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Ich, Vampire und andere ganz normale Gesalten

Mein Leben ist das reinste Chaos.

...Wortwörtlich...

Kapitel 1

„Nein, also so war das jetzt nicht gemeint. Ich wollte dir damit nur sagen, dass ich finde, dass du heute wirklich noch besser aussiehst als sonst. Du bist natürlich immer unglaublich schön“

Na toll, wieder einmal wollte ich etwas Nettes sagen und habe es geschafft die Gefühle anderer zu verletzen. Ich sollte es einfach lassen.
„Ja, ist schon in Ordnung. Ich kenne dich ja mittlerweile und weiß, wie du es meinst.“

Mit einem gepressten Lächeln sah Sarah mich an und ich wusste dass sie mir es sehr wohl übel nahm.
„Ok, dann mach ich jetzt mal weiter.“

Ich drehte mich um damit ich mich wieder meiner Arbeit widmen konnte. Ich wollte mich konzentrieren, oder dass es zumindest danach aussah. Sinnlos haute ich auf die Tasten des Computers und starrte gebannt auf den Bildschirm. Sarah blieb noch einen kurzen Moment stehen, machte dann aber auch endlich den Abgang.
Eigentlich konnte ich Sie nicht sonderlich gut leiden aber da wir täglich miteinander arbeiteten, versuchte ich, so gut es ging, mit ihr aus zu kommen. Und ich glaube es gelang mir ganz gut. Zumindest war sie mir gegenüber ziemlich freundlich. Und das sollte schon was bedeuten, denn Freundlichkeit war ein Wort, das sie, glaube ich, nicht einmal wusste wie es geschrieben wird.

Der Tag verging mal wieder unglaublich langsam und die Zeit schien still zu stehen. Wie immer wenn es Freitag war. Aber letzten Endes war es dann doch endlich 19 Uhr.

Pünktlich auf die Minute fuhr ich meinen Computer runter, schnappte meine Jacke und verließ das Büro.
Als ich die Treppe runter lief, schwenkte mein Blick kurz aus dem Fenster. Es war ziemlich bewölkt. Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen, dachte ich beim runter laufen.

Natürlich fing es an zu regnen und ich hatte wie immer keinen Schirm dabei. Ich blieb hinter der Ausgangstür stehen, bemitleidete mich kurz selber, zog den Reißverschluss der Jacke bis zum Anschlag hoch, holte einmal tief Luft und rannte los.

Bis nach Hause waren es nur ein paar Minuten aber es regnete so stark, dass ich das Gefühl hatte, Gott höchst persönlich wollte uns wieder einmal ertränken.

„Und wo steht bitte die verdammte Arche Noah???“ fluchte ich laut.

Ein paar Leute die an mir vorbei gingen sahen mich unglaubwürdig an. Ich sollte das mit den Selbstgesprächen wirklich mal lassen, fuhr es mir durch den Kopf.
Klatschnass und durchgefroren kam ich zu Hause an. Ich steckte den Schlüssel in den Schoss und öffnete die Tür.
Schnell lief ich ins Bad und entledigte mich meiner nassen Sachen. Meinen alten, zerschlissenen Jogginganzug hatte ich zum Glück noch dort liegen. Ich liebte ihn, auch wenn meine beste Freundin Anna immer sagte, dass ein Kartoffelsack mehr hermachte als dieser Anzug. Es war mir egal, er war warm und kuschelig und bequem.

Anna war eine tolle Frau. Etwas oberflächlich aber dennoch immer für mich da wenn ich sie brauchte und sei es noch so eine kleine Lappalie.


Während ich über Anna nachdachte, die wieder einmal ihre „große Liebe“ gefunden hatte, fing mein Magen an zu knurren. Hatte ich heute schon was gegessen?
Ich rubbelte mir kurz die Haare halbwegs trocken und verließ das Badezimmer.

„Nun Miriam, was essen wir heute?“

Bedauerlicher Weiße gab es wie immer nicht wirklich eine große Auswahl. Also entschied ich mich für eine Päckchensuppe, deren Ablaufdatum fast um war. Ich nahm den Topf aus dem Regal. Ich hatte nicht wirklich viele Töpfe. Auch meine Teller glichen eher einer spärlichen Sammlung eines Ramschladen. Kein Teil passte zum anderen. Aber mir war das herzlich egal. Ich war einfach zu geizig um mein hart erarbeitetes Geld in so was blödes wie Teller und Töpfe zu stecken. Ich kochte ja nicht mal gerne.

Während die Suppe vor sich hin köchelte, deckte ich den Tisch und schnitt mir eine Scheibe Brot ab. Ich liebte es Brot in Suppe zu tauchen. Ich meine, es gab bestimmt besseres aber es war ganz gut und machte keine Arbeit. Allein das machte es schon zu meiner Lieblingsbeilage.
Ich hob den Deckel hoch.
Es roch eigentlich ganz gut.
Ich nahm den Topf vom Herd und machte mit etwas Suppe in den Teller.
Es schmeckte auch gut.
Nachdem ich gegessen und das Geschirr gewaschen hatte,was mal wieder dringend nötig war denn es stapelte sich schon gefährlich hoch, wollte ich es mir vor dem Fernseher gemütlich machen.

Doch noch bevor ich die Küche verlassen hatte, durchfuhr mich ein eiskalter Schauer. Ich fühlte mich absolut unwohl, Schweiss trat mir auf die Stirn und ich bekam

Ich hatte das Gefühl nicht alleine zu sein.

Ich blieb ruhig stehen und lauschte der Stille. Aber da war nichts, nur von draußen drang das Geräusch von Autos herein.

Wann hatte ich heute ein Fenster geöffnet?
„Dreh jetzt nicht durch, da ist nichts!“

mit mäßigen Erfolg versuchte ich mir einzureden, das alles in Ordnung war. Na toll, und nun? dachte ich, was wenn wirklich jemand hier war.

Ich versuchte mir verschiedene Fluchtmöglichkeiten auszumalen. Aber eigentlich gab es nur Eine: Raus auf den Flur Richtung Wohnzimmer und dann zur Wohnungstür raus. Ich war fest entschlossen meinen Plan umzusetzen da schoss es mit durch den Kopf, was wenn ich dem Einbrecher über den weg lief bevor ich draußen war? Wieder überkam mich eine kleine Welle der Panik. Denk nach! Denk nach! Einatmen ausatmen beruhigen!

Ich sah mich in der Küche um. Ich brauchte was zur Verteidigung. Ich entdeckte den Messerblock und entschied mich dafür. Ich schnappte mir das größte Messer atmete noch einmal tief durch und trat in den Flur hinaus.
Mein Blick fiel ins Wohnzimmer und direkt in die Augen einer anderen Person. Mein Herz raste noch schneller als es sowieso schon tat und ich hatte Angst, panische Angst.
Immer noch starrte er mich an und ein finsteres Lächeln huschte über sein Gesicht. Ich bekam das dumpfe Gefühl, dass mein Messer nutzlos gegen ihn war.
Langsam kam er in meine Richtung.
Verzweifelt versuchte ich irgendwas zu tun. Aber ich konnte mich nicht bewegen, ich war wie versteinert.

Plötzlich wendete er den Blick ruckartig Richtung Haustür und genauso schnell wieder zurück zu mir. Er verzog das Gesicht, drehte sich um, lief zum offenen Fenster und sprang raus. Ich hatte das Gefühl gleich zu explodieren. Er sprang aus dem Fenster? Ich wohnte im dritten Stock!
Es klingelte an der Tür. Wieder durchfuhr mich ein Schreck. Eine Männerstimme drang zu mir.

„Miriam! Mach die Tür auf!“

Peter? Was machte er hier?

Ich wollte zur Tür, konnte mich aber immer noch nicht bewegen. Es klingelte nochmal und die Rufe wurden lauter. Mir wurde schwarz vor Augen und meine Beine sackten weg. Wie ich auf dem Boden aufschlug, bekam ich nicht mehr mit.


 

Kapitel 2

Ein merkwürdiges Piepen riss mich aus meinem Schlaf. Was war das? Ich öffnete die Augen. Alles war weiß und grell. Sofort kniff ich meine Augen wieder zusammen. Das war definitiv zu hell. Ich atmete ein und musste feststellen, dass die Luft nach Krankheit und Desinfektionsmittel roch.
Oh nein, ich bin im Krankenhaus.
Jetzt wurde mir auch klar woher das Piepen kam.
„Miriam? Bist du wach?“

Anna saß wohl neben dem Bett. Zumindest war ihre Stimme sehr nah. Eigentlich hatte ich gerade keine Lust ihr zu antworten. Ich fühlte mich so unglaublich müde aber da ihre stimme sehr angespannt klang erlöste ich sie von ihrer Ungewissheit.
„Jaaa bin ich.“ flüsterte ich
„Oh das ist schön, wie geht es dir?“ Sie klang schon deutlich entspannter.
„Ich weiß nicht so recht, bin etwas müde. Was ist eigentlich passiert und wieso bin ich hier?

Ich hatte meine Augen immer noch geschlossen.
„Peter hat mir gesagt, dass er dich besuchen wollte, du hattest deinen blauen Schal bei ihm vergessen, als du letzte Woche bei ihm warst, wie auch immer, auf jeden Fall hatte er, nachdem du nicht geantwortet hast, die Tür aufgemacht. Und dann lagst du auf dem Boden und warst Ohnmächtig. Also hat er den Krankenwagen angerufen.“
„Wieso lag ich auf dem Boden?“
Ich dachte kurz nach und da viel es mir wieder ein.

Ich riss die Augen auf und sah sie an. Ich erschrak kurz, sie war näher als ich dachte. Wenn man es genau nahm, klebe ihr Gesicht fast auf meinem. Sie bemerkte dass mich das etwas irritierte und beugte sich wieder zurück. Ich sammelte mich kurz und begann zu erzählen

„Anna, weißt du was, ich war gerade fertig mit Essen und wollte ins Wohnzimmer. Und dann stand ein Fremder dort. Da war jemand in meiner Wohnung Anna! Er kam auf mich zu und ich konnte mich nicht mehr bewegen und dann hat er zur Tür geschaut, kurz bevor Peter geklopft hat. Und dann ist er einfach so aus dem Fenster gesprungen. Der kann doch nicht aus dem Fenster springen!"

Verwirrt sah sich mich an. Sie dachte einen Moment nach.

„Miriam, bestimmt hast du nicht richtig hingesehen. Er hatte sich bestimmt eine Leiter gestellt“

Sie versuchte es so glaubhaft wie möglich rüber zubringen aber ich merkte wie nervös sie war. Aber ich wusste, dass sie jetzt nicht darüber reden wollte. Also beließ ich es dabei.
„Ja Anna, du hast wohl Recht. Es ging auch alles so schnell.“
Erleichtert holte sie Luft. Hatte ich was verpasst, oder warum wirkte sie so schon wieder so unglaublich angespannt. Aber bevor ich mir wirklich Gedanken darüber machen konnte, ging die Tür auf.
Ein ziemlich gut aussehender Arzt trat ein. Ein leichter Pfiff entglitt meinem Mund. Er sah mich grinsend an. Oh nein, hat er das etwa gehört.

Guten Morgen Frau Kruger, mein Name ist Dr. Wasten. Wie geht es Ihnen?“
„Ich ähm, also eigentlich gut, glaub ich“

Wieso fang ich immer an zu stammeln, wenn mir mal ein Mann gefällt?

„Was war eigentlich mit mir, also wieso bin ich hier?“
„Wenn ich ehrlich bin, wissen wir es nicht genau. Laut Herrn Peter Saltis

waren Sie wohl Ohnmächtig als er Sie in der Wohnung fand. Wir wissen nicht wie lange Sie Ohnmächtig waren, aber es scheint als hätten Sie keinen Schaden davon getragen. Als Sie der Krankenwagen abholte, waren Sie wieder bei Bewusstsein. Allerdings sprachen Sie ziemlich zusammenhanglos. Sie sind dann, als Sie hier ankamen, eingeschlafen. Ja und nun liegen Sie hier und unterhalten sich mit mir.“

Er grinste mich wieder an.
„Oh je, hab ich irgendwas Blödes gesagt?“

Sein grinsen wurde zu einem Lachen. Anscheinend muss ich etwas extrem blödes gesagt haben.
„Nun, das kommt drauf an wie man es sieht. Mich hat es geschmeichelt“

Mein Magen zog sich zusammen.
„Was hab ich gesagt?“

Ich sah ihn mit großen Augen an und hoffte inständig das es allzu schlimm war.
„Nun, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Als ich zu Ihnen ging, waren sie gerade dabei dem Krankenpfleger als Dieb zu bezeichnen. Und als Sie mich sahen, stammelten Sie etwas von Gott in Weiß, und ob Sie jetzt im Himmel wären“
Oh mein Gott was hatte ich getan. Ich lief rot an und versank fast vor Scham.

„Das tut mir wirklich leid. Ich weiß wirklich nicht wie das passieren konnte.“

Kann mir mal bitte einer ein Strick bringen? Ich schlug die Hände über mein Gesicht.
„Ach machen Sie sich nichts daraus. Sie waren nicht ganz bei klaren Verstand.“
Na super, er dachte ich Tick nicht ganz richtig
„Wie dem auch sei, wir machen jetzt noch eine Untersuchung und dann können Sie wieder nach Hause. Wir haben Ihnen Blut abgenommen und ins Labor geschickt. Diese dürften bis in vier oder fünf Tagen wieder da sein. Ich werde Sie dann anrufen, und Sie über die Ergebnisse informieren“

Er schwieg einen Moment, sah dann zu Anna rüber.
Diese Verstand sofort.

„Ja, also ich warte dann solange mal draußen.“

Sie stand auf und rückte ihr Kleid zurecht. Mein Blick glitt an ihr runter. Sie hatte ziemlich abgenommen. Sie war zwar schon immer Schlank, aber jetzt schien sie nur noch Haut und Knochen zu sein. Darüber musste ich unbedingt mit ihr reden. Sie sah mich nochmal kurz an, so als wüsste sie was ich ihr sagen wollte. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Ich weiß“
Ok sie Verstand wirklich.

Als sie das Zimmer verlassen hatte, sah ich wieder zu meinem Arzt. Ich hatte vergessen wie er hieß. Er trat zu mir rüber und zog das übliche Programm durch: Puls, Blutdruck Reflexe und so weiter.
Nachdem er fertig war, wandte er sich wieder direkt an mich.

„ Ich denke mit Ihnen ist alles in Ordnung. Aber ich werde Sie trotzdem für ein paar Tage krankschreiben. Bitte schonen Sie sich noch ein bisschen“
„Ja mach ich. Aber sie brauchen mich nicht krankschreiben. Mir geht es wieder gut.“
„Das glaub ich Ihnen, aber wir sollten nichts provozieren.“

Er sah mich mit einem sehr autoritären Blick an. Das konnte wirklich einschüchternd sein.
„Ja, Sie haben wohl Recht.“

„Dann ist gut. Und bitte melden Sie sich bei mir, wenn Sie merken, das was nicht in Ordnung ist. Sie können mich auch gerne privat anrufen.“

Er lächelte mich frech an, drückte mir einen Zettel in die Hand und verließ das Zimmer.
Etwas verdutzt lag ich da und betrachtete den Zettel. War das gerade wirklich passiert? Auf dem Zettel standen ein Name und eine Telefonnummer. Na das nenne ich einen fürsorglichen Arzt. Ich musste grinsen. Anna schaute hinter der Tür vor.

„Und können wir gehen?“
Ich sah zu ihr, legte den Zettel bei Seite und stand auf

„Ja, können wir“

 

 

Nach Hause wollte ich nicht. Dafür hatte ich viel zu viel Angst dass der Eindringling wieder auftauchen würde.
„Wenn du willst, kannst du heute bei mir schlafen.“

Erleichterung durchfuhr mich. Anna war wirklich die Beste.
„Oh, ja danke das Angebot nehme ich gerne an. Nach Hause hätte ich mich nicht alleine getraut. Aber ich muss noch kurz heim ein paar Kleider holen. Fährst du mich bitte noch schnell und kommst hoch?“

Mit großen Kulleraugen sah ich sie an. Ich merkte dass ihr das gar nicht passte und sie überlegte einen Moment, nickte dann aber.

„Wenns unbedingt sein muss.“

Irgendwas war merkwürdig mit ihr seit diesem Vorfall. Ich konnte nicht genau sagen was es war aber sie benahm sich anders, Irgendwie dauerangespannt und miesepetrig.

Es war eine ziemlich verschwiegene Fahrt und ich machte mir Gedanken darüber wie es weiter gehen soll. Jedenfalls wollte ich morgen zur Polizei gehen, wobei ich mir nicht sicher war, was genau ich ihnen erzählen sollte. Anna schien zu fühlen was ich dachte

„Ich würde nicht gehen. Das bringt sowieso nur Ärger und führt zu nichts. Such dir lieber eine neue Wohnung. Bist du was hast, kannst du gerne zu mir kommen.“
Ich sah sie entgeistert an. Irgendetwas stimmte ganz eindeutig nicht mit ihr. Aber ich war nicht in Stimmung für Streitereien.

„Ja du hast wohl Recht. Ich war sowieso gerade am überlegen was ich der Polizei überhaupt erzählen sollte. Danke dass ich solange zu dir kann. Ich würde es alleine daheim glaub ich nicht aushalten. “
Wir schwiegen uns wieder an. Ich machte mir so langsam Sorgen. Warum sollte ich nicht zur Polizei gehen? Was war ihr Problem?

Ihr Verhalten machte mich noch nervöser als ich es ohnehin schon war. Also versuchte ich mich ab zu lenken. Ich überlegte kurz über was ich mit ihr reden könnte. Da fiel mir ihr „Neuer“ wieder ein.

"Und wie läuft es mit… wie hieß er nochmal?“

Ich konnte mir den Namen von Annas neuer Flamme einfach nicht merken.
"Steven meinst du? Ach da ist nichts mehr. Wir hatten einfach völlig unterschiedliche Interessen. Also habe ich ihm gesagt, dass es aus ist“
Wieso wunderte mich das nicht?

„Oh das tut mir leid, Wieso hast du mir das noch nicht erzählt?“
„ Naja, weil du im Krankenhaus gelegen bist und geschlafen hast.“
Wir schwiegen wieder. In solchen Situationen wusste ich einfach nicht, was ich sagen sollte. Und ich war dankbar dafür, dass Anna auch nicht der Typ dazu war, bemitleidet zu werden.
Wir hielten vor meinem Haus. Immer noch sprachen wir beide nichts. Nach einer gefühlten Ewigkeit stieg ich dann doch aus und Anna tat es mir gleich.

Kapitel 3

Es war ein merkwürdiges Gefühl die Wohnung zu betreten. Es war nicht wie sonst, das vertraute Gefühl nach Hause zu kommen, sondern eher als würde man freiwillig das Schlachthaus betreten… als Schwein.
Was sich mir bot versetze mich in einen Schock. Meine ganze Wohnung war verwüstet. Nichts stand mehr da wo es ursprünglich stand. Ich lief ins Schlafzimmer. Meine Kleider und alles was sich sonst noch so im Schrank befand, lagen auf dem Boden zerstreut. Ich sah zum Bett. Sogar die Matratze war verschoben.

Mein Schuhkarton! Ich rannte zum Bett bückte mich und sah drunter. Sie stand nicht da wo sie stehen sollte und der Deckel war unten, aber sie war da. Ich holte sie hervor und sah rein.

Das Geld und der Schmuck waren noch da? Wieso bricht jemand bei mir ein, verwüstet alles und lässt aber das einzig Wertvolle das ich besitze hier? Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich setzte mich neben das Bett auf den Boden. Das war zu viel für mich
„Anna?“
Ich drehte mich um und erschrak. Sie stand bereits direkt hinter mir.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Ich atmete tief durch und sammelte mich kurz.

„ Macht nichts. Mein Geld ist noch da. Was wollte der hier? Ich besitze sonst nichts “
„Ich weiß es nicht“ stammelte sie vor sich hin während sie ihren Blick durch den Raum gleiten lies.

Ich dachte einen Moment nach. Aber mir wollte einfach nichts einfallen wonach der Fremde gesucht haben könnte. Was wenn er nicht etwas sondern jemand gesucht hat? Was wenn er MICH gesucht hat. Vielleicht hat er hier nach einen Hinweis für meinen Aufenthaltsort gesucht. Vielleicht war es ein kranker Stalker. Hört man ja immer wieder Geschichten über solche Spinner. Mich schüttelte es. Ich musste was tun. Mir war das ganze absolut unheimlich.

Anna hatte sich in der Zwischenzeit neben mich auf die Bettkante gesetzt und starrte mit leerem Blick auf den Boden.

„Ich ruf jetzt die Polizei!“Ich nahm mein Handy und wählte.Anna schreckte bei dem Wort Polizei hoch und starrte mich an als hätte ich gerade ihre Seele verkauft.

„Ich würd es nicht tun. Das bringt doch nichts! Die machen doch sowieso nichts außer blöde Fragen stellen.“

Sie fauchte mehr als das sie sprach und griff mir hastig zwischen die Finger um mein Handy weg zu drücken. Jetzt war ich wirklich sauer.

„Sag mal, wieso versuchst du mir ständig davon abzuraten irgendetwas zu unternehmen? Was soll das! Du bist schon so seltsam seit dem Krankenhaus. Aber jetzt überspannst du den Bogen grad wirklich. Was sollt ich den tun? Warten bis er wiederkommt und mit ihm ein Käffchen trinken? Du spinnst doch“

Sie senkte ihren Blick und lies wieder von meinem Telefon ab. Verärgert drehte ich mich von ihr weg und drückte die Wahltaste.

An der anderen Leitung antwortete eine freundliche Frauenstimme und ich erzählte ihr kurz und bündig meine Situation. Man versicherte mir, dass gleich jemand kommen würde. Sie riet uns noch, die Wohnung zu verlassen, falls der Fremde wieder kam. Ich bedankte mich und legte auf. Ich spürte eine kleine Erleichterung. Es tat gut mit der Polizei zu reden. Auch wenn sie noch nicht da waren, hatte ich das Gefühl jetzt sicherer zu sein.

Ich sah wieder zu Anna. Sie versuchte mich anzulächeln, sah dabei aber eher wie ein getretenes Reh aus. Ich konnte ihr einfach nicht böse sein und ich bekam ein schlechtes Gewissen, auch wenn ich recht hatte. Wahrscheinlich meinte sie es wirklich nicht böse und wollte mir tatsächlich einfach nur helfen. Die Situation war so schon schwer genug für mich da brauchte ich nicht auch noch streit mit ihr. Also fasste ich mir ein Herz und entschuldigte mich bei ihr.

„Anna, es tut mir leid. Ich weiß gerade selber nicht wo mir der Kopf steht. Bitte sei mir nicht böse, ja?“
„Nein, ich verstehe das ja. Ich bin im selber etwas überfordert mit der Situation.“
Wir nahmen uns kurz in den Arm. Sie wirkte zwar etwas erleichtert aber ganz glücklich sah sie trotzdem nicht aus. Ich ignorierte es und tat so als würde ich es nicht merken. Nachdem wir uns wieder losgelassen hatten viel mir wieder ein was die Dame am Telefon zu mir sagte.

„Die Polizei hat gemeint wir sollten lieber draußen warten. Falls er wieder kommt!“

Sie nickte und stand auf.
„ Ok, lass uns runter gehen“

Ich tat es ihr Gleich und wir liefen in den Flur. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken runter. Ich kannte dieses Gefühl. Oh nein…

„Tick tack tick tack….“

Eine raue Männerstimme flüsterte hinter uns.

„Tick tack tick tack”

Ein leises Lachen. Ich sah Anna an. Sie schien wie erstarrt. Auch ich konnte mich nicht mehr wirklich bewegen. Ein weiteres Tick tack war zu hören, aber dieses Mal direkt hinter uns. Ein dumpfer Schlag und ich sah wie Anna auf den Boden viel. Blut lief über ihren Kopf. Ein weiterer dumpfer Schlag. Ich spürte einen heftigen Schmerz an meinen Hinterkopf. Danach folgte gleich wieder die Dunkelheit.

 

Kapitel 4

Das erste was ich spürte, als ich wieder zu mir kam, war dieser dröhnende Kopfschmerz. Ich hatte das Gefühl mein Kopf zerplatze fast. Langsam kam ich wieder zur Besinnung und ich merkte wie auch meine Handgelenke und Knöchel schmerzten. Ich wollte mir an den Kopf fassen, doch mit einem Ruck wurde meine Bewegung unterbrochen. Irgendetwas hielt mich fest. Ich öffnete die Augen. Um mich herum war alles Schwarz. Ich nahm den modrigen Geruch von altem Stein und Holz war und es war ziemlich kalt. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich stellte fest, dass ich in Ketten lag. Panik schlich in mir hoch. Ich versuchte mich daraus zu befreien, doch es war vergebens. Die rostigen, eisernen Ketten schnitten sich nur noch mehr in meine Haut. Ich sah mich um und konnte nur erahnen, dass ich in einer Art Verlies fest saß. Ich gab den Versuch mich zu befreien auf und versuchte mich zu beruhigen aber statt klarer zu denken überrollte mich eine Welle der Verzweifllung. Leise begann ich zu weinen. Was in Gottes Namen hatte ich eigentlich angestellt?
Am anderen Ende des Raumes hörte ich ebenfalls ein Wimmern.
"Anna?" flüsterte ich leise.
"Ja. Ich bin es. Was zur Hölle ist hier los?"
"Ich weiß es nicht."
Ich hörte Schritte. Augenblicklich verstummten wir beide. Eine Tür ging auf und Licht drang durch sie herein. Obwohl es kein grelles Licht war, schmerzte es trotzdem in den Augen. Ein Mann trat ein, gefolgt von einer kleinen zierlichen Frau. Sie trug eine Schüssel mit sich und kam mir näher. Der Mann hatte sich neben der Tür positioniert. Als Wache, vermutete ich. Als ob wir hätten fliehen können. Die Frau stand vor mir und beugte sich runter.
"Hier, trink was"

Sie hielt mir die Schüssel an den Mund. Ich hatte tatsächlich ziemlich Durst. Ich trank so viel ich konnte, während mich die Frau ansah und leicht lächelte. Ich glaubte sie hatte etwas Mitleid mit uns. Oder zumindest mit mir. Denn als sie aufstand und wegging, ging sie nicht wie erwartet zu Anna, sondern verließ den Raum wieder. Der Mann folgte ihr und die Tür wurde wieder zugemacht. Es war wieder dunkel.

Ich schwieg und Anna tat es mir gleich.

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Es konnten Minuten oder Stunden gewesen sein, als sich die Tür erneut öffnete. Dieses Mal traten zwei Männer in den Raum. Sie würdigten mich keines Blickes und liefen zielgerichtet auf Anna zu. Durch das Licht, das durch die geöffnete Tür kam, konnte ich Anna gut erkennen.
Ich sah wie einer der Männer einen spitzen Gegenstand raus holte und ihn in der Hand herumschwank. War das ein Messer? Ich konnte es nicht erkennen. Anna begann wieder zu weinen. Ich sah wie sie versuchte sich aus den Ketten zu befreien. Erneut stieg die Panik in mir hoch. Was hatten sie vor?

Die Männer traten jetzt direkt vor Anna und ich konnte sie nicht mehr sehen.
Einer der Männer bückte sich leicht nach vorne und sprach etwas zu Anna. Er sprach aber so leise, dass ich kein Wort verstand. Anna murmelte etwas in seine Richtung zurück, was die beiden Männer ziemlich in Rage brachte.
Er schrie sie an:

" Wo ist das verdammte Ding!"

Anna schrie auf. Es war ein markerschütternder Schrei. Ich verkroch mich soweit es möglich war in meine Ecke. Anna wimmerte und begann zu Schluchzen

"Ich weiß es nicht!"
Aber selbst ich konnte raus hören, dass sie nicht die Wahrheit sprach. Wieso log Sie? Ein lauter Schlag war zu hören und wieder schrie Anna auf.
"Verdammt nochmal, ich werde dich auf der Stelle umbringen, wenn du mir nicht sagst so er ist."
Oh Gott, das war zu viel für mich. Ich wollte weg, aber die verdammten Ketten wollten nicht abgehen.
Nochmal ein Schlag und darauf gleich noch einer. Anna hörte nicht mehr auf mit Schreien. Irgendwie musste ich ihr helfen! Ich konnte doch nicht zulassen, dass diese Männer ihr so weh taten. Wieder ein Schlag.
" Lasst sie sofort in Ruhe!"
Noch ehe ich das ausgesprochen oder besser gesagt geschriehen hatte, bereute ich es schon wieder. Einer der Männer lies ein knurren von sich. Alleine dieses Geräusch schüchterte mich ein. Der andere drehte sich zu mir um. Durch das einfallende Licht konnte ich sein Gesicht erkennen. Es war der Mann, der in meiner Wohnung war. Das gleiche böse Lächeln, wie bei unserer ersten Begegnung trat auf sein Gesicht. Mir wurde übel.
Er kam langsam auf mich zu.
Ich drückte mich noch mehr in die Ecke.
Er kniete sich direkt vor mich und sah mir tief in die Augen, und obwohl ich weg schauen wollte, konnte ich nicht. Ich war wie gefangen in seinem Blick. Er sprach zu mir.

"Und warum sollten wir?"
Ich konnte kaum Sprechen.

"Weil, weil ihr ihr weh macht."
Das klang jetzt wirklich nicht sehr überzeugend.
"Sollen wir es lieber mit dir machen?"
Jetzt bekam ich wirklich Angst. Schnell schüttelte ich den Kopf.
"Weißt du, wir wollen nur eine kleine Information von ihr. Wenn sie uns es einfach sagen würde, würden wir ihr auch keine Schmerzen zufügen. Und du müsstest nicht hier sein". Er sprach zu mir, wie mit einem Kleinkind. dennoch verstand ich es nicht. Aber ich schwieg trotzdem. Ich hörte Anna, die noch immer vor Schmerzen wimmerte.
"Egal was sie ausgefressen hat, so schlimm, dass ihr ihr das antut kann es nicht sein!"
Ich war selbst erstaunt, dass mir dieser Satz so klar und deutlich über die Lippen ging. Auch mein Gegenüber schien überrascht. Kurz sah er mich verwirrt an, fasste sich aber gleich wieder.
" Weißt du, eigentlich sollten wir sie auf der Stelle umbringen, wenn man es genau nimmt. Du hast keine Ahnung wer sie ist. Stimmt’s?" Es schien als würde ihn das wirklich überraschen und ich war noch verwirrter.
" Doch! Sie ist Anna und meine beste Freundin und sie arbeitet bei einem Forschungsinstitut. Und sie kommt jeden Mittwochabend zu mir. Und sie spielt Tennis!" Meine Worte kamen ziemlich trotzig.
Er musste grinsen.
" Ja da hast du Recht. Und weißt du auch was genau sie in ihrem "Forschungsinstitut" macht?"
Ich dachte nach. Aber ich wusste es tatsächlich nicht. Immer wenn ich sie darauf ansprach, meinte sie, sie wolle nicht über die Arbeit reden. Und mir viel auf, das ich allgemein nicht viel von ihr wusste. Meistens winkte sie ab wenn wir auf sie zu sprechen kamen. Wir unterhielten uns eigentlich immer nur über belanglose Dinge oder über mich. Wieder schüttelte ich den Kopf. Anna zischte von hinten. Er drehte sich um und sah den anderen Mann an. Wieder ein Schlag. Ich zuckte zusammen. Mein Besucher wandte sich wieder an mich.
Er seufzte.

"Es tut mir Leid, das wir dich damit hineingezogen haben, aber jetzt ist es zu spät. Du hängst leider schon zu tief mit drin!"
Zu tief mit drin? Ich hatte keine Ahnung, was eigentlich das Problem war.
"Was soll das heißen?"

Ich hatte immer noch Angst.
"Das heißt, dass wir dich nicht einfach so laufen lassen können!"
Er beendete unser Gespräch, indem er aus seiner Tasche ein Klebeband holte und mir den Mund zu klebte. Ich versuchte mich zu wehren aber er hielt meinem Kopf so fest, dass ich ihn nicht mehr bewegen konnte. Ich begann hastig zu Atmen und meine panische Angst steigerte sich noch weiter.
" Beruhig dich!" mahnte er mich an.

Das half mir natürlich durchaus wenig. Was sollte das heißen, sie können mich nicht einfach gehen lassen? Mein Herz raste und mir wurde wieder schlecht. Er sah mich nochmal an, richtete sich auf und lief wieder zu Anna.
Er flüsterte ihr etwas zu und ich konnte sehen wie Anna an ihnen vorbei zu mir sah. Doch ihr Blick war leer. Was hatte er ihr gesagt? Sie sprach etwas zu dem Mann, der gerade eben bei mir war. Sie grinse ihn an und zuckte mit den Schultern. Der andere Mann, dessen Gesicht ich noch nicht kannte, rastete daraufhin vollkommen aus. Er holte aus und schlug sie mitten ins Gesicht. Und sie sah ihn an, schrie aber nicht mehr, sondern bleckte ihre Zähne. Und obwohl das Licht sie nur stellenweise erleuchtete konnte ich sehen, wie sich ihr Gesicht verzerrte und eine bösartige Fratze aus ihr wurde.
Ich war geschockt. Was bitte war das? Das konnte nicht echt sein. Die mussten mich unter Drogen gesetzt haben. So was gibt es nicht.
Der Mann schlug wieder auf sie ein.
Das konnte nicht Anna sein. So sieht niemals ein Mensch aus.
Ich hörte sie wieder aufschreien, aber dieses Mal war Ihr Schrei nicht die Art Schrei wie zuvor, sondern viel tiefer und rauer.
Wurde ich jetzt vollkommen verrückt?
Ich riss wie blöde an meinen Ketten rum, was natürlich immer noch nichts brachte. Er schlug weiter auf sie ein. Mir rann Angstschweiß von der Stirn oder war es wegen der Anstrengung? Ich wusste es nicht. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Ich wollte nur noch weg.
Weg aus diesem Kerker, weg von diesen Männern und vor allen Dingen weg von Anna. Oder besser gesagt: Weg von dem, was einmal Anna war.
Ich bekam Magenkrämpfe und meine Kopfschmerzen verschlimmerten sich.
Wieso half mir denn keiner!
"Miriam?... Miriam!." Die neue Stimme von Anna sprach zu mir. Ich zuckte zusammen. Bei dem Klang ihrer Stimme lief es mir kalt den Rücken runter und ich wurde wider starr vor Angst.
" Halts Maul!"

Schrie einer der Männer zu Anna und verpasste ihr noch einen Schlag. Sie heulte wieder auf. Aber ihr heulen ging in ein Lachen über. Fast schon spöttisch fragte sich mich:

"Miriam, damit hast du wohl nicht gerechnet! Hmm"
Einem der Männer entglitt ein Wutschrei und er schlug wieder auf sie ein. Der andere Schrie zu Tür raus

"Sie wird uns nichts sagen!"
Eine wütende Frauenstimme sprach von draußen.
" Na dann. Tötet sie!"
Ich saß immer noch versteinert in meiner Ecke. Mir tat alles weh. Und ich nahm diese Worte nur verschwommen war.
Aber ich verstand sie.
Ich begann wieder zu weinen. Denn, was auch immer diese Kreatur da drüben war, sie war doch Anna! Ich schrie die Männer an und zerrte an den Ketten.

„Hört auf! Lasst sie in Ruhe! Ihr perversen Spinner! Geht weg von ihr.“

Mein schreien ging wieder in ein Schluchten über.
Aber was sollte ich schon tun, ich konnte mich nicht befreien.
Der Mann, der bei mir war, nahm den spitzen Gegenstand und ich hörte ein Klickgeräusch. Ich musste hinsehen, was das war. Das kleine Ding fuhr aus und es schien eine Art Schwert zu sein. Ich sah wieder weg.
" Hier mach du es!"

Er übergab das Schwert oder was auch immer das war, dem anderen.
"Gerne"
Jetzt musste ich doch wieder hinsehen. Ich konnte nicht anders.
" Warte noch einen Augenblick!" mahnte ihn mein Besucher.

Er nickte. Daraufhin drehte sich mein Einbrecher um und kam wieder zu mir. Er kniete sich vor mich, sah mich an, riss das Klebeband wieder von meinem Mund. Es schmerze ziemlich als er es herunterriss aber ich war froh das das Ding weg war.
"Komm her, du musst dir das nicht mit ansehen"

Er streckte die Arme nach mir aus. War er jetzt völlig verrückt geworden? Ich wehrte mich so gut es ging mit Händen und Füßen.

„ Fass mich nicht an. Lass mich in Ruhe! Du bist doch nicht ganz Dicht“
Verzweifelt sah ich wieder zu Anna. Ihre Fratze war wieder zu einem normalem Gesicht geworden. Und sie blickte mich an.

„ Miri ist schon gut. Ich war nie die für die du mich gehalten hast. Und eigentlich verabscheue ich euch Menschen. Aber ich muss ehrlich sagen du warst in Ordnung.“

Sie fing wieder gehässig an zu lachen. Ich wusste wirklich nicht was ich dazu sagen sollte. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Ich lies meine Gliedmaßen resignierend fallen.

Der Mann kniete immer noch vor mir und rückte nun noch ein Stückchen näher an mich heran. Ich wusste nicht wieso ich das Angebot annahm aber ich legte mein Kopf ohne zu zögern an seine Schulter. Er legte eine Hand behutsam um meine Taille, den anderen legte er so über meinem Kopf, dass es meine Ohren bedeckte. Ich wäre gerne näher gekommen, aber ich war ja noch immer in Ketten.
"Scht...Hör nicht hin, hör einfach nicht hin!"
er wiegte mich leicht.
"Jetzt kannst du!"
Mich durchfuhr wieder Panik. Oh Gott, Anna! ich drückte meinen Kopf noch fester.
Dann hörte ich es.
Das Schwert sauste durch die Luft und trat hart auf. Anna schrie.
So etwas hatte ich noch nie gehört. Es war so tief und verzerrt. So als würde ein Bär oder so was brüllen. Gleichzeitig klang aber doch etwas durch das sich wie ein Mensch anhörte.
Langsam wurde aus dem Schrei wieder der Schrei von Anna. Sie japste und schrie. Ein weiterer Stoß mit dem Schwert. Anna schrie nicht mehr.

Es war alles still.

Zu still.

Sie musste wohl tot sein.
Ich begann wieder zu weinen. Ich hatte das Gefühl mein Herz zerriss es. Und während ich weinte, streichelte er mir über den Kopf.
"Scht, scht, es wird alles gut. Ich pass auf"
Er wiegte mich immer noch.
Da schoss es mir durch den Kopf. Was tat ich da eigentlich. Ich suchte Trost, bei dem Mann, der mir und ihr das alles angetan hatte?
Ruckartig fuhr ich nach oben. Ich sah ihn an.
In diesem Moment wurde meine Trauer und mein Schock zur Wut.
" Wie kannst du es wagen mich anzufassen!"
Ich riss mich von ihm los. "Fass mich nicht an!"
Beruhige dich" redete er sanft auf mich ein.
" Ich soll mich beruhigen?"
hysterisch schrie ich ihn an.

"Du hast Anna umgebracht! Du Mörder!"
Ich wollte ihn erledigen. Auf der Stelle. Ich riss und zerrte an den Ketten. Ich wollte es ihm heimzahlen. Er entfernte sich ein Stückchen von mir.
" Nein ich wollte sie nicht umbringen, aber es ging nicht anders"

Er sah mich entschuldigend an. Das brachte mich noch mehr zum rasen.
"DU HAST ES ABER GETAN!!!"
Mein Blick schwenkte zu Anna. Sie saß geknickt an die Wand gelehnt. Ihr Haar hing ihr über den Kopf, welcher nach unten geneigt war. Nur die Ketten an ihren Händen hielten ihr Körper halbwegs aufrecht. Ihre schöne Bluse war blutgetränkt.
Meine Wut wich wieder zur Traurigkeit. Ich sackte zusammen und begann wieder zu weinen. Dieser Schmerz in meiner Brust war unerträglich. Der Mann stand auf und ging Richtung Tür.
" Ich lasse dich einen Moment alleine".
Er sah mich noch kurz an und verließ den Raum.

Und ich war alleine,
so furchtbar alleine.


Ich hing immer noch an meinen Ketten. Die Tränen waren mittlerweile getrocknet.
Ich hatte wieder Durst und auf die Toilette musste ich mittlerweile auch ganz dringend.
Mir fiel auf, dass die Tür noch offen stand. Sehr nett, wenigstens ließ man mich nicht im Dunkeln hier sitzen. Ich überlegte kurz jemanden zu rufen. Fürchtete mich aber vor der Reaktion. Vielleicht hatten sie mich nur vergessen und wollten mich eigentlich auch töten.
Ich sah wieder zu Anna, die immer noch unverändert an ihrem Platz saß. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben.

Was war hier nur geschehen. Wieso tat man uns das an. Wieso musste sie sterben und was zur Hölle meinte sie mit ´euch Menschen´? Ich hatte so viele Fragen und ich war mir sicher die Antworten darauf nie zu erfahren.

 

Die Stille wurde von einem dumpfem,leisem Geräusch unterbrochen und es schien aus Annas Richtung zu kommen.
Ich beugte mich so weit wie möglich vor und versuchte festzustellen was es war, aber ich konnte es nicht deuten. Ich wurde das Gefühl nicht los das sich Anna ein bisschen bewegte.
"Oh mein Gott, Anna? Lebst du noch" flüsterte ich rüber. Aber ich bekam keine Antwort nur die Stille war wieder da. Ich sank wieder zurück. Ich war verrückt. Wie sollte sie das auch überlebt haben. Ich säufste und kroch wieder vollständig in meine Ecke. Mir war kalt und so langsam war ich bis auf die Knochen ausgekühlt. Wieder hörte ich dieses Geräusch und wieder schien es aus ihrer Richtung zu kommen. Ich sah wieder zu ihr. Und sie bewegte sich tatsächlich. Schnell krabbelte ich wieder in ihre Richtung.

„Anna, Anna. Hey, hörst du mich?“ ich flüsterte es so leise es ging.
Und dann sah ich warum sie sich bewegte. Sie fing an zu zerfallen. Ein Schreck fuhr durch mich hindurch. Ich war zwar immer schlecht in Biologie gewesen aber das war definitiv nicht normal. Ihre Arme waren das erste war komplett weg war. Ich wusste nicht was es war, aber es sah aus, als würden sie zu Staub zerfallen. Da die Arme sie aufrecht gehalten hatten, sackte ihr Körper nun zusammen und mit nur einem einzigen dumpfen Geräusch war auch der Rest wie zu Staub zerfallen. Dadurch wurde ein wenig von ihrem Staub aufgewirbelt und kam ich mein Richtung. Ich hielt die Luft an. Auf keinem Fall wollte ich das einatmen. Das konnte ja gar nicht gesund sein. Aber der Staub schaffte es nicht bis zu mir. Erleichtert aber dennoch vorsichtig atmete ich ein.
"Hallo? könnte mal bitte irgendjemand kommen?"
Ich wartete einen Moment aber ich hörte nichts. Na toll. Wollten die mich hier einfach so verrecken lassen. Wieder stieg Panik in mir hoch. Wenn das so weiterginge bräuchte ich bald ein neues Herz.
Also versuchte ich mich wieder zu beruhigen.
"Sie besprechen bestimmt nur wie es mit mir weiter gehen sollte“, sagte ich zu mir selbst. Eigentlich wollte ich mich damit beruhigen, aber das Gegenteil war der Fall. Mein Herz raste, was wenn sie sich gerade überlegten wie sich mich aus dem Weg schaffen könnte?
Meine Gedanken wurden unterbrochen als ich Schritte näher kommen hörte. Mein Puls fing an sogar in meinen Ohren so stark zu pulsieren, dass ich es hören könnte. Jemand kam zur Tür herein und ich drückte mich noch weiter in meine Ecke. Er kam auf mich zu. Es war mein Einbrecher.
"So hast du dich wieder beruhigt?"
Ich wusste nicht was ich sagen sollte, mein Hirn war zurzeit ziemlich unterversorgt.
"Sprichst du noch mit mir oder hast du jetzt von Anschreien auf Schweigen umgeschaltet"

Und schon wurde aus meiner Angst wieder Wut. Wie konnte er so frech zu mir sein. Der hatte sie doch nicht mehr alle.
"Ich spreche noch!" presste ich hervor und versuchte ihn böse anzusehen.
Er musste grinsen. Mein Blick schien wohl nicht ganz sein Ziel erreicht zu haben.

"Du musst bestimmt mal auf die Toilette und außerdem holst du dir hier drin noch eine Erkältung."
Er beugte sich ganz dicht vor mich.
"Pass auf, ich werde dir jetzt die Fesseln abnehmen. Solltest du versuchen abzuhauen, dann werde ich dich wieder einfangen und dich hier wieder fest ketten. Und ich hol dich auf jeden Fall wieder ein."
Wut kroch wieder in mir hoch. Ich wollte ihn immer noch erledigen. Aber mit Fesseln ging das ja nicht, also nickte ich nur.
"Braves Mädchen"

Er holte einen Schlüsselbund aus seiner Jackentasche und öffnete die Schlösser.

Es tat so gut, auch wenn meine Hände etwas schmerzten als das Blut wieder richtig durchfließen konnte. Ich rieb mir meine Gelenke. Sie waren ziemlich aufgescheuert.
"Zeig mal her"

Er nahm meine rechte Hand und betrachtete sie.
Das war die Gelegenheit. Ich holte mit links aus und wollte zuschlagen. Aber er hielt meine Hand noch fest bevor sie überhaupt in seiner Nähe war. Ich war beeindruckt, solch ein Reaktionsvermögen hab ich noch nicht gesehen. Aber ich schlug für gewöhnlich auch niemanden.
"Las mich los!" fauchte ich ihn an.
"Dann versuch du mich nicht zu schlagen!"
Ich windete mich und versuchte mich zu befreien, aber das einzige was es brachte waren Schmerzen in der Schulter. Also gab ich nach. Er war einfach zu stark für mich. Ich sackte wieder in mich zusammen.
" So und nun pass mal gut auf, Kleines. Ich will dir nichts Böses. Wir sind nicht die Bösen. Auch wenn es für dich im Moment danach aussieht. Was ich dir, nebenbei gesagt, absolut nicht verübeln kann."

Und obwohl ich mit angesehen habe wie sie Anna getötet habe, hatte ich nicht das Gefühl, das es mich anlog.
Aber sie mussten die Bösen sein. Meine Anna war ein guter Mensch, sie war doch meine beste Freundin. Ich schüttelte den Kopf und fing wieder an zu weinen. Das war einfach alles zu viel für mich.

Mit einem Seufzer packte er mich und stand mit mir auf. Er trug mich aus dem Verlies.
Es war so schön wieder richtig im Licht zu sein und ich hörte wieder auf mit weinen. Ich sah mich um. Wir gingen einen langen weiß gestrichenen Flur entlang. Von der Decke hingen in regelmäßigen Abständen einfache Lampenschirme. Sie waren bestimmt auch mal weiß gewesen, doch mittlerweile hatte sie einen merkwürdigen Creme Ton angenommen. Alle paar Meter kam eine Tür.
Ziemlich am Ende des Flures setzte er mich ab.
" So, hier ist die Toilette. Ich warte kurz hier draußen."
Ich sah in an, drehte mich um und ging auf die Toilette. Ich schloss die Tür hinter mir und sah mich um. Kein Fenster.

„Verdammt.“ fluchte ich kurz und war schon wieder kurz davor zu heulen. Aber es brachte sowieso nichts weiter rum zu heulen, deshalb schluckte ich es runter und erleichterte einfach nur meine Blase, wusch die Hände und ging wieder heraus. Ich sah ihn nicht an.
"Keine Fenster, hmm?" Spöttisch betrachtete er mich.
"Nein"

Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Die letzten Tage benahm ich mich wirklich wie ein Kleinkind.
Er musste noch mehr lachen.

" Komm mit, ich zeig dir dein Zimmer. Da wirst du erst einmal bleiben, bis wir wissen was wir mit dir machen."
Er lief voraus, wieder zurück in die Richtung aus der wir kamen. Einen Moment blieb ich störrisch stehen. Ich wusste nicht genau was das bringen sollte aber ich tat es.
Er drehte sich zu mir um

"Kommst du?"
Auffordernd sah er mich an. Ich grummelte kurz in mich hinein, folgte ihm dann aber. Was hatte ich schon für eine Wahl? Wir liefen immer näher Richtung Verlies. Die Angst kam wieder und ich blieb erneut stehen.
" Ich muss aber nicht wieder dahin zurück?" panisch sah ich ihn an.
"Zurück?"

verwirrt blickte er zu mir, doch dann grinste er.

„Nein, du musst nicht wieder in das Verlies".
Erleichtert atmete ich auf und folge ihm weiter. Er blieb vor einer Tür stehen, die mit einem großen Schloss verriegelt war. Er stand einen Moment da und betrachtete die Tür. Dann seufzte er und holte den Schlüssel raus. Er öffnete die Tür und bat mich einzutreten. Ich sah in an, etwas trauriges lag in seinem Blick.
"Das Zimmer gehörte meiner kleinen Schwester. Sie ist letztes Jahr... verstorben. Bitte sei vorsichtig mit den Sachen. Ich lasse dir gleich etwas zu Trinken und neue Kleider bringen."
Er betrat das Zimmer und ich folgte ihm.

„Die Tür links ist das Badezimmer. Du kannst gerne Duschen wenn du willst. Die andere Tür ist Cindys Ankleidezimmer. Lass den bitte in Ruhe."

Er sprach sehr langsam und bedeckt. Und ich wusste, dass ihm der Anblick dieses Zimmers schmerzte. Für einen Moment hatte ich wirklich Mitleid mit ihm, doch dann musste ich wieder an Anna denken. Selber Schuld, du hast es so verdient! Schoss es mir durch den Kopf. Er ging zur Tür raus und verschloss sie wieder.
Ich sah mich in dem Zimmer um. Es war ein schönes Zimmer. Groß und in einem leichten Roséton. Ein weises, eisernes Himmelbett mit dünnen weißen Vorhängen stand rechts an der Wand. Dazu geblümte Bettwäsche. Direkt daneben die Tür vom Kleiderschrank.
Ich dachte an meine Zeit als Teenager zurück. Ich wollte auch immer einen begehbaren Kleiderschrank haben.
An der rechten Wand stand neben der Bad Tür ein Schminktischchen. Auch aus weißen Eisen. Und direkt vor mir an der Wand war ein Fenster.
"Ein Fenster!" schnell lief ich hin und sah raus. Es war von außen mit dicken Eisenstäben versehen. Eine Flucht war also auch hier unmöglich.Wieder säufste ich. Was hatte ich auch erwartet. So dumm werden sie wohl nicht sein mich in ein Zimmer zu stecken aus dem ich einfach so abhauen kann. Es war hell draußen. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, nicht einmal den Tag konnte ich sagen. Überall standen Bäume. Ich kannte diesen Ort nicht.
Entmutigt lies ich mich auf der Fensterbank nieder. Eine Weile starrte ich auf das Bett.
Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinem Gedanken. Das Schloss wurde geöffnet und die kleine Frau, die mir im Verlies das Trinken brachte, öffnete die Tür. Sie spähte um die Ecke und sah mich an.
"Darf ich reinkommen?"
"Ja, klar."
Sie schlich herein, legte mir Kleidung auf das Bett, stelle eine Flasche Wasser und ein Glas auf das Nachttischchen. Dann sah sich mich wieder an und lächelte.
" Mach dir keine Sorgen, du gefällst Raphael. Es wird dir an nichts fehlen."
Sie drehte sich um und verließ das Zimmer. Die Tür wurde wieder verriegelt.
Was sollte das heißen, ich gefiel ihm? Und wer ist Raphael?
Ich lief zum Nachtisch und goss mit etwas Wasser ins Glas. Mit einem Zug hatte ich es leer, aber mein Durst blieb. Also setzte ich einfach die Flasche an und trank.
Als der gröbste Durst gelöscht war, sah ich mir die Kleider an. Eine enge schwarze Hose und dazu eine passende Satinbluse in Creme.
" Ok, das ist etwas gewöhnungsbedürftig."
Ich war nicht unbedingt der Blusenträgertyp. Aber die Unterwäsche war toll. Ich nahm die Sachen und ging ins Bad. Es war ein einfaches Bad komplett in Weiß. Ich zog mich aus und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser fühlte ich herrlich an und während ich den Schmutz von mir runterschrubbte hatte ich auch das Gefühl meine Emotionen langsam wider in den Griff zu bekommen.

Ich duschte bestimmt eine halbe Stunde, ehe ich wieder ausstieg.
Nachdem ich mit getrocknet hatte, zog ich mir die frischen Sachen an und verließ das Badezimmer. Ich legte mich auf das Bett und starrte nach oben. Dabei ließ ich die letzten Stunden oder Tage Revue passieren.
Es ergab alles kein Sinn.
War waren das für Leute die mich hier festhielten? Was suchten sie?
Und was war mit Anna geschehen?
Vor meinem geistigen Auge erschien wieder das Bild in dem Anna ihr Gesicht verzerrte. Mir lief es kalt den Rücken runter.
Es klopfe wieder an der Tür und jemand öffnete das Schloss. Es war mein Entführer.
"Komm, ich will dir etwas zeigen. Ich will, dass du weißt, dass wir nicht die Bösen sind."

Ich stand ohne zu zögern auf, meine Neugierde war einfach zu groß um jetzt blöd zu machen.
Wir liefen den Flur wieder entlang und die letzte Tür auf der linken Seite stand offen. Das war offensichtlich unser Ziel.
Er blieb vor der Tür stehen und sah mich forschend an.

"Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Raphael. Ich bin hier sozusagen der `Einsatzleiter`. Wobei ich finde es klingt etwas geschwollen. Nun ja, du scheinst mir eine starke Frau zu sein. Deshalb zeige ich es dir. Aber du musst wissen, wenn du einmal hier drin warst, gibt es kein Zurück mehr. Du wirst zu uns gehören und hier bleiben! Hast du das verstanden?"
Ich sah ihn an "Hab ich denn eine Wahl?"
"Eigentlich nicht, nein."
"Warum erzählst du mir das dann?"
"Hmm, gute Frage" Er sprach es mehr zu sich selbst wie zu mir.
"Folge mir. Bleib einfach immer bei mir und hör mir genau zu. Lauf nicht davon oder fasse etwas an. Klar?"
"Ja, verstanden"
"Gut" und er trat ein.
Ich straffte meine Schultern und folgte ihm.

 

Kapitel 5

Was ich dann sah, war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte aber es war deswegen nicht weniger beeindruckend. Wir befanden uns in einem großen Raum, der hell beleuchtet war. Zwei Labortische befanden sich darin und unzählige merkwürdige Gerätschaften. Ich hatte keine Ahnung wozu sie dienen sollten.
"Was ist das?" fragte ich ihn erwartungsvoll.
" Das ist unser Labor. Hier entwickeln wir neue Waffen. Wie das Messer, mit dem wir... Ähm und außerdem sucht unser Forscher ständig nach einem Heilmittel. Bisher allerdings recht erfolglos."
"Ein Heilmittel? Für was? Und die Waffen? Du solltest mir langsam mal erklären, was ihr eigentlich genau macht!"
Er seufzte "Ja, du hast recht. Also pass auf. Was mit Anna geschehen ist, tut uns Leid für dich. Aber sie war nicht das wofür du sie gehalten hast. Sie war eine Art Vampir. Ein Mischling. Halb Vampir halb Mensch."
Ich runzelte die Stirn. Wollte er mich auf den Arm nehmen? Wenn ja, war das ein verdammt schlechter Witz.
" Du glaubst mir nicht, richtig?"
"Nein. Und ich finde es absolut bösartig, Anna so durch den Schmutz zu ziehen. Vampire. So ein Blödsinn."

angewidert verschränkte ich meine Arme vor der Brust. So einen Müll hab ich ehrlich noch nie gehört.
Er überlegte eine Weile.

" Ok, ich kann das nachvollziehen. Also werde ich dir einen Zeigen"
"Einen zeigen?"

Was sollte das jetzt? Ich ärgerte mich wirklich immer mehr über ihn.
"Na einen Vampir".
Verdutzt sah ich ihm hinterher, während er schon in die Richtung einer neuen Tür lief. Ich stolperte ihm nach.
Als er die dicke Stahltür öffnete, schreckte ich zusammen. Etwas schrie und fauchte unglaublich laut. Ich sah hinein. Der Raum war in der Mitte durch eine riesige Glaswand geteilt. Sie musste extrem dick sein. Die Geräusche kamen aus den Lautsprechern die rechts und links an der Decke montiert waren. Auf unserer Seite saß die kleine Frau, der ich mittlerweile schon zweimal begegnet war. Neben ihr, ein Mann so um die fünfzig rum, mit lichtem schwarz-grauem Haar. Er hatte einen leichten Bauchansatz. Es konnte aber auch an dem Kittel liegen, den er trug. Sie sahen aus wie Professoren. Ihre Blicke waren vertieft in Unterlagen.
Raphael lief hin und sprach mit ihnen aber ich konnte, aufgrund des Lärms, nichts davon verstehen. Beide drehten sich in meine Richtung. Der ältere Mann sah mich nur kurz an und zog seine Mundwinkel nach unten. Er schüttelte kurz den Kopf und richtete seinen Blick wieder auf seine Unterlagen. Die kleine Frau grinste und stand sofort auf und kam zu mir herüber.
"Hallo Schätzchen, ich bin Margarethe, aber alle nennen mich Maggy. Und der brummige alte Bär da hinten, das ist Fred. Nimms nicht persönlich, er redet nie viel und Anstand hat er auch keinen. Aber es ist ein verdammt guter Wissenschaftler. Und tief in ihm drin schlummert eine gute, reine Seele."
"Aha. ok... Ähm ich bin Miriam."
In meinem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sich etwas hinter der Glaswand bewegte. Schnell richtete ich meinem Blick auf die Gestalt. Und dieser Anblick versetzte mir solch einen Scheck, das ich zurück wich und beinahe hinfiel.
" Was, in Gottes Namen, ist das?"
Maggy grinste mich an

"Das, Miriam, ist ein Vampir. Sein Name ist Dustin. Raphael und seine Mannschaft haben in vor einer Woche geschnappt und hergebracht. Wir hoffen etwas von ihm zu lernen, damit wir noch effektiver gegen sie vorgehen können. Außerdem entwickeln wir gerade ein Heilmittel, oder besser gesagt wir suchen immer noch danach. Wir sind realistisch, wir glauben nicht, das wir ihn hier wieder zurückverwandeln können aber vielleicht einen frisch Gebissenen. Ach ich rede schon wieder viel zu viel"
Ich hörte ihr nicht mehr richtig zu. Die Gestalt sah mich direkt an. Er hatte die Statur eines Menschen und doch war er irgendwie anders. Er hatte eine aalglatte Haut, die leicht schimmerte. Seine Muskulatur war nicht wesentlich ausgeprägter, als bei einem normal durchtrainierten Mann, aber dennoch wirkte er unglaublich stark. Sein Gesicht war schön, keine Frage, solange er es nicht verzog.
Er riss den Mund auf und scharfe Zähne blitzen hervor. Sie sahen tödlich aus, selbst von meiner Position aus. Seine Stirn wurde bucklig und die Nase flachte sich ab. Er schrie wieder auf und ich zuckte erneut zusammen.
"Wie Anna!"

stellte ich laut fest.
"Ja, genau so hat sie auch ausgesehen, nur ohne die Muskeln und den Glanz. Stimmt’s?" Raphael tauchte wieder an meiner Seite auf.
Ich war wie gebannt von diesem Wesen. Es war faszinierend und furchteinflößend zu gleich.
"Wie ist das möglich? So was kann es doch nicht geben?"
Aber ich konnte es mit meinen eigenen Augen sehen. Er war da, dieser Typ war ganz eindeutig da. Ich ging einen Schritt in Richtung Scheibe. Angst durchströmte mich, aber das verlangen, dieses Wesen genauer zu betrachten, war größer.
Ich dachte nach.
"Und warum tötet ihr sie?"
Mit gesenkter und ernster Stimme sprach Raphael zu mir: "Sie töten Menschen, Miriam. Sie töten sie, um zu überleben und weil es ihnen Freude bereitet. Was wir von deiner Freundin wollten war ein Schlüssel. Wir dachten sie hat ihn vielleicht bei dir hinterlegt. Aber dem war wohl nicht so. Wir müssen unbedingt in das Forschungsinstitut. Wir wissen von einer zuverlässigen Quelle, dass sich dort ihr Meister aufhält. Wir brauchen diesen Schlüssel um da rein zu kommen."
" Und was habt ihr dann vor?"
"Ihn töten natürlich. Wenn man ihn getötet hat, dann können keine neuen Vampire mehr geschaffen werden. Zumindest keine richtigen, so wie unser Kerl hier." Er reckte den Kopf kurz in seine Richtung. Ich sah wieder auf den Mann hinter der Scheibe. Seine Augen waren dunkelrot und fixierten mich. Ein Schauer durchfuhr mich, aber ich wandte mich wieder Raphael zu

"Wieso denn das?"
"Die Vampire sind über die Jahrhunderte immer schwächer geworden. Und auch sie haben Kriege geführt, daher sind nur noch wenige alte Vampire vorhanden.Die Urvampire so zu sagen. Die Neueren, also die, der letzten zwei Jahrhunderte, können keine neuen Vampire mehr erschaffen. Hier bei uns gibt es nur noch einen Alten. Sein Name ist Baltimore. Ihn gilt es zu vernichten, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis alle anderen auch erledigt sind. Aber wir müssen uns wirklich beeilen, denn nicht nur wir sind an diversen Forschungen dran. Auch die Vampire arbeiten Fieberhaft an einer Lösung für ihr Evolutionsproblem "
Ich sah zu Boden und dachte darüber nach, was er mir gerade erzählt hatte. Konnte das wirklich sein? Aber es musste stimmen, ich hatte ja den lebenden Beweis direkt vor mir.
Ich fragte mich, was ich jetzt hier eigentlich machen sollte. Zum einen war ich nicht wirklich sportlich, geschweige denn unglaublich Gescheit. Außerdem fand ich mein altes langweiliges Leben eigentlich ganz schön. Zumal ich ja nicht einfach hier bleiben konnte und die Welt um mich herum vergessen. Schließlich gab es Menschen, denen mein Verschwinden auffallen würde. Meinen Eltern, Meinem Büro. Meinen Vermieter!
"Und wie hast du dir das mit mir jetzt vorgestellt? Spätestens in einer Woche würde eine Großfahndung nach mir eingeleitet werden. Und ich kann nichts, was euch helfen könnte. Und wirklich Lust dazu hab ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Ich bin kein Chemiker und auch keine Kampfsportlerin. Und kochen oder so was in der Art kann ich erst recht nicht."

Ich hatte wirklich die Hoffnung sie würden mich einfach wieder nach Hause schicken.
Er grinste mich an.

"Mach dir keine Sorgen, für dein altes Leben habe ich schon alles in die Wege geleitet. Deine Wohnung wird gerade gekündigt und deine Sachen werden hergebracht. Du bekommst ein neues Zimmer hier. Und ja, du musst hier bleiben ob du Lust dazu hast oder nicht. Deinen Eltern hast du einen Brief geschrieben, in dem du mitteilst, dass du kurzfristig eine längere Reise unternimmst. Dich hatte das Fernweh gepackt. Und deinen Arbeitsplatz habe ich heute Morgen gekündigt. Alles erledigt."
Er grinste noch breiter und ich war sichtlich beeindruckt aber ich war ehrlich gesagt ziemlich überfordert mit dem was er gerade sagte. Mein altes Leben soll ich einfach so vergessen? Wie solle das gehen. Ich wollte wieder zurück. Fernweh na klar. Ich konnte meine Tränen nicht zurück halten. Ich wollte hier nicht sein. Das war nichts für mich.
Schluchzend stand ich da und wusste nichts mit mir anzufangen.

„Bring das Mädchen zurück auf ihr Zimmer, sie muss das jetzt erst mal sacken lassen“

Maggy schob mich Richtung Tür und Raphael folgte ihr. An der Tür übernahm er ihren Platz und führte mich wieder zurück auf mein Zimmer. Schweigend stellte er mich dort ab und verließ den Raum.

 

Kapitel 6

 

Mittlerweile waren fast zwei Monate vergangen und ich gewöhnte mich langsam daran hier zu sein. Es war Ende November und ich konnte aus dem Fenster sehen, wie die Welt sich auf den Winter vorbereitete. Es war jetzt schon verdammt kalt draußen. Wahrscheinlich würde es ein langer Winter werden. Ich saß in meinem neuen Zimmer auf meinem Bett und dachte an die letzte Zeit. Seit ich hierher gebracht worden bin, hatte ich viele Menschen kennengelernt und vieles über die Dinge hier erfahren.
Sie hatten so ziemlich alles von mir verkauft. Aber zuvor durfte ich mir aussuchen, was ich behalten wollte. Mein neues Zimmer war von der Aufteilung wie das erste Zimmer, in dem sie mich notgedrungen untergebracht hatten, nur die Einrichtung war natürlich anders. Ich hatte mein altes Bett und meine Kommode behalten. Ebenso meine Kleider und meine Erinnerungen wie Fotos, Kissen und Deko. Mein Fernseher durfte natürlich auch nicht fehlen. Es gab zwar einen großen Gemeinschaftsraum, aber ich brauchte einfach eine Rückzugmöglichkeit. Ich wollte sehen worauf ich Lust hatte und wann ich Lust hatte. Meinen Laptop hatte ich zwar auch mitgenommen, aber der wurde mir noch verwehrt. Man sagte mir, dass die Gefahr zu groß wäre. Ich könnte mir Hilfe suchen. Deswegen bekam ich mein Mobiltelefon natürlich auch nicht. Wenn ich mal ein SMS bekommen habe, durfte ich nur Antworten, wenn jemand dabei war.
Es war wirklich nicht einfach. Aber sie taten ihr bestes, damit es mir gut ging. Raphael sah ich nur selten. Meistens war er mit seiner Truppe unterwegs. Es gab viele dieser Truppen. Immer bestehend aus fünf Personen. Normalerweise zogen sie in einer Art Schichtsystem los. Doch manchmal gingen sie auch zusammen.
Maggy war ein guter Mensch. Sie war für mich zur Freundin und Ersatzmutter geworden. Sie bemühte sich wirklich sehr.
Während ich an sie dachte, musste ich grinsen. Sie war wirklich eine tolle Frau.
Vor etwa zwei Wochen hatte ich meinen 23 Geburtstag. Sie überraschte mich mit einem schönen Bananenkuchen. Meinem Lieblingskuchen. Es war wirklich erstaunlich wie aufmerksam sie war. Ich hatte es, glaube ich, nur einmal erwähnt und sie wusste es trotzdem. Ich freute mich unglaublich darüber. Ich dachte nicht, dass man hier so etwas banalem wie Geburtstage Aufmerksamkeit schenken würde.
Ich raffte mich und widmete meinen Gedanken wieder wichtigeren Sachen.
Der Ort an dem ich mich befand, war nicht nur einfach ein einziges Gebäude. Es war eher wie ein kleines Dorf. Das Haus in dem ich mich war, war nur eins von vielen. Es gab vier Gebäude dieser Art. Man nannte sie Hauptgebäude. Hier lebten die Menschen, die hier arbeiteten. Dazu gab es ein großes Trainings- und Wellnessgebäude.
Heute Mittag würde ich Paige begleiten. Sie war ein Jahr älter als ich, ziemlich sportlich und gehörte zu einer der Kampfgruppen. Ihre kurzen schwarzen Locken passten perfekt zu ihrem jugendlichen Gesicht. Ich verstand mich ziemlich gut mit ihr. Und so kam es, dass sie mich fragte, ob ich Lust hätte mit ihr heute dort hinzugehen. Ich machte beinahe Luftsprünge vor Freude. Das war das erste Mal, dass ich dieses Gebäude verlassen durfte.
Neben dieses Sportgebäude gab es noch eine Art Kiosk mit Kaffee. Maggy brachte mir manchmal eine Zeitung von dort mit. Meistens eine einfache Tageszeitung aber hin und wieder legte sie mir auch den „Wardem“ mit. Er war gefüllt mit Berichten über Vampirjägern aus der ganzen Welt. Und so stellte ich fest, dass es diese Art von Einrichtung in nahezu jedem Land gab und jede stand mit den anderen in Verbindung.
Einmal fragte ich Maggy wer das alles Bezahle. Sie zuckte nur mit den Schultern "Die Regierungen, glaube ich." Aber sicher war sie sich nicht.
"So was weiß nur der Big Boss".
Mit Big Boss meinte sie den Leiter unserer ´Anstalt`. Ich hatte ihn noch nie gesehen und es wurde auch nie über ihn gesprochen. Und um ehrlich zu sein, es interessierte mich auch nicht wirklich, deshalb fragte ich nicht nach ihm.
Eine Art Bar gab es auch. Sogar eine Bank war vorhanden. Jeder hier bekam einen gewissen Lohn. Je nachdem was für Aufgaben er hatte. Selbst ich bekam so was wie Taschengeld. Zwar nicht viel, nur 200 Euro, aber da ich fast keine Ausgaben hatte, kam ich damit mehr als zurecht.
Der ganze Komplex war von einer riesigen Mauer umzogen. Ein großer Park umgab die Häuser. Dadurch kam man sich nicht so gefangen vor und es bot etwas mehr Zeit, falls es wirklich mal einen Vampir gelang, die Mauer zu überwinden.
Jedes Gebäude hatte einen Schutzbunker. Es war unmöglich dort rein zu kommen, außer man war im Besitz des Codes. Ich hatte ihn natürlich noch nicht. Aber man versicherte mir, dass es bisher noch niemanden gelungen war über die Mauern zu gelangen. Das beruhigte mich etwas.
Es klopfte an der Tür.
" Ja, Herein".

Ich sprach etwas gelangweilt.
Maggy trat ein

"Schätzchen, ich fahre heute in die Stadt. Brauchst du etwas?"
Und ich benötigte tatsächlich einiges. Mein Duschgel und Shampoo neigten sich dem Ende zu. Und auch meine Schminke und meine Tampons waren so gut wie aufgebraucht. Aber das wichtigste war Deo und Kaugummi. Ich konnte einfach nicht ohne. Das war beinahe überlebenswichtig für mich.
Ich grinste sie an

" Ja Maggy. Ich benötige wirklich einiges"

schrieb ihr alles auf einen Zettel und gab ihr etwas Geld mit.
"Ich hoffe es stört dich nicht, es ist schon ziemlich viel."
Etwas verlegen sah ich zu ihr aber sie lachte und meinte nur.
"Hach Kindchen, für dich mach ich das doch gerne."
Sie zwinkerte mir zu und verließ den Raum.
Was würde ich nur ohne sie machen.
Grinsend schüttelte ich den Kopf und lief wieder zum Bett. Ich war mir unsicher was ich jetzt tun sollte. Es war erst halb elf Uhr morgens und ich hatte bereits alles erledigt, was ich zu tun hatte. Ich sah mich noch einmal kurz um. Es gab wirklich nichts zu machen.
Wieder klopfte es an der Tür. Ich drehte mich um und lief hin. Mit einem Schwung ging die Tür auf und ich erschrak. Paige stand vor mir.
"Guten Morgen" flötete sie. "Bist du bereit? Wir müssen jetzt schon gehen. Heute Mittag ist kurzfristig eine Besprechung angesetzt worden. Ich hoffe es stört dich nicht?"

sie grinste mich an.
"Was für eine Besprechung?"

fragte ich neugierig, nachdem ich mich von meinem Schreck erholt hatte.
"Wegen dir." Sie grinste mich noch breiter an.
Mein Herz machte einen kurzen Aussetzer.

"Wegen mir?" ängstlich sah ich sie an.
"Ja, wir besprechen, was in Zukunft deine Aufgabe bei uns ist. Ich denke ich weiß es, aber ich werde es dir nicht verraten."

sie gikste kurz, lachte und lief zu Tür raus.

"Kommst du?"
Verdutzt sah ich ihr hinterher, sammelte mich aber sofort wieder und holte meinen Rucksack mit den Badesachen. Ich wollte unbedingt schwimmen.

"Ja warte ich komme" rief ich ihr hinterher und rannte los.


Sie schoss die Vordertür auf. Es war herrlich, als ich den gepflasterten Weg betrat.

"Endlich mal draußen." sagte ich mehr zu mir selbst als zu ihr.

Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete die frische Luft tief ein. Ein Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit, als ich die Augen wieder öffnete.
Paige sah mich strahlend an.

"Schön nicht? Ich dachte mir, dass du dich freuen würdest mal raus zu kommen. Aber hau bloß nicht ab!"

mahnte sie mich. Ich sah sie entgeistert an.

"Als würde es was bringen"
Sie grinsten wieder und stoß mir mit den Ellenbogen in die Rippen.

"Na dann komm. Gehen wir."
Sie marschierte los und ich folgte ihr.
Während wir uns dem Sportgebäude näherten, unterhielten wir uns über sie. Es tat gut, zu hören, das es jemandem ähnlich ging wie mir.
"Weißt du Miriam. Bei mir was es so ähnlich wie bei dir. Ich kam auch nicht freiwillig hier her. Aber mittlerweile ist es für mich mein Zuhause. Und ich liebe es hier zu sein. Ich könnte mir nichts anderes mehr vorstellen. Selbst die Jagd macht mir gewissermaßen Spaß"
Ich sah sie verdutzt an. Es machte ihr Spaß zu töten? Sie bemerkte meinen Blick und korrigierte ihre Aussage gleich.
"Nein, also nicht das Töten, aber ich weiß, dass ich dadurch vielen Menschen das Leben retten kann. Ich kann mich gegen Sie wehren und sie zur Strecke bringen aber die meisten Menschen können das nicht. Sie sind ihnen hoffnungslos ausgeliefert. Also ist es meine Aufgabe sie zu beschützen, so gut ich nur kann."
Ernst sah sich mich an und ich musste zugeben, dass das wohl wahr war.
"Ja du hast Recht. Irgendjemand muss sie beschützen"

"Ah wir sind da". Sie lächelte wieder.
"Komm"
Sie öffnete dir Tür und ging rein. Ich folgte ihr.
Es sah aus, wie ein gewöhnliches Sportzentrum.
Sie zeigte mir alles und lief anschließend mit mir in die Umkleidekabine.
"Was möchtest du jetzt machen?" fragte sie mich.
"Eigentlich wollte ich am liebsten schwimmen?" Ich sah sie hoffnungsvoll an.
Sie dachte einen Moment nach. "Hmm, ja ok. Ich gehe ins Fitnessstudio. Da kann ich dich gut sehen. Aber bitte bleib im Schwimmraum, bis ich dich wieder abhole."
Ich grinste über beide Ohren. Soviel Freiheit war ich nicht mehr gewohnt und ich würde es auf gar keinen Fall riskieren das zu verlieren.
"Ja klar. Ich bleibe auf jeden Fall dort"

Überschwänglich nahm ich sie in die Arme.
"Oh, ok."

Sie löste sich etwas geniert aus meiner Umklammerung.
Ich trat zurück und blickte zu Boden.

"Entschuldigung. Ich freue mich nur grad. Ich war seit Monaten nicht mehr draußen, geschweige denn mal alleine irgendwo, außer in meinem Zimmer."
Sie lachte.

"Hey, kein Problem. Ich vertraue dir. Du machst das gut. Mir fiel es anfangs viel schwerer, als es dir zu fallen scheint. Warum sollte das nicht mal belohnt werden. Ich meine, irgendwann müssen wir dich ja mal ein bisschen von der Leine lassen. Außerdem hab ich dich ja trotzdem im Auge. Also ganz alleine bist du nicht."

mahnte sie mir mich mit erhobenen Zeigefinger. Doch sie lächelte dazu und zwinkerte mit dem Auge.
Wir zogen uns um und ich marschierte zum Schwimmbecken.


Ich sprang kopfüber in das kühle Becken. Es tat unglaublich gut, die Muskeln mal wieder zu benutzen. Ich war zwar noch nie eine Sportlerin gewesen, aber so ganz ohne Bewegung war dann doch zu viel des Guten.
Ich wusste nicht, wie lange ich bereits im Becken hin und her schwamm, als die Tür auf ging und eine Person hereinkam.
Ich machte in meiner Bewegung kehrt, umsehen zu können, wer gekommen war. Es war Raphael. Damit hatte ich nicht gerechnet.
"Hy Miriam."
Er sah verdammt gut aus in seinen Badeshorts. Allgemein war er eigentlich sehr nett an zu sehen. Mir war noch nicht aufgefallen, was für ein schöner Mann war. Ich war bisher viel zu sehr mit mir, und meiner bescheidenen Situation beschäftigt, als das ich auf so was geachtet hätte. Aber jetzt, wo ich mich seit langem mal wieder wirklich gut fühlte, nahm ich seine Optik um so deutlich war. Er hatte kurze schwarze Haare, die immer perfekt saßen und eisblaue Augen, die von einem langen, dichten Wimpernkranz umgeben waren. Er hatte etwas hypnotisierendes an sich. Seine Haut war leicht gebräunt und er hatte Muskeln. Oh ja, das hatte er. Aber nicht so Bodybuildermäßig sondern einfach perfekt würde ich fast behaupten.
"Ähm, Hy Raphael." stammelte ich.
Schnell ordnete ich meine Gedanken wieder. Warum sollte er sich für mich interessieren. Hier gab es genug schöne, nette und vor allen Dingen mutige Frauen mit denen er sich abgeben könnte. Ich seufzte einmal und schwamm wieder los.
Hinter mir hörte ich, wie er ins Wasser stieg.

Eine Weile schwammen wir einfach nur neben einander her und ich sah, dass es in Gedanken vertieft war. Also ließ ich ihn in Ruhe.
Doch dann sprach er zu mir:
"Was hältst du von einem kleinem Spielchen?"

er sah mich grinsend an, während er immer noch neben mir schwamm.
Etwas verwirrt antwortete ich

"Ähm, ja klar. Was denn für eins?"
" Du schwimmst weg und ich versuche dich zu fangen. Versuche dich dagegen zu wehren. Egal wie. Vergiss nicht, du kannst mir sowieso nicht wehtun. Wenn ich es schaffe dich zu umarmen, habe ich gewonnen. Wenn du es schaffst aus dem Becken zu kommen, hast du gewonnen."

Er grinste mich noch breiter an.
"Was bitte ..."

doch noch bevor in meinen Satz zu Ende sprechen konnte, antwortete er

" Los geht’s".
Ich brauchte erst einen Moment um mich zu sammeln aber er schwamm schon auf mich zu.

" Na los, hau ab!" stichelte er mich an.
Was bitte war das für ein komisches Spiel? Aber ich spielte mit, also machte ich kehrt und begann zu tauchen. Das ging eindeutig schneller als mein hilfloses rumgepaddel über Wasser. Ich musste Luft holen. Dabei drehte ich mich um und sah, dass er direkt hinter mir war. Er grinste und ich grinste zurück. Es fing an mir Spaß zu machen. Ich tauchte wieder unter und schwamm dieses Mal bis zum Boden. Er folgte mir in die Tiefe. Ich tauchte so schnell es ging in Richtung Beckenrand aber er folgte mir zu schnell also hielt ich an, wartete einen Moment bis er fast bei mir war, grinste und stieß mich vom Boden wieder nach Oben. Ich schnappte nach Luft und schwamm dabei gleich wieder weiter. Ich hatte den Rand fast erreicht, da packte er mich an meinem Knöchel. Schnell machte ich einen Überschlag und konnte mich so wieder aus seiner Hand befreien. Aber es half nichts. Ich war bereits mit dem Oberkörper aus dem Wasser, als er von hinten kam und mich in seine Arme schloss.
"Hab dich" flüstere er mir ins Ohr.
Es war ein schönes Gefühl in seinen Armen, aber ich konnte einfach schlecht verlieren.
"Das war unfair. Wie hätte ich dich denn schlagen sollen?"

maulte ich ihn an.
Er lachte und lies mich los.

"Gar nicht"

mit diesem Satz tauchte er wieder unter und lies mich verdutzt zurück.
Die Tür ging auf und Paige kam herein.

"Kommst du? Wir gehen"
"Ähm, ja ich komme." Ich sah nochmal in das Becken wo Raphael tauchte, drehte mich um und verließ völlig entkräftet zusammen mit Paige den Schwimmraum.

Während wir uns umzogen, fragte sie mich etwas zu neugierig.

"Sag mal, was läuft da zwischen dir und Raphael?"

Sie sah mich breit grinsend an. Ich wusste wirklich nicht worauf sie hinaus wollte.
"Wieso? Was sollte da etwas laufen? Nichts, wir haben eben nur ein Spielchen zusammen gemacht."
Sie sah mich leicht belustigend an.

"Ach komm schon. Er ist sonst zu niemand so nett. Er ist eigentlich manchmal sehr hart und redet nie drum herum. Aber bei dir scheint er da eine Ausnahme zu machen. Wie er dich als ansieht. Ist dir das noch nicht aufgefallen?"
Ich sah sie irritiert an.

"Er ist doch kaum da. Wie soll er mich dann ansehen?"
Sie lachte.

"Er ist öfter da als du denkst und meinst du wirklich er wäre sonst heute schwimmen gegangen, wenn du nicht dort gewesen wärst? Oh das wird Andrea gar nicht gefallen."

Sie lächelte in sich hinein. Es schien sie sichtlich zu amüsieren.
Ich konnte mir es zwar nicht vorstellen, dass er wegen mir gekommen war, aber es fühlte sich trotzdem gut an. Nur wer war Andrea? Das beunruhigte mich doch etwas.

" Was ist mit dieser Andrea? Wer ist das?"
Triumphierend sah sie mich an.

"Aha! Da geht also doch mehr zwischen euch!"
"Nein, also nicht wirklich. Ich mag ihn klar..."
"Und er sieht verdammt gut aus" unterbrach sie mich.
Ich grinste " Ja das tut er in der Tat."
Lachend verließen wir das Sportzentrum.
"Aber wer ist Andrea?"
Paige schüttelte abwertend den Kopf.

"Mach dir um sie keine Gedanken. Sie ist eine arrogante, verbitterte Ziege. Sie arbeitet im Labor in Haus zwei und steht schon, seit ich hier bin, auf Raphael. Aber er interessiert sich einfach nicht für sie. zumindest nicht was eine emotionale Bindung betrifft, aber dich scheint er ziemlich zu mögen"

Sie sah mich an und zwinkerte mit dem Auge. Das tat sie oft, wie mir in diesem Moment auffiel.
Ein warmes Gefühl durchfloss mich und meine Gedanken schweiften etwas ab. Ich erschrak. Ich durfte mich nicht in ihn verlieben. Ich war kein Teenager mehr und solche Gefühle waren im Moment so was von unangebracht. Besonders ihm gegenüber. Schließlich war dieses ganze Desaster hier seine Schuld. Wegen ihm steckte ich hier fest.
Aber gänzlich konnte ich dieses Gefühl trotzdem nicht verdrängen.

Nur die Anspielung auf die emotionale Bindung irritierte mich doch etwas und dämpfte dieses gute Gefühl. Was meinte sie damit. Ich wusste es nicht und beschloss es einfach zu verdrängen.

Kapitel 7

Als wir wieder an unserem Gebäude ankamen, war es gerade 12 Uhr.
Das bedeutete, dass das Mittagessen serviert wurde. Schnell liefen Paige und ich in den Speisesaal, in dem sich mittlerweile schon alle 17 Mitbewohner meines Hauses befanden. Nur ich und Paige kamen zu spät. Ich hatte keine Ahnung wann genau uns Raphael eingeholt hatte aber auch er saß bereits am Tisch.
Still und mit hochrotem Kopf lief ich an meinem Platz.
Entgeistert sah ich auf meinem Teller. Ich hatte völlig verdrängt, dass heute Freitag war. Und freitags gab es immer nur Fisch. Ich hasste Fisch.
Also stocherte ich nur ein bisschen in den Bandnudeln rum die ich mir geholt hatte.

Mit fast leerem Magen ging ich in mein Zimmer. Paige hatte mir mitgeteilt, dass ich dort erst einmal bleiben müsste, da sie sich alle im Park treffen würden, um über meine Aufgabe zu diskutieren.
Also zog ich mir meinen Jogginganzug an, legte mich auf das Bett und schaltete den Fernseher ein.
Zum Glück hatte ich unter dem Bett noch eine Tüte Chips versteckt.
Genüsslich aß ich sie und sah mir eine sinnlose Talkshow an. Aber wirklich darauf konzentrieren konnte ich mich nicht. Ich war zu nervös und neugierig. Und auch sauer. Ich fand, da es um mich ginge, hätte ich ja wohl ein Mitspracherecht. Das war einfach nicht fair. Ich durfte ja noch nicht einmal zuhören.

Ein schriller Alarm lies mich zusammenzucken. Aus Versehen verschüttete ich dabei die ganze Packung Chips auf meinem Bett.
"Na toll" fluchte ich laut.
Verärgert stand ich auf, aber da der Alarm immer noch schellte, ignorierte ich die Sauerei und beschloss aus der Tür zu spicken. Ich wollte wissen, was das Problem war.
Ich lief zur Tür und öffnete sie. Mein Blick fiel Richtung Labor und mein Herz blieb stehen.
Am anderen Ende des Flurs stand der gefangene Vampir. Nur das er eben nicht mehr gefangen war, sondern frei. Er sah mich an. Sein ausgemergeltes, bösartiges Gesicht verriet mir, dass er ziemlich böse war. Und hungrig. Schnell schloss ich die Tür. Mein Herz raste und ich hatte wirklich Angst.
Ich sah mich um.
Ich war hier in einer Sackgasse.
Es gab nur den Flur.
Panisch dachte ich nach, aber mir wollte nichts einfallen.
Hinter mir wurde die Tür aufgemacht. Und dann stand er vor mir.
Ich wusste nicht was ich tun sollte daher fiel mich nichts Dümmeres ein, wie in das Badezimmer zu laufen. Er kam hinter mir her. Schnell schnappte ich mir die Duschbrause und stellte das Wasser auf heiß. Ich hielt ihn in seine Richtung. Er schrie kurz. Heißes Wasser schien er nicht zu mögen.Das Wasser lenkte ihn für einen Moment ab, machte ihn aber gleichzeitig noch wütender. Er ließ wieder einen Schrei los und wieder zuckte ich zusammen.
Er verzog sein Gesicht und wollte auf mich los aber das Wasser hatte den Boden so glitschig gemacht, das er ausrutschte und hinfiel.
Das war meine Chance, schnell lies ich die Brause fallen und rannte Richtung Zimmertür. Er versuchte sich wieder auf die Beine zu kommen. Also trat ich kurz mit dem Fuß gegen sein Gesicht. Eine dumme Idee. Ich rutschte ebenfalls aus und lag nun vor ihm auf dem Boden. Schnell rappelte ich mich auf. Er versuchte mein Bein zu fassen. Aber ich trat ihm wieder ins Gesicht. Benommen ließ er einen erneuten Schrei fahren. Ich stand auf und rannte zur Tür hinaus.
Ich konnte in den Augenwinkeln sehen, dass er mittlerweile auch wieder auf den Beinen war.
Stimmen waren zu hören. Es mussten meine Mitbewohner sein. Sie hatten wohl den Alarm gehört .Ich rannte so schnell ich konnte. Hinter mir hörte ich Schritte, die sich verdammt schnell näherten.
Viel zu schnell.
Ich stolperte und viel zu Boden.
Von hinten konnte ich hören, dass der Vampir zum Sprung ansetzte.
Ich hatte verloren.

Mein Blick war zu Boden gerichtet und ich zog meine Arme über meinen Kopf und wartete.
Ein lauter Schlag gegen die Wand lies mich erschaudern. Der Vampir schrie wieder. Aber ich konnte auch eine andere Stimme hören.
Raphael!
Er schrie den Vampir an

"Du elender Bastard. Lass die Finger von ihr."
Ich lag immer noch auf dem Boden und traute mich nicht auf zu blicken. Ich hörte es nur krachen und schreien.
Immer wieder erzitterte der ganze Boden unter mir. Eine Frauenstimme rannte kreischend an mir vorbei, mitten in das Geschehen hinein.
"Ahhhhhhhh, wie kannst du des wagen!"
Das war Paige.
Oh mein Gott, ich war ihnen so dankbar dafür.
Ein letzter lauter Schrei des Vampirs war zu hören und dann war wieder alles ruhig.
Jemand kniete sich neben mich.
"Miriam, Miriam!. Sag was! Bitte. Geht es dir gut?"

aufgelöst und fast den Tränen nahe sprach Raphael mit mir.
Was war denn das für eine Frage?
"Da war ein Vampir in meinem Zimmer." antwortete ich bockig.

Meinen Kopf hatte ich immer noch unter meinem Armen vergraben.
Er musste lachen.
Fand er das etwa lustig?
"Wieso lachst du?"

Ich hob meinen Kopf und funkelte ihn böse an.

"Das ist nicht witzig"
Er musste noch mehr lachen.
Von weiter weg konnte ich Paige mitlachen hören. Ich sah nun auch sie an.
"Wieso lachst du auch?"

Ich war so sauer, das ich beinahe anfing mit weinen.

Sie kam zu mir und setzte sich ebenfalls neben mich.
"Ich bin einfach nur froh, dass dir nichts passiert ist."
Raphael half mir währenddessen wieder auf die Beine.
Und ich musste feststellen, dass mir wirklich nichts fehlte. Ich hatte höchstens ein paar blaue Flecken.
Ich erholte mich langsam von dem Schreck.
"So ein Spinner ey" entwich es mir und wieder mussten beide lachen.
Raphael nahm mich in den Arm.
"Was machst du auch für Sachen?" sprach er erleichtert zu mir.
Ich? Wieso ich?
"He, ich hab den nicht freigelassen!" verteidigte ich mich.
Ernst sahen mich beide an und Paige sprach zu Raphael

"Sie hat recht. Wie konnte es passieren, dass er frei gekommen ist?"
Sie sahen sich kurz an und er nickte ihr kurz zu. Sie stand auf und lief davon. Wahrscheinlich wollte sie nachsehen, wie er frei gekommen war.

Er blickte wieder zu mir.

" Eins musst du mir erklären. Wie hast du es geschafft aus dem Zimmer zu kommen, obwohl er da drin war?"

er sah mich forschend und fraglich zugleich an.
Das war eine gute Frage und ich musste tatsächlich kurz darüber nachdenken. Dann viel es mir wieder ein.

" Ich hab in nass gemacht!" stellte ich fest.
Verwirrt blickte er mir an.

"Du hast ihn nass gemacht?"
" Ja wenn ich es doch sage. Oder was meinst du, wo das ganze Wasser herkommt. Einen Rohrbruch hattet ihr keinen."
Leicht verärgert musterte ich ihn. Und er begann natürlich wieder zu lachen. Er drückte mich erneut an sich und wuschelte mir kurz durch die Haare.
" Ich glaube, wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin ob ich das will."

sprach er leise zu mir.
Schnell war mein Ärger vergessen. Er musste von dem Treffen gesprochen haben. Ich war einfach zu gespannt.
"Was werde ich machen?"

frage ich in erwartungsvoll und sah zu ihm hoch.
Er atmete einmal tief ein

"Nun, du wirst wohl eine Jägerin"
"WAS", ich traute meinem Ohren nicht,
"EINE JÄGERIN?" meine Stimme überschlug sich fast.
"Ja, eine Jägerin".
Das war mal eine unerwartete Nachricht. Ich hatte damit gerechnet Putzfrau zu werden oder im Kioskstand zu arbeiten aber damit sicherlich nicht.
Da musste ich erst einmal verarbeiten.
Ich, eine Jägerin. Na das konnte ja lustig werden.

 

Kapitel 8

 

"Welcher Idiot kam bitte auf die Idee, dass ich eine Jägerin werden sollte"

Ich fluchte vor mir her, während ich neben Paige im Park joggte.
Sie fing laut an zu lachen und hielt an.
"Du bist echt die Beste. Danke dass es dich gibt."
Genervt sah ich sie an und blieb ebenfalls stehen. Ich mochte sie wirklich aber sie amüsierte sich eindeutig zu oft über mich.
"Immer machst du dich lustig über mich. Ich finde das gar nicht witzig. Ich bin voll unfähig."
Sie zog eine Grimasse und rannte weiter.
Mit einem tiefen Seufzer brachte ich mich auch wieder in Bewegung. Wir waren erst eine Runde gelaufen, aber ich war jetzt schon völlig außer Atem.
Nach einer weiteren halben Runde lies ich mich einfach ins Gras fallen. Es war zwar verdammt kalt draußen, aber ich schwitzte so stark und mir war so heiß, das ich das Gefühl hatte, gerade in einer Sauna zu sitzen. Mein Herz raste wie verrückt und ich konnte kaum genug Luft holen.
"Ich kann nicht mehr" erklärte ich Paige atemlos.
Sie grinste und setzte sich neben mich an den Bordsteinrand.
"Ohje, da haben wir ja noch ein Menge Arbeit vor uns"

stellte sie leicht belustigend fest.
Dieses Mal zog ich die Grimasse und wir fingen beide an zu lachen.

Wir rappelten uns wieder auf, trank einen Schluck und wir liefen noch ein Stückchen. Meine Gedanken kreisten währenddessen um den Vampir, der mich hier angegriffen hatte. Wir wussten noch immer nicht wie er entkommen konnte, aber Paige und Maggy arbeiteten daran.
Es war wohl auch Glück für mich, das der Vampir schon so geschwächt war vom Hunger. Bei einem quicklebendigen, sofern man das zu einem Vampir sagen kann, wäre das ganze wohl nicht so harmlos ausgegangen.
Mein Tagesablauf hatte sich seit dem Tag, als ich erfahren hatte, dass ich eine Jägerin werden sollte, drastisch geändert.
Mein Weckdienst namens Maggy, stand pünktlich jeden Morgen um sieben bei mir im Zimmer.
Nach dem Frühstück ging ich mit Paige laufen und wenn es regnete gingen wir ins Schwimmbad. Aber nicht um Spaß zu haben. Nein. Sie quälte mich wo sie nur konnte.
Nach dem Mittagessen, hatte ich eine Stunde für mich. Meistens legte ich mich einfach erschöpft auf mein Bett und schloss die Augen.
Um Punkt zwei musste ich mich im Trainingsraum befinden.
Dort versuchte mir Adam Kampfsport bei zu bringen. Es war das Grauen für mich. Ich war so ungeschickt und konditionslos, dass es wirklich schon peinlich war. Aber er gab nicht auf und meinte immer nur

"Das wird schon Miriam. Irgendwann kannst es auch du"
Ich war mir da nicht so sicher.
Adam war ein kräftiger junger Mann aus dem zweiten Haus und er beherrschte nahezu jeden Kampfsport perfekt.
Er hatte kurzgeschorenes, strohblondes Haar und zwischen seinen Schneidezähnen war eine kleine Lücke.
Obwohl er ein sehr kindliches Gesicht hatte, wirkte er sehr erwachsen und reif.
Ich konnte ihn gut leiden, auch wenn er mein persönlicher Höllenvater war.

Nach dem Kampfsporttraining folge anschießend gleich "Waffenlehre". So nannten sie es zumindest.
Das machte mir wirklich spaß, zumal mich ziemlich oft Raphael unterrichtete.
Und wenn er es nicht tat, dann war es Paige.
Sie klärten mich auf, wie man einen Vampir tötete und was für Waffe es gab.
Dabei wurde meine Illusion von Vampiren vernichtet.
Von wegen Weihrauch, Knoblauch und Pfahl ins Herz. <es war einfacher und zu gleich auch beängstigender. Der Mythos zum Beispiel, das Vampire ohne Erlaubnis das Haus nicht betreten konnten, war reinster Quatsch. Leider. Aber man konnte sie genauso töten wie Menschen, nur musste man eben etwas grober sein. Was in etwa bedeutete: Eine Kugel mit der Waffe schadet keinen, aber 100 schon.
Das konnte ich mir schnell merken.
Einfach immer voll drauf.

Heute war es wieder soweit.
Nachdem ich mein Kampfsporttraining mehr oder weniger gut hinter mir hatte, ging ich lächelnd zum Waffentrainingsraum.
Es war wirklich faszinierend, wie dieses Zimmer eingerichtet war.
Es war ein riesiger, heller Saal und in jeder Ecke standen Übungspuppen, die mit einer Waffe ausgestattet war. Wenn man sie schlug, schnellte sie herum und griff einen sozusagen an.
Ich selbe hatte bisher noch kein direktes Training. Die letzten zwei Wochen waren sie damit beschäftigt gewesen, mir zu zeigen und zu erklären, was es alles für Waffen gab.

Als ich heute allerdings den Raum betrat, waren die Rollos etwas herabgelassen und Raphael stand mit sehr ernstem Blick im Türrahmen und wartete auf mich.
Als er mich sah, huschte ihm aber trotzdem ein Lächeln über das Gesicht.
Erleichtert betrat ich den Raum.
"Hy Raphael. Und was zeigst du mir heute?"

lächelnd ging ich auf ihn zu.
"Heute wollen wir herausfinden welche Waffe deine ist."
Ich blieb stehen. Was genau meinte er damit? Aber ich ahnte schon worauf das hinauslaufen würde und mein Magen drehte sich um.
"Wie meinst du das?" hackte ich trotzdem nochmal nach. Könnte ja auch sein das meine Vermutung falsch lag.

Sichtlich nervös sah ich ihn an und er begann wieder zu grinsen.

"Das bedeutet, du lernst heute zu kämpfen."
Er ging auf einen der Schränke zu und öffnete ihn. Ich war wirklich aufgeregt. Es kribbelte überall in meinem Körper. Ich freute mich zwar endlich mal was in die Tat umzusetzen aber zugleich machte ich mir starke Sorgen. Was wenn das Training genauso peinlich verlief wie der Kampfsport? Und dann auch noch bei Raphael.
Was er dann raus holte, versetzte mir einen Schlag.
"Das ist ja jetzt wohl nicht dein ernst? Vergiss es!"
entrüstest sah ich ihn an.
"Nein?" leicht belustigt schwenkte er ein riesiges Beil in seiner Hand.
"Nein!"
Wie würde das nur aussehen. Ich würde mir das Ding vermutlich selbst noch in das Bein hacken. Ich könnte es wahrscheinlich ja nicht einmal richtig heben.
Er stelle es wieder zurück und ich atmete erleichtert auf.
"Keine Sorge, ich wollte dir nur einen Schreck einjagen. Was mir offensichtlich gelungen ist."

er grinste mich und ich streckte im bockig die Zunge raus. Natürlich wusste er, dass ich nicht wirklich böse war.
Wieder griff er in den Schrank. Dieses Mal zog er zog ein Schwert raus.
"Keine Sorge, das ist nicht scharf. Es ist nur ein Übungsschwert. Aber ich glaube, dass das genau das ist, was du kannst!"
Ich musste schlucken. Ein Schwert? Wieder hatte ich das Gefühl gleich einen Magenkrampf zu bekommen aber es nützte nichts, irgendwann musste ich ja mal eine Waffe ausprobieren. Ich atmete tief durch und lief auf ihn zu.
"Na dann gib mal er"
Er grinste und ich grinste zurück.

Er holte ein zweites Schwert aus dem Schrank und lief in die Mitte des Raumes.
Provokativ sah er mich an und winkte mich zu sich.
"Pass auf. Jetzt zeig ich dir mal wie man das richtig macht" sagte ich lachend zu ihm.
Ich ging auf ihn zu und hob das Schwert hoch. Es war ziemlich schwer, aber es ging.
"Warte" unterbrach er mich. Verwirrt sah ich ihn an.
"Was ist?" fragte ich nach.
"Es fehlt Musik."
Ich ließ das Schwer sinken und sah ihm nach, während er zur Musikanlage lief. Er legte eine CD ein und drehte auf.
"So nun kann’s losgehen?"
Die Musik ertönte. Hip Hop?
Ich liebte Hip Hop.
Dieser Unterricht bereitete mir immer mehr Freude.

Er stand wieder vor mir und sprach mir ruhiger und ernster Stimme

"Versuch einfach mich am Bauch zu treffen. Ich werde dich angreifen. Vergiss nicht, wenn ich dich auch nur ein einziges Mal treffe und das Schwert echt wäre, wärst du wahrscheinlich tot! Also pass auf."

"Alles klar. Dich treffen, aber nicht treffen lassen. Kapiert"
Wieder grinste er.

Ich ging auf ihn zu.
Mein Schwert hielt ich vor mich.
Ungefähr einen Meter von ihm blieb ich stehen.
Ich wartete einen Moment, schloss kurz die Augen und lauschte der Musik. Ich spürte, wie ich innerlich zur Ruhe kam und öffnete meine Lieder. Ich lies mein Schwert nach oben schnellen und es in seine Richtung sausen.
Er bückte sich und ich spürte, wie sein Schwert in meine Richtung fuhr. Schnell wich ich ihm aus. Es war erstaunlich, wie ich mich auf einmal bewegen konnte.
In einer Drehung lies ich mein Schwert wieder auf ihn zu rasen. Er fing es mit seinem gekonnt ab. Ein Knall ertönte als sich unsere Schwerter kreuzten. Ich richtete mich direkt vor ihm auf. Uns trennten nur noch Zentimeter und die Schwerter. Einen Moment lang sah ich in seine wunderschönen Augen, drehte mich aber abrupt wieder um und fuhr erneut mit dem Schwert auf ihn zu.
Unser Kampf wurde immer schneller.
Und so langsam bekam ich Probleme, seinen Hieben auszuweichen. Aber auch er hatte immer mehr Schwierigkeiten, nicht von mir getroffen zu werden.
Wieder und wieder kreuzten sich unsere Klingen. Und er holte immer öfter aus. Doch ich schaffte es jedes Mal. Nur ihn zu treffen wollte mir nicht gelingen. Dadurch stachelte ich mich selber so an, dass ich unaufmerksam wurde.
Ich fuhr ein letztes mal in seine Richtung, doch noch bevor ich ihn erreichen konnte, streifte seine Klinge meine Taille.
Damit war der Kampf beendet und ich hatte verloren.

Deprimiert lies ich mein Schwert auf den Boden fallen.
Mit einem lauten klirren schlug es auf.

Ich sah ihn enttäuscht an, das hatte ich wohl nicht sehr gut gemacht.
Er blickte ebenso ernst zu mir.
Aber anders wie ich es erwartet hatte, wurde sein Gesicht wieder fröhlich.
"Mensch Miriam. Das war Weltklasse. Ich bin total sprachlos. Ich meine, ich dachte schon, dass dir das Schwert am ehesten liegen könnte, aber so? Ich bin wirklich sehr überrascht. Du hättest mich fast geschlagen und ich trainiere schon seit Jahren. Ich musste mich wirklich anstrengen!"

Sein Gesicht hatte einen sehr euphorischen Ausdruck angenommen.
In mir tat sich ein Glücksgefühl auf und ich begann zu lachen.
Es gab anscheinend mal wirklich etwas was ich konnte. Zum ersten Mal, seit ich hier bin, hatte ich nicht das Gefühl einfach nur nutzlos zu sein.
Immer noch lachte ich aber gleichzeitig liefen mir Tränen über das Gesicht.
Meine Emotionen spielten gerade verrückt. Ich rannte ihm entgegen und schlang meine Arme um ihn.
Ich hielt ihn einfach nur fest.
Er schien zu merken, dass eine riesige Last von mir viel und auch wenn er nicht wusste, wieso das so war, schloss er seine Arm ebenfalls um mich.
So standen wir einfach nur eng umschlungen in dem großen Saal
Wir sprachen kein Wort während meine Tränen immer weiter flossen und mein Lachen nicht verstummen wollte.
Ich konnte nicht genau sagen, warum ich geweint und gelacht habe. Es war einfach alles so viel für mich. Auch wenn ich ein starker Mensch war, war es trotzdem nicht leicht für mich.
Anna fehlte mir immer noch, auch wenn ich nun wusste was sie war. Ebenso meine Familie und meine anderen Freunde. Ich musste hier so viel trainieren und lernen, ohne dass ich je einen Erfolg gesehen hatte. Und dann kam dieser Kampf. Er löste so viel in mir aus.
Ich war einfach nur erleichtert in diesem Moment.

Wir hatten uns noch immer im Arm, als die Tür aufgerissen wurde. Eine junge Frau kam hereingestürmt.
"Raphael!" rief sie uns aufgebracht entgegen.
Im ersten Moment sah sie sehr aufgeregt und ängstlich aus, doch als sie uns richtig ansah, verschwand dieser Ausdruck und sie begann mich zu mustern. Wütend blickte sie mich an. Ich verstand sofort. Schnell löste ich mich aus Raphaels Umarmung und trat betreten zur Seite. Raphael blickte irritiert zu mir. Aber als ich ihm in die Augen sah, konnte ich sehen, wie ein Licht bei ihm aufging. Er räusperte sich und blickte dann zu der jungen Frau.
"Was gibt es Andrea?"
Schnell wandte sie ihren Blick von mir ab und augenblicklich änderte sich ihr Ausdruck von erbost zu anschmachtend.
Das also war Andrea. Ich musste grinsen.

"Hallo Raphael" sich lächelte vor sich hin.
Ich sah wie sich kurz den Kopf schüttelte. Es war schön zu sehen, dass ich nicht der einzige Mensch war, der das tat, um wieder klar zu denken.
Ihr Gesicht wurde wieder ernst.
"Raphael, es gibt Probleme. Du musst sofort mitkommen!"

Sehr bestimmend und eindringlich sah sie ihn an. Und er schien sofort zu begreifen, was ich von mir nicht behaupten konnte.
"Alles klar. Ich komme!"
Er drehte sich kurz zu mir um und ich konnte sehen dass er etwas sagen wollte. Aber seine Lippen blieben stumm. Wehmütig blickte er mir noch einmal in die Augen. Mit einem leisen "verdammt" machte er kehrt und folgte ihr nach draußen. Er sprach das wohl mehr zu sich selber wie zu mir.
Alleine blieb ich im Saal zurück.

Noch ziemlich durcheinander begann ich die Sachen wieder aufzuräumen. Das war eines der zehn Grundregeln. Immer alles gleich wieder aufräumen.
Als ich fertig war, rannte ich zurück in mein Haus. Ich wollte wissen was los war.

Kapitel 9

Im Haus war die Hölle los. Alle rannten hektisch und aufgebracht durcheinander. Es herrschte das reinste Chaos. Und niemand schien mir Aufmerksamkeit zu schenken. Hilflos und überfordert stand ich im großen Gemeinschaftsaal und sah ihnen zu. Sie alle sahen verdammt ängstlich aus. Aber ich konnte auch kampfbereite Gesichter sehen. Die der Krieger. Raphael kam von hinten. Während er an mir vorbei ging, packte er mich grob am Arm und zog mich mit sich. Da ich damit nicht gerechnet hatte, fiel ich bei der schnellen Ruckartigen Drehung, die ich durch sein Ziehen machte fast zu Boden. Aber sein Griff war so fest, dass es mich aufrecht hielt.
Erschrocken sah ich zu ihm auf, während er mich hinter sich herzog. " Was soll das?" fuhr ich in an und versuchte mich los zu reisen.
" Hör zu, du musst in den Keller! Keine Widerrede. Du bleibst dort unten, bis ich dich wieder hole! Verstanden?" Er sprach wütend und gleichzeitig ängstlich zu mir, sah mich aber nicht an, sein Blick war stur nach vorne gerichtet.
"Was ist denn los?" jetzt hatte ich auch Angst.
"Mach dir keine Sorgen, wir haben alles im Griff. Eine unserer Wachen berichtete uns, dass ein paar Vampire auf dem Weg hier her ist. Aber es sind nicht so viele, nur 10 oder 20 Stück. Damit werden wir fertig. Aber ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Also tu was ich dir sage."
Ich gehorchte tatsächlich.
Stumm folgte ich ihm hinunter in den Keller. Ich hatte ein ungutes Gefühl in mir. Vor uns konnte ich sehen, dass auch Maggy auf dem Weg war, sich in den Schutzraum zu begeben. Sie hatte einige ihrer Unterlagen unterm Arm und sah dabei leicht überfordert aus. Immer wieder schienen die dicken Notizbücher runter zu fallen aber sie schaffte es dann schließlich doch in den Bunker.
Wir waren nun auch angekommen. Er schob mich nach vorne in den Raum. Es war erstaunlich, wie dick diese Tür war. Und ich konnte sehen, dass auch die Wand dieses Raumes aus mindestens 40 Zentimeter dickem Stahl bestand. Hier war man wirklich sicher. Es war ein großer Raum. Am dessen Ende sich zwei weitere Türen befanden. Ich konnte nur erahnen, dass sich dahinter das WC und der Vorratsraum befinden musste. An den Wänden entlang standen mehrere Etagenbetten. Ansonsten befand sich nicht viel in dem großen Raum. An der Decke sah ich ein paar kleine Schlitze. Sie mussten zum Belüftungssystem gehören. Schnell drehte ich mich wieder um, um ihn ansehen zu kommen.
"Soll ich euch nicht helfen?"

Ich wollte irgendetwas tun. Ich konnte doch nicht einfach hier unten sitzen, während die anderen dort draußen kämpfen mussten.
Sein verkrampfter Gesichtsausdruck entspannte sich etwas und ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht.

"Nein, das brauchst du nicht. Das hier ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Sie kommen öfters und versuchen uns anzugreifen. Bisher haben wir sie immer geschlagen, ohne größere Verluste hin zu nehmen."

Er nahm mich kurz in den Arm und drückte meinem Kopf sanft an seine Schultern. Ich spürte, das ihn irgendetwas sehr belastete aber ich wollte es jetzt nicht ansprechen.
Er löste seinen Griff, sah mich noch einmal an und verschwand.
Ich sah ihm nach, wusste aber nicht so recht, was ich jetzt tun sollte.
"Miriam, Schätzchen. Könntest du mir kurz helfen?"
Maggy riss mich aus meinen Gedanken.
ich blickte zu ihr.
"Hmm, ja klar, ich helfe dir. Was soll ich denn tun?" Ich lies

mich vor ihr und ihrem durcheinander mit den Unterlagen nieder.
Sie lächelte mich breit an. "Danke Schätzchen. Du kannst mir helfen, dieses Chaos wieder zu Ordnen. Hach herrje."

Mein Blick schwank über ihre Unterlagen.

"Ich habe schon so oft gesagt, sie sollen mir ein Regal hier unten bauen. Dann würde ich meine Sachen gleich hier lagern. Aber nein."

Sie schüttelte verärgert den Kopf. Ich musste lachen. Sie hatte einfach eine so tolle Art an sich, dass man einfach bessere Laune bekommen musste, wenn man in ihrer Nähe war.
Hinter mir hörte ich, wie die Tür ins Schloss fiel. Ich sah auf. Mit vielen lauten Einrastgeräuschen schloss sie sich nun endgültig.
Ein mulmiges Gefühl kam in mir auf.

Es herrschte eine beängstigende Stille. Es war nur der Atem zu hören. Ich sah, wie sich Petra an dem kleinen Fernseher zu schaffen machte. Er hing neben der großen Tür. Leise schaltete sie ihn ein. Auf dem Bildschirm wurde etwas übertragen, aber ich konnte es zuerst nicht deuten, was es war. Aber nach einem kurzen Augenblick konnte ich erkennen, dass es sich um Aufnahmen von unserem Gelände handelte.
"Ist das die Überwachungsanlage?" frage ich sie leise.
Sie nickte nur mit dem Kopf und lief wieder zum hinteren Teil des Raumes.
Nun drehten sich auch die restlichen Personen um, um auf den kleinen Bildschirm zu starren. Alle blieben ruhig und Maggy dämpfte das Licht, dadurch konnte man besser sehen, was draußen vor sich ging.

Ich ging etwas näher ran.
Draußen wurde es bereits dunkel. Es war kurz vor sechs Uhr.
Eigentlich wäre jetzt Essenszeit, aber daran konnte weder ich noch die anderen in diesem Moment denken.
Ich sah mehrere Gestalten die sich im Innenhof versammelten. Unter ihnen konnte ich auch Paige, Adam und Raphael entdecken. Wie die anderen hießen, wusste ich nicht mehr.
Sie schienen eine Art Besprechung durchzuführen. Wir hatten natürlich keinen Ton. Und durch die Entfernung konnte ich auch ihre Gesichtsausdrücke nicht richtig erkennen.
Ein Wachmann kam zu ihnen. Alle schienen ihm sehr gespannt zuzuhören und ich konnte sehen, wie eine Kämpferin aus Haus zwei ihre Hände kurz über dem Kopf zusammen schlug.
Das konnte nichts Gutes bedeuten. Ich kannte das, das war eine Geste, die ich auch anwandte, wenn ich schlechte Nachrichten erhielt.
Blitzartig schienen alle Krieger ihre Position zu ändern. Sie nahmen ihre Gefechtsstellung ein und standen Rücken an Rücken im Kreis zusammen.

Und dann kamen sie.
Ich erschrak, es mussten mindestens zwanzig sein, eher mehr. Es waren so viele.
Mir blieb der Atem stehen. Ich konnte nun nicht mehr erkennen wer wo gerade war. Es war ein wildes Durcheinander. Ein paar der Krieger und der Vampire verschwanden aus dem Sichtbild. Ich wollte da raus gehen. Ich wollte ihnen helfen.
Sie schienen der Sache nicht gewachsen zu sein. Es waren einfach zu viele. Ein Raunen ging durch den Raum. Und ich hörte wie mancher Atem schneller ging. Sofort sah ich mich um.
"Was ist los?" fragte ich durch den Raum.
Maggy sah mich düster an.
"Schätzchen, vier oder fünf Vampire sind Richtung Versorgungstrakt gelaufen. Das ist die einzige Schwachstelle in unserem System. Dort wird die Sauerstoffzufuhr geregelt. Wenn sie es schaffen, in das Kanalsystem einzudringen, dann müssen wir hier sofort raus."
Sie schwieg wieder und ich konnte sehen, dass sie nachdachte.
Mein Magen schien sich zu verflüssigen.
"Woher sollten sie es wissen?" fragte ich sie.
"Ich weiß es nicht, aber wir wissen auch noch nicht, wie unser gefangener Vampir ausbrechen konnte."
Sie sah mich ernst und gleichzeitig in Gedanken an.
"Ich glaube wir haben einen Spitzel unter uns" gab sie bedrückt von sich.
Wieder ging ein Murmeln durch den Raum.
Ich konnte es nicht glauben.
"Einen Spitzel? Aber wer wäre so dumm und würde sein eigenes Leben aufs Spiel setzten?" Irritiert sah ich sie an.
"Ich weiß es nicht" Ihre Stimme wurde immer dünner. So kannte ich sie gar nicht und das machte mir Angst.
Sie klang wirklich verzweifelt.
Ich sah wieder auf den Bildschirm. Alle waren sehr mit ihren eigenen Kämpfen beschäftigt und ich hatte nicht das Gefühl, das es einem aufgefallen war, das ein paar der Vampire ausgebüchst sind.
Ich musste etwas unternehmen. Und ich wusste auch, was.
"Also gut, Maggy hör mir zu. Ich werde jetzt da rausgehen. Versprich mir, dass du die Tür gleich wieder verschließt"
Sie setzte zum Wort an, aber ich ließ sie nicht reden.
"Keine Widerrede. Oder meinst du, dass wir hier einfach warten sollten, bis einer hier her kommt. Und die anderen Häuser? Was ist mit denen? Sie werden versuchen in jeden Bunker einzudringen!" Ich sah sie an und sie schien darüber nach zu denken.
"Maggy"
Ich kniete mich vor ihr nieder.
"Ich geh nur kurz raus und sag ihnen Bescheid, dann komm ich wieder. Ok?"
Ich wusste, dass das gelogen war und sie auch. Aber trotzdem nickte sie mit dem Kopf.
"Gut, geh Kindchen. Hier hinten sind Waffen deponiert" Sie zeigte auf einen Wandschrank.
"Bist du dir sicher?"
Ich konnte ihren flehenden Blick sehen, aber was gab es denn für eine andere Möglichkeit. Sie brauchten jede helfende Hand da draußen. Und ich konnte nicht zulassen, dass sich ein paar von diesen Idioten an Unschuldige ran machten.
Also straffte ich meine Schulter und stand auf.
"Ja Maggy. Ich bin mir sicher!"
Ich lief zum Waffenschrank und öffnete ihn. Hinter der kleinen Stahltür waren ein paar Ausziehfächer. Jedes mit duzend verschiedenen Waffen bestückt.
"Cool" murmelte ich laut. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. Ein paar sahen mich verwundert an. Ich verstummte wieder. Das war im Augenblick anscheinend nicht angebracht.
Schnell entschied ich mich für ein Schwert und zwei Messer. Die Messer steckte ich mir in meine Socken.
Ich kam mir vor, wie eine schlechtere Ausgabe von Tomb Raider. Aber ich musste ehrlich zugeben, dass es trotzdem ein gutes Gefühl war. Ich wollte kämpfen. Ich wollte die Menschen beschützen, die mir wichtig waren.
Ich drehte mich um und lief zur Eisentür. Maggy stand bereits am Schließsystem.
"Wenn ich ´jetzt´ sage, öffnest du sie. Ok?" Ich sah sie ernst an.
"Ok" gab Maggy wenig begeistert zurück.
Ich holte noch einmal tief Luft.
"JETZT"
Die Tür ging einen Spalt weit auf und ich drehte mich aus dem Raum. Schnell zog ich mein Schwert aus der Scheide und sah mich um.
Hinter mir viel die Tür wieder ins Schloss.
Und nun stand ich da. Es war ziemlich dunkel hier unten. Es dauerte einen Moment bis sich meine Augen daran gewöhnten.
Ein leichter Schauer durchfuhr mich und ich begann kurz an meiner Mission zu zweifeln. Ich hatte noch nie wirklich gegen einen Vampir gekämpft. Und dann gleich so was?
"Ohje, warum hast du auch immer solche bekloppten Ideen." murmelte ich leise.
Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen.

Ich dachte kurz an Maggy und die anderen in diesem Raum. Mein Mut kam zurück und ich bewegte mich schneller vorwärts. Schließlich würden diese Vampire nicht auf mich warten.

 

Kapitel 10

Ich lief Richtung Treppe und versuchte meinen Atem zu kontrollieren. Mein Herz musste sich beruhigen, was angesichts dessen, was mich oben erwartete, recht schwierig war.
"Jetzt reiß dich mal zusammen" ermahnte ich mich.
Ich ging die Treppe rauf und achtete darauf möglichst keine Geräusche zu verursachen.
Als ich fast oben war, hörte ich jemanden den Gang entlang rennen. Schnell drückte ich mich in die Ecke, in der Hoffnung nicht gesehen zu werden. Mein Schwert drückte ich an mich und ich hielt den Atem an.
Die Schritte entfernten sich. Leise holte ich wieder Luft und spähte in den Gang.
Niemand war zu sehen und ich trat in den Flur.
Ich versuchte, so gut es ging, im Dunkeln zu laufen und beschleunigte meinen Gang. Ich musste mich wirklich ran halten. Schließlich wusste ich nicht, ob diese Vampire mittlerweile dahinter gekommen waren, wie man das System öffnet.
Die Eingangstür näherte sich und ich konnte langsam aber sicher hören, wie draußen gekämpft wurde.

Ich holte noch einmal tief Luft.
"Also Miriam, Los geht’s!"

Ich wollte die Türe öffnen, als sie von außen aufgerissen wurde.
Vor mir stand ein Vampir oder besser gesagt eine Vampirin. ab es dieses Wort überhaupt. Ich hatte keine Ahnung aber es war mir auch egal.

Überrascht sah ich sie an und sie mich ebenso. Sie hatte hier wohl ebenso niemanden erwartet.

Ich trat einen Schritt zurück.
Ich konnte sehen, das sie schon ziemlich mitgenommen aussah aber sie schien sich ihres Siegs ziemlich sicher.
Sie bleckte ihre Zähne und verzog das Gesicht. Mit einem großen Sprung kam sie blitzschnell auf mich zu. Ich konnte gerade noch so ausweichen. Schnell brachte ich mich in Gefechtsstellung und versuchte mich an das bisschen Gelernte zu erinnern. Aber es wollte einfach nicht in meinen Kopf.
"Scheiß drauf!" fluchte ich laut.
Ich musste mich wohl oder übel einfach auf meinen Instinkt verlassen.
Sie rappelte sich wieder auf und knurrte mich an.
Und ich, ich grinste ihr einfach nur ins Gesicht. Provozieren konnte ich schon immer gut.
Sie ließ einen Schrei los und kam wieder auf mich zu.
Schnell wich ich ihr aus und fuhr mit meinem Schwert in ihre Richtung.
Ich spürte einen Widerstand, der aber gleich wieder nachließ.
Ich sah wieder in ihre Richtung.
Sie lag auf dem Boden. Der Kopf einen halben Meter daneben.

Es war kein schöner Anblick, aber der störte mich in diesem Moment nicht wirklich. Eher war ich erstaunt.
" Das ging jetzt aber schnell?"
Ich zweifelte noch einen kurzen Moment und stupste ihren Körper mit dem Fuß an, aber da bewegte sich nichts mehr.
Sie war definitiv tot.

Erleichtert atmete ich auf, so konnte es ruhig weiter gehen.
Nun hatte ich wirklich keine Angst mehr.
Ich stieg über sie drüber und ging zur Tür raus.


Was ich dann sah, war nicht toll. Überall lagen Tote.
Einige Gesichter konnte ich nicht erkennen, daher ging ich davon aus, dass es sich um Vampire handelte. Aber manche kamen mir schon bekannt vor.
Mir lief es wieder einmal kalt den Rücken runter.

Ich wusste, dass Vampire nicht wirklich bluteten, aber beim Anblick der toten Vampire hier, war ich mir nicht sicher, was genau ein bisschen bedeutete.

Ich richtete meinen Blick wieder auf die Lebenden. Sie waren sehr in ihre Kämpfe vertieft.
Es war ziemlich laut. Überall schrie es und knackte es.
Ich suchte nach dem Versorgungstrakt.
Ich konnte ihn am gegenüberliegenden Teil des Parks entdecken.
Schnell lief ich los.
Keinem schien es aufzufallen, das ich mich einfach so über den Platz bewegte. Aber mir sollte es recht sein.
Ich dachte nochmal darüber nach wie viele Vampire waren Richtung Trakt gelaufen. vier oder fünf? Das waren zu viele für mich.
Schnell sah ich mich um.
Und dann sah ich Raphael. Er erledigte gerade einen ziemlich großen und breiten.
Ich wollte ihn nicht unterbrechen und stellte mich hinter einen Baum und hielt mich bedeckt. Der Große ging zu Boden.
Schnell kam ich aus dem Schatten des Baumes hervor und lief zu ihm.

Er merkte dass sich jemand näherte und drehte sich augenblicklich mit gezücktem Schwert zu mir um.
Ich schreckte zurück.
Er erkannte mich und lies das Schwert wieder sinken.
Verdutzt und ziemlich verärgert sah er mich an.
" Was machst du hier? Geh sofort wieder runter!" fauchte er mich an.
" Diskutieren können wir später! Ein paar Vampire sind zum Versorgungstrakt gelaufen und keinem von euch ist es aufgefallen! Wir müssen da hin!"
Er drehte sich um und sah zum Trakt.
"Was?" entglitt es seinen Lippen. Er schien wirklich überrascht und erschrocken aber er fasste sich sofort wieder.
"Ich geh hin und du wieder zurück!"
Er drehte sich um und lief los.
Natürlich lief ich nicht wieder zurück sondern folgte ihm.
"Du sollst zurück, hab ich gesagt"
"Da unten sind mindestens vier Vampire, das schaffst du nicht alleine!"
" Ich schaff das besser ohne dich, du bist noch nicht soweit. Geh zurück!"
"Nein!" ich rannte ihm immer noch hinterher.
Wir standen vor dem Eingang zum Trakt. Er stellte sich neben der Tür an die Wand und sah hinein.
Ich positionierte mich auf der anderen Seite der Tür.
Leise sprach ich zu ihm.
"Mach dir um mich keine Sorgen, Ich bekomm das hin. Vielleicht nicht so elegant wie du, aber das Resultat ist das gleiche!"
Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht.
"Ich mach mir aber Sorgen."
"Das ist dann dein Problem"
Er schüttelte kurz den Kopf musste dabei aber trotzdem lächeln.
" Na dann, zeig mal was du kannst. Aber enttäusch mich nicht. Bitte! Ich kann nicht vier Vampire umlegen und dich beschützen."
Spöttisch erwiderte ich

"Pass lieber auf, das ich dich nicht beschützen muss.“
Mit diesem Satz verschwand ich in der Tür und er folgte mir.

Hier drinnen war es wieder stockdunkel.
Ich konzentrierte mich auf die Geräusche. Ein Ächzen und knacken kam aus einem weiteren Raum. Wir liefen Richtung Tür die in diesen Raum führte.
Stimmen waren zu hören. Drei, soviel ich unterscheiden konnte.
Wir sahen uns an und er nickte mit dem Kopf. Das Zeichen, das es los ging.

Ich wusste, ich hatte erst eine Kampfstunde hinter mir und es würde verdammt schwer werden da wieder heil raus zu kommen. Aber ich wollte zumindest versuchen Maggy und all die anderen zu beschützen.
Er öffnete blitzschnell die Tür und trat herein. Ich folgte ihm.
Das Licht war angeschaltet. Ein großer Vorteil für uns.
Schnell zählte ich die verdutzten Gesichter. Es waren vier. Gott sei Dank ´nur´ vier.
Ich stellte mich höflicher weise vor
"Halli hallo. Mein Name ist Miri. Und ich finde es wirklich nicht nett, was ich da vorhabt."
Alle sahen mich verwirrt an, auch Raphael. Nach einem schier unendlich langen, schweigsamen Augenblick ergriff einer der Vampire das Wort
"Glaubst du wirklich das interessiert uns oder hält uns davon ab?"
er schien leicht verärgert und amüsiert zu gleich.
" Tut es das nicht? Euer Pech!" erwiderte ich schulterzuckend.
Ich nahm wieder meine Kampfstellung ein.
Der Vampir richte sein Wort nun zu den anderen. "Du und du, kümmert euch um den!
Und Eugen! Du machst den Luftschacht. Ich kümmere mich um die hier" Sein grinsen wurde überirdisch breit als er wieder zu mir sah.
Ohje, ich hatte mir wohl den Chef der Truppe auf den Hals gejagt. Wieso musste ich auch immer und überall meinem Senf dazu geben.
Ich konnte Raphaels Blick auf mir spüren.
"Hör jetzt mal auf dir Sorgen zu machen." presste ich raus.
"Das nervt. Ich komm schon klar"
"Wenn du meinst." ich konnte die Angst in seiner Stimme hören. Aber er wendete sich trotzdem wieder ab.

Ich atmete tief ein und sprach zu meinem Vampir
"Hier drinnen oder draußen?"
"Draußen, wenn’s Recht ist"
Das konnte ja ein interessanter Kampf werden. Er genauso sarkastisch wie ich.
"Na dann los" Ich lief rückwärts aus dem Raum und stolperte zur Eingangstür raus. Na toll.
Er lachte los.
"Ist eigentlich wirklich schade um dich. Willst du dich nicht lieber uns anschließen als zu sterben. Ich kann dir ewiges Leben und Schönheit schenken."
Ich rappelte mich auf und lief weiter bis wir unter einem Baum standen. Jetzt musste ich grinsen.
"Ich bezweifle, dass du das kannst. Soweit ich weiß, kann das nur Baltimore. Du bist nur ein verkümmerter Rest, von denen, die sich mal ernsthaft Vampire nennen durften!"
Sein lächeln verschwand und er verzog das Gesicht. Ich hatte wohl den wunden Punkt getroffen.
"Dann stirb!" schrie er und rannte auf mich los.

"Ohje" Das war das einzige was ich noch raus brachte.
Ich hatte jetzt ganz eindeutig ein Problem am Hals. Und dieses Problem war groß, stark und durch und durch Böse.
Der Vampir stürmte wutentbrannt auf mich los.
Ich richtete mich auf und wartete auf den Angriff.
Mit gewetzten Zähnen setzte er zum Sprung an. Schnell warf ich mich auf die Seite und machte einen Purzelbaum. Sanft landete ich wieder auf ihren Beinen. Doch der Angreifer lies nicht auf sich wartet. Er holte aus und traf mich mit voller Wucht in den Bauch. Der Aufprall war so stark, dass ich nach hinten geschleudert wurde und zu Boden viel. Ein fürchterlicher Schmerz durchfuhr mich. Doch der Vampir kam schon wieder auf mich zu. Schnell versuchte ich mein Schwert zu greifen, doch dieses ist mir beim Schlag aus der Hand gefallen und lag nun einen Meter außer Reichweite. Der Vampir bückte sich und packte mich am Hals.
Mit nur einer Hand zog er mich wieder hoch auf meine Beine. Mit aller Kraft versuchte ich die Hand von meinem Hals zu lösen. Ich bekam keine Luft mehr.
Panik stieg in mir hoch und der Vampir begann zu grinsen.
"Leb wohl. Es ist wirklich schade um dich aber du hattest deine Chance."
Seine andere Hand fuhr langsam in Richtung Kopf und ich wusste, dass er mir das Genick brechen wollte.
`denk nach! Schrie ich mich innerlich an. Und ich hatte tatsächlich eine Idee.
Mit voller Wucht holte ich aus und trat ihm in seine Weichteile.
Unwillkürlich ließ er mich los und verzerrte das Gesicht.
Ich sackte zu Boden und schnappte nach Luft. Mein ganzer Körper tat weh aber ich hatte keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Schnell kroch ich zu meinem Schwert und nahm es wieder in die Hand.
Er hatte sich mittlerweile auch wieder gefangen und lief zu mir.
"Das wirst du mir büßen. Ich wollte dir einen Gefallen tun und dich schnell und schmerzlos sterben lassen. Aber nun werde ich dich quälen bis du mich anbettelst, dass ich dich erlöse!"
Er packte mich am Fuß und riss mich nach hinten.
Schnell erhob ich mein Schwert und lies es in seine Richtung sausen.
Ein markerschütternder Schrei entfuhr ihm. Ich hatte ihn getroffen!
aber er stand noch immer.
"Verdammt" fluchte ich laut.
Er hatte mich wieder losgelassen und fasste sich an den Bauch. Blut klebte auf seinen Händen.
Langsam hob er seinen Blick wieder und sah mich finster an.
Ich wusste nicht genau was ich jetzt tun sollte und sah einfach zurück.
Mit einem lauten knurren rannte er wieder auf mich los.
Doch dieses Mal wich ich nicht aus. Ich blieb stehen und hob im letzten Moment mein Schwert.
Ein kräftiger Stoß presste den Griff des Schwertes in meinen Magen und nur Millimeter vor meinem Gesicht blieb der Vampir stehen.
Ich kniff die Augen zusammen, aber nichts geschah.
Langsam öffnete ich sie wieder.
Der Vampir sah mich immer noch an, doch sein Wutverzerrten Gesicht wurde fahl. Und mit einem letzten leisen grummeln sackte er vor mir zusammen.
Da ich das Schwert noch immer eisern umschlungen hatte, riss mich die Wucht mit nach unten.
Da lag ich nun, völlig entkräftet und am Ende mit meinen Nerven. Trotzig riss ich mein Schwert aus dem leblosen Leib.
Ich richtete sich auf, blieb aber noch sitzen.
Ich versuchte meinen Atem wieder zu beruhigen, doch nun traten die Schmerzen wieder in den Vordergrund.
Ich fasste mir an den Bauch und schrie leicht auf bei dieser Berührung.
Ungläubig sah ich den Toten an
"Hast du Depp mit etwa eine Rippe gebrochen?"
Ich verpasste ihm einen Tritt. Wieder durchzuckte mich der Schmerz.
"Aua, verdammt. Das tut voll weh!"
Ich hörte Raphael rufen.
"Miriam, Miriam. Wo bist du?"
Ich konnte ihn sehen. Panisch lief er im Kreis rum und suchte nach mir.
"Hier drüben!" schrie ich zu ihm.
Er drehte sich um und entdeckte mich. Schnell rannte er zu mir.
"Ohhh, du lebst. Ich bin ja so froh."
Stürmisch bückte er sich zu mir runter und wollte mich in den Arm nehmen.
"Ahhh, du tust mir weh!" fauchte ich in an.
Augenblicklich wich er zurück und sah mich fragend an.
"Guck nicht so. Der Idiot hat mir, glaube ich, eine Rippe gebrochen."

Mit einer abfälligen Kopfbewegung zeigte ich in die Richtung des Vampirs.
"Wie sieht’s aus, ist es vorbei? Ich sehe gar keinen mehr?"
Ich sah über seine Schultern hinweg. Doch ich konnte nichts mehr sehen. Außer ein paar Dunkle Gestalten, die leblos auf dem Boden lagen.
"Ja es ist vorbei. Was hast du? Eine gebrochene Rippe?"
Besorgt blickte er mich an.
"Ja, ich glaube schon und mein Hals tut auch weh".

Ich schämte mich dafür. Ich wollte ihm doch eigentlich zeigen, dass ich es super alleine hinbekam und nun so was.
Verlegen sah ich zu Boden doch ihm schien das nicht aufzufallen.
"Komm, ich bring dich ins Haus."
Ehe ich mich versah, packte er mich und stand mit mir auf. Wie ein Baby trug er mich Richtung Haus. Ich schlang meine Arme um seinen Hals.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich diese Nähe nicht genoss.
Sanft aber trotzdem leidenschaftlich drückte er mir einen Kuss auf die Stirn.
"Mach das nie wieder mit mir, ich hatte wirklich Angst um dich!"

"Tja, da ich ja jetzt offiziell eine Jägerin bin, wirst du dich daran gewöhnen müssen."

 

Kapitel 11

So vorsichtig wie möglich legte er mich auf der Krankenliege ab. Dennoch durchzuckte mich wieder ein Schmerz und ich verzog das Gesicht.
Er sah mich bemitleiden an

"Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun. Geht es wieder?"
Er betrachtete mich von oben bis unten.
"Jaja, es geht schon." Ich hasste es, bemitleidet zu werden.
Sein Blick schwank wieder Richtung Ausgang.
"Ich werde im Keller schnell Bescheid geben, dann muss ich wieder raus. Schauen, nachsehen wen es erwischt hat."
Betrübt senkte er den Blick.
Ich antwortete nicht und nickte ihm nur zu. Ich musste an die vielen Toten da draußen denken. Hoffentlich waren Paige und Adam in Ordnung.
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Was, wenn ihnen was passiert war.
Er sah mich nochmals kurz an, drehte sich dann aber weg und verließ den Raum.
Ich fühlte mich wirklich unwohl. Mein Hals und mein Kopf taten noch immer weh. Geschweige denn meine Rippen. Ich versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen und konzentrierte mich auf die Geräusche.
Nach einer Weile konnte ich hastige Schritte hören. Kurz darauf erschien Maggy vor mir.
"Kind!" sie schlug die Hände über ihrem Kopf zusammen und lief zu mir an meine Liege.
"Was machst du auch für Sachen" sie schüttelte den Kopf.
"Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?" sie musterte mich von oben bis unten, was mir sehr unangenehm war.
"Ja mir geht es gut. Geh lieber Raus, da wirst du eher gebraucht. Ich glaube uns hat es ziemlich schlimm erwischt"
Sie sah zur Tür und wieder zu mir.
"Ja, ja ich glaube du hast Recht."
Verwirrt und etwas überfordert lief sie zur Tür raus.
Die anderen Mitglieder unseres Hauses waren bereits auf dem Weg nach draußen.
"Super und ich lieg hier total unnütz rum und kann nichts tun." murmelte ich.
Aber es half nichts, mein Bauch schmerzte einfach zu sehr, als das ich hätte laufen können.
Also fügte ich mich meinem Schicksal und starrte wieder an die Decke, während ich mir den Kampf noch einmal in mein Gedächtnis zurückrief.
Hecktische Schritte und Stimmen unterbrachen meine Gedanken.
Die Haustür flog auf und ich konnte Paige und ein paar andere sehen, die einen blutüberströmten Körper hineintrugen.
"Schnell, ins Labor" schrie eine der Helfer.
Blitzschnell liefen sie an mir vorbei und bogen in den Flur ab. Maggy stolperte hinterher und murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte.
Wer war das?
Ich versuchte mich zu drehen um hinterherschauen zu können, aber der Schmerz unterbrach meine Bewegung.
"Ahhh, verdammt!" fluchte ich laut.
Ein weiter Trupp kam herein. Schnell versuchte ich zu erkennen, wen sie dieses Mal reinbrachten.
Es war ein junger Mann aus dem Nachbarhaus. Der jüngste hier. Er war, soweit ich weiß, letzte Woche erst achtzehn geworden.
Er stöhnte auf vor Schmerzen aber ich konnte kein Blut sehen. Ich hoffte, dass er nur ein paar Brüche hatte.
Während sie an mir vorbei gingen konnte ich ihre verängstigten Gesichter sehen. Es schien schlimmer zu sein, wie ich dachte.
Auch sie verschwanden um die Ecke und es wurde wieder Still.

Nach einer Weile ging die Türe wieder auf und Raphael trat herein, gefolgt von einem ziemlich gut aussehenden Mann.
Ich hatte in nur einmal bei Schwimmtraining gesehen aber ich wusste, dass er zu Haus vier gehörte. Bei schönen Männern wollte ich immer gleich mehr wissen. Paige hat es mir damals verraten.
Er hatte ein markantes Gesicht, ziemlich dunkle Haare und seine Augen waren beinahe schwarz.
Sein Name war Romeo. Sehr passend, wie ich fand.

Angeregt unterhielten sie sich.
"Nein, du musst dich irren. Das würde sie nie tun. So etwas nicht." Kopf schüttelt sprach Raphael zu ihm.
"Wenn ich es dir aber sage. Ich hab sie gesehen. Ich schwöre es dir. Sie ist abgehauen. Sie ist ein paar von ihnen gefolgt!"
Wieder schüttelte Raphael ungläubig den Kopf.
Ich räusperte mich leicht und augenblicklich sahen beide zu mir auf.
Raphael nickte Romeo kurz zu. Dieser verstand und verschwand wieder.
"Wie geht es dir jetzt?" besorgt blickte Raphael mich an und trat an meine Seite.
" Es geht so, Vielleicht wäre es gut, wenn man mich mal röntgen würde. Ich bin mir nicht sicher, ob auch das Bein was abbekommen hat, und mein Bauch tut immer noch verdammt weh."
"Hmm, ja du hast recht, wir sollten dich nun wirklich einmal untersuchen. Nicht das du noch andere innere Verletzungen hast"
"hmhm"
Er stand auf und versuchte mich wieder in den Arm zu nehmen. Es schmerze unglaublich, aber ich biss die Zähne zusammen.
"Geht es?"
"Jaja. Beeil dich aber bitte. Angenehm ist es nicht grad"
er trug mich Richtung Labor.

Drinnen angekommen, herrschte das reinste Chaos.
Auf einem Tisch, auf dem normalerweise diverse Experimente standen, lag eine junge Frau. Überall war Blut und ich sah, wie Maggy vergeblich einen Wiederbelebungsversuch durchführte. Fred, den ich immer nur sehr selten zu Gesicht bekam, genau genommen nur beim Mittagessen, stand neben Maggy und machte ein zermürbtes Gesicht. Ihm war anzusehen, dass er die Bemühungen von ihr aussichtslos fand. Aber er sagte nichts.
In der Ecke saß, am Boden zusammen gekauert, ein junger Mann der bitterlich weinte während eine Frau mittleren Alters mit langen dunklen Haaren unbestimmt im Raum hin und her lief.
An einer anderen Stelle saßen ein paar Leute die betrübt den Kopf gesenkt hatten und der Junge, der vorhin an mir vorbeigeführt wurde, lag auf dem Boden. Eine Schiene lag an seinem Bein und an beiden Armen. Man hatte ihm wohl ziemlich starke Schmerzmittel verabreicht. Er schien zu schlafen.
Raphael führte mich aus dem Raum hindurch zu der Eisernen Tür.
"Was wollen wir dort? Ich hab für heute wirklich genug Vampire gesehen"
Ich sah ihn fragend und angewidert an.
"Da hinten ist die Röntgenröhre"
"Achso"
Wir schwiegen wieder. Die Stimmung hier war viel zu bedrückt, als das es mir nach Konversation gewesen wäre.
Er legte mich vorsichtig auf der Liege der Röhre ab und machte sich an dem Apparat zu schaffen.
Ich war erstaunt, was er alles wusste.
Er wandte sich an mich
"Ich werde dich jetzt rein fahren. Bleib einfach ganz ruhig liegen und denk an was anderes."
Mit einem leichten Ruck fuhr meine Liege an und glitt in die Röhre. Mir wurde es ziemlich mulmig. Das letzte Mal, als ich in solch eine Röhre gesteckt wurde, bekam ich eine Panikattacke. Damals war ich vierzehn Jahre alt und hatte mir bei der schulischen Leichtathletik eine Rippe gebrochen. Ich wollte eigentlich nur einen Hürdenlauf hinter mich bringen und stolperte natürlich direkt über die erste Hürde und rammte mir den Eckpfosten in die Rippen. Seit dem hatte selbst mein Sportlehrer verstanden, dass ich nicht fähig bin.
Das laute rumsen der Maschine riss mich aus meinen Gedanken. Ich atmete tief ein und versuchte mich zu beruhigen. Erstaunlicher Weise gelang es mir.


Nach einer Weile ließ der Lärm endlich nach und meine Liege fuhr wieder nach draußen. Erleichtert holte ich Luft. Ganz langsam und vorsichtig. Ich wollte nicht, dass der Schmerz wieder überhandnahm. Ich sah mich um, konnte Raphael aber nicht sehen. Wahrscheinlich sah er sich die Bilder an.
„Und nun?“ schoss es mir durch den Kopf. Da ich ziemlich müde und ausgelaugt war, beschloss ich einfach die Augen zu schließen und mich etwas zu entspannen.


Kapitel 12

„Hey Süße, bist du wach?“
Maggys Stimme ertönte sehr verschwommen neben mir. Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber es viel mir verdammt schwer. Ich war immer noch unglaublich müde. Dennoch raffte ich mich zusammen und sah Maggy an. Sie saß neben meinem Bett auf einem Stuhl.
„Ja bin ich. Was gibt’s? Hab ich lange geschlafen? Ist alles Ok bei mir? Und wie geht’s euch. Was ist alles passiert? Wie geht es den anderen?“
Fragend sah ich sie an und sie erwiderte meinem Blick. Allerdings sah sie sehr irritiert aus.
„Kind, das waren ein paar Fragen zu viel auf einmal. Lass mich überlegen. Also Wir haben so halb drei Mittags. Du hast, glaube ich, ca. sechs Stunden geschlafen. Und du hast eine gebrochene Rippe. Dein Fußknöchel ist nur geprellt. Mir geht es gut. Raphael und Paige fehlt es ebenso an nichts. Und Hmm.?“
Nachdenklich sah sie zur Decke.
„Was war noch gleich die andere Frage?“
Ich lächelte. „ Ich wollte wissen, was alles passiert war, woher wussten die Vampire von dem Bunker“
„Ach ja, stimmt.“
Betrübt senkte sie ihren Blick wieder und starrte auf den Rand meiner Bettdecke.
„Also ich weiß es nicht genau. Niemand weiß es so genau. Es gibt nur Vermutungen.“
Sie sah mir wieder ins Gesicht und ich konnte ihre Augen kurz aufleuchten sehen.
„Aber wir arbeiten daran. Wir haben wieder einen erwischt. Er ist im Labor. Ich werde versuchen alles was er weiß aus ihm raus zu quetschen. Ich werde ihn bis auf die Haut ausmergeln lassen und dann werde ich ihm langsam…“
Während sie sprach, formten sich ihre Hände zu Fäusten und sie tat so, als würde sie ein Handtuch auswringen. Sie schien ziemlich wütend zu sein. Ihre Stimme wurde immer leiser, bis ich sie nicht mehr verstand.
Ich sah sie an.
„Maggy?“
Sie regiert nicht. Noch immer murmelte sie leise vor sich hin.
Ich wurde etwas lauter.
„Maggy!“
Sie schrak hoch.
„Was? Ach bitte entschuldige Kindchen. Ich bin abgeschweift.“
Verwirrt und etwas beschämt sah sie wieder zu mir. Ich lächelte sie an.
„Macht doch nichts. Ich bin auch oft in Gedanken verloren.“

Abermals lächelte sie.
„Du bist bestimmt noch müde. Schlaf noch ein bisschen.“
Sanft strich sie mir über den Kopf. Sie hatte Recht. Aber ein grummeln in meiner Magengegend erinnerte mich daran, das etwas zu Essen auch nicht schlecht wäre.
„ Ja Maggy, später werde ich schlafen, aber vorher würde ich gerne noch etwas essen. Geht das?“ Hoffnungsvoll sah ich sie an.
Erschrocken sprang sie auf und lief zur Tür
„Hach herrje. Aber natürlich. Ich geh sofort und hol dir was“
Mit diesem Satz war sie auch schon aus dem Zimmer verschwunden und lies mich zurück.

Während ich auf Maggy wartete oder besser gesagt auf mein Essen, musste ich an das Gespräch zwischen Raphael und Romeo denken. Zuvor hatte ich es nicht für wichtig gehalten. Aber nun, jetzt wo ich wieder fit war, schallten diese Worte wieder in meinen Ohren. Was hatten sie gemeint, als sie davon sprachen "Sie sei mit ihnen gegangen" Darüber musste ich unbedingt mit Raphael reden. Wieso hatte er mir noch nichts davon erzählt?
Ich malte mir die verrücktesten Geschichten aus. Eine absurder wie die andere. Während ich so darüber nachdachte, viel mir auch wieder ein, das ich nicht wusste, was es mit der Frau, Raphaels Schwester, auf sich hatte. Ich wusste nur das sie in meinem ersten Zimmer gelebt hatte. In dem man mich notdürftiger Weise untergebracht hatte. Es bedrückte Raphael jedes Mal wenn er dort rein ging. Ich hatte ihn ein paar Mal dabei beobachtet. Meistens verschwand er für ein oder zwei Stunden um dann sehr aufgelöst wieder raus zukommen. Aber er verlor nie ein Wort über sie. Wieso nicht? Ich dachte sie sei seine Schwester?
Ein klopfen an der Tür holte mich wieder in die Realität zurück. Das musste Maggy sein mit meinem Essen.
Freudig bat ich sie herein.
„Kindchen, ich hab dir Milchreis gemacht. Ich hoffe es schmeckt dir“
„Aber natürlich Maggy, von dir sowieso“

Ich war ihr wirklich dankbar für alles was sie bisher für mich getan hat. Sie hat mir vom ersten Augenblick an Mut zugesprochen, mich in den Arm genommen wenn mir danach war. Mich gestützt und unterstützt. Ich wusste oder besser gesagt ich spürte, das etwas ziemlich großes auf uns zukommen würde und es war nichts gutes. Es gab noch so viele offene Fragen auf die ich eine Antwort wollte. So vieles ist in den letzten Monaten geschehen. Aber bevor ich mich in all das Chaos rein stürze, wollte ich erst einmal schlafen. Zudem konnte ich mit einer gebrochen Rippe sowieso nicht viel anstellen.....

 

Kapitel 12

In den kommenden Wochen passierte nicht sonderlich viel. Ich hatte also genug Zeit mich zu erholen.
Jedoch schien mir diese Ruhe nicht echt. Ich hatte das Gefühl, sie wollten etwas vor mir verbergen.
Ich dachte viel in dieser Zeit über mein früheres Leben nach. Obwohl es eigentlich noch gar nicht solang her war, kam es mir vor, als wäre es schon Jahre her. Ich musste an Peter denken, meinem damals besten Freund, der mich in dieser mysteriösen Nacht ins Krankenhaus gebracht hatte. Von dem gut aussehenden Arzt ganz zu schweigen.
Und ich musste immer wieder an Anna denken. Wie hatte sie mich so täuschen können. Die ganzen Jahre. War das etwa alles nicht echt? Und oh Gott, ihre ganzen Männer. Ich konnte zwar nie einen davon wirklich gut leiden, aber den Tod, und vor allen ein so grauenvoller Tod, hatten sie nicht verdient. Niemand hatte so etwas verdient.

 

Ich war mittlerweile wieder in meinem Zimmer und durfte mich dort erholen. Wie sich heraus stellte, hatte es neun unserer Kämpfer gekostet. Und ich war unendlich dankbar das unter ihnen keiner derer war, die ich gut kannte. Das mag vielleicht egoistisch klingen aber ich bin trotzdem froh darüber.

Paige und Raphael besuchten mich fast jeden Tag und ich begann langsam wieder am Alltagsgeschehen teil zu nehmen. Es kehrte überall so wieder Ruhe ein. Das Trauern hatte man sich hier wohl abgewöhnt.

„Dafür passiert zu oft was, wir sagen uns vor jedem Kampf lebe wohl. Sofern es möglich ist. Dann ist es leichter wenn es tatsächlich passiert. Aber ganz geht es ohne Trauer dann doch nicht. Zumindest wenn es einen direkt betrifft. Die direkten Angehörigen dürfen dann auch ein paar Tage freihaben.“

Paige schweifte in Gedanken ab und ihr Blick trübte sich.

Direkte Angehörige? Das schien mir die Gelegenheit unauffällig etwas über Raphaels Schwester zu erfahren. Bestimmt wusste sie was.

„Was meinst du mit direkten Angehörigen? So wie Raphaels Schwester?“

Sie setzte sich auf meine Bettkante uns stopfte ein bisschen Chips in sich rein.

„Ja, zum Beispiel.“

„Was war denn da genau?“

Sie sah sich um, als würde sie sicherstellen wollen, das sonst niemand da war.

„Weisst du, eigentlich mag Raphael es nicht, wenn man über sie redet. Aber ich denke ein bisschen was kannst du schon darüber wissen. Aber sag ihm nicht, das ich dir was verraten hab. Das musst du mir versprechen. Er killt mich sonst“

Ich setze mich neben sie.

„ja klar ich sag keinem was.“

Gespannt sah ich sie an.

„Also pass auf. Raphael und Cindy schlossen sich gemeinsam unserer Organisation an. Sie mussten schon früh mir dem Verlust ihrer Eltern klarkommen. Beide waren Zeugen als die zwei von Vampiren getötet wurden. Damals waren sie elf und dreizehn. Unsere Organisation konnte zwar verhindern, dass die zwei auch getötet wurden aber für die Eltern war jede Hilfe zu spät. Sie wurden dann hier aufgenommen. Sonst wären sie wohl in einer Psychiatrie gelandet. Schließlich glaubt so was niemand. Naja und dann vor zwei Jahren wurde Cindy bei einem Kampf gegen diese Bastarde verletzt und von ihnen mitgenommen. Sie wollten sie als Druckmittel einsetzten oder besser gesagt als Waffe gegen uns. Sie wussten das sie Raphaels Schwester war und er ist unser bester Mann. Sie hofften ihn und damit uns alle zu schwächen. Sie verwandelten sie in einen Vampir und verpassten ihr eine Gehirnwäsche. Nun ja ende der Geschichte.“

Ich musste schlucken, das war heftig. Also wirklich richtig heftig. Ich wollte mir gar nicht ausmalen wie man sich fühlen musste, wenn man so was miterlebt. Die eigene Schwester irgendwie Tod und dann doch wieder nicht. Vom ärgsten Verbündeten zum Feind. Und auch wenn er es nicht selbst getan hat, gibt er sich bestimmt trotzdem die Schuld daran.

„Wow, das ist, also ich meine. Wow.“

Mehr fiel mir dazu einfach nicht ein. Ich war wirklich sprachlos.

„Ja, ich weis.“

Wir schwiegen kurz. Paige sah sich wieder um, säufste kurz und sprang dann mit einen Grinsen wieder auf.

„So, komm gehen wir essen. Genug Trübsal für heute. Heute gibt’s Spaghetti. Ich liebe Spaghetti.““Oh ja. Hunger. Essen. Gute Idee.“

Gemeinsam gingen wir in den Speisesaal und setzten uns zu Raphael und Romeo an den Tisch.

„Hey, wisst ihr schon das neuste?“ Romeo kaute auf seinen Nudeln rum, als wäre es ein Schnitzel.

„Morgen sollen wohl drei Neue kommen.“

„Hmm ok. Ja war aber zu erwarten. Irgendwie müssten wir die Verluste ja wieder ausgleichen. Wäre toll wenn es bereits erfahrene Kämpfer sind. Weil ich glaube nicht das vorteilhaft wäre, wenn die Hälfte unserer Einheit aus Neulingen besehen würde. Nichts für ungut Miri.“

Raphael zwinkerte mir zu. Und ich spürte wie ich leicht rot wurde. Betröttelt sah ich auf meinen Teller.

Raphael versorgte mich immer bei seinen Besuchen mit den wichtigen Information, während Paige eher für den Tratsch zuständig war. So blieb ich immer auf dem laufenden egal um was es ging. Bei einem seiner Besuche hatte er mir erzählt das wohl ein paar neue Kämpfer herkommen würden und es nur eine Frage der Zeit wäre wann sie eintreffen. Wir redeten sowieso viel wenn er da war. Ich saß dann auf meinem Bett und er machte es sich in meinem Lesesessel gemütlich. Manchmal schauten wir auch einfach einen Film an. Egal was wir taten ich genoss die Zeit, die er bei mir war und ich hatte das Gefühl auch ihm ging es so.

„Also ich hab gehört das morgen ein paar aus Belgien zu uns kommen. Dachte aber das wäre ein reiner Informationsbesuch. Würde dann aber eigentlich passen.“

Paige mischte sich nun auch ein und die drei begannen darüber zu spekulieren, wer da wohl Morgen kommen würde.

Ich hielt mich da raus. Ich hatte ja sowieso keine Ahnung davon also aß ich einfach brav meine Nudeln.

„Hallo ihr, was dagegen wenn ich mich zu euch setze?“

Andrea stand vor uns und sah Raphael wie immer schmachtend an. Ich konnte sie nicht leiden.

„Öhm, ja. JA klar. Da hier. Neben mir ist noch Platz.“

Raphael wies auf den Platz neben sich. Sie grinste breit und schmiss mir einen triumphierenden Blick zu. Nein, ich konnte sie wirklich nicht leiden. Und die Tatsache das sie mit ihnen mit reden konnte, machte die Situation nicht gerade besser für mich.

„Was meins du dazu?“

Andrea sprach mich direkt an. Ich war etwas sprachlos. Außerdem war ich dem Gespräch nicht gefolgt, wusste also gar nicht was sie grad von mir wollte.

„Ähm, sorry. Was meinst du? Hab grad nicht zugehört.“

Mit einem spöttischen Blick und einem herablassendem Ton meinte sie nur

„Ach, vergiss es. Woher willst du das auch wissen. Du musst da noch viel zu viel für lernen.“

Sie wandte sich wieder von mir ab und sprach nun direkt mit Raphael.

„Hey. Ich habe ein paar neue Waffen entwickelt. Wenn du möchtest kannst du sie dir ja mal ansehen. Du könntest ja einfach heute Abend bei mir vorbei kommen. Dann zeig ich sie dir. Würde mich interessieren was du davon hältst, bevor ich sie der Allgemeinheit vorstelle“

Paige verschluckte sich und fing an zu husten. Und bei mir zog sich der Magen zusammen.

„Hmm, ja klar. Warum eigentlich nicht. Dann komm ich nach dem Abendessen einfach mal bei dir durch.“ Und auch er grinste breit während er ihr antwortete.

„Super , toll. Dann machen wir das so.“

Zufrieden begann sie zu essen.

 

Mir verging der Appetit und ich wurde wirklich sauer. Was bildete diese blöde Kuh sich eigentlich ein. Ich stand auf und verließ den Tisch.

„Ich hab keinen Hunger mehr“

Andreas Blick gab mir den Rest. Ich musste hier schnell raus. Sonst würde ich ihr eine rein hauen soviel stand fest.

Verdutzt sahen mir die anderen hinterher aber das grinsen in Andreas Gesicht brannte sich förmlich in meinem Rücken.

 

Ich verkroch mich in meinem Zimmer. Ich wusste das meine Reaktion gerade völlig überzogen war, aber ich hatte ein ungutes Gefühl bei ihr. Sie störte mich einfach, und so wie sie ständig an Raphael rum grub ging mir wirklich tierisch auf die Nerven. Ich konnte nicht sagen ob er es nicht merkte oder ob er es sehr wohl merkte und es ihm gefiel. Da war ich mir einfach nicht sicher und das störte mich noch mehr. Ich hatte zwar keinerlei Ansprüche auf ihn aber ich dachte schon das die letzten Wochen uns irgendwie näher gebracht hatten.

Ich verbrachte den Rest des Tages mit Fernsehen und las noch in dem Buch weiter, dass ich von Maggy bekommen hat. Geschichte der Vampire. Es war wirklich interessant. Besonders die Entstehungsgeschichte. Wobei keiner Genau sagen konnte ob es so wirklich gewesen ist oder es nur ein Mythos war. Der erste Vampir war wohl ein Graf, der seine Frau im Krieg verloren hatte und um Rache nehmen zu können verkaufte er seine Seele dem Teufel. Der wiederum machte ihm im Gegenzug unbesiegbar und unsterblich. Der Graf erschuf seine eigene Armee und Rächte den Tot deiner Frau. Doch nach unzähligen Toten wurde seine Trauer nicht gelindert und er beschloss seinem Leben ein Ende zu setzten. Was ihm jedoch nicht gelang. Das war wohl der Preis den er zahlen musste. Vor lauter Wut über sich selber tötete er fast alle selbst erzeugten Vampire wieder und hinterließ nur eine handvoll Vertrauter. Seit dem war er wohl Abgetaucht denn man hörte nie wieder was von ihm. Einige Vermuteten er hätte doch einen Weg gefunden sich selbst zu töten, andere glaubten er wäre einfach irgendwann zu Stein geworden-vom ständigen still herumsitzen, wieder andere vermuteten das er immer noch in Transsylvanien sitzt und von dort die Vampire steuerte. Zumindest konnte man dort eine erhöhte Aktivität der Vampire feststellen und jeder Vampirjäger der zu nahe an das Schloss des Grafen kam, tauchte nie wieder auf.

Die Vorstellung das in irgend einem Schloss ein Uralter übermächtiger Vampir lauert war schon ein bisschen gruselig. Aber da es weit genug weg war, machte ich mir weniger sorgen.

 

Ich lies auch das Abendessen ausfallen ich hatte keine Lust dazu. Nach meiner Reaktion heute Mittag war er mir einfach peinlich. Morgen zum Frühstück würde ich wieder gehen. Da hatten es bestimmt alle vergessen. Und falls doch einer fragen würde sage ich einfach mir wäre schlecht gewesen. Das klappte bestimmt.

Ich holte aus meinem Naschlager ein paar Gummibärchen. Das war zwar nicht unbedingt eine nahrhafte Mahlzeit aber besser als nichts.

Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach neunzehn Uhr dreißig. Mich packte die Neugier. Was die zwei wohl bei ihr tun würden? Vielleicht lag ich ja auch falsch in meiner Annahme das zwischen ihnen was läuft.

Ich wartete noch eine viertel Stunde aber dann war ich doch zu unruhig und musste etwas tun. Ich machte mich also auf den Weg zu Andreas Haus. Es war schon dunkel und ich hatte die Hoffnung nicht all zu sehr bemerkt zu werden. Eigentlich war das total bescheuert und paranoid aber ich konnte es auch nicht lassen.

Ich betrat das Gebäude. Da ich einmal was von Andrea abholen musste, wusse ich welches ihr Zimmer war. Als ich direkt davor stand hielt ich inne. Was genau sollte ich denn sagen, wenn ich jetzt klopfe. Ich dachte kurz nach und beschloss dann, doch wieder zu gehen. Das war einfach zu dämlich. Es war still im Flur. Aber aus den Zimmer hörte ich ein Geräusch. Ich hielt mein Kopf etwas näher dran. Das Geräusch war eindeutig. Da drin musste es grad tierisch zur Sache gehen.

Ein Klos bildete sich in meinem Hals und die Tränen stiegen mir in die Augen. Auch mein Magen krampfe sich schmerzhaft zusammen. Na super. Ich hatte recht. Ich rannte zurück. Weg von der Tür und weg von den beiden.

Und ich dachte ernsthaft es könnte bei uns mehr draus werden als nur Freundschaft.

Was hatte ich aber auch erwartet. Ich und Raphael. Pah. Von wegen. Andrea war schön, klug und schon lange dabei. Ich hingegen war ein tolpatschiger Hitzkopf der kein Plan von der Sache hatte. So viel zum Thema, er hätte kein Interesse an ihr.

Ich wollte jetzt meine Ruhe. Ich war überrascht, das ich so heftig darauf reagierte. Ich meine wir waren kein Paar oder so was. Nichtmal ansatzweise. Näher wie damals in Trainingsraum sind wir uns nicht mehr gekommen.Aber er schmerzte mich trotzdem. Das machte mich umso wütender. Wie konnte ich nur so dumm sein. Ich war glaub tatsächlich verknallt. Aber richtig.

„So eine Scheiße!“ fluchte ich laut und ließ mich auf das Bett fallen. Ich drücke mein Kopf in das Kissen und Schrie hinein. Das tat ich öfters wenn ich nicht wusste wohin mit meinem Gefühlen und meiner Wut.

Ich verstand es nicht, Paige wusste doch sonst auch alles. Warum hatte sie dann immer gesagt sie würde ihm nichts bedeuten und er interessiere sich nicht für sie.

Das hat man ja jetzt gehört wie wenig er sich für sie interessierte.

Ich war so wütend. Wütend auf Raphael, auf Paige, auf Andrea und am meisten auf mich selber.



Ich heulte noch eine ganze Weile im Bett herum bis ich irgendwann erschöpft einschlief.

 

Der nächste Morgen kam viel zu schnell und meine Augen waren immer noch geschwollen von den Tränen. Naja, das würde meine Geschichte mit der Übelkeit etwas abrunden und ich konnte mich nach dem essen ohne großes Geschrei gleich wieder verziehen. Ich beschloss heute extra früh runter zu gehen. Ich wollte absolut den beiden nicht über den Weg laufen. Also zog ich mich schnell an und machte mich auf den Weg in den Speisesaal.

Ich holte mir eine große Portion Griesbrei und einen großen Kaffee. Eigentlich war ich nicht der Mega-Frühstücker aber da ich gestern schon nur ein halbes Mittagessen und gar kein Abendessen hatte, hatte ich heute Morgen extrem Kohldampf. Ich sah mich um. Keiner der beiden war zu sehen. Ich schien allgemein der erste zu sein. Gut so, mir war es recht. Ich hatte wirklich keine Lust auf irgendwelche Gespräche. Ich setzte mich in die hinterste Ecke, so das man mich kaum sehen konnte. Nur für den Fall das doch einer der beiden kommen würde.

Das essen tat mir richtig gut. Meine Lebensenergie kehrte etwas zurück und ich konnte mich etwas entspannen. Ich hatte diese Ruhe beim Essen vermisst, wie ich gerade feststellte und beschloss das öfters zu machen. Als ich fertig war räumte ich noch das Tablett weg und verlies den Saal. Ich beschloss mich ein bisschen Frisch zu machen und eine Runde schwimmen zu gehen. Das sollte mittlerweile wieder möglich sein. Es war gerade sieben Uhr und da gerade eben beim Fühstück keiner war, ging ich davon aus, das auch die Schwimmhalle leer sein musste.

Schnell putze ich die Zähne, band meine Haare hoch und schnappte mein Schwimmzeug.

Im Bad war es wie vermutet leer. Gut so.

Für gewöhnlich sprang ich einfach mit einem Köpfer ins Wasser, da ich aber nicht wusste ob meine Genesung schon soweit fortgeschritten war, zog ich es dieses mal vor langsam ins Becken zu steigen.

Das Wasser war eiskalt. Und das einsteigen stellte sich als komplizierter raus wie erwartet. Jeder Zentimeter lies meinem Körper erschauern. Ich musste wirklich lustig dabei ausgesehen haben. Aber irgendwann war es dann doch geschafft und ich begann langsam zu schwimmen. Nach zwei Bahnen musste ich aber schon wieder abbrechen. Ich war völlig außer Puste.

Das war ja dann wohl ein Reinfall. Gefrustet stieg ich aus dem Becken und legte mich kurz zum runter fahren auf eine Liege. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu entspannen. Da hörte ich Andreas Stimme. Gefolgt von Raphaels. Ich erschrak und sah mich um. Sie waren noch nirgends zu sehen. Ich stolperte fast von der Liege aber schaffte es noch aufzustehen ohne größere Geräusche von mir zu geben. Schnell schnappte ich mir meine Sachen und Suchte das Weite.

Na toll, jetzt gingen sie also schon zusammen Baden.Ich lugte vorsichtig in die Umkleide. Andrea stand da und zog sich gerade um. Ich wollte ihr absolut nicht über den weg laufen also harrte ich kurz in meiner Position aus und überlegte wo ich mich verstecken könnte. Ich sah die Toilette und schlich mich hinein. Ich hielt den Atem an, während ich versuchte so leise wie möglich die Klotüre zu schließen. Warum hielt man eigentlich den Atem an in solchen Situationen. Ich glaube das Luftholen danach ist lauter, als wenn man einfach ganz normal weiter geatmet hätte. Sie schien mich nicht gemerkt zu haben, denn eine ewig lange Minute später hörte ich wie sie an der Toilette vorbei lief und den Raum verließ.

Ich atmete erleichtert auf. Ich öffnete langsam die Türe und vergewisserte mich kurz ob sie tatsächlich nicht mehr da war. Aber der Raum war leer. Erleichtert kam ich aus dem Klo und betrat die umkleide. Duschen würde ich heute ausnahmsweise auf meinem Zimmer und nicht hier. Ich zog mich zügig um und wollte gerade gehen. Als mich wieder die Neugierde packte. Ich war einfach unverbesserlich. Aber es lag wohl in meiner Natur. Also zog ich die Schuhe wieder aus und schlich mich Richtung Schwimmsaal. Kurz vorher blieb ich stehen und lauschte

„Ach komm schon. Was ist denn jetzt los. Gestern warst du noch ganz anders.“

„Lass es Andrea. Ich dachte wir sind zum Trainieren hier. Ich hab dir bereits gesagt, das so was wie gestern nicht mehr vorkommen wird. Wir zwei sind durch.“

„Aber warum sagst du das. Wir hatten doch immer viel spaß mit einander“

„Ja eben. Spaß. Mehr nicht. Ich dachte das wäre schon immer klar gewesen.“

Andreas Stimme begann zu zittern

„Ist es wegen dieser bescheuerten Zicke? Was willst du bloß mit der. Ich bin schon viel länger da. Ich passe viel besser zu dir wie diese Pute. Ich kann es nicht verstehen. Bei mir bekommst du alles was du willst.“

„Lass jetzt gut sein. Es ist vorbei.“

„Ach aber gestern war ich dir noch gut genug. Du Vollidiot. Was glaubst du eigentlich was ich bin? Eine billige Hure die man einfach mal so vögeln kann“

Sie war außer sich vor Wut. Und ich musste ehrlich zugeben, auch wenn es mich erleichterte das zu hören, konnte ich sie dennoch verstehen. Ich wäre auch sehr verletzt in so einer Situation.

„Ja, ich weiß auch nicht warum ich das gestern getan habe. Eigentlich bin ich gekommen um dir zu sagen das es zwischen uns nichts mehr geben wird. Aber naja. Shit happens. Du hattest ja auch spaß“

Das war hart. Wirklich hart. So etwas hatte selbst eine Andrea nicht verdient.

Sie antwortete nichts. Aber ich hörte wie jemand aus dem Becken stieg. Ohoh, das war bestimmt Andrea die zurück kam. Schnell rannte ich so leise wie möglich zurück, schnappte mir meine Schuhe und verließ in Socken das Gebäude.

Eine paar Meter weiter und etwas abseits blieb ich stehen und zog mir meine Schuhe an. Es sah doch etwas komisch aus draussen ohne Schuhe unterwegs zu sein. Zumal es im Moment auch nicht wirklich warm war.

Das war Raphael sagte, war wirklich hart. Ich wusste nicht das er so fies sein konnte. Dabei musste ich aber an Paiges Worte denken.

„Raphael ist manchmal ziemlich hart und redet nie lange drum herum. Aber bei dir scheint er da eine Ausnahme zu machen. Er scheint dich wirklich zu mögen.“

Hmm, vielleicht war da ja doch was dran.

Und dann fiel mir auch ein was Paige an dem Tag noch gesagt hatte.

Er hätte zumindest keine emotionale Bindung mit ihr. Jetzt wusste ich auch was das zu bedeuten hatte. Ich hatte ihr unrecht getan als ich sauer auf sie war. Sie hatte mich sehr wohl gewarnt oder besser gesagt mich darüber informiert.

Mir ging es jetzt trotzdem deutlich besser. Zum einen weil ich wusste Paige hatte mir nichts verheimlicht. Zum anderen weil ich wusste das das mit Raphael und Andrea wohl zu Ende war und letztens das Raphael doch nicht so toll war wie ich dachte. Das machte das ganze nicht mehr ganz so schlimm. Im Gegenteil, diese Seite am ihm fand ich mehr als nur abstoßend. Und da das wohl seine übliche Art war, war ich mir nicht mehr sicher ob ich ein er und ich überhaupt wollte.

Im Zimmer angekommen ging ich erst einmal wie geplant duschen. Dabei viel mir auf, das ich mich wohl schon länger nicht mehr rasiert hatte. Zum Glück war vorhin keiner da. Wäre ja peinlich gewesen. Ich korrigierte diesen Zustand schleunigst.

Mittlerweile war es neun Uhr. Oder sollte ich eher sagen erst neun. Ich wusste nicht genau was ich jetzt tun sollte. Ich hatte immer noch keine Lust Raphael über den Weg zu laufen. Und Paige war ziemlich sicher trainieren. Maggy. Ich könnte sie im Labor besuchen.

Gesagt getan.

Maggy wirkte ziemlich überrascht als sie mich sah.

„Schätzchen. Du hier. So früh am Morgen?“

„Ja, ich war heute früh auf. Mir war ein bisschen langweilig und dachte ich besuche dich.“

„Achso ok. Alles ok bei dir? Deine Augen sind so rot.“

„Hmm ja klar. Das kommt vom Chlorwasser . Ich war vorher noch im Schwimmbad.“

„Dann warst du heute ja wirklich richtig früh wach. So kennt man dich ja gar nicht.“

Sie lies ein kurzes lachen von sich und beugte sich wieder über ihr Tischchen.

Ich stellte mich neben sie und versuchte heraus zu finden, was genau sie da tat. Aber ich konnte es beim besten Willen nicht erkennen

„ Was genau tust du da Maggy?“

„Ich versuche die Menschliche DNA von der Vampir DNA abzuspalten Oder besser gesagt farblich abzuheben.. Das ist wichtig für die Untersuchungen. Damit lässt es sich leichter Arbeiten und ist viel schneller und effektiver. Aber mir sind die vorbereiteten DNA-Stränge ausgegangen. Deswegen mache ich jetzt neue.“

„Achso.“

Ich stand noch ein paar Minuten daneben aber da ich nicht wirklich viel sehen konnte wurde mi schnell langweilig. Maggy war viel zu konzentriert, als das sie mich beschäftigen konnte also beschloss ich halt doch ieder zu gehen.

„Maggy ich geh wieder. Deine Arbeit wirkt sehr anstrengend. Ich will dich nicht länger stören dabei.“

„Hmm? Ja ja Kindchen. Mach das.“

Sie hörte mir nicht einmal richtig zu. Mit einem Grinsen verließ ich den Raum wieder.

Maggy war halt Maggy. Immer mit Hundertzehn Prozent bei der Sache. Egal um was es ging. Aber das machte sie auch zu solch einer außergewöhnlichen Wissenschaftlerin und einem so liebenswerten Menschen.

Ich trottete wieder auf mein Zimmer und schmiss mich au mein Bett.

Nachdem ich eine weile im Fernsehprogramm rum gezapt hatte hörte ich von draußen wildes Gewusel. Da ich aber kein Alarm ertönte, musste es wohl kein Angriff sein sondern einen anderen Auslöser haben. Da fiel es mir wieder ein. Die Neuen kamen ja heute. Ich sprang sofort auf und wollte raus. Beschloss aber dann doch mich erst noch ein wenig zurecht zu machen. Zuschauer gab es ja jetzt erst einmal genug und auch wenn mich meine Neugierde fast umbrachte, wollte ich nicht, so wie die meisten anderen, wie ein gaffender Affe auftreten.

Ich flocht mir meine Haare seitlich und schminkte mich ein bisschen. Nicht soviel, das ich aussah wie eine Barbie aber dennoch so das ich gut aussah. Warm war es drausen nicht wirklich aber es war in Ordnung. Zumindest für März.

Ablenkung tat bestimmt gut jetzt uns so ein eintreffen von Neuen war für mich wieder mal eine kleine Premiere. Mir ging es zwar deutlich besser, seit ich dem Gespräch im Schwimmbad gelauscht hatte, gleichzeitig entwickelte ich aber mit jeder Minute eine größere Abneigung ihm gegenüber. Ich glaube als Freund war er echt toll. Aber sobald es um mehr ging konnte man ihn vergessen. Ich hatte keine Lust so zu enden wie Andrea. Vielleicht hatte er bei ihr auch so angefangen wie bei mir und dann, als er sie am Haken hatte begann er mies zu ihr zu sein. Das wollte ich mir ersparen. So schwer es mir im Moment auch schien.

Es waren noch keine fünf Minuten vergangen aber ich stand schon fix und fertig gerichtet im Zimmer.

So und nun? Ich sah mich kurz um. Vielleicht konnte ich ja noch was aufräumen. Seit ich hier war hatte ich mich zu einem wahren Putzteufel entwickelt. Das konnte ich davor nicht von mir behaupten. Es herrschte früher immer ein gewisses Grundchaos in meiner Wohnung. Aber hier. Nichts. Nicht einmal ein Haar lag im Bad auf dem Boden. Das musste wohl an der vielen freien Zeit liegen die ich hier hatte.

Nun gut, ich sah nochmal auf die Uhr. Es war kurz vor elf. Ich einer Stunde würde es essen geben. So lange würde ich es jetzt auch noch aushalten. Bestimmt waren die Neuen beim Essen dabei, da hätte ich dann immer noch genug Gelegenheit sie zu sehen.

Ich warf mich wieder auf mein Bett und schaltete den Fernseher wieder an. Überall lief nur Schrott. Wie immer halt. Aber ich entschloss mich dann eine Dokumentation über die Sahara anzusehen. Das war wenigstens zum Aushalten. Das schöne war, das wie hier unglaublich viele Kanäle hatten. Das Niveau wurde aber deswegen trotzdem nicht besser.

 

Irgendwann muss ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte knurrte mein Magen ganz schön. Ich rappelte mich auf und rieb mir die Müdigkeit aus den Augen. Ich sah wieder auf die Uhr. Oha. Es war schon fünfzehn Uhr. Ich hatte das Essen tatsächlich verschlafen.

„Verdammt“ fluchte ich laut und sprang aus dem Bett. Das war keine wirklich gute Idee. Mir wurde schummerig und ich legte mich sofort wieder hin.

So ein ätzender Tag.

Heute war wirklich der Wurm drin. Eigentlich schon seit Gestern. Ich würde jetzt so unglaublich gerne einfach in eine Kneipe und sinnlos was trinken. Ich hatte das zwar früher nie gemacht aber heute hatte ich wirklich Lust dazu. Aber hier gab es ja nichts. Keine Privatsphäre außer im eigenen mickrigen Zimmer. Keine Rückzugsort. Keine Anonymität. Kein wirklicher Spaß. Wieder einmal überrollte mich mein Heimweh. Ich vermisste es. Ich vermisste alles. Ich begann zu weinen und drehte mein Kopf ins Kissen. Alles kotze mich an und erst recht mein Hunger. Aber von Chips und Schokolade hatte ich die Nase voll. Früher hätte ich mir jetzt einfach eine Pizza bestellt. Aber hier ist das ja nicht möglich. Hier gibt es nicht einmal eine offene Küche in der man sich mal schnell was brutzeln könnte. Nichts. Absolut nichts gab es hier über das ich mich freuen könnte. Die letzten Wochen hielt mich Raphael über Wasser aber nun? Wieso war er nur so dumm.

Es klopfte an der Tür. Schnell schluckte ich die Tränen runter aber ich antwortete nicht.

„Miri? Bist du da?“

Raphael stand vor der Tür. Ausgerechnet er.

„Las mich in Ruhe!“

Ich fauchte es mehr als das ich es sagte

„Wow, was ist denn mit dir los?“

„Nichts, alles bestens. Verschwinde einfach“

„Ja Ja schon gut. Bin ja schon weg“

Stille trat ein. Ich lauschte einen Moment aber ich hörte nichts. Er war tatsächlich gegangen.

Jetzt hasste ich ihn noch mehr. Wie konnte er jetzt einfach gehen.

Es interessierte ihn halt nicht wie es mir ging. Was hatte ich auch erwartet. Wieder einmal war ich enttäuscht über mich selber. Ich wusste was er für einer war und trotzdem wünschte ich er wäre rein gekommen und hätte mich getröstet.

Mir schossen Wörter in den Kopf die ich normalerweise niemals benutzen würde.

Vollidiot und Depp waren noch die harmlosesten.

Ich versuchte mich wieder etwas zu beruhigen. Rein steigern machte die Sache nicht besser.

Ich stand wieder auf und ging in mein Bad. Beim Blick in den Spiegel wäre ich beinahe Rückwärts wieder raus gestolpert. Ich sah furchtbar aus. Meine Haare zerzaust. Meine Augen rot und geschwollen. Und meine Schminke war im kompletten Gesicht verteilt. Ein Zombie machte mehr her wie ich in diesem Moment. Ich machte meine Haare zu einen einfachen Pferdeschwanz und wusch mir mein Gesicht.

Die Augen waren zwar immer noch gerötet aber ich sah wieder menschlich aus. Mein Magen knurrte immer noch wie verrückt. Ich musste in die Mensa gehen und mir was holen. Kaffee und Kuchen stand mittags eigentlich immer Bereit. Ich hatte zwar absolut keine Lust auf irgendwelche Menschen aber mein Hunger siegte.

Ich säufste und machte mich auf den Weg. Schlimmer konnte es sowieso nicht mehr werden.

Ich ging langsam in den Speisesaal. Ein Paar Leute saßen hier aber ich ignorierte sie einfach. Versuchte sich auszublenden.Zielstrebig ging ich an die Kuchentheke. Heute gab es besonders viel Auswahl. Das lag bestimmt an der Ankunft der Belgier. Ich nahm mir ein Stück Himbeersahnetorte und Apfelkuchen. Einen Kaffee nahm ich gleich mit.Der würde mir gut tun. Ich setze mich in meine geliebte Ecke und begann zu essen. Es schmeckte herrlich. Nachdem ich die zwei Stücke gegessen hatte, stellte ich fest, das ich immer noch Hunger hatte. Also ging ich nochmal Nachschub besorgen.

Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Sie sahen alle so gut aus.

„Weisst du was du willst oder kann ich kurz vor?“

ich erschrak ein wenig. Und drehte mich schnell um. Direkt hinter mir stand ein junger Mann, den ich noch nie gesehen hatte.

„Hm. Ähm also du kannst vor. Weiss nicht was ich nehmen soll.“

„Danke. Ich nehm den Babanenkuchen. Der sieht gut aus.“

Bananenkuchen? Ja, das schien mir eine gute Idee.

„Oh ja. Den will ich auch. Jetzt wo du es gesagt hast.“

„Gute Wahl. Soll ich dir drauf machen?“

Er lächelte mich an und ich zurück.

„Ja gerne.“

Etwas unbeholfen hievte er mir ein Stückchen auf meinen Teller. Er war süß. Definitiv. Und so wie alle Kämpfer hatte auch er einen echt tollen Körper.

„Ich bin übrigens Nathan. Einer der Neuen. So wie wir hier anscheinend gerne genannt werden. Und mit wem habe ich das vergnügen?“

„Ich? Ich bin Miriam. Aber du kannst ruhig Miri sagen. Miriam ist so förmlich. So nennt man mich nur, wenn ich etwas angestellt habe.“

Hatte ich das tatsächlich gerade gesagt?

Er lachte.

„Alles klar. Miri also. Nun gut. Ich muss wieder zu den anderen. Kommst du mit?“

Ich sah kurz in die Richtung in die er zeigte. Raphael saß mit an diesem Tisch. Da wollte ich ganz bestimmt nicht sitzen. Allein sein Anblick aus der Ferne versetzte mir einen Stich in die Magengegend.

„Hmm, nein. Lieber nicht. Ein anderes mal. Habe heute einen blöden Tag und brauch ein bisschen Ruhe. Ein anderes sehr gerne aber.“

„Oh ok. Schade. Naja, dann bis irgendwann.“

Er wirkte etwas enttäuscht und es tat mir ein wenig leid, denn eigentlich schien er mir sehr nett zu sein. Aber mit Raphael an einem Tisch. Niemals.

„Hey wirklich. Wenn du willst kann ich dich nachher ein bisschen rum führen und dir alles Zeigen. Oder halt zumindest das was ich weiß. Bin auch erst ein paar Monate da. Wovon ich die Hälfte im Krankenbett verbracht habe.“

Er lachte wieder.

„Ok toll. Das würde mich freuen. Dann kannst du mir ja auch erzählen wie es zu dazu kam. Wann sollen wir uns treffen?“

„So in einer Stunde. Würde das gehen? Draußen vor der Türe.“

„Ja super passt. Ich freue mich.“

Er drehte sich um und ging zurück an seinen Platz. Ich tat es ihm gleich.

Hatte ich jetzt etwa ein Date? So etwas hatte ich heute wirklich nicht erwartet. Aber er schien wirklich toll zu sein. Und ein bisschen Ablenkung würde sicherlich gut tun. Ich fühlte mich wirklich viel besser als noch vor einer halben Stunde. Der Kuchen half gegen den Hunger und Nathan heiterte meine Stimmung auf. Der Tag war wohl doch nicht so schlimm wie gedacht.

Zurück in meinem Zimmer überlegte ich kurz ob ich mich vielleicht ein bisschen herrichten sollte. Beschloss dann aber es auf ein bisschen Wimperntusche zu beschränken. Schließlich hatte er mich vorhin bereits ungeschminkt gesehen. Und es war ja kein offizielles Date sondern ich führte in nur rum. Es wäre wohl sehr peinlich, wenn ich voll aufgetakelt vor ihm stehe und er eine Jogginghose trug.

Aber so war es ok.

Ich hatte zwar noch 15 Minuten Zeit, ging aber trotzdem schon mal los. Ich wollte ihn nicht warten lassen. falls er ein bisschen zu früh kommen würde. Zudem hatte ich eh nichts zu tun. Ich setzte mich auf die Parkbank gegenüber der Türe und wartete.

Etwa Fünf vor ging die Türe auf und er erschien. Ich freute mich wirklich. Denn ehrlich gesagt hatte ich schon ein bisschen Angst das er mich versetzen würde. Aber nun war er da.

Er kam auf mich zu.

„Hi, wartest du schon lange?“ Er blickte auf seine Armbanduhr.

„ Nein, nein. Bin auch grad eben hergekommen. Alles gut.“

Er atmete erleichtert auf.

„Ok super. Also dann. Wo fangen wir an?“

„Hm, ich denke direkt hier. Der Park ist das Zentrum der Anlage und der Weg führt an fasst allen Gebäuden vorbei.“

„Alles klar.“

Wir liefen los.

„Hier sind die vier Haupthäuser. Da brauchen wir ja nicht rein. Da sieht eins aus wie das andere. Auch von Innen.“

Er grinste „Ok. Wenn du es sagst.“

„Ja nein doch ehrlich. Hier sieht alles gleich aus. Gleich langweilig. Bei der optischen Gestaltung waren keine Meister am Werk.“

Wieder lachte er.

„Ich mag dich wirklich jetzt schon. So richtig schön trocken ehrlich.“

Ich musste auch grinsen. Das freute mich. Die meisten konnten mich früher nämlich genau deswegen nicht besonders gut leiden. Ich hatte über die Jahre versucht zu lernen es zu unterdrücken. Aber an Tagen wie heute war es mir herzlich egal. Ich sollte öfters mal ich selber sein. Das tat gut.

„Hier siehst du?“

Ich zeigte mit dem Finger auf das kleine Kiosk.

„Das ist unser Kiosk Schrägstrich Café. Nichts besonderes aber man kann wenigstens draußen sitzen. Alkohol sucht man hier übrigens vergebens. Außer es bringt wer was aus der Stadt mit. Voll bescheuert. Aber nun gut, ich mache die Regeln nicht.“

Er musste lachen. „Du bist genial. Wir sollten einfach mal zusammen in die Stadt fahren und einen trinken. Schließlich muss jemand mir auch die Stadt zeigen.“

Ich war mir jetzt gerade nicht ganz sicher ob das ein Flirt war oder nicht. War aber sowieso egal, ich durfte nicht in die Stadt.

„ Ich muss dich leider enttäuschen. Ich bin noch eine Gefangene hier. Zu hohes Fluchtrisiko.“

Verdutzt blieb er stehen.

„Wie meinst du das?“

Ich seufzte. „Also das ist etwas kompliziert“

„Stört mich nicht, erzähl es mir.“

Ich war mir nicht sicher ob ich es tun sollte, aber warum eigentlich nicht. Dann hört er wenigstens auch meine Version dazu und nicht nur die Raphael = Held Variante.

„Sollen wir ins Kaffee gehen und uns hinsetzten? Dann erzähl ich es dir?“

Er überlegte nicht lange.

„Ja klar, gerne.“

Wir setzten uns an einen kleinen Tisch am Rande. Er wirkte etwas wackelig. Die meisten Sitzgruppen waren durch neue ersetzt worden, diese allerdings noch nicht. Die billigen weißen Plastikstühle mit den alten verschlissenen Sitzkissen waren auch nicht wirklich einladend. Aber ich wollte keine Zuhörer dabei haben, deswegen störte mich es nicht. Er schien es ohne weitere Worte verstanden zu haben und setzte sich ohne zu fragen nieder.

„Hübsch“ er lehnte sich entspannt zurück.

Sein Sarkasmus gefiel mir wirklich.

Ich tat es ihm gleich.

Er beugte sich wieder nach vorne und stütze sich mit den Armen auf dem Tisch ab.

„Also dann erzähl mal“

Und das tat ich . Ich erzählte alles was so bisher passiert war und er hörte geduldig zu.

Jedes mal wenn ich dachte ich langweile ihn unterbrach er mich mit einer Frage und gab mir dadurch das Gefühl nicht langweilig zu sein. Das tat gut.

Nach ca einer Stunde und zwei Kaffees beschlossen wir endlich mit unser Tour weiter zu machen. Aber eine laute Durchsage unterbrach uns.

„Sehr geehrte Damen und Herren. Ich bitte Sie alle unverzüglich im Saal zu erscheinen.“

Ich sah zu Nathan und er zu mir. Er zuckte kurz mit den Schultern.

„Naja also dann, gehen wir halt mal.“

Er maschierte los blieb dann aber wieder stehen.

„Wohin genau müssen wir denn eigentlich.“

Ich musste lachen. „Dort hin“

Mit dem Finger zeigte ich ihm dir Richtung an und wir liefen zum großen Saal.

Bevor wir jedoch eintraten hielt er mich am Arm fest.

„Wir müssen das ein anderes mal unbedingt fortsetzen. Ich hatte wirklich spaß mit dir“

verdutzt lies er mich stehen und ging rein.

Schnell sammelte ich mich und lief ihm hinterher.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.08.2011

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