Kapitel Nummer 1
Montagmorgen, ich bringe meine kleine Schwester in die Schule. Ihre Schule liegt nahe bei meiner. Sie geht in die 1. Klasse. Ich selber in die 7. Ich bringe sie jeden Tag in die Schule. Es ist mir egal, ob ich selber zu spät komme. Ich komme aber meist nicht zu spät. Ich ziehe immer früh mit meiner Schwester von zu Hause los. Ich bin froh, wenn ich von zu Hause wegkomme. Meine Eltern, (und die von Nele, logischerweise) streiten sich fast die ganze Zeit. Heute schreiben wir in Mathe eine Arbeit. In Mathe habe ich null Durchblick. Aber das ist mir egal. Ich habe andere Probleme. Ich bin jetzt 14 Jahre alt. Seit meinem 11. Lebensjahr werde ich von meinem Vater geschlagen. Es weiss niemand davon. Weder meine beste Freundin Mona, noch mein bester Freund Daniel. Ich will es ihnen nicht erzählen. Sie würden sich wahrscheinlich Sorgen machen, mich wie das Hochsensibelchen persönlich behandeln und wollen, dass ich zur Polizei gehen soll oder so. Ich wollte nichts davon. Ich war froh, wenn ich in die Schule kam und meine besten Freunde mich fröhlich stimmten mit ihren ewigdauernder-guter-Laune. Wenn sie mich dann immer so mitleidig ansehen würden, nein danke! Das würde ich nicht ertragen. Mona wartet bereits am Schultor auf mich.
,, Hei Lena!'', begrüsst sie mich fröhlich wie immer und umarmt mich kurz.
Machen wir immer so bei unserer Begrüssung.
,, Na, wie geht's?'', fragt sie.
,, Super, dir?''
,, Auch gut. Komm, Daniel wartet schon auf uns.''
Daniel wartet immer bei ''unserem Baum'' auf dem Schulhof auf uns. Links und rechts vom Hof ist Wiese, nicht gross, und auf der rechten Seite steht ein Baum. Eben ''unser Baum''.
Als Daniel Mona und mich sieht, kommt er strahlend auf uns zu. Er umarmt zuerst Mona und dann mich.
,, Na, wie läufts?'', fragt er uns.
,, Gut, gut und bei dir?''
,, Auch gut. Lasst uns hineingehen.''
,, Schon?'', frage ich verwundert.
,, Ja, ich muss noch ein wenig lernen.''
,, Ach,'', grinst Mona, ,, keine Zeit gehabt? Oder keine Lust?''
,, Beides.'', gibt er zu.
Wir gehen also schon fünf Minuten eher rein, als wir eigentlich dürfen. Wir müssen aufpassen, dass uns kein Lehrer sieht. Endlich haben wir es geschafft. Wir drei gehen in dieselbe Klasse. Zum Glück. So haben wir uns auch vor drei Jahren in der 4. Klasse kennen gelernt. Seither waren wir immer zusammen in einer Klasse. Wir überfliegen noch schnell einmal die Lernziele für Mathe. Mona, die den Durchblick am besten von uns dreien hat, erklärt uns alles noch einmal.
,, Habt ihr's kapiert?'', fragt sie am Schluss.
,, Jaja, in etwa.'', meine ich. Ich habe in Mathe immer eine ziemlich lange Leitung.
,, Bei mir geht's eigentlich jetzt sehr gut. Ich hab's kapiert.'', meint Daniel.
Der Glückliche. Ich kapier so gut wie nichts. Egal. Ich hab's gelernt, mehr kann ich auch nicht machen.
Es klingelt gerade, als wir unser Zeug verstauen und uns für den Test vorbereiten.
Nach der Schule laufe ich zur Schule meiner Schwester, um sie abzuholen. Mona und Daniel wohnen in der anderen Richtung als ich. Meine Schwester kommt bald und so laufen wir gemeinsam nach Hause.
,, Ist Mama wohl noch zu Hause?'', fragt sie mich.
,, Keine Ahnung.'' Mir wär's nicht unrecht, wenn sie schon weg wäre. Sie ist eigentlich ab Mitte Morgen weg. Ich will gar nicht wissen wo und was sie macht.
,, Und Papa?''
,, Bestimmt schon zu Hause.'', sage ich.
Er arbeitet im Moment als Angestellter in einer Fabrik. Bei der letzten haben sie ihn rausgeschmissen, nach zwei Wochen, weil er immer zu spät gekommen ist und nicht wirklich gearbeitet hat. Jetzt ist er Hausmann in einem Schulhaus. (Er putzt also Schulhäuser). Andere würden sich vielleicht dafür schämen. Doch dann müsste
ich mich für alles, was meine Eltern tun schämen. Das wäre mir zu viel.
Leider kommen wir bald zu Hause an und gehen in die Küche. Bei uns kocht nie jemand. Naja, doch, ich. Ich koche. Sonst müsste meine kleine Schwester verhungern. Mein Vater kümmert sich nur um seinen eigenen Dreck. Wie es mir und Nele dabei geht, ist ihm scheissegal. Heute steht Spaghetti auf MEINEM Speiseplan. Wenn ich schon immer kochen muss, dann will ich mir auch aussuchen können, was es geben soll. Nele hilft mir natürlich beim aussuchen und kochen. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Mein, also unser Vater hat gute und schlechte Tage. An den guten Tagen, da haben wir ihn lieb und jedesmal denk ich dann; jetzt wird er vielleicht doch noch ein guter Vater. Doch wenn er seine schlechten Tagen hat, da habe ich und vor allem Nele ziemliche Angst vor ihm. Wir wissen dann nicht, was wir sagen dürfen, ohne,
dass er gleich ausrastet und uns richtig anbrüllt. Heute hat er einen mittleren Tag. Er brüllt zwar, ist aber sonst ruhig und lässt uns in Ruhe.
,, Nele! Komm sofort!'', ruft er auch schon von oben.
Oben haben Nele und ich unsere Zimmer. Beide ein eigenes. Nele geht nach oben, wo unser Vater sie auch gleich anbrüllt.
,, Hab ich dir gestern nicht gesagt, dass du dein Zimmer aufräumen sollst?'' Ich höre nicht, was Nele antwortet, weil sie sehr leise spricht. Doch Papa wiederholt es schon.
,, Von wegen, du hattest keine Zeit. Das ganze Wochenende am Abend und am Mittag hättest du aufräumen können! Wenn du bis heute Abend nicht aufgeräumt hast, werfe ich alles in den Müll, verstanden?!'', brüllt er. Das mit dem Müll hat er noch nie gemacht, weil Nele dann immer alles aufgeräumt hat. Ok, sie hat manchmal wirklich eine grosse Sauordnung, aber ich helfe ihr manchmal, weil sie noch nicht wirklich alleine aufräumen kann. Sie räumt eben so auf: Alles unters Bett, was auf dem Boden ist. Den Rest in die Schubladen und Schränke. Sie achtet sich nie drauf, ob sie was noch will oder nicht. Verräumt ist verräumt. Fertig. So bei ihr. Ich dagegen schaue immer, dass alles so ziemlich auf seinem Platz ist. Erstens: Ich mag nicht immer alles suchen müssen und mich schämen, wenn jemand zu uns nach Hause kommt, was sehr, sehr, sehr....selten vorkommt. Zweitens: Ich mag nicht so angeschrien werden. Ich hasse das. Ausserdem muss er mir dafür nicht auch noch Ohrfeigen geben. Sonst habe ich keine Gründe dazu. Nele erscheint zum Mittagessen nicht mehr. Ich will sie holen gehen, doch Paps hält mich auf.
,, Lass sie.'', knurrt er. Ich gehorche besser, da ich nichts riskieren will bei ihm.
Nach dem Essen verschwindet Paps gleich wieder in sein Arbeitszimmer. Ich mache die Küche und gehe danach nach oben zu Nele. Sie liegt auf dem Bett, den Kopf im Kissen begraben und schluchtzt leise vor sich hin. Ich setze mich vorsichtig zu ihr auf die Bettkannte.
,, Nele.'', flüstere ich und streiche ihr über das Haar. ,, He, kleine Nele. Komm, ich helfe dir aufräumen.'' Langsam setzt sie sich auf und sieht mich an. Ich lächle ihr zu. Dann beginnen wir aufzuräumen.
Am Nachmittag habe ich frei, weil unsere Deutschlehrerin sich kurzfristig krankgemeldet hat. Einerseits bin ich froh darüber, nicht in der Schule sizten zu müssen, andererseits will ich nicht zu Hause sein. Nele muss aber zur Schule. Ich bringe sie also, nachdem wir das Zimmer einigermassen auf Vordermann gebracht haben, zur Schule.
,, Holst du mich nachher trotzdem wieder ab?'', fragt Nele.
,, Klar. Versprochen.''
Ich gehe noch ein wenig spatzieren und mir eine Zeitschrift beim Schulkiosk kaufen.
Danach geh' ich wieder nach Hause. Mein Vater ist immer noch in seinem Arbeitszimmer, als ich zu Hause ankomme. Ich verdrücke mich schnell in mein Zimmer. Ich höre Paps in seinem Arbeitszimmer fluchen. Seine Flüche sind meist ziemlich schlimm und ich bin froh, dass Nele das nicht hören kann. Später höre ich, wie die Haustür auf und wieder zugeht. Meine Mutter ist wohl nach Hause gekommen. Denn mein Vater geht in den Flur und bald darauf höre ich ihn brüllen:
,, Wo warst du so lange?''
Ich höre meine Mutter nicht, dafür dann wieder meinen Vater:
,, Weg? Wie weg? Wo?''
Meine Mutter sagt wieder etwas und dann mein Vater:
,, Mike? Wer ist das?''
Ach, bestimmt wieder einer der Lover meiner Mutter. Ich hab ja schon mal erwähnt, dass sie immer wieder einen anderen hat, oder? Sonst wisst ihr's jetzt. Sie geht ins Zimmer und knallt die Tür ziemlich fest zu. Mein Vater geht wieder fluchend in sein Arbeitszimmer. Das ist ein Grund, dass ich nie jemanden mit nach Hause nehmen will. Dafür schäme ich mich. Wenn meine Eltern streiten und es in der Schule dann heissen würde, meine Mutter wäre eine Hure. Mona und Daniel haben es bis jetzt immer akzeptiert, dass ich nicht über mein Familienleben sprechen wollte. Aber einmal, das weiss ich, muss ich es ihnen sagen. Sie sind schliesslich meine besten Freunde.
Um 15.00 Uhr mache ich mich auf den Weg zu Neles Schule. Ich bin pünktlich bei ihr und dann laufen wir zurück.
,, Wir müssen nachher noch dein Zimmer fertig aufräumen.'', erinnere ich Nele.
,, Ja, ich weiss. Du hilfst mir doch, oder?''
,, Klar.''
Als wir zu Hause ankommen, geht Nele schon mal vor in ihr Zimmer. Ich gehe zuerst noch in die
Küche, was ein fataler Fehler ist, da mein Vater auch da ist und wohl auf mich gewartet hat. Denn als ich die Küche betrete, steht er auf und kommt auf mich zu. Klatsch! Und schon hat er mir eine geklebt. Ich halte mir die schmerzende Wange. Was soll das denn jetzt??
,, Wo warst du?'', brüllt er auch schon los.
,, Ich...habe Nele abgeholt. Von der Schule.''
,, Findet sie denn nicht alleine zurück?''
,, Doch...ich habe ihr versprochen, sie zu holen.''
Wortlos geht er an mir vorbei. Ich bin immer noch total
erschrocken von vorhin. Ich gehe deshalb schnell zu Nele rauf. Sie ist schon fleissig am aufräumen. Ich helfe ihr noch fertig und gehe dann in mein Zimmer. Am liebsten würde ich für den Rest des Tages in meinem Zimmer bleiben. Aber das geht nicht. Ich muss schliesslich das Abendessen kochen, sonst gibts Ärger. Paps will ja was essen, ob es meine Mutter macht oder nicht. Dann eben ich.
Nach dem Abendessen verdrücken meine Schwester und ich uns in unsere Zimmer. Ich stecke mir die Kopfhörer meines MP3-Players in die Ohren und stelle auf volle Lauststärke. Bald schlafe ich ein.
Am nächsten Morgen weckt mich wieder mein Wecker. Ich stehe schnell auf und gehe ins Zimmer meiner Schwester um sie aufzuwecken.
,, Nele, aufwachen. Los, zieh dich an, ich mache Frühstück.''
Ich gehe die Treppe runter, nachdem ich mich angezogen habe und mache das Frühstück. Nach dem Frühstück machen Nele und ich uns auf den Weg. Mama und Papa waren noch nicht wach. Da war ich sehr froh drüber gewesen.
Heute ist die Schule nicht so schlimm. Wir machen ein Projekt für diese Woche, wo Daniel und ich in einer Gruppe zusammen eingeteilt sind.
,, Zu mir können wir im Moment nicht, wir sind am umbauen.'', meint er entschuldigend. Oh nein. Das heisst ja, dass...nein, er kann nicht zu mir kommen.
,, Wir können es ja in der Schule machen.'', schlage ich deshalb vor.
,, In der Schule?'' Daniel rümpft die Nase.
,, Können wir nicht bei dir?''
,, Naja...eher schlecht...weil...wir...es geht einfach nicht so gut bei mir.''
,, Wieso?'', fragt Daniel nach.
Er ahnt was, geht mir durch den Kopf. Mist, mist, mist!
,, Einfach so.''
,, Lena, sieh mich an.''
Daniel steht ganz nah vor mir und blickt mir in die Augen. Er kneift seine Augen zusammen. Das macht er immer, wenn er jemanden am durchschauen ist oder merkt, dass etwas nicht stimmt. Ich schaffe es nicht wirklich ihm in die Augen zu sehen. Deshalb hebt er mein Kinn an, dass mir nichts anderes übrig bleibt.
,, Lena, was ist los? Ich weiss doch, dass da etwas ist. Du kannst mir nichts vormachen, das solltest du doch wissen, oder?''
,, Ja, klar weiss ich das.'' Plötzlich spüre ich, wie mir die Tränen kommen. Ich schliesse die Augen und schlucke die Tränen runter.
,, Was ist Lena? Bitte sprich mit mir.'', flüstert Daniel fast.
Ich öffne meine Augen wieder und flüstere:
,, Bitte, lass mich. Ich kann nicht...noch nicht darüber sprechen. Du...'' Ich hole tief Luft, ,, du wirst ja vielleicht sehen, was es ist.''
,, Heisst das, dass wir bei dir...''
,, Ja.''
Ich senke den Kopf und gehe nach draussen. Dort setze ich mich auf die Treppen und warte, dass Daniel kommt. Mona wurde mit einem anderen Mädchen in eine Gruppe eingeteilt. Wir haben jetzt Mittag und diese Woche nachmittags Zeit, unser Projekt vorzubereiten. Als Daniel kommt, stehe ich auf und dann laufen wir schweigend zu mir nach Hause. Bevor wir reingehen, nehme ich Daniels Hand und bitte ihn:
,, Erzähl niemandem von meinem Leben, wie es bei mir zu Hause ist und was ich für Eltern habe, ja? Es weiss niemand davon, du auch nicht, verstanden?''
,, Aber...'', beginnt er. ,, Wenn du es mir nicht versprechen kannst, können wir auch nicht bei mir zu Hause arbeiten.''
Er seufzt leise. ,, Ok, ich sage niemandem was davon.''
Wir gehen rein. Heute hatte Nele frei, weil ihre Lehrerin krank war. War wohl ein Virus unterwegs, dass die Lehrer einer nach dem anderen krank wurden. Mama ist natürlich nicht zu Hause und Papa...den höre ich auch nicht. Ich ziehe Daniel schnell in mein Zimmer rauf und schliesse ab.
,, Mein Vater klopft nie an, deshalb schliesse ich manchmal ab, damit ich meine Ruhe habe, wenn es was Wichtiges ist.'', erkläre ich Daniel.
,, Klar, ist ok.'' Wir setzen uns auf den Boden und breiten unsere Materialien aus. Ich hoffe die ganze Zeit, dass Paps nicht ausgerechnet in den nächsten zwei Stunden anklopfen kommt. Er klopft ja nie an und wenn er merkt, dass abgeschlossen ist, dann wird er wirklich, wirklich sauer. Doch meine Hoffnung war vergebens. Als Daniel und ich gerade einen Text durchlesen, höre ich, wie Paps die Treppe hochkommt.
,, Ohnein.'', flüstere ich und Daniel mustert mich mit zusammengekniffenen Augen. Gleich würde er sehen, wie mein Vater ist und womöglich noch, dass er mich schlägt. Nein, nein, nein! Das darf nicht sein! Doch, es ist so. Fünf Sekunden später geht die Türklinke runter und als Paps merkt, dass geschlossen ist, hämmert er gegen die Tür und brüllt:
,, Lena! Sofort aufmachen! Wird's bald!''
Ich bin aber auch blöd. Ich hätte aufstehen können, bevor Paps bei der Tür angelangt war, dann hätte er nicht so hämmern und brüllen müssen. Brüllen tut er zwar auch sonst...Ich stehe schnell auf und öffne die Tür. ,, Ja Papa?'', frage ich und schon macht es ,klatsch'. Autsch! Die hat wehgetan. Ich verkneife es mir in den nächsten Sekunden Daniel in die Augen zu sehen. Bestimmt ist er geschockt, will nachher so schnell wie möglich gehen und nichts mehr mit mir zu tun haben.
,, Das fragst du noch so blöd?!'', brüllt Paps.
,, Wieso schliesst du ab? Wieso?!''
,, Weil...Daniel und ich müssen ein Projekt zusammen machen, in Ruhe. Ich dachte, ich...''
,, Was dachtest du?!'', unterbricht mich Paps.
Tja, mir kommt nichts in den Sinn zu sagen, was ihn nicht noch wütender gemacht hätte. Klatsch! Die nächste Ohrfeige. Mir kullern ein paar Tränen über die Wangen, als Daniel plötzlich hinter mir steht, die Arme um mich schlingt und zu Paps ernst und fest sagt:
,, Ich glaube, das reicht. Lena hat nichts böses getan. Wenn sie nicht abschliessen soll, dann lassen wir die Tür jetzt eben offen.''
Ich hatte grosse Panik, dass Paps Daniel jetzt auch anbrüllt und vielleicht sogar schlägt, doch nichts dergleichen geschieht. Paps dreht sich, zu meiner Verblüffung, schweigend ohne weitere Worte um und geht. Daniel schliesst die Tür, aber nicht ganz und nimmt mich noch fester in die Arme. Ich muss ein wenig weinen.
,, Beruhig dich, Lena. Alles ist gut.'', flüstert er mir ins Ohr und wiegt mich sanft in seinen Armen.
,, Es...es...tut mir...so...leid.'', schluchze ich.
,, Ich...ich...wollte das...nicht.''
,, Es muss dir doch nicht leid tun. Du kannst doch nichts dafür.''
Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und lege meinen Kopf an seine Schulter. Er streicht mir sanft über den Rücken. Was er jetzt wohl denkt? Was er wohl nachher sagen wird? Schliesslich ist es ja eine Straftat der Eltern, wenn sie ihre Kinder schlagen. Nach ein paar Minuten, als ich mich wieder etwas beruhigt habe, machen wir weiter mit dem Projekt. Dann legen wir eine Pause ein.
,, Willst du was zu trinken?'', frage ich Daniel.
,, Nein, lass nur. Du musst mir nichts zu trinken holen.''
,, Das heisst, du hast aber durst, oder?''
,, Ein bisschen.'', gibt er zu.
,, Dann hole ich was.'' Ich stehe auf, doch Daniel packt mich am Arm.
,, Lena, du musst nichts holen gehen. Nicht dass...dass dein Vater dich wieder...schlägt.''
,, Mach dir darüber keine Sorgen, ich bin es gewöhnt.''
Somit mache ich mich frei und gehe nach unten. Paps ist in seinem Büro und merkt mich nicht. So kann ich ungestört etwas holen und wieder raufgehen. Als ich ins Zimmer komme, schaut sich Daniel gerade ein paar Bücher und CDs aus meinem Regal an.
,, Ich wusste gar nicht, dass du das liest.'', meint er und zeigt auf ein Buch. Es ist von Susanne Wittpenning.
,, Ich habe diese Bücher schon zweimal gelesen, weil sie so gut geschrieben sind.'', sage ich.
,, Echt? Ist ja cool. Und die Musik, auch interessant.''
,, Danke.'' Daniel nimmt eine CD in die Hand, sieht sie an, legt sie wieder zurück und sieht mir dann nachdenklich in die Augen.
,, Eigentlich weiss ich so gar nichts über dich. Mona spricht viel mehr von sich, von ihrem Geschmack und all dem. Aber du...du sprichst nie über dich.''
,, Mein Leben ist ja auch nicht so ein Sonnenschein wie das von Mona oder dir. Ich will nicht, dass alle wissen, wie ich lebe. Ich wollte auch nicht, dass du es erfährst. Aber leider ist es doch passiert.''
,, Lena, Mona und ich sind deine Freunde. Wir würden dir so gerne helfen. Und wenn du nicht willst, dass Mona was erfährt, dann schweige ich. Aber ich möchte dir wenigstens helfen. Hast du keine älteren Geschwister, die dich etwas beschützen?''
Ich muss lächeln.
,, Nein, ich habe eine zehnjährige Schwester. Ich beschütze sie, damit ihr wennmöglich nichts zustösst.''
,, Wie süss von dir.'', lächelt auch Daniel. Er lächelt mich warm und offen an. Anders, als sonst. Unbeschreiblich anders. Kaum hat er diesen Satz ausgesprochen, steigt ein warmes und wolliges Gefühl in mir hoch. Als wir uns so in die Augen schauen, fällt mir auf, was für schöne Augen er hat. Blaue Augen. Dazu blonde Haare, die etwas verwuschelt sind, was ihm super steht. Komisch, dass er noch nie eine Freundin hatte, geht mir durch den Kopf. Er sieht echt gut aus und dabei ist er auch noch so nett. Er ist einen halben Kopf grösser als ich. Ich hatte auch noch nie einen Freund. Naja, bin ja auch erst 14. Hab also noch genug Zeit.
,, Du hast schöne Augen.'', sagt Daniel plötzlich.
Ich zucke fast zusammen.
,, Was? Ich? Schöne Augen? Im Ernst?''
Er muss lächeln.
,, Ja, du. Du hast schöne Augen.'', wiederholt er.
,, Danke.'' Dieses Gefühl in meinem Bauch wird immer stärker, bis ich merke, dass es ein Kribbeln ist. Ich bin doch nicht etwa...verliebt?! Ich in Daniel? Daniel ist doch mein bester Freund und nicht mehr...oder? Ich bin mir plötzlich nicht mehr so sicher. Und wie ist es wohl bei Daniel? Diese Frage wird mir schnell beantwortet. Daniel sagt nämlich plötzlich:
,, Lena, ich glaube, ich...ich habe mich in dich...verliebt.''
Ich starre ihn an. Was hat er eben gesagt? Meine Kinnlade kippt nach unten.
,, W...was hast d...du gesagt?'', frage ich sicherheitshalber nach.
,, Dass ich mich in dich verliebt habe.''
,, Du dich in mich? Echt?'' Ein Leuchten tritt in meine Augen.
,, Ja. Du bist zwar meine beste Freundin, aber ich finde dich einfach mehr als toll und so.''
,, Mir geht's genau so.'' ,, Ehrlich?'' Erleichtert sieht er mich an.
,, Darf ich...darf ich dich küssen?'', fragt er vorsichtig. Wow, Daniel will mich küssen!
,, Ja.'', hauche ich. Er kommt langsam näher, doch dann geht er wieder etwas zurück.
,, Was ist?'', frage ich ihn.
,, Ich...ich weiss nicht...ob...Lena, es ist das erste Mal, wo ich ein Mädchen küsse. Ich weiss nicht, ob ich das kann.''
,, Sicher kannst du das.'' Ich trete näher zu ihm, lege meine Arme um ihn und sage:
,, Mach schon, Daniel, küss mich.''
Er kommt wieder näher und diesmal geht er nicht mehr zurück. Endlich berühren seine Lippen meine. Wir stehen lange, lange in meinem Zimmer eng umschlungen und küssen uns. Und zwar so lange, bis ...
,, Lena! Komm sofort hierher!'', brüllt mein Vater so plötzlich, dass ich richtig zusammenzucke.
,, Geh ruhig. Ich warte so lange.'', meint Daniel.
Ich gehe langsam runter, was ein Fehler ist, da mein Vater sehr ungeduldig ist.
,, Lena!'', brüllt er wieder. Er steht am Fusse der Treppe.
,, Ja, Papa?''
,, Wo ist Nele?''
,, Bei einer Schulkameradin.''
,, Holst du sie ab?''
,, Ja, in...in einer Viertelstunde.'', sage ich nach einem Blick auf die Uhr.
Paps dreht sich um und geht in die Küche. Ich gehe wieder hinauf.
,, Wahrscheinlich sollte ich jetzt gehen.''
,, Nein, du kannst mich ja nachher begleiten, wenn ich Nele hole.''
,, Ok, einverstanden.''
,, Übrigens noch danke wegen vorhin, wo du mir geholfen hast, als mein Vater mich geschlagen hat.''
,, Über das wollt' ich sowieso noch mit dir sprechen.'' Jetzt kommt's, denke ich.
,, Willst du nicht doch Hilfe holen? Ich meine, er darf dich nicht schlagen. Das ist verboten.''
,, Tja, das weiss ich auch.''
,, Was ist eigentlich mit deiner Mutter?''
Nein, das darf ich ihm jetzt nicht auch noch erzählen.
,, Nichts. Ich brauche keine Hilfe. Mir geht's gut. Mir fehlt nichts. Ich habe alles, was ich brauche. Eine Schwester, eine allerbeste Freundin, ein Freund, der dazu noch mein allerbester Freund ist.''
Daniel muss lächeln, wird aber gleich wieder ernst.
,, Lena, was tust du, wenn dein Vater deine Schwester schlägt?''
,, Das lass ich schon gar nicht zu.''
,, Aber...''
Ich unterbreche ihn.
,, Kein Aber. Ich komme gut alleine zurecht. Und jetzt hör endlich auf damit.''
Ich werde etwas wütend und presse die Lippen aufeinander, damit man meine Wut nur sehen und nicht hören kann.
,, Schon gut, tut mir leid. Ich will dir ja nur helfen.''
,, Jaja, musst du nicht. Du hilfst mir schon genug, wenn du niemandem etwas darüber erzählst und alles schnell wieder vergisst, ja?''
,, Ja, ist gut.''
Ich weiss, dass er es nicht so schnell vergessen werden kann. Aber er muss. Es durfte niemand davon erfahren.
Später sind Daniel und ich auf dem Weg zu Nele. Eigentlich nur ich, doch Daniel begleitet mich, bis sein Weg von meinem abzweigt. Als wir uns verabschieden, muss ich eine Frage stellen, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt:
,, Sind wir...sind wir jetzt eigentlich so richtig...zusammen?''
,, Wenn du richtig mit mir zusammen sein willst, ja.''
,, Was heisst ,richtig'?''
,, Händchenhalten, knutschen, zusammen ins Kino gehen, eben das meiste zu zweit machen und mehr Zeit miteinander verbringen.''
,, Aber ich muss mich doch noch um Nele kümmern. Da hab ich nicht so viel Zeit übrig.''
,, Wir können es ja auch langsam angehen lassen. Ich komme ja morgen wieder zu dir. Da haben wir wieder Zeit füreinander.''
,, Ja, ist gut.''
Zum Schluss gibt er mir noch einen Kuss und geht dann davon. Ich hole Nele ab.
Mama kommt erst spät in der Nacht -betrunken- nach Hause. Ich höre, wie Mam und Paps sich streiten. Laut streiten.
,, Wo warst du?!'', brüllt Paps. Mama nuschelt etwas betrunken:
,, W..eg.''
,, Wo weg?!''
,, Bei...M...M...Mike.''
,, Was willst du von diesem Arsch?!''
,, Nichts. Is doch nu Spass, mehr nit.'', hickst Mama einmal etwas höher und dann wieder tiefer. Gott oh Gott. Die ist aber zu. Die würde ja nicht einmal mehr realisieren, wenn direkt hinter ihr eine Bombe einschlägt. Ich krieche tiefer unter meine Decke und stelle die Musik in meinem MP3-Player so laut, dass mir beinahe das Trommelfell platzt. Ich denke ein wenig zurück an den heutigen Nachmittag mit Daniel. Eigentlich ein Wunder, dass er sich in mich verliebt hat. Und nachdem er gesehen hat, was ich für einen Vater habe, dass er immer noch mit mir zusammen sein will. Oder besser; dass er mir danach trotzdem eine Liebeserklärung machte und mich küssen wollte. Und jetzt sind wir zusammen. Ich hab echt Glück mit ihm! Aber es ist auch komisch zu wissen, dass man jetzt mit einem Jungen so nahe befreundet ist, dass man sich küsst. Ich habe im Schulgebäude oft Päärchen knutschen sehen und mir immer vorgestellt, wenn ich an dieser Stelle wäre. Doch jetzt, wo es Real ist, da ist es ganz anders. Wirklich richtig komisch aber auch schön. Aber ich habe Angst, dass ich was falsch mache oder gar nicht richtig weiss, wie man eine Beziehung führt. Dass ich nur meine, ich wüsste es, dabei ist alles falsch. Aber was ist daran so schwer? Zwei- dreimal am Tag ,Ich liebe dich' sagen und sich ab und zu treffen. In der Schule Händchenhalten und bei der Begrüssung und Verabschiedung sich ein kleines Küsschen geben. Was bitte ist daran so schwer? Vieles! Es braucht Mut, wenn man das erste Mal einen Freund hat, sich in der Öffentlichkeit zu küssen.
Als Daniel mich und Mona an diesem Morgen begrüsst, umarmt er mich zuerst und flüstert mir ins Ohr:
,, Wir sagen es jetzt, ok? Sonst denkt sie, wir haben Geheimnisse vor ihr.'' Ich nicke.
,, Mona?'', fängt Daniel an.
,, Ja? Was ist?''
,, Lena und ich müssen dir was sagen.''
,, Ja? Was denn?'' Sie sieht zu mir und wieder zu Daniel. Der sieht zu mir und nickt kaum merklich.
,, Mona,'', beginne ich, ,, Daniel und ich...wir sind...zusammen.''
Jetzt ist es draussen. Was wird sie jetzt wohl sagen?
,, Ihr seid zusammen?'', fragt sie. Sie strahlt irgendwie. Doch ich bin mir nicht ganz sicher.
,, Ja, seid gestern, als er zu mir gekommen ist, wegen dem Projekt.''
,, WOW! Hei, das ist ja super! Ach, ich freu mich für euch.''
Zuerst drückt sie mich und dann Daniel.
,, Darf ich mir eine Frage erlauben?'', fragt sie dann.
,, Klar.'', meint Daniel.
,, Habt ihr euch schon...geküsst?''
,, Ja, ich habe Lena gestern geküsst, nachdem ich ihr eine kleine Liebeserklärung gemacht habe.''
,, Echt? Wow, ist ja toll! Küsst euch doch mal, bitte. Ich seh das so gerne.''
,, Klar.'', grinst Daniel wendet sich an mich und küsst mich auf den Mund.
,, Ohman.'', seufzt Mona irgendwie unglücklich.
,, Was hast du denn?'', frage ich sie.
,, Ihr habt euren ersten Kuss erlebt. Ich muss wohl noch lange warten.''
,,Das kommt noch alles. Du musst nur Ruhe und Geduld bewahren.'', meint Daniel und grinst. Dann klingelt es und wir müssen rein gehen.
Es scheint, als habe Daniel den vorigen Nachmittag vergessen. Jedenfalls sagt er an diesem Morgen nichts zu mir. Nach der Schule kommt er wieder zu mir. Wir holen Nele ab und laufen dann gemeinsam nach Hause. Plötzlich fragt Nele:
,, Lena? Seid ihr zwei jetzt zusammen?''
Ich lächle sie an:
,, Ja, sind wir. Ist ja ok, oder? Ich habe immer noch genug Zeit für dich, versprochen.''
,, Und wenn du es erlaubst,'', meint Daniel zu Nele, ,, würde ich auch gerne ein paar Stunden mit euch beiden verbringen.''
,, Echt? Ich darf mit euch beiden ein paar Stunden verbringen?''
,, Klar. Nicht jeden Tag, aber ab und zu bestimmt.''
,, Daankee!'', ruft Nele und hüpft um uns herum. Daniel und ich müssen lachen. Dann sind wir bei uns. Nele geht in ihr Zimmer Hausaufgaben machen und Daniel und ich verkrichen uns in mein Zimmer. Kaum ist die Tür hinter mir zugegangen, nimmt Daniel mich auch schon in seine Arme und küsst mich.
,, Daniel,'', murmle ich zwischen endlosen Küssen, ,, wir sollten jetzt an unserem Projekt weitermachen.''
,, Klar, gleich. Aber ich kann mich gerade nicht von dir lösen.'' Er küsst mich am Hals und drückt mich richtig an sich.
,, Ah, Daniel, hör auf...bitte.'', stöhne ich. Dieses Gefühl, wo ich bekomme, ist einfach unerträglich schön.
,, Na gut. Dann machen wir eben jetzt das Projekt.''
Daniel sieht etwas traurig aus, als hätte ich was falsches oder verletzendes gesagt.
,, Hei, was hast du denn jetzt?'', frage ich ihn und schaue ihn an.
,, Dir gefällts wohl nicht gerade, wie ich küsse, oder?'', lächelt er etwas...hilflos...traurig oder so.
,, Doch, sehr sogar. Ich wollte, dass du aufhörst, weil ich...dieses Gefühl, es ist einfach unbeschreiblich schön und...es regt einem richtig an.''
,, Echt?'' Seine Augen strahlen richtig.
,, Ja, echt.''
,, Das heisst, ich kann gut küssen?'', fragt er vorsichtig.
,, Und wie.''
Ich lächle ihn an und dann machen wir weiter mit unserem Projekt. Später höre ich, wie Paps nach Hause und die Treppe rauf kommt. Ich habe Angst, dass er wieder zu mir kommt. Ich lausche. Doch er kommt nicht zu mir -schlimmer- er geht zu Nele. Bald höre ich ihn brüllen:
,, Verdammt Nele! Diese verdammte Sauordnung wieder! Räum sofort auf, sonst kannst du was erleben! Und deine Spielsachen auch!''
Er verlässt ihr Zimmer geht wieder runter.
,, Ich bin gleich wieder da.'', sage ich zu Daniel und springe auf. Ich laufe schnell zu Nele, die im Zimmer steht, die Hände vor ihr Gesicht hält und weint.
,, Nele, meine Kleine. Komm her.'' Ich nehme sie in die Arme. Ich schaue mich in ihrem Zimmer um. So schlimm sieht es nicht aus. Plötzlich steht Daniel hinter mir und fragt leise:
,, Darf ich mal?''
Ich schaue ihn an und gehe langsam zu Seite. Er nimmt Nele auf den Arm und setzt sich mit ihr auf's Bett. Er wiegt sie sanft in seinen Armen, wie bei mir gestern und streicht ihr übers Haar. Ich beginne in der Zeit, nachdem ich ihm lächelnd zugeschaut habe, aufzuräumen. Er ist so süss. Wie er sich um meine Schwester kümmert und sie in sein Herz geschlossen hat. Ich bin in diesem Augenblick überglücklich. Paps habe ich schon wieder vergessen. Mam liegt übrigens an diesem Tag im Bett und dann wieder über der Kloschüssel. So zu wie die gestern war...schlimm! Gut, kann man ihr Würgen nicht hören. Endlich habe ich fertig geräumt und setze mich zu Daniel und Nele auf das Bett. Er gibt mir Nele vorsichtig wieder.
,, Danke, Daniel.'', sage ich leise.
Er lächelt mir zu und steht auf.
,, Ich geh wieder rüber, ja?''
,, Klar, ich komme auch gleich.''
Ich tröste Nele noch ein bisschen, dann hat sie sich wieder beruhigt.
,, Ich habe Angst, Lena.'', schnieft sie.
,, Angst?'', frage ich. ,, Vor Papa?''
,, Ja.''
,, Brauchst du doch nicht. Er brüllt dich zwar an, doch er meint es doch nur gut und legt eben viel Wert auf ein ordentliches Zimmer.''
Ich bin mir zwar nicht sicher, ob es nur daran liegt. Wohl eher nicht.
,, Ja, ich weiss. Aber er soll mich nicht so anbrüllen, sagst du ihm das einmal?''
,, Mach ich.''
Ich gehe wieder zu Daniel, der bereits auf mich wartet.
,, Und? Geht's Nele wieder besser?'', fragt er mich gleich.
,, Ja, sie hat sich wieder etwas beruhigt. Ich werde heute Abend mit Paps sprechen.''
,, Lena, ich weiss, du willst davon nichts hören, aber es kann doch nicht ewig so weitergehen. Schon nur wegen deiner Schwester.''
,, Fang jetzt nicht wieder davon an. Ich komm schon klar. Ich pass ja auf Nele auf, also.''
Daniel seufzt nur und dann konzentrieren wir uns die letzten 15 Minuten auf unser Projekt.
Dann muss er leider schon gehen. Bei der Tür küsst er mich noch lange und geht dann.
,, Bis morgen.''
,, Ja, bis morgen.''
Ich schliesse die Tür und gehe in die Küche, wo mein Vater über eine Zeitung gebeugt dasitzt. Ich nehme mir was zu trinken, als er plötzlich sagt, (richtig, er brüllt mal nicht, er fragt so ziemlich normal):
,, Dieser Junge, der heute wieder bei dir war, ist das ein Schulkamerad von dir?''
,, Auch ja. Wir müssen zusammen ein Projekt bearbeiten.''
,, Ach. Was ist er denn noch?''
Kann ich es ihm sagen? Wird er gleich ausrasten? Zwar, es würde sowieso einmal rauskommen.
,, Er...er ist seit gestern mein...Freund.'', sage ich etwas leiser und schaue Paps unsicher an.
,, Was? Dein Freund? Sag mal, sonst geht's noch?!''
Jetzt brüllt er wieder und steht auf. Ohje, jetzt schlägt er mich gleich wieder. Doch er nimmt mich nur an den Schultern und schüttelt mich, während er schreit:
,, Du bist 14! Das ist viel zu jung! Mach mit ihm Schluss, verstanden?!''
,, Was? Nein! Ich kann doch nicht Schluss machen! Ich liebe ihn, Papa.''
,, Du bist zu jung. Tu was ich dir sage, verstanden?''
Nun kommen mir doch noch die Tränen.
,, Papa! Nein! Ich mache nicht Schluss! Daniel ist auch sonst mein bester Freund! Ich kenne ihn seit der 4. Klasse. Bitte lass mich doch!'', rufe ich verzweifelt.
Paps schüttelt mich wieder und will was sagen, als Nele ruft:
,, Papa! Daniel ist so lieb. Auch zu mir. Lass die beiden doch, bitte! Das schadet dir doch nicht.''
Papa dreht sich langsam zu Nele um. Er ist stinksauer und ich befürchte, dass er sie jetzt dran nimmt. Doch er tut nichts, sondern verlässt schnaubend die Küche. Nele kommt zu mir und umarmt mich.
,, Du darfst nicht Schluss machen. Daniel ist so lieb.''
,, Ich mach nicht Schluss, Nele. Nie.''
Daniel würde ich nichts davon erzählen, dass Paps gegen diese Beziehung war. Später gehe ich noch zu Papa ins Zimmer, trotz meiner Angst, um mit ihm zu sprechen.
,, Papa?''
,, Was?'', knurrt er vom Schreibtisch aus.
Ich weiss nicht, wie man sowas sagt, wie man beginnt. Deshalb versuche ich so direkt wie möglich zu reden.
,, Brüllst du Nele bitte nicht mehr so an? Sie erschreckt sich immer so.'' Paps kommt auf mich zu und sagt:
,, Ich brülle dann, wo ich will. Du hast mir nichts zu sagen, verstanden?''
,, Aber, Nele, sie...sie hat es nicht gerne, wenn man sie so anschreit. Brüll sie nicht mehr so an, ja?''
Ich werde etwas lauter und schaue meinen Vater böse an.
,, Hör auf.'', sage ich noch einmal. Doch da rutscht Paps Hand schon aus und gibt mir eine Ohrfeige. Dann brüllt er:
,, Du hast mir nichts zu sagen! Ich brülle dann, wo ich will! Verstanden?!'' Er schüttelt mich wieder.
,, Hör auf, bitte hör auf!'', brülle ich. Er stösst mich zurück und ich stolpere zurück. Ich kann mich gerade noch fangen, drehe mich um und renne in mein Zimmer. Ich glaube ja nicht, dass er Nele in Zukunft nicht mehr anbrüllen wird.
Daniel kommt auch am nächsten Nachmittag zu mir. Nele hatte heute früher aus gehabt und war deshalb auch früher zu Hause. Als ich nach Hause komme mit Daniel, höre ich gerade, wie sie kreischt. Ich springe in ihr Zimmer, wo mein Vater sie hält und ihr eine Ohrfeige erteilt. Nein, mehr als eine.
,, Lass sie in Ruhe!'', brülle ich verzweifelt und versuche Nele zu befreien.
Doch Paps stösst mich mit dem Ellbogen weg und ich wäre hingefallen, wenn Daniel mich nicht aufgefangen hätte. Er geht auf meinen Vater zu und zerrt ihn von meiner Schwester weg. Daniel ist sehr stark, bemerke ich. Nele fällt zu Boden und ich gehe schnell zu ihr hin. Sie weint leise.
,, Lassen Sie Nele in Ruhe, verstanden?''
Paps sieht nur total wütend aus und geht ohne ein weiteres Wort raus.
,, Nele, hat Paps dich fest geschlagen?''
,, Dreimal. Es hat so wehgetan.'', schluchzt Nele.
,, Ich schlafe jetzt ein bisschen.''
,, In Ordnung. Ich bin in meinem Zimmer mit Daniel, ja?''
,, Ja, ist gut.''
Daniel und ich gehen in mein Zimmer. Ich schliesse die Tür sorgfälltig ab.
,, Lena, du hast mir gesagt, dass du Nele beschützt. Klar, du tust, was du kannst, aber du hast jetzt gesehen, zu was dein Vater fähig ist, wenn Nele eher zu Hause ist, als du.'', meint Daniel auch schon.
Er spricht ruhig und fest.
,, Ja, ich weiss. Aber, ich kann doch nicht zur Polizei gehen.''
,, Wieso denn nicht?''
,, Wieso? Daniel, weisst du eigentlich wie es ist, wenn man seinen eigenen Vater anzeigen muss?''
,, Klar ist es nicht einfach. Aber willst du, dass deine Schwester noch öfters so hilflos an deinen Vater ausgeliefert ist? Ich meine, wenn er jetzt...wenn er gewalttätiger wird? Sie vielleicht...vergewaltigt oder so.'', sagt Daniel vorsichtig.
,, Nein, nein, das...das würde er niemals tun...er...er...nein...Daniel...sowas würde er nicht tun.'', flüstere ich leise, bevor ich anfange zu weinen. Daniel drückt mich sanft an sich und streichelt mir über's Haar und über den Rücken.
,, Ich sage nicht, dass er es tun würde, aber ich meine, er hat deine Schwester geschlagen. Was wäre wohl noch passiert, wenn wir nicht früher gekommen wären? Wenn wir noch nicht da wären? Lena, es wäre das Beste für alle. Für dich, Nele und deine Mutter. Was ist eigentlich mit ihr los?''
,, Drogen, Saufen, jeden Tag 'nen anderen Lover. Zufrieden?'', sage ich rau.
,, Tut mir leid. Dass du so leben musst...ich könnte es nicht.''
,, Was soll ich anderes tun? Du bist der einzige, der davon Bescheid weiss. Oder?''
Ich schaue ihn an. Hat er jemandem was erzählt?
,, Ich habe niemandem was erzählt. Hab ich dir doch versprochen.''
,, Dann ist ja gut.''
,, Lena, ich gehe nachher mal. Ich kann ja mal meine Tante, die ist Anwältin, fragen, was mit einem Vater wie deinem passieren würde, ohne ihr was zu sagen. Nur so aus Interesse. Weil wir es in der Schule durchnehmen oder so.''
,, Ok, aber sag nichts von mir, ja? Sonst kann ich dir nicht mehr vertrauen.''
,, Ich schweige wie ein Grab. Du musst mir aber noch die Lippen versiegeln.''
Ich schaue ihn fragend an. Er lächelt und kommt näher. Achso, das meint er.
In dieser Woche bin ich noch ein paar Mal froh darüber, dass Daniel zu mir kommt. Mein Vater will mich nämlich auch noch ein paar Mal schlagen, doch Daniel beschützt mich und meine Schwester super. Mein Vater hat wohl Respekt vor Daniel, denn er sagt nie was, wenn Daniel mich mal verteidigt oder so. Paps lässt es dann auch später nicht aus an mir oder Nele. Schon mal gut. Daniel fragt am Wochenende, wo seine Tante zu Besuch kommt, wie das so ist, was mit einem Vater passiert, der die Kinder schlägt. Sie erklärt, dass dieser wegen Körperverletzung angezeigt werden kann und dann Sozialarbeit leisten muss und sonst noch vielleicht irgendwie bestraft wird.
Daniel, ich, Mona und Nele unternehmen am Wochenende gemeinsam was. Es ist toll zu sehen, wie Mona und Daniel sich mit Nele vestehen. Vor allem Mona, die Nele erst am Wochenende kennenlernt.
Die Wochen vergehen schnell. Mein Vater geht nie weiter, als dass er mich schlägt. Nele lässt er immer mehr in Ruhe.
Eines Tages, es ist ein Samstag, kommt Daniel zu mir, als Nele bei einer Kameradin übernachtet und Paps weg ist. Mama ist sowieso wieder weg. Diesmal bei einem gewissen Klaus. Daniel klingelt um 19.00 Uhr bei mir und ich öffne ihm.
,, Hei. Komm rein.''
Daniel tritt hinein und küsst mich zu Beginn gleich mal. Dann gehen wir in mein Zimmer, wo ich bereits eine Pizza und etwas zu Trinken auf dem Pult habe.
,, Mmmmh, das riecht lecker.'', meint Daniel gleich.
,, Setz dich auf's Bett.''
Ich nehme die Pizza im Karton und das Getränk und setze mich zu Daniel. Dann geniessen wir unser Essen.
,, Wie lange sind wir jetzt eigentlich zusammen?'', fragt Daniel mich plötzlich.
,, Hm...am Montag sind es...zwei Monate und zwei Wochen.''
,, Echt? Wow. Ist ja super.''
Daniel strahlt mich an. Dann meint er:
,, Sag mal...wir sind ja beide 14...und...naja...ich habe in den letzten Tagen schon ein paar Mal darüber nachgedacht, wenn wir zwei zusammen...schlafen würden. Möchtest du mit mir? Ich meine; schon bald oder willst du noch warten?''
Ich denke nach und antworte dann:
,, Von mir aus, meinem Gefühl aus, möcht ich schon bald mit dir schlafen. Und du?''
,, Ich auch.''
,, Aber, wir brauchen...Verhütung.''
,, Hab ich.'' ,, Dabei?''
Daniel senkt den Kopf.
,, Ja, ich habe gestern gekauft. Denk jetzt bitte nichts falsches, ich dachte nur, naja...vielleicht passiert es ja demnächst einmal...''
Ich muss schmunzeln:
,, Soll ,demnächst' vielleicht ,heute' heissen?''
,, Es muss nicht sein. Ich kann warten. Ehrlich.''
,, Und wenn ich heute möchte?''
,, Dann können wir es natürlich heute tun.''
,, Dann tun wir es.'', sage ich leise.
Wir stellen das Essen und das Getränk auf die Seite. Dann stehen wir uns neben dem Bett gegenüber. Ganz, ganz nahe.
,, Darf ich dich küssen?'', fragt Daniel leise.
,, Klar, küss mich. Überall.''
,, Dazu musst du deine Klamotten ausziehen.'', murmelt er, während er mich am Hals küsst.
Ich lehne mich ein bisschen zurück und flüstere:
,, Dann zieh mich aus.''
Seine Hände geleiten langsam unter mein T-Shirt. Darunter habe ich noch den BH an. Er zieht mir das T-Shirt langsam aus. Das Kribbeln im meinem Bauch wird immer stärker und breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Ich öffne ihm sein Jäcklein, das er an hat und lasse es auf den Boden gleiten. Er hat noch ein T-Shirt an, das ich ihm auch gleich ausziehe. Er küsst mich immer weiter und seine Hände wandern runter zu meiner Hose und öffnen sie. Er zieht sie mir aus. Naja, da muss ich schon etwas nachhelfen. Auch er zieht sich seine Hose aus. Nun hat er noch seine Boxershorts an und ich meinen BH und die Unterhose. Er umarmt mich und sieht mich an. ,, Du bist echt schön, weisst du das?''
,, Jetzt weiss ich es. Danke.''
Wir küssen uns wieder und dann legen wir uns auf's Bett. Er kniet sich noch oberhalb von mir. Wie auf vier Beinen, kann man sagen. Dann streicht er mit seinen Händen von meinem Hals, über meinen BH, Bauch bis zu meinem Bauchnabel. Er beugt sich zu mir und küsst mich. Gleichzeitig zieht er mir noch den Rest aus. Jetzt habe ich nur noch den BH an. Ich ziehe ihm ebenfalls noch den Rest aus. Jetzt hat er nichts mehr an.
,, Bereit?'', flüstert er in mein Ohr.
,, Ja, bereit.'', hauche ich.
Er legt sich langsam auf mich beginnt sich zu bewegen. Ich bin schnell erregt und muss stöhnen. Er bewegt sich ein wenig schneller und muss auch stöhnen. Er wird immer schneller und ich muss ein wenig lauter stöhnen. Es ist ja so schön! Ich strecke die Arme aus. Daniel legt seine Hände auf meine und bleibt dann ruhig auf mir liegen. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut. Er hat seinen Kopf auf meine Brust gelegt. Nachdem unser Puls sich wieder etwas beruhigt hat, rollt Daniel sich vorsichtig auf die Seite und stützt sich auf seinen Ellbogen, damit er mich ansehen kann.
,, Wir haben es getan.'', flüstert er leise und streicht mir sanft über das Gesicht.
,, Ja, haben wir.'', sage ich leise und lächle ihn an.
Er küsst mich und flüstert leise in mein Ohr:
,, Ich liebe dich, Lena.''
,, Ich dich auch, Daniel.''
Er küsst mich wieder und diesmal etwas länger und ich lege meine Arme um ihn, dann ziehen wir uns etwas über. Später sage ich dann zu ihm:
,, Warte schnell, ich schliesse die Tür noch schnell ab.''
,, Ich dachte, dein Vater will das nicht.''
,, Willst du lieber, dass er plötzlich zur Tür herein platzt, wenn wir halb nackt aneinander gekuschelt liegen?'' Daniel muss lachen.
,, Hahaha! Nein, sicher nicht. Aber ich will nicht, dass du wegen mir von deinem Vater geschlagen wirst.''
,, Der schlägt mich auch so. Mach dir darüber keine Sorgen.'' Ich schliesse die Tür und krieche wieder zu Daniel ins Bett.
,, Sag mal, unternimmst du jetzt also nichts gegen deinen Vater?''
,, Nein. Ich...ich kann das nicht. Ich will auch nicht. Wo kommen Nele und ich dann hin? Es ist einfach schon verdammt schwer sich vorzustellen, dass man seinen eigenen Vater anzeigen müsste.''
,, Ja, klar ist es nicht eine schöne Vorstellung. Aber, wenn er jetzt noch gefährlicher wird? Was muss geschehen, dass du ihn anzeigst?''
,, Daniel! Hör auf, ja?''
Ich habe mich aufgesetzt und sehe ihn nun verzweifelt und bittend an.
,, Schon gut, Lena. Ich höre ja schon auf. Ich habe einfach nur Angst um dich und Nele. Ich liebe euch beide, als wärt ihr meine Schwestern. Verstehst du das?''
Er hat sich nun auch aufgesetzt und sieht mich an.
,, Ja...klar. Aber...nein. Vergiss es einfach. Ich mach' es nicht. Willst du noch was zu Trinken oder zu Essen?'' ,, Nein, es geht. Komm, schlafen wir jetzt erstmals.''
,, Okay.''
Ich kuschle mich in Daniels Arme und schlafe auch schon bald ein.
Am nächsten Morgen erwachen wir beide erst gegen den Mittag. Als ich erwache und merke, dass ich in Daniels Arme liege, gleitet ein Lächeln über mein Gesicht. Es war also kein Traum, wir haben es tatsächlich getan. In meinem Bauch kribbelt es ununterbrochen. Plötzlich höre ich, wie jemand die Treppe hochkommt. Mist! Das ist wahrscheinlich Paps. Ich hüpfe schnell aus dem Bett, ziehe mir einen Trainer an und wecke Daniel vorsichtig. ,, Daniel, wach auf. Paps kommt. Zieh dir was an, damit er nicht so schnell auf falsche Gedanken kommt.''
,, Wieso falsche Gedanken?'', murmelt Daniel und gähnt ausgiebig, bevor er meint: ,, Es wären ja richtige Gedanken.'', und grinst dazu.
,, Ja, aber er muss es ja nicht gleich erfahren. Mein Vater wird wohl nicht gerade mit einem Freudesprung darauf reagieren.''
,, Hast Recht.''
Kaum hat Daniel sich etwas angezogen und auf dem Bett sitzt, als wäre nichts geschehen und ich die Tür auf, aufschliesse, damit Paps nicht gleich so sauer wird, wird die Tür auch schon beinahe eingetreten. Ich erschrecke richtig und mache einen Satz nach hinten.
,, Verdammt Lena! Du bist ja schon wach!'', brüllt Paps los.
,, Ja, gerade aufgewacht. Wieso?''
,, Ich habe Hunger und nichts ist gekocht!''
Er will gerade was hinzufügen, als sein Blick auf Daniel fällt, der ganz ruhig dasitzt, (nach Aussen hin gesehen) und mein Vater in den Augen behält.
,, Was macht der denn hier?''
Das hat Paps eher verwundert gefragt.
,, Er hat bei mir übernachtet.''
,, Ach, und du fragst mich vorher nicht mal um Erlaubnis?'', ruft Paps wütend.
,, W...was hättest du denn gesagt?'', frage ich stotternd.
,, Nein natürlich! Meine Tochter schleppt einfach Jungs mit nach Hause, die, wie selbstverständlich, hier übernachten. Sonst geht's noch?!'', brüllt Paps und gibt mir eine Ohrfeige.
,, In einer halben Stunde will ich was zu Essen haben, sonst kannst du was erleben!'', brüllt er noch, bevor er dann geht. Daniel steht bereits hinter mir, als ich mich umdrehe. Er streicht mir über die Stelle an meiner linken Wange, wo Paps mich geschlagen hat.
,, Geht's?'', fragt er mich leise. Ich nicke. Doch ich kann nicht verhindern, dass eine Träne über mein Gesicht kullert. Ich wische sie schnell weg.
,, Ich...ich muss dann wohl kochen gehen. Tut mir leid.''
,, He, kein Problem. Weisst du was? Ich fahre in das nächste Restaurant und hole uns was, einverstanden?''
,, Was? Aber ich habe nicht so viel Geld und Paps gibt bestimmt keines.''
,, Ich lasse aufschreiben und gehe dann morgen bezahlen.''
,, Du? Nein, du musst doch nicht für uns bezahlen.''
,, Wer sagt hier was von ,müssen'?'', fragt er mich lächelnd.
,, Ich lade dich und deinen Vater ein.''
Ich klappe meinen Mund auf, hole Luft und will was sagen, lasse es dann aber.
,, Aber...aber...'', stottere ich dann.
Doch Daniel unterbricht mich:
,, Dein Vater will schliesslich was zu Essen, dann muss ich für ihn auch bezahlen. Ich bezahle gerne, wenn er dich dafür in Ruhe lässt.''
,, Ok, aber ich zahle es dir zurück.''
,, Nein, ich lade euch beide ein.''
,, Aber Da...'' Den Rest des Satzes geht in einem Kuss unter, der Daniel mir gibt, damit ich endlich schweige. ,, Nichts aber.'', flüstert er und küsst mich wieder.
Fünf Minuten später ist er unterwegs ins nächste Restaurant. 20 Minuten später ist er wieder da und stellt zwei Tüten auf den Küchentisch.
,, Hier sind Pommes drin und da gegrilltest Hühnchen.''
,, Mmmmh, das riecht lecker!''
Ich ziehe den Duft ein und lasse ihn wieder aus.
,, Ah, du bist ein Schatz, Daniel. Danke.'' Ich gebe ihm einen Kuss.
,, Gerngeschehen. Ruf deinen Vater, inzwischen tische ich auf.''
,, Ok, mach ich.''
Ich gehe ins Arbeitszimmer, wo er nicht ist. Also ins Wohnzimmer. Er sitzt vor dem Fernseher.
,, Paps, es gibt zu Essen.''
,, Na endlich.'', brummt er und steht auf.
Ich gehe in die Küche, wo Daniel aufgetischt hat. Ich habe ein wenig Angst davor, was Paps zu unserem Menu sagen wird. Aber er setzt sich, zu meiner Erleichterung, einfach nur hin und beginnt zu essen. Ich kriege während seiner Anwesenheit keinen Bissen runter, weil ich Angst habe, vor irgendeinem Kommentar von Paps. Ich sitze also nur da und schaue zu, wie Paps isst. Daniel ist auch ein wenig, aber nicht viel. Als Paps fertig ist, sieht er mich an und meint:
,, Ihr seid jetzt also zusammen.''
Ich nicke. Sagen kann ich nichts.
,, Ich warne dich, junger Mann,'', sagt er zu Daniel ernst, fast drohend, ,, wenn du meiner Tochter irgendwas tun solltest, sie verletzt oder was weiss ich, dann kannst du was erleben.''
Ich will gerade was sagen, dass Daniel mir nie was tun würde und so, als Daniel einfach meine Hand drückt und antwortet:
,, Ich werde ihrer Tochter ganz bestimmt nicht wehtun, weil ich sie sehr liebe und vor jedem, der ihr zu nahe kommt, beschütze, damit ihr nichts passiert.''
Ich habe die Vermutung, dass Daniel, mit ,vor jedem der ihr zu nahe kommt, beschütze', meinen Vater meint. Oder, auch meint. Mein Vater mustert Daniel noch kurz und verlässt dann die Küche.
,, Tut mir leid, dass Paps so wenig Vertrauen zu dir hat.''
,, Er will doch bloss, dass dir nichts passiert. Jeder Vater macht sich Sorgen um seine Tochter, ob er nun...brutal sein kann oder nicht. Es muss dir wirklich nicht leid tun. Das war jetzt wenigstens ein Beweis, dass er auch anders sein kann und nicht nur an sich denkt.'' Da hat Daniel auch wieder Recht.
,, Iss doch ein bisschen Lena, sonst klappst du noch zusammen.''
,, Na gut.''
Ich esse noch ein wenig was, als das Telefon klingelt.
,, Ich komme gleich wieder.'', entschuldige ich mich. Es ist Nele.
,, Lena, holst du mich in einer Stunde ab?''
,, Klar, kann ich machen.''
,, Ist Daniel bei dir?''
,, Ja.''
,, Toll! Kommt er auch?''
,, Ich frage mal, Moment, ja?'' Ich laufe in die Küche, wo Daniel mir entgegenschaut.
,, Es ist Nele. Ich gehe sie in einer Stunde abholen. Sie fragt, ob du auch mitkommst.''
Daniel muss lächeln. Jetzt sieht er noch viel, viel süsser aus.
,, Klar komm ich mit. Schöne Grüsse von mir.''
,, Ok, sag ich. Nele, Daniel kommt mit.''
,, Jaaa! Jiipii!'', kreischt Nele.
,, Schöne Grüsse soll ich noch ausrichten.''
,, Danke! Gib von mir zurück.''
,, Mach. Bis in einer Stunde, ja?''
,, Ja, tschühüss!''
Und schon hat sie aufgelegt. Lächelnd gehe ich in die Küche, wo Daniel auf mich zu kommt und mich umarmt.
,, Du lächelst ja. Wieso denn das?'', fragt er mich.
,, Nele ist total happy, dass du mitkommst.''
,, Echt? Och, deine Schwester ist so süss. So süss wie ihre grosse Schwester.''
Er küsst mich wieder und dann räumen wir die Küche auf. Danach geht Daniel vorraus in mein Zimmer. Ich muss noch auf die Toilette, (die liegt auch im 2. Stock), doch ich werde von Paps aufgehalten. Er zerrt mich in sein Zimmer, macht die Tür zu und drückt mich dagegen.
,, Ich habe dir gesagt, du sollst mit diesem Jungen Schluss machen.''
,, Nein, werd ich nie.'', sage ich wütend.
Er drückt mich noch mehr gegen die Tür.
,, Aua! Das tut weh!''
Ich versuche loszukommen, doch es geht nicht. Langsam kriege ich Panik.
,, Halt dich gefälligst still, wenn ich mit dir spreche!'', brüllt Paps nun.
Er schüttelt mich und wiederholt immer wieder:
,, Mach mit ihm Schluss! Verstanden! Schluss machen sollst du! Schluss machen!''
,, Aua! Lass mich los!'', schreie ich.
Ich habe nun richtig grosse Angst. Ob Daniel mir helfen kann, da rauszukommen? Ich bezweifle es. Nun gibt Paps mir eine Ohrfeie. Er packt mich am Kragen und wirft mich zu Boden. (Neben der Tür, so kann Daniel mir vielleicht doch helfen). Mir laufen die Tränen über's Gesicht und ich zittere am ganzen Körper. Paps packt mich wieder am Kragen und zieht mich hoch. Er will mir eine weitere Ohrfeige verpassen, doch da geht die Tür auf und Daniel kommt rein. Gott sei Dank! Er zieht meinen Vater weg und befreit mich von seinem Griff.
,, Lassen Sie sofort ihre Tochter in Ruhe! Verstanden! Komm Lena.''
Daniel hilft mir auf, weil ich mich nicht halten konnte, so sehr zitterten meine Beine und zieht mich in mein Zimmer. Ich setze mich auf's Bett und Daniel schliesst seine Arme um mich.
,, Geht's? Hat er dir wehgetan?''
,, Es g...g...geht. War nur 'ne Ohrfeige. Nichts weiter passiert.''
,, Aber du zitterst am ganzen Körper, als wären minus zehn Grad hier drin.'', sagt Daniel leise und hält mich fester.
,, Weil ich solche Angst hatte. Wenn du nicht gewesen wärst...Danke Daniel. Ich bin so froh, dass ich dich habe.'', flüstere ich und verstecke mein Gesicht an seiner Schulter.
,, Schon ok. Ich habe dich schreien hören. Mensch Lena. Du solltest wirklich was unternehmen.''
Aber ich will nicht. Ich will nichts unternehmen. Keine Ahnung genau, weshalb nicht, aber ich will nicht.
,, Nein Daniel. Das habe ich dir schon zig mal gesagt. Fang nicht wieder davon an.'', sage ich ruhig.
,, Komm, gehen wir spazieren.'', sage ich und stehe auf.
,, Ok. Gehen wir.''
Wir schlendern ein wenig durch die Strasse.
,, Daniel?''
,, Ja?''
,, Sag Nele nichts, was passiert ist, ja?''
,, Meinst du das, wegen deinem Vater von vorhin?''
,, Ja.''
,, Natürlich sage ich nichts. Ich will ihr nicht noch mehr Angst machen.''
,, Noch mehr?''
,, Denkst du, deine Schwester hat keine Angst vor deinem Vater? Nicht nur, weil er sie auch geschlagen hat, sondern, weil sie mitbekommt, wie du drankommst. Und bestimmt will sie auch eine Mutter. Nicht eine drogensüchtige Mutter, die jeden Tag 'nen anderen hat.''
,, Von Mama habe ich jetzt schon lange nichts mehr gehört bzw. gesehen.''
,, Lena, ich nerve dich mit meinem ewigen Hilfequatsch nicht nur, weil ich will, dass du was gegen deinen Vater unternimmst, sondern auch, weil Nele sich bestimmt eine richtige Familie wünscht. Oder wenigstens einen Vater oder eine Mutter. Sie hat nur dich. Meinst du, für ein zehnjähriges Mädchen ist es das einfachste, wenn es bei einem gewalttätigen Vater aufwächst, vor dem Angst haben muss, keine richtige Mutter hat und mitbekommt, wie seine grosse Schwester andauernd geschlagen wird? Meinst du, es ist so richtig?''
,, Nein, bestimmt nicht. Aber...Mensch! Ich kann das einfach nicht, kapier doch das einmal! Sie kann ja jetzt häufig zu ihrer Kameradin spielen und übernachten gehen. Ist doch toll, oder etwa nicht?''
,, Es ist gut, dass sie mehr wegkommt, aber sie braucht dich. Du solltest bei ihr sein, damit sie noch jemanden aus ihrer Familie bei sich hat.''
,, Sie hat sich nie beschwert. Was du mir jetzt alles vorwirfst, nichts davon hat sie je erwähnt, das ihr nicht gefalle.''
,, Hast du mit mir darüber gesprochen? Hast du mit jemandem darüber gesprochen, in deiner nächsten Nähe, was dir gefällt, was nicht und was dir Angst macht?''
,, Nein!''
,, Eben. Meinst du, sie kann so einfach offen darüber sprechen? Das kann niemand. Sogar mir würde es schwerfallen.''
,, Ich spreche mal mit ihr, zufrieden?''
,, Ich habe dir gesagt, was du tun solltest. Wenn ich nicht mehr helfen darf, kann ich auch nicht mehr dazusagen.''
Schweigend laufen wir weiter, bis wir bei der Kameradin von Nele angekommen sind. Wir läuten an der Tür. Die wird bald darauf geöffnet und Nele steht vor uns.
,, Lena! Daniel!'', ruft sie und fällt uns um den Hals.
,, Hei, Nele. Wie geht's?'', frage ich sie gleich.
,, Suuuper! Es war so toll! Gehen wir?''
,, Klar.''
,, Tschüss, Anna.!'', ruft Nele ins Haus, schliesst die Tür und dann gehen wir wieder.
,, Ist Mama zu Hause?''
,, Nein, ich habe sie das ganze Wochenende nicht gesehen.''
,, Mann! Wo ist sie immer?''
,, Keine Ahnung. Trifft sich mit irgendwelchen Typen und Freundinnen und hängt mit denen ab.''
,, Achso.''
Daniel wirft mir einen Blick zu, doch ich weiche ihm aus.
Unterwegs müssen Nele und ich uns von Daniel verabschieden, weil er in einer anderen Strasse wohnt. Er umarmt zuerst Nele, dann mich.
,, Küsst euch doch mal! Das machen alle verliebten Paare so.'', meint Nele und lächelt verlegen.
Daniel lächelt zurück und fragt:
,, Wie lange soll ich sie denn küssen?''
,, Zehn sekunden.''
,, Du musst aber laut zählen, ja?''
,, Ist klar.''
,, Dann los.''
Daniel küsst mich sanft auf den Mund. Nach der dritten Sekunde spüre ich, wie er seine Zunge in meinen Mund schiebt. Er umkreist meine Zunge zweimal und nimmt seine wieder zurück.
,, Sieben...acht...neun...zehn!'', zählt Nele und bei zehn nimmt Daniel seine Lippen wieder von den meinen.
,, Gut gezählt, Nele.'', lobt er Nele.
,, Danke. Toll geküsst.'', lobt Nele zurück. Wir müssen beide grinsen.
,, Also, ich muss jetzt, tschüss ihr zwei. Tschüss, Lena.''
,, Tschüss.'', sage ich leise, als Daniel sich schon umgedreht hat und davon läuft.
,, Komm Lena. Gehen wir.'', sagt Nele und zieht mich in Richtung zu Hause. Ich will aber nicht nach Hause, weil ich Angst davor habe. Angst vor den Ohrfeigen, die ich wieder kriegen werde, Angst davor, in was für einem Zustand Mama nach Hause kommen wird und Angst davor, dass Paps Nele was antut und ich ihr nicht helfen kann. Weil ich zu schwach bin. Zu ängstlich. Doch Nele spürt nichts. Sie ist happy, auch als wir zu Hause sind und erzählt mir in meinem Zimmer erstmals detailiert, was sie bei Anna gemacht hat.
Als ich an diesem Abend im Bett liege, denke ich nochmals zurück, wo Daniel mich geküsst hat. Es war so schön gewesen. Ich seufze tief. Paps habe ich an diesem Abend nicht mehr zu Gesicht bekommen und Mam...ach die...die kann mich mal! Ich glaube, die hat schon vergessen, dass es überhaupt zwei Mädchen in ihrer Familie Namens Lena und Nele gibt. Oder, dass sie überhaupt eine Familie hat. Eigentlich wollte Mama keine Kinder, oder jedenfalls nicht so früh. Sie ist jetzt 38 Jahre alt. Also mit etwa 24 war sie schwanger. Mit mir und dann mit Nele. Sie wollte nicht schwanger werden, als sie dann erfahren hat, dass sie ist, da war sie ziemlich...geschockt. Das hat sie mir erzählt vor etwa drei Jahren, als sie noch so ziemlich normal war. Damals, als es für sie nur einen Mann gab, den sie liebte und nicht zu jedem x-beliebigen Kerl ins Bett hüpfte. Ich habe ihr dann gefragt, ob sie mich und Nele denn nicht lieb hätte und sie antwortete:
,, Doch, doch, sicher. Ihr seid meine Kinder und ich liebe euch, auch wenn es etwas früh passiert ist.''
Tja, drei Jahre später ist alles anders. So schnell kann es gehen. Paps war noch der beste Paps für mich, auf der ganzen Welt und Mama habe ich total lieb gehabt. Doch heute wünsche ich mir, ich wäre, natürlich mit Nele, nicht hier, sondern hätte eine normale Familie wie Mona und Daniel. Lieber Eltern, die sich getrennt haben, statt solche, die nicht wirklich Eltern sind und die Kinder schlagen. Aber man kann nun nicht alles haben. Ich bin froh, dass ich jetzt einen Freund wie Daniel habe, der dazu noch mein allerbester Freund ist. Und dass er sich so gut mit Nele versteht. Aber er hat irgendwie Recht, ich muss was gegen Paps tun. Nele kann so nicht aufwachsen. Aber was soll ich tun? Zur Polizei gehen? Mit jemandem anderes drüber sprechen und um Rat bitten? Vielleicht weiss Daniel einen Rat. Ich werde ihn gleich morgen fragen. Morgen ist...Montag. Ok, dann frag ich ihn gleich.
Daniel begrüsst mich wieder mit einem Kuss am Schultor und dann gehen wir zu unserem Baum, wo Mona auf uns wartet.
,, Hallo ihr zwei!'', begrüsst sie uns.
,, Na, schönes Wochenende gehabt?''
,, Mhm.'' Ich lächle.
Mona merkt sofort, dass etwas passiert ist. Etwas schönes und gutes. Nichts schlechtes.
,, Was ist passiert?'', fragt sie deshalb lächelnd und legt den Kopf schief. Ich schaue Daniel an und der nickt.
,, Wir haben's getan. Aber kein Wort zu niemandem, klar?''
,, Was? Was habt ihr getan?'', fragt Mona mit grossen Augen.
,, Kannst du dir das nicht denken?'', fragt Daniel.
,, Doch nicht...nein! Ehrlich?'', fragt sie nun begeistert.
Wir nicken beide.
,, Ja, genau das.''
,, Wow! Echt cool! Wie war's?''
,, Schön.'', antworte ich.
,, Nur schön?''
,, Ja, mehr kann ich noch nicht dazu sagen.''
,, Aha.''
In dem Moment klingelt die Schulglocke. Wir gehen rein und konzentrieren uns auf die folgenden Stunden.
In der Pause geht Mona mit einer Schulkameradin in die Bibliothek, weil sie noch was vorbereiten müssen. Daniel und ich verdrücken uns in eine ruhigere Ecke.
,, Daniel, ich muss mit dir sprechen.'', sage ich etwas leiser und senke den Blick.
,, Ja? Was ist denn?''
,, Ich...ich bin letzte Nacht, als ich im Bett lag und über alles nachgedacht habe, zu dem Entschluss gekommen, dass ich was unternehmen sollte, gegen Paps. Du hast ja Recht. Aber...ich weiss nicht, was ich genau tun soll.''
Daniel lächelt mich an und nimmt mich in die Arme.
,, Ich helfe dir. Wie versprochen.''
Nach einer Weile lässt er mich langsam wieder los und sieht mir ernst in die Augen.
,, Ich bin froh, dass du endlich diese Entscheidung gefällt hast.''
Ich gebe ein schwaches Lächeln von mir. Das Gespräch ist somit beendet, da ein paar Kumpels von Daniel nach ihm verlangen. Er sieht mich unsicher an, doch ich sage:
,, Geh ruhig. Bis heute Mittag am Schultor, ok?''
,, Ok.'', meint er schliesslich zögernd und geht, nachdem er mir noch einen sanften Abschiedskuss gegeben hat.
Am Mittag warten Mona und ich am Schultor auf Daniel.
,, Unternehmen wir heute Nachmittag wieder einmal etwas zusammen?'', fragt Mona mich.
,, Äh, ich muss auf meine Schwester aufpassen. Sie wollte mit mir in den Park zur neuen Skatebahn gehen.''
,, Können wir doch auch zu dritt oder zu viert, falls Daniel mitkommen kann und will.''
Ich bin natürlich einverstanden und frage Daniel, sobald er zu uns gestossen ist.
,, Tut mir leid ihr zwei, aber heute nicht.''
,, Ok, dann eben ein andermal zu viert und heute zu dritt.'', meint Mona.
,, Ich ruf dich nachher an, ja?'', sagt Mona, als wir uns voneinander veraschieden.
,, Ja, aber auf mein Handy, klar?''
,, Ist klar. Tschüss!''
,, Tschüss!'' Daniel und ich gehen in die andere Richtung, als Mona.
,, Musst du nicht noch Nele abholen.''
,, Sie bleibt in der Schule. Irgendeine Organisation von den Lehrern.''
,, Achso. Lena, ich rufe Nachmittag meine Tante an und spreche mit ihr über alles, klar? Deshalb komme ich Nachmittag nicht mit.''
,, Ach, deshalb.''
,, Vielleicht entschliesst du dich ja noch dazu, Mona alles zu erklären.'', meint Daniel vorsichtig.
,, Vielleicht.'', sage ich rau.
Ein Zeichen für Daniel, dass ich nicht weiter auf das Thema eingehen will. Die Strassen halbieren sich plötzlich und er verabschiedet sich von mir.
,, Tschüss, bis Morgen.''
,, Tschüss.''
Er gibt mir wieder einen Kuss und geht.
Paps ist noch nicht zu Hause und Mam...über die mag ich schon gar nicht sprechen oder nachdenken. Ich wärme mir in der Mikrowelle etwas auf und setze mich an den Küchentisch. Ich bin so in Gedanken vertieft, dass ich zusammenzucke, als mein Handy neben mir auf dem Tisch läutet.
,, Ja?''
,, Hei, ich bin's, Mona.''
,, Hei Mona.''
,, Treffen wir uns um zwei beim Parkeingang?''
,, Ja klar, können wir. Bis dann.''
,, Tschüss.''
Ich lege auf. In einer Stunde muss ich Nele holen, um 13.00 Uhr. Das reicht sehr gut.
Ich mache mich pünktlich auf den Weg zu Neles Schule. Ich muss noch etwas warten und setze mich deshalb auf die Stufen vor dem Eingang, als sich plötzlich jemand neben mich setzt. Ich achte nicht weiter drauf. Ich habe meinen MP3-Player in der Tasche und höre Musik. Aber nicht zu laut, sonst erschrecke ich mich, wenn jemand von hinten kommt oder mich ruft, höre ich nichts. Dieser Jemand spricht mich nach einer Weile an.
,, He, bist du nicht die Freundin von Daniel?''
Ich schaue nach rechts. Ein braunhaariger Typ mit dunkelbraunen Augen sitzt neben mir und sieht mich fragend und mit zusammengekniffenen Augen an.
,, Ja, wieso?'', frage ich zurück.
,, Nix wieso.''
,, Woher weisst du das?''
,, Daniel ist ein guter Kumpel von mir. Ich gehe nicht auf dieselbe Schule, wie ihr zwei, deshalb hast du mich noch nie gesehen. Aber ich bin der Nachbar von Daniel.''
,, Aha.''
,, Er hat mir schon total viel von dir erzählt. Er ist wirklich total in dich verschossen.''
,, Ach, was erzählt er denn so von mir?'' Dieser Typ hat mich extrem neugierig gemacht.
,, Zum Beispiel dass du 'ne total süsse Schwester hast, die hier zus Schule geht und...ach, er erzählt immer so viel von dir. Er schwärmt richtig. ,Lena ist so toll, sie hat so schöne Augen, ihr Stimme ist so weich, sie ist immer so unglaublich lieb'. Und und und. Wirklich, der könnte ein ganzes Buch drüber schreiben, was er von dir alles so sagt.''
Ein Lächeln gleitet über meine Lippen, als ich höre, was er anscheinend so von mir sagt.
,, Echt? Das sagt er immer alles von mir?''
,, Ja, echt. Und ich muss sagen, er hat recht.''
Ich schaue mir den Typen noch genauer an. Er lächelt mich an und ich zurück. Was sollte ich sonst tun?
,, Wie heisst du?'', frage ich, um überhaupt mal was zu sagen.
,, 'tschuldigung, ich bin Tim.''
,, Hast du noch jüngere Geschwister hier?''
,, Ja, ein kleiner Bruder. Oliver, aber ich und die meisten anderen sagen ihm einfach nur Oli.''
,, Ah, ok. In welche Klasse geht er denn?''
,, In die 1. Klasse.''
,, Echt? Meine Schwester auch.''
,, Dann kennen sie sich bestimmt.''
,, Ja, wahrscheinlich.''
,, Das ist toll, jetzt kenne ich dich und deine Schwester kennt mein Bruder. Wir könnten mal alle was zusammen machen.''
,, Ja, klar. Aber heute geht nicht. Ich bin schon verabredet.''
,, Ich kann heute auch nicht. Bist du mit deinem Freund verabredet?''
,, Nein, mit meiner besten Freundin. Ich, sie und Nele gehen zum Park. Zur neuen Skatebahn. Nele wollte die schon lange sehen.''
,, Hab ich auch schon gesehen. Es lohnt sich.''
,, Gut zu wissen.''
In dem Moment kommt Nele aus der Tür heraus.
,, Lena! Hallo!'' Sie umarmt mich stürmisch. Ich bin zuerst aufgestanden natürlich.
,, He, du bist doch der grosse Bruder von Oli.'', sagt Nele zu Tim.
,, Gut erkannt, Nele.'', lächelt er.
,, Oli kommt gleich. Lena, gehen wir?''
,, Klar, komm. Tschüss Tim.''
,, Tschüss Lena, mach's gut.'' Nele und ich gehen.
,, Nele?''
,, Ja?''
,, Ist es in Ordnung, wenn Mona auch mitkommt in den Park?''
,, Klar. Und Daniel?''
,, Er...kann nicht kommen.''
,, Och, schade.''
,, Ein andermal bestimmt.''
Sollt' ich ihr erzählen, weshalb Daniel nicht mitkommen kann? Nein, lieber nicht.
Es ist immer noch niemand zu Hause, als wir nach Hause kommen.
,, Wo ist denn Paps?'', will Nele wissen.
,, Wahrscheinlich noch bei der Arbeit.''
,, Und Mam?''
,, Keine Ahnung.''
,, Hast du schon gegessen?''
,, Ja, und du?''
,, Ja, es hat Spaghetti gegeben. War extrem lecker.''
,, Schön. Geh dich umziehen, wir sind um zwei Uhr am Parkeingang mit Mona verabredet.''
,, Ok, mach ich.'' Und weg ist sie.
Püntklich laufen wir von zu Hause los. Ich habe eine Nachricht auf den Küchentisch gelegt, damit Paps Bescheid weiss, falls er früher als wir zu Hause ist.
Mona wartet bereits auf uns am Parkeingang.
,, Hallo ihr zwei. Hei Nele, wie geht's?'', begrüsst sie uns fröhlich.
Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sie so sehe. Sie hat einfach auch ein Recht darauf zu erfahren, was bei mir zu Hause los ist. Aber wie soll ich es ihr sagen? Es ist einfach verdammt schwer.
,, Hei, gut und dir?''
,, Auch, danke. Hei Lena.''
,, Hallo Mona. Wartest du schon lange?''
,, Nein, noch nicht so lange. Gehen wir rein?''
,, Au ja!'', ruft Nele und rennt los.
,, Sie freut sich schon unheimlich auf die Skatebahn.'', sage ich zu Mona.
,,Ist nicht zu übersehen. Komm.''
Wir rennen Nele hinterher. Als wir sie endlich einholen, sitzt sie bereits auf einer Bank, nahe an der Skatebahn.
,, Lena! Mona! Kommt! Das ist einfach unglaublich, was die da machen.'', ruft Nele uns zu.
Mona und ich setzen uns zu Nele und schauen den Skatern nun ebenfalls zu. Sie führen uns halsbrecherische Kunststücke vor.
,, Wow! Habt ihr das gesehen?'', fragt Nele begeistert.
,, Der hat eine ganze Drehung gemacht. Und der dort. So lange in der Luft. Wahnsinn!''
Nele ist richtig begeistert von den Skatern. Ich natürlich auch, aber nicht sooo sehr, wie Nele. Mona ist auch hin und weg von den Skatern. Oder besser; von einem der Skatern.
,, Lena, siehst du den dort? Der, ganz in Schwarz gekleidet.''
,, Ich sehe ihn. Was ist mit dem?''
,, Der ist nicht nur super gut, der sieht auch noch gut aus.''
,, Hmm, für deinen Geschmack...ja, der ist wirklich gut.''
,, Er sieht ja sooo gut aus.'', seufzt Mona.
,, Du kennst ihn aber nicht, oder?'', frage ich sie.
,, Nein, noch nicht. Ergibt sich bestimmt irgendwie.''
,, Jaja, bestimmt.''
Nach einer Weile, als dieser schwarzgekleidete Junge sich auf eine andere Bank setzt und etwas trinkt, steht Mona auf und geht zu ihm rüber. Mensch, hat die Mut! Ich würde das in 100 Jahren nicht fertig bringen.
,, Wo geht Mona hin?'', fragt Nele.
,, Zu diesem Jungen dort. Nicht nur seine Kunststücke gefallen ihr.'', sage ich und zwinkere Nele zu.
Sie hat verstanden und kichert hinter vorgehaltener Hand. Ich schaue weiterhin den anderen Skatern zu. Plötzlich fragt Nele:
,, Darf ich mir ein Eis kaufen gehen?''
,, Klar, hier.''
Ich gebe ihr etwas geld mit und schon saust sie davon. Bald darauf kommt Mona zurück.
,, Und?'', frage ich gespannt.
,, Wir haben uns für morgen Nachmittag verabredet. Er will mir versuchen Skaten beizubringen.''
,, Ist ja super. Wie heisst er eigentlich?''
,, Angelo. Er ist Italiener und bleibt bis nach dem Sommer hier.''
,, Dauert ja nur noch vier Monate.''
,, Leider. Deshalb wollen wir so viel wie möglich miteinander unternehmen.''
,, Wie alt ist er denn?''
,, 15.''
,, Ein Jahr älter als du.''
,, Macht aber nichts.''
Ich überlege, ob es jetzt der richtige Moment wäre, Mona alles zu erzählen. Doch da kommt Nele zurück.
,, Lena, dort ist ein Schulkamerad von mir, darf ich mit ihm spielen gehen?''
,, Ja, aber nicht zu weit weg, ja? In einer halben Stunde wieder hier, ok? Mona und ich gehen noch etwas spazieren.''
,, Ok, ist gut.'' Und weg ist sie.
,, Komm Mona. Ich muss mit dir sprechen.''
,, Ja? Um was geht's?''
,, Das wirst du gleich erfahren.''
Ich ziehe sie am Arm mit mir. Wir laufen weg von den Skatern. Weg von den vielen Leuten. Braucht nicht jeder mitzukriegen, was ich ihr zu sagen habe.
,, Also, was ist los, Lena?''
,, Es geht um mein Privatleben. Ich wollte dir und Daniel nie davon erzählen. Weisst du ja, oder.''
,, Ja, das ist mir ja schon etwas seltsam vorgekommen.''
,, Das heisst, du hast dich manchmal trotzdem gefragt, wie mein Privatleben aussieht?''
,, Ja. Erst recht, als du dich geweigert hast, uns davon zu erzählen. Es ist bestimmt nicht ein super Leben, wenn man den besten Freunden nicht mal davon erzählen will.''
,, Also, ich habe Daniel, als wir dieses Projekt zusammen hatten, mit zu mir nehmen müssen, weil bei ihm umgebaut wurde. Da hat er dann etwas mitbekommen von meinem Leben und so hab ich ihm dann mehr erzählt.'' ,, Also weiss er schon Bescheid.''
,, Ja. Ich möchte, oder sollte dir wohl auch davon erzählen, weil du das Recht dazu hast.''
,, Wieso das Recht?''
Mona ist stehen geblieben und sieht mich an. Dann sagt sie leiser und sanft:
,, Auch wenn ich deine beste Freundin bin habe ich nicht das Recht darauf. DU hast das Recht, wem du es erzählen willst. Wenn du es deinem besten Freund und Freund erzählst, ist mir das egal. Natürlich interessiert es mich, wie dein Familienleben ist, aber es geht mich auch als beste Freundin nichts an.''
,, Aber...es ist doch unfair, wenn ich dir nichts erzähle, aber Daniel erfährt alles. Fühlst du dich dadurch nicht verraten von deiner besten Freundin?''
,, Also gut, ich gebe ja zu, wenn du es mir nie erzählen würdest, aber Daniel erfährt alles, dann fühl ich mich schon ein wenig ausgeschlossen. Aber es ist nun mal so, dass du bestimmst, wem du davon erzählst und wem nicht.''
,, Ok, aber dir erzähl' ich es, weil du meine beste Freundin bist. Aber erzähl' es niemandem weiter, ja? Und Nele gegenüber verhälst du dich so, wie immer, abgemacht?''
,, Ok, abgemacht.''
Ich beginne ihr also von meinem Familienleben zu erzählen. Ich beginne da, wo ich elf war. Wie mein Leben sich zu ändern begann und so weiter. Als ich mit meiner Erzählung fertig bin, warte ich ab, was Mona sagen wird. Ich schaue sie unsicher von der Seite an, als sie schweigt. Sie räuspert sich und sagt:
,, Du...du wirst also schon seit drei Jahren geschlagen und so?''
,, Ja.''
,, Und ich habe nichts bemerkt. Dabei, wenn man dich so erlebt hat, hätte man draufkommen können, dass etwas nicht stimmt.''
,, Ehrlich?''
,, Ja. Deine Schweigsamkeit, wenn es um deine Familie ging und so. Ich hätte viel früher reagieren sollen.''
,, Jetzt mach dir bitte keine Vorwürfe, klar? Das ist das Letzt, was ich gebrauchen kann. Daniel hat ja was bemerkt und jetzt wisst ihr beide, was los ist. Er hilft mir.''
,, Wie denn das?''
,, Seine Tante ist Anwältin. Er wollte sie heute Nachmittag anrufen um mit ihr Klartext darüber zu sprechen. Er hat ihr schon mal unverbinlich ein wenig Sachen gefragt. Aber jetzt wollen wir was gegen meinen Vater unternehmen.''
,, Mensch Lena. Du tust mir so leid.''
,, Mir tut vor allem Nele leid. Sie weiss nichts von der Anwältin und ich weiss auch nicht genau, wie ich es ihr beibringen soll.''
,, Ich kann dir ja helfen, wenn du willst.''
,, Nein, lieb von dir, aber ich muss da alleine durch.''
,, Wie du meinst. Falls es mal ganz schlimm werden sollte, dann kannst du und Nele immer zu mir kommen ja?'' ,,, Ist gut, danke.''
Wir laufen gemütlich wieder zurück zu unserem Bänkchen. Nele ist noch nicht da, also setzen wir uns hin und schauen den Skatern weiterhin zu.
Später kommt Nele endlich wieder und wir machen uns wieder auf den Heimweg. Unterwegs klingelt mein Handy. Es ist Daniel.
,, Hei Daniel.''
,, Hei, ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich ein paar Infos habe und meine Tante gerne einmal mit dir sprechen würde. So unter vier Augen.''
,, Ok, wann?''
,, Ihr ist es egal. Geht's heute noch?''
,, Ich weiss nicht. Wenn Paps schon zu Hause ist nicht, sonst komm ich in einer Viertelstunde vorbei.''
,, Ok, ist gut. Kannst Nele dann mitbringen, ich unterhalte sie ein bisschen, ok?''
,, Klar.''
,, Also dann...''
,, Moment!'', rufe ich.
,, Was ist?''
,, Danke.'', sage ich etwas ruhiger.
Daniel lacht leise.
,, Kein Problem. Ich liebe dich.''
,, Ich dich auch, tschüss.''
Und aufgelegt hat er. Man, er ist einfach super. Ich bin wieder mal unendlich froh, dass er sich so für mich einsetzt. Und für Nele natürlich.
,, Was wollte Daniel?'', fragt Nele.
,, Das wirst du noch früh genug erfahren.''
Und so wird es hoffentlich auch sein.
Ich schliesse die Tür auf und weiss sofort: Paps ist hier. Mist! Jetzt kann ich nicht zu Daniel. Oder doch?
,, Ich geh in mein Zimmer.'', sagt Nele.
,, Klar, geh nur.''
Ich gehe in die Küche und will mir gerade ein Brot mit Nutella bestreichen, als Paps herein kommt.
,, Wo warst du?!'', brüllt er auch schon los.
,, Ich...ich war mit Nele im Pa...Park, hab ich dir doch auf die Nachricht geschrieben.''
,, Hab ich dir jemals erlaubt dorthin zu gehen?!''
,, Äh, i...ich dachte, ich darf mit ihr gehen.'', sage ich kleinlaut.
Paps kommt auf mich zu, brüllt:
,, Nein, darfst du nicht!'', und gibt mir eine Ohrfeige.
Ich das Gefühl, dass er mich noch nie so fest geschlagen hat. Die Tränen rollen mir nur so über's Gesicht. In dem Moment, als Paps mich an den Schultern nimmt, ruft Nele von hinten:
,, Lass sie in Ruhe!''
Erschrocken schaue ich zu ihr. Nein, wenn sie noch mehr sagt, geht er auf sie los. Ich muss was unternehmen, danke ich. Paps lässt mich zwar los, aber -wie vermutet- geht er nun auf Nele zu. Bevor ich reagieren kann, hat er sie auch schon gepackt und -klatsch!- eine Ohrfeige gegeben.
,, Paps, lass sie! Paps!'', schreie ich.
Ich bin total verzweiflet. Ich zerre am Arm von Paps und endlich lässt er Nele los. Ich habe die Kontrolle total über mich verloren und stosse Paps mit aller Kraft nach hinten. Fast gleichzeitig nehme ich Nele an der Hand und ziehe sie hinter mir her. Ich schnappe im Flur meine und ihre Jacke. Sie nimmt ihre Schuhe und ich meine. Zum Glück hat sie verstanden, was ich vorhabe. Ich will weg. Schnell. So schnell, wie nur möglich. Ein paar Meter von unserem Haus entfernt, ziehen wir schnell unsere Schuhe und Jacken an und gehen weiter.
,, Wo gehen wir hin?''
,, Ich bringe dich zu Mona. Dort kannst du mit ihrer Schwester spielen, ok? Ich muss zu Daniel.''
,, Ja, ist gut. Kommst du mich dann wieder abholen?''
,, Bestimmt.''
Zum Glück öffnet Mona gleich selbst die Tür, als ich bei ihr läute.
,, Kannst du kurz auf Nele aufpassen?'', frage ich ohne ein 'Hallo' oder sonst was. Mona versteht, nickt und nimmt Nele an der Hand.
,, Komm, kannst ein bisschen mit meiner Schwester Nadine spielen, einverstanden?''
,, Ja!'', ruft Nele begeistert.
Nele geht hinein und Mona fragt mich kurz:
,, Kann ich sonst irgendwie helfen?''
,, Nein, pass einfach auf Nele auf, ja? Ich gehe schnell zu Daniel und komme dann wieder.''
,, Alles klar. Tschüss.''
Ich laufe los. Mir rollen wieder ein paar Tränen über die Wangen. Ist mir aber egal. Ich bin froh, als ich endlich bei Daniel ankomme. Ich läute Sturm. Endlich wird die Tür geöffnet. Daniel steht vor mich. Zuerst strahlt er mich an, als er mich sieht, doch als er mein tränenüberströmtes Gesicht sieht, weicht sein Lächeln aus dem Gesicht.
,, Lena, was ist denn mit dir passiert? Komm erst mal rein.''
Er zieht mich in den Flur. Dortlege ich meinen Kopf erstmal an seine Schulter und weine eine Weile. Er streicht mir über den Rücken und übers Haar. Dann zieht er mich in sein Zimmer. Dort schliesst er dir Tür und sieht mich an.
,, Also, was ist passiert? Und wo ist Nele?''
,, Bei Mona. Sie hat angeboten, dass ich und Nele zu ihr gehen könnten, falls zu Hause was los sein sollte.''
,, Das heisst, du hast ihr alles erzählt?''
,, Ja, hab ich.''
,, Das ist gut. Und was ist passiert?''
Wir setzen uns auf's Bett und ich beginne zu erzählen. Ein paar weitere Tränen und hoffentlich die letzten für heute, rollen über meine Wangen. Daniel streicht sie sanft weg. Als ich fertig bin, meint er:
,, Das ist wirklich hart. Ich bin froh, dass ich mit meiner Tante gesprochen habe. Du und Nele geht die Nacht aber nicht nach Hause, oder?''
,, Nicht? Aber wir haben unsere Schulsachen und alles dort.''
,, Egal. Ihr bleibt bei mir und morgen seid ihr einfach krank.''
,, Meinst du, das geht?''
,, Klar. Ihr geht nicht an dieselbe Schule, schon mal gut und ihr seid Geschwister, die sich anstecken können.''
,, Na gut. Krieg ich jetzt noch einen Kuss?''
,, Klar.'', lächelt Daniel, beugt sich zu mir und küsst mich sanft.
Eigentlich macht er alles sanft. Er nimmt mich sanft in die Arme, er streicht mir sanft über's Haar, über den Rücken, er küsst mich sanft und und und. Jetzt streiche ich ihm durch's Haar. In meinem Bauch kribbelt es wie verrückt. Für einen kleinen Moment muss ich die Luft anhalten, weil es so schön ist. Dann nimmt er -leider- seine Lippen wieder weg.
,, Oh, es war gerade so schön.'', murmle ich und öffne die Augen.
,, Gerade weil es so schön war, musste ich aufhören. Dann bleibt es so, wie es war.'', erklärt Daniel und streicht mir -natürlich sanft- über die Wange und lächelt mich an.
Ich lächle zurück. ,, Ich gehe nachher Nele holen.''
,, Mach das. Und komm gleich wieder hier her, versprochen?''
,, Klar, versprochen.''
Ich stehe auf und Daniel begleitet mich noch nach unten.
Es dämmert schon, als ich auf dem Weg zu Mona bin. Es ist mir etwas unheimlich, so durch die Strassen laufen zu müssen. Zum Glück bin ich bald bei Mona. Ich läute wieder und diesmal öffnet ihre Mutter.
,, Hallo Lena. Komm doch rein.''
,, Guten Tag, ich möchte Nele abholen.''
,, Aber sicher. Nele! Deine Schwester ist da!'', ruft Monas Mutter.
Wenig später kommen Nele und Nadine die Treppe runter gesaust.
,, Lena! Nadine und ich haben zusammen verstecken gespielt und sie hat mir ihre Puppensammlung gezeigt.''
,, Das ist ja toll. Komm, wir müssen jetzt gehen.''
,, Nach Hause?'', fragt mich Nele mit grossen Augen.
,, Nein, zu Daniel. Komm.''
,, Puh! Ok, komme schon. Tschüss Nadine!''
,, Tschüss!''
,, Tschüss Frau...''
,, Nennt mich einfach Kristin.''
,, Na gut. Tschüss Kristin. Einen lieben Gruss an Mona, ja?''
,, Mach ich. Tschüss ihr beiden.''
Ich nehme Nele an der Hand und so machen wir uns auf den Weg zurück zu Daniel. Er erwartet uns schon an der Tür.
,, Hei Nele. Na, wie geht's?''
,, Super!'', ruft Nele und wirft sich ihm an den Hals.
Ich muss beim Anblick der beiden lächeln. Es ist einfach toll, wie sich Daniel mit Nele versteht und sie sich mit ihm. Er lässt Nele wieder los und die geht schon vorraus ins Haus hinein.
,, Geh ruhig schon mal in mein Zimmer, Nele, weisst ja, wo es ist.''
,, Ist gut.''
Und weg ist sie. Nun nimmt Daniel mich in die Arme und küsst mich.
,, Na, alles gut?''
,, Mhm, jetzt schon.''
,, Es wird alles wieder gut, Lena, glaub mir.''
,, Klar. Ich glaub dir.''
Wir gehen rein und rauf in sein Zimmer.
,, Meine Tante ist leider schon wieder weg.''
,, Macht ja nichts. Ich rede ein andermal mit ihr.''
,, Mhm.''
Nele steht vor Daniels Bücherregal und betrachtet die Bücher.
,, Darf ich das hier mal lesen?'', fragt sie, als sie uns bemerkt.
,, Aber sicher. Es ist eines meiner Lieblingsbücher.''
,, Echt? Ist ja cool.'' Nele setzt sich auf's Bett und beginnt zu lesen.
,, Jetzt ist sie nicht mehr ansprechbar. Wie immer, wenn sie ein gutes Buch in die Finger kriegt.'', sage ich zu Daniel.
,, Dann ist sie so wie ich. Hast du Hunger?''
,, Nein, hab ich nicht.''
,, Und durst?''
,, Auch nicht.''
,, Nele? Erde an Nele, bitte kommen.'', sagt Daniel und fuchtelt mit seinen Händen vor ihren Augen herum.
,, Was?'', fragt Nele plötzlich und zuckt zusammen.
Daniel muss lachen.
,, Ich wollte dich nur fragen, ob du Hunger oder Durst hast.''
,, Nein, beides nein. Danke trotzdem.''
,, Bitte schön. Dann lies nur weiter. Lena und ich sind unten.''
,, Ist klar.''
Und schon ist sie wieder abwesend. Daniel und ich gehen nach unten.
,, Sind deine Eltern nicht zu Hause?'', frage ich ihn, weil es so ruhig ist.
,, Nein, sie sind an einem Essen. Keine Ahnung was genau, aber sie kommen erst gegen Mitternacht zurück, haben sie mir gesagt.''
,, Achso.''
,, Ist ja in Ordnung, oder?'', fragt Daniel mich unsicher.
,, Klar. Ich bin echt froh, dass ich und Nele zu dir kommen konnten. Ich hätte sonst echt nicht gewusst, wohin.'' ,, Das ist doch logisch. Aber jetzt mal 'ne Frage,'', beginnt Daniel, setzt sich auf's Sofa und deutet mir, neben ihm Platz zu nehmen, dann fährt er fort, ,, wenn ich jetzt noch nichts von deinem Leben wüsste, wohin wärst du dann gegangen?''
,, Hm...ich denke, ich wäre zu dir gekommen.''
,, Ehrlich?''
,, Ja.''
Er küsst mich wieder und fragt dann: ,, Wollen wir einen Film schauen?''
,, Mhm, können wir.''
Wir suchen uns einen Film aus und machen es uns dann auf dem Sofa bequem. Plötzlich, als wir so in den Film vertieft sind, kommt Nele in das Wohnzimmer.
,, Kann ich auch mitschauen?'', fragt sie schüchtern.
,, Sicher, komm her.'', sage ich.
Sie kuschelt sich zwischen Daniel und mich. Mitten im Film schläft sie ein.
Nach dem Film trägt Daniel sie in sein Zimmer.
,, Wo schlafen wir?'', frage ich ihn.
,, Du kannst im Gästezimmer schlafen und ich übernachte auf dem Sofa.''
,, Was? Ich möchte aber bei dir bleiben.''
,, Dann...übernachten wir beide im Gästezimmer. Meine Eltern müssen uns ja nicht zusammen auf dem Sofa erwischen, oder?''
,, Wir schlafen ja nur...moment, du willst doch nicht heute Nacht wieder mit mir...?''
,, Vielleicht. Vielleicht ergibt es sich ja so und sonst nicht.''
,, Aaah.'',lächle ich.
Tatsächlich tun wir es diese Nacht wieder. Es ist wieder voll schön. Aber bald vorbei. Viel zu schnell. Wir küssen uns immer wieder.
,, Wissen deine Eltern, dass du und ich zusammen...'', beginne ich und schaue ihn fragend an.
,, Nein. Ehrlich gesagt wissen sie nur von einem Mädchen namens Lena, das ich total gerne mag. Ich habe ihnen nichts davon erzählt, dass wir zwei richtig zusammen sind.''
,, Was?'' Ich sitze sofort kerzengerade im Bett.
,, Sie wissen nichts von unserer Beziehung? Und ich übernachte hier noch?''
,, Deshalb habe ich vorhin gemeint, dass sie uns nicht gemeinsam erwischen sollten.''
,, Aber, wieso...ich meine, willst du es ihnen nicht sagen? Ist es dir zu peinlich?''
,, Nein, nein, das darfst du nicht falsch verstehen.''
,, Was wäre denn richtig?''
,, Hör zu, ich möchte dich gleich morgen meinen Eltern vorstellen und dann könnten wir sie auch noch um Hilfe bitten. Wenn sie von jemand anderem erfahren, dass ich mit einem Mädchen zusammen bin, das einen gewalttätigen Vater hat, dann erlauben sie mir diese Beziehung nicht. Verstehst du das?''
,, Ja, schon verstanden. Nele und ich hätten doch nach Hause gehen sollen.''
Ich schaue auf die Bettdecke. Irgendwie verstehe ich ihn, irgendwie aber auch nicht. Wieso hat er seinen Eltern nicht von meinem Vater erzählt? Was, wenn sie mich morgen missachten, nachdem sie alles erfahren haben? Was, wenn sie Daniel diese Beziehung dann wirklich verbieten? Dann hät' ich niemanden mehr, der mir beisteht. Ausser Mona. Aber Daniels Tante ist Anwältin, nicht die von Mona.
,, He, Lena. Ich erklär ihnen morgen alles, versprochen. Sie werden dich und Nele genauso lieben, wie ich es tue.''
,, Meinst du? Ich weiss ja nicht.''
,, Bestimmt. Vertrau mir, ja?''
Ich seufze, bevor ich antworte: ,, Natürlich vertrau ich dir.''
Wir küssen uns wieder und ich entspanne mich langsam wieder.
Am nächsten Morgen erwache ich so ziemlich früh in den Armen von Daniel. Wir liegen beide in Unterwäsche im Bett. Ich befreie mich langsam und vorsichtig von Daniels Umarmung und ziehe mich an. Danach gehe ich leise in die Küche und schaue auf die Uhr. Neun Uhr. Geht ja noch. Ich gehe in Daniels Zimmer. Nele schläft noch tief und fest und das Buch liegt neben ihr auf dem Kopfkissen. Plötzlich trifft mich die Erinnerung wie ein Schlag. Ich musste ja Nele und mich in der Schule noch entschuldigen. Ich schnappe mir im Flur das Telefon und sperre mich im Bat ein. Als jemand im Sekretariat abnimmt, versiche ich so krank wie möglich zu klingen und huste noch ein wenig.
,, Ich möchte mich für heute entschuldigen. Ich habe Husten, Halsschmerzen und Fieber.''
,, Ist gut. Ich richte es deiner Klassenlehrerin aus. Aus welcher Klasse bist du?''
,, 9c.''
,, In Ordnung. Gute Besserung.''
,, Danke, auf Wiedersehen.''
Ich lege auf und wähle gleich noch die Nummer von Neles Schule. Ich muss lange warten und die Lehrerin, die abnimmt, klingt, als wäre sie einen Marathon gelaufen.
,, Guten Tag, ich möchte Nele Neubauer für heute entschuldigen. Sie hat Fieber und Halsschmerzen.''
,, Ist gut. In welche Klasse geht sie?''
,, In die 1. Klasse.''
,, Und du bist ihre Mutter?''
Ich überlege kurz. Wenn sie schon nach Mutter und nicht Schwester fragt, wieso nicht?
,, Ja, ich bin ihre Mutter.''
,, Na gut, ich richte es der Lehrerin aus. Gute Besserung und einen schönen Tag noch.''
,, Danke gleichfalls.''
Puh! Auch das hätte ich geschafft. Ich lege das Telefon schnell wieder zurück. Die anderen schlafen noch. Ich gehe zurück ins Gästezimmer und lege mich wieder neben Daniel. Aber nicht lange, denn er erwacht schon bald.
,, Na, gut geschlafen?'', frage ich ihn.
,, Aber sicher. Und du?''
,, Mmm, ich auch. Ich habe gerade vorhin in meiner Schule und an der von Nele angerufen und uns beide entschuldigt.''
,, Und was hast du gesagt?''
,, Dass ich Halsschmerzen, Fieber und Husten habe und Nele einfach nur Fieber und Halsschmerzen.''
,, Und die haben das einfach so hingenommen?''
,, Ja. Die Lehrerin bei Nele hat gefragt, ob ich die Mutter sei und ich habe bejaht.''
,, Was? Und sie hat es geglaubt?''
,, Ja. Wenn sie schon fragt, ob ich die Mutter sei. Da dachte ich, dass ich ja sage.''
,, Lena, Lena.''
,, Was hättest du denn gesagt?''
,, Keine Ahnung.''
,, Dann ist meines ja noch besser.'', grinse ich.
,, Stimmt. Ist Nele schon wach?''
,, Ich glaube noch nicht. Vorhin hat sie noch geschlafen.''
,, Ich ziehe mich schnell an und dann gehen wir nach ihr sehen, ok?''
,, Ja, ist gut.''
Er zieht sich schnell an und dann gehen wir in sein Zimmer. Nele ist gerade am erwachen.
,, Wo bin ich?'', murmelt sie verschlafen und öffnet ihre Augen einen Spalt breit.
,, Wir sind bei Daniel zu Hause. Erinnerst du dich?''
,, Bei Daniel...'', murmelt sie wieder, ,, Ja, ich erinnere mich. Wie spät ist es?''
,, Halb zehn.'', antwortet Daniel.
,, Was?'' Nun ist sie hellwach.
,, Wir sollten doch in die Schule!'', meint sie.
,, Du kannst heute zu Hause bleiben, genauso wie Lena.''
,, Und du?''
,, Ich rufe nachher noch an.''
,, Dann mach's lieber jetzt, weil es schon halb zehn ist. Sonst rufen die dann an.''
,, Mach ich. Ich komme gleich wieder.''
Er geht nach unten. Ich setze mich zu Nele auf's Bett.
,, Wann gehen wir wieder nach Hause?'', fragt sie.
,, Wann möchtest du denn nach Hause gehen?''
,, Gar nicht mehr.''
Okay, gar nicht mehr. Jetzt weiss ich es.
,, Wir müssen nochmal nach Hause gehen. Aber ich verpsreche dir, dass wir bald wieder gehen.''
Ich weiss zwar nicht genau, wohin und so weiter, aber irgendeine Lösung würde es bestimmt geben. Endlich kommt Daniel wieder.
,, Und? Habt ihr Hunger?''
,, Ist deine Mutter schon wach?'', frage ich ihn zurück.
,, Sie macht Frühstück. Lena, sie wird dich bestimmt mögen.''
,, Hoffentlich.''
Wir gehen gemeinsam in die Küche runter. Seine Mutter hat den Tisch für vier gedeckt. Sie weiss also Bescheid. Sie grüsst uns freundlich und lässt uns Platz nehmen. Wir greifen bei Brötchen und Marmelade ordentlich zu. Nach dem Frühstück fragt Nele, ob sie ihre Lieblingssendung im Fernseher schauen dürfe.
,, Aber sicher,'', meint Daniels Mutter, ,, geh' ruhig.''
Ich bin so ziemlich froh darüber, dass Nele fernseh schauen geht, damit sie nicht mitbekommt, wie Daniels Mutter mich annehmen würde.
,, Du bist also die Freundin von Daniel.'', meint sie und sieht mich freundlich an.
,, Ja.''
,, Wie lange seid ihr denn jetzt schon ein Paar?''
,, Bald 3 Monate glaube ich.'', antworte ich.
,, Ach, schön. Was arbeiten denn deine Eltern?''
Jetzt kommt's. Ich schaue zu Daniel. Er versteht und erzählt an meiner Stelle. Er erzählt, wie ich seit ich elf bin, von meinem Vater geschlagen werde, wie meine Mutter sauft und immer wieder einen anderen hat und nichts arbeitet. Mein Vater habe zwar eine Arbeit, aber sei meist zu Hause und wütend.
,, Ach du meine Güte!'', sagt seine Mutter nun entsetzt.
,, Und mit so einem Mädchen bist du zusammen? Hör zu, du weisst, was dein Vater und ich immer sagen: Wenn du eine Freundin in deinem Alter willst, soll sie auch etwas taugen.''
,, Mam!'', ruft Daniel.
Ich sitze nur mit offenem Mund da. Was hat die Frau gerade gesagt? Klang nicht gut.
,, Nein, Daniel. Bei allem Respekt. Aber wenn ihr Vater dir noch was tut? Ich will nicht, dass du mit so einer zusammen bist. Ende der Disskussion.''
Seine Mutter steht auf und verlässt die Küche. Ich kann nichts sagen. Ich sitze nur da und starre auf den Platz, auf dem eben noch seine Mutter gesessen hat. Endlich bringe ich wieder etwas aus meiner zugeschnürten Kehle.
,, Dann wissen wir es ja jetzt. Dann dürfen wir also nicht mehr zusammensein.''
,, Mir egal, was meine Mutter sagt. Ich liebe dich, Lena, das weisst du.''
,, Ja. Ich dich auch. Dann bleiben wir also zusammen?''
,, Klar.'' Er lächelt mich an und gibt mir einen Kuss.
Nele und ich gehen noch vor dem Mittag nach Hause. Von Daniels Mutter habe ich nichts mehr gesehen.
,, Die beruhigt sich schon wieder. Bis morgen ihr zwei.''
,, Tschüss.''
Ich habe grosse Angst um nach Hause zu gehen. Doch glücklicherweise ist weder Mam noch Paps zu Hause. Nele und ich setzen uns ins Wohnzimmer und sehen uns einen Film an. Heute werde ich ausnahmsweise von den Schlägen meines Vaters verschohnt. Meine Mutter lässt sich erst spät gegen Mitternacht wieder blicken. Sie ist mal nüchtern und sie streiten sich auch nicht.
Am nächsten Morgen bringe ich Nele wie immer zur Schule und treffe vor dem Schultor (meiner Schule), Daniel. ,, Hei.'', begrüsse ich ihn und will ihm einen Kuss geben.
Doch er dreht sich weg.
,, Was ist?'', frage ich.
Er ist verlegen, als er antwortet: ,, Meine Eltern haben gestern Abend nochmals mit mir gesprochen. Sie meinen, es wäre nicht gut für mich mit einem Mädchen zusammen zu sein, das keine richtige Familie hat und vom Vater geschlagen wird.''
Ich schaue ihn entsetzt an. Was will er mir sagen?
,, Was...heisst...das?'', bringe ich in Brüchstücken hervor.
,, Lena, ich...ich mache Schluss.''
Jetzt sieht er mich an. Er sieht auch traurig aus.
,, A...aber d...du kannst mich doch jetzt nicht einfach...im Stich lassen?'', sage ich verzweifelt.
,, Nein, mach ich ja nicht. Meine Tante kannst du heute sprechen. Aber ich habe ja nichts mehr damit zu tun. Ich selber kann dir ja nicht helfen.''
,, Doch,'', sage ich unter Tränen, ,, wenn du bei mir bist und ich und Nele nicht alleine sind, dann hilfst du mir.''
,, Lena, es geht nicht mehr. Versteh doch, bitte.'', sagt er sanft.
,, Nein! Ich verstehe nicht! Wie kannst du mir das antun? Du weisst, wie es mir geht und lässt mich jetzt einfach links liegen, weil deine Eltern mich nicht akzeptieren!'', schreie ich und weine.
,, Hei ihr zwei. Was ist denn hier los?'', sagt Mona als sie uns erreicht und sieht fragend vom einen zum anderen. Ich lehne mich gegen Mona und schluchze weiter. Ich kann gar nicht anders. Daniel steht da, wie ich noch sehe, Kopf und Schultern hängenlassend und sagt nichts.
,, He, was ist los? Daniel? Lena? Habt ihr streit?''
,, Nein.'', kommt es leise von Daniel.
Ich würde Mona gerne sagen, was los ist, nur kann ich diesen schrecklichen Satz: ,Er hat Schluss gemacht.', nicht aussprechen.
Da sagt Daniel leise, bevor er geht: ,, Zwischen uns ist es aus.''
Mona starrt ihm mit offenem Mund hinterher. Ich habe inzwischen meinen Kopf wieder von ihrer Schulter genommen. Sie sieht mich erschrocken an und fragt leise:
,, Ist...ist das wahr?''
,, Ja, wegen seinen Eltern, die mich nicht akzeptieren, weil ich einen gewalttätigen Vater habe und keine richtige Familie.''
,, Dass Daniel dir jemals sowas antun konnte, hätte ich von ihm nicht erwartet. Er ist doch wie du: Ruhig, sensibel und nett. Er sollte wissen, wie du dich fühlst. Wahrscheinlich willst du jetzt nicht mehr in die Schule, hm?''
Ich schüttle den Kopf.
,, Ich sage der Lehrerin, du hättest Bauchschmerzen, ok?''
,, Mhm. Danke.''
,, Schon ok. Kopf hoch Lena, sonst fällt dein Krönchen runter.''
,, Danke.''
Ich lächle schwach, drehe mich um und gehe. Wie konnte er nur? Wie? Wie konnt er mir das nur antun? Diese Fragen schiessen mir den ganzen Nachhauseweg durch den Kopf. Ich lege mich zu Hause gleich ins Bett und schluchze wieder vor mich hin. Was wird wohl Nele dazu sagen, wenn ich ihr nachher erzählen muss, dass Daniel mit mir Schluss gemacht hat, wegen seinen Eltern? Paps wird sich natürlich freuen, aber ihm muss ich ja nichts davon erzählen. Ach, es wäre ja so schön, wenn ich jetzt eine Mutter hätte, die mich in die Arme nehmen und trösten würde...
In dieser Zeit in der Schule:
Mona kann und will es nicht glauben und spricht gleich in der grossen Pause mit Daniel.
,, Wieso hast du das getan?''
,, Meine Eltern wollen nicht, dass ich mit ihr zusammen bin.''
,, Ach, du hörst also immer auf deine Eltern? Vielleicht mögen sie in zwei Jahren deine andere Freundin nicht, weil sie Ausländerin ist oder so. Wenn Lena so wie du wäre in dem Fall, dann wärt ihr schon lange nicht mehr zusammen.''
,, Was meinst du damit?'', fragt Daniel irritiert.
,, Du weisst es also gar nicht?''
,, Was?''
,, Na, einmal, am Anfang eurer Beziehung hat ihr Vater sie geschlagen und angebrüllt, sie solle mit dir Schluss machen, weil sie noch zu jung sei für einen Freund. Aber sie hat nein gesagt und Nele hat sie unterstützt. Ihr Vater schlägt sie gleich, wenn er mit etwas nicht zu frieden ist, aber sie gibt nicht klein bei im Gegensatz zu dir.''
Daniel senkt den Kopf.
,, Das wusst' ich nicht.''
,, Und wenn du es gewusst hättest, hättest du dann nicht Schluss gemacht?''
Daniel schweigt.
,, Du bist das Allerletzte Lena so zu verlezten und im Stich zu lassen. Sie hat jetzt nur noch ihre kleine Schwester und mich. Liebst du sie denn gar nicht mehr?''
,, Doch!'', ruft Daniel, ,, und wie! Aber, ich...meine Eltern, sie akzeptieren sie nicht.''
,, Du kennst Lena besser und weisst, wie es wirklich ist. Deine Eltern wissen nur, dass sie Lena heisst und keine richtige Familie hat. Mehr nicht. Wissen sie, dass du ihr hilfst mit deiner Tante?''
,, Nein.''
,, Eben. Ich halte zu Lena, auch wenn ich deswegen von meiner Mutter Hausarrest kriegen sollte. Sie ist meine beste Freundin seit der 4. Klasse. Und deine übrigens auch, falls du dich noch erinnerst.'', sagt Mona und geht.
Am Mittag stehe ich auf, noch bevor ihr Vater nach Hause kommt, um Nele von der Schule abzuholen, wie immer. Nele wartet schon vor der Tür, als ich komme. Aber nicht alleine. Tim und Oli sind bei ihr und reden mit ihr. Tim sieht mich als erstes und kommt auf mich zu.
,, Hei Lena! Wie geht's?''
,, Hei Tim! Könnte besser gehen. Und dir?''
Mir geht's zwar schon besser, seit ich ihn gesehen habe, aber immer noch nicht gut genug.
,, Mir geht's gut. Was hast du denn? Deine Augen sind ja geschwollen. Hast du geweint?'', fragt er mich und streicht über meine Wange.
Ich quäle mir ein Lächeln ab und sage:
,, Ach, ich erzähl's dir nachher.''
,, Ok.''
,, Hallo Nele. Hallo Oli. Können wir, Nele?''
,, Och, ich wollte noch zu Oli gehen.''
,, Na gut. Aber um vier Uhr hol' ich dich wieder ab.''
,, Ist gut.''
,, Komm doch auch mit.'', sagt Tim, der plötzlich hinter mich getreten ist.
Seine Stimme ist unglaublich weich. Nicht sanft. Ist ja fast dasselbe. Ich drehe mich um.
,, Na gut. Aber nicht zu lange.''
,, Kein Problem. Komm.''
Er nimmt mich an der Hand und so laufen wir bis zu ihm. Nele und Oli verduften gleich in Olis Zimmer. Tim und ich gehen in Tim's Zimmer. Das Zimmer ist sehr gemütlich eingerichtet. Anders als bei Daniel. Ach Daniel!
,, Setz dich ruhig.'', fordert Tim mich auf.
,, Danke.''
,, Willst du was zu Trinken?''
,, Nein danke, es geht.''
,, Also,'', beginnt er, als er sich zu mir gesetzt hat, ,, was ist passiert.''
Beim Gedanken daran, ihm zu erzählen, was passiert war, bekomme ich schon wieder neue Tränen.
,, He, so schlimm?'', fragt Tim, weil er meine Tränen bemerkt hat und legt den Arm um mich.
Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und sage leise, bevor ich wieder anfange zu weinen:
,, Daniel hat....es ist aus zwischen uns.''
Und jetzt fliessen die Tränen. Tim sagt nichts. Noch nichts. Er sagt erst etwas, als ich mich wieder beruhigt habe.
,, Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?''
,, Doch.'', schniefe ich.
,, Hier, ein Taschentuch.''
,, Danke.'' Ich schnäuze mich ausgiebig und dann fragt er:
,, Wieso hat er denn Schluss gemacht? Hattet ihr Streit?''
,, Nein. Seine Eltern akzeptieren mich nicht, weil...''
Ich breche ab. Er weiss ja noch gar nichts davon. Eigentlich hatte ich auch nie vor gehabt, es ihm zu erzählen.
,, Weil was?'', fragt er nach.
Ich seufze.
,, Ich weiss nicht, ob ich das dir erzählen kann. Es wissen es erst zwei, nein drei Leute. Daniel, Mona und Daniels Tante. Vielleicht willst du dann nichts mehr mit mir zu tun haben, oder darfst nicht mehr, so wie Daniel. Und das will ich nicht riskieren.''
,, Kann ich verstehen. Aber ich lasse dich nicht alleine. Ich erzähle meinen Eltern auch nichts davon, wenn du das nicht willst.''
,, Na gut. Dann erzähl' ich's dir eben.''
Ich erzähle ihm alles so, wie ich es Mona erzählt habe. Er hört aufmerksam zu. Als ich fertig bin, warte ich ab, was er sagen wird. Ein wenig Angst habe ich. Endlich sagt er dann was:
,, Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Ausser, dass du mir unheimlich Leid tust und ich dir wirklich gerne helfen würde.''
,, Danke. Ich spreche heute irgendwann mit Daniels Tante. Dann sehen wir weiter.''
,, Ok, gut. Triffst du sie persönlich?''
,, Ich weiss nicht. Ich rufe sie dann mal an.''
,, Wenn du willst, dann kann ich beim Treffen mitkommen. Damit du eine Hand zum drücken hast.''
,, Gerne.''
,, Aber, dass Daniel dir sowas antun kann...er ist sonst immer der, der weiss, wie man mit sensiblen Menschen umgehen muss und dann das. Ich muss mal mit ihm ein ernstes Wörtchen sprechen.''
,, Ne, lass nur. Ausserdem glaube ich, hat dies Mona heute schon gemacht. Meine beste Freundin. So, wie ich sie kenne.''
,, Gut, dann ist das schon erledigt. Wenn Daniel jetzt Einsicht hätte und zu dir zurückkommen würde, würdest du ihn annehmen?''
,, Naja, mein Sprichwort ist: Jeder hat eine weite Chance verdient. Bei allem. Dann wohl schon. Ich liebe ihn schliesslich. Aber ich denke nicht, dass er so schnell zurückkommen wird.'', sage ich traurig.
,, He, du hast ja noch mich. Ist doch auch was, oder?'', lächelt Tim und legt wieder den Arm um mich.
Ich lächle zurück.
,, Ja, das ist auch was. Sogar viel. Aber ich muss es noch meiner Schwester beibringen. Sie mochte ihn sehr und er sie auch.''
,, Ohje. Aber sag' ihr, dass bestimmt bald alles wieder gut wird. Schliesslich gehört sowas zu einer Beziehung dazu.''
,, Wir haben nicht Streit, Tim, Daniel hat richtig Schluss gemacht. Vielleicht will er nie wieder mit mir zusammen sein.''
,, Doch, bestimmt.'' ,, Wie du meinst.''
Tim erzählte mir ein paar Sachen über seine Familie, Schule, Kollegen und sich selbst. Ich erzählte ein bisschen von Nele und von Mona. Nach einer Ewigkeit frage ich:
,, Wie viel Uhr ist eigentlich?''
,, Moment.''
Er sieht auf sein Handy.
,, Bald vier Uhr.''
,, Was? Oh nein! Nele und ich müssen gehen. Höchste Zeit.''
,, Macht dein Vater sonst Ärger?''
,, Der macht so ziemlich wegen allem Ärger, deshalb will ich wenigstens pünktlich zu Hause sein.''
,, Verstehe. Komm, holen wir schnell Nele.''
,, Mhm.''
Tim war enttäuscht, dass ich und Nele schon gehen mussten. Naja, er mehr wegen mir und Oli wegen Nele. Aber es ging leider nicht anders. Wir verabredeten uns für den nächsten Nachmittag beim Parkeingang.
Als Nele und ich nach Hause kommen ist zum Glück noch niemand da. Ich schaue auf mein Handy. Eine Nachricht von Mona. Ich öffne sie und lese. Sie schreibt, dass sie mit Daniel ein ernstes Wörtchen geredet hätte. Ich simse grinsend zurück:
Hab ich mir schon gedacht ;)
Danke, bis morgen
Am nächsten Morgen werde ich von lautem Gebrüll geweckt.
,, Dann verschwinde doch! Dich brauch' ich eh nicht mehr! Ich hab ja noch Lena und Nele!'', brüllt Paps.
Mam antwortet: ,, Du denkst doch nicht wirklich dass ich meine Kinder bei dir lasse?!''
,, Du hast dich doch eh nie um sie gekümmert!''
,, Ich hab' mich geändert! Du bist sowieso nicht der richtige Vater!''
,, Ach, hast du in den letzten Nächten den Richtigen gefunden?''
,, Ich will keinen Mann mehr. Ich will nur noch Nele und Lena. Ich nehme sie zu mir, sobald ich eine eigene Wohnung gefunden habe.''
,, Du glaubst aber nicht, dass ich Nele und Lena freiwillig rausrücke?!'', meint Paps spöttisch.
Rausrücke? Das klingt als wären Nele und ich Geld, dass er geben müsste.
,, Oh doch! Ich geh' zur Polizei und werde dich anzeigen, dann wird das Sorgerecht sowieso mir zugeteilt.''
,, Wenn du das machst, dann bring ich eine deiner geliebten Töchter um!''
WAS?? Das meint er doch jetzt nicht ernst??
,, Das würdest du nie machen! Schliesslich hast du mich auch noch nicht rausgeworfen, was du so oft angedroht hast.''
,, Ich kann auch anders.'', brummt Paps und wenig später höre ich eine Tür knallen.
Der Streit ist zu Ende. Und ihr Zusammenleben auch? Ich würde ja eher zu Mama ziehen, wenn überhaupt. Die schlägt mich wenigstens nicht immer. Nein, nie! Ich schaue auf die Uhr. Halb sieben. Tja, da haben die zwei mal pünktlich angefangen zu streiten. Ich stehe auf, schlurfe leise ins Bad und mache mich frisch. Danach gehe ich Nele wecken. Sie ist zum Glück während dem Streit nicht aufgewacht und hat nichts mitbekommen. Diese Drohung von Paps macht mir Angst.
,, Los Nele. Wir müssen heute früher los.''
,, Was? Wieso denn?'', fragt Nele, als sie einigermassen wach ist. Ich helfe ihr anziehen und die Schulsachen packen.
,, Weil es heute so ist. Morgen nicht mehr, ok?''
,, Na gut.''
Wir schleichen uns aus dem Haus. Ich will nicht noch Mam oder Paps über den Weg laufen. Ich bringe Nele zur Schule und gehe dann zu meiner Schule. Mona wartet am Schultor auf mich.
,, Na, geht's wieder?''
,, Mhm. Was hat er gesagt, als du mit ihm gestern geredet hast?''
,, Nicht viel. Aber ich glaube, er überlegt's sich nochmals.''
,, Na hoffentlich.''
,, Wollen wir heute was zusammen unternehmen?''
,, Ne, ich bin schon verabredet. Tut mir leid.''
,, Schon ok. Hast du mit dieser Tante schon gesprochen.''
Ich schlage mir mit der Hand an die Stirn.
,, Mist! Die hab ich total vergessen. Ich ruf sie heute gleich an.''
,, Jetzt.''
,, Jetzt?''
,, Klar, mach einen Termin mit ihr aus und dann ist das auch schon erledigt. Hast du ihre Nummer?''
,, Ja.''
,, Dann los. Es reicht noch.''
Ich rufe also schnell noch diese Tante an.
,, Lora hier, hallo?'', meldet sich eine freundliche Stimme.
,, Guten Tag. Hier ist Lena Neubauer, die...'', ich hole tief Luft und sage dann, ,, die Ex-Freundin von Daniel.''
,, Ach, Lena. Schön, dass du dich meldest. Aber was hast du gesagt? Ex-Freundin?''
,, Ja, leider. Seit gestern.''
,, Schade. Aber ich helfe dir gerne. Daniel hat mir viele Infos verschaffen. Können wir uns heute treffen?''
,, Klar. Wann und wo?''
,, Kennst du das Café Sunshine?''
,, Klar, kenn ich.''
,, Dort um 14.00 Uhr?''
,, Alles klar. Äh, ich bringe noch einen Kumpel mit, wenn's Recht ist.''
,, Kein Problem. Ich freu' mich schon. Tschüss Lena.''
,, Auf Wiedersehen.''
,, Und?'', fragt Mona gespannt.
,, Im Café Sunshine um 14.00 Uhr.''
,, Super!'', ruft Mona begeistert.
,, Jetzt hab ich aber ein schlechtes Gewissen, weil ich mich mit ihr treffe und bei dir nein gesagt habe.'', meine ich zerknirscht.''
,, He, ich bin froh, wenn du's endlich schaffst.''
,, Danke.''
In dem Moment klingelt die Schulglocke.
,, Komm Lena.'' Wir gehen gemeinsm rein.
Nach der Schule rufe ich schnell Tim an. Unsere Handynummer haben wir natürlich auch getauscht.
,, Tim, hallo?''
,, Hei, ich bin's, Lena.''
,, Hei Lena. Schön, dass du anrufst. Ist wegen Nachmittag alles klar?''
,, Deshalb rufe ich an. Ich habe heute morgen mit...'', wieder tief Luft holen und, ,, Daniels Tante Telefoniert. Ich kann sie Nachmittag um 14.00 Uhr im Café Sunshine treffen. Dafür fällt unser Treffen ins Wasser. Tut mir echt leid.''
,, Kein Problem.''
,, Ich habe sie gfragt, ob ich dich mitnehmen darf.''
,, Und? Darf ich mitkommen?''
,, Ja, du darfst. Wenn du immer noch Lust hast.''
,, Natürlich hab ich das. Dann sehen wir uns beim Café?''
,, Ja, beim Café. Also, tschüss.''
,, Tschüss.''
Jetzt freu ich mich tatsächlich auf den Nachmittag.
Nele habe ich, vor dem Treffen, zu Mona gebracht und bin gerade beim Café angekommen. Tim wartet bereits draussen auf mich.
,, Hei, wie geht's?'', begrüsst er mich.
,, Hei. Gut, danke. Und dir?''
,, Jetzt noch besser als zuvor.''
,, Ach ja? Weshalb?''
,, Weil du jetzt da bist.''
Ich lächle und gebe ihm einen kleinen Schups, dann gehen wir rein. Lora wartet bereits an einem Tisch für drei auf uns.
,, Hallo ihr zwei.''
,, Guten Tag.'', sage ich und ,,Guten Tag.'', sagt Tim.
,, Für euch bin ich einfach Lora. Ich mag es nicht, wenn ich von Teenes gesiezt werde.''
,, Ok. Das ist mein Kumpel Tim.''
Die beiden geben sich die Hand, dann setzen wir uns. Wir bestellen eine Runde Cola für alle, bevor wir zum Hauptthema überschreiten.
,, Also, was genau tut dein Vater dir und deiner Schwester alles an?''
,, Naja, er gibt vor allem einfach Ohrfeigen und brüllt ständig rum.''
,, Hm, schlägt er dich mehr, als deine Schwester? Wie heisst sie noch gleich?''
,, Nele. Ja, mich schlägt er mehr. Ich bin aber froh, dass er sie meist in Ruhe lässt.''
,, Kann ich verstehen. Und deine Mutter?''
,, Die bekomme ich fast nie zu Gesicht. Sie ist ständig weg, treibt sich mit anderen Typen rum und ist oft abends, wenn sie nach Hause kommt, besoffen. Aber heute Morgen habe ich einen Streit mitbekommen.''
Ich erzähle ihr, was ich gehört habe.
,, Er hat gedroht, dass er deine Schwester umbringen will, wenn sie zur Polizei gehen will?''
,, Ja.''
,, Meinst du, dass er es ernst meinte?''
,, Naja, mit sowas spasst man ja eigentlich nicht. Ich kann es nicht sagen. Aber ich will trotzdem, oder erst Recht wegen der Unsicherheit, vorsichtig genug sein.''
,, Natürlich musst du das. Deine Mutter ist nicht gewalttätig?''
,, Nein, sie nicht.''
,, Also. Auf jeden Fall solltest du und Nele zu jemandem übernachten gehen, so lange die Drohung von deinem Vater in der Luft schwebt.''
,, Mhm.''
,, Weiss deine Schwester von der Drohung?''
,, Nein.''
,, Gut so. Dann sag ihr, dass euer Vater zu gefährlich wird und ihr zu jemandem gehen könnt in der nächste Zeit, damit du eine Erklärung hast.''
,, Ja, sag ich ihr.''
,, Wüsstest du, wohin du gehen könntest?''
,, Äh...'', überlege ich, als Tim meint:
,, Sie können zu mir kommen. Das ist kein Problem.''
,, Wissen deine Eltern von Lenas Problem Bescheid?''
,, Nein.''
,, Dann solltet ihr sie auch einweihen und sagen, dass sich jemand um dein und Neles Problem kümmert, damit sie nichts unternehmen wollen, alles klar?''
,, Ja, alles klar. Was...was passiert mit Paps, wenn wir zur Polizei gehen?''
,, Er wird vorläufig festgenommen, wegen Körperverletzung und muss eine Strafe zahlen. Dann sehen wir weiter.''
,, Ok, danke.''
,, Dann werde ich mich in den nächsten Tagen wieder melden, einverstanden?''
,, Mhm, ist gut.''
,, Dann spendiere ich euch noch ein Stück Kuchen.''
,, Danke Lora.''
,, Bitte, bitte.''
Der Rest, des Nachmittags geht schnell weiter. Lora will noch wissen, weshalb Daniel Schluss gemacht hat.
,, Weil seine Eltern mich wegen meiner kaputten Familie und meinem Gewalttätigen Vater nicht akzeptieren. Sie wollen nicht, dass er mit so einem Mädchen zusammen ist.''
,, Wie bitte? Und er hat nicht widersprochen?''
,, Zuerst schon und hat mir noch gesagt, er würde zu mir halten. Das war...vorgestern, wo er es mir versprochen hat. Gestern Morgen hat er Schluss gemacht.''
Ich schlucke schnell den Kloss in meinem Hals runter.
,, Hat dein Vater oder deine Mutter von Daniel gewusst?''
,, Mein Vater. Er wollte, dass ich Schluss mache, aber ich habe nein gesagt, weil ich Daniel schliesslich liebe.''
,, Weiss er das? Ich meine, dass du deinem Vater nein gesagt hast?''
,, Vielleicht hat Mona es ihm gesagt.''
,, Und er macht einfach, was seine Eltern sagen.'', murmelt Lora fassungslos vor sich hin.
,, Ich glaube, mit denen muss ich mal sprechen.''
,, Naja, alle Eltern wollen für ihre Kinder nur das Beste.''
,, Du bist aber nichts schlechtes. Deine Eltern sind einfach nur...nicht gut genug für dich und Nele. Ich werde mit ihnen sprechen. Sie wissen wohl nicht, dass ich dir helfe?''
,, Nein.''
,, Dann sag ich ihnen das. So, ich muss los. Mach's gut. Ich melde mich, ja?''
,, Ist gut. Tschüss.''
,, Tschüss ihr beiden.''
Und weg ist sie.
,, Willst du noch was zu trinken?'', fragt Tim mich und nimmt meine Hand in seine Hand.
,, Nein danke. Willst du noch was?''
,, Nein. Gehen wir zu mir?''
,, Können wir.''
Auf dem Nachhauseweg zu Tim, sagt er: ,, Du liebst Daniel noch sehr, oder?''
,, Ich weiss nicht. Irgendwie schon, wenn ich nur so an ihn denke. Wenn ich aber daran denke, was er mir angetan hat, dann...dann hass ich ihn richtig in meinem tiefsten Innersten.''
,, Kann ich verstehen.''
,, Ups! Ich muss noch Nele abholen gehen bei Mona. Hät' ich beinahe vergessen.''
,, Dann holen wir sie eben.''
Wir wechseln die Richtung und laufen zu Mona. Nachdem wir Nele aufgegabelt haben, sage ich ihr:
,, Wir holen bei uns noch die restlichen Sachen. Schule und so weiter und übernachten bei Tim.''
,, Wieso?''
,, Weil...Paps ist Momentan gefährlicher. Ich will nicht, dass er dir was tut.''
,, Ok.''
Wir laufen also nach Hause. Leider ist Paps zu Hause. Mam nicht. Auch ihre Kleider sind weg sehe ich, als ich der offene Kleiderschrank zum offenen Zimmer von Mam und Paps sehe.
,, Komm Nele, beeilen wir uns.''
Ich gehe in mein Zimmer und Nele in ihres. Tim wartet in der Küche. Als wir alles haben, machen wir uns aus dem Staub. Ich hinterlasse noch eine Nachricht, dass Nele und ich in der Schule bei einem gemeinsamen Projekt übernachten müssten. Paps würde ausrasten, wenn er erfahren würde, dass Nele und ich bei Tim sind.
Endlich sind wir bei Tim angekommen. Nele darf im Gästezimmer übernachten mit mir zusammen.
,, Wir können auch in Olis und mein Zimmer eine Matratze auf den Boden tun.''
,, Au ja!'', ruft Nele begeistert.
,, Ok, dann los.'', lacht Tim.
Als wir eingerichtet sind, verzieht sich Nele zu Oli. Tim und ich gehen in sein Zimmer.
,, Danke Tim.''
,, Für was?''
,, Für alles. Wie du mir hilfst und zu mir hälst. Ich bin echt froh.''
,, Kein Problem. Mach ich gerne.''
Ich lächle ihn an. Wieso kann Daniel nicht so sein? Mensch Daniel!
,, Denkst du wieder an Daniel?'', fragt Tim mich.
Er ist vor mich hingetreten und sieht mich an. Er ist ziemich nahe vor mir. Mir fällt auf, wie gut er riecht. Ich schaue ihm in die Augen. Seine Augen sind wunderschön blau. Ähnlich wie die von Daniel. Schon wieder Daniel. Seufz!
,, Nein, hab ich nicht.''
Er streicht mir über die Wange. Mein Herz klopft immer schneller.
,, Du bist wunderschön, Lena.''
,, Danke.''
Er beugt sich vor und sagt:
,, Ich mag dich sehr, Lena.''
Und dann küsst er mich. Er hat wunderschön weiche und warme Lippen. Er nimmt seine Lippen wieder weg.
,, Ich mag dich auch sehr.'', sage ich leise. Er küsst mich wieder und wieder. Bald stehen wir eng umschlungen in seinem Zimmer, wie damals mit Daniel. Man! Wieso vergleiche ich alles mit Daniel? Er hat Schluss gemacht. Ich bin jetzt mit Tim zusammen, oder? Das frage ich, sobald er mich wieder losgelassen hat, mit seinen Lippen nur.
,, Sind wir jetzt zusammen?'', frage ich ihn also.
,, Ich hoff' es doch.''
Ich lächle ihn an. Das muss ich nur noch alles Nele erzählen. Aber nicht jetzt.
Zum Abendessen gibt es Pizza. Nach dem Abendessen nehme ich Nele kurz beiseite:
,, Nele, ich muss dir was sagen.''
,, Ja?''
,, Daniel hat gestern mit mir Schluss gemacht. Aber...wir werden bestimmt wieder zusammenkommen, mach dir keine Sorgen, ja? Ich bin jetzt mit Tim zusammen.''
,, Kannst du denn nach einer Trennung so schnell mit jemandem anderes zusammen sein?''
,, Ja, kann ich. Hoffentlich macht's dir nicht so viel aus.''
,, Daniel hat Schluss gemacht?''
,, Ja.''
,, Dann tust du mir leid.''
,, Schon ok. Ich hab ja jetzt Tim.''
,, Ist auch gut. Ich habe Oli.''
Mir fällt ein riesen Stein vom Herzen. Tim kommt gerade, als ich mit Nele das Gespräch beendet habe, aus der Küche und sieht mich fragend an. Als möchte er fragen: Weiss sie es jetzt? Ich nicke fast unmerklich und sage:
,, Sie weiss jetzt, dass wir zusammen sind.''
,, Und? Stört es dich Nele, dass es nicht mehr Daniel, sondern Tim heisst?''
,, Nein, solange Lena glücklich ist und nicht wieder enttäuscht wird, bin ich auch glücklich.''
,, Super. Ich werd' sie nicht enttäuschen.''
Tja, das hat Daniel auch gesagt, also, dass er zu mir hält, aber nun ist es anders geworden. Naja, Tim weiss ja schon, was ich für ein Problem habe, aber seine Eltern...
,, Deine Eltern wissen noch nichts von mir und meinem Problem.''
,, Ich sag's ihnen nachher gleich.''
,, Ok.''
Nele und Oli verziehen sich nach einer Weile wieder zurück in Olis Zimmer. Tims Eltern sind auch endlich munter und fit aufgestanden und nun sitzen wir zu viert am Küchentisch. Ich bete noch schnell, dass sie mich nicht ablehnen. Bitte, bitte, bitte nicht!
,, Du bist also Lena Rot?'', fragt Tims Mutter mich.
,, Ja, bin ich.''
,, Freut mich. Ich bin Liliana und das ist mein Mann Klaus.''
,, Ihr habt euch anscheinend, nach Tims Bericht zufolge, gestern gefunden?'', fragt Klaus mich lächelnd.
,, Ja, gestern.'', sage ich und schaue zu Tim.
Er lächelt mich an und nimmt meine Hand.
,, Dann erzähl' doch etwas von deiner Familie. Nele ist deine Schwester?'', fährt Liliana fort.
Ich nicke.
,, Und was arbeitet dein Vater?''
,, Er ist Hausmann in einem Schulhaus.'', antworte ich.
Nicht der Traumberuf, aber besser als sagen zu müssen:
,, Er ist momentan arbeitslos.''
,, Und deine Mutter?'', fragt sie weiter.
Mist! Hier bricht schon alles auseinander. Ich kann doch nicht sagen:
,, Sie treibt sich jeden Tag mit einem anderen Kerl herum und ist jetzt ausgezogen. Wie sie Geld verdient, weiss ich nicht.''
Tim räuspert sich und antwortet:
,, Darüber müssen wir euch jetzt aufklären. Lenas Eltern sind etwas anders, als ihr. Ihr Vater schlägt sie oft und ihre Mutter hat sich aus dem Staub gemacht. Wohin und wie lange wissen wir noch nicht. Ihr Vater ist jetzt etwas gefährlicher geworden, deshalb übernachtet sie und Nele ein paar Mal bei mir, wenn's nichts ausmacht. Daniels Tante ist Anwältin und kümmert sich um Lenas und Neles Problem.''
,, Ach...'', sagt Liliana nur, dann ist wieder Stille.
Dann sagt Klaus endlich was.
,, Hmckrm,'', räuspert er sich, ,, natürlich darfst du und deine Schwester bei uns übernachten. Wenn wir dir so helfen können...''
,, Dann habt ihr also nichts dagegen, dass ich mit ihr zusammen bin?''
,, Wieso sollten wir?'', fragt Liliana überrascht.
,, Weil, Daniel hat mit mir Schluss gemacht, weil seine Eltern gegen diese Beziehung waren, weil ich eben so eine Familie habe. Sie wollen eben nur das Beste für ihn.'', sage ich.
,, Wie bitte? Die haben eure Beziehung verboten? Das versteh' ich jetzt nicht. Mit denen sollte man mal ein ernstes Wörtchen reden.''
,, Das macht Daniels Tante schon.''
,, Und dieser Daniel hat so ohne mir nichts, dir nichts mit dir Schluss gemacht?''
,, Ja, aber erst am nächsten Tag, nach dem Gespräch. Sie haben wohl nochmals mit ihm gesprochen. Aber Mona hat mit ihm gesprochen.''
,, Aha. Also, wir helfen dir auf alle Fälle, wo wir nur können. Du und Nele könnt so lange bleiben, wie es sein soll.'', sagt Klaus.
,, Danke schön.'' Ich bin richig erleichtert.
Später gehen Tim und ich noch ein bisschen spazieren. Bei einem Bänkchen bleiben wir stehen und setzen uns.
,, Ich bin echt froh, dass deine Eltern so reagiert haben.''
,, Ich auch. Jetzt wird alles gut, Lena. Ganz bestimmt.''
Wenn ich an Daniel denke, spüre ich einen Stich in meinem Herz. Aber sobald ich daran denke, was er mir angetan hat, hasse ich ihn wieder.
,, Ich liebe dich, Lena.'' Ich drehe mein Gesicht zu ihm und sage:
,, Ich dich auch.''
Wir küssen uns eine Weile. Plötzlich piepst mein Handy. Mona schreibt:
Hei, wie ist es mit der Tante gelaufen?
Was passiert jetzt?
lg Mona
Ich antworte schnell:
Es ist gut gelaufen. Sie meldet sich
bald wieder.
Lg Lena
Ps. Ich habe mich neu verliebt. In Tim,
Daniels Kumpel. Hat Daniel noch was gesagt?
Tim küsst mich wieder. Seine Küsse sind ja sooo schön! Leider piepst bald wieder mein Handy.
,, Tut mir leid.'', sage ich.
,, Schon ok. Schau ruhig nach.''
,, Danke.''
Ich öffne die SMS:
Dann bin ich ja mal gespannt!
Was?! Du bist jetzt mit Tim zusammen?
Weiss es Daniel? Er hat wohl ein schlechtes
Gewissen.
lg Mona
Aha, ein schlechtes Gewissen. Ha! Super! Hoffentlich würde er noch zur Vernunft kommen. Tim und ich sitzen noch lange auf dem Bänkchen und küssen uns immer wieder. Ich bin wieder einmal wunschlos glücklich!
Die nächsten zehn Tagen sind Nele und ich bei Tim. Tim und ich harmonieren fast so gut, wie Daniel und ich damals. Ach, Daniel...Er geht mir leider nicht aus dem Kopf. Inzwischen hat er auch erfahren, dass ich mit Tim zusammen bin. Tim hat es ihm gesagt. Daniel sei richtig zusammengezuckt. Er liebt mich wohl doch noch. Er hat keine andere Freundin, was mich sehr beruhigt!
Ich hatte Lust, alleine ein wenig durch die Strassen zu schlendern. Ich bin ganz in Gedanken, biege um eine Ecke und -Peng!-, macht es. Ich bin mit jemandem zusammengestossen und sitze auf dem Boden.
,, Autsch, mein Kopf.'', murmle ich und reibe mir die schmerzende Stelle.
,, Mensch, kannst du nicht aufpa...''
Den Rest des Satzes bleibt in der Luft, den dieser Jemand sagen wollte. Ich schaue auf. Huch! Vor mir sitzt Daniel. Ich bin wie erstarrt. Doch dann kommt mir wieder in den Sinn, was er getan hat. Und schon werde ich wütend. Ich rapple mich auf.
,, Tut mir ja sehr leid, dass ich nicht um die Ecke gesehen habe.''
,, He, tut mir auch leid. Ich...ich hab dich nicht gesehen. Hast du dir wehgetan?''
,, Nein.'', knurre ich.
Eigentlich habe ich keine Lust, weiter mit ihm zu sprechen. Wir stehen uns gegenüber und wissen nicht was zu sagen. Da räuspert er sich und sagt:
,, Du...du bist jetzt mit Tim zusammen, stimmt's?''
,, Ja, stimmt. Und du? Hast du dein Glück von einem völlig perfekten Mädchen gefunden?'', frage ich etwas schnippisch.
,, Was? Nein...ich...ich habe keine neue Freundin.''
,, Ach.''
,, Wie läufts denn mit Tim so?''
,, Sehr gut. Er hat jedenfalls kein Problem mit mir.''
,, Ich hatte auch keines. Meine Eltern hatten eins. Da kann ich doch nichts dafür.'', sagt Daniel schon etwas lauter und sieht mich dunkel an.
,, Seine Eltern haben kein Problem mit mir. Sie helfen mir sogar. Ich und Nele können bei ihnen Wohnen für ein paar Tage.''
,, Lena, ich...ich liebe dich immer noch. Aber ich kann nicht das Gegenteil von tun, was meine Eltern sagen. Verstehst du das denn nicht?'', fragt Daniel verzweifelt geworden.
Ich schaue ihn traurig an und sage leise:
,, Nein, das verstehe ich nicht. Wir haben uns geliebt und wir tun es immer noch irgendwo tief drin, aber du sperrst dich gegen mich, nur weil deine Eltern es so wollen. Was, wenn du später auch wieder ein Mädchen kennenlernst, das...ein Emo ist oder so, deine grosse Liebe wäre und deine Eltern sie nicht mögen? Was tust du dann? Willst du eine reiche Tussi heiraten, mit Eltern, die Milionäre sind, die deine Eltern bestimmt akzeptieren werden?''
,, Nein, ich...ach, ich weiss doch auch nicht. Du liebst mich also noch?''
,, Irgendwo tief drin schon, ja. Aber das ist ja vorbei. Mach's gut.''
Ich drehe mich um und gehe. Ich spüre Daniel's blick in meinem Rücken. Tim gegenüber will ich nichts von der Begegnung mit Daniel erwähnen. Er hat ziemlich traurig ausgesehen. Aber schliesslich hat er Schluss gemacht, nicht ich. Trotzdem hat er mir ein wenig leid getan. Genau so lange, bis ich wieder daran dachte, was er mich angetan hat. Ich bin wieder sauer geworden, nur nicht so hart, wie am Anfang. Tja, die Wut verblasst, die Verletzung bleibt.
Tim ist aber nicht blöd. Als ich nach Hause komme, (immer noch bei Tim), begrüsst er mich an der Tür mit einem Kuss und merkt gleich, dass etwas ist.
,, Was hast du?'', fragt er mich.
,, Nichts. Wieso?''
,, Du bist so komisch.''
,, Komisch? Das bildest du dir bestimmt nur ein.'', winke ich ab.
Doch Tim bleibt ernst.
,, Nein, Lena. Lass mich raten.''
Er tippt sich mit dem Zeigefinger an das Kinn und mustert mich nachdenklich. Dann hört er plötzlich auf, mit dem Tippen und sieht mir in die Augen.
,, Du bist Daniel begegnet, stimmt's?''
,, Ja, also, wir haben uns sozusagen, gegenseitig über den Haufen gerannt.''
,, Aha. Und habt ihr zusammen geredet?''
Man, muss ich ihm jetzt wirklich das ganze Gespräch auftischen? Ne, ich muss nicht alles erzählen.
,, Naja, nicht viel. Er hat nur gefragt, ob wir jetzt wirklich zusammen seien und so.''
,, Was heisst; ,und so'?''
Jetzt werde ich aber wütend. Traut er mir überhaupt nicht? Muss ich ihm jede Neuigkeit und jedes Gespräch auf die Nase binden?
,, Mensch Tim! Wieso willst du das alles wissen? Vertraust du mir gar nicht? Gibt es jetzt jedes Mal, nachdem ich Daniel über den Weg gelaufen bin, ein Kreuzverhör?''
,, Nein. Tut mir ja leid. Könnte ja sein, dass er fies zu dir war oder so.''
,, Und wenn schon. Gott hat mir einen Mund zum Reden gegeben, damit ich mich gegen Fieslinge wehren und zurückgeben kann.''
,, Ja, schon gut.''
Tja, dass es schon gut ist, glaub ich nicht. Tim ist nämlich nach unserem Gespräch sehr schweigsam. Ich verziehe mich ins Zimmer von Tim zurück und denke nach. Daniel hat mir gesagt, dass er mich noch liebt. Als er das ausgesprochen hatte, habe ich ein kleines oder eher grösseres Kribbeln im Bauch gespürrt. Es ist einfach so, ob ich es will, oder nicht: Ich liebe Daniel immer noch. Von ihm habe ich meinen ersten Kuss gekriegt. Kurz: Alles Schöne, was man von einem Jungen kriegen kann, habe ich zum ersten Mal von Daniel bekommen. Tim ist auch nett und sehr süss. Und seine Eltern sind unheimlich lieb. Aber Nele versteht sich mit ihm lange nicht so gut, wie mit Daniel. Tim mag sie auch sehr, aber nicht so wie Daniel. Ob Daniel schon eingesehen hat, dass er nicht nach der Pfeife seiner Eltern tanzen kann? Nicht immer, jedenfalls? Vielleicht kommen wir ja irgendwann wieder zusammen. Ich seufze tief.
,, Was ist?'', fragt Tim, der plötzlich neben mir am Bett steht.
,, Was? Äh...nichts ist. Wieso fragst du?''
,, Weil du gerade so geseufzt hast.''
,, Ich darf doch seufzen, oder?''
,, Klar. Aber mal ehrlich Lena, so kann es nicht mehr weitergehen mit uns, oder?''
Jetzt werde ich doch noch hellhörig.
,, Was meinst du damit?''
,, Du...du liebst Daniel immer noch, oder?''
Was soll ich darauf antworten? Es ist ja so. Aber ich will Tim doch nicht verletzen!
,, Dein Schweigen nehme ich als ein Ja entgegen.''
,, Tim, ich...ich bin auch vorhin erst darauf gekommen. Ich habe dir nichts vorgemacht in unserer letzten Zeit, ehrlich!''
,, Das glaub ich dir. Wenn du Daniel liebst, solltest du dich auf den Weg zu ihm machen.''
,, Und...was ist mit...uns?''
,, Schluss?''
Ich nicke traurig. Da umarmt Tim mich im sitzen. Er hat sich in der Zwischenzeit gesetzt.
,, Ich bin jedenfalls auch sonst für dich da. Einfach als guter, oder sehr guter Freund. Einverstanden?''
,, Klar bin ich das. Ich bin froh, dass du nicht wütend oder verletzt bist.''
,, Wieso sollte ich.'', winkt er ab.
,, Geh jetzt zu Daniel.''
,, Meinst du wirklich?''
,, Er hat dich zwar sehr verletzt, aber man muss auch einmal verzeihen können. Jeder Mensch macht Fehler. Ob grosse oder kleine.''
,, Du hast Recht.''
Ich stehe auf und da geht gerade die Tür auf. Nele kommt rein.
,, Lena, ich muss von zu Hause meinen Pass holen. Wir machen mit der zweiten Klasse eine Klassenreise.''
,, Und wohin? Einen Pass braucht man, wenn man über eine Grenze gehen will.''
,, Wir fliegen nach Frankreich. Heute in einer Woche.''
,, Ist ja cool.'', meint Tim.
,, Soll ich mitkommen?'', fragt er mich.
,, Gerne. Komm Nele. Gehen wir schnell.''
Tim, Nele und ich machen uns auf den Weg zu unserem Zuhause.
,, Mist! Paps ist zu Hause.'', sage ich, als wir zur Treppe gehen.
,, Woher weisst du das?'', fragt Tim mich.
,, Die Tür ist nicht abgeschlossen.''
,, Könnte ja auch deine Mutter sein.''
,, Erstens ist die schon lange verduftet und zweitens weiss ich einfach, dass es Paps ist.''
,, Ok. Ich warte unten, ok?''
,, Ja, ist gut.''
Ich gehe mit Nele rauf und gleich in mein Zimmer. Ich könnte auch noch was gebrauchen. Ein Buch, T-Shirts und so weiter. Plötzlich höre ich, wie Nele schreit und kreischt:
,, Aaah! Lass mich los?''
Klatsch! Klatsch! Das waren Ohrfeigen.
,, Aua! Das tut weh!''
Nele weint. Erschrocken renne ich in ihr Zimmer. Paps ist bei ihr. Ich bin vom Anblick zuerst mal geschockt: Nele liegt am Boden, Paps kniet neben ihr und schlägt immer wieder auf sie ein. Dann schüttelt er sie dazu noch. Das heisst, ihr Kopf wird immer wieder auf den Boden geprallt.
,, Lass Nele in Ruhe!'', schreie ich und stürze mich auf ihn.
Leider habe ich zu wenig Kraft und kann Paps nicht wegzerren. Zum Glück kommt in dem Moment Tim ins Zimmer gestürmt und hilft mir. Er hat bedeutend mehr Kraft als ich. Nele hat aufgehört zu schreien. Sie ist bewusstlos...oder mehr? Tot? Nein, bitte nicht. Paps springt auf, runter und raus. Ich höre nur noch die Haustür ins Schloss fallen und dann ist ruhe. Tim kniet neben Nele und fühlt ihren Puls.
,, Sehr schwach. Ruf einen Krankenwagen.''
Ich renne runter und rufe also einen Krankenwagen. Danach renne ich zurück in Neles Zimmer hinauf.
,, Der Krankenwagen kommt gleich.''
,, Sehr gut. Kannst du ein nasses Tuch holen? Es sollte schön kühl sein.''
,, Bin schon weg.''
Ich hole also noch ein nasses und kühles Tuch und dann legen wir es Nele auf die Stirn.
,, Ihr Puls ist ganz schwach. Dein Vater hat sie aber auch fest auf den Boden gehämmert.''
,, So ein Mist!'', schluchze ich, ,, wieso habe ich ihn nicht gehört? Der war so leise bei ihr im Zimmer.''
,, Vielleicht hat er nur auf sie gewartet.''
,, Was?''
,, Ja...ich weiss doch auch nicht.''
,, Meine Mutter.'', sage ich plötzlich wie vom Blitz getroffen.
,, Mein Vater hat doch gedroht, er würde Nele umbringen, wenn Mam zur Polizei gehen würde. Wetten, sie hat es getan?''
,, Meinst du?''
,, Ja, bestimmt.''
,, Und wo ist sie jetzt?''
,, Keine Ahnung, ihre Kleider sind nicht mehr da.''
,, Wir sollten Nele runter ins Wohnzimmer bringen.''
Ich nicke. Tim trägt sie runter und legt sie vorsichtig auf das Sofa.
,, Ihr Puls wird immer schwächer.'', sagt Tim.
Mir kommen langsam die Tränen.
,, Überlebt sie es?'', frage ich Tim leise.
Er sieht mich an und sagt dann:
,, Ich weiss es nicht.''
,, Ich rufe schnell Daniel und Mona an.''
,, Mach das. Ich bleibe bei deiner Schwester.''
Ich gehe in den Flur zum Telefon und rufe erst Mona an.
,, Mona Tahl, hallo?''
,, Ich bin's.'', schluchze ich.
Ich kann leider nichts mehr dagegen tun.
,, Lena? Was ist los? Wieso weinst du?''
,, Nele...sie ist...ohnmächtig. Paps...er...er hat...sie geschlagen...komm bitte zu uns.''
,, Dein Vater hat...'', murmelt Mona und sagt dann: ,, Bist du alleine?''
,, Nein, Tim ist da. Aber...Mona, Tim und ich sind nicht mehr zusammen. Aber das erkläre ich dir später, ja?''
,, Ok, ich komme schon.''
,, Danke.''
Ich lege auf und wähle gleich die Nummer von Daniel. Ich habe Herzklopfen und in meinem Bauch kribbelt es wie verrückt.
,, Daniel Hardt?''
,, Hier ist Lena.''
,, Lena? Wie geht's dir?'', fragt er eigentlich so ganz normal, als wäre ich nur eine Schulkameradin.
,, Schlecht. Kannst du bitte zu mir kommen? Paps hat Nele...zusammengeschlagen und jetzt ist sie ohnmächtig. Der Krankenwagen ist schon unterwegs und Mona kommt auch gleich. Tim ist jetzt bei Nele. Komm bitte, ja?''
Am anderen Ende ist es ruhig.
,, Daniel? Bist du noch da?''
,, Äh, ja klar. Ist es sehr schlimm?'', fragt Daniel. Seine Stimme zittert.
,, Ihr Puls ist sehr schwach.''
,, Ohman. Die arme kleine Nele. Tim ist jetzt also bei ihr?''
,, Ja.''
,, Und du meinst wirklich, dass ich...dass ich kommen sollte?''
,, Ja, ich...Tim und ich...wir sind nicht mehr zusammen. Ich weiss jetzt, wen ich wirklich liebe. Aber können wir das nicht nachher klären? Mir ist jetzt nicht so danach.''
,, Klar. Ich bin schon unterwegs. Bis gleich.''
Und schon hat er aufgelegt. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer.
,, Und? Kommen sie?''
,, Ja, sie sind schon unterwegs.''
,, Ok. Ich glaube, der Krankenwagen kommt.''
Ich schaue aus dem Fenster. Tatsächlich hält er vor dem Gartentor. Ich gehe zur Tür und öffne sie.
,, Guten Tag.'', begrüsse ich die Krankenmänner, die eine Liege hineintragen.
,, Sie ist im Wohnzimmer.''
Ich zeige schnell in die Richtung und gehe raus. Ich brauche dringend frische Luft. Ich setze mich auf die Treppe und schaue Löcher in die Luft. Endlich kommt Mona.
,, Hei Lena! Wie geht's?''
,, Wie schon? Nele stirbt vielleicht.'', sage ich.
,, Sie ist im Wohnzimmer. Geh ruhig rein.''
Mona geht hinein und ich warte draussen. Endlich kommt Daniel und fast gleichzeitig wie ich ihn sehe, tragen die Männer die Liege mit Nele darauf hinaus.
,, Lena!'', ruft Daniel und umarmt mich fest.
,, Wie geht's Nele?'', fragt er mich, nachdem er mich wieder losgelassen hat.
,, Schlecht.''
Einer der Männer kommt auf mich zu und fragt:
,,Könnten wir noch ihre Nummer haben?''
Ich gebe ihnen meine Handynummer und frage:
,, Kann ich nicht mitkommen?''
,, Tut mir leid, aber wir werden Sie telefonisch benachrichtigen, wenn es etwas Neues gibt.''
Ich nicke. Dann fahren die Männer wieder los. Mona und Tim kommen aus dem Haus.
,, Hoffentlich schafft sie es.'', meint Tim.
Mona umarmt mich. Ich schluchze ein wenig los und bin froh, dass jetzt alle da sind, die mir wichtig sind. Mona, Tim und vor allem Daniel.
,, Danke, dass ihr gekommen seid.'', sage ich dann.
,, Das ist doch selbstverständlich.'', antwortet Mona und Daniel nickt.
,, Wenn ihr wollt, könnt ihr gehen.'', sage ich zu Mona und Tim.
,, Wenn du etwas brauchen solltest, ruf uns einfach an.'', sagt Mona noch.
,, Mona, kommst du sonst gerade zu mir?'', fragt Tim.
Oho! Die Zeit im Wohnzimmer hat die zwei wohl etwas näher gebracht, wie ich an den leuchtenden Augen von Mona sehen kann.
,, Dann macht's gut, ihr zwei.'', sagt Tim und dann sind die beiden weg. Daniel und ich stehen uns gegenüber und sagen zuerst nichts. Dann sagt Daniel endlich was:
,, Du hast am Telefon was gesagt, dass du mit mir was klären müsstest. Tim und du, ihr seid wirklich nicht mehr zusammen?''
Daniel kann nicht verhindern, dass ein Leuchten in seine Augen schleicht.
,, Nein, wir haben Schluss gemacht. Er hat gemerkt, dass ich...dass ich dich immer noch liebe und er hat vorgeschlagen, nur gute Freunde zu sein.''
,, Das heisst...''
,, Das heisst, wenn du willst, dann...dann könnten wir es nochmals miteinander versuchen.'', sage ich und bin am Schluss etwas leiser geworden. Ich schaue ihn unsicher an. Daniel lächelt.
,, Es wäre sehr schön, wenn wir es nochmals versuchen würden.''
,, Und was ist mit deinen Eltern?''
,, Ich werde mit ihnen sprechen. Entweder sie verstehen es oder sie verstehen es nicht.''
Ich lächle erleichter. Daniel kommt langsam näher und küsst mich dann endlich wieder einmal. Eine Weile bleiben wir engumschlungen vor der Treppe stehen und küssen uns endlich wieder leidenschaftlich. Die Küsse von Tim waren ganz anders. Daniels Küsse sind weich, leidenschaftlich, warm und sanft. Tims Küsse waren warm und weich und mit Liebe gefüllt. Aber ganz anders.
,, Ich liebe dich, Lena.'', flüstert Daniel.
,, Ich dich auch. Ich bin so froh, dass wir wieder zusammen sind.''
,, Ich auch. Hattest du wenigstens eine schöne Zeit mit Tim?''
,, Ja, es war schön mit ihm, aber nicht so schön, wie mit dir.''
Er küsst mich wieder, als mein Handy plötzlich klingelt. Ich schaue auf den Display.
,, Das Krankenhaus.'', sage ich und nehme ab.
,, Lena Neubauer, hallo?''
Am anderen Ende spricht der Arzt. Ich höre zu und frage dann leise, weil ich kaum noch einen Ton rausbringe:
,, Was? Nein, das...das kann nicht sein. Bitte nicht.''
Ich schliesse die Augen und die Stimme des Arztes höre ich nicht mehr richtig. Daniel fragt, was los sei. Doch ich höre, sehe und fühle nichts mehr. Ich öffne die Augen und sehe plötzlich nur noch schwarz. Dann bin ich weg.
Das nächste Mal, wo ich zu mir komme, liege ich auf etwas weichem. Ich höre eine Stimme, die sagt:
,, Sie kommt wieder zu sich.''
Ich öffne langsam die Augen und sehe drei Gesichter: Monas, Tims und Daniels Gesicht. Ich liege auf dem Sofa in unserem Wohnzimmer, mit dem Kopf auf Daniels Knien. Mona und Tim sind hinter und neben mir.
Mona fragt mich:
,, Lena, hörst du mich?''
Ich nicke schwach.
,, Was ist passiert?'', frage ich dann.
,, Du bist zusammengeklappt, nachdem du den Anruf vom Krankenhaus angenommen hast.'', antwortet Daniel. Jetzt kommt mir alles wieder in den Sinn. Der Anruf vom Arzt...die Nachricht...wie mir schwarz vor den Augen wurde...wie ich dann plötzlich weg war und jetzt hier liege. Nele! Nein! Mir kommen die Tränen.
,, Ist sie wirklich...?'', beginne ich und schaue Daniel fragend durch einen Tränenschleier an.
Er nickt langsam. Ja, sie ist tod. Ich setze mich auf und lehne mich an Daniel. Dann schluchze ich los.
In den nächsten Tagen ist nichts mit mir anzufangen. Ich liege nur noch im Bett (von Daniel, seine Eltern hatten ein Einsehen und bedauern es sehr, dass es so weit gekommen ist), weine, schlafe, weine, esse manchmal etwas kleines, trinke ab und zu einen Schluck irgendwas und weine wieder. Daniel ist immer da, ausser wenn ich schlafe. Dann nutzt er die Zeit für die Hausaufgaben, die er machen muss. Daniel hat inzwischen auch Lora Bescheid gegeben, was passiert ist. Nun liegt eine Anzeige gegen meinen Vater vor, wegen Körperverletzung und Mord. Er ist momentan in Haft und das Urteil wird bald gefällt. Meine Mutter ist aufgetaucht. Sie war bei ihrer Mutter weit weit weg und wohnt nun wieder bei uns zu Hause. Sie ist tatsächlich trotz Papas Drohung zur Polizei gegangen und hat ihn angezeigt. Er hat Wind davon bekommen, wurde wütend und hat nur darauf gewartet, dass Nele wegen irgendeinem Grund nach Hause muss. Mama ist sehr aufgelöst wegen dem Tod und macht sich Vorwürfe. Nur zu Recht. Ich will jedenfalls noch nichts mit ihr zu tun haben.
,, Lena, bist du wach?'', fragt Daniel leise und setzt sich zu mir auf die Bettkante.
,, Ja. Was ist?'', frage ich leise zurück.
Es ist Abend, die Vorhänge sind zu und im Zimmer ist es dunkel. Trotzdem kann ich Daniel noch waage erkennen.
,, Ich wollte nur mal nach dir sehen. Obwohl du hier bist, hab ich totale Sehnsucht nach dir. Ich möchte dich gerne wieder mal in die Arme nehmen und küssen.'', sagt Daniel leise.
Ich habe ihn wirklich vernachlässigt. Ich bin nur in seinem Bett gelegen und aufgestanden für auf die Toilette, die Zähne zu putzen und zu duschen, sonst nicht. Ich setze mich auf und sage:
,, Dann nimm mich in die Arme und küss mich.''
,, Ehrlich?''
,, Ja, ich vermisse es auch.''
Daniel lacht leise, umarmt mich und küsst mich dann.
Endlich ist das Urteil gefällt: Paps bekommt 5 Jahre und 2 Monate lang in den Knast. Mam ist jetzt in einer Klinik, wegen Alkoholproblemen und manischer Depression. Ich bin bei Daniel. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Nele tod ist. Ich habe einfach das Gefühl, als würde sie noch leben und jeden Moment zu mir kommen, um irgendwas zu sagen, fragen oder so. Oli vermisst sie sehr. Und Daniel auch. Aber Oli hat sich wohl ein klein wenig in sie verliebt. Oder er mag sie einfach sehr, sehr gerne. Mona und Tim sind nun ein Paar. Sie passen wirklich sehr gut zusammen. Ich kriege leider oft noch so Anfälle, wo ich einfach weinen muss, oder ich spreche von Nele, obwohl sie gar nicht mehr da ist. Wie damals, als ich mit Daniel und seinen Eltern am Tisch sassen und assen. Klaus und Liliana machten gerade den Vorschlag, einen Ausflug an den See zu machen. Nele war immer gerne an den See gegangen. Ich sagte: ,, Ohja, Nele geht auch immer gerne an den See. Ich frag sie...''
Da hab ich mitten im Satz aufgehört, weil ich gemerkt habe, was ich da gerade geschwafelt hatte. Nele war ja nicht mehr da. Klaus und Liliana sahen mich mitleidig an und Daniel legte den Arm um mich. Für den Rest der Stunde war ich ruhig.
Tja, es würde wohl noch lange dauern, bis ich endlich kapieren würde, dass Nele nicht mehr da war. Zum Glück hatte ich noch Mona, Tim, Daniel und seine Eltern. Tante Lora war auch für mich da.
NACHWORT:
Tja, das war meine Geschichte. Liegt jetzt schon ein ganzes Jahr zurück und Nele ist für mich immer noch da. Ich vermisse sie sehr. Ich fühl' mich so alleine, obwohl ich noch Mona, Tim und Daniel habe. Daniel und ich sind immer noch zusammen. Mit meiner Mutter nehme ich vielleicht in ein paar Monaten mal ein bisschen Kontakt auf, aber jetzt noch nicht. Sie wollte mich und Nele eigentlich nicht und hat sich nie um mich gekümmert, dann brauch' ich sie jetzt auch nicht. Ausserdem ist sie schuld an Neles Tod. Sie ist ja zur Polizei gegangen. Also. Ich hoffe, dass euch die Geschichte gefallen hat!?
Macht's gut und bis zum nächsten Mal :)
ENDE
Ps. Die Geschichte ist frei ERFUNDEN
Die nächsten zehn Tagen sind Nele und ich bei Tim. Tim und ich harmonieren fast so gut, wie Daniel und ich damals. Ach, Daniel...Er geht mir leider nicht aus dem Kopf. Inzwischen hat er auch erfahren, dass ich mit Tim zusammen bin. Tim hat es ihm gesagt. Daniel sei richtig zusammengezuckt. Er liebt mich wohl doch noch. Er hat keine andere Freundin, was mich sehr beruhigt!
Ich hatte Lust, alleine ein wenig durch die Strassen zu schlendern. Ich bin ganz in Gedanken, biege um eine Ecke und -Peng!-, macht es. Ich bin mit jemandem zusammengestossen und sitze auf dem Boden.
,, Autsch, mein Kopf.'', murmle ich und reibe mir die schmerzende Stelle.
,, Mensch, kannst du nicht aufpa...''
Den Rest des Satzes bleibt in der Luft, den dieser Jemand sagen wollte. Ich schaue auf. Huch! Vor mir sitzt Daniel. Ich bin wie erstarrt. Doch dann kommt mir wieder in den Sinn, was er getan hat. Und schon werde ich wütend. Ich rapple mich auf.
,, Tut mir ja sehr leid, dass ich nicht um die Ecke gesehen habe.''
,, He, tut mir auch leid. Ich...ich hab dich nicht gesehen. Hast du dir wehgetan?''
,, Nein.'', knurre ich. Eigentlich habe ich keine Lust, weiter mit ihm zu sprechen. Wir stehen uns gegenüber und wissen nicht was zu sagen. Da räuspert er sich und sagt:
,, Du...du bist jetzt mit Tim zusammen, stimmt's?''
,, Ja, stimmt. Und du? Hast du dein Glück von einem völlig perfekten Mädchen gefunden?'', frage ich etwas schnippisch.
,, Was? Nein...ich...ich habe keine neue Freundin.''
,, Ach.''
,, Wie läufts den mit Tim so?''
,, Sehr gut. Er hat jedenfalls kein Problem mit mir.''
,, Ich hatte auch keines. Meine Eltern hatten eins. Da kann ich doch nichts dafür.'', sagt Daniel schon etwas lauter und sieht mich dunkel an.
,, Seine Eltern haben kein Problem mit mir. Sie helfen mir sogar. Ich und Nele können bei ihnen Wohnen für ein paar Tage.''
,, Lena, ich...ich liebe dich immer noch. Aber ich kann nicht das Gegenteil von tun, was meine Eltern sagen. Verstehst du das denn nicht?'', fragt Daniel verzweifelt geworden. Ich schaue ihn traurig an und sage leise:
,, Nein, das verstehe ich nicht. Wir haben uns geliebt und wir tun es immer noch irgendwo tief drin, aber du sperrst dich gegen mich, nur weil deine Eltern es so wollen. Was, wenn du später auch wieder ein Mädchen kennenlernst, das...ein Emo ist oder so, deine grosse Liebe wäre und deine Eltern sie nicht mögen? Was tust du dann? Willst du eine reiche Tussi heiraten, mit Eltern, die Milionäre sind, die deine Eltern bestimmt akzeptieren werden?''
,, Nein, ich...ach, ich weiss doch auch nicht. Du liebst mich also noch?''
,, Irgendwo tief drin schon, ja. Aber das ist ja vorbei. Mach's gut.''
Ich drehe mich um und gehe. Ich spüre Daniel's blick in meinem Rücken. Tim gegenüber will ich nichts von der Begegnung mit Daniel erwähnen. Er hat ziemlich traurig ausgesehen. Aber schliesslich hat er Schluss gemacht, nicht ich. Trotzdem hat er mir ein wenig leid getan. Genau so lange, bis ich wieder daran dachte, was er mich angetan hat. Ich bin wieder sauer geworden, nur nicht so hart, wie am Anfang. Tja, die Wut verblasst, die Verletzung bleibt.
Tim ist aber nicht blöd. Als ich nach Hause komme, (immer noch bei Tim), begrüsst er mich an der Tür mit einem Kuss und merkt gleich, das etwas ist.
,, Was hast du?'', fragt er mich.
,, Nichts. Wieso?''
,, Du bist so komisch.''
,, Komisch? Das bildest du dir bestimmt nur ein.'', winke ich ab. Doch Tim bleibt ernst.
,, Nein, Lena. Lass mich raten.'' Er tippt sich mit dem Zeigefinger an das Kinn und mustert mich nachdenklich. Dann hört er plötzlich auf mit dem Tippen und sieht mir in die Augen.
,, Du bist Daniel begegnet, stimmt's?''
,, Ja, also, wir haben uns so zu sage, gegenseitig über den Haufen gerannt.''
,, Aha. Und habt ihr zusammen geredet?'' Man, muss ich ihm jetzt wirklich das ganze Gespräch auftischen? Ne, ich muss nicht alles erzählen.
,, Naja, nicht viel. Er hat nur gefragt, ob wir jetzt wirklich zusammen seien und so.''
,, Was heisst; ,und so'?'' Jetzt werde ich aber wütend. Traut er mir überhaupt nicht? Muss ich ihm jede Neuigkeit und jedes Gespräch auf die Nase binden?
,, Mensch Tim! Wieso willst du das alles wissen? Vertraust du mir gar nicht? Gibt es jetzt jedes Mal, nachdem ich Daniel über den Weg gelaufen bin, ein Kreuzverhör?''
,, Nein. Tut mir ja leid. Könnte ja sein, dass er fies zu dir war oder so.''
,, Und wenn schon. Gott hat mir einen Mund zum Reden gegeben, damit ich mich gegen Fieslinge wehren und zurückgeben kann.''
,, Ja, schon gut.''
Tja, dass es schon gut ist, glaub ich nicht. Tim ist nämlich nach unserem Gespräch sehr schweigsam. Ich verziehe mich ins Zimmer von Tim zurück und denke nach. Daniel hat mir gesagt, dass er mich noch liebt. Als er das ausgesprochen hatte, habe ich ein kleines oder eher grösseres Kribbeln im Bauch gespürrt. Es ist einfach so, ob ich es will, oder nicht: Ich liebe Daniel immer noch. Von ihm habe ich meinen ersten Kuss gekriegt. Kurz: Alles Schöne, was man von einem Jungen kriegen kann, habe ich zum ersten Mal von Daniel bekommen. Tim ist auch nett und sehr süss. Und seine Eltern sind unheimlich lieb. Aber Nele versteht sich mit ihm lange nicht so gut, wie mit Daniel. Tim mag sie auch sehr, aber nicht so wie Daniel. Ob Daniel schon eingesehen hat, dass er nicht nach der Pfeife seiner Eltern tanzen kann? Nicht immer, jedenfalls? Vielleicht kommen wir ja irgendwann wieder zursammen. Ich seufze tief.
,, Was ist?'', fragt Tim, der plötzlich neben mir am Bett steht.
,, Was? Äh...nichts ist. Wieso fragst du?''
,, Weil du gerade so geseufzt hast.''
,, Ich darf doch seufzen, oder?''
,, Klar. Aber mal ehrlich, Lena, so kann es nicht mehr weitergehen mit uns, oder?'' Jetzt werde ich doch noch hellhörig.
,, Was meinst du damit?''
,, Du...du liebst Daniel immer noch, oder?'' Was soll ich darauf antworten? Es ist ja so. Aber ich will Tim doch nicht verletzen!
,, Dein Schweigen nehme ich als Ja entgegen.''
,, Tim, ich...ich bin auch vorhin erst darauf gekommen. Ich habe dir nichts vorgemacht in unserer letzten Zeit, ehrlich!''
,, Das glaub ich dir. Wenn du Daniel liebst, solltest du dich auf den Weg zu ihm machen.''
,, Und...was ist mit...uns?''
,, Schluss?'' Ich nicke traurig. Da umarmt Tim mich im sitzen. Er hat sich in der Zwischenzeit gesetzt.
,, Ich bin jedenfalls auch sonst für dich da. Einfach als guter, oder sehr guter Freund. Einverstanden?''
,, Klar bin ich das. Ich bin froh, dass du nicht wütend oder verletzt bist.''
,, Wieso sollte ich.'', winkt er ab. ,, Geh jetzt zu Daniel.''
,, Meinst du wirklich?''
,, Er hat dich zwar sehr verletzt, aber man muss auch einmal verzeihen können. Jeder Mensch macht Fehler. Ob grosse oder kleine.''
,, Du hast Recht.''
Ich stehe auf und da geht gerade die Tür auf. Nele kommt rein.
,, Lena, ich muss von zu Hause meinen Pass holen. Wir machen mit der zweiten Klasse eine Klassenreise.''
,, Und wohin? Einen Pass braucht man, wenn man über eine Grenze gehen will.''
,, Wir fliegen nach Frankreich. Heute in einer Woche.''
,, Ist ja cool.'', meint Tim.
,, Soll ich mitkommen?'', fragt er mich.
,, Gerne Komm Nele. Gehen wir schnell.''
Tim, Nele und ich machen uns auf den Weg zu unserem Zuhause.
,, Mist! Paps ist zu Hause.'', sage ich, als wir zur Treppe gehen.
,, Woher weisst du das?'', fragt Tim mich.
,, Die Tür ist nicht abgeschlossen.''
,, Könnte ja auch deine Mutter sein.''
,, Erstens ist die schon lange verduftet und zweitens weiss ich einfach, dass es Paps iat.''
,, Ok. Ich warte unten, ok?''
,, Ja, ist gut.''
Ich gehe mit Nele rauf und gleich in mein Zimmer. Ich könnte auch noch was gebrauchen. Ein Buch, T-Shirts und so weiter. Plötzlich höre ich, wie Nele schreit und kreischt:
,, Aaah! Lass mich los?''
Klatsch! Klatsch! Das waren Ohrfeigen.
,, Aua! Das tut weh!''
Nele weint.
Erschrocken renne ich in ihr Zimmer. Paps ist bei ihr. Ich bin vom Anblick zuerst mal geschockt: Nele liegt am Boden, Paps kniet neben ihr und schlägt immer wieder auf sie ein. Dann schüttelt er sie dazu noch. Das heisst, ihr Kopf wird immer wieder auf den Boden geprallt.
,, Lass Nele in Ruhe!'', schreie ich und stürze mich auf ihn.
Leider habe ich zu wenig Kraft und kann Paps nicht wegzerren. Zum Glück kommt in dem Moment Tim ins Zimmer gestürmt und hilft mir. Er hat bedeutend mehr Kraft als ich. Nele hat aufgehört zu schreien. Sie ist bewusstlos...oder mehr? Tot? Nein, bitte nicht. Paps springt auf, runter und raus. Ich höre nur noch die Haustür ins Schloss fallen und dann ist ruhe. Tim kniet neben Nele und fühlt ihren Puls.
,, Sehr schwach. Ruf einen Krankenwagen.''
Ich renne runter und rufe also einen Krankenwagen. Danach renne ich zurück in Neles Zimmer hinauf.
,, Der Krankenwagen kommt gleich.''
,, Sehr gut. Kannst du ein nasses Tuch holen? Es sollte schön kühl sein.''
,, Bin schon weg.''
Ich hole also noch ein nasses und kühles Tuch und dann legen wir es Nele auf die Stirn.
,, Ihr Puls ist ganz schwach. Dein Vater hat sie aber auch fest auf den Boden gehämmert.''
,, So ein Mist!'', schluchze ich, ,, wieso habe ich ihn nicht gehört? Der schlich sich so leise in ihr Zimmer.''
,, Vielleicht hat er nur auf sie gewartet.''
,, Was?''
,, Ja. Ich weiss doch auch nicht.''
,, Meine Mutter.'', sage ich plötzlich wie vom Blitz getroffen.
,, Mein Vater hat doch gedroht, er würde Nele umbringen, wenn Mam zur Polizei gehen würde. Wetten, sie hat es getan?''
,, Meinst du?''
,, Ja, bestimmt.''
,, Und wo ist sie jetzt?''
,, Keine Ahnung...''
,, Wir sollten Nele runter ins Wohnzimmer bringen.''
Ich nicke. Tim trägt sie runter und legt sie vorsichtig auf das Sofa.
,, Ihr Puls wird immer schwächer.'', sagt Tim.
Mir kommen langsam die Tränen.
,, Überlebt sie es?'', frage ich Tim leise. Er sieht mich an und sagt dann:
,, Ich weiss es nicht.''
,, Ich rufe schnell Daniel und Mona an.''
,, Mach das. Ich bleibe bei deiner Schwester.''
Ich gehe in den Flur zum Telefon und rufe erst Mona an.
,, Mona Tahl, hallo?''
,, Ich bin's.'', schluchze ich. Ich kann leider nichts mehr dagegen tun.
,, Lena? Was ist los? Wieso weinst du?''
,, Nele...sie ist...ohnmächtig. Paps...er...er hat...sie geschlagen...komm bitte zu uns.''
,, Dein Vater hat...'', murmelt Mona und sagt dann: ,, Bist du alleine?''
,, Nein, Tim ist da. Aber...Mona, Tim und ich sind nicht mehr zusammen. Aber das erkläre ich dir später, ja?''
,, Ok, ich komme schon.''
,, Danke.'' Ich lege auf und wähle gleich die Nummer von Daniel. Ich habe Herzklopfen und in meinem Bauch kribbelt es wie verrückt.
,, Daniel Hardt?''
,, Hey, ich bin's, Lena.''
,, Lena? Wie geht's dir?'', fragt er eigentlich so ganz normal, als wäre ich nur eine Schulkameradin.
,, Schlecht. Kannst du bitte zu mir kommen? Paps hat Nele...zusammengeschlage und jetzt ist sie ohnmächtig. Der Krankenwagen ist schon unterwegs und Mona kommt auch gleich. Tim ist jetzt bei Nele. Komm bitte, ja?''
Am anderen Ende ist es ruhig.
,, Daniel? Bist du noch da?''
,, Äh, ja klar. Ist es sehr schlimm?'', fragt Daniel. Seine Stimme zittert.
,, Ihr Puls ist sehr schwach.'' ,, Ohman. Die arme kleine Nele. Tim ist jetzt also bei ihr?''
,, Ja.''
,, Und du meinst wirklich, dass ich...dass ich kommen sollte?''
,, Ja, ich...Tim und ich...wir sind nicht mehr zusammen. Ich weiss jetzt, wen ich wirklich liebe. Aber können wir das nicht nachher klären? Mir ist jetzt nicht so danach.''
,, Klar. Ich bin schon unterwegs. Bis gleich.'' Und schon hat er aufgelegt. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer.
,, Und? Kommen sie?''
,, Ja, sie sind schon unterwegs.''
,, Ok. Ich glaube, der Krankenwagen kommt.''
Ich schaue aus dem Fenster. Tatsächlich hält er vor dem Gartentor. Ich gehe zur Tür und öffne sie.
,, Guten Tag.'', begrüsse ich die Krankenmänner, die eine Liege hineintragen.
,, Sie ist im Wohnzimmer.'' Ich zeige schnell in die Richtung und gehe raus. Ich brauche dringend frische Luft. Ich setze mich auf die Treppe und schaue Löcher in die Luft. Endlich kommt Mona.
,, Hey Lena! Wie geht's?''
,, Wie schon? Nele stirbt vielleicht.'', sage ich.
,, Sie ist im Wohnzimmer. Geh ruhig rein.''
Mona geht hinein und ich warte draussen. Endlich kommt Daniel Und fast gleichzeitig, wie ich ihn sehe, tragen die Männer die Liege mit Nele darauf hinaus.
,, Lena!'', ruft Daniel und umarmt mich fest.
,, Wie geht's Nele?'', fragt er mich, nachdem er mich wieder losgelassen hat.
,, Schlecht.'' Einer der Männer kommt auf mich zu und fragt:
,,Könnten wir noch ihre Nummer haben?''
Ich gebe ihnen meine Handynummer und frage: ,, Kann ich nicht mitkommen?''
,, Tut mir leid, aber wir werden Sie telefonisch benachrichtigen, wenn es etwas Neues gibt.''
Ich nicke. Dann fahren die Männer wieder los. Mona und Tim kommen aus dem Haus.
,, Hoffentlich schafft sie es.'', meint Tim. Mona umarmt mich. Ich schluchze ein wenig los und bin froh, dass jetzt alle da sind, die mir wichtig sind. Mona, Tim und vor allem Daniel.
,, Danke, dass ihr gekommen seid.'', sage ich dann.
,, Das ist doch selbstverständlich.'', antwortet Mona und Daniel nickt.
,, Wenn ihr wollt, könnt ihr gehen.'', sage ich zu Mona und Tim.
,, Wenn du etwas brauchen solltest, ruf uns einfach an.'', sagt Mona noch.
,, Mona, kommst du sonst gerade zu mir?'', fragt Tim.
Oha! Die Zeit im Wohnzimmer hat die zwei wohl etwas näher gebracht, wie ich an den leuchtenden Augen von Mona sehen kann.
,, Dann macht's gut, ihr zwei.'', sagt Tim und dann sind die beiden weg. Daniel und ich stehen uns gegenüber und sagen zuerst nichts. Dann sagt Daniel endlich was:
,, Du hast am Telefon was gesagt, dass du mit mir was klären müsstest. Tim und du, ihr seid wirklich nicht mehr zusammen?''
Daniel kann nicht verhindern, dass ein Leuchten in seine Augen schleicht.
,, Nein, wir haben Schluss gemacht. Er hat gemerkt, dass ich...dass ich dich immer noch liebe und er hat vorgeschlagen, nur gute Freunde zu sein.''
,, Das heisst...''
,, Das heisst, wenn du willst, dann...dann könnten wir es nochmals miteinander versuchen.'', sage ich und bin am Schluss etwas leiser geworden. Ich schaue ihn unsicher an. Daniel lächelt.
,, Es wäre sehr schön, wenn wir es nochmals versuchen würden.''
,, Und was ist mit deinen Eltern?''
,, Ich werde mit ihnen sprechen. Entweder sie verstehen es oder sie verstehen es nicht.''
Ich lächle erleichter. Daniel kommt langsam näher und küsst mich dann endlich wieder einmal. Eine Weile bleiben wir umschlungen vor der Treppe stehen und küssen uns endlich wieder leidenschaftlich. Die Küsse von Tim waren ganz anders. Daniels Küsse sind weich, leidenschaftlich, warm und sanft. Tims Küsse waren warm und weich und mit Liebe gefüllt. Aber ganz anders.
,, Ich liebe dich, Lena.'', flüstert Daniel.
,, Ich dich auch. Ich bin so froh, dass wir wieder zusammen sind.''
,, Ich auch. Hattest du wenigstens eine schöne Zeit mit Tim?''
,, Ja, es war schön mit ihm, aber nicht so schön, wie mit dir.''
Er küsst mich wieder, als mein Handy plötzlich klingelt. Ich schaue auf den Display.
,, Das Krankenhaus.'', sage ich und nehme ab.
,, Lena Neubauer, hallo?'' Am anderen Ende spricht der Arzt. Ich höre zu. Langsam aber sicher tritt ein Leuchten in meine Augen.
,, Wirklich? Oh mein Gott! Ich kann es gar nicht glauben. Vielen Dank für ihren Anruf!.''
Ich lege auf und strahle Daniel an. Glückstränen treten in meine Augen.
,, Sie lebt?'', fragt Daniel mich.
Ich nicke.
Mir kullern die Tränen in Strömen über's Gesicht. Daniel nimmt mich ganz fest in den Arm.
,, Das ist eine zweite Chance, die das Schicksal uns gegeben hat.'', flüstert Daniel.
,, Und diesmal machen wir es richtig.''
Ohja, diesmal würde ich den Fehler nicht ein zweites Mal begehen. Ich wollte nie das Leben von Nele riskieren. Lieber hätte ich meines hingegeben. Aber das hätte weder Nele noch mir was gebracht. Jetzt lag es an mir, meines und Neles Leben nochmals richtig in die Hand zu nehmen und uns zwei in Sicherheit zu bringen. Wie das funktioneren würde, musste ich ja zum Glück nicht alleine entscheiden. Schliesslich hatte ich noch einen tollen Freund, eine beste Freundin und einen besten Freund.
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 02.06.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinen lieben Leserinnen und Lesern