleibt der Mund offen stehen. ,, Also ich...ich weiss jetzt nicht genau, was ich zuerst sagen soll. Einerseits freut es mich, dass du und Daniel endlich zueinander gefunden habt, andererseits tut es mir wegen deiner Schwester total leid. Ich hätte sie wirklich gerne kennen gelernt.'' ,, Wie jetzt, du hast Alexa gar nicht gekannt?'', fragt Tanja nun. ,, Nein. Alexa zog ja mit meinem Vater mit zwei Jahren bereits weg und ich hab sie erst viel später wieder getroffen.'' ,, Echt der Wahnsinn. So viele Jahre vergehen und dann kann man endlich wieder seine eineigene Zwillingsschwester treffen, von der man nicht so viel weiss. Das muss schwer gewesen sein.'' ,, Naja, schon ziemlich.'', gebe ich zu. Meine Mutter ist übrigens in der Küche, was ich gut finde, damit sie dieses Gespräch nicht richtig mitkriegt. Es klingt wie ein Vorwurf den man macht. Oder als wolle man sagen: ,Wie konntest du deiner Tochter nur ihre Schwester wegnehmen? Noch dazu die eineigene Zwillingsschwester. Jetzt siehst du, was du davon hast.' ,, Ich weiss, es ist echt traurig und so. Aber es ist nicht mehr rückgängig zu machen und ich bin froh, dass ich sie überhaupt nochmals sehen konnte.'' ,, Und das Kettchen? Ist es das, was du um den Hals trägst?'', fragt Laura mich. ,, Ja, ich kann es mir immer noch nicht erklären, wie das genau gegangen ist. Aber hier hab ich den Beweis, dass es Wunder gibt. Und den Beweis, dass sie noch da ist und auf mich und meine Eltern acht gibt.'' ,, Echt toll. Und dieser Daniel...er war also zuerst mit dir zusammen und dann mit dir, Tanja, oder?'' ,, Genau.'', stimmt Tanja zu.
,, Aber ich habe schnell gemerkt, dass er anders ist, als ich erwartet hatte. Nicht mein Typ und so und er hat das irgendwie auch gemerkt. Ach nein, halt! Er hat gemerkt, dass er Nadja immer noch liebt und dann haben wir quasi beide Schluss gemacht. Mir hat es nicht so wehgetan, weil ich wusste, dass er und Nadja zusammen gehörten und so bin ich total froh, dass die zwei sich nun wieder gefunden haben.'' ,, Wär ich auch an deiner Stelle.'' ,, Ich hoffe aber, dass es diesmal noch etwas länger dauert. Manchmal kann er wirklich frech drauf sein. Er soll mir einfach treu bleiben und immer ehrlich sein. Wenn er mir nur was vormacht, kann ich diese Beziehung gleich wieder beenden.''
,, Nadja, die Liebe ist das Einzige, wo es sich richtig lohnt, ein Risiko einzugehen. Auch, wenn es mehr als einmal sein muss. Die Liebe ist das schönste Geschenk, dass das Leben uns bieten kann.'', meint Laura fast melancholisch. ,, Ich dachte, ein eigenes Kind sei das schönste Geschenk im Leben?'', frage ich irritiert. ,, Mensch, Nadja!'', sagt nun Tanja und tippt mir sanft an die Schläfe. ,, Ein Kind hat mit Liebe zu tun. Wenn du und Daniel mal eine Familie gründet, dann bestimmt aus lauter Liebe.'' Laura nickt und muss lachen. Ich auch und Tanja schliesst sich ebenfalls mit Lachen an. Als wir uns wieder etwas erholt haben, meint Laura: ,, Eigentlich, Nadja, könntest du das, was du jetzt erlebt hast, seit deiner Ankunft bei Alexa, alles aufschreiben. Ein richtiges Buch daraus machen. Ich meine, nur wenn du willst.'' ,, He, Laura, das ist ja eine grandiose Idee.'', sage ich nachdenklich. ,, Aber wie soll ich die Geschichte nennen?'' ,, Wie wär's mit...Wiedersehen macht Freude?'', schlägt Laura vor. ,, Ne, das passt nicht. Es sollte ein Titel sein, der richtig passt. Das ist doch eher ein Sprichwort.'' ,, Wie wär's mit...Meine Schwester und ich?'', kommt es nun von Tanja. ,, Klingt schon besser. Kommt, wir schreiben mal ein paar Sachen auf und dann entscheiden wir uns für einen.'' ,, Gute Idee.'' ,, Papier und Stift bitte.'' Nach etwa einer Viertelstunde haben wir folgende Titel aufgeschrieben:

- Meine Schwester und ich
- Meine Geschichte
- Nadja, Alexa, Alexa, Nadja
- Verloren, gefunden, verloren- für immer
- Das grosse (Un)- Glück

,, Jetzt müssen wir uns für einen dieser fünf Titel entscheiden.'', sage ich dann, als niemandem von uns mehr was in den Sinn kommt. ,, Tja, wie wär's, wenn wir zuerst diese Titel streichen, die gar nicht so gut sind. Also, von Platz 5, beispielsweise, auf Platz 1 und der erste gewinnt natürlich.'', schlägt Laura vor. ,, Suppi Idee!'', ruft Tanja begeistert. ,, Dann los. Wem widmen wir den fünften Platz?'' ,, Hm...ich denke mal, dem dritten Titel.'', sagt Laura schliesslich. ,, Den Dritten? Okay. Fünfter Platz, die Nummer drei. Und den vierten Platz?'' ,, Den vierten Platz vergeben wir an den fünften Titel.'', sage ich entschieden. ,, Den fünften Titel? Ist der nicht gut?'' ,, Naja, mir gefällt er nicht besonders gut. Aber er ist besser als der dritte Titel.'' ,, Auch wahr. Na gut. Der vierte Platz geht an die Nummer fünf. Der dritte Platz?'' ,, Den widmen wir dem ersten Titel.'', sagt Laura.
,, Dem ersten Titel? Aber den find ich ziemlich gut.'', sagt Tanja. ,, Er ist schon gut, aber es geht in dieser Geschichte mehr, als nur um Nadja und ihre Schwester. Es geht um die Familie, um die Clique, um Jungs um streit und so weiter. Dann sollte der Titel vielleicht so lauten: Meine Schwester, ich und Co. Aber dann ist er auch wieder nicht so passend.'' ,, Stimmt. Also, dann auf den dritten Platz damit.'', stimmt Tanja dann zu. ,, Und nun den zweiten Platz.'' ,, Es sind noch im Rennen: Der Zweite namens: Meine Geschichte, und der Vierte: Verloren, gefunden, verloren- für immer. An wen geht der zweite Platz?'' ,, An den...zweiten Titel. Er ist zu langweilig.'', stelle ich fest und die anderen beiden sind einverstanden. ,, So steht es also fest: Der erste Platz geht an die Nummer vier.'' Laura klatscht in die Hände und ich bin ebenfalls zu frieden. Unsere Platz-Liste sieht nun so aus:

1. Platz: Verloren, gefunden, verloren- für immer
2. Platz: Meine Geschichte
3. Platz: Meine Schwester und ich
4. Platz: Das grosse (Un)- Glück
5. Platz: Nadja, Alexa, Alexa, Nadja

Super! Jetzt musste ich nur noch anfangen, was bestimmt nicht so leicht werden würde, weil ich nicht oft etwas schrieb. ,, Dann soll ich also wirklich jedes Detail aufschreiben?'' ,, Nein, natürlich nicht peinliche oder intime Sachen. Einfach rundherum die Geschichte. Wie du zu Alexa gekommen bist und was danach so geschehen ist.'' ,, Und das Ende? Wann hört das auf?'' ,, Ich würde mal sagen, hier.'', meint Tanja. ,, Hier?'', fragen Laura und ich gleichzeitig. ,, Klar. Du und Daniel seit zusammen, ich konnte Laura kennen lernen und hier haben wir Laura alles erzählt. Ich würde mal sagen, es ist so eine endlose Geschichte. Im Buch könntest du dann am Schluss zum Beispiel schreiben: , Nun erzählten meine Freundin Tanja und ich meiner besten Freundin Laura alle Einzelheiten, die ich bisher erlebt hatte.' Oder sowas ähnliches. Siehst du ja dann.'' ,, Dann soll ich das mit unseren Titel und der Idee zum Schreiben nicht dazu nehmen?'' ,, Doch! Du kannst dann schreiben: , Nun suchten wir einen passenden Titel für meine Geschichte die ich erlebt habe.' Irgendwie, dass du im Buch schreibst, wie du dazu zum schreiben dieses Buches kamst.'', meint Tanja aufgeregt. ,, Genau! So musst du es machen.'', stimmt auch Laura zu. ,, Halt, Leute! Zuerst muss ich mal den Anfang haben. Gebt mir einen Anfang. Ich habe nämlich keine Ahnung.'' ,, Na gut. Ich schreibe mal was, okay?'', bietet Tanja an. Laura und ich nicken und warten. Am Schluss sind diese Zeilen entstanden:


VERLOREN, GEFUNDEN, VERLOREN- FÜR IMMER

Hallo, ich bin Nadja, 14 Jahre alt und komme aus Deutschland. Ich möchte euch eine Geschichte erzählen.
Sie hat damit zu tun, wie ich meine eineigene Zwillingsschwester zuerst getroffen und dann wieder verloren habe.
Sie heisst Alexa. Sie hat braunes langes und leicht gewelltes Haar. Ihre Augen sind grau-grün. Sie ist, wie ich, 1.64 Meter
gross. Ich sehe ähnlich aus. Nur, dass wir verschiedene Frisuren tragen und auch unser Klamottenstil etwas anders ist.
Sie ist selbstbewusster, sieben Minuten älter als ich. Die paar Wochen sollten die ersten und letzten Wochen sein, die ich mit
meiner Schwester erlebe, als ein schreckliches Unglück passierte.
Wie es dazu kam und was alles passierte, erfahrt ihr in der Geschichte.

,, Klingt ja echt gut.'', sagt Laura begeistert. ,, Also, mir gefällt der Text auch. Der steht also am Anfang. Dann muss ich mit der Geschichte anfangen?'' ,, Jep. Am Besten von da an, als du im Zug warst. Erklärung, wohin es gehen sollte und deine Gedanken, die du hattest. Ich meine, du warst bestimmt ein wenig aufgeregt.'' ,, Ja, war ich. Hoffentlich vergesse ich keine Einzelheiten. Soll ich mit Kapitel oder ohne?'' ,, Mit. Du schreibst ein Kapitel, aber nicht zu lang, und gibst es dann mir zum lesen. Manchmal kann ich ja vielleicht was dazu beitragen. Den Teil, wo ich mit Daniel verbracht habe, schreibe ich dann selber auf. Aber wie es dazu kommt, musst du schreiben.'' ,, Hilfe! Hört auf! Bitte! Ich fangebei Paps zu Hause an zu schreiben und dann sehen wir weiter. Sonst weiss ich nicht mehr, wo, wann, was.'' ,, Klar, ist okay.'' ,, Und wenn ihr dann einen Teil der Geschichte habt, oder du, Nadja, schickst du ihn mir per Mail, damit ich ihn auch noch lesen kann.'' ,, Klaro, wird gemacht. Blöd, dass du erst gegen den Schluss kommst. Ich hätte ein paar Wochenenden zu dir kommen sollen, oder du zu mir.'' ,, Sei doch froh, das erspart dir noch mehr aufzuschreiben. Wie die fahrt war, unser Wiedersehen und und und. Das gibt zu tun. Ausserdem freu ich mich einfach darauf, die Geschichte zu lesen. Wird bestimmt super.'' ,, Aber es könnte eine Weile dauern, bis Nadja damit fertig ist, schliesslich sind es mehr als sechs Monate. Fast, jedenfalls.'' ,, Tja, ich denke mal, ich habe jetzt ein neues Hobby, auf das ich mich nun am meisten konzentrieren werde.'' ,, Aber vernachlässige deinen Freund nicht. Ich kann warten.'', sagt Laura da. ,, Keine Sorge. Er wird es bestimmt verstehen. Bestimmt ist es auch deshalb eine gute Idee, damit ich das alles besser verkraften kann. Das mit Alexa und so. Aufschreiben, was einem auf dem Herzen liegt, hilft oft am meisten.'' ,, Da hast du recht. Dann viel Spass. Nimmst du also diesen Anfang?'' ,, Ich denke schon, ja. Seh ich ja dann.'' ,, Ist klar.''
Leider wird es nach ein paar laaangen Stunden wieder Zeit für mich und Tanja zu gehen. Am liebsten würde ich einfach noch bei meiner Mutter bleiben. Ich hatte heute so gut wie gar nichts von ihr. Ich weiss ja, dass der Abschied in meinem Alter leichter fallen sollte von den Eltern, als wenn ich noch zehn bin oder so. Aber hier ist es was anderes. Hier ist nur meine Mutter. Das ist schwerer und schlimmer. Jedenfalls für mich. Ich mach' also lieber kurzen Prozess, damit die Tränen schon gar nicht auf die Idee kommen können, sich einen Weg nach draussen zu suchen. Als Tanja und ich endlich im Zug sitzen, atme ich aus. ,, Na, der Abschied war nicht einfach für dich von deiner Mutter, oder?'' ,, Nein, nicht wirklich.'' ,, Kann ich verstehen.'' Tanja, die wieder gegenüber von mir sitzt, kommt zu mir und legt einen Arm um meine Schultern. ,, Du weisst, dass ich immer für dich da bin und du dich für nichts zu schämen brauchst. Dein Leben ist anders und der Abschied auch.'' ,, Danke, Tanja.'' Ich bin einfach total froh, dass ich Tanja mitgenommen habe und, dass ich sie überhaupt kenne. Sie ist einfach eine super Freundin. Was würde ich wohl ohne sie machen? Aber natürlich gehört Melanie auch dazu und den Best-Friend-Place wird natürlich immer Laura gehören.

Vielleicht bis zu einem anderen Mal :)

Tschüss!!!!


Ps. Diese Geschicht ist frei erfunden!!!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.09.2010

Alle Rechte vorbehalten

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