Nervös stand ich vor´m Spiegel, zupfte immer wieder an meinem Pony herum, stich mir über´s Kleid und sah zwischendurch auf die alte Standuhr meiner Oma. Mein Gott war ich aufgeregt!Es war jetzt kurz vor sechs, also hatte ich noch zwei Stunden Zeit. Ich sah wieder in den Spiegel. Sollte ich wirklich so gehen? Was wenn er in Jeans und T-Shirt kam? Nein, so konnte ich wirklich nicht los, viel zu overdressed.
„Ruhig bleiben Jale, alles wird gut.“ versuchte ich mich zu beruhigen.
„Gar nichts wird gut.“ begann da auch schon die Stimme in meinem Kopf. Warum kam sie immer dann wenn man sie am wenigsten brauchte? Und warum hörte sie sich an wie Will Smith?
„Halt die Klappe“ schimpfte ich und ging zu meinem Kleiderschrank, vor dem schon ein beachtlicher Klamottenhügel lag.
„Was willst du ihm denn sagen wenn er dich fragt warum du auf einmal schwarze Haare hast?“
„Wieso?“
„Na weil du ihm geschrieben hast das du blond bist.“
Scheiße ... stimmt. Als Ruven mich irgendwann mal gefragt hatte, wie ich denn aussähe, hatte ich, hirnrissig wie ich war, geschrieben, dass ich blond wäre. Warum? Weil er auf blonde Mädchen stand.
Egal, dann würde ich halt sagen das ich mir die Haare gefärbt hatte. Jetzt musste erst mal das Kleidungsproblem aus der Welt geschafft werden.
Ich musterte planlos den Inhalt meines Schranks. Wie wäre es denn damit? ... Nein, viel zu schlabberig. Aber der schwarze Rock da, der würde doch gut zu dem roten ... Na ja, ging so.
„Und was sagst du wenn er dich nach deiner Cousine fragt?“ ertönte wieder die Stimme von Will Smith.
„Warum sollte er mich nach meiner Cousine fragen?“
„Weil du ihm erst kürzlich von ihrem schweren Motoradunfall erzählt hast, bei dem sie fast ums Leben gekommen wäre. Und seit dem im Koma liegt.“
Hatte ich das wirklich geschrieben? Nein, so durchgeknallt war selbst ich nicht. Weil ich mir aber nicht 100 prozentig sicher war, zücke ich mein Handy und sah nach. Tatsächlich ...
„Warum habe ich ihm so ein Mist erzählt?“
„Weil du nicht langweilig wirken wolltest.“
„Dich hat keiner gefragt.“
Meine Güte, jetzt führte ich schon Selbstgespräche! Zurück zum Kleidungsproblem. Ich könnte ja auch einfach eine Jeans, ein weißes Shirt und den geblümten Schal anziehen. Gedacht getan.
Kurze Zeit später hatte ich die Schachen an, richtig überzeugt war ich aber nicht.
Das Telefon im Flur klingelte, die Hole unter den Knien hängend watschelte ich hin. Wenn das Mama war, würde ich sofort wieder auflegen.
„Ja?“
„Hallo Süße, wie geht es dir? Du hast lange nicht mehr angerufen, ist was passiert?“
Es war meine Mutter.
„Mama, ich hab grad überhaupt keine Zeit, in zehn Minuten muss ich bei Maxe sein, tut mir leid.“ sagte ich und legte auf, ohne das meine Mutter etwas erwidern konnte.
Schnell lief ich wieder zurück ins Chaos, zu meinem Pech lag der halbe Inhalt meines Schirmständers im Flur verteilt. Da es sich mit Hose in den Kniekehlen schlecht laufen ließ, konnte ich nicht ausweichen und schlug der Länge nach hin. Stieß mir den Kopf am Schuhschrank und die Hose verfing sich in einem der Regenschirme. Als ich rasch wieder aufstehen wollte, riss die Hose auf.
„Scheiße!“ fluchte ich.
„Jetzt verschandelt der blaue Fleck deine Modelfigur.“
Konnte man diese Stimme irgendwo abstellen oder zumindest die Sprachseques verändern? Wahrscheinlich nicht!
„Von welcher Modelfigur redest du?“
„Von der, die du angeblich hast, aber wie ich sehe war das auch gelogen.“
„Hallo...“ mir fehlten die Worte. Mein Körper war zwar nicht perfekt, aber für die Tonne war er nun auch nicht. Meine Oberschenkel waren meiner Meinung nach etwas zu dick und der Po zu flach, aber das war doch in Ordnung.
Mit schmerzender Stirn ließ ich mich auf´s Bett fallen.
Hatte ich wirklich so viel Mist erzählt?
„Ja hast du, aber das war ja noch nicht alles.“ meinte Will arrogant.
„Was den noch?“
„Also, du studierst Mode ...“
„Das stimmt doch auch!“ unterbrach ich die Stimme in meinem Kopf.
„Ja, aber nicht per Fernstudium und auch nicht so nebenbei.“
„Wieso nebenbei?“ jetzt war ich verwirrt.
„Du studierst Kunst und nebenbei Mode, die Version kennt zumindest Juven. Das Geld für die Miete verdienst du dir im Café deiner Tante. Deine beste Freundin ist Model und hat auch schon ein paar Kleider von dir...“
„OK, OK , das reicht.“
Warum um Himmels willen hatte ich so viel gelogen? Nur um seinen Idealvorstellungen zu entsprächen? Was war denn mit mir los, so war ich doch sonst nicht.
Das beste würde sein, wenn ich einfach hier liegen bliebe und nicht zum Date ginge. Ich ergriff mein Handy, das just in diesem Moment zu vibrieren begann.
Eine SMS von Ruven. Vielleicht hatte er einen sehr wichtigen Termin und könnte nicht kommen.
Hallo meine Liebe, ich freue mich auf nachher ; ) Kuss Ruven
Schade hätte ja klappen können. Ich sehe auf die Uhr, ich hatte noch eineinhalb Stunden Zeit.
Letztendlich hatte ich mich doch für das Kleid entschieden und war nun auf dem Weg zum
,Mozart´, einem edlen Restaurant zehn Minuten von mir entfernt. Meine Knie zitterten wie Espenlaub, in meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und von meinem Margen will ich gar nicht erst anfangen. Ich war so extrem aufgeregt das es mir schwer viel einen Fuß vor den anderen zu setzten. Was wenn er mich überhaupt nicht leiden konnte, oder mich total hässlich finden würde?
Was wäre, wenn er gar nicht der junge Typ vom Profilbild war sondern son alter Knacker, der nur das eine von mir wollte. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Wenn das so wäre, dann wäre ich nicht die einigste die gelogen hätte.
„Jetzt mach schon Jale, zur Not hast du dein Pfeffersprai dabei.“
Um Punkt acht erreichte ich das ,Mozart´. Vorsichtig lugte ich durch Scheibe, konnte Ruven aber nirgends entdecken.
„Na, suchst du mich?“ fragte mich eine angenehm tiefe Stimme. Langsam drehte ich mich um und konnte meinen Augen nicht trauen. Ein extrem heißer Typ stand vor mir. Er sah noch besser aus als ich ihn mir vorgestellt hatte. Seine braunen Haare hatte er zurück gekämmt, seine Gesichtszüge waren markant. Ein weißes Hemd ließ seine blauen Augen strahlen.
„Hi ... bist du Ruven?“ stammelte ich.
„Ja und du musst Jale sein. Hi.“ er umarmte mich kurz, so als ob wie uns schon seit ewigkeiten kannten.
„Ich dachte du hättest blonde Haare.“
„War ja klar, ich hab gesagt das er das sagen wird.“ zischte Will selbstgefällig.
„Ja, ich muss dir was gestehen...“
Was, hatte ich das gerade wirklich gesagt? Nein!!! Ich wollte ihm gar nichts gestehen, was sollte das?
„Na, was denn? Wollen wir nicht erst einmal rein gehen?“
„Können wir, aber du musst wissen, ich bin nicht so anspruchsvoll. Ich hab auch keine modelnde Freundin und keine Cousine die im Koma liegt.“
Sein Blick veränderte sich für einen kurzen Moment, dann drehte er sich um und ging.“
„Nein ... geh nicht.“ rief ich ihm nach, doch er war schon um die nächste Ecke.
„Jale, du bist soo doof!“ sagte ich zu mir selbst und legte meine Stirn an die kühle Glasscheibe.
„Hi, kann ich dir helfen?“ das war doch Ruvens Stimme. Ich drehte mich erwartungsvoll um und tatsächlich stand er vor mir.
„Hi, ich bin Ruven.“
„Äh ...“ wollte er mich jetzt verarschen? „ich weiß...“
„Lass uns noch einmal von vorne anfangen, denn es wäre schade wenn wir nicht essen gehen würden. Du bist halt eine Mogelpackung, aber das macht mir nichts. Also wie sieht es aus unbekannte?“
Ich lächelte ich an, er legte einen Arm um mich und gemeinsam betraten wir das Mozart.
Texte: Alle rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 21.09.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner besten Freundin Franzika, die immer für mich da ist wenn ich sie brauche