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Tag 1 - Da sind Schuhe unter dem Auto

An dem Tag, als ich endlich ein Foto von den Schuhen machen wollte, waren sie verschwunden. Die Schuhe waren offensichtlich Arbeitsschuhe, vorne etwas dicker zum Schutz der Zehen. Schon sehr abgenutzt und mit Farbklecksen bedeckt, in grau-blau. Ein Schuh lag auf der Seite, der andere stand aufrecht. Der Wagen war ein kleiner blauer Kastenwagen, mit einer Tür zum Laderaum. Direkt unter der geschlossenen Tür lagen sie, die Schuhe. Als hätte sie gerade jemand ausgezogen, um sich andere Schuhe anzuziehen.

Der Wagen parkte auf einem Parkplatz, wo die Autos nebeneinander standen. Es gibt nur eine Reihe, die direkt neben einem Billardcafe ist. Direkt um die Ecke verläuft die Hauptverkehrsstrasse mit der Haltestelle zur U-Bahn. Daher kommt jeder aus dem Viertel, der mit der Bahn in die Stadt will, an der Parkreihe vorbei. Mein Weg führt mich morgens und am späten Nachmittag auch dort vorbei.

Am ersten Tag habe ich ich mich umgeguckt, ob noch jemand im Auto saß oder irgendwie auf der anderen Seite des Wagens war. Niemand da. Ich habe gegrinst und gedacht, da wird sich jemand freuen, wenn er wiederkommt und seine Schuhe sucht. Ich war der festen Überzeugung, die Schuhe wären weg, wenn ich später am Tag wieder nach Hause ging. Überraschung, sie lagen genauso wie morgens da. Ich wünschte dem Besitzer in Gedanken gutes Wetter und kein Regen für den Abend auf meinem Heimweg.

Am nächsten Tag waren die Schuhe immer noch da. Unverändert und trocken. Ich sah sicherheitshalber mal genauer unter den Wagen, aber sah niemanden dort liegen. Hätte ja sein können, oder?

Die nächsten Tage war ich immer gespannt, ob die Schuhe noch immer dort lagen. Der Wagen schien auch nie bewegt worden zu sein. Die Lage der Schuhe veränderte sich ebenfalls nicht. Das wunderte mich sehr, weil sich doch sonst immer jemand findet, der Dinge am Boden anstubst oder wegtritt. Dieses Mal nicht. Merkwürdig.

Jedes Mal, wenn ich die Schuhe sah, habe ich mich gefragt, wohin der ehemalige Schuhträger wohl gegangen ist. Hatte er jetzt Urlaub und hatte nur schnell die Schuhe getauscht, nachdem er seinen Wagen für diese Zeit dort abgestellt hat? Hatte er vergessen, die Schuhe in den Wagen zu legen? Gehörten die Schuhe überhaupt dem Wagenbesitzer? Irgendwie gehörten die Schuhe under Wagen für mich zusammen.

An dem Tag, an dem ich endlich die Schuhe fotografieren wollte, waren sie verschwunden. Der Wagen stand noch immer da. Ich habe wieder unter dem Auto nachgesehen, ob sie vielleicht dahin geschubst wurden. Nein, sie waren wirklich weg. Jetzt frage ich mich, ob sie jemand einfach so mitgenommen hat. Ein Fremder oder doch der Besitzer, der seine Schuhe inzwischen vermisst hat. Aber warum steht das Auto immer noch da? Hmm …

Das Rätsel der Schuhe wird wohl ungelöst bleiben. Doch so lange der Wagen dort noch parkt, werde ich mir bestimmt Gedanken machen. Morgen gehe ich wieder dort vorbei. Ich bin gespannt …

Tag 2 - Wo sind die Schuhe hin?

Es wird immer merkwürdiger. Heute morgen auf meinem Weg zur Bahn habe ich extra noch einmal unter dem Wagen nachgesehen, ob die Schuhe vielleicht doch dort liegen. Nichts da … Hat sie also jemand mitgenommen. Damit war die Geschichte für mich nun erledigt. Ich wollte nur noch einen kleinen Nachtrag unter die gestrige Geschichte stellen.

Tja, und was passiert dann? Eben gehe ich von der Haltestelle kommend wieder an dem Wagen vorbei und was fällt mir da plötzlich ins Auge? Diese verd … Schuhe! Sie stehen neben dem Wagen auf einer kleinen Mauer, ein bisschen hinter Gestrüpp versteckt. Ganz ordentlich nebeneinander aufgestellt. Unglaublich, oder?

 

 

Heute morgen war ich so auf den Boden unter dem Auto konzentriert, daß ich die Schuhe übersehen habe. Jemand hat sich die Mühe gemacht und die Schuhe ordentlich zur Seite gestellt. Jemand, der sich auch Gedanken gemacht hat, ob die Schuhe nicht vermisst werden oder was mit Ihnen passiert (ist?).

Seltsamerweise bin ich nicht auf die Idee gekommen, die Schuhe zur Seite oder vielleicht als Schutz vor dem Wetter weiter ordentlich unter das Auto zu stellen. Hm, was sagt das jetzt über mich aus? Ich war so vertieft in das Warum und Wie der Geschichte, dass ich das Offensichtliche übersehen habe.

Mindestens zwei Menschen haben sich nun schon mit den liegengebliebenen Schuhen beschäftigt. Der eine hat gehandelt und die andere schreibt darüber. Vielleicht gibt es noch mehr Menschen, die im Vorbeigehen darauf aufmerksam wurden und sich Ihre Gedanken machten. Mir gefällt, daß bisher niemand die Schuhe durch die Gegend geschubst hat. Das hätte ich eher erwartet. Dass jemand dagegen tritt oder sie an den Strassenrand als Müll legt.

 

Aber das jemand so aufmerksam war und so bedacht gehandelt hat, ist das Schönste an der ganzen Geschichte für mich.

 

Da geht man einmal an liegengebliebenen Schuhen vorbei und schon springen zwei Blogbeiträge dabei heraus. Also, die Augen aufhalten und auch die kleinen Dinge bemerken …

Hinweis

 Die Geschichte habe ich erstmals am 14./15. Mai 2016 auf meinem Medium-Blog veröffentlicht.

 

Teil 1 https://medium.com/das-dingensda/die-schuhe-sind-weg-b985b4744205

 

Teil 2 https://medium.com/das-dingensda/das-rätsel-der-schuhe-teil-2-412e678b6769

Impressum

Texte: Katja Oeftiger
Bildmaterialien: Katja Oeftiger
Tag der Veröffentlichung: 06.04.2018

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