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Sein Geheimnis

1. Kapitel

 

 

Mensch, mir wird schon wieder schlecht. Das geht nun schon den ganzen Tag so. Es ist gerade mal halb zwei Uhr nachmittags und ich habe das Gefühl, dass ich gleich kübeln gehen muss. Zum dritten mal in dieser Stunde hebe ich meine Hand und frage den Lehrer (Herr Schuhmann), ob ich schnell auf die Toilette gehen darf. ,, Schon wieder? Hast du was falsches gegessen?'', fragt er mich. ,, Oder sie kriegt ihre Tage!'', ruft einer aus der hinteren Reihe. Typisch Jungs! ,, Keine Ahnung. Darf ich?'' ,, Natürlich. Aber beeil dich bitte.'' Beeilen? Wie bitteschön soll ich mich beeilen? Ich kann nicht auf einen Knopf drücken und -Peng!- gehts mir wieder gut. ,, Natürlich.'', murmle ich dennoch und mache mich auf den Weg zur Toilette. Ich schliesse mich in eine Kabine und setze mich auf die Kloschüssel. Mir ist immer noch schlecht. Ich öffne die Kabinentür wieder und gehe etwas Wasser trinken. Ein grosser Fehler. Nun fühlt sich mein Bauch voll an und die Übelkeit ist auch nicht weniger geworden. Egal. Ich muss wieder zurück in die Klasse. Sonst reklamiert Herr Schuhmann nur wieder. Ich gehe wieder zurück. Auf dem Weg kommt mir ein Junge aus der 8a entgegen.,, Na, wie geht's?'', fragt er mich. Überrascht bleibe ich stehen. Mich hat noch nie ein Junge so angesprochen. Auf dem Schulflur. Komisch. ,, Äh, gut danke. Und dir?'' ,, Mir auch. Aber du siehst nicht gerade danach aus.'' ,, Wie meinst du das?'' ,, Du siehst blass aus. Ist dir übel?'' ,, Ja, und wenn? Ist doch egal.'' ,, Wenn du meinst. Ich dachte nur, dass du vielleicht lieber nach Hause gehen solltest.'' ,, Dann erklär das bitte mal meinem Klassenlehrer.'' ,, Welcher?'' ,, Herr Schuhmann.'' ,, Der? Den kenn ich. Ich kann schon mit ihm sprechen.'' ,, Spinnst du? War doch nur ein Witz. Ich muss jetzt, sonst krieg ich wirklich Ärger.'' ,, Na dann, gute Besserung.'' ,, Danke.'' Seltsam, denke ich. Aber auch nett, dass er mich wegen meines blassen Aussehens gefragt hat. 

Am Nachmittag nach der Schule, als ich zum Schultor laufe, höre ich, wie jemand ruft: ,, He, warte mal!'' Die Stimme kommt mir bekannt vor. Ich drehe mich um. Es ist der Junge, der mir am Morgen schon auf dem Schulflur begegnet ist. ,, Was ist?'', frage ich, soblad er bei mir angekommen ist. ,, Ich dachte, du wärst bereits nach Hause gegangen.'', meint er. ,, Wie du siehst, nicht.'' ,, Dann geht's dir also schon wieder etwas besser?'' ,, Ein bisschen. Ich muss jetzt los.'' Ich drehe mich um und als ich schon ein paar Schritte weit gegangen bin, höre ich wie er ruft: ,, Ich bin übrigens Niklas. Kannst auch Nick zu mir sagen. Und wie heisst du?'' ,, Lilly.'' ,, Schöner Name.'' ,, Danke. Tschüss!'' Jetzt laufe ich definitiv weg.
Meine Mutter ist schon zu Hause in der Küche und liest in einem Buch, als ich reinkomme. ,, Hei Mam.'' ,, Hallo Lilly. Na, wie ist's gelaufen?'' ,, Die Schule? Ich bin etwa dreimal kübeln gegangen.'' Meine Mutter schaut mich entgeistert an. ,, Was musstest du?'' Was Fremd- oder Heutige-Jugend-Wörter angeht, kennt sie sich genauso gut aus, wie in Mathe. Dort war sie die Zweitschlechteste. Sie hasste Mathe, genauso wie ich es jetzt auch tue. ,, Ich meine, dass ich mich etwa dreimal übergeben musste. Mir war immer wieder so schlecht.'' ,, Aber wieso denn das?'' ,, Keine Ahnung. Jetzt geht's aber schon wieder besser. Ist bestimmt nur ein Virus unterwegs.'' ,, Wahrscheinlich.'', murmelt Mam noch und widmet sich wieder ihrem Buch. Meine Mutter arbeitet für die Zeitschrift CoolKids als Kummerkastentante. Die Kids können ihr ihre Sorgen und Probleme schreiben und sie beantwortet die Mails in der Zeitschrift. Also die Kids schreiben Mails an meine Mutter. Meine Mutter arbeitet mit zwei anderen Frauen zusammen, weil sie niemals so viele Mails alleine beantworten könnte.
Ich gehe hoch in mein Zimmer, schliesse die Tür hinter mir ab und setze mich ans Pult. Jetzt sind erstmals die Hausaufgaben dran. Mathe und Deutsch. Mathe kapier ich eh nicht, also lass ich die schon mal weg. Die kann ich morgen immer noch abschreiben. Deutsch. Das kann ich schon eher. Wir müssen einen Aufsatz schreiben, wie unser Leben aussehen könnte, wenn wir zum Beispiel reich wären. Jeder hat ein anderes Thema bekommen. Mein Thema ist: Wie wär mein Leben, wenn ich das Gegenteil von mir wäre. Das ist nicht so schwer.
Nach den Hausaufgaben hab ich mich auf's Bett gelegt. Nun höre ich Musik. Ich erschrecke fast, als mein Handy piepst. ,, Ja?'', meld ich mich. ,, Hei, ich bin's, Nadine.'' ,, Hei Nadine.'' ,, Ich wollte dich fragen, wie's dir geht?'' ,, Ähm...gut.'' ,, Ich meine, weil es dir heute Nachmittag so schlecht war.'' ,, Achso. Es geht schon wieder, danke.'' ,, Wollen wir zusammen was machen?'' ,, Was denn?'' ,, Wir könnten zur Skaterbahn gehen.'' ,, Ne danke. Ich kann eh nicht Skaten, ausserdem ist es von mir aus ziemlich weit. Wir können ja morgen hingehen?'' ,, Morgen geht nicht. Da geh' ich mit Philip ins Kino.'' Philip ist ihr Freund. ,, Ah...dann vielleicht ein anderes Mal, ok?'' ,, Ok, bis morgen.'' ,, Tschüss.'' Für heute hab ich auf gar nichts mehr Lust. Nur noch auf dem Bett liegen und Musik hören. Was wohl Niklas gerade macht? Moment, wieso frag ich mich das jetzt? Geht mich ja schliesslich nichts an. Aber dass er mich einfach so angesprochen hat...nett und komisch. Mich hat noch nie ein Junge einfach so angesprochen. Tja, was nicht ist, kann ja noch werden.

2. Kapitel

 

Am nächsten Morgen geht es mir schon wieder viel besser. Kein Übelkeitsgefühl mehr. Ziemlich gut gelaunt gehe ich zur Schule. Heute schreiben wir einen Test, was mir leider erst in den Sinn kommt, als der Lehrer unser Zimmer betritt. ,, Shit nochmal! Hab ich ja total vergessen.'', fluche ich leise. Französisch. Ich kann Französisch ungefähr so gut wie Mathe. Schlecht. Zwei Seiten Test. Der Lehrer ist wohl krank! Der kann mir das doch nicht antun! ,, Zwei Seiten? Herr Schuhmann, meinen Sie nicht auch, dass zu viele Seiten nur unsere Gehirnzellen verwirren? Ich meine, das ist nun wirklich etwas viel. Eine Seite reicht doch völlig aus.'' ,, Tja, meine liebe Lilly, wenn du gelernt hättest, würden nicht mal drei Seiten deine Gehirnzellen verwirren.'' ,, Aber die rauchen jetzt schon.'', murmle ich und schaue kritisch die Aufgaben durch. Wieso vergesse ich diese blöden Tests immer? Ich hasse Tests!
In der Pause laufe ich schlecht gelaunt zum Getränkeautomaten, um mir eine Cola rauszulassen. Als ich ungeduldig auf meine Cola warte, weil der blöde Kasten spinnt, kommt Niklas auf mich zu. Ich bemerke ihn erst, als er neben mir steht und mich freundlich begrüsst. ,, Hei Lilly. Na, wie geht's?'' ,, Beschissen.'', murmle ich und nehme meine Cola, die endlich rausgekommen ist und will gehen.   ,, He, warte doch mal. Was ist denn los?'', fragt er mich schon etwas besorgt. Wie süss. Er sorgt sich um mich. Hihi! ,, Ich habe wieder einen Test vergessen und vergeigt.'' ,, In was?'' ,, Französisch.'' ,, Ich bin sehr gut in Französisch. Meine Mutter kam aus Frankreich.'', sagt er und sieht etwas verloren auf den Boden für einen Moment. Doch dann plappert er schon weiter. ,, Ich kann dir Nachhilfe geben, wenn du willst.'' ,, Wie viel verlangst du die Stunde?'' ,, Nichts natürlich. Ich verlange doch kein Geld. Also, ja oder nein?'' ,, Heute nicht. Keine Lust.'' ,, Hättest du denn Lust mit mir ein Eis essen zu gehen?'' Ich schaue ihn etwas überrascht an. ,, Wieso willst du ausgerechnet mit mir ein Eis essen gehen? Du kennst mich nicht mal.'' ,, Dann kann ich dich eben beim Eisessen kennenlernen.'' Ich seufze. ,, Willst du nicht?'', fragt er und sieht etwas enttäuscht aus. Er tut mir ein bisschen leid, also sage ich zu. ,, Na gut. Welche Zeit und wo?'' ,, Nachmittag nach der Schule. Wir könnten ja ins Sommercafé gehen.'' ,, Ok. Dann bis Nachmittag.'', verabschiede ich mich und laufe weg. Mir kommt es etwas seltsam vor, dass er mich einfach so treffen will und mit mir ein Eis essen gehen will. Aber es gibt ja manchmal so verrückte Sachen.
In unserer Stadt, die grösser ist als ein Dorf, aber etwas kleiner als eine richtige Stadt, gibt es vier Cafés. Frühling-, Sommer-, Herbst- und Wintercafé. Jedes ist nach der Jahreszeit eingerichtet. Aber im Wintercafé ist es deshalb nicht minus drei Grad, es sieht einfach etwas winterlicher aus. Aber sehr schön.
Ich erzähle meiner Mutter am Mittag, dass mich Niklas eingeladen hat. Also, dass er mit mir ein Eis essen gehen will. ,, Schön. Jetzt lernst du endlich mal einen Jungen kennen.'' ,, Mam, ich bin 15. Ausserdem sind die Jungs in meinem Alter alle noch kleine Jungs. Ab 16 oder spätestens 17 sind sie dann normal.'' Meine Mutter muss lachen. ,, Nicht alle Männer sind so. Meistens sind sie schon sehr früh reif.'' ,, Aber auch nicht alle. Oder jedenfalls nicht zu 100%.'' ,, Wie du meinst. Aber diesen Niklas würd ich dann sehr gerne einmal kennenlernen.'' ,, Mam, zuerst muss ICH ihn kennenlernen. Ich weiss ja noch fast nichts über ihn.'' ,, Was weisst du denn?'' ,, Er heisst Niklas, Spitzname Nick und seine Mutter kam aus Frankreich, deshalb ist er sehr gut in Französisch.'' ,, Kam aus Frankreich? Was ist denn mit ihr?'' ,, Keine Ahnung. Interessiert mich aber auch nicht.'' ,, Lilly, hör mir mal zu. Auch wenn du Jungs nicht besonders magst und keine Interessen an ihnen hast, gib Niklas wenigstens als Kumpel eine Chance. Es sind nicht alle wie...wie dein Vater.'' Ich schaue sie dunkel an. Mein Vater. Ja, der ist einfach mit seiner Neuen abgehauen, als meine Mutter ihn mit dieser Kuh beim Knutschen erwischt hat. Er hat alles, was ihm gehört hat, mitgenommen. Damals war ich 10. Seither habe ich alle Jungs gehasst, oder nicht grosse Interesse an ihnen gezeigt. ,, Jaja, Mam, ich werde ihm bestimmt eine klitzekleine Chance geben. Ich mag nicht wie andere Mädchen in meiner Klasse Kummer haben und verletzt werden.'' ,, Nadine ist doch auch noch mit Philip zusammen, oder?'' ,, Ja, aber der ist bereits 16. Fast 17 sogar.'' ,, Ach Lilly. Dein Vater hat sich eben mit der Zeit verändert und ich war ihm nicht mehr gut genug.'' ,, Eben. Es gibt bestimmt mehrere Jungs, die auch so sind.'' ,, Aber nicht alle.'' ,, Jaja. Also, ich muss wieder. Hab mit Nadine abgemacht.'' ,, Gut, bis heute Abend.''
Eigentlich habe ich ja nicht mit Nadine abgemacht, aber wenn das Gespräch mit meinem Vater zu tun hat, lenke ich ab oder haue ab. Ich will nichts mehr von ihm hören.
Ich erzähle Nadine in der Schule auch nichts von meinem Treffen mit Niklas. Sie würde nur unangenehme Fragen stellen. Auf das habe ich echt keinen Bock. Aber auch wenn ich es mir selber nicht eingestehen kann, freue ich mich auf das Treffen. Es ist das erste Mal, dass sich ein Junge mit mir treffen will. Und es ist auch das erste Mal, dass ich Ja gesagt habe. Ich hatte mit Jungs noch nicht viel am Hut. Ich gehe ihnen ja nicht aus dem Weg, ich bin einfach vorsichtig. Den Grund wisst ihr ja.
Am Nachmittag in der Schule, als ich Niklas einmal über den Weg laufe, sagt er freundlich (wie immer): ,, Hei Lilly! Bis nachher.'', lächelt mir zu und geht weiter. Ich habe ihn nur angesehen wie jemanden, den ich das erste Mal sehe. Aber gesagt hab ich nichts.
Dann ist es endlich soweit. Ich laufe gemütlich zum Schultor, wo Niklas bereits auf mich wartet. ,, Hei Lilly! Gehen wir?'' ,, Mhm, wir können.'' Wir laufen schweigend zum Bus, steigen ein und setzen uns weiter hinten hin. Ich am Fenster. Ich schaue ein wenig aus dem Fenster und bin plötzlich aufgeregt. Ein bisschen. Was soll ich überhaupt sagen? Wie soll ich mich genau verhalten? Was kann ich tun, was nicht? Ich spüre, wie Niklas mich ansieht. Dann sagt er: ,, Ich habe schon einiges über dich gehört.'' Ich schaue ihn an und kneife die Augen ein wenig zusammen. ,, Was hast du denn über mich gehört?'' ,, Naja, du bist ziemlich schnell...man muss ziemlich gut aufpassen, was man dir so sagt. Und wenn man dich zu sehr provoziert, wirst du anscheinend ziemlich schnell gefährlich.'' ,, Ach, gefährlich?'' ,, Naja, du kannst dich gut wehren und so.'' ,, Ja, ist so. Aber ich bin nicht gefährlich. Wer hat das behauptet?'' ,, Ein Kumpel von mir, der bei dir in der Klasse ist, hat es mir erzählt.'' ,, Welcher?'', frage ich sofort alarmiert. Wenn man Sachen über mich erzählt und dabei noch übertreibt, werde ich wirklich wütend. ,, Heiko. Er hat noch mehr erzählt.'' ,, Und was?'' ,, Dass du Jungs hasst.'' ,, Tzz, wenn es so wäre, meinst du, ich würde dann hier mit dir sitzen und ein Eis essen gehen?'' ,, Nein, wohl nicht.'' ,, Und was das andere angeht, hat Heiko etwas übertrieben. Ich hasse es nämlich, wenn man Sachen über mich erzählt und dabei so übertreibt.'' ,, Hm. Ich wollte dich nicht verärgern. Heiko hat es mir eben so erzählt.'' ,, Schon ok. Heiko werde ich morgen mal meine Meinung geigen.'' ,, Was? Was willst du?'' Nun sieht mich Niklas alarmiert an. ,, Keine Panik, ich tue ihm nichts, ich bin schliesslich nicht gefährlich.'' Seufzend lehnt er sich zurück. Dann kommen wir endlich an unserem Ziel an, steigen aus und laufen wieder schweigend nebeneinander zum Sommercafé. Drinnen setzen wir uns etwas weiter hinten hin und schauen erstmals die Eiskarte an. ,, Weisst du schon, was du willst?'', fragt Niklas mich nach einer kurzen Weile. ,, Hm...ich glaube, ich nehme eine Caféglace. Und du?'' ,, Ich nehme...eine Kugel Schokolade, Vanille und Schokostreusel mit Rahm oben drüber.'' ,, Mhm.'' Die Bedienung kommt auch endlich und wir geben unsere Bestellungen auf und als wir unser Eis bekommen haben, führen wir dann wieder ein kleines Gespräch. ,, Du hast gestern was komisches von deiner Muttter gesagt.'' Er schaut mich an und fragt dann: ,, Wie, was komisches?'' ,, Dass deine Mutter von Frankreich kam. Wieso kam und nicht kommt oder ist?'' Wieder senkt er seine Augen ein wenig, sieht mich wieder an und sagt in einem leeren Ton: ,, Weil sie tot ist.'' Ich schaue ihn entsetzt an. Seine Mutter ist tot? Ohman. Ich bin so ein Tollpatsch! ,, Das...das tut mir echt leid. Ich...ich wollte nicht...ich meine...'', stottere ich und weiss nicht, was wirklich sagen. ,, Schon ok. Konntest du ja nicht wissen.'', lächelt Niklas wieder. Ich widme mich wieder meinem Eis, frage aber weiter. ,, Dann...dann lebst du also bei deinem Vater?'' ,, Ja.'' ,, Ist es sehr schlimm für dich?'' ,, Wäre es für dich nicht schlimm?'' ,, Doch, schon, aber ich meine, ist es sehr schlimm, nur mit dem Vater zu leben?'' ,, Es ist ein daran gewöhnen, aber nicht immer sehr einfach.'' ,, Kann ich mir vorstellen.'' ,, Und du?'' ,, Was, ich?'' ,, Wie lebst du?'' ,, Bei meiner Mutter.'' Wieder dieses Thema. Wieso musste ich ihn bloss über seine Mutter fragen. Jetzt will er dasselbe von mir wissen. Wie blöd bin ich eigentlich? ,, Und...was ist mit deinem Vater?'' ,, Der ist weg.'' In mir kocht es schon richtig. Hoffentlich fragt er nicht zu viel, sonst hab ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Er sieht mich an, als wolle er aus meinen Augen lesen, was passiert ist. Dann isst er sein Eis fertig. Er hat wohl gemerkt, dass er nicht weiter fragen sollte. Ich schaue ihn mir etwas genauer an. Er sieht ja schon sehr gut aus mit seinen verwuschelten Haaren und seine blauen Augen sehen so schön aus. Er spürt wohl meinen Blick und sieht mich an. Dann lächelt er. Ich lächle halb zurück und konzentriere mich wieder auf mein Eis. Das habe ich dann auch bald fertig. ,, Willst du noch was zu Trinken?'', fragt Niklas mich. ,, Ne, danke. Und du?'' ,, Ich auch nicht.'' Er winkt der Bedienung zu, damit wir bezahlen können. ,, Lass nur, ich lad dich ein.'', meint Niklas. Ich bin zu verblüfft, um etwas dagegen zu haben. Als er bezahlt hat, gehen wir raus und laufen Richtung...keine Ahnung wohin, jedenfalls nicht zum Bus. Nach einer Weile fragt Niklas: ,, Wenn ich dir schon nicht zu viele Fragen stellen darf, würdest du dann von dir aus was über dich erzählen?'' ,, Was soll ich da schon erzählen? Gibt nichts, was jemanden interessieren könnte.'' ,, Dann soll ich dir fragen stellen?'' ,, Überleg dir einfach gut, was du fragst.'', sage ich nicht gerade begeistert. ,, Na gut. Wie alt bist du jetzt?'' ,, 15.'' ,, Und hattest du schon einen Freund?'' ,, Nein.'' ,, Hast du schon mal einen Jungen geküsst?'' ,, Nein.'' ,, Echt nicht?'' ,, Man! Wenn ich nicht gerade Fan bin von Jungs und noch keinen Freund hatte, meinst du ich küsse einfach so einen dahingelatschten Typen?'' Ich bin etwas laut geworden, aber nicht zu laut. ,, He, tut mir leid. Andere knutschen auch nur so zum Spass rum.'' ,, Ich nicht! Du etwa?'' ,, Nein. Ich hatte nur eine Freundin. Wir waren etwa drei Monate zusammen, dann hat sie Schluss gemacht.'' ,, Und wieso? Hast du sie betrogen?'' ,, Nein, es gab einen anderen Grund. Aber ich möchte nicht weiter drüber sprechen.'' ,, Jetzt hast du keine Freundin?'' ,, Meinst du, ich würde mich mit dir treffen, wenn ich eine Freundin hätte?'' ,, Kann ja sein, dass du es trotzdem tust. Ihr Männer könnt schliesslich keiner Verlockung widerstehen und betrügt deshalb noch so gerne.'' ,, Was?'', fragt Niklas jetzt empört. ,, Es sind nicht alle Männer so. Ausserdem seid ihr Frauen auch nicht besser.'' ,, Wir Frauen sind nicht besser?'' ,, Nein, es gibt auch Frauen, die ihre Männer betrügen, falls du das noch nicht wusstest.'' ,, Aber Frauen springen nicht von einem Typen zum anderen, wie es Männer bei Frauen tun.'' Niklas bleibt stehen und stellt sich vor mich hin. Wir schauen einander an. ,, Lilly, du hast einfach keine Ahnung, wie Männer auch noch sein können. Ich weiss ja nicht, was mit deinem Vater ist, aber ich vermute mal, dass du nicht gerade gute Erinnerungen an ihn hast. Es sind nicht alle gleich.'' ,, Achja? Woher willst du das wissen?'' ,, Weil ich eben anders bin.'' ,, Woher weiss ich, dass das stimmt? Das kann jeder Typ von sich behaupten und in Wahrheit ist er genau das Gegenteil.'' ,, Wenn du offener zu Jungs wärst, wüsstest du, dass es stimmt, was ich sage. Männer und Frauen sind ja theoretisch gesehen gleich. Männer und Frauen betrügen.'' ,, Du hast ja keine Ahnung.'' ,, Aber du, hm? Du weisst es ja.'' ,, Männer sind alle gleich. Sie machen sich an Frauen ran, lieben sie, betrügen sie mit 'ner Anderen und hauen ab, wenn...'' Weiter komme ich nicht, weil er mich küsst. Zuerst will ich mich befreien, doch irgendwie gefällt mir sein Kuss ganz gut. Seine Lippen sind sehr weich und er küsst einfach gut. Dann nimmt er seine Lippen wieder von meinen und sieht mich an. Ich weiss nicht, was ich sagen soll, ob ich überhaupt was sagen soll oder nicht. Ich schaue ihm schnell in die Augen, wieder weg und murmle: ,, Ich...ich muss gehen.'' Dann drehe ich mich um und gehe schnell davon. Ich laufe zur Bushaltestelle und setze mich dort auf die Bank. Ich bin irgendwie verwirrt und habe irgendwie auch Angst. Es ist das erste Mal, wo sich ein Junge für mich interessiert und mich auch noch geküsst hat. Was, wenn er doch so ist, wie mein Vater? Wenn er mich bei der nächsten Gelegenheit fallen lässt, verarscht, betrügt? Moment, betrügen kann man doch nur, wenn man zusammen ist? Sind wir denn jetzt automatisch zusammen? Oder doch nicht? Mensch, ich bin sowas von verwirrt! Endlich kommt der Bus. Ich steige mit klopfendem Herzen ein, schaue auf der ersten Stufe nochmals zurück in die Richtung, aus der ich kam und steige dann endgültig ein uns setze mich hin. Wie soll ich ihm morgen in der Schule bloss begegnen? Was, wenn er fragt, ob ich mit ihm zusammen sein will? Auch wenn ich es nicht denke, aber wieso sonst hat er mich geküsst? Schliesslich hat er gesagt, dass er nicht so ist, wie mein Vater. Aber das muss nicht heissen, dass er mir die Wahrheit gesagt hat. Und wenn doch? Man, wie finde ich das bloss heraus? Ich muss dringend mit Mam sprechen!

 

3. Kapitel

Zu Hause stürze ich in Mamas Schlafzimmer, wo Mam am Computer sitzt und Briefe beantwortet. ,, Mam! Ich muss dringend mit dir sprechen.'' ,, Nanu? Was ist denn los? Komm, setz dich erstmals auf's Bett. So, und jetzt erzähl ruhig, was passiert ist.'' ,, Also, ich hab mich ja nach der Schule mit Niklas getroffen und bin mit ihm ein Eis essen gegangen, danach sind wir sonst irgendwie noch spazieren gegangen. Wir haben halb darüber gestritten, ob jetzt Männer schlimmer sind als Frauen oder so. Er hat gesagt, dass er nicht so sei wie mein Vater und ich habe widerrum behauptet, dass alle gleich sind und er nichts beweisen könne. Dann hab ich angefangen aufzuzählen, wie das bei den Männern etwa so abläuft. Sie machen sich an Frauen ran, lieben sie, betrügen sie mit 'ner Anderen und hauen ab, wenn...'' Hier breche ich ab, weil dann der Kussteil kommt. ,, Wenn was?'' ,, Da bin ich unterbrochen worden...mit...'' Ich hole tief Luft, bevor ich sage: ,, Mit einem Kuss.'' ,, Niklas hat dich geküsst? Niklas hat Lilly geküsst? Das gibt es ja nicht. Dass du dich küssen lässt, hät' ich jetzt echt nicht gedacht.'' ,, Mam, statt, dass er mir einfach reingeredet hat, hat er mich geküsst. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Ich wollte nur wissen, ob wir denn jetzt automatisch zusammen sind.'' ,, Naja, was hast du danach gemacht?'' ,, Ich...ich bin weggelaufen. Mensch, da hat man sozusagen keine Interessen an Jungs, plötzlich will sich einer mit dir treffen, du sagst zu und beim spazieren während einer Diskussion küsst er dich als Unterbrechung. Ich weiss echt nicht mehr weiter. Ich war so...so verwirrt, ich hatte Angst. Mam, verstehst du das nicht?'' ,, Doch Lilly, ich verstehe dich ganz gut. Du musst morgen mit ihm sprechen. Denn, wenn du einfach weggelaufen bist, seid ihr noch nicht zusammen. Du musst morgen Klarheit schaffen und dich mit ihm aussprechen. Aber ich denke, du bist wirklich in ihn verliebt, sonst hättest du dich nie mit ihm getroffen.'' ,, Ich und verliebt? Wie merk ich denn das?'' ,, Hattest du ein Kribbeln im Bauch, als er dich geküsst hat?'' ,, Ja, irgendwie schon und sein Kuss war schön,'', sage ich, ,, aber ich bin mir nicht so sicher.'' ,, Sprich morgen mit ihm, dann weisst du sicher mehr.'' ,, Und wenn er nichts von mir will?'' ,, Er liebt dich garantiert.'' ,, Meinst du?'' ,, Lilly, ich kenn mich damit aus.'' ,, Ich weiss. Aber...was, wenn er es nicht ernst meint, wenn...wenn er mich genauso behandelt, wie Papa dich...'' ,, Lilly, sprich morgen mit ihm. Wenn du nichts ausprobierst, kannst du auch nichts herausfinden. In der Liebe passiert vieles. Man muss für jede, ich betone JEDE Beziehung ein gewisses Risiko eingehen. Ausserdem merkt man meistens, wenn es der Junge nicht ernst meint. Du wirst bestimmt herausfinden, ob er es ernst meint.'' ,, Und was wenn...wenn ich es nicht ernst meine? Ich weiss nämlich nicht wirklich, ob ich eine Beziehung will.'' ,, Wenn du ihn wirklich magst, dann bestimmt schon. Du wirst es merken.'' ,, Na gut.'', seufze ich, stehe auf und gehe in mein Zimmer. In meinem Zimmer kann ich am besten nachdenken. Also, wenn ich morgen mit ihm sprechen muss, was soll ich überhaupt sagen? Was soll ich sagen, wenn er fragt, weshalb ich weggelaufen sei? Naja, er weiss ja, dass ich bis jetzt nichts mit Jungs am Hut hatte, also wird er vielleicht verstehen, dass es mich sehr verwirrt hat und ich etwas Angst vor einer festen Beziehung habe. Aber was, wenn er es nicht verstehen wird? Zwar, er hat einen guten Eindruck hinterlassen. Einen verständlichen Eindruck. Ich kann nur noch beten und hoffen, dass morgen alles gut wird.
In dieser Nacht schlafe ich nicht besonders gut, weil ich andauernd aus Albträumen erwache. In jedem kommt vor, wie Niklas mir einen Korb erteilt und nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich muss daraufhin weinen und laufe davon. Ich bin mir inzwischen (komischerweise, verstehe mich selber nicht mehr wirklich) sicher, dass ich mit ihm eine Beziehung eingehen will. Nur eine lockere. Ich weiss schliesslich noch nicht genau, wie alles abläuft und ausserdem hab ich erst seit gestern wirklich was mit einem Jungen am Hut.

4. Kapitel

 Am nächsten Morgen erwache ich mit viel Herzklopfen. Ich bin aufgeregt, wie das Gespräch, das es hoffentlich geben wird, laufen wird. Essen mag ich nichts. Und im Unterricht, in den ersten beiden Lektionen, kann ich mich auch nicht konzentrieren. Die ganze Zeit muss ich an das Gespräch denken und daran, wie Niklas sich wohl verhalten wird. Wo finde ich ihn in der Pause wohl? Er weiss ja nichts davon, dass ich mit ihm sprechen will. Es sei denn, er ahnt es einfach. Hoffentlich wird alles gut! Seufz!
In der Pause laufe ich zuerst zum Getränkeautomaten, wo er auch schon steht. ,, Hei Lilly.'', begrüsst er mich leise. ,, Niklas...ich...ich möchte mit dir sprechen.'' ,, Ok, komm.'' Wir gehen in eine ruhige Ecke, wo niemand ist und dann beginnt das Gespräch. ,, Es tut mir leid, dass ich gestern einfach so davon gelaufen bin. Ich...es war nicht wegen dir. Der Kuss war echt schön, aber ich hatte ja noch nie was mit einem Jungen und so und weil mein Vater meine Mutter betrogen hat, habe ich einfach das Gefühl gehabt, dass alle Männer gleich sind.'' Betreten schaue ich zu Boden. ,, Hast du denn jetzt das Gefühl, dass ich so bin, wie dein Vater?'' ,, Nein, eigentlich nicht...'' ,, Da bin ich ja froh.'', lächelt Niklas mich jetzt an. ,, Willst du denn einen Freund?'' ,, Ich glaube schon. Aber ich fürchte, mein nächster Freund wird es nicht sehr einfach mit mir haben, weil ich nicht wirklich weiss, wie es abläuft und ich auch Angst habe.'' ,, Würdest du mir denn eine Chance als dein Freund geben?'' Ich schaue ihn an und langsam breitet sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Ich nicke und sage: ,, Ja.'' Er beugt sich lächelnd zu mir und küsst mich vorsichtig auf den Mund. Als er sich wieder etwas von mir entfernen will, schlinge ich meine Arme um seinen Hals, weil es einfach so schön ist, ihn zu küssen. Er legt seine Arme um meine Taille und so stehen wir, bis es wieder läutet. Als wir uns wieder trennen müssen, sagt er noch: ,, Küssen kannst du jedenfalls wie ein Profi.'' ,, Danke.'' Lächelnd gehe ich ins Schulzimmer, wo Heiko mich bereits erwartet. ,, Na? Genug geknutscht?'' ,, Was ist?'' Woher weiss der das? Hat der uns beobachtet? ,, Na, du und Nick seid jetzt wohl zusammen, nä?'' ,, Und? Stört es dich?'' ,, Nö. Unsere Jungshasserin hat jetzt einen Freund. Hehe!'' ,, Ich bin keine Jungshasserin.'', sage ich in schneidendem Ton und gehe auf Heiko zu. ,, Mit dir habe ich sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen.'' ,, Mit mir?'' Nun geht Heiko etwas belustigt zurück, weil ich wohl fast ein bisschen drohend auf ihn zugehe. Ich gehe schneller auf ihn zu, hebe die Faust und packe ihn am Kragen. ,, Was hast du Niklas über mich erzählt? Ich hasse Jungs? Ich bin gefährlich? Wenn du von nun an deine verdammte Fresse nicht hälst, werd' ich zu dir gefährlich, das schwör ich dir. Hast du das kapiert?'', frage ich ihn schon etwas lauter, gebe ihm einen Stoss zurück und laufe weiter auf ihn zu. Nun kriegt Heiko wohl doch ein bisschen Angst, denn er hebt nun beschwichtigend die Hände und sagt ergeben: ,, Schon gut, Lilly, ich sag ja nichts mehr.'' ,, Das will ich aber auch hoffen.'' Ich drehe mich weg und gehe an meinen Platz. In den nächsten Lektionen ist Heiko der ruhigste von uns allen im Unterricht. Dem hab ich wohl ein wenig Angst eingejagt. Aber wenn der Sachen über mich erzählen muss und dann noch so übertreibt, verstehe ich einfach keinen Spass.
In der Pause wartet Niklas vor unserem Klassenzimmer. Als ich rauskomme, begrüsst er mich mit einem innigen Kuss. ,, Na, alles paletti bei dir?'', fragt er danach. ,, Klar. Bis jetzt schon. Übrigens, falls Heiko dir sagen sollte, dass ich ihm gedroht habe, dann schau die Drohung einfach als eine Art Bitte an.'', sage ich dann beiläufig. ,, Wieso bedroht?'' ,, Er hat uns gesehen, wie wir geknutscht haben und hat mir gesagt: , Unsere Jungshaserin hat jetzt einen Freund.' Ich bin aber keine Jungshasserin, was ich ihm auch gesagt habe und dann habe ich mit ihm noch ein Hühnchen gerupft.'' ,, Ohje. Was hast du gemacht?'', fragt er und sieht mich ein bisschen gequält an. ,, Nichts schlimmes. Ich habe ihn am Kragen gepackt, gefragt, was er dir alles erzählt hat, habe das aufgezählt und gesagt: , Wenn du von nun an deine verdammte Fresse nicht hälst, werd' ich zu dir gefährlich, das schwör ich dir. Hast du das kapiert?' Und da hat er wohl ein bisschen Angst gekriegt, was ganz gut ist.'' ,, Lilly, falls er seine Klappe nicht hält, du wirst ihn ja wohl nicht vermöbeln, oder?'' ,, Lass das mal meine Sorge sein, was ich dann tue.'' ,, Ach je.'' ,, Niklas.'', sage ich leiser und halte ihn am Ärmel fest. Er sieht mich an. ,, Was?'' ,, Ich...'' Ich schaue zu Boden, kaue an meiner Unterlippe und schaue ihn wieder an. Denn das, was ich jetz sage, sage ich das erste Mal zu jemandem und es fühlt sich schon in meinem Mund gut an. Ich hole tief Luft und sage dann: ,, Ich liebe dich.'' Niklas lächelt beugt sich zu mir und küsst mich. Dann sagt er: ,, Ich liebe dich auch, Lilly.'' ,, Ich...muss noch in die Bibliothek. Bis am Mittag.'', verabschiede ich mich schnell und mache, dass ich weg komme. Es ist einfach noch so komisch für mich, dass ich jetzt einen Jungen an meiner Seite habe. Er bleibt an meiner Seite, bis einer von uns nicht mehr will. Aber das wird hoffentlich noch lange dauern, weil ich ihn nämlich sehr, sehr, sehr liebe.

5. Kapitel

 Am Nachmittag haben wir frei. Ich habe meiner Mutter erzählt, dass ich und Niklas an den See gehen und ein Eis essen wollen. ,, Also seid ihr jetzt zusamme?'' ,, Ja, sind wir. Ich hoffe nur, dass ich nichts falsch mache.'' ,, Jeder macht Fehler. In keiner Beziehung gibt es einen Profi, der alles richtig macht, weil jede Beziehung etwas anders ist.'' ,, Hm...dann ist ja gut. Also, tschüss!'' ,, Tschüss.'' 

Wir haben uns im Bus verabredet, weil mein Bus bei ihm vorbeifährt, wo er dann einsteigt. Also im Bus. Als er sich neben mich setzt, sieht er mich etwas sorgsam an und fragt dann: ,, Kann es sein, dass für dich alles etwas zu schnell geht?'' ,, Was? Wieso?'', frage ich verwundert zurück. ,, Naja, weil du heute in der Pause einfach so weggegangen bist.'' ,, Ich habe mich aber verabschiedet.'', sage ich kleinlaut. ,, Lilly, wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann sag es einfach. Bitte.'' ,, Du hast nichts falsch gemacht. Es ist einfach alles so neu für mich. Das weisst du doch.'' ,, Ja, schon...'' ,, Aber?'' ,, Es ist nicht so einfach, wenn du immer gleich davon läufst.''

,, Immer?'', frage ich empört. ,, Immer gleich davon laufe? Das war jetzt das erste Mal, seit wir zusammen sind.'' ,, Schon gut, schon gut. Ich hab's ja schon kapiert.'' Während der weiteren Fahrt sagen wir nichts mehr. Erst, als wir ausgestiegen sind, fragt er: ,, Wollen wir zuerst an den See und dann Eis essen gehen?'' Ich nicke.

,, Lilly, jetzt sag doch mal was. Es tut mir ja leid, was ich vorhin gesagt habe.'' ,, Jaja, ich weiss. Also gehen wir.'' Ich nehme seine Hand und so laufen wir los. Langsam beruhige ich mich wieder und taue wieder etwas auf. ,, Tut mir auch leid. Es ist so eine Art an mir, dass ich weglaufe, wenn ich mit etwas wie dem nicht richtig klar komme. Aber ich versuche weniger davonzulaufen.'' ,, Schon ok. Ich kann dich schon ein wenig verstehen.''

,, Danke.'' Wir laufen am See entlang, Hand in Hand, dann bleiben wir einmal stehen und küssen uns einfach mitten auf dem Weg. Andere laufen einfach an uns vorbei. Es ist mir etwas unangenehm, sich in der Öffentlichkeit zu küssen. Doch auch daran werde ich mich bestimmt einmal gewöhnen.
Als wir ein Eis essen gehen, entschuldigt sich Niklas einmal, als er schnell auf die Toilette gehen muss. Aber es dauert länger als lang, was mir merkwürdig vorkommt. Als er wieder kommt, frage ich ihn, ob er was falsches gegessen hätte. ,, Was? Äh...nein...ja...vielleicht. Weiss nicht.'' Dann stottert er noch. Ich werde etwas skeptisch, doch damit ich nicht weiter darüber nachdenke, küsst Niklas mich wieder und fragt, ob ich mich schon entschieden hätte. ,, Immer dasselbe. Eine Caféglace.'' ,, Ok.'' Er winkt der Bedienung und gibt unsere Bestellungen auf. ,, Sag mal, Lilly,'', fängt er langsam an, als wir unser Eis haben, ,, darf ich mal deine Mutter kennenlernen?'' ,, Hm, klar. Ich weiss aber nicht ob sie heute da ist, wenn ich nach Hause komme. Ich weiss ja nicht, wann ich nach Hause komme.'' ,, Wohl nicht zu spät, oder?'' ,, Sie hat nichts gesagt. Darf ich dann deinen Vater kennenlernen?'' ,, Äh...ist nicht so praktisch. Er...er arbeitet im Moment viel. Ein andermal, ja?'' ,, Ok.'' Wenn irgendwas nicht stimmt bei irgendwem, dann merk ich es, in dem ich ein seltsames Gefühl bekomme und skeptisch werde. Wie vorhin. Und jetzt wieder. Aber ich mag nicht länger darüber nachdenken. Wir geniessen unser Eis und quatschen über die Schule, Freunde und alles. ,, Ist Heiko dein bester Freund?'', will ich von Niklas wissen. ,, Ja, wieso?'' ,, Guter Freund. Einer, der bei allem etwas übertreibt. Sag ihm noch einmal von mir, wenn er nicht seine Klappe hält, was mich betrifft, könne er was erleben.'' ,, Lilly, er meint es ja nicht böse. Er übertreibt eben gerne etwas.'' ,, Hat er von anderen Mädchen etwa auch schon so Zeug erzählt?'' ,, Nein...das nicht, aber er meint es trotzdem nicht böse.'' ,, Hat er sonst noch mal was über mich erzählt?'' ,, Naja, einfach, dass man dich nicht ärgern darf, sonst kämst du einfach richtig wütend. Und wenn du wütend seist, müsse man dir am Besten aus dem Weg gehen.'' ,, Tja, er jetzt schon, sonst gibt's mal einen richtigen Knall. Aber ich bin nicht gefährlich und auch nicht gewalttätig. Ich bin nicht so, wie er immer alles erzählt! Ich bin einfach ich! Ich kann doch nichts dafür! Ich habe den Charakter eben nicht von Mam geerbt, verdammt nochmal! Ich...''
,, Lilly! Lilly! Ist ja gut, ich weiss das doch alles!'' Ich bin aufgestanden und etwas lauter geworden und verzweifelter. Niklas ist ebenfalls aufgestanden und hält mich nun an den Schultern. ,, Beruhige dich, ja? Ich liebe dich so, wie du bist. Ich kenne Heiko besser als du und weiss genauso gut wie du, dass er einfach gerne übertreibt.'' Niklas streicht mir über die Wangen und küsst mich zärtlich. ,, Meine Lilly.'', flüstert er in mein Ohr, was einfach zu schön ist, als dass es Wirklichkeit ist. Aber es ist die Wirklichkeit. Zum Glück :)
Um etwa 17.00 Uhr laufen wir zurück zum Bus und fahren gemeinsam zu mir. Ich bin richtig happy, dass ich mit meinem Freund (das klingt so schön: Mein Freund ♥), zu mir nach Hause gehe und ihn meiner Mutter vorstellen kann. Sie ist zu Hause. Diesmal im Wohnzimmer und löst Sudokus. ,, Mama! Bist du da?'', rufe ich in die Diele. Sie kommt aus dem Wohnzimmer, als sie uns entdeckt. ,, Oh, hallo ihr zwei. Schon wieder zurück?'' ,, Schon? Wir waren jetzt drei Stunden unterwegs.'' ,, Ok, schon gut. Du bist bestimmt Niklas.'', meint meine Mutter zu Niklas und reicht ihm ihre Hand. ,, Freut mich. Ich bin Marianna.'' ,, Freut mich auch.'' ,, Komm.'', sage ich und ziehe Niklas hinter mir her in mein Zimmer. ,, Deine Mutter ist echt nett. Du siehst ihr verdammt ähnlich.'' ,, Tja, Aussehen von der Mutter, Charakter vom Vater.'' ,, Ich habe mein Aussehen von beiden und Charakter auch. Ich bin also ein Gemisch.'' ,, Ist doch auch toll. Von beidem etwas. Von wem hast du deine Augen?'', frage ich ihn un setze mich auf seinen Schoss. Er hat sich nämlich auf mein Bett gesetzt. Nun legt er seine Arme um mich. ,, Die Augen von meiner Mutter, die Haare von Paps, die Lippen von Mam, die Nase auch und...die Grösse von Paps. Meine Mutter war etwas kleiner.'' ,, Aha. Seit wann ist deine Mutter...'' Ich spreche den Satz nicht ganz aus, aber Niklas weiss, was ich fragen will. ,, Als ich 11 war. Es war einfach schrecklich. Sie war unterwegs für nach Hause. Am Abend. Dann hatte sie einen Unfall. Sie war an einem Essen, wo man auch tanzte und jemand hat ihr wohl etwas ins Getränk gemischt und auf der Heimfahrt schlief sie ein.'' Niklas schaut gedankenverloren auf den Boden. ,, Tut mir leid.'', sage ich leise. Ich latsche immer in ein Fettnäpfchen. Wieso musste ich ihn auch fragen? Jetzt schulde ich ihm irgendwie eine Erklärung von meinem Vater. ,, Meine Mutter hat Paps mit einer anderen beim Knutschen erwischt. Er hat genommen, was ihm gehört hat und ist dann abegehauen. Damals war ich 10. Mit 10 hatte ich mein eigenes Bild von Jungs und da mein Vater so fies war, habe ich ab da geglaubt, dass alle so sind.'' ,, Das erklärt einiges.'' ,, Ja. Aber das hat sich jetzt ab dir geändert.'' ,, Zum Glück.'' Er lässt sich rückwärts fallen und dann küssen wir uns noch eine Weile.
Nach dem Abendessen muss er dann los. ,, Bis morgen.'' ,, Mach's gut.'', verabschieden wir uns. ,, Dieser Niklas gefällt mir. Lilly, der liebt dich, das weisst du jetzt, oder?'' ,, Und wie ich das weiss.''
In dieser Nacht schlafe ich wieder einmal sehr gut. Aber träumen tue ich nichts.

6. Kapitel

 (In diesem Kapitel handelt es sich um ein Gespräch, das Niklas mit Heiko führt. Heiko erzählt nämlich immer wieder so Zeug von Lilly und übertreibt sehr. Niklas will mit ihm sprechen, damit Heiko dies in Zukunft nicht mehr tut. Doch anscheinend gibt es was, wovon Niklas keine Ahnung hat, was Lilly betrifft...).

Es ist gerade die grosse Morgenpause. Niklas sucht Heiko, weil er dringend mit ihm sprechen muss. Heiko befindet sich hinter dem Schulgebäude mit ein paar Kumpels. ,, Heiko, ich muss dringend mit dir sprechen.'' ,, Komme schon. Was gibt's?'' Sie suchen sich eine Ecke, wo sie alleine sind, dann beginnt Niklas. ,, Wieso erzählst du über Lilly immer wieder solche Sachen, dass sie gefährlich ist und so?'' ,, He, ich habe nur dir davon erzählt. Na gut, Mark und Simon habe ich auch schon vor ihr gewarnt. Aber sie ist ja auch gefährlich. Sie hat mir gestern gedroht. Das glaubst du mir jetzt nicht aber sie hat...'' Niklas unterbricht ihn. ,, Ich weiss. Sie hat mir gestern erzählt, dass sie noch ein Hühnchen mit dir gerupft hat.''
,, Hühnchen? Das war ein ganzer Hahn.'' ,, Umso besser, dann lässt du es vielleicht in Zukunft, Sachen über sie zu erzählen.'' ,, Nick, was ist mit dir los? Was hat diese...diese...weiss- nicht- was mit dir gemacht, dass du sie noch in Schutz nimmst?'' ,, Nichts. Aber du hast wirklich übertrieben. Lass sie in Zukunft einfach in Ruhe, ja?'' ,, Nick, ich bin mit ihr in der Klasse. Und etwa vor einem Jahr oder etwas länger schon, da wurde sie zum Direktor geschickt. Und weisst du weshalb?'' ,, Wieso?'', fragt Niklas etwas gelangweilt, weil er nicht glauben will, dass seine Lilly doch etwas ausgefressen hat. ,, Einer aus der Klasse hat sie provoziert. Er sagte: , Lilly, du bist absolut wie dein Vater. Eine hinterhältige Tussi, die nur scheiss erzählt und gewalttätig ist.' Daraufhin ist sie auf ihn zugegangen und hat in scharfem Ton gefragt: , Was hast du gesagt? Wie bin ich? Wenn du nochmals sowas sagst, kannst du was erleben.' Er hat im Spass gesagt: , Uh, jetzt habe ich aber Angst. Die böse Lilly kommt! Hilfe!' Alle in der Klasse, also fast alle, haben gelacht und er natürlich auch. Er hat einen Moment nicht aufgepasst, da hat sie ihm eine reingehauen. Er blutete aus der Nase, doch das war anscheinend noch nicht genug. Sie hat ihn noch zweimal gestossen und gerufen: ,Lass mich gefälligst in Ruhe!'. Beim zweiten Mal ist er rückwärst gstolpert und gegen das Fensterbrett gefallen. Er wurde halb ohnmächtig und hat beim Kopf auch noch geblutet. Da kam der Lehrer rein und hat gefragt was los sei. Niemand hat was gesagt. Doch da räusperte sich jemand und sagte: , Lilly hat Anton gestossen und geschlagen.' Aber niemand hat gesagt, dass er sie beleidigt und provoziert hat. Der Lehrer hat sie gleich zum Direktor geschickt und Anton wurde verarztet. Er hat keine schlimmeren Schäden davongetragen. Lilly wurde bestraft und eingetragen ins Klassenbuch. Die Eltern von Anton wurden benachrichtigt und sie wollten zuerst, dass man Lilly von der Schule verweist. Aber dann hat man sie überzeugt, dass Lilly nur 30 Stunden Gemeinnützige Arbeit leisten soll.'' ,, Und niemand hat je gesagt, dass Anton sie beleidigt und provoziert hat?'', fragt Niklas, der ein paar Mal leer schlucken musste und ein wenig geschockt ist. ,, Nein, nie. Seither gallt Lilly als gefährlich und man sagte allen, die etwas mit ihr zu tun hatten, wenn sie wütend käme, müsse man ihr aus dem Weg gehen, sonst käme sie eben gefährlich.'' ,, Und weil das alle einander erzählen, macht sie's wohl meist auch so.'' ,, Wie bei mir jetzt.'' ,, Ok, damals hat sie bestimmt überreagiert. Aber dass niemand das Vorher gesagt hat, verstehe ich einfach nicht. Hatte sie denn nicht Freundinnen, die für sie da waren?'' ,, Nein, sie kam damals nicht gut klar mit den Mädchen, weil sie alle anders tickten. Sie sprachen über Jungs und so, was Lilly eben nicht tat. Sie baute eine Mauer um sich auf und verschanzte sich dahinter. Man muss gut überlegen, was man zu ihr sagt, damit man ihre Mauer durchbrechen kann.'' ,, Ich bin durchgekommen.'' ,, Das finde ich eben auch komisch. Dass sie gleich zusagte, als du dich mit ihr treffen wolltest. Aber ich bin auch froh. Dann ändert sie sich jetzt vielleicht ein bisschen.'' ,, Heiko, versprich mir, dass du dich gleich nachher bei ihr entschuldigst und nichts, aber auch gar nichts mehr in niemandem über sie erzählst. Sonst ist unsere Freundschaft Vergangenheit, kapiert?'' ,, Klar, mach ich. Aber du versprichst, dass du wieder normal wirst und aufhörst mit dem ,kapiert'. Das sagt sie auch immer.'' Niklas muss lächeln. ,, Tja, da haben wir ja doch noch Gemeinsamkeiten.'' ,, Mhm. Weiss sie schon, wieso deine Ex mit dir Schluss gemacht hat?'' ,, Nein. Das muss ich ja nicht erzählen.'' ,, Ich würde. Denn sonst, tut mir leid, aber sonst wird sie dann wirklich gefährlich.'' ,, Jaja. Irgendwann einmal. Du schweigst aber, ka...verstanden?'' ,, Ja, ich schweige.'' Für ein weiteres Gespräch war keine Zeit mehr, da es gerade läutete. Gleich im Schulzimmer, als Lilly reinkommt, geht Heiko auf sie zu und sagt: ,, Lilly, ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich erzähle nichts mehr von dir, versprochen.'' ,, Ist ok.'', lächelt Lily und geht an ihren Platz. Heiko murmelt für sich: ,, Man, die hat sich wirklich schon verändert.'

7. Kapitel

Nach der Schule laufe ich zum Schultor, wo Niklas bereits auf mich wartet. Ich merke sofort, dass etwas nicht stimmt. Deshalb nehme ich auch keinen Versuch, ihm einen Begrüssungskuss zu geben. ,, Was ist los?'', frage ich gleich. ,, Heiko hat mir noch was erzählt, was sich vor etwa einem oder zwei Jahren abgespielt hat in eurem Klassenzimmer.'' Ich seufze und weiss sofort, was er meint. ,, Wenn du jetzt deswegen mit mir Schluss machen willst, nur zu.'' ,, Geht's noch? Ich liebe dich doch. Ich find's unfair, dass dich damals niemand verteidigt hat.'' ,, Niklas, es ist Vergangenheit und ich möchte nicht wirklich daran zurückdenken. Heute läufts anders und besser. Also. Können wir jetzt, oder gibt's noch was?'' ,, Nein, wir können.'' Wir gehen heute beide nicht nach Hause. Nachmittag haben wir frei. ,, Niklas?'' ,, Ja?'' ,, Wieso hat eigentlich deine Ex mit dir Schluss gemacht?'' ,, Weil...sie hat sich in einen anderen verliebt.'', sagt er so, als hätte er sich's gerade eben ausgedacht, was ich auch glaube. ,, Für wie blöd hälst du mich eigentlich?'', frage ich ihn deshalb, weil ich merke, dass er nicht die Wahrheit sagt. ,, Was geht dich meine Ex an? Ist immer noch mein Problem, oder? Schliesslich frage ich dich auch nicht über alles aus.'', sagt Niklas gereizt. Ich erschrecke etwas, fange mich aber schnell wieder. ,, Wenn es mich nichts angeht, musst du mich ja nicht gleich anlügen. Ein ,darüber will ich nicht mehr sprechen' hätte gereicht. So wie ich es vorhin gesagt habe, wegen dem, wo Heiko dir erzählt hat.'', sage ich ruhig. ,, Tut mir leid.'', sagt Niklas leise mit gesenktem Kopf. ,, Schon gut.'' Wir laufen schweigend weiter. Ich habe plötzlich keine Lust mehr darauf, neben ihm herzugehen. ,, Oh Mist!'', rufe ich deshalb gespielt und schlage mir der Hand an die Stirn. ,, Was ist?'' ,, Ich muss heute ja noch zum Zahnarzt.'' ,, Oh, du arme. Wann?'' ,, In einer Stunde muss ich da sein. Tut mir echt leid, hab' ich total verschwitzt.'' ,, Dann musst du jetzt wohl gehen?'' ,, Ja, sieht so aus. Dann bis morgen.'' Ich gebe ihm einen Kuss und mache mich auf den Weg zum Bus. Ich muss zwar nicht zum Zahnarzt, aber ich gehe jetzt nach Hause. Es ist einfach traurig wie er mich anlügt. Ich merke es schliesslich. So werde ich schnell das Vertrauen zu ihm verlieren. Irgendwas stimmt bei ihm nicht. Ich will wissen, was es ist.
Am nächsten Tag kommt er zum Mittagessen zu mir. Zwischen uns ist wieder so ziemlich alles in Ordnung. ,, Äh, könnt' ich vielleicht mal die Toilette benutzen?'', fragt er beim Essen.
,, Klar. Gleich die Tür gegenüber der Treppe oben.'' Niklas geht hinauf. Und es dauert wieder etwas länger. Als er wieder kommt, hab ich das Gefühl, dass etwas ist. ,, Gehen wir Nachmittag wieder an den See?'', frage ich ihn. Er zuckt etwas zusammen und fragt: ,, Äh, was? 'tschuldigung, ich war gerade in Gedanken woanders.'' ,, Ich habe gefragt, ob wir Nachmittag wieder zum See gehen.'' ,, Ich kann nicht. Ich...muss zu Hause helfen.'' ,, Ach.'', sage ich nur und glaube ihm kein Wort. Nach dem Essen hilft er uns, meiner Mutter und mir, zwar beim Geschirrwaschen, aber danach hat er es sehr eilig. Er verabschiedet sich höflich von meiner Mutter und gibt mir noch einen flüchtigen Kuss, dann ist er weg. ,, Mama, ich habe das Gefühl, dass Niklas mir was verschweigt.'' ,, Wie, was verschweigt?'' ,, Naja, keine Ahnung. Wahrscheinlich was von zu Hause. Er hat mich auch schon angelogen.'' ,, Wirklich?'' ,, Ja. Ich habe ihn gestern gefragt, wieso seine Ex mit ihm Schluss gemacht hat, da hat er gesagt, sie hätte sich in einen anderen verliebt. Er hat es so gesagt, als hätte er es gerade eben erfunden. Ich habe ihn daraufhin gefragt, für wie blöd er mich hält und er hat gereizt gesagt, was mich seine Ex anginge und ich habe ihm gesagt, wenn er nicht darüber sprechen wolle, könne er das ja einfach sagen, statt was zu erfinden. Danach hatte ich keine Lust mehr, mit ihm den Mittag zu verbringen und habe gesagt, ich hätte Zahnarzt.'' ,, Das war aber dann auch gelogen.'' ,, Ich weiss. Und seinen Vater darf ich auch nicht kennenlernen. Er hat anscheinend viel zu tun.'' ,, Lilly, vielleicht bildest du dir das auch nur ein, mit dem Lügen.'' ,, Nein Mam! Ich spüre doch, dass was ist.'' ,, Dann sprich mit ihm.'' ,, Das werd' ich.'' ,, Aber vorsichtig, ja?'' ,, Jaja.'' Immer diese Vorsicht. Wenn ich merke, wie mich jemand schwarz anlügt, werde ich richtig wütend.
Am Abend muss Mama an ein Geschäftsessen und tackelt sich deshalb etwas mehr auf. Aber ihr steht eigentlich alles. ,, Lilly! Hast du meine blaue Kette gesehen? Die, die ich zu diesem Kleid bekommen habe.'', fragt Mama. Ich sitze am Pult und schaue die Wand etwa schon seit 15 Minuten an, dabei sind dort nur Fotos von mir, Mama und Nadine. Die von Paps habe ich alle verbrannt. ,, Nein, wieso sollte ich? Ich war nie in deinem Zimmer.'' ,, Komisch. Ich habe sie bei allen anderen Ketten hingelegt, aber sie ist nicht mehr da.'' ,, Vielleicht hast du sie übersehen.'' ,, Lilly, ich bin doch nicht blind.'' ,, Jaja, ich weiss auch nicht wo sie ist. Vielleicht wurde sie geklaut?'' ,, Von wem? Du warst es nicht, ich sowieso nicht und der einzige Besucher seit langem war...'' ,, Nein! Niklas war es bestimmt nicht! Wieso sollte er? Seine Mutter ist ja tot, wie er mir erzählt hat.'' ,, Ich will niemanden verdächtigen. Vielleicht habe ich sie nur verlegt. Dann zieh ich eben die weisse Kette an.'' Zwei Minuten später...: ,, Das gibt es doch gar nicht! Die ist auch weg! Und die grüne auch! Lilly! Das ist doch nicht normal!''
,, Was? Drei Ketten sind weg?'' ,, Vier. Die blaue, weisse, grüne und rote.'' ,, Tja, langsam verdächtige ich wirklich...Niklas. Ich meine, er hatte es heute am Mittag plötzlich so eilig...''
,, Lilly,'', sagt meine Mutter jetzt ganz leise, ,, glaubst du wirklich, dass er...? Ich meine, vielleicht hab' ich sie ja wirklich auch nur verlegt.'' ,, Okay, dann durchsuchen wir jetzt das ganze Haus und schauen sogar in den Müll. Wenn die Ketten nicht hervorkommen, dann bleibt meine Verdächtigung.'' Seufzend gibt meine Mutter nach. Wir durchsuchen das ganze Haus. Nichts. Wir finden die Ketten nicht. Tja, ich werde wohl Niklas überreden müssen, dass ich mal zu ihm darf und dann werd' ich weitersehen. Ich könnte ja schon heute. Wenn ich schon alleine bin. Guter Vorwand. ,, Ist das nicht zu kurzfristig?'', meint meine Mutter, als ich ihr von meiner Idee erzähle. ,, Wie spät ist es?'' ,, Bald halb sechs.'' ,, Geht noch. Ich ruf ihn an.''
,, Na gut.'' Ich gehe hinunter, nehme das Telefon und wähle seine Nummer. Niklas ist gleich selber dran. ,, Hei, hier ist Lilly.'' ,, Lilly? Oh, hallo. Was...was willst du?'' ,, Ich wollte dich fragen, ob ich heute Abend zu dir kommen kann. Meine Mutter ist weg, Nadine ist bei Philip und alleine will ich nicht sein.'' ,, Zu mir? Hm...nicht wirklich praktisch. Ich...ich frage mal. Moment, ja?'' ,, Klar.'' Er legt den Hörer hin und ich höre, wie er mit seinem Vater spricht. Aber was er sagt, höre ich nicht. Komisch, am Telefon ist er mir so fremd. Er ist so ganz anders. Mal sehen, ob ich darf. ,, Bist du noch da?'' ,, Klar. Darf ich?'' ,, Mit Übernachtung?'' ,, Wenn es geht?'' ,, Ok, kannst kommen. Ich hole dich bei der Bushaltestelle ab. Ist das gut?'' ,, Ja, ist gut. Bis nachher.'' ,, Ja, bis gleich.'' Und schon hat er aufgelegt. ,, Und?'', fragt Mam, die hinter mich getreten ist. ,, Ich darf. Ist das normal, dass der Freund am Telefon so fremd klingt und anders ist, oder ist es wegen ihm?'' ,, Ich fürchte, es ist wegen ihm.'' ,, Ich fühle nichts. Ich freue mich schon gar nicht.'' ,, Es wird schon wieder, Lilly.'' ,, Hoffentlich...'' Ich gehe in mein Zimmer, um meine Sachen zu packen. ,, Lilly, ich muss noch drei Briefe beantworten. Also, Mails. Könntest du das für mich machen? Du weisst ja wie, Antworten kennst du und sonst weisst du auch alles. Ich muss los.'' ,, Klar, mach's gut. Tschüss.'' ,, Tschüss und viel Spass.'' ,, Danke.'', sage ich wenig begeistert. Ich gehe in Mamas Büro, fahre den Pc hoch und öffne die erste Mail.

_Lina_ schreibt:

Hallo, ich weiss nicht mehr weiter. Ich bin seit drei Jahren in einen Jungen verliebt und komme auch sehr gut mit ihm aus. Aber einmal ist er so und dann wieder so. Nett, abstossend, abwehrend und dann wieder total lieb. Was soll das? Soll ich ihn darauf ansprechen? Hab ich eine Chance bei ihm? Danke für deine Hilfe, Lina

Antwort: Hallo Lina, sprich ihn auf jeden Fall auf sein Verhalten an. Dann siehst du weiter. Ob du eine Chance hast, musst du herausfinden. Wenn du mit ihm gepsrochen hast, siehst du dann weiter. Frag ihn, ob es wegen dir ist.
Deine Marianna

*Claudia* schreibt:

Hallo Marianna
Mein Freund und ich sind schon drei Wochen zusammen. Aber wir streiten uns andauernd. Aber wir vertragen uns genauso schnell wieder. Wir lieben uns sehr. Wir sind nicht zu oft und nicht zu wenig zusammen. Wir unternehmen viel mit Freunden, getrennt und zusammen. Ist es normal? Sollten wir Schluss machen? Ich liebe ihn und er mich. Er hat mir gestern einen Ring geschenkt, wo 'Love 4Ever' draufsteht. So süss. Was soll ich tun?
Deine Claudia

Antwort: Hallo Claudia, dass du mit deinem Freund streitest ist normal. Auch wenn ihr frisch zusammen seid. Gerade deswegen. Ihr müsst erst herausfinden, was für euch stimmt, und was nicht. Werft ihr euch Fluchwörter an den Kopf, wenn ihr streitet? Oder sind es Meinungsverschiedenheiten? Versucht eure Probleme in Ruhe und ohne Beleidigungen zu lösen.
Deine Marianna

Nick123 schreibt: Hallo, brauche sehr dringend deine Hilfe! Ich habe seit kurzem eine Freundin. Ich liebe sie sehr und will sie nicht verlieren. Aber es gibt ein kleines Problem. Ich habe ein Geheimnis vor ihr, dass ich nicht sagen kann. Meine erste Freundin hat es herausgefunden und deshalb Schluss gemacht. Ich will ehrlich sein zu meiner Freundin, aber ich will sie deswegen nicht verlieren. Soll ich riskieren, dass ich sie verliere und dafür ehrlich sein, oder weiterhin das Geheimnis für ich behalten und sie nicht verlieren?
BITTE HILF MIR! Nick123

Antwort: Hallo Nick123, du weisst, Ehrlichkeit ist immer das allerwichtigste in einer Beziehung. Ehrlichkeit und Treue. Ich an deiner Stelle würde es riskieren. Wenn sie es anders herausfindet verlierst du sie garantiert, so wie deine Ex. Wenn du es ihr selbst sagst, gibt sie dir vielleicht noch eine Chance, weil du so ehrlich warst. Ich wünsch dir viel Glück!
Deine Marianna

Seltsam. Dieser Nick hat auch ein Geheimnis und er heisst Nick. Nick wie Niklas. Ach, was reim ich mir wieder zusammen? Wieso sollte Niklas schreiben? Tzz. Ich sollte mich jetzt auf den Weg machen, sonst verpass ich noch den Bus.  

8. Kapitel

Niklas ist schon an der Bushaltestelle, als ich ankomme. Ich steige aus, er kommt lächelnd auf mich zu und begrüsst mich mit einem laaangen Kuss. In meinem Bauch kribbelt es wie verrückt. Dann lässt er mich wieder los. ,, Endlich. Hab dich schon total vermisst.'' ,, Echt?'' ,, Klar. Soll ich dir die Tasche abnehmen.'' ,, Ne, lass mal. Ich nehm' sie selber.'' ,, Ok. Komm, wir müssen nur fünf Minuten laufen.'' ,, Ist dein Vater wirklich einverstanden, dass ich komme und über Nacht bleibe?'' ,, Und wenn nicht...mir egal. Du kannst auf jeden Fall bleiben.''
,, Niklas, ich will keinen Ärger bereiten. Wenn ich später nach Hause soll, sag es einfach, ja?'' ,, Ist schon ok Lilly, wirklich.'' Ich glaube ihm nicht wirklich. Er merkt es wohl. Denn er hält mich am Arm leicht fest und schaut mich an. ,, Mein Vater ist...wie soll ich sagen...anders. Er ist nicht der Traumvater, den sich ein Kind wünscht. Er...er behandelt mich auch nicht immer gerecht, aber jeder Vater macht seine Fehler. Ich auch. Er wird nichts dagegen haben, dass du über Nacht bleibst. Wir verhalten uns schliesslich ruhig. Alles klar?'' Ich nicke. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich eine Weile, bevor wir weitergehen. Als wir bei ihm ankommen, stellt Niklas mich kurz seinem Vater vor: ,, Paps, das ist Lily. Sie bleibt über Nacht hier.'' ,, Mh.'' Niklas seufzt leise und zieht mich in sein Zimmer. Auf seinem Pult steht ein kleiner Fotorahmen, wo eine Frau drauf ist, die Niklas ähnlich sieht. Ich betrachte es eine Weile. ,, Meine Mutter. Sie war für mich alles. Jetzt hab ich dich. Jetzt bist du alles für mich.'' ,, Du hast noch deinen Vater, Niklas.'' ,, Pah! Mein Vater...der hat nur seinen Scheiss im Kopf. Ich bin froh, dass ich dich habe.'' ,, Ich bin auch froh, dich zu haben.'' Er lächelt mich an, dann sagt er: ,, Ich hole eine Matratze für auf den Boden. Du kannst in meinem Bett schlafen.''
,, Bloss nicht!'' ,, Wieso nicht?'' ,, Ich schlafe am Boden. Keine weiteren Fragen.'' Niklas sieht mich noch kurz an, dann zuckt er mit den Schultern und holt die Matratze. Ich richte mich etwas ein und Niklas meint: ,, Ich gehe noch schnell runter. Bin gleich wieder da.'' ,, Klar, mach nur.'' Er geht runter und- raus. Ich höre nur, wie er leise etwas zu seinem Vater sagt und raus geht. Tja, dann dauert es wohl etwas länger. Ich schaue mich in seinem Zimmer etwas um. Neben der Tür, wenn man reinkommt rechts, ist gleich ein Schrank. Wohl der Kleiderschrank. Ich weiss nicht, was mich dazu treibt und was ich mir dabei denke (wohl nichts), dass ich einfach den Schrank öffne. Wow! Die Kleider die er drin hat, sind bestimmt alles Markenkleider. Er hat noch nie so teures Zeug angehabt. Ich schaue mir eine Lederjacke an. Das Preisschild ist noch dran. Also neu. Puh! Teuer war sie jedenfalls. 165 Franken. Und dann hat er noch eine superteure aber schöne Sonnenbrille. Ganz in schwarz und an den Bügeln hat es silberne Streifen. Echt cool. Die kostete knappe 80 Franken. Ich schliesse den Schrank wieder. Dann sehe ich mir seine CD-Sammlung an. Bestimmt 30 verschieden CDs. Alles Pop, Rock und Hip Hop. Bei ein paar ist der Preis sogar noch dran. Dann sein Bücherregal. Das ist gleich neben dem Bett, das Bett gegenüber der Tür. Am Fussende des Bettes ist das Pult und danach das Fenster. Im Bücherregal sind etwa 20 Bücher und noch ein paar Comics. Dann noch eine schöne Tasse. Weiss und drauf steht: Für meinen lieben Sohn Niklas. Deine Mam. Och, wie schön. Ich schaue sie mir genauer an und nehme sie in die Hand. Nanu? Was ist denn das? In der Tasse sind Ketten drin. Eine blaue, weisse, grüne und rote Kette. Ist es nur Zufall oder...nein, kein Zufall. Die sehen genauso aus, wie die meiner Mutter. Es SIND die meiner Mutter. Was machen die hier? Wieso sind sie hier? Logisch, Niklas hat sie wohl genommen als er auf die Toilette ging. Naja, dann ging er wohl doch nicht auf die Toilette. Wieso hat er das gemacht? Verdammt, wusst ich's doch! Er ist wie jeder anderer Junge. Er nützt mich aus und bestiehlt meine Mutter. Wieso? Wieso Niklas? Ich setze mich mit der Tasse auf sein Bett. Ich will wissen, was los ist. Ich lasse meinen Blick durch sein Zimmer schweifen. Was ist denn das? Ich stelle die Tasse vorsichtig auf's Bett und gehe zum Pult. Dort ist ein iPod. Er sieht aus, wie der von Nadine. Pink mit gelben Sternen drauf. Die Sterne hat sie selbst draufgeklebt. Ich schaue ihn mir an. Es ist genau ihrer. Nadine hat er also auch noch bestohlen. Aber wieso? Ich hatte nicht den Eindruck, dass er einfach ein fieser Dieb ist. Er hat bestimmt einen Grund. Einen guten Grund. Ich höre unten die Türe aufgehen, Niklas, der was zu seinem Vater sagt und dann die Treppe hochkommt. Die Zimmertür geht auf und Niklas kommt rein. Ich habe den iPod immer noch in der Hand. Niklas sieht es sofort. Ich schaue ihn einfach nur an. Traurig, verletzt, fragend. ,, Lilly. Lass mich bitte erklären.'', sagt Niklas leise, sieht mich flehend an und kommt langsam auf mich zu. ,, Dann erklärt, weshalb du meine beste Freundin und meine Mutter bestiehlst.'' ,, Ich stehle, damit ich verkaufen und Geld verdienen kann.'' ,, Hä? Aber, wie wär es mit einem Job? Wieso stehlen? Das bist doch nicht du, Niklas.'' Ich gehe auf ihn zu und halte ihn an den Schultern. Niklas sieht zu Boden. ,, Wieso tust du das?'' ,, Wegen meinem Vater.'', sagt Niklas leise. ,, Er hat seinen Job schon lange verloren. Und jetzt stehle ich ab und zu Sachen, die wir verkaufen und wieder Geld verdienen.'' ,, Du bestiehlst meine beste Freundin und meine Mutter, weil du damit Geld verdienst?'' Er nickt. Ich spüre, dass es nicht die ganze Wahrheit ist. Dass es noch mehr gibt. ,, Niklas. Es gibt da doch noch mehr. Was ist los?'' ,, Ich kann es nicht sagen, Lilly, tut mir leid.'', sagt er etwas lauter, sieht mich entschlossen und etwas traurig an und macht sich von mir los. ,, Ich weiss, ich hätte es dir sagen müssen und das hatte ich auch vor. Aber noch nicht jetzt. Nimm den iPod und die Ketten deiner Mutter wieder. Ich hätte es eh nicht über's Herz gebracht, das zu verkaufen. Nimm es.'' ,, Und die anderen Sachen?'' ,, Die verkaufe ich.'' ,, Du weisst hoffentlich, dass ich nicht mit einem Dieb zusammen sein will und dich auch anzeigen könnte, wegen Diebstahl.'',, Tu es bitte nicht. Ich mache Schluss, aber dann lass mich in Ruhe. Ich will keinen Ärger wegen dir und dir auch keinen Ärger machen.'' ,, Du machst Schluss?'' ,, Ja, mach ich. Was dagegen?'' Ich weiss, dass er es nicht will, Schluss machen, aber er tut es trotzdem. Ich spüre mal kein Wutgefühl nur ein Trauigkeitsgefühl. Ich wurde verletzt. Dabei wollte ich nie so leiden. Jetzt bin ich selbst in die Falle getappt. ,, Wieso hast du das getan? Du bist so ein verlogener Kerl! Von wegen ,Ich bin anders'.'', ahme ich ihn nach. ,, Du bist genauso! Wieso? Verdammt nochmal! Wieso?'', schreie ich. Jetzt verliere ich die Kontrolle über mich. Ich gebe ihm keine Ohrfeige. Das will ich nicht. Aber ich stosse ihn und schreie ihn an. ,, Niklas! Du bist nicht so! Niklas! Nein!'', schreie ich weiter, als die Tür aufgerissen wird und sein Vater in der Tür steht. ,, Verdammt Niklas! Was macht dieses Gör für einen Lärm! Sie soll still sein, sonst werf ich sie raus!'' ,, Papa lass sie, ja? Ich regle das schon.'', will Niklas seinen Vater besänftigen. Doch der ist stinksauer. Ich nehme Niklas am Arm. ,, Wieso? Niklas, sag mir doch endlich mal die Wahrheit. Die ganze Wahrheit. Bitte!'' Ich schüttle ihn ein wenig.
,, Lilly, lass mich. Tut mir leid, aber es geht nicht. Kapier es einfach!'', ruft Niklas, hält mich an den Schultern fest und in dem Moment packt mich sein Vater und gibt mir eine Ohrfeige.
,, Jetzt halt den Mund und verschwinde aus diesem Haus!'', schreit er. Ich halte mir die Wange, Tränen rollen über meine Wange und ich schaue Niklas an. Er hat die Hand vor seinen Mund geschlagen und sieht mich entsetzt an. Sein Vater lässt mich los. ,, Paps, geh raus, aber schnell.'' ,, Wenn sie in drei Minuten nicht draussen ist...'' ,, Paps! Raus!'', sagt Niklas nochmals und sein Vater geht tatsächlich. Als er weg ist und die Tür hinter sich zugezogen hat, kommt Niklas langsam auf mich zu. ,, Lilly, es...es tut mir wahnsinnig leid.'', sagt er leise.
,, Lass mich.'', flüstere ich. ,, Lass mich einfach.'' ,, Du...du zeigst meinen Vater doch nicht an, oder?'' Ich schaue ihn nur an und sage dann: ,, Hälst mich also doch für so wie Heiko dir immer erzählt. Für fies, gefährlich, gewalttätig und weiss nicht noch was.'' ,, Nein, habe nur gefragt.'' Ich räume meine Sachen und gehe zur Tür. ,, Ich bringe dich zum Bus.'' ,, Du tust gar nichts mehr, was mit mir zu tun hat. Du hast Schluss gemacht, du Mistkerl. Du lässt mich in Ruhe, damit das klar ist, sonst werde ich dann wirklich gefährlich. Dann mache ich dasselbe mit dir wie mit Anton, kapiert?'', drohe ich ihm und gehe.  

9. Kapitel

Auf dem ganzen Weg zum Bus weine ich, dann rede ich mir wieder ins Gewissen. Wieso weine ich jetzt? Er ist es nicht wert. Er war es noch nie wert. Ich wusste es einfach. Es sind ALLE gleich! Aber er tut mir irgendwie auch leid, weil ich weiss, dass noch was ist. Wenn sein Vater zu ihm so ist, wie er zu mir war, dann viel Spass mit ihm. Ob er Niklas manchmal schlägt? Ob er für die Diebstähle verantwortlich ist? Naja, Niklas habe ich sowas wirklich nicht zugetraut. Aber seinem Vater traue ich das schon zu. Er ist Arbeitslos und das ist ja nichts, worüber man sich freuen kann. Dann ist er vielleicht oft wütend und schlecht gelaunt und läst seinen Frust an Niklas raus. Niklas stiehlt Sachen zum wiederverkaufen, damit sie Geld verdienen. Wieso sucht er sich nicht einfach einen Job? Dann wäre das Problem halb gelöst. Natürlich kann Niklas nicht für sich und seinen Vater so viel Geld verdienen. Aber einen Teil. Und ich hätte ihm gerne geholfen. Aber das ist ja nun nicht so. Am liebsten würde ich jetzt einfach zu ihm gehen, ihn in den Arm nehmen und sagen, dass ich für ihn da bin, egal, was weiterhin passiert. Wieso mach' ich es dann nicht? Er hat mich angelogen, verletzt und bestohlen. Dann hat er noch Schluss gemacht. Eigentlich wollte ich das tun. Das ist das Letzte. Aber es ist vorbei. Wir sind nicht mehr zusammen, obwohl ich ihn noch liebe. Tja, die Gefühle werde ich bestimmt noch in den Griff bekommen, sonst such ich mir eine gute Ablenkung. Mein Handy piepst, Eine Sms von Niklas. Ich öffne sie und lese:

Meine Lilly
Es tut mir wahnsinnig leid, was ich getan habe. Ich weiss,
es war falsch und ich hätte dir schon von Anfang an davon
erzählen sollen, was ich mache, aber ich wollte dich nicht
verlieren, was ich jetzt doch habe. Vielleicht wird einmal
mein Glückstag kommen, wo ich dich wieder als
Freundin gewinne. Ich liebe dich immer noch und das wird
noch lange so sein, wenn nicht für immer. Vielleicht hast du
jetzt vor, meinen Vater anzuzeigen, wozu du auch das Recht
hättest. Ich bitte dich: Tu es nicht. Ich habe sonst niemanden
mehr. In meinem Herzen habe ich dich noch, aber sonst
niemanden. Wenn ich noch eine Mutter hätte, hätte ich ihn
schon lange angezeigt. Aber auch, wenn er mir gegenüber
nicht immer gerecht ist, er ist mein Vater. Und irgendwo hab
ich ihn lieb. Aber Lieben tue ich nur Dich, meine Lilly!
I Love You
Jetzt geht's einfach nicht anders. Ich weine los. Inzwischen bin ich bei der Bushaltestelle angekommen und habe mich auf die Bank gesetzt. Ich weine und weine und weine und merke nicht, wie sich ein Typ neben mich setzt. ,, Ei, ei, ei, da hat aber jemand Liebeskummer.'', sagt er plötzlich. Ich höre ganzes Mitleid aus seiner Stimme heraus. ,, Hier, nimm ein bisschen Schokolade, hilft meistens.'' Ich ziehe die Nase hoch und nehme das Stück Schokolade, obwohl ich fast nichts runterbringe. ,, Danke.'' ,, Hat er dich begtrogen?'' ,, Ne.'' ,, Belogen?''
,, Ja.'', bringe ich gerade noch vor dem nächsten Schluchzanfall. Der Typ rückt näher an mich heran und legt mir seinen Arm um die Schulter. ,, Aber dann muss er dich heftig belogen haben, wenn du gleich so weinst. Eine Lüge kann man doch verzeihen. Oder nicht?'' ,, Nicht, wenn es mit Diebstahl zu tun hat.'' ,, Ohoh, klingt nicht gut. Willst du darüber sprechen? Hilft auch. Auch wenn es ein Zuhörer ist, den man nicht kennt. Vielleicht kann ich dir ja helfen.'' ,, Kann niemand.'' ,, Versuchen kann man's ja.'' Ich seufze. ,, Na gut.'' Ich erzähle dem Typen also meine Geschichte und er hört mir aufmerksam zu. Als ich fertig bin, sagt der Typ erstmals nichts. Dann räuspert er sich. ,, Ok, so eine Lüge kann man fast nicht verzeihen.'' ,, Fast nicht? Überhaupt nicht.'' ,, Hör mal zu. Ich erzähl dir die Geschichte jetzt nochmals genauso, wie du sie mir erzählt hast.'' Ich schaue ihn etwas schief an. ,, Wirst schon sehen, weshalb.'' Er erzählt sie also genauso, wie ich es getan habe. Dann fragt er: ,, Und? Hörst du was?'' ,, Was? Kommt der Bus?'' Ich horche auf, höre aber nichts. ,, Nein, ich meine aus der Geschichte. Der verschweigt dir was, weil er nicht darüber sprechen kann und nicht darf, aber will. Er liebt dich jedenfalls über alles. Er wollte dich nicht verlieren und hat erst nichts erzählt. Dann hast du's herausgefunden und er wusste: Jetzt ist's aus. Er macht aber Schluss, was dich wütend gemacht hat. Aber er wollte nicht Schluss machen, tat es aber, weil er nicht noch mehr verletzt werden wollte.'' ,, Wieso jetzt wieder er? Ich habe nicht gelogen, ich habe nicht gestohlen.'' ,, Er MUSS stehlen, er MUSS lügen. Er macht es nicht freiwillig. Er wollte dich auch nicht verlieren. Hat er jetzt aber. Aber er hat dir nicht alles erzählt, weil er nichts schlimmer machen wollte und nichts sagen durfte. In ihm sprudelt die Glut, wie bei einem Vulkan, der aber nicht ausbrechen darf, weil er sonst viele Menschen verletzt und verliert. Deshalb wartet er, dass es jemand herausfinden kann oder ihm zuhört und auch versteht und nicht alleine lässt. Er hat niemand mehr. Nur einen Vater, der nach meiner Meinung nach, gewalttätig zu ihm ist. Wenn du ihn jetzt alleine lässt, wird nichts besser. Du leidest unter Liebeskummer, obwohl du noch mit ihm zusammen sein und ihm helfen könntest, was seinen Vater betrifft. Aber jetzt leidet er alleine und du wirst von deiner Mutter und Freunden getröstet. Er hat gehofft, dass du ihn verstehen würdest, hat sich aber leider getäuscht.'' ,, Ich hab mich getäuscht mit ihm, nicht er mit mir.'' ,, Denkst du. Wie heisst du?'' ,, Lilly.'' ,, Also, er dachte: , Lilly ist ein so hübsches und nettes Mädchen. Sie wird mich verstehen, wenn ich es ihr einmal erzähle, wenn unsere Beziehung stark ist.' Leider findest du es vorher heraus und wirst wütend. Er denkt: , Verdammt, jetzt verliere ich das Mädchen, das ich liebe. Wird mich jemals jemand verstehen?' Kapierst du?'' ,, Hm...irgendwie schon.'' ,, Also. Was tust du als nächstes?''
,, Mich von dem Schock erholen und dann seh ich weiter.'' ,, Du hast nichts kapiert. Du solltest dich jetzt mit deinem Freund aussprechen, ihm das Gefühl geben, dass du für ihn da bist, ihm verzeihen und helfen.'' ,, Er ist mein Ex. Schliesslich hat er ja Schluss gemacht, nicht ich.'' ,, In euren Herzen seid ihr noch zusammen. Mein Bus kommt. Lilly, ich hoffe, dass du zur Vernunft kommst und ihr wieder ein Paar werdet. Du leidest nämlich nur wegen dir. Also, ciao.'' Der Bus kommt und er steigt ein. Puh! Der Typ hat ja mehr gequasselt, als Nadine und ich es in einer Woche tun. Aber er hat es logisch und gut erklärt. Trotzdem. Ich kann nicht zurück. Jetzt nicht. Später einmal.

10. Kapitel

Tja, dieses ,Später einmal' dauert lange. Sehr lange. Ich leide jedenfalls noch lange. In den nächsten drei Tagen gehe ich nicht zur Schule, weil ich andauernd einen Weinkrampf kriege. Es erinnert mich aber auch alles an Niklas. Die Farben, Gegenstände und einfach alles. Oder es liegt nur daran, dass ich in den nächsten Tagen nur an ihn und seine wunderschönen Augen und weichen Lippen denken kann. Nadine schreibt mir, wie es mir ginge und wann ich wieder kommen würde. Ich habe vor, nach drei Tagen in die Schule zu gehen. Mach ich auch, ist aber ein grosser Fehler. Als ich in der Pause Niklas von weitem nur von hinten sehe, renne ich sofort auf die Toilette und weine zehn Minuten lang. Als ich am Nachmittag unterwegs zum Schulzimmer jemanden ,Niklas!' rufen höre, renne ich wieder auf die Toilette und weine wieder eine Runde. Nadine fragt mich einmal: ,, Du liebst Niklas doch noch, oder?'' ,, Ja, aber es ist aus. Meine Gefühle sind am verblassen.'', was sehr gelogen ist. Ich habe das Gefühl, dass sie immer stärker werden. Doch ich versuche nicht zu sehr an ihn zu denken. Was aber nicht heisst, dass ich fröhlich bin und lachen kann. Auch nicht nach zwei Wochen...
...weine ich zwar nicht mehr, weil ich glaube, dass nichts flüssiges mehr in mir ist, doch ich bringe kein Lächeln zustande. Wir machen ein Klassenfoto. Shit! Ich stelle mich hinten hin, damit man meine Trauermiene nicht so gut sieht. Doch der Fotograf sieht alles. ,, Lilly, lächeln.'', sagt er auch schon. Ich schaue so, wie immer. Kein Lächeln. ,, Lilly, komm schon. Schönes Wetter draussen, die Vögelchen zwitschern und die Ferien fangen in zwei Wochen an. Drei Gründe zum Lächeln.'' ,, Es gibt aber mehr Gründe nicht zu Lächeln. Ich gehe.'', sage ich und gehe. ,, He, du kannst doch nicht so einfach gehen!'', protestiert Herr Schuhmann. ,, Doch, kann ich. Und jetzt lasst mich in Ruhe.'' ,, Sie hat Liebeskummer. Wenn wir sie nicht lassen, wird sie noch gefährlich.'', ruft ein Junge. Ich bin zu müde und traurig und verletzt, als, dass ich jetzt wirklich hätte gefährlich werden können. Deshalb drehe ich mich nicht mehr um und gehe. Ich laufe und laufe und laufe, bis ich zu Hause bin. Das sind eineinhalb Kilometer. Zu Hause lege ich mich in mein Bett und schlafe bald ein.
Das nächste Mal, wo ich erwache, sitzt meine Mutter bei mir und streicht mir über's Haar. Ich habe ihr nur erzählt, dass mit Niklas und mir Schluss ist. Und gebrummt hab ich noch: ,, Er war's.'' Meine Mutter hat zum Glück nicht weitergefragt. ,, Lilly, geht's dir immer noch nicht besser?'', fragt sie nun besorgt. ,, Geht schon. Bin nur müde.'', murmle ich. ,, Hast du wieder Briefe zu beantworten?'', frage ich. ,, Meinst du, es ist das richtige, Kummerbriefe zu beantworten?'' ,, Einfach nur Ablenkung bitte.'' ,, In drei Tagen wieder. Aber im Moment habe ich frei. Machen wir was schönes zusammen?'' ,, Keine Lust.'' ,, Ok. Ich bestelle Pizza. Wenn du magst, kannst du dann auch nehmen, aber ich habe gerade Lust dazu.'' ,, Mhm.''
Ich esse dann tatsächlich ein bisschen. Seit drei Wochen habe ich nicht mehr richtig gegessen. Zwei Stück Pizza esse ich. Dann ist fertig. Ich schaue mit Mam noch einen Film, dann gehe ich ins Bett und schlafe auch bald wieder ein.
Zirka eineinhalb Wochen später, als ich fast gezwungenermassen mit Nadine in die Stadt gehen, läuft uns wer über den Weg? Niklas. Wir, also ich, renne quasi fast in ihn hinein. Wir kommen gerade aus dem H&M, als ich einem Typen knapp ausweichen kann. ,, Oh, tut mir leid, ich...'' Er stockt. Und ich halte die Luft an. Niklas. Was tut der denn hier? frag ich mich in Gedanken. ,, Hei Niklas.'', begrüsst Nadine ihn, damit wir nicht noch Jahrhunderte sprachlos hier herumstehen. ,, Hei Nadine.'', sagt Niklas mühsam. ,, Bist du alleine hier?'', fragt Nadine weiter. ,, Ja, ich...wollte nur was besorgen.'' Mit oder ohne Geld? denk ich für mich. Dann reagieren meine Beine plötzlich schneller als ich und schon lauf ich in die andere Richtung davon. Ich höre nicht was Nadine zu Niklas sagt: ,, Tut mir leid, Niklas. Sie braucht einfach noch Zeit. Verstehst du hoffentlich. Das erste Mal, wo man einen Freund hat, weil man sonst nicht das grösste Vertrauen zu Jungs hatte und schon wird man belogen. Aber ich weiss auch, dass du es nicht leicht hast.'' ,, Mhm. Tut mir überigens leid wegen deinem iPod.'' ,, Schon ok. Hab ihn ja wieder. Tschüss.'' ,, Tschüss.'' Nadine dreht sich um, um mir zu folgen, als Niklas sie noch zurückhält. ,, Nadine?'' ,, Ja?'' ,, Sag Lilly, dass ich sie immer noch liebe und nie wieder stehlen werde.''
,, Werd ich ihr sagen.'' Und dann folgt Nadine mir endlich. ,, Was wollte er denn noch?'', frag ich sie, als sie bei mir ist. ,, Ich soll dir ausrichten, dass er dich immer noch liebt und nie wieder stiehlt.'' ,, Wer einmal stiehlt, stiehlt immer.'', murmle ich. ,, Nein, das ist nicht wahr. Ich an deiner Stelle würde ihm eine zweite Chance geben.'' ,, Ich bin ich und nicht dich, also.''
Das Schicksal ist wohl der Meinung wie Nadine und will mich unbedingt wieder mit Niklas zusammenbringen. Als ich fünf Tage später noch für meine Mutter einkaufen gehe, läuft mir Niklas wieder über den Weg. Ich will gerade eine Packung Reis nehmen, als jemand in mich hineinläuft. ,, He! Kannst du nicht aufpassen?'', rufe ich empört, drehe mich um und- schaue wieder einmal in die Augen von Niklas. ,, Tu...tut mir leid, Lilly. Hab dich nicht gesehen.'', entschuldigt er sich, als jemand ruft: ,, Dieser Junge hat mein Geld gestohlen!'' Wir schauen beide gleichzeitig zu dieser Person. Es ist eine etwa 50- Jährige Frau, ziemlich dick und stark geschminkt. Sie kommt auf uns zu und ruft: ,, Gib mir mein Geld zurück! Sonst zeig ich dich an, verstanden?'' ,, A...aber ich h...habe nichts geklaut, ehrlich!'', stammelt Niklas verzweifelt. Ich schaue abwechselns von der Frau zu Niklas. Sagt er die Wahrheit? Oder hat die Frau recht? ,, Lilly, ich habe dieser Dame nichts gestohlen, glaub mir!'', bittet Niklas mich. Er sieht echt verzweifelt aus und ich weiss nicht, was ich tun soll. ,, Durchsuchen Sie diesen Junge, sofort!'', ruft die Frau jetzt. Der Mann an der Kasse kommt und sagt: ,, Tut mir leid, aber ich muss dich leider mal durchsuchen.'' Niklas hebt die Arme und der Mann tastet ihn ab. Dann zieht er aus der Jacke von Niklas tatsächlich einen Geldbeutel. ,, Gehört der Ihnen?'', wendet sich der Mann an die Frau. ,, Ja, das ist meiner.'' Ich schaue Niklas an. Ungläubig und enttäuscht. Wieso hat er wieder gelogen? Wieso hat er wieder gestohlen? ,, Lilly, ich war's nicht. Jemand hat mir den Geldbeutel untergejubelt. Bitte glaub mir doch. Lilly.'', bettelt er verzeifelt und nimmt meine Hände in seine. Seine Hände sind immer noch so schön warm. Ich blicke zu Boden. ,, Ich muss dich leider mitnehmen, mein Junge.'', sagt der Mann nun. Bevor er Niklas mitnimmt, gibt Niklas mir noch einen Kuss auf die Wange und flüstert in mein Ohr: ,, Ich liebe dich, Lilly.'' Und dann führt der Mann Niklas weg. Kaum sind sie verschwunden, meint die Frau: ,, Wird Zeit, dass man diesem Jungen mal zeigt, wo's lang geht.'' Da kommt die Wut richtig in mir hoch und ich schreie: ,, Wegen Ihnen kriegt er nun Ärger mit seinem Vater! Er hat es sonst nicht leicht! Sie sind so...bescheuert!'' ,, Kind, wie redest du denn mit mir?'', fragt mich die Dame entsetzt. Doch ich stürme nach draussen und renne einfach weg. Ich renne in den Park zu einem abgelegenem Bänkchen und weine, bis ich nicht mehr kann. Ich will es nicht wahrhaben, aber ich weiss, dss ich Niklas immer noch liebe. Aber ich bin so enttäuscht von ihm. Was soll ich denn jetzt tun?
Als ich nach Hause komme, merke ich, dass ich gar keine Einkäufe bei mir habe. Meine Mutter wundert sich genauso darüber. ,, Nanu? Haben sie schon alle Regale leergeräumt oder wieso bringst du nichts mit?'' ,, Lange Geschichte.'', murmle. ,, Erzähl.'' Ich erzähle Mam in der Küche, was passiert ist. ,, Was soll ich denn jetzt tun?'' ,, Was ich jetzt NICHT tun würde ist, Niklas alleine zu lassen. Du weisst selber, dass er es nicht einfach hat, mit seinem Vater. Und wer weiss, was sein Vater alles mit ihm anstellen wird.'' ,, Ich muss zu ihm, aber...er hat mich wieder angelogen.'' ,, Meinst du, als er dir gesagt hat, er sei es nicht gewesen, dass er dich angelogen hat?'' ,, Naja...er hat ziemlich verzweifelt ausgesehen. Und mein Herz hat geschlagen wie weiss- nicht- was.'' ,, Eben. Lilly, es wird Zeit, dass du wieder zur Vernunft kommst.'' ,, Ich?'' ,, Ja, du. Du leidest seit Wochen unter eurer Trennung und gehst fast kaputt vor Liebeskummer. So gut man streiten kann, muss man auch verzeihen können.'' Somit steht Mam auf und geht in ihr Arbeitszimmer. Ich aber, bleibe stur. Ich bringe es einfach noch nicht soweit, zu Niklas zu gehen. Ich weiss auch nicht genau, weshalb nicht.

11. Kapitel

Nadine hat übermorgen, am Samstag, Geburtstag und veranstaltet eine Fete. Natürlich lädt sie ihr Freund, mich und ein Paar aus ihrer Klasse ein. Ich helfe ihr bei den Vorbereitungen.
,, Unser Keller ist zum Glück gross genug, also können wir da Musikanlage, Kuschelecke, Tanfläche und die Theke einrichten. Philip hilft mit der Musikanlage. Könntest du dich um die Getränke kümmern und Chips mitbringen?'', fragt sie mich, als ich bei ihr im Zimmer auf dem Bett sitze und mit ihr alles durchplane. ,, Klar, kann ich. Wann soll ich denn kommen?'' ,, So gegen 18.00 Uhr?'' ,, Ok. Und die Musik? Die Kissen?'' ,, Die Musik besorge ich, zwei Kissen solltest du noch mitbringen. Und...das wär es dann eigentlich auch. Lichterketten haben wir, Ballons, Girlanden...ja, das ist alles.'' ,, Ok, dann geh ich jetzt nach Hause. Ich weiss nicht, was ich anziehen soll.'' ,, Ich auch nicht. Komm, fahren wir doch noch in die Stadt und besorgen uns wieder einmal etwas cooles zum Anziehen.'' ,, Ok. Wer kommt eigentlich bis jetzt alles?'' ,, Also: Du, Philip, Kristina, Marlene, Anna, Chris, Maik und Mark.''
,, Klingt gut. Also, gehen wir?'' ,, Jep, komme schon.'' Zum Glück ist es noch nicht so spät. Wir haben noch gute zwei Stunden Zeit. Wir werden auch sehr schnell fündig. Nadine kauft einen braunen Ledermini, dazu ein rotes Top und eine schwarze Kette. Ich kaufe mir schwarze Röhrenjeans, schwarzes Top, einen silbernen Gürtel, wo vorne drauf COOL steht und fünf schwarze Armreifen. Die passende Jacke und die Schuhe habe ich zu Hause.
Ich fahre gleich nach Hause und suche die Sachen für den Samstag zusammen. Ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich an Niklas denke. Er ist seinem Vater alleine ausgeliefert, ich weiss, wie er (sein Vater) tickt und trotzdem versuche ich nicht, ihm zu helfen, sondern bereite mich für die Party vor. Wie mies ist das denn? Aber ich brauche einfach Zeit. Sehr viel Zeit. Schliesslich sind bald fünf Wochen um. Ich nehme mir vor, bis nach der Party keine trüben Gedanken mehr zuzulassen, auch wenn es sehr, sehr schwer ist.
Am Samstag treffe ich pünktlich bei Nadine ein. Philip ist natürlich schon da. Wir helfen ihr fertig mit den Dekorationen. Dann treffen auch schon die ersten Gäste ein. Ich fühle mich sehr gut. So, wie ich mich vor dem ganzen Riesenkummer gefühlt habe. Ich habe wieder diese Mauer um mich aufgebaut. Aber heute werde ich bestimmt nicht reinhauen, wenn mir jemand zu nahe kommt. Ich habe die Haare offen, die Augen etwa dunkel geschminkt, die Nägel schwarz, meine schwarze Jacke, Top und die Armreifen an. Dann noch die schwarzen Röhrenjeans, mein Gürtel und schwarze Schuhe. Die Jacke habe ich offen. Maik darf den DJ spielen. Aber er macht seine Sache wirklich sehr gut. Ich habe mich zu ihm gestellt und quatsche nun ein bisschen mit ihm. Ein paar Tanzen schon. Es sind durchaus mehr da, als geplant. Nadine stört es nicht, weil die meisten sehr nett sind und sich alle gut verstehen.
,, Willst du nicht ein bisschen tanzen gehen?'', fragt Maik mich. ,, Willst du mich loswerden?'', frage ich zurück. ,, Nein, aber du kannst bestimmt gut tanzen.'' ,, Ne, überhaupt nicht. Ich hole mir was zu Trinken. Auch was gefällig?'' ,, Gerne.'' Ich schlendere zu den Getränken, nehme zwei Cola und bin schon auf dem Rückweg. ,, Hier, deine Cola.'' ,, Danke.'' Ich lasse meine Augen durch den Raum schweifen, doch Nadine ist niergends zu entdecken. Philip aber schon. Wenn ich gewusst hätte, wo sie ist, dann...puh!
Nadine ist nämlich oben bei der Haustür und begrüsst einen weiteren Gast. ,, Meinst du wirklich, dass es eine gute Idee ist?'', fragt dieser Gast gerade. ,, Bestimmt. Komm jetzt. Da musst du jetzt durch.'' ,, Hilfe.'' ,, Stell dich nicht so an. Wird schon alles schief gehen.'' ,, Davon geh' ich aus.'', murmelt dieser Gast.
Maik sagt gerade: ,, Ich glaube, jetzt leg ich mal einen Schmusesong auf.'' Und ins Mikro sagt er: ,, So, ihr Jungs und Mädels, jetzt kommt ein Song für alle frisch verliebten Päärchen oder,'', er schaut zu mir, ,, für diejenigen, die es eigentlich wieder werden sollten. Springt über euren Schatten. Los!'' Bevor ich nachfragen kann, was das gerade hätte werden sollen, nickt Maik zur Tür. Ich schaue hin und- nein! Nadine und Niklas kommen durch die Tür. Nadine flüstert Niklas was ins Ohr und schiebt ihn in meine Richtung. Was tut er denn hier? Hat sie das gewusst? Klar, sie hat alles eingefädelt. Aber was sollte das bringen, wenn er hier aufkreuzt? Die Antwort erhalte ich bald. Nun steht Niklas vor mir und sagt: ,, Hei Lilly. Wollen wir tanzen?'' Bevor ich noch irgendwas sagen kann, zieht er mich auch schon auf die Tanzfläche, legt meine Arme um seinen Hals und seine Arme um meine Taille. Ich kann immer noch nichts sagen, sondern starre ihn einfach nur an. Meinen Mund habe ich mittlerweile wieder zugekriegt. Wir tanzen engumschlungen. Ich will mich zwar immer noch dagegen sperren, aber es geht nicht mehr. Meine Schmetterlinge im Bauch kehren wieder zurück und langsam lege ich meinen Kopf an seine Brust. Ich schliesse die Augen und merke, wie ich die ganze Zeit gelitten und ihn vermisst habe. Er streicht mir mit seinen Händen über den Rücken. Nach zwei Schmusesongs, sagt Maik ins Mikro: ,, So, jetzt ist genug geschmust. Jetzt wird gerockt!'' Niklas und ich lösen uns voneinander und er gibt mir mit einem Nicken Richtung Ausgang zu verstehen, dass wir jetzt nach draussen gehen. Nicht ganz nach draussen. Nur vor den Keller. Es ist zum Glück sonst niemand hier. ,, Lilly, es tut mir alles wahnsinnig leid. Ich habe grosse Fehler gemacht und erst, als ich mich in dich verliebt habe, habe ich gemerkt, was ich da tue. Als ich dich verloren habe, da wusste ich, dass ich was tun musste. Mir war es damals egal, ob mein Vater mich schlägt, ich wollte dich einfach wieder. Mein Vater sitzt seit vorgestern im Knast. Er tickt nicht mehr richtig und hasst mich. Er will mich nur noch loswerden. Und ich komme jetzt zu Pflegeeltern, die ich gestern kennengelernt habe. Aber ich kann mein neues Leben erst wieder neu beginnen, wenn ich dich wieder habe. Ich liebe dich doch, Lilly.'' Ich kann nicht mehr anders und werfe mich in seine Arme und schluchze: ,, Ich...l...liebe dich a...auch.'' Er streicht mir tröstend übers Haar und flüstert: ,, Meine Lilly.'' Als ich mich wieder etwas beruhigt habe, schaue ich ihn an und sage: ,, Eine Frage muss ich noch loswerden. Was...was war damals wirklich im Supermarkt mit diesem Geldbeutel? Du warst es doch nicht wirklich, oder?'' ,, Nein. Die Dame ist nicht mehr richtig im Kopf und hat es mir selbst reingetan. Sie ist jetzt wieder im Behindertenheim.'' ,, Es tut mir so leid, Niklas. Ich wollte das alles nicht.'' ,, Du kannst doch nichts dafür.'' ,, Ich hätte zu dir halten sollen.'' ,, Ich habe doch Schluss gemacht, nicht du. Ich an deiner Stelle hätte auch nichts mehr von mir gewollt.'' ,, Dann...dann sind wir jetzt wieder...zusammen?'' ,, Das liegt an dir. Willst du mir noch eine Chance geben?'' ,, Ich habe auch Fehler gemacht. Nicht nur du.'' ,, Meine Chance hast du auf jeden Fall.'', sagt Niklas jetzt lächelnd. ,, Meine auch.'' Er beugt sich zu mir und küsst mich endlich wieder. Wir stehen noch lange so da, küssen uns und merken nicht, wie Nadine, Philip und Maik, der die Musik übrigens extra zum Schmusesong gewechselt hat, kurz einmal Mäuschen spielen, die Tür wieder schliessen und zufrieden sind, mit ihrem Plan. ,, Ich wusste, dass es klappt.'', sagt Nadine. ,, Lilly und Niklas sind wirklich ein süsses Paar.'', meint Philip. ,, Und aussehen tut Lilly auch sehr gut.'', schwärmt da Maik ein wenig. ,, Maik?'', fragt Nadine. ,, Die beiden gehören zusammen. Such dir gefälligst jemanden anderes.'' ,, Schon klar.'', zwinkert Maik Nadine zu und geht zurück zum DJ-Pult. Nadine und Philip genissen den nächsten Tanz. Ich und Niklas gehen zu mir nach Hause (von Party haben wir genug und meine Mutter ist weg) und machen es in meinem Zimmer gemütlich. Wir knutschen noch eine Weile auf meinem Bett, als Niklas in mein Ohr flüstert: ,, ,, Ich liebe dich, Lilly. Für immer.'' Er küsst meinen Hals und ich erwidere: ,, Ich dich auch, Niklas.''
Meine Mutter ist am Abend, als sie spät nach Hause kommt total begeistert, als sie uns zwei sieht. ,, Ihr seid wirklich wieder zusammen?'' Wir nicken beide und strahlen über das ganze Gesicht. ,, Das wurde aber auch Zeit.'' Und wie!

Endlich ist alles gut geworden! Niklas und ich haben endlich wieder zueinandergefunden. Niklas' Vater sitzt hinter Gittern und er selbst wohnt jetzt bei seinen Pflegeeltern Helen und Robert. Die sind echt nett und haben mich und meine Mutter auch mit offenen Armen empfangen. Ich dachte zuerst, dass Niklas traurig sein würde, keine richtigen Eltern mehr zu haben, doch nun ist er glücklicher als je zuvor. Er hat mir gesagt: ,, Ich habe jetzt alles. Ich habe Eltern, Freunde, die zu mir halten und eine Freundin, die ich über alles liebe. Was will ich noch mehr?'' Da hatte er natürlich recht. Es haben schon die ersten Familieneinladungen- und Treffen gefolgt. Nadine hab ich auch tausend mal gedankt, dass sie Niklas zur Party eingeladen hat. Was wäre sonst passiert? Ob wir sonst zusammengekommen wären? Vielleicht in 100 Jahren einmal. Jedenfalls bin ich auch glücklich so, wie ich jetzt lebe. Ich liebe dich, Niklas!

Ende

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Tag der Veröffentlichung: 10.07.2010

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