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Eine Tür knallt und ich höre jemanden fluchen, kurz darauf steht meine Tante in meinem Zimmer und sieht mich vorwurfsvoll an.
,, Was soll das Felisa, was sollen die ganzen Koffer in der Eingangshalle, ich hätte mir beinah den Fuß gebrochen.“ Ich achte nicht auf sie sondern packe einen weiteren Koffer.
,, Was willst du denn mit den ganzen Klamotten.“
Wo ist denn das pinke Kleid mit der schwarzen Schleif, ich sehe mich suchend in meinem Kleiderschrank um. Als ich meiner Tante nicht antworte hält sie mich am Arm fest.
,, Felisa!“
,, WAS !?! Wonach sieht es denn wohl aus? Ich hau ab, ich verschwinde von hier, ich halte es hier nicht länger aus. In sechs Stunden geht mein Flieger, ich zieh zu John, es ist alles geklärt.“
,, Kommt nicht in Frage, du bleibst hier.“
,, Warum, damit ich jeden Tag an sie erinnert werde, das halte ich nicht aus. Du siehst doch wie schlecht es mir geht.“ Ein weiterer Koffer ist gepackt. Ich nehme ihn in die Hand und trage ihn die Treppe hinunter. Camilla, meine Cousine, kommt mir entgegen, wirft mir einen traurigen Blick zu und verschwindet in ihrem Zimmer.
,, Felisa, soll ich dir helfen?“ fragte mich Alejandro, doch ich antwortete nicht.
,, Wie viele Koffer willst du denn bitte mit nehmen?“
Warum kann mich meine Tante nicht einfach in Ruhe lassen, sie kann eh nichts mehr ändern, ich fliege, mir egal was die andere sagen. Ich gehe durchs Haus und laufe in den Garten hinaus, ich renne und renne, bis ich endlich bei der kleinen Laube am See ankomme. Langsam setzte ich mich auf die Bank und starre auf den See. Sie sehen doch wie ich leide, warum können sie mich dann nicht einfach gehen lasse, bei John wird es mir wesentlich besser gehen. Dort sind keine Leute die mich jeden Tag aufs neue fragen wie es mir geht. Dort kennt mich keiner und ich kann komplett von vorne anfangen. Ein Arm legt sich um meine Schultern. Ich blicke nach rechts, neben mir sitzt meine sechs Jahre alte Cousine, sie lächelt mich schüchtern an.
,, Soll ich wieder gehen?“ fragt sie leise.
Ich schüttle den Kopf und nehme sie in den Arm.
,, Wirst du für immer Weg gehen, Felisa?“
,, Nein, ich werde wieder kommen.“ flüsterte ich und wischte mir ein paar Tränen von der Wange. Valentina schweigt, sie sieht nur hinauf in den Himmel.
,, Ich vermisse dich.“ sagte sie nach einer Weile.
,, Ich werde dich auch vermissen, aber jetzt bin ich ja noch hier.“
,, Nein, bist du nicht, du bist seit einem Monat nicht mehr hier, ich weiß nicht wo du bist. Dein Körper ist hier, aber nicht das was in deinem Körper ist. Wo bist du Felisa?“ Valentina sieht mich mit ihren großen braunen Augen an. Sie ist noch so klein und doch so sehr wie ich.
,, Ich hab keine Ahnung, ich weiße es selber nicht.“
,, Sagst du´s mir, wenn du es herausgefunden hast?“ Ich fange an zu schluchzen.
,, Nicht weinen, es wird alles wieder gut, versprochen!“ sie gibt mir einen Kuss, steht auf und geht langsam davon. Ich atme tief durch, dann stehe ich auch auf und gehe zurück zum Haus. Wo meine Tante bereits mit einem Glas kaltem Wasser auf der Terrasse auf mich wartet. Sie will etwas sagen, tut es aber nicht.
,, Musst du noch was packen?“
,, Nein, ich ... ich muss mir nur noch was anderes anziehen.“
,, Wer fährt dich zum Flughafen?“
,, Monir, vielleicht kommt Camilla auch mit.“ ich nehme meine Tante in den Arm und drücke sie fest an mich.
,, Ich werde dich vermissen meine Liebe.“
,, Ich dich auch.“ hauche ich, dann steige ich die Treppe hoch. Im Bad vorm Spiegel bleibe ich stehen. Ich sehe nicht so frisch wie sonst immer aus. Meine Augen wirken gläsern und meine Lippen sind trocken. Ich steige in die Dusche, ziehe mir danach ein braunes Kleid an, schminke mich und mache mir die Haare, dann gehe ich noch ein mal durchs Haus und verabschiede mich von allen. Um kurz von zehn sitze ich im Kabrio von Monir und weine wie ein Schlosshund.
Am Flughafen ist der Bär los, überall Menschen in eile, Frauen die mit Tränen in den Augen ihren Männern hinterher winken, Männer die glücklich ihre Frauen in den Arm schließen und kleine Kinder die in dem ganzen Gewusel Tick spielen.
,, Wir kommen dich besuchen! Ruf an wenn du ankommst!“ Camilla fällt mir noch ein mal um den Hals, bevor ich einchecke.
,, Mach ich, ich werde euch vermissen!“ ich lächle ihnen zum letzten mal zu, dann drehe ich mich um und betrete mein neues Leben.
Alles was war werde ich vergessen und alles was kommt wird super. Ich setzte mein schönstes Lächeln auf, streiche mir durch mein blondes Haar und gehe entschlossen auf einen der vielen kleinen Läden zu, denn zu einem neu Leben gehört natürlich auch eine neue Sonnenbrille. Ich betrete einen der Läden, in denen man all die Sachen kaufen kann, die man zu Hause vergessen hat.
,, Guten Tag, kann ich ihnen helfen?“ ein junger Mann lächelt mich freundlich an, nicht ohne einen Blick auf mein Dekolleté zu werfen.
,, Ja, ich brauche eine neue Sonnenbrille und Nagellack.“ lächele ich freundlich zurück. Er sieht süß aus, mit der Strubbelfiesur und dem aufgeknöpften weißen T-Shirt.
,, Sonnenbrillen hätten wir hier, probieren sie doch die hier mal, die steht ihnen bestimmt.“ er reicht mir eine goldene Brille mit braunen Gläsern.
,, Perfekt, die nehme ich.“ zufrieden betrachte ich mich im Spiegel.
,, Was für eine Farbe wollen sie denn?“ er deutet auf die Nagelackfläschchen.
,, Mir egal, suchen sie eine aus.“
,, Ok, dann würde ich sagen ... rot.“ Ich nahm den roten Nagellack und seine Handynummer mit ins Flugzeug. Wir hatten uns noch lange unterhalten und als ich dann schließlich zu meinem Gate musste, steckte er mir einen Zettel mit seiner Nummer zu.
Im Flugzeug ist es kühl, es fliegen nicht viele mit. Vor mir sitzt ein Mann mit Aktentasche, im Gang neben mir eine Familie, hinter mir vier Omas, die nur am lachen sind und im Rest des Flugzeugs auch noch ein paar Personen. Ich sehe aus dem Fenster und lasse meine Gedanken schweifen.
Wie es John wohl geht, bestimmt sitzt er gerade in einer Bar und trinkt mit seinen Kumpel einen Drink. Und Melissa liegt bestimmt im Central Park und sonnt sich, umringt von gut aussehenden Typen die ihr jeden Wunsch von den Auge ablesen. Ach ja ... als erstes werde ich mir eine eigene Wohnung suchen und dann einen Freund. Die Wolken ziehen an uns vorbei, die Sonne scheint und weit unter sieht man die Landschaft. Meine Augen werden langsam schwer und ich schlafe ein.
,, Entschuldigen sie, haben sie vielleicht ein Taschentuch für mich? Mensch Ursula, jetzt lass mich doch mal in Ruhen.“ Ich schrecke hoch. Eine der Omis hat sich zu mir über den Sitz gebeugt und sieht mich fragend an.
,, Oh tut mir leid, ich wollte sie nicht wecken, haben sie ein Taschentuch?“ Ich sehe sie fragend an. ,, Oh, kann jemand von euch Spanisch?“ sie dreht sich zu den anderen Omis um. Die vier müssen aus Deutschland kommen, denn sie haben Socken in ihren Sandalen an. Ich denke scharf nach, in den Schule hatte ich drei Jahre deutsch.
,, Ähm ... was sie meinen?“
,, Sie sind super, man gut ihr Spanier könnt alle Deutsch, ich sage es ja immer wieder, wer Deutsch kann, kann überall hin.“
,, Wie?“ ich habe nur ,Spanier´, ,ich sage´ und ,Deutschland´ verstand.
,,Ach so, habe sie ein Taschentuch?“ Ok fest steht die Dame möchte etwas von mir, aber was? Das kommt davon wenn man in der Schule nicht aufpasst, irgendwas davon braucht man später immer.
,, Taschentuch?“ wiederhole ich.
,, Ja ... ähm?“ die Omi deutet auf ihre Nase und nies.
,, Ah, ich verstehen Tuch für Nase, nicht für Tasche.“ ich krame in meiner Handtasche und hole eine Packung Taschentücher hervor.
,, Dankeschön ähm ... gracias.“ die Omi nimmt ein Tuch aus den Packung und lächelt. Ich höre die anderen kichern. Das Mädchen der Familie neben mir sieht mich neugierig an. Sie hat lange braune Haare und grüne Augen, sie ist süß. Ihr fehlt ein Schneidezahn, wie Mutter. Ich wende mich abrupt ab. Ein Träne läuft meine Wange hinab, aber ich wische sie energisch weg. Das gehört nicht hier her, das ist Vergangenheit. Doch als hätte jemand auf einen Knopf gedrückt, sind plötzlich all die Bilder wieder da. Mein Vater wie er die Blumen gießt, meine Mutter wie sie am Herd steht und Luna, meinen Hund, sie bellt und plötzlich ist meine ganze Familie um mich herum, wir feiern ein Fest, den Fünfzigsten von Mutter. Ich schließe die Augen, es hilft, die Bilder verschwinden. Vergiss es, das ist alles gewesen!
Eine Stewardess kommt den Gang entlang und nimmt die Bestellung für´s Mittagessen auf. Ich bestelle mir nur einen Salat und eine Tasse Tee, dann hole ich mein Buch aus der Tasche und beginne zu lesen.
Nebel wabert langsam die Dünen hoch. Keine Menschenseele ist auf der Straße, alle haben ihre Fenster und Türen fest verriegelt, sich einen starken schwarzen Tee gekocht und sich mit einer dicken Wolldecke in ihren Sessel neben die Stehlampe gesetzt. Es ist totenstill,doch wenn man genau hinhört kann man Schreie hören, die durch Mark und Bein geht. Es sind die Schreie einer jungen Frau, die von den Nebelgeisern geholt worden ist. Sie schreit um ihr Leben, doch jeder der sie hört, weiß, dass sie niemand retten wird.


Louisa steht weinend am Fenster und sieht hinaus in den Nebel, irgendwo da draußen ist ihre Schwester, sie hatte es nicht rechtzeitig geschafft zu Hause zu sein und hat sich im Bushäuschen am Harfen versteckt. Sie hatte gesagt das sie sobald die Schreie verstummen zu ihr nach Hause kommen würde. Louisa hat angst das die Schrei von ihrer Schwester kommen, sie will sie anrufen, doch dann wüssten die Nebelgeister das da jemand ist, im Bushäuschen am Harfen. Louisa kneift die Augen zusammen, da drüben bewegt sich etwas im Nebel, das könnte sie ...nein, ein Auto. Es Fährt vorbei und biegt in den Leuchtturmweg ein, wo es wieder im Nebel verschwindet.
Genervt geht Juli ans Telefon: ,, Was ist den !?! ... Ja ich bin bereits in diesem Kaff angekommen, in dem man gerade mal zwei Meter weit gucken kann !!! ... Warum? Weil es hier total neblig ist, ich weiß gar nicht wie ich gleich ins Haus kommen soll, ohne das meine Frisur ruiniert wird. Ist wahrscheinlich unmöglich. ... Ja, was denkst du denn, sag lieber wann du her kommst! ... In zwei Wochen !?! Was soll ich denn zwei Wochen lang in diesem Kaff machen? Hier gibt es ja noch nicht mal eine Fußgängerzone, geschweige denn eine Kaufhaus. ... Wehe nicht.“ damit legt sie auf.
,, Idiot !!! Was stellt der sich denn


,, Entschuldigen sie, ihr Essen.“ schreckt die Stewardess mich auf.
,, Äh, danke schön.“ ich nehme ihr den Salat und den Tee ab. Schnell es ich ein paar Happen und trinke einen Schluck. Mir gefällt das Buch, es nimmt dich mit und lässt dich nicht mehr los. Ich schaue aus dem Fenster und sehe nur Wolken. Die Omis hinter mir essen still ihre Lasagne, der Mann vor mir scheint zu schlafen und das Mädchen neben mir sieht mich wieder oder immer noch an. Ich wende mich wieder dem Buch zu, in der Hoffnung mehr zu erfahren.
,,Idiot !!! Was stellt der sich denn vor, dass das hier zu geht wie auf Ibiza?“ sie atmet tief durch und fährt weiter die Straße entlang, bis sie vor einem Schlagbaum halten muss. ,, Was soll der Mist denn jetzt, hatte Oma etwa angst das sie in dieser Einöde jemand mit dem Auto besucht.“ genervt steigt Juli aus ihrem schwarzen BMW und folgt den schmalen Weg der höchstwahrscheinlich zu Haus führt. ,, Klasse, meine schönen Schuhe von Christian Louboutin kann ich dann auch in die Tonne hauen!“ flucht sie und stöckelt weiter, darauf bedacht in keine Pfütze zu treten.


,, Na, was lesen sie da?“ fragt mich ein junger Mann, der neben mir sitzt als ich aufsehe.
,, Oh, tut mir leid, ich habe sie gar nicht bemerkt.“
,, Kein Problem, dort hinten bei meinen Kumpels ist es so laut, das ich es nicht mehr ausgehalten habe und mich zu ihnen gesetzt habe. Ist das Buch gut?“
,, Ja, ich mag es.“ ich lege das Buch bei Seite und mustere den Mann, er trägt Jeans, ein schwarzes Hemd und lächelt freundlich. ,, Ich heiße Leandro.“
,, Hi, Felisa.“ ich gebe ihm die Hand. Wir unterhalten uns sehr lange über dies und jenes. Er kommt aus Madrid und zieht nun mit seinen Bandkolegen nach New York um dort so richtig durch zu starten.
Als wir dann endlich in New York landen, habe ich seine Handynummer und seine Emailadresse. ,, Felisa, meine Süße, ich finde es klasse das du hier bist, lass dich drücken.“ ruft John als ich den Parkplatz vor dem Flughafengebäude betrete.
,, Na du, ich freue mich auch riesig das ich hier bin. Wie geht’s dir?“ ich gebe ihm einen Kuss zur Begrüßung.

Impressum

Texte: Alle REchte liegen beim Autor!
Tag der Veröffentlichung: 02.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine sehr gute Freundin Saskia

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