Prolog
Schluchzend lief sie den gepflasterten Weg entlang. Warum war die Welt so grausam? Was hatte sie ihr getan?
Seit 2 Jahren begann ihr Leben zusammenzubrechen, jetzt hielt sie es nicht mehr aus. Sie hatte es satt, dauernd traurig zu sein.
Wieder fing die Welt an sich zu drehen. Jetzt auch noch Schwindel. Sie hasste es. Sie hasste es, wenn die Welt schwarz wurde. Wenn sie taumelte ohne jegliche Orientierung.
Richtig zusammengebrochen war sie natürlich noch nie, soweit hatte sie es nicht kommen lassen, dies jedoch war wieder nur ein Grund dafür, dass die Leute dachten, sie würde den Schwindel erfinden. Als ob man so etwas erfinden konnte.
Dieses Mal lief sie weiter. Es war ihr egal. Sollte sie doch zusammenbrechen, vielleicht würde dann endlich jemand merken, wie es ihr ging. Vielleicht würde ein Lehrer sich besorgt über sie beugen, wenn sie ihre Augen wieder öffnete. Bitte.
Als die Schwärze ihr Augenlicht vollkommen verdrängt hatte, spürte sie, wie ihre Kraft sie verließ. Gut so. Sie würde hier, mitten auf dem Schulhof, zusammenbrechen. Dann war alles schwarz und sie spürte noch nicht einmal den Aufprall. Jetzt musste alles besser werden.
Kapitel 1
Ich wachte auf und hielt meine Augen noch eine Weile geschlossen. Es war schön warm. Ich fühlte mich wohl hier. Langsam öffnete ich meine Augen, weil ich neugierig auf meinen Aufenthaltsort war. Ich blinzelte, denn ein helles Licht schien durch ein Fenster auf mein Bett. Unwillkürlich musste ich lächeln. Es war wunderschön, einfach hier in der Sonne zu liegen und nichts zu tun. Einen Moment genoss ich einfach den Augenblick, dann blickte ich mich weiter im Zimmer um. Ich sah zwei Türen, eine führte vermutlich zum Bad und eine andere zum Rest des Hauses. Außer meinem Bett und einer Art Nachttisch standen keine anderen Möbel in dem Raum. Doch. Ich entdeckte zwei Hocker zu meiner Rechten. Aber keinen Tisch. Das war merkwürdig. Ich kannte diesen Raum nicht, und das war komisch. Wie war ich hier hingekommen, was war passiert? Ich versuchte mich an etwas zu erinnern, doch es ging nicht.
Langsam geriet ich in Panik. Ich war in einem Raum, indem kaum Möbel standen, wusste nicht, wo er sich befand und hatte keine Erinnerungen an das, was passiert war. Ich hatte überhaupt keine Erinnerungen. Ich wusste nicht, wer ich war, wie alt ich war oder ob ich Familie hatte. Mein Herzschlag wurde schneller und spiegelte meine Panik wieder. Ich hörte ihn klar und deutlich in meinem Kopf.
Beruhig dich. Ich versuchte mir einzureden, dass es für alles eine Erklärung geben musste. Bald würde jemand hierher kommen und mir sagen, wer ich war. Warum ich hier war. Es würde alles logisch sein und ich würde mich dafür auslachen, dass ich in Panik geraten war.
Ich betrachtete meine Hand. Sie hatte einen Kratzer auf dem Handrücken. Ich strich darüber und die Wunde brannte. Ich wusste nicht, wie ich diese Wunde bekommen hatte. Aber ich spürte den Schmerz, also war ich bei Verstand. Ich wurde nicht verrückt.
Ich trug ein Nachthemd, das mir bis zu den Knien ging. Es sah merkwürdig Orange aus. Ich mochte Orange, aber irgendwie hatte ich eine Abneigung gegen dieses Nachthemd.
Ich hörte Schritte auf dem Gang hinter einer der Türen. Sie kamen näher. Ich spürte, wie mein Puls wieder höher wurde. Ich wurde wieder panisch. Diese eine Person konnte über mein Schicksal entscheiden. Würde mir sagen, warum ich hier war. Noch war ich sorglos, ohne Erinnerungen. Noch war ich nicht geprägt. Die Prägung würde diese Person vornehmen.
Ich hoffte, dass diese Person nett war. Bitte, bitte.
Eine Frau betrat den Raum. Sie trug einen weißen Umhang und lächelte mich an. Diese Frau war freundlich. Das war gut. Mein Puls beruhigte sich wieder und ich wollte die Decke zurückschlagen, um aufzustehen.
„Einen Moment. Du darfst nicht aufstehen. Bleib liegen.“, protestierte die Frau und eilte an mein Bett. Ich war beunruhigt. Warum durfte sie nicht aufstehen?
„Wie geht es dir?“, fragte die Frau sie.
„Gut.“, antwortete ich wahrheitsgetreu. „Was mache ich hier?“, fragte ich dann. Die Frau blickte mich kurz prüfend an, dann antwortete sie, während sie an einem Gerät herum nestelte, das ich bisher nicht bemerkt hatte;
„Du hattest einen Unfall.“
„Wirklich? Ich erinnere mich nicht daran.“, antwortete ich verwirrt. Wie konnte ich einen Unfall gehabt haben und mich nicht daran erinnern? Doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich konnte mich wegen dem Unfall nicht daran erinnern. Unwillkürlich fasste ich mir an den Hinterkopf. Wie ich es gedacht hatte, war ein Pflaster dort, wo eigentlich Haar hätte sein sollen.
„Du erinnerst dich nicht daran? An was erinnerst du dich denn?“, fragte die Frau besorgt. Ich musste also im Krankenhaus sein und die Frau war einen Ärztin oder Krankenschwester.
„An…“, ich dachte nach. An was erinnerte ich mich? „Nichts.“, vervollständigte ich niedergeschlagen.
„Hmm.“, die Frau machte jetzt einen nervösen Eindruck. „Wahrscheinlich wegen des Unfalls.“
„Was ist denn passiert?“, fragte ich, vielleicht würde meine Erinnerung ja zurückkommen, wenn ich erst einmal wusste, an was ich mich erinnern musste.
„Ich weiß es nicht genau. Ich glaube du bist gestürzt, als du in der Schule warst und du bist ausgerechnet auf einer Glasscherbe gelandet. Es war eine ziemlich tiefe Wunde und außerdem Risse im Schädelknochen.“
Das würde alles erklären. Das war die Erklärung, auf die ich gewartet hatte. Durch die Kopfverletzung hatte ich eine kurzzeitige Amnesie. Bald würde ich mich wieder erinnern und konnte aus dem Krankenhaus gehen und mein Leben weiterleben.
„Wie lange werde ich noch hierbleiben?“, fragte ich.
„Das ist noch nicht klar. Mindestens zwei oder drei Wochen.“ Das war ziemlich lang. Ich wusste nicht genau, ob ich mich freuen sollte oder nicht. Es war einerseits toll hier, in meinem Zimmer in der Sonne, aber es könnte langweilig werden, nach einiger Zeit. Aber es würden ja auch Freunde zu mir zu Besuch kommen. Ich lächelte. Es war einfach wunderbar.
„Deine Eltern werden sich freuen, dass du endlich aufgewacht bist.“, sagte die Krankenschwester lächelnd. „Ich werde ihnen sofort Bescheid sagen. Sie haben sich solche Sorgen um dich gemacht. Im Moment sind sie in der Cafeteria, sie verbringen fast ihren ganzen Tag hier im Krankenhaus.“
Tag der Veröffentlichung: 20.03.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für die beiden Personen, die mir geholfen haben, über meinen persönlichen Absturz hinwegzukommen.