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Marc schlug die Augen auf und starrte an eine hohe, stuckverzierte Decke.
Eine fremde Decke.
Sein Herz hämmerte so wild und laut, als wolle es das Gefängnis seiner Rippen sprengen und der Schweiß rann in Strömen an seinem Körper herab.
Angst stieg in ihm auf, denn er wusste weder wo er war, wie er dort hin gekommen war, noch was mit ihm geschehen war.
Er wollte sich aufrichten, doch das war ihm nicht möglich.
Wer auch immer Marc an diesen gottverfluchten Ort gebracht hatte, war sehr gründlich gewesen und hatte seine Arme und Beine mit Lederriemen an eine Liege gefesselt.
Sein Hemd, das über seiner Brust in Fetzen gerissen worden war, war starr und braun vor getrocknetem Blut.
Marc verrenkte sich fast den Hals, aber er konnte keine Wunde spüren und auch keine sehen, nicht einmal einen Kratzer.
Die Angst die gerade noch still und leise um ihn herum geschlichen war, sprang ihn nun an und bohrte unnachgiebig ihre kalten Finger in sein Rückgrat.
Panisch huschte sein Blick durch das unbekannte Zimmer, streifte über gekachelte Wände, in die irgendetwas tiefe Kratzer geschlagen hatte. Er sah Ketten, die von der Decke hingen und stabil genug aussahen um etwas von der Größe eines Elefanten fest zuhalten.
Sein Blick blieb schließlich an einigen Stahltischen hängen, die ohne weiteres in einen Operationssaal gepasst hätten.
Was darauf lag konnte er nicht erkennen, doch seine Fantasie zeigte ihm recht interessante Bilder von kaltem, chirurgischem Stahl an dem noch das Blut früherer Opfer klebte.
Marc versuchte sich von den Lederriemen los zu machen bis er vor Anstrengung keuchte und die Adern an seinem Hals wie Seile hervortraten.
Es fehlte nicht mehr viel und er hätte sich die Blutzufuhr zu seinen Händen und Füßen abgeschnitten.
Marc fühlte sich als sei er in einem Alptraum gefangen, in dem man nicht fassen konnte was geschah weil es einfach zu absurd und entsetzlich war.
Was er in den zahllosen Horrorfilmen die er gesehen hatte, noch spannend gefunden hatte, verwandelte ihn nun in ein wimmerndes Häufchen Elend.
Er musste hier weg, musste von hier entkommen bevor sein Entführer zu Ende brachte was er begonnen hatte!
Denn wer auch immer in hier her gebracht hatte, etwas Gutes hatte er mit ihm nicht im Sinn.
Zum Kaffeetrinken und unterhalten musste man seine Gäste für gewöhnlich nicht fesseln.
Aber wie sollte Marc es schaffen von hier zu entkommen, wenn es ihm nicht einmal gelang sich von seinen Fesseln zu befreien?
Seine unergiebigen Fluchtpläne rissen ab, als ihm ein beißender Geruch in die Nase stieg. Es war ein animalischer Gestank, den er zuletzt im Zoo wahrgenommen hatte.
Damals war er dreizehn und hatte sich die Nase an der Glasplatte des Raubtierhauses platt gedrückt.
Welches Tier er sich angesehen hatte wusste er nicht mehr, doch den Geruch hatte er nicht vergessen. Er war wild und roh, er weckte Urängste.
Marc schüttelte den Kopf über sich selbst.
Statt in Kindheitserinnerungen zu schwelgen sollte er lieber darüber nachdenken, wie er hier heraus kam.
Es musste doch einen Weg geben, er musste....
War da eine Bewegung in der Zimmerecke gewesen?
Da neben der Tür, wo gerade noch das Mondlicht über die Kacheln gekrochen war schien sich jetzt die Dunkelheit zusammen zu ziehen.
Marc glaubte seine Augen spielten ihm einen Streich, aber nein.
Die Schatten die eben noch nicht da gewesen waren bewegten sich, waberten durcheinander und änderten ihre Form.
Marcs Muskeln protestierten schmerzhaft, als er den Kopf drehte um genauer hinsehen zu können.
Er ignorierte den Schmerz und bereute es.
Vor seinen Augen erstarrten die Schatten und verfestigten sich zu etwas, von dem Marc sicher war, dass es so gar nicht existieren durfte.
Das Ding kauerte in der Zimmerecke, doch wenn es stand überragte es ihn sicher um drei Köpfe, das verrieten seine langen, muskulösen Arme und Beine.
Gelbe Raubtieraugen taxierten ihn über eine breite, schwarze Schnauze hinweg, deren Lefzen so verzogen waren, dass man glauben konnte das Wesen grinste ihn an.
Reißzähne so groß wie das Taschenmesser, das er vor einer scheinbaren Ewigkeit besessen hatte, leuchteten gespenstisch in der Dunkelheit auf.
Alles in allem wirkte das Wesen wie eine groteske Mischung aus Wolf und Mensch, mit struppigem schwarzen Fell und Klauen die in der Lage waren einen Kleinwagen zu zerteilen.
Einen Moment lang starrte Marc das Monster einfach nur an, während sein Verstand versuchte zu verarbeiten was er dort sah.
Hatte man ihn mit Drogen vollgepumpt?
Oder hatte er einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen? Beides war möglich und beides war eine Erklärung für diesen Alptraum.
Sein Körper reagierte schneller als sein Verstand, seine Muskeln spannten sich an und warfen ihn gegen die Lederriemen, die ihn fesselten.
Alles was er damit erreichte war, dass die Liege einen Satz machte und mit einem schrillen Quietschen über die Fiesen scharrte.
Das Wesen war davon wenig beeindruckt, erhob sich und kam langsam auf ihn zu.
Marc schloss die Augen und begann rückwärts bis Zehn zu zählen. Das hatte er schon als Kind getan, wenn er schlecht geträumt hatte. Meistens war die Angst samt seinen Hirngespinsten verschwunden wenn er bei Eins angekommen war.
Und dieses Ding musste eine Ausgeburt seiner Fantasie sein. Es konnte nicht echt sein, selbst wenn er das Klicken seiner Krallen auf dem Fliesenboden hören konnte.
Es war nicht real und wenn er bis Eins gezählt hatte und seine Augen wieder öffnete würde es verschwunden sein.
Die schweren Schritte kamen beharrlich näher während Marc noch beharrlicher versuchte sie zu ignorieren.
Der Gestank nach Tier wurde immer unerträglicher, er konnte den Atem des fremden Wesens hören und was noch schlimmer war er konnte ihn spüren.
Faulig und feucht strich er über sein Gesicht hinweg, so nah war ihm das Ding gekommen.
Es stand genau neben ihm!
Er wusste es konnte nicht da sein und dennoch konnte er die Hitze seines riesigen Körpers spüren. Er wusste wie sich das struppige Fell anfühlen würde wenn er nur wagen würde es zu berühren!
Dann plötzlich war es nicht mehr da.
Dafür aber jemand anderes.
„Wie fühlen sie sich?“ Eine junge Frau in weißem Kittel stand neben der Liege und musterte ihn eindringlich.
Mit ihrem brünetten Pferdeschwanz und der schmalen Brille wirkte sie überhaupt nicht so wie man sich seinen verrückten Kidnapper vorstellte.
Marcs Blick huschte nervös im Raum umher aber das Monster war nirgendwo zu sehen.
Er wollte etwas erwidern, doch alles was er zu Stande brachte war ein Stammeln.
Er hatte keine Kontrolle über seine eigene Zunge.
„Ich weiß es ist nicht einfach.“ Sie lächelte schwach „Wahrscheinlich fürchten sie...“
ihre Worte endeten in einem feuchten Gurgeln als die zarte Haut über ihrer Kehle wie von Geisterhand aufgerissen wurde.
Blut spritzte Marc in einem warmen, klebrigen Schwall ins Gesicht, brannte in seinen Augen und lief ihm in den Mund.
Trotzdem sah er mit erschreckender Klarheit wie die Kehle der jungen Frau herausgerissen wurde.
Das Weiß ihrer Luftröhre hob sich leuchtend von dem roten Fleisch ihres Halses ab.
Der Kittel den sie trug wurde zerfetzt und über ihre Brüste liefen vier klaffende Wunden. Marc konnte ihre Rippen darunter erkennen.
Irgendetwas hielt sie fest, denn ihr Körper zuckte so wild hin und her, dass sich allein nicht mehr hätte auf den Beinen halten können.
Es sah aus als führe sie einen bizarren Tanz auf.
Das Monster konnte keine Vision gewesen sein, es war hier mit ihnen im Raum, auch wenn er es nicht mehr sehen konnte.
Immerhin konnte er sehen was es anrichtete und das reichte vollkommen.
Er hörte wie die Rippen der Frau brachen, als etwas sie mit brutaler Gewalt nach außen bog um ihr Herz frei zulegen.
Panik erfasste Marc, blinde Angst und unter Aufbietung all seiner Kräfte warf er sich herum.
Erstaunlich leicht gaben die Lederriemen plötzlich nach. Sie waren zerrissen, doch wie konnte das sein?
Marc stürzte samt der Liege auf die Seite und verschwendete keinen weiteren Gedanken an seine Fesseln.
Die Hauptsache er war frei.
Er sprang mit einem mehr oder minder eleganten Satz auf die Beine.
Das Reißen von Haut und das Bersten von Knochen, die auseinander gebrochen wurden beschleunigten seine Denkprozesse.
Durchs Fenster konnte er sehen, dass er sich im ersten Stock befand.
Ein Sprung von hier aus war zu meistern und wohl die einzige Fluchtmöglichkeit, da das Ding vor der Tür saß.
In der Spiegelung der Scheibe konnte er den Körper des Wesens sehen, nicht so deutlich wie vorher, eher wie einen Schatten.
Aber dennoch glaubte Marc ganz klar zu erkennen, wie es seine Mahlzeit unterbrach und in seine Richtung blickte.
Ohne weiter zu zögern nahm Marc den Stahltisch der ihm am nächsten stand und zertrümmerte damit das Fenster.
Für die Frau konnte er ohnehin nichts mehr tun.
Scherben zerschnitten ihm die Fußsohlen als er auf den Fenstersims kletterte- jemand hatte ihm die Schuhe ausgezogen- doch das kümmerte ihn nicht.
Die Glasscherben würden ihn nicht töten, das Wesen hinter ihm schon.
Marc nahm einmal tief Luft, sprang und landete alles andere als geschickt auf dem Rasen.
Er überschlug er sich, kam aber wieder schnell auf seine geschundenen Füße und begann zu rennen.
Das Haus in dem er gefangen gewesen war, war ein altes Fabrikgebäude, das er vorher noch nie gesehen hatte. Ein kniehoher, gusseiserner Zaun umgab den Garten, über den Marc mit einem schnellen Satz hinwegsetzte.
Als er auf der menschenleeren Straße landete, dachte er einen Moment darüber nach die Leute in dem Haus zu warnen.
Aber sie hatten ihn entführt und weiß Gott was mit ihm vorgehabt!
Er würde den Teufel tun und....
Ein Schatten bewegte sich am Rand seines Blickfelds und ein tiefes Knurren dröhnte in Marcs Ohren.
Der Geruch nach Tier trieb ihm die Tränen in die Augen.
Es war hier!
Direkt hinter ihm!
Marc wirbelte herum und hetzte die Straße entlang.
Er hatte das Ding zwar nicht wirklich gesehen, doch er spürte, hörte und roch es.
Es war ihm so nah, dass er sein fauliger Atem über Marcs Nacken strich.
Dass er es nicht sehen konnte machte es nur noch furchterregender.
„Nein!“ flüsterte er während seine nackten Füße dumpf auf das Kopfsteinpflaster klatschten. Das Klicken der riesigen Klauen die seinen Verfolger näher trugen, war viel lauter zu hören als seine eigenen Schritte.
Er brauchte Hilfe, doch es schien als wäre die Welt ausgestorben.
Abgesehen von dem Alptraumwesen hinter ihm war er allein.
Er musste in Bewegung bleiben mit seinem Verfolger im Nacken und hoffen, dass er irgendwo Hilfe fand. Dabei hatte er das Gefühl auf der Stelle zu treten weil das Ding immer direkt hinter ihm war, ja regelrecht an ihm klebte vollkommen egal wie schnell er lief. Die Muskeln in seinen Beinen spannten sich bis zum Zerreißen und bei jedem Atemzug war es als würde er Säure in seine Lungen saugen.
Marc musste die Hauptstraße erreichen, andere Menschen boten Sicherheit.
Wie genau sie das tun sollten war ihm nicht klar, aber diesem Prinzip durfte er nicht zweifeln. Es war der einzige Plan den er hatte, und wenn er ihn aufgab, konnte er genau so gut gleich anhalten und darauf warten, dass es vorbei war.
Das Klicken der Krallen zerrte an seinen Nerven. Die knurrenden Atemzüge des Dings brachten ihn fast um den Verstand, denn er hörte sie so laut als wären es seine eigenen.
Marc kam an eine Kreuzung und bog seinem Bauchgefühl folgend nach rechts ab.
Er kannte sich hier nicht aus, ein Weg war also so gut wie der andere.
Und tatsächlich schien er die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Von hier aus konnte er Verkehrslärm hören, weit konnte er von der Hauptstraße also nicht mehr entfernt sein.
Wer hätte geahnt, dass vorbeirasende Autos sich so schön anhören konnten!
Marc bog in eine weitere Gasse ein, die ihn auf den Lärm zuführte und glaubte sich schon fast in Sicherheit.
Diesmal hatte er aber den falschen Weg gewählt.
Er schlitterte an einem stinkenden Stapel Pappkartons vorbei und fand sich vor einer massiven Wand aus Backsteinen wieder.
Eine Sackgasse!
Abrupt blieb er stehen und auch das Klicken der Krallen verstummte, der hechelnde Atem seines Verfolgers hielt einen Moment inne.
Das Ding stand genau hinter ihm. Marc konnte seinen riesigen Körper spüren und die Aggressivität die es aus jeder seiner Poren troff. Der Geruch des Todes kroch klebrig in Marcs Nase. Er haftete schlimmer an der Bestie als ihr animalischer Gestank.
Marc konnte sich nicht umdrehen. Die Angst hatte seine Muskeln in Stein verwandelt, nichts an seinem Körper wollte ihm mehr gehorchen und er hatte schon Angst er würde sich in die Hose pinkeln.
Aber selbst darauf kam es wohl nicht mehr an, denn niemanden würde es interessieren ob er sich nassgemacht hatte bevor dieses Ding ihn in Stücke zerriss. Unfähig auch nur seine Augen zu schließen wartete Marc auf das Unvermeidliche.
Vielleicht hätte er versucht zu kämpfen, wenn er nicht gesehen hätte was mit dem Mädchen geschehen war.
Andererseits, wie sollte man gegen etwas kämpfen, dass man nicht sehen konnte?
Ein Knurren, sehr viel höher als das der Bestie erklang plötzlich hinter Marc und er spürte wie das Ding von ihm zurückwich.
Das Leben kehrte in seinen Körper zurück und obwohl er es eigentlich nicht wollte musste er sich umdrehen.
Marc musste wissen was hinter ihm geschah er ertrug es nicht mehr abzuwarten.
Das was er für einen Stapel Pappkartons gehalten hatte, war die Unterkunft eines Penners, Marc konnte die abgewetzten Schuhe an den Füßen des Mannes sehen.
Sie waren das einzige was zwischen den Kartons herausragte.
Anscheinend war das was Marc für einen Haufen Müll gehalten hatte die Behausung des bedauernswerten Mannes. Der Penner schlief immer noch, unwissend welche Schrecken sich ganz in seiner Nähe abspielten.
Neben den Füßen des Obdachlosen saß ein kleiner schmutziger Mischling, das verfilzte Fell gesträubt und knurrte das Ungeheuer an.
Jetzt konnte Marc es auch wieder sehen und im Licht der flackernden Straßenlaterne war es noch hässlicher als zuvor.
Das Ding duckte sich und versetzte dem Mischling einen Schlag mit seiner gewaltigen Pranke, der den kleinen Hund durch die Luft segeln ließ wie eine gliederlose Puppe.
Mit einem dumpfen Jaulen landete er nicht weit entfernt von Marcs Füßen.
Die Bestie verschwendete keine weitere Zeit und stürzte sich auf den Penner. Kartons flogen zur Seite oder wurden einfach unter dem haarigen Gewicht des Dings zerquetscht.
Der Penner stieß einen schrillen, qualvollen Schrei aus, der schmerzhaft in Marcs Ohren wiederhallte.
Marc konnte sehen wie der Mann mit den Armen ruderte und versuchte nach der Bestie zu greifen. Aber genau so gut hätte er versuchen können einen Felsen mit bloßen Händen zu verrücken.
Die Hand, die versucht hatte den Kopf des Ungeheuers fortzustoßen, wurde ihm abgerissen. der Knochen zersplitterte unter den monströsen Kiefern wie ein trockenes Stück Holz.
Als das Fleisch des Mannes zerriss, hörte es sich an als würde jemand nassen Stoff auseinander reißen.
Der Schrei des Penners wurde zu einem immer leiser werdenden Wimmern, das schließlich ganz erstarb, als die Lunge des Mannes zerfetzt wurde.
Zu Marcs Füßen rappelte sich der kleine Mischling wieder auf.
Sein rechter Hinterlauf schien verletzt zu sein, er zog ihn ein wenig hinterher und fiepte leise.
Nichts desto trotz nahm er mit Todesverachtung Kurs auf die Bestie.
Er würde seinen Herrn verteidigen, was auch immer es kostete. Wahrscheinlich hatte der kleine Mischling schon öfter Prügel einstecken müssen, aber diesmal würde es ihn sein Leben kosten.
Marc wollte den Hund festhalten, seine Hände ergriffen jedoch nur leere Luft.
Ja, er hatte fast das Gefühl als seien seine Hände durch den Hund hindurch geglitten....
Lächerlich! So ein verrückter Gedanke!
Der Mischling war trotz seiner Verletzung noch sehr schnell und er hatte ihn einfach nicht zu fassen gekriegt.
Das war alles.
Ganz sicher.
Der kleine Hund stürzte sich auf das riesige Ungeheuer, doch wie erwartet war sein Mut ebenso vergeudet wie selten.
Sein tapferer Angriff fand ein jähes Ende als die Krallen der Bestie seinen kleinen Körper in zwei Hälften zerteilten. Hundegedärme landeten mit einem feuchten Klatschen auf der Straße und Marc musste heftig würgen.
Er wollte mehr denn je davon laufen, doch er konnte nirgendwo hin.
Hinter ihm war die Mauer, vor ihm versperrte die massige Gestalt der Bestie den Weg.
Aber vielleicht konnte er an dem Ding vorbeilaufen? Solange es mit den Überresten des Penners beschäftigt war konnte er sich vielleicht vorbeischleichen.
Alles war so unwirklich, seine Gedanken wurden träge. Er musste jetzt handeln sonst war alles verloren.
Marc tat gerade den ersten Schritt als eine Frauenstimme wie ein Peitschenhieb durch die Gasse fuhr.
„Bleib genau wo du bist!“
Marc erstarrte.
Zwei Männer mit finsteren Gesichtern und Doppelbockflinten im Anschlag flankierten die zierliche Frau, deren Worte Marc aufgehalten hatte.
Blonde Locken umrahmten ihr zierliches Gesicht, und sie passte so wenig in diese Gasse wie eine Schneeflocke in die Hölle.
Was Marcs Aufmerksamkeit jedoch wirklich auf sich zog war nicht ihr Aussehen sondern die schussbereite Armbrust mit der das Mädchen auf die Bestie zielte.
Etwas blitzte silbern auf im fahlen Licht des Mondes.
„Warum bist du nicht einfach geblieben wo du warst?“ in ihrer Stimme klang unterdrückter Ärger mit, fast so als spräche sie mit einem ungezogenen Kind und nicht mit einer zweieinhalb Meter großen Abscheulichkeit.
Ihre beiden Begleiter standen vollkommen regungslos, wie Statuen aber ihre Kampfbereitschaft umgab sie wie eine blutig rote Aura.
Das Ungeheuer zuckte zu ihnen herum, an seinen Krallen hingen große Fleischstücke die einmal zu dem Obdachlosen gehört hatten. Sein Knurren war so tief und laut als künde es ein Gewitter an.
„Und womit hat der arme Kerl so einen Tod verdient?“ das Mädchen taxierte die Bestie mit einem kalten Blick.
In ihren Augen stand keinerlei Überraschung oder Angst, nur Ärger verdunkelte die hellen Pupillen.
Marc schenkte hingegen niemand Beachtung, es schien als wäre er gar nicht da. Selbst der tote Penner hatte mehr Erwähnung gefunden als er.
Marc wusste nicht ob, er darüber verärgert oder erfreut sein sollte.
Schneller als für das menschliche Auge sichtbar sprang das Tier los um sich auf seine Angreifer zu stürzen, doch noch bevor seine riesigen Pfoten es vom Boden katapultiert hatten, löste die Armbrust aus.
Marc hörte den dumpfen Einschlag mit dem sich die Silberspitze des Bolzens in den mächtigen Brustkorb der Bestie versenkte und plötzlich spürte er selbst ein entsetzliches Brennen in der Brust. Einen Moment glaubte er fast an einen Herzinfarkt, doch dann zuckten Bilder durch seinen Kopf.
Er sah....................

....... den Park, hörte seine eigenen eiligen Schritte.
Er wollte schnell nach Hause und hatte deswegen diese Abkürzung genommen.
Jenny wartete sicher schon mit dem Abendessen auf ihn und sie machte sich immer gleich Sorgen wenn er zu spät kam.
Dann sah Marc den riesigen Schatten, der aus dem Gebüsch brach und sich auf ihn stürzte.
Schmerzen wüteten in seiner Brust, als würde ihn etwas zerreißen....................
Der furchtbare Gestank nach Tier.......
.... Seine Finger die sich hilflos in struppiges Fell klammerten, ohne etwas tun zu können.
Der Geschmack seines eigenen Blutes, das seinen Mund ausfüllte, als etwas seinen rechten Lungenflügel zerteilte......
.................. dann ein Knall, der Schuss einer Schrotflinte und das stinkende Gewicht wurde von seiner Brust gerissen.
Ein zerschmetterter Körper fiel neben ihm ins Gras.
Bevor die Welt in Dunkelweit versank, hatte er Leute gesehen die auf ihn zugelaufen kamen, Stimmen die ihn anriefen, fremde verzerrte Gesichter die sich über ihn beugten..........

Man hatte ihn nicht entführt, man hatte ihm das Leben gerettet................

Aber woher kam dieses Ungeheuer, wenn das, das ihn angegriffen hatte tot war?
Die getroffene Bestie sank zu Boden und lag zuckend im Dreck der Gasse.
Die junge Frau lud die Armbrust mit einem neuen Bolzen und trat einen vorsichtigen Schritt näher an die Bestie heran.
Ihr ganzer Körper war gespannt, falls sie sich mit einem Sprung in Sicherheit bringen musste. Ihre Muskeln zitterten schon beinahe, nur ihr Finger am Abzug der Waffe war vollkommen ruhig.
Es schien als erlebe sie eine solche Situation nicht zum ersten Mal.
Wie sich herausstellte war ein zweiter Schuss gar nicht nötig.
Der Werwolf begann bereits sich wieder in seine menschliche Gestalt zurück zu verwandeln, ein Prozess der immer schneller abgeschlossen war als die umgekehrte Verwandlung.
Die Frau seufzte.“ Das hätte alles nicht sein müssen, wenn er geblieben wäre. Aber wenn sie einmal getötet haben tun sie es immer wieder.“
Versuchshalber trat sie mit der Fußspitze gegen die blutverschmierte Leiche des jungen Mannes in dessen Brust der Armbrustbolzen steckte wie ein besonders hässlicher Körperschmuck.
„Nehmt die beiden Leichen mit. Den Hund auch. Und diesmal benutzt die Ketten, keine Lederriemen. Ich hoffe, dass der Penner sich verwandelt und dann will ich nicht, dass er auch entkommt. Ich brauche ein neues Versuchsobjekt und mir reicht ein toter Mitarbeiter pro Nacht.“
Sie nahm ein schmales schwarzes Diktiergerät aus der Tasche.
„Experiment 53 musste abgebrochen werden. Der Infizierte hat sich bereits vierzehn Stunden nach dem ersten Kontakt verwandelt, obwohl er das Serum in dreifacher Dosierung erhalten hat. Ist die Dosierung nicht ausreichend, oder muss die Zusammensetzung verändert werden?“
Marc hörte ihr nur mit halbem Ohr zu, denn er starrte auf das Gesicht der blutverschmierten Leiche.
Er hatte eine Vision von der Bestie gehabt.
Jetzt war er selbst nicht mehr als eine Vision. Ein Traum, nein, nur noch der Schatten eines Traums.
Marc kannte das Gesicht der Leiche.
Er kannte es sogar sehr gut.
Es war sein eigenes.


ENDEont>

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Tag der Veröffentlichung: 17.01.2009

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