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Ich sitze hier, und das ist ganz alleine meine Idee gewesen, auf dem verregneten Bahnsteig und fröstle.
Nicht äußerlich kriecht Kühle durch Jacke und Shirt, innerlich wächst
Gänsehaut, aus Zweifeln geknüpft, unter der Haut, lässt sich nicht verdrängen.
Was habe ich mir dabei gedacht?

Keine Zeit zum Grübeln! Das Ticket ist gekauft, da: der ICE läuft ein. Ich sortiere meine
Schritte, um möglichst souverän wirkend auf eine Zugtür zuzusteuern.
Diese verdammten Schuhe! Die Schiene darin drückt, alternativ laufe ich ich keine hundert
Meter allein und doch sicher ohne sie. Mein bestes Stück also.
Ich muss wahnsinnig sein!

Nun gut, ich sitze inzwischen hier, unbequem, wie zumeist im ICE, krabbel die im Vorbeilaufen erstandene Zeitschrift am Kiosk aus der Tasche. Unverbindlich in die Runde gucken, auf gelangweilte Blicke treffend, ein typischer Dienstag Morgen.


Die Tasche: ein Relikt eines ebenfalls aus Gedankensprüngen entstandenen Städtetrip.
Zack: morgens zur Bushaltestelle gelaufen, den erstbesten Bus genommen, einfach mitgefahren und weg.
Dem Leben mitspielen: mal sehen, wer eher am Zug ist.
Nein, Spontanität ist etwas anderes.
Was ich mache, gleicht einem Tritt gegen das Schienbein. Dem Leben Beine machen. Bitterkeit.
Aber es hat was. Ungewohnte Offenheit vielleicht?

Die Tasche hat etwas Tröstliches. Seit jenem Tag da ich sie unnötigerweise und teurer
als ich mir eigentlich erlauben wollte in dem großen Geschäft der noch viel größeren
Stadt kaufte, schleppe ich sie mit.
Jedenfalls in der Regel dann, wenn ich wegfahre. So wie heute. Ungeplant und ohne Ziel.
Aber die Tasche hat ihre Innenfächer, praktisch, richtig gut für meinen Bedarf.
Tröstlich. Zumindest darin herrscht Übersicht.

Als wir durch Bingen fahren, komme ich zur Ruhe.

In Frankfurt umsteigen und ein Ticket, ja; aber wohin, löse ich weiter?
Oder fahre ich zurück nach Dortmund ...?

Warum nicht? Ich könnte sagen ich war bummeln, sollte jemand fragen.
Also, warum nicht?
Aber, warum doch?
Wieder Gedankensprünge, Zweifel, die forttragen aus der gewohnten Struktur des Alltags.
Oder ist es ganz simple Normalität, was ich grad mache?

Oder wähle ich doch Bamberg, zumindest als Zwischenstopp?
Gedankenspiele.


Egal, ich bin an der Reihe: "Einmal Bamberg Hauptbahnhof bitte."
Ein flüchtiges Lächeln, rüberschauen zu einem Kartenständer: "Nein danke, ohne Rückfahrt."
Ich werde Postkarten schreiben, nachher. Es fühlt sich beruhigend an wie eine gute Idee.
Oder etwa nicht?






Impressum

Texte: Gisela Mach
Bildmaterialien: Gisela Mach
Tag der Veröffentlichung: 03.03.2013

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